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08 VI 03 - Московская немецкая газета - MDZ-Moskau

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Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

w w w . m d z - m o s k a u . e u<br />

UNABHÄNGIGE ZEITUNG FÜR POLITIK, WIRTSCHAFT UND KULTUR • GEGRÜNDET 1870<br />

Das Politikjahr<br />

Zu fernen<br />

orten<br />

Viele DDR-Bürger kannten an<br />

Ausland nur die Tschechoslowakei.<br />

Andere drangen in<br />

die abgelegensten<br />

<strong>03</strong><br />

Winkel der<br />

Sowjetunion vor - heimlich.<br />

Am 4. März wählt Russland einen neuen<br />

Präsidenten – aller Voraussicht nach wird er<br />

aber so neu nicht sein. Wladimir Putin, der<br />

das höchste Amt bereits von 2000 bis 20<strong>08</strong><br />

ausübte und gegenwärtig Ministerpräsident<br />

ist, sieht seine Mission noch nicht beendet,<br />

wie er sagt, und tritt erneut an. Die neueste<br />

Meinungsumfrage von WZIOM gibt ihm<br />

48 Prozent und allen anderen Kandidaten<br />

maximal zehn. Dabei macht ein Großteil<br />

der Unzufriedenen im Lande seine Ablehnung<br />

des politischen Systems an Putin fest.<br />

Die <strong>Moskau</strong>er Massenkundgebungen nach<br />

den Parlamentswahlen im Dezember waren<br />

auch ein Misstrauensvotum gegen ihn –<br />

und am 4. Februar findet die nächste statt.<br />

Beobachter halten es nicht für ausgeschlossen,<br />

dass Putin in eine Stichwahl muss.<br />

Allerdings hat es die liberale Opposition<br />

versäumt, sich auf einen Gegenkandidaten<br />

zu verständigen.<br />

Das <strong>Moskau</strong>jahr<br />

Am 1. Juli wächst <strong>Moskau</strong> auf einen Schlag<br />

um 160 000 Hektar und damit fast auf das<br />

Zweieinhalbfache. Die neue Grenzziehung<br />

im Südwesten soll die aus allen Nähten<br />

platzende Stadt entlasten und durch Auslagerung<br />

von Arbeitsplätzen sowie den damit<br />

mit eigenen<br />

worten<br />

Der Europarat will die Sprachen<br />

von Minderheiten<br />

schützen, Russland will es<br />

auch. Warum es trotzdem<br />

noch keine Einigung gibt.<br />

2012<br />

Was uns erwartet<br />

Das Jubiläumsjahr<br />

Vor 200 Jahren, am 7. September 1812,<br />

kam es in Borodino vor <strong>Moskau</strong> zur vermeintlichen<br />

Entscheidungsschlacht zwischen<br />

den napoleonischen Truppen und<br />

der russischen Armee. Rund 300 000 Soldaten<br />

standen sich gegenüber, erst nach<br />

zwölf Stunden schwiegen die Waffen. Es<br />

gab Zehntausende Tote – und doch keinen<br />

Sieger. Statt ein weiteres Gemetzel zu riskieren,<br />

befahl der russische Oberkommandierende<br />

Michail Kutusow den Rückzug<br />

und lockte die Invasoren mit dieser Kriegslist<br />

nach <strong>Moskau</strong> – in die Falle. Scheinbar<br />

am Ziel seiner Träume, stellte Napoleon<br />

fest, dass niemand kapitulierte, niemand<br />

verhandelte, stattdessen ein schweres Feuer<br />

die Stadt verwüstete und seine Mannen<br />

größte Mühe hatten, Lebensmittel aufzutreiben.<br />

Dann nahte auch schon der Winter.<br />

Einen Monat nach der Einnahme <strong>Moskau</strong>s<br />

zogen die Franzosen ab – geschwächt und<br />

demoralisiert. Auf dem Weg nach Westen<br />

wurden sie von Kutusows Truppen, die auf<br />

diese Gelegenheit gewartet hatten, und vom<br />

einsetzenden Frost zusehends aufgerieben.<br />

<strong>08</strong> <strong>VI</strong><br />

verbundenen Wegzug von Menschen unter<br />

anderem die Verkehrslage entschärfen. Zu<br />

<strong>Moskau</strong> statt zum <strong>Moskau</strong>er Umland gehören<br />

werden künftig Troizk und Schtscherbinka<br />

sowie 19 weitere Städte und Gemeinden.<br />

Als sie sechs Monate nach dem Überfall<br />

auf Russland wieder die russische Grenze<br />

erreichte, war von der stolzen „Grande<br />

Armée“ kaum noch etwas übrig. Der Sieg<br />

über Napoleon wird in Russland 2012 auf<br />

vielfältige Weise begangen. Im Innenhof<br />

des ehemaligen <strong>Moskau</strong>er Lenin-Museums<br />

eröffnet ein „Museum des Vaterländischen<br />

Krieges 1812“. Rekonstruiert werden das<br />

Borodino-Panorama und der Triumphbogen<br />

am Kutusow-Prospekt. Die Borodino-<br />

Schlacht wird wie jedes Jahr auch diesmal<br />

am Jahrestag vor Ort nachgestellt – allerdings<br />

mit besonderem Pomp.<br />

Zum 400. Mal jährt sich am 4. November<br />

der Volksaufstand von 1612 gegen die<br />

polnische Fremdherrschaft, die den Russen<br />

als Höhepunkt der „Smuta“ gilt, der<br />

Zeit ohne legitimen Regenten – ein nationales<br />

Trauma. Die Bürgerwehr von Minin<br />

und Poscharskij, deren Denkmal heute vor<br />

dem Eingang zur Basilius-Kathedrale steht,<br />

befreite den Kreml. Ein Jahr später trat mit<br />

Michail Romanow der erste Vertreter einer<br />

neuen Zarendynastie sein Amt an.<br />

Мистификация<br />

жизни<br />

и творчества<br />

В Москве открывается<br />

выставка работ художникасюрреалиста<br />

Макса Хаазе<br />

Weitere runde Jubiläen: Das Puschkin-<br />

Museum für bildende Künste in <strong>Moskau</strong><br />

wird 100 Jahre alt, ebenso wie angeblich<br />

auch der Russische Fußballverband.<br />

Das<br />

Deutschlandjahr<br />

Unter dem Motto „Deutschland und Russland<br />

– gemeinsam die Zukunft gestalten“<br />

beginnt im Juni 2012 das Deutschlandjahr<br />

in Russland. Im Fokus der Projekte und<br />

Veranstaltungen stehen in der zweiten Jahreshälfte<br />

2012 <strong>Moskau</strong> und St. Petersburg<br />

und in der ersten Jahreshälfte 2013 die<br />

russischen Regionen, insbesondere Nowosibirsk,<br />

Wolgograd, Jekaterinburg, Nischnij<br />

Nowgorod und Kaliningrad. Schwerpunkte<br />

sind die Themen gesellschaftliche Herausforderungen,<br />

Stadt und Raum, Ressourcen<br />

und Umwelt, Wissenschafts- und Bildungsaustausch<br />

sowie zeitgenössische Kultur.<br />

Das Sportjahr<br />

Bei der Fußball-EM vom 8. Juni bis 1. Juli<br />

in Polen und der Ukraine hat Russland eine<br />

eher leichte Gruppe mit Polen, Griechenland<br />

und Tschechien erwischt. Gespielt<br />

wird in Warschau und Breslau.<br />

02<br />

Ausgabe vom 19. Januar bis 1. Februar


02<br />

<strong>Moskau</strong>er<br />

impressum<br />

Herausgeber<br />

Olga Martens, Heinrich Martens<br />

Redaktion<br />

Lena Steinmetz<br />

Redaktionsleiterin<br />

Dr. Olga Silantjewa<br />

Stellv. Chefredakteurin<br />

Tino Künzel<br />

(Titelseite, Blickpunkt, Marktplatz,<br />

Sport)<br />

Kathrin Aldenhoff (ifa-Redakteurin)<br />

(Politik, Feuilleton, Gesellschaft,<br />

Regionen, Russlands Nachbarn)<br />

Jochen Stappenbeck<br />

(Wirtschaft, Ausflugstipp, Freizeit)<br />

Korrektur<br />

Marina Lischtschinskaja ,<br />

Alexander Paissow<br />

Computersatz<br />

Andrej Morenko<br />

Designentwurf: Hans Winkler<br />

<strong>MDZ</strong>-Online<br />

(www.mdz-moskau.eu)<br />

Tino Künzel<br />

„MaWi Group“<br />

Geschäftsführende<br />

Gesellschafterin<br />

Olga Martens<br />

Anzeigen<br />

Tel.: (499) 245 6757<br />

werbung@martens.ru<br />

Vertrieb<br />

Tel.: (499) 246 4051<br />

Fax: (499) 766 4876<br />

vertrieb@martens.ru<br />

Verlagsvertretung Deutschland<br />

Liudmila Urnysheva (Vertrieb)<br />

reklama@martens.ru<br />

BLICKPUNKT<br />

Adresse<br />

Russland, 119435 <strong>Moskau</strong>,<br />

Deutsch-Russisches Haus,<br />

Ul. Malaja Pirogowskaja 5, Office 54.<br />

Tel.: (495) 937 6544<br />

Fax: (499) 766 4876<br />

E-Mail: redaktion@martens.ru<br />

Ein Redakteur wir d durch das In stitut<br />

für Aus lands be zie hun gen e.V. aus<br />

Mit teln des Aus wär ti gen Am tes der<br />

Bun des re pub lik Deutsch land ge fördert.<br />

Die Redaktion übernimmt keine<br />

Haftung für den Inhalt der veröffentlichten<br />

Anzeigen.<br />

Namentlich gekennzeichnete Artikel<br />

geben nicht unbedingt die Meinung<br />

der Redaktion wieder.<br />

Nachdruck nur mit Quellenangabe<br />

möglich.<br />

Registriert bei Roskompetschat.<br />

Registriernummer 017576<br />

Redaktionsschluss:<br />

18. Januar 2012.<br />

Gedruckt in der Druckerei<br />

„Krasnaja Swesda“.<br />

Auflage 25 000 Expl.<br />

Номер заказа 5975<br />

Газета в розницу<br />

не распространяется.<br />

01<br />

Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

„Rache, Rache und nochmals Rache“<br />

Vor 25 Jahren starben in <strong>Moskau</strong> sieben Menschen bei einer Anschlagsserie<br />

Noch heute scheint es unglaublich, dass das erste Attentat in der <strong>Moskau</strong>er<br />

Metro in die Sowjetzeit fiel, mitten in die vergleichsweise friedlichen<br />

Breschnew-Jahre. Der Staat verhängte die Höchststrafe: 1979 wurden<br />

drei Armenier als Terroristen zum Tode verurteilt und erschossen.<br />

Der Generalsekretär hatte seinen<br />

70. gefeiert, die ausländischen<br />

Schmeichler waren wieder abgereist.<br />

Im Sowjetreich des greisen<br />

Leonid Breschnew wurden die<br />

Sicherheitsmaßnahmen nach dem<br />

Festakt für den Jubilar am 1. Januar<br />

1977 zurückgefahren. Die Menschen<br />

genossen ihre freien Tage<br />

rund um den Jahreswechsel.<br />

Dann der 8. Januar 1977, ein<br />

Samstag. In einem Zug der <strong>Moskau</strong>er<br />

Metro geht um 17.33 Uhr<br />

zwischen den Stationen Ismajlowskaja<br />

und Perwomajskaja ein<br />

Sprengsatz hoch. Sieben Passagiere<br />

werden getötet, mehrere Dutzend<br />

verletzt. Eine reichliche halbe Stunde<br />

später explodiert eine weitere<br />

Bombe in einem Lebensmittelgeschäft<br />

östlich des Stadtzentrums.<br />

Und noch einmal fünf Minuten<br />

darauf fliegt ein Abfalleimer ganz<br />

in der Nähe des KGB-Gebäudes<br />

an der Lubjanka in die Luft. Zum<br />

Glück sind dabei keine weiteren<br />

Opfer zu beklagen.<br />

Die politische Führung steht<br />

trotzdem unter Schock. Eilig wird<br />

Das vermeintliche Losglück könnte allerdings<br />

schnell nach hinten losgehen, sollten sich vor<br />

allem Polen und Griechen als die erwartet<br />

unbequemen Gegner herausstellen. Russland,<br />

das unter dem holländischen Trainerveteran<br />

Dick Advocaat in der Qualifikation selten<br />

überzeugte, wird im eigenen Land an der EM<br />

20<strong>08</strong> gemessen werden, als es in einem grandiosen<br />

Viertelfinale Holland besiegte, was eine<br />

beispiellose Euphorie auslöste: Hunderttausende<br />

strömten auf die Straßen und machten<br />

die Nacht zum Tag.<br />

Zu den Olympischen Sommerspielen vom<br />

27. Juli bis 12. August in London wird Russland<br />

wie gewohnt eine der größten Mannschaft<br />

aller Teilnehmerländer entsenden. Auch die<br />

Ambitionen dürften ehrgeizig sein. Russland<br />

sieht sich traditionell als Sportsupermacht<br />

und wird zumindest den Anschluss zu China<br />

und den USA nicht verlieren wollen, die in<br />

der Nationenwertung zuletzt die ersten beiden<br />

Plätze unter sich ausgemacht hatten. Russland<br />

gewann 20<strong>08</strong> in Peking dagegen „nur“ noch 23<br />

Goldmedaillen – in Athen 2004 waren es 27,<br />

vier Jahre davon in Sydney 32.<br />

Vom 10. bis 31. Mai wird in <strong>Moskau</strong> der<br />

Schach-WM-Titelkampf zwischen Herausforderer<br />

Boris Gelfand – einem gebürtigen<br />

Weißrussen mit israelischer Staatsbürgerschaft<br />

– und Weltmeister Viswanathan Anand<br />

aus Indien ausgetragen. Mitte Juli erlebt der<br />

„Moscow Raceway“, ein neues Motorsportmekka<br />

westlich von <strong>Moskau</strong>, seine Feuertaufe:<br />

Auf der Rennstrecke, die theoretisch auch<br />

für Formel-1-Läufe geeignet ist, gastiert die<br />

Re nault World Series.<br />

Von Tino Künzel<br />

in <strong>Moskau</strong> die Präsenz von Uniformierten<br />

verstärkt. „Man hat uns aus<br />

unserer Garnison abkommandiert,<br />

damit wir einige Wochen lang<br />

in den zentralen Metrostationen<br />

patrouillieren“, sagt der <strong>Moskau</strong>er<br />

Alexander Paissow, ein Oberstleutnant<br />

im Ruhestand.<br />

Nach den Tätern wird monatelang<br />

gefahndet. Die Ermittler<br />

befragen 500 Zeugen, analysieren<br />

die Art des Sprengstoffs, sogar die<br />

Überreste der beigen Kunstledertasche,<br />

in der die Metrobombe versteckt<br />

gewesen war. Doch das Verbrechen<br />

wäre wohl unaufgeklärt<br />

geblieben, hätten die Urheber nicht<br />

einen weiteren Anschlag geplant –<br />

bereits Ende 1977 und im Kursker<br />

Bahnhof von <strong>Moskau</strong>. Dort ließen<br />

sie im Wartesaal eine Tasche mit<br />

einer Splitterbombe zurück. Die<br />

fiel jedoch gerade noch rechtzeitig<br />

einem Reisenden auf, der die<br />

Kabel im Innern entdeckte und<br />

erschrocken Meldung machte. In<br />

der Tasche wurden auch eine Trainingsjacke<br />

und Haare gefunden.<br />

Stunden später nahm die Miliz im<br />

2012 »»» Was uns erwartet<br />

Das Wirtschaftsjahr<br />

Zug von <strong>Moskau</strong> nach Jerewan die<br />

beiden Armenier Akop Stepanjan<br />

und Sawen Bagdassarjan fest.<br />

Die Trainingsjacke gehörte nach<br />

Überzeugung der Emittler Stepanjan,<br />

er soll die dazu passenden<br />

Trainingshosen getragen haben.<br />

Seine Mutter identifizierte später<br />

die Tasche als die ihres Sohnes. In<br />

Jerewan verhaften die Behörden<br />

nun auch Stepan Satikjan, als Hintermann<br />

der Anschläge. Stepanjan<br />

und Bagdassarjan – seine Nachbarn<br />

– hätten sie ausgeführt.<br />

Satikjan ist für die Staatsmacht<br />

kein Unbekannter. Als Student am<br />

Polytechnischen Institut hatte er<br />

einst eine Untergrundpartei mitgegründet,<br />

die Nationale Vereinigte<br />

Partei Armeniens (NOP). Ihr Ziel<br />

war ein unabhängiges Armenien.<br />

Über den Austritt aus der Sowjetunion<br />

sollte per Volksabstimmung<br />

entschieden werden.<br />

Die NOP-Aktivisten wanderten<br />

1968 wegen „antisowjetischer<br />

Agitation und Propaganda“ hinter<br />

Gitter. Satikjan kam erst 1972<br />

frei, arbeitete fortan als Schlosser<br />

in einem Großbetrieb und stellte<br />

1975 einen Ausreiseantrag aus der<br />

Sowjetunion, der abgelehnt wurde.<br />

Mit seiner Frau und zwei Kindern<br />

lebte er zur Tatzeit in Jerewan.<br />

Die nationalistische Untergrundarbeit<br />

hatte er als perspektivlos<br />

eingestellt.<br />

In einem Geheimprozess wurden<br />

die drei Angeklagten am 24. Januar<br />

1979 zum Tode verurteilt. Satikjan<br />

erklärte sich für unschuldig, Stepanjan<br />

räumte eine Teilschuld ein,<br />

bestritt aber die Beteiligung Satikjans.<br />

Bagdassarjan gab alles zu.<br />

Erhalten geblieben ist ein Video,<br />

auf dem Stepan Satikjan erklärt, er<br />

erkenne dieses Gericht nicht an.<br />

Das „jüdisch-russische Imperium“<br />

sei kein Rechtsstaat und er selbst<br />

der Ankläger, nicht der Angeklagte.<br />

Seine Rede beendete er auf Armenisch:<br />

„Sagt den anderen, dass uns<br />

Rache, Rache und nochmals Rache<br />

bleibt.“<br />

Zahlreiche Sowjetdissidenten<br />

hielten den Prozess für fingiert<br />

und die Schuld der Angeklagten<br />

für nicht bewiesen. Physik-<br />

Nobelpreisträger Andrej Sacharow<br />

sprach offen davon, die Anschläge<br />

könnten auch das Werk der repressiven<br />

Staatsorgane gewesen sein –<br />

um anschließend leichter gegen<br />

kritische Geister vorgehen zu können.<br />

Sacharow forderte in einem<br />

Brief an Breschnew am 30. Januar<br />

1979, das Gerichtsverfahren neu<br />

aufzurollen. Doch da war es bereits<br />

zu spät. Am selben Tag wurden die<br />

drei Verurteilten hingerichtet.<br />

Am 8. und 9. September richtet Russland<br />

erstmals ein Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen<br />

Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) aus,<br />

der mehr als 20 Anrainerstaaten des Pazifik<br />

angehören, darunter Wirtschaftsmächte wie<br />

die USA, Japan und Australien. Getagt wird<br />

auf der Insel Russkij vor Wladiwostok. Seit<br />

der Vergabe der Gastgeberrechte des Gipfels<br />

hat Russland bei der Vorbereitung keine<br />

Kosten gescheut. So sind beispielsweise zwei<br />

Autobrücken im Bau. Eine überspannt das<br />

„Goldene Horn“ in Wladiwostok, die andere<br />

verbindet Wladiwostok erstmals mit der Insel<br />

Russkij. Auch zahlreiche andere Infrastruktur<br />

wird entweder rekonstruiert oder entsteht völlig<br />

neu, darunter ein supermoderner Campus<br />

für die Fernöstliche Föderale Universität, die<br />

im Vorjahr aus der Zusammenlegung von vier<br />

Hochschulen hervorging.<br />

Bereits für den Sommer erwarten Experten<br />

den Beitritt Russlands zur WTO. Die Welthandelsorganisation<br />

hat inzwischen grünes Licht<br />

gegeben, nun muss Russland noch die nötigen<br />

Dokumente ratifizieren, um die Verhandlungen<br />

nach fast 20 Jahren zum Abschluss zu<br />

bringen.<br />

Vom 20. bis 22. Juni werden beim UN-<br />

Klimagipfel für nachhaltige Entwicklung in<br />

Rio de Janeiro auch von Russland einschneidende<br />

Schritte erwartet, um seine Wirtschaft<br />

umweltverträglicher zu gestalten.<br />

Mit dem 1. Januar haben sich Russland,<br />

Weißrussland und Kasachstan zu einer Freihandelszone<br />

zusammengeschlossen. Zuvor<br />

war zwischen den drei Staaten bereits eine<br />

Zollunion vereinbart worden. Der einheitliche<br />

Wirtschaftsraum ist offen für weitere Länder.<br />

Als Kandidaten gelten etwa die Ukraine,<br />

Armenien und Kirgisien.<br />

Im Herbst soll der zweite Strang der Ostsee-<br />

Pipeline in Betrieb genommen werden. Damit<br />

verdoppelt sich auch die Liefermenge an Gas,<br />

die von Russland nach Europa fließt.<br />

Ebenfalls für den Herbst ist die Einweihung<br />

einer neuen Touristenhochburg im Nordkaukasus<br />

geplant. Russlands Regierung will in<br />

der Konfliktregion, die immer wieder durch<br />

Anschläge, Arbeitslosigkeit und Vetternwirtschaft<br />

in die Schlagzeilen gerät, neue Perspektiven<br />

schaffen. Fünf Wintersportorte sollen<br />

mit Investitionen von insgesamt 80 Milliarden<br />

Rubel (rund zwei Milliarden Euro) auf „Weltniveau“<br />

gebracht werden. Es handelt sich um<br />

die Bergregionen Archys in Karatschajewo-<br />

Tscherkessien, Besengi in Kabardino-Balkarien,<br />

Mamison in Nordossetien, Lagonaki im<br />

Krasnodarer Gebiet und Adygeja sowie Matlas<br />

in Dagestan. Am weitesten fortgeschritten in<br />

diesem so genannten „Tourcluster“ sind die<br />

Arbeiten in Archys. Der erste Bauabschnitt –<br />

das Dorf Romantik – soll 2012 übergeben<br />

werden. <br />

tk


Iduna Böhning/n-ost<br />

<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

Unerkannt durch Freundesland<br />

Wie Abenteurer und Andersdenkende aus der DDR illegal die Sowjetunion bereisten<br />

Ostdeutschen blieben bis 1989 nicht nur Reisen in den Westen verwehrt. Auch die Grenzen<br />

in die sozialistischen Bruderländer waren nur bedingt durchlässig. Hunderte, wenn<br />

nicht Tausende wagemutiger junger Menschen aber nutzten in den 70er und 80er Jahren<br />

ein bürokratisches Schlupfloch, um die Sowjetunion jenseits aller Reglementierungen zu<br />

erkunden. Die Berliner Dokumentarfilmerin Cornelia Klauß ihre Geschichten gesammelt.<br />

Die Idee stammte aus einem DDR-Comic<br />

und war ebenso reizvoll wie waghalsig: Fix<br />

und Fax, zwei freche Mäuse, basteln sich aus<br />

Langeweile einen Segelschlitten und haben<br />

einen Heidenspaß, damit über das Eis zu<br />

brausen. Als Kind liebte Uwe Wirthwein<br />

diese Geschichte. Als 27-Jähriger wollte er<br />

sie selbst erleben. Er überredete Freunde,<br />

das abenteuerliche Gefährt nachzubauen<br />

und auszuprobieren – und zwar auf dem<br />

Baikalsee, dem fernen Sehnsuchtsort, an den<br />

Ostdeutsche auf eigene Faust eigentlich gar<br />

nicht fahren durften. Und so kam es, dass<br />

im Sommer 1988 fünf junge Männer aus<br />

Dresden Nylonballen über die sowjetische<br />

Grenze schmuggelten, sich mit 36 Kilogramm<br />

schweren Rucksäcken bis nach Sibirien durchschlugen,<br />

dort Bäume fällten und schließlich<br />

einen riesigen Segler mit fünf Meter langem<br />

Mast aufs Eis des Baikal setzten. Sie reisten<br />

„Unerkannt durch Freundesland“ (UdF) und<br />

waren Teil einer Bewegung, von der bis zum<br />

Ende der DDR nur wenige wussten.<br />

Hunderte, vielleicht Tausende junger Ostdeutscher<br />

entflohen der Enge ihres Heimatlandes<br />

in den 70er und 80er Jahren durch<br />

ein Schlupfloch im bürokratischen System.<br />

Sie erklommen im Kaukasus schroffe Gipfel,<br />

erkundeten märchenhaft fremde Republiken<br />

in Zentralasien, streiften wochenlang durch<br />

sibirische Weiten – irgendwie illegal, aber<br />

von überforderten Behörden oft nur halbherzig<br />

aufgehalten. Reisen in die Sowjetunion<br />

waren damals angemeldeten Reisegruppen<br />

vorbehalten und für Individualtouristen tabu.<br />

Doch seit dem Prager Frühling 1968 kam ein<br />

Transitvisum zur Anwendung, das die zweioder<br />

dreitägige Durchreise durch die UdSSR<br />

erlaubte, um die unruhige Tschechoslowakei<br />

zu umgehen. Nie wieder abgeschafft, wurde<br />

es für viele junge Menschen zur Eintrittskarte<br />

in ein Land, das sich verheißungsvoll über<br />

elf Zeitzonen ausdehnte. „Wer es schaffte,<br />

nach der Einreise von der offiziellen Route<br />

abzuhauen und ins Landesinnere zu gelangen,<br />

konnte sich danach relativ frei bewegen“,<br />

erinnert sich UdF'ler Frank Böttcher.<br />

Er ist heute Verleger in Berlin und hat, genau<br />

wie zuvor schon ein Kollege in Sachsen, ein<br />

Buch herausgegeben, das die Geschichten<br />

der Weltenbummler aus Vorwendezeiten<br />

erzählt. Halb historisches Dokument, halb<br />

Reisetagebuch, zeigen die mit viel Liebe<br />

zum Detail gestalteten Sammelbände, was<br />

herauskam, wenn DDR-Bürger die Parole<br />

von der deutsch-sowjetischen Freundschaft<br />

wörtlich nahmen. Nahezu einhellig berichten<br />

sie von überschwänglicher Herzlichkeit,<br />

von offenen Armen, mit denen sie allerorts<br />

aufgenommen wurden. Sie erzählen von<br />

Milizionären, die in Verhören ratlose Fragen<br />

Von Ulrike Gruska (n-ost)<br />

Wartburg auf großer Fahrt: Mit Wohnanhänger Marke „Würdig“ ging es von Hoyerswerda über Polen in<br />

die Sowjetunion – zunächst nach Odessa und auf die Krim. Sogar vom Schwarzen Meer ließen sich die<br />

reiselustigen Insassen nicht aufhalten. Samt Fahrzeug setzten sie per Schiff zum Kaukasus über.<br />

stellten – und anschließend Fahrkarten in den<br />

nächsten Verwaltungsbezirk organisierten,<br />

um die unliebsamen Wanderer möglichst<br />

schnell wieder loszuwerden. Und sie zeigen<br />

Fotos, die ganz und gar nicht zum Bild von<br />

der UdSSR als kommunistischem Paradies<br />

passten: verfallene Wohnhäuser, bettelnde<br />

Rentner, notdürftig zusammengeflickte<br />

Traktoren.<br />

„Wir trafen Menschen, mit denen wir sonst<br />

nie in Berührung gekommen wären“, erzählt<br />

Baikal-Segler Uwe Wirthwein, „und wir<br />

erfuhren von Dingen, die es laut offizieller<br />

Propaganda nicht geben durfte.“ Ein Großteil<br />

der UdF-Reisenden waren Bergsteiger und<br />

Abenteurer wie er. Mit Ausrüstung Marke<br />

„Eigenbau“ begaben sie sich auf halsbrecherische<br />

Touren. Sie schnitten Isomatten<br />

aus Fußboden-Isolierstoff zurecht, bogen<br />

Lkw-Blattfedern zu Eispickeln und nähten<br />

Schlafsäcke aus westlichen Katalogen nach.<br />

Sie verfassten sich selbst Delegierungsschreiben<br />

für sportliche Expeditionen und setzten<br />

farbige Fantasiestempel darunter. Unverfroren<br />

und mit im Zweifelsfall ahnungslosem<br />

Gesicht präsentiert, kam man damit, so<br />

schien es, überall hin. Die einen radelten<br />

3 000 Kilometer durch das schier unendliche<br />

Land und ließen sich vom Nationaltrainer<br />

der sowjetischen Friedensfahrtmannschaft<br />

eine gebrochene Achse reparieren. Andere<br />

waren zugegen, als ausgewählte Alpinisten<br />

der UdSSR den höchsten Kaukasus-Gipfel<br />

bestiegen, wurden für ihre hervorragenden<br />

Leistungen ausgezeichnet und vom Staatsfernsehen<br />

interviewt. „Wir wollten Ungewisses<br />

ausprobieren und Grenzen überschreiten“,<br />

sagt Uwe Wirthwein.<br />

Doch neben den Naturburschen gab es<br />

von Anfang an auch andere, die den Grenzübertritt<br />

politisch interpretierten und sich<br />

vor allem für die Menschen in der Sowjetunion<br />

interessierten. Der Philosophiestudent<br />

Ekkehard Maaß etwa, von der Universität<br />

verwiesen, weil er 1976 gegen die Ausbürgerung<br />

Wolf Biermanns protestiert hatte.<br />

Er reiste stets mit Gitarre, hatte Biermanns<br />

Texte ins Russische übersetzt und kannte<br />

die Lieder Bulat Okudschawas auswendig,<br />

jenes laut Stasi-Akten „stark pessimistischen<br />

und versteckt antisowjetischen Sängers“, der<br />

den Russen so viel bedeutete. Wohin er kam,<br />

suchte Maaß nach Dissidenten und kritischen<br />

Künstlern. Er fand Okudschawa auf seiner<br />

Datscha bei <strong>Moskau</strong>. In Tiflis ließ er sich von<br />

dem verfemten Regisseur Sergej Paradschanow<br />

bewirten, in Kirgisien traf er Tschingis<br />

Aitmatow, „den wir“, so Maaß, „wegen seiner<br />

gesellschaftskritischen Romane verehrten und<br />

wegen seiner Funktionärsreden verachteten“.<br />

Der offiziell linientreue Schriftsteller nahm<br />

ihn mit zu einer Familienfeier aufs Land,<br />

wo Maaß feststellte, „dass der Kommunist<br />

Aitmatow gleichzeitig ein Moslem war, der<br />

betete“.<br />

Diesen Widerspruch zwischen verordnetem<br />

Atheismus und der tiefen Religiösität vieler<br />

Menschen erlebte auch Gernot Friedrich. Der<br />

Thüringer Pfarrer reiste bis zur Wende etwa<br />

zwanzig Mal illegal gen Osten, um Bibeln zu<br />

deutschen Gemeinden zu schmuggeln. „Ich<br />

hatte meist nur einen Faltbeutel dabei“, erzählt<br />

er, „darin zwei Hemden, Schreibzeug sowie<br />

die Schmuggelware. Und in der Hosentasche<br />

ein Stück Seife.“ Das Sowjetsystem und die<br />

Menschen, die in ihm lebten, das erkannte<br />

Friedrich schnell, waren zwei vollkommen<br />

verschiedene Dinge: auf der einen Seite ein<br />

übermächtiger Geheimdienst und die Angst<br />

der Bewachten, sich als Wolgadeutsche<br />

oder gar als Christen zu erkennen zu geben.<br />

Auf der anderen Seite kaum ein Ort, an<br />

dem der Pfarrer kein Bett fand, obwohl die<br />

unangemeldete Aufnahme von Ausländern<br />

untersagt war.<br />

Hatte er keine Angst, bei seinen riskanten<br />

Reisen erwischt zu werden? „Ich war eigentlich<br />

recht unbekümmert und bin immer tapfer<br />

drauflos gefahren“, erinnert sich Friedrich.<br />

Von den Plänen der Staatssicherheit, ihn<br />

durch falsche medizinische Behandlung „physisch<br />

und psychisch zu zersetzen“, erfuhr er<br />

erst nach dem Ende der DDR. Ein Vierteljahr<br />

habe er gebraucht, um seine 3 000-seitige<br />

Akte zu durchforsten – und dabei immer<br />

wieder „mit Amüsement festgestellt, wie<br />

oft ich denen entwischt bin“. Der 74-jährige<br />

Pfarrer, der noch heute jeden zweiten Sommer<br />

nach Sibirien fährt, lacht: „Ich war ein<br />

richtiger Kleinunternehmer, ich habe an die<br />

20 Spitzel beschäftigt.“<br />

Diese vergnügte Unerschrockenheit ist<br />

es, die der UdF-Bewegung anhaftet und sie<br />

im Nachhinein so faszinierend macht – die<br />

mutige Bereitschaft junger Ostdeutscher,<br />

BLICKPUNKT<br />

<strong>03</strong><br />

Freiheit nicht zu fordern, sondern sich einfach<br />

zu nehmen. Es war eine „ganz und gar kampflose<br />

Gegnerschaft zum SED-Staat“, bringt es<br />

Michael Beleites, UdF-Reisender und späterer<br />

Beauftragter für die Stasi-Unterlagen in<br />

Sachsen, auf den Punkt. „Vielleicht wirkten<br />

die subversiven Nutzer des Transitvisums<br />

genau deswegen viel freier; sie erschienen<br />

vom Naturell der Funktionäre weiter entfernt<br />

als viele Dissidenten.“<br />

Übereinstimmend berichten Transitreisende,<br />

wie klein ihnen die DDR nach der Rückkehr<br />

erschien, wie viel weniger bedrohlich<br />

der politische Apparat plötzlich wirkte, wie<br />

sie mit den äußeren Grenzen auch innere<br />

überwanden. „Wenn man in Angst lebte,<br />

konnte dieses Land einen ersticken“, sagt<br />

die Dramaturgin Cornelia Klauß, die in der<br />

DDR mit Berufsverbot belegt wurde und die<br />

2006 einen Dokumentarfilm über die UdF-<br />

Bewegung drehte. Dabei sei vieles einfach<br />

nur kurios gewesen.<br />

Kurios war auch die Antwort aus Ostberlin,<br />

als sowjetische Behörden Mitte der<br />

80er Jahre darauf drängten, dem Strom der<br />

unerlaubt durch die UdSSR trampenden<br />

Rucksacktouristen Einhalt zu gebieten und<br />

die Transitregelung wieder abzuschaffen. Das<br />

sei unmöglich, hieß es aus dem Ministerium<br />

für Staatssicherheit, denn dann würde „neben<br />

den bereits bekannten Einschränkungen im<br />

privaten Reiseverkehr für Bürger der DDR<br />

noch eine weitere attraktive Reiseroute entfallen“.<br />

So war es am Ende die Stasi selbst, die<br />

sich für die UdF'ler einsetzte – obwohl diese<br />

sie permanent an der Nase herumführten.<br />

Li te r at u r t i p p s z u m We i te r l e s e n:<br />

Cornelia Klauß und Frank Böttcher (Hg.): Unerkannt<br />

durch Freundesland. Illegale Reisen durch das Sowjetreich,<br />

Lukas-Verlag 2011<br />

Jörg Kuhbandner und Jan Oelker (Hg.): Transit. Illegal<br />

durch die Weiten der Sowjetunion, Notschriften-Verlag<br />

2010<br />

Werden Sie fündig!<br />

Hier finden Sie die<br />

aktuelle Ausgabe<br />

der <strong>MDZ</strong>:<br />

Deutsch-Russisches Haus <strong>Moskau</strong>, ul. Malaja<br />

Pirogowskaja, 5; Deutsche Botschaft <strong>Moskau</strong>, ul.<br />

Mosfilmowskaja, 56; Goethe-Institut, Leninskij<br />

Prospekt, 95a; Deutsche Wohnsiedlung Wernadskogo,<br />

Prospekt Wernadskogo, 1<strong>03</strong>; Deutsches Historisches<br />

Institut, Nachimowskij Prospekt, 51/52;<br />

Deutsch-Russische Auslandshandelskammer, 1.<br />

Kasatschij Per., 7; LLC German Centre for Industry<br />

and Trade, Prospekt Andropova, 18, Korpus, 6;<br />

Fluglinie Aeroflot, Flughafen Scheremetjewo, 2<br />

Hotels<br />

National, Mochowaja, 15/1; Metropol, Teatralnyj<br />

Per., 1/4; President Hotel, Bolschaja Jakimanka,<br />

24; Renaissance Hotel, Olim piskij Prospekt,<br />

18/1; Radisson Slawjanskaja, Bereschkowskaja<br />

Nab., 2; Art Hotel, 3. Peschtschanaja ul., 2;<br />

Swiss-Hotel Krasnyje Cholmy, Kosmodamianskaja<br />

Nab., 52; Baltschug-Kempinski, ul. Baltschug 1;<br />

Marriott Aurora, Petrowka, 11/20; Marriott Grand,<br />

Twerskaja, 26; Korston Hotel, Kossygina, 15; Holiday<br />

Inn, ul. Lesnaja, 15; Sheraton Palace Hotel,<br />

1. Twerskaja-Jamskaja, 19; Aquamarine Hotel,<br />

Oserkowskaja, 26; Renaissance Moscow Monarch<br />

Centre Hotel, Leningradskij Prospekt, 31a, Gebäude<br />

1; Savoy Hotel, ul. Roshdestwenka, 3/6,<br />

Gebäude, 1; Hilton Moscow Leningradskaja Hotel,<br />

ul. Kalanchewskaja, 21/40; Pekin, ul. Bolschaja<br />

Sadowaja, 5; Katerina City, Schluessowaja Nab., 6;<br />

Katerina Park, Kirowogradskaja, 11; East-West Hotel,<br />

Twerskoj Bulvar, 14; Lotte Hotel Moscow, Nowinskij<br />

Bulvar, 8, Gebäude 2; Golden Apple Hotel,<br />

ul. Malaja Dmitrowka, 11; Kassada-Plaza Hotel,<br />

ul. Mnewniki, 3, Gebäude 2; Borodino Business-<br />

Hotel, ul. Russakowskaja, 13, Gebäude 5; Kadaschewskaja,<br />

Kadaschewskaja Nab., 26; Mamaison<br />

All-Suites Spa Hotel Pokrovka Moscow, ul. Pokrowka<br />

40/2<br />

Business-Zentren<br />

Business-Center, Oserkowskaja nab., 50/1; Dukat<br />

Plaza 2, Gascheka, 7; Olimpique Plaza, Prospekt<br />

Mira, 33/1; Legion, Bolschaja Ordynka, 40; Proton,<br />

Nowozawodskaja ul., 22; World Trade Center,<br />

Krasnopresnenskaja Nab., 12; Business Center na<br />

Mochowoj, Mochowaja, 4/7, Gebäude 2; Business<br />

Center na Serebrjakowa, Pr. Serebrjakowa, 6;<br />

Business-Center, Nikitskij Per., 5; Business-Center,<br />

ul. Bachrushina, 32/1<br />

Cafés, Restaurants<br />

Coffee Bean, Ul. Pjatnitskaja, 5, Ul. Pokrowka, 18/3;<br />

ul. Sretenka, 22/1; Restaurant Deutsches Eck, Prospekt<br />

Wernadskogo, 1<strong>03</strong>; Restaurant WIRT, Plotnikow<br />

per., 19; Restaurant Maximilian’s, ul. Novyi<br />

Arbat, 15


04<br />

<strong>Moskau</strong>er<br />

WIRTSCHAFT<br />

Recht<br />

Kurz u n d Knapp<br />

Bussgelder<br />

bei fehlender<br />

Nachricht<br />

Die Regierung der Russischen Föderation<br />

hat einen Gesetzentwurf vorbereitet,<br />

der Änderungen in Bezug auf die<br />

Haftung für die Nichteinreichung der<br />

Benachrichtigung über die Eröffnung<br />

von Bankkonten im Ausland durch<br />

Ansässige bei den Steuerbehörden<br />

vorsieht. Es wird nun eine ordnungsrechtliche<br />

Belangung festgelegt. Vorgesehen<br />

sind folgende Bußgelder:<br />

4 000 bis 5 000 Rubel für natürliche<br />

Personen, 40 000 bis 50 000 Rubel<br />

für die verantwortlichen Personen<br />

einer juristischen Person sowie von<br />

800 000 bis zu einer Million Rubel für<br />

juristische Personen.<br />

Vollstreckung<br />

in verpfändetes<br />

Vermögen<br />

Der russische Präsident hat im Dezember<br />

2011 das Föderale Gesetz „Über<br />

die Einbringung von Änderungen in<br />

einzelne Gesetzgebungsakte der Russischen<br />

Föderation im Hinblick auf die<br />

Vervollkommnung der Vollstreckung<br />

in verpfändetes Vermögen“ unterzeichnet.<br />

Unter anderem hat das Gesetz eine<br />

Reihe von Änderungen in den ersten<br />

Teil des Zivilgesetzbuches der Russischen<br />

Föderation eingebracht, die<br />

das Recht der Parteien festlegen, im<br />

Pfandvertrag eine Regelung bezüglich<br />

der Vollstreckung auf Grundlage<br />

eines Gerichtsbeschlusses und/oder<br />

bezüglich der Möglichkeit einer außergerichtlichen<br />

Vollstreckung in das verpfändete<br />

Vermögen vorzusehen.<br />

Das Föderale Gesetz hat Änderungen<br />

in das Föderale Gesetz „Über die<br />

staatliche Registrierung von Rechten<br />

an und Geschäften mit Immobilienvermögen“<br />

eingebracht, die die Fristen<br />

der staatlichen Registrierung von<br />

Rechten an Immobilienvermögen und<br />

Geschäften damit verkürzen.<br />

Verhandlung<br />

vor zweiter<br />

instanz<br />

Seit 1. Januar ist in der Zivilprozessordnung<br />

der Russischen Föderation<br />

sowie in weiteren föderalen Gesetzen<br />

eine Möglichkeit vorgesehen, nicht<br />

rechtskräftig gewordene Beschlüsse<br />

vor einem Gericht der zweiten Instanz<br />

(Berufungsinstanz) anzufechten.<br />

Bislang war die Verhandlung von<br />

Sachen bei der Berufungsinstanz nur<br />

für Beschlüsse von Schiedsrichtern<br />

vorgesehen, nicht in Kraft getretene<br />

Beschlüsse der Gerichte der ersten<br />

Instanz wurden im Kassationsverfahren<br />

angefochten.<br />

Die Einführung einer vollwertigen<br />

Berufungsinstanz im Zivilprozessrecht<br />

betrifft auch andere Methoden<br />

zur Prüfung von Gerichtsakten. Im<br />

Aufsichtsverfahren können laut der<br />

neuen Fassung der Zivilprozessordnung<br />

der Russischen Föderation nur<br />

Sachen angefochten werden, welche<br />

bereits vor dem Obersten Gericht<br />

der Russischen Föderation bzw. im<br />

Berufungs- oder Kassationsverfahren<br />

verhandelt wurden.<br />

Dieser Infodienst wird unterstützt von<br />

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater,<br />

Rechtsanwälte<br />

Elektrosawodskaja Uliza 27,<br />

Gebäude 2, 107023 <strong>Moskau</strong><br />

Tel.: +7 495 933 51 20 / 20 55<br />

www.roedl.com/ru<br />

Branche in Hochspannung<br />

Herr Listowskij, Wladimir Putin fordert,<br />

die Elektroenergiebranche von<br />

allen Offshore-Mechanismen und<br />

Korruptionsgeschäften zu säubern.<br />

Steht der Branche jetzt eine Säuberungswelle<br />

bevor?<br />

Ich nehme diesen Auftritt als<br />

Teil der Wahlkampagne wahr.<br />

Er sollte demonstrieren, dass die<br />

Direktoren der größten Gesellschaften<br />

der Branche ihre eigenen<br />

Interessen allzu aktiv verfolgen,<br />

und dass neue Leute das alles<br />

korrigieren müssen. Sämtliche<br />

große Staatsunternehmen, darunter<br />

Rusgidro und Rosatom, müssen<br />

sich regelmäßigen Prüfungen<br />

des Rechnungshofs und anderer<br />

kontrollierender Organe unterziehen,<br />

die alle ihre Finanztransaktionen<br />

prüfen. Der Staat und<br />

Rechtsschutzorgane haben also<br />

alle Informationen über die Arbeit<br />

der Staatsunternehmen. Deshalb<br />

klingt es befremdlich, wenn es<br />

heißt: Die Unternehmen sollen<br />

noch stärker kontrolliert werden.<br />

Aber den gemeinen Bürgern tut<br />

es gut, wieder einmal zu hören,<br />

dass die Regierung die Korruption<br />

entschlossen bekämpfen will.<br />

Dem Ministerpräsidentem ist vor<br />

allem die mangelnde Transparenz<br />

in den Unternehmen ein Dorn im<br />

Auge. Er hat das als groben Fehler<br />

der Reformen der Elektroenergetik,<br />

die von Anatolij Tschubais umgesetzt<br />

wurden, ausgemacht.<br />

Die Klage über die fehlende Transparenz<br />

ist ein weiterer Bluff, da<br />

die normativen und regulierenden<br />

Materialien von der Regierung oder<br />

ihren Agenturen herausgegeben<br />

werden. Es gibt dafür das föderale<br />

Tarifamt, das Energieministerium<br />

und das Ministerium für regionale<br />

Entwicklung, die die Arbeit der Vertriebsgesellschaften<br />

regulieren.<br />

Die Reformen im Energiesektor wurden<br />

lange und gründlich durchgeführt.<br />

Wo bestehen Risiken und<br />

Lücken?<br />

Anatolij Tschubajs war darum<br />

bemüht, die Stromerzeuger davon<br />

abzuhalten, einen totalen Einfluss<br />

auf die Preisbildung auszuüben.<br />

Heute allerdings begünstigt der<br />

Staat durch Fusionen größerer<br />

Energiegesellschaften das Entstehen<br />

neuer Riesen wie Gasprom,<br />

die eine unzulässige Marktstellung<br />

innehaben können. Solch ein<br />

Rückschritt geht Hand in Hand<br />

mit der Verstärkung der Rolle des<br />

Staates im Energiesektor.<br />

Ist Putins Auftritt als Fanal für Säuberungen<br />

in Staatsholdings anderer<br />

Branchen zu werten?<br />

In Russland gibt es drei Branchen,<br />

die riesige Geldströme erzeugen:<br />

die Öl- und Gasbranche sowie die<br />

Elektroenergetik. Die Gasbranche<br />

ist in der Hand von Gasprom. Im<br />

Unterschied zum Erdöl- und Gasmarkt<br />

ist dank Tschubajs die Elektroenergetik<br />

kein Quasi-Markt,<br />

Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

Besonders im elektroenergetischen Sektor soll 2012 die Korruption bekämpft werden<br />

Anfang Januar verkündete Präsident Medwedew die Gründung einer<br />

Sondergruppe für die Bekämpfung von Finanzkriminalität. Zugleich<br />

schlug Sergej Stepaschin, Chef des Rechnungshofes, Alarm: Noch nie<br />

sei so viel öffentliches Geld fehlgelenkt worden wie 2011. Bereits Ende<br />

Dezember hatte Ministerpräsident Wladimir Putin während einer Sitzung<br />

der Regierungskommission für die Entwicklung der Elektroenergetik<br />

im sibirischen Sajano-Schuschenskaja-Wasserkraftwerk befunden,<br />

die Leiter der russischen Energiegesellschaften seien „wie von der Leine<br />

gelassen“. Die Korruption im elektroenergetischen Sektor Russlands<br />

habe präzedenzlose Maßstäbe erreicht, fast jeder zweite Leiter in dieser<br />

Branche sei mit kommerziellen Strukturen verbunden. Andrej Listowskij,<br />

Direktor des Fonds für energetische Entwicklung, erläutert gegenüber<br />

der <strong>MDZ</strong> die wirtschaftspolitischen Hintergründe dieser Aussagen des<br />

Ministerpräsidenten.<br />

Nichts zu verbergen<br />

Wladimir Putin am 19. Dezember 2011 auf der Talsperre des Sajano-Schuschinskaja-Kraftwerks.<br />

Vor allem das von Rosatom im<br />

November organisierte Forum<br />

„Atomex 2011“ dürfte für die gute<br />

Bewertung der Unternehmensgruppe<br />

gesorgt haben. Rosatom<br />

lud seine Geschäftspartner ein und<br />

legte ihnen akribisch alle geplanten<br />

Neuerungen und Ausschreibungen<br />

dar. Der mediale Höhepunkt waren<br />

Online-Übertragungen der Sitzungen<br />

der verschiedenen Kommissionen,<br />

während deren die<br />

Briefumschläge mit den Angebo-<br />

Von Jochen Stappenbeck<br />

ten der Zulieferer geöffnet wurden.<br />

Dadurch konnten alle Konferenzteilnehmer<br />

den Mitarbeitern live<br />

auf die Finger schauen. In diesem<br />

Jahr ist nach eigenen Angaben der<br />

Start eines Projektes zur Einführung<br />

eines Vertragsregisters auf<br />

der Website von Rosatom geplant.<br />

Das Staatsunternehmen will nach<br />

eigenen Angaben dadurch das Einkaufs-<br />

und Ausschreibungssystem<br />

standardisieren, um das Risiko der<br />

Korruption zu verringern.<br />

Den zweiten Platz nimmt das<br />

Stromunternehmen „Inter RAO<br />

EES“ ein. „Das Unternehmen ist<br />

sehr darum bemüht, die informationelle<br />

Transparenz zu erhöhen,<br />

und verbessert ständig das System<br />

der Firmenleitung und der Bereitstellung<br />

von Informationen“, heißt<br />

es im Memorandum der Rating-<br />

Ersteller. Die Bronzemedaille geht<br />

an den Ölfördergiganten Rosneft.<br />

Als dessen strategische Priorität<br />

wurde das Beachten der modernen<br />

russischen und internationalen<br />

Anforderungen auf dem Gebiet der<br />

Transparenz genannt. Drei weitere<br />

Ölförderer schafften es in die Top<br />

Ten: Neben Gasprom Neft und<br />

Transneft ist das TNK-BP. Das<br />

Unternehmen zeichnete sich durch<br />

innerhalb dessen man also leicht<br />

Geschäftsstrukturen aufbauen<br />

kann, von denen Putin gesprochen<br />

hat. Dazu ist die Elektroenergetik<br />

ein Thema, über die sich<br />

die Präsidentschaftskandidaten<br />

in ihren Wahlprogrammen noch<br />

nicht geäußert haben.<br />

Welche Folgen sind dann zu erwarten?<br />

Putin nannte sogar konkrete<br />

Namen führender „Clans“ in ganz<br />

Russland, die er krimineller Verwicklungen<br />

verdächtigt. Werden jetzt<br />

Köpfe rollen?<br />

Unter den Genannten gibt es<br />

eine Handvoll, die ihre Unternehmen<br />

schon mehrere Jahrzehnte<br />

führen und somit ihre familiären<br />

Beziehungen optimal eingesetzt<br />

haben. Sie sind nun gut beraten,<br />

ihre Koffer zu packen, um für<br />

eine neue Mannschaft Platz zu<br />

machen. Die entsprechende Einwirkung<br />

wird wohl eher auf subtile<br />

Weise geleistet werden. Aber<br />

das Signal ist klar: Die alte Garde<br />

hat ausdient, sie wird durch eine<br />

neue ersetzt werden. Dabei können<br />

auch strafrechtliche Verfolgungen<br />

als Mittel herangezogen<br />

werden, wenn es denjenigen von<br />

Vorteil erscheint, die die Nutznießer<br />

der Umgestaltung sein<br />

werden. Obwohl alle schon lange<br />

in der Branche tätig sind und<br />

bereits alles übereinander wissen.<br />

Bislang hat vor allem Präsident<br />

Medwedew auf die Karte des obersten<br />

Bekämpfers der Korruption<br />

gesetzt. Warum tritt jetzt Putin in<br />

seine Fußstapfen und nennt konkrete<br />

Tatsachen und Verdächtige?<br />

Die Lautstärke des Signals ist<br />

für die Wähler höher, als das bei<br />

ähnlichen Schlussfolgerungen der<br />

Fall ist wie etwa durch den Rechnungshof,<br />

der das vergangene<br />

Jahr als das Jahr mit den größten<br />

fehlgeleiteten Summen aus den<br />

Staatskassen brandmarkte. Allein<br />

2011 wurden mehr Gelder unterschlagen<br />

als im ganzen vorhergegangenen<br />

Jahrzehnt.<br />

Medwedew hat auch gleich reagiert<br />

und ein neues Amt geschaffen,<br />

das alle Finanzströme kontrollieren<br />

soll. Wäre es tatsächlich sinnvoll,<br />

dem russischen Kapital den Weg in<br />

die Steueroasen zu versperren oder<br />

wenigstens zu erschweren?<br />

Wo es ein Monopol gibt und<br />

Undurchsichtigkeit bei Entscheidungsprozessen,<br />

da blüht die Korruption.<br />

Das muss systematisch<br />

bekämpft werden. Wenn solche<br />

außerplanmäßigen Kontrollen<br />

wie die von Putin durchgeführt<br />

werden und konkrete Ergebnisse<br />

bringen, wird es ein systematischer<br />

Kampf. Wenn sich diese<br />

Aktionen auf die Wahlkampfperioden<br />

beschränken, wird er keinen<br />

Einfluss auf die Probleme der<br />

Branche haben.<br />

Die Fragen stellte<br />

Jochen Stappenbeck.<br />

Im Transparenz-Rating erklimmt die Staatsholding Rosatom den ersten Platz<br />

Die Agentur für politische und ökonomische Kommunikation liefert in<br />

ihrem Mitte Januar publizierten Rating der geschäftlichen Transparenz<br />

ein Bild, das zu dem von Wladimir Putin gezeichneten Szenario Kontraste<br />

aufweist. Auf den führenden Rängen finden sich einige große<br />

Staatsholdings aus dem Energiebereich wieder.<br />

den aktiven Dialog aus, den es mit<br />

seinen Partnern pflegt. Gelobt werden<br />

im Rating, das aus Befragung<br />

von Experten entstand, weiterhin<br />

die Unternehmen AFK Sistema<br />

und Rusgidro. Den Betreiber von<br />

Wasserkraftwerken hatte Wladimir<br />

Putin im Dezember besonders kritisiert:<br />

„Das System verdächtiger<br />

grenzüberschreitender Operationen<br />

mit Wechseln und Darlehen<br />

ist auch für OAO Rusgidro<br />

eine gewöhnliche Praxis geworden“,<br />

unterstrich der Premier. Der<br />

Geschäftsführer der Rating-Agentur<br />

Dmitrij Orlow sagte gegenüber<br />

dem Nachrichtenportal Wsgljad.<br />

ru, der Auftritt Putins habe das<br />

Transparenz-Rating nicht beeinflusst.<br />

RIA Nowosti


<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

WIRTSCHAFT<br />

05<br />

Grünes Licht für South Stream<br />

Russland und die Türkei treiben den Pipelinebau voran<br />

Im Schatten des Jahreswechsels finden oft unmerkliche, aber Weichen stellende Ereignisse<br />

statt. Als ein solches kann die Unterzeichnung des Übereinkommens zum Bau der South<br />

Stream-Erdgasleitung durch das Schwarze Meer gelten, die kurz vor Jahresende 2011<br />

von Russland und der Türkei vorgenommen wurde. Zuvor hatten sich die Regierungen der<br />

Türkei und Aserbaidschans auf den Bau einer Erdgasleitung von den Fördergebieten am<br />

Kaspischen Meer quer durch die anatolische Halbinsel verständigt. Dies dürfte erhebliche<br />

Konsequenzen für die diversen Pipeline-Projekte im Südosten Europas haben, vor allem für<br />

das Nabucco-Projekt. Seit der Inbetriebnahme der NordStream-Pipeline im letzten Herbst<br />

war der Süden im Zugzwang.<br />

Voraussichtlich 2017 wird der zweite<br />

Abschnitt des Erdgasfeldes Shah Deniz<br />

vor der Küste Aserbaidschans seine Produktion<br />

aufnehmen. Bis dahin muss der<br />

Weg des Gases zu den Abnehmermärkten<br />

klar sein, will die Kaukasus-Republik<br />

von den zusätzlichen Exporteinnahmen<br />

profitieren. Die wichtigsten potenziellen<br />

Kunden sitzen in Europa. Das bekannteste<br />

Transportvorhaben ist die seit mehreren<br />

Jahren geplante Pipeline Nabucco, ein<br />

gemeinsam von Energieunternehmen aus<br />

Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien<br />

und der Türkei angestoßenes Projekt, an<br />

dem seit 20<strong>08</strong> auch RWE beteiligt ist. Die<br />

Leitung soll vor allem helfen, die Abhängigkeit<br />

von Russland bei der Versorgung<br />

mit Energierohstoffen zu verringern. Für<br />

die verlässliche Füllung der Pipeline mit<br />

einer geplanten Kapazität von 31 Milliarden<br />

Kubikmetern im Jahr wären neben<br />

Aserbaidschan aber nach herrschender<br />

Meinung noch weitere Herkunftsländer<br />

mit ins Boot zu holen. Gedacht ist dabei<br />

zunächst vor allem an Turkmenistan, das<br />

über Lieferverträge allerdings bereits stark<br />

an China und Russland gebunden ist, und<br />

Kasachstan. Aus technischen und politischen<br />

Gründen erscheint die Einspeisung<br />

von Gas aus dem Irak und Iran momentan<br />

schwierig.<br />

Russland treibt unterdessen mit dem<br />

South Stream-Projekt eine eigene Leitung<br />

in den Südosten Europas voran, die über<br />

den Grund des Schwarzen Meeres verlaufen<br />

soll. Alternativ könnte Erdgas aus der<br />

Kaspiregion auch diesen Weg nehmen.<br />

Erschwerend für eine rasche Umsetzung<br />

von Nabucco waren in den vergangenen<br />

Jahren neben der Sicherung der Finanzierung<br />

die unterschiedlichen Vorstellungen<br />

der Beteiligten über den Charakter der<br />

Unternehmung. Während Aserbaidschan<br />

auf der Suche nach konkreten Abnahmeverträgen<br />

für sein Erdgas war, verstand<br />

sich das Nabucco-Konsortium eher als<br />

Transportkorridor zwischen den Produzenten<br />

und den Abnehmern in Europa,<br />

nicht aber als Käufer. Die Türkei strebte<br />

die Position des Zwischenhändlers an –<br />

eine wenig attraktive Option für die ande-<br />

Von Marcus Knupp (gtai)<br />

ren Akteure, wegen des großen Anteils der<br />

Strecke über türkisches Territorium aber<br />

auch nicht einfach vom Tisch zu wischen.<br />

Unterdessen tauchten mit dem Interconnector<br />

Turkey-Greece-Italy (ITGE) und<br />

der Trans-Adriatic-Pipeline (TAP, unter<br />

anderem unter Beteiligung von Eon-Ruhrgas),<br />

zwei alternative Pipeline-Pläne für<br />

den Transport des Rohstoffes von der<br />

türkischen Grenze nach Mitteleuropa<br />

auf. Statt durch die Balkan-Länder zielen<br />

sie auf eine Route durch Italien. Ob die<br />

Vorhaben eher komplementär oder konkurrierend<br />

zu Nabucco sind, wird unterschiedlich<br />

beurteilt. Die Frage ist letztlich,<br />

wie viel Gas aus welchen Quellen zur<br />

Verfügung steht.<br />

Die beiden Übereinkommen der letzten<br />

Dezemberwoche 2011 mischen die Karten<br />

nun neu. Mit 16 Milliarden Kubikmetern<br />

im Jahr ist die Kapazität der von Aserbaidschan<br />

und der Türkei geplanten Pipeline<br />

zu groß, um daneben noch die Nabucco-<br />

Leitung zu füllen. Übergabepunkt für den<br />

Transport des Erdgases nach Mitteleuropa<br />

wäre nach Bau der neuen Leitung demnach<br />

nicht mehr die aserbaidschanische<br />

oder georgische, sondern die türkischbulgarische<br />

Grenze. Auch das russische<br />

Pipeline-Projekt South Stream erreicht<br />

in Bulgarien Südosteuropa. Wegen der<br />

Umgehung der exklusiven Wirtschaftszone<br />

der Ukraine verläuft die geplante<br />

Route über jene der Türkei, die daher<br />

dem Vorhaben zustimmen musste. In der<br />

Endphase soll South Stream bis zu 63 Milliarden<br />

Kubikmeter Gas im Jahr befördern<br />

können.<br />

Bei einer Verwirklichung der beiden<br />

Projekte stellt sich nunmehr im Wesentlichen<br />

die Frage der Weiterleitung ab<br />

Bulgarien. Gasprom, Initiator der South<br />

Stream-Leitung, sieht in seinen Planungen<br />

eine Gabelung vor: Ein Zweig soll durch<br />

Serbien, Ungarn und Österreich Mitteleuropa<br />

erreichen, der andere über Griechenland<br />

und Italien. Partnerunternehmen von<br />

Gasprom bei dem Vorhaben sind die Eni<br />

(Italien), EdF (Frankreich) und Wintershall<br />

(Deutschland). Die Fertigstellung ist für<br />

2015 geplant.<br />

Die Kraft der Mitte<br />

Die Konsumfreude der Mittelschicht stützt den Markt<br />

ussisches<br />

R parkett<br />

Das „Jahr der Wahrheit“ sollte 2011 für den<br />

russischen Aktienmarkt werden, so lautete<br />

die Prognose der <strong>MDZ</strong> vor einem Jahr. Zur<br />

vollen Wahrheit mag es nicht ganz gereicht<br />

haben, aber ein Jahr der Prüfungen wurde<br />

es allemal – und zwar für die Märkte weltweit.<br />

Nun wollen sich die Analysten ungern<br />

zu weit aus dem Fenster lehnen: Für 2012<br />

überwiegt die Rückbesinnung auf die Triebkräfte<br />

längerfristigen Wachstums.<br />

Von Jegor Kisseljow<br />

Den auf längere Sicht stärksten Rückhalt<br />

erfährt die russische Wirtschaft durch<br />

die wachsende Mittelschicht. Denn mit<br />

ihr wächst auch der Konsum. Eine der<br />

im globalen Vergleich geringsten privaten<br />

Verschuldungen, kombiniert mit einer<br />

relativ niedrigen Einkommenssteuer (13<br />

Prozent), erlaubt den Russen, auf über 80<br />

Prozent ihres monatlichen Einkommens<br />

zuzugreifen. Es ist logisch, dass ein großer<br />

Anteil davon für Gebrauchsgüter ausgegeben<br />

wird. Auch die demographische<br />

Entwicklung begünstigt den Konsum. Der<br />

Bevölkerungsanteil der Mittelschicht in<br />

Russland dürfte sich in der kommenden<br />

Dekade von 25 auf 50 Prozent verdoppeln.<br />

Der bevorstehende Beitritt zur WTO wird<br />

durch den Zwang zu höherer Effizienz<br />

dem Wirtschaftswachstum förderlich sein.<br />

Ein großes Wachstumspotenzial besteht<br />

für Russland in der Annäherung an die<br />

asiatischen Märkte und speziell China.<br />

Da China einen enormen Bedarf an fossilen<br />

Ressourcen aufweist, wird es sich im<br />

Gegenzug immer mehr als Finanzier für die<br />

dringend benötigten Modernisierungsprojekte<br />

in der russischen Wirtschaft anbieten.<br />

2010 hat China Deutschland als größten<br />

Handelspartner überrundet. Für die kommenden<br />

Jahrzehnte sind vor allem für die<br />

Entwicklung der russischen Infrastruktur<br />

große Ziele avisiert. So sollen bis 2<strong>03</strong>0<br />

eine halbe Million Kilometer neue Straßen<br />

gebaut und 21 000 Kilometer Schienen verlegt<br />

werden. Die sportlichen Prestigeprojekte<br />

ab 2014 bieten zusätzliche Anreize für<br />

Investoren.<br />

Mittelfristig blicken die Marktteilnehmer<br />

mit gemischten Gefühlen auf eine instabile<br />

Weltwirtschaft. Da im Nahen Osten<br />

die politischen Spannungen steigen, sollte<br />

dies jedoch zu einer relativen Stabilität am<br />

Jegor Kisseljow ist Analyst bei der Bank<br />

TK BNP Paribas in St. Petersburg.<br />

russischen Markt führen – aufgrund des<br />

Ölpreises, der sich über 100 US-Dollar pro<br />

Barrel halten dürfte. Russland ist 2012 besser<br />

auf globale Erschütterungen vorbereitet<br />

als 20<strong>08</strong>. Die Geldpolitik ist flexibel und der<br />

private Sektor ist geringer verschuldet.<br />

Die Eurokrise hat nur einen geringen<br />

Einfluss auf die Handelsbeziehungen, denn<br />

die meisten Exportgüter aus Russland sind<br />

Rohstoffe, deren Preise global festgelegt<br />

werden.<br />

Dennoch wird die russische Börse verletzlich<br />

und schwankungsfreudig bleiben. Deshalb<br />

ist Stock-Picking empfohlen. Unsere<br />

Favoriten sind:<br />

TNK BP. Zum einen ist es die üppige<br />

Dividende, zum anderen die Steuerreform,<br />

die die Aktie attraktiv machen. Außerdem<br />

besticht das Unternehmen durch hohe Effizienz<br />

und eine voraussehende Beteiligung<br />

an solchen Projekten wie Yamal und East<br />

Siberia.<br />

Surgutneftegas weist neben einer hohen<br />

Dividende enorme Währungsreserven und<br />

finanzielle Beteiligungen auf. Die Steuerreform<br />

im Ölsektor kommt dem Unternehmen<br />

zugute, da es wie TNK nur rund ein<br />

Drittel des geförderten Öls raffiniert.<br />

Rusagro sollte seine Einnahmen dank<br />

eines steigenden Zuckerpreises merklich<br />

anheben können. Außerdem erhöht das<br />

Unternehmen seine Schweineproduktion<br />

um das Zweieinhalbfache: von 60 000 Tonnen<br />

2011 bis zu 150 000 Tonnen im Jahr<br />

2013.<br />

E.on Russia erhofft sich für 2012 einen<br />

Gewinnzuwachs von 40 Prozent pro Aktie.<br />

Die großen Investitionsprogramme kommen<br />

zum Abschluss. Nun ist das Unternehmen<br />

mit seinen Kraftwerken auf dem<br />

regionalen Markt sehr gut aufgestellt.<br />

Uns ist kein Weg zu weit –<br />

auch nicht zu Ihnen nach<br />

Hause oder ins Büro!<br />

Alle Antworten rund ums Abo der<br />

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Russland


06<br />

<strong>Moskau</strong>er<br />

MARKTPLATZ<br />

Herr Scholz, je schwieriger das<br />

Umfeld, desto mehr Beratung braucht<br />

ein Unternehmen. Trauern Sie nicht<br />

vielleicht den 90er Jahren nach, als<br />

eine Art Wild-West-Kapitalismus in<br />

Russland Einzug hielt?<br />

Wir begleiten deutsche Unternehmen<br />

dorthin, wo sie Chancen<br />

für sich sehen. Je ruhiger es läuft,<br />

desto besser für unsere Mandanten.<br />

Wir leben lieber davon, dass sie gar<br />

nicht erst in die Bredouille geraten,<br />

als dass wir ihnen aus dem Schlamassel<br />

helfen müssen.<br />

Die Russen verbinden mit dem ersten<br />

Jahrzehnt nach dem Untergang der<br />

Sowjetunion Goldgräberstimmung,<br />

aber auch eine weitgehende Gesetzlosigkeit.<br />

Kursieren in Ihrem Haus<br />

Legenden aus jenen Tagen?<br />

Es gibt schon Geschichten, die<br />

erlebt man heute nicht mehr. Wenn<br />

hier früher Unternehmen zum<br />

Kauf standen, da hat man teilweise<br />

die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.<br />

Auch die Zeiten<br />

ausschließlich schwarzer Kassen<br />

sind vorbei. Vieles ist inzwischen<br />

von mehr Ordnung gekennzeichnet,<br />

durchdachter, normaler und<br />

damit unspektakulärer.<br />

Geben Sie uns ein Beispiel für einen<br />

typischen Problemfall jener Anfangsjahre?<br />

Joint Ventures. Die russischen<br />

Partner waren ganz auf den schnellen<br />

Profit aus. Das vertrug sich<br />

schlecht mit der eher langfristigen<br />

Orientierung eines deutschen Mittelständlers.<br />

Deshalb war Konfrontation<br />

in diesen Gemeinschaftsunternehmen<br />

oft vorprogrammiert.<br />

Irgendwann hat beim Wort Joint<br />

Venture jeder nur noch das Gesicht<br />

verzogen. Heute ist das Modell<br />

wieder besser gelitten. Einerseits<br />

hat sich die geschäftliche Mentalität<br />

gewandelt, andererseits wurden<br />

große Fortschritte bei der Rechtssicherheit<br />

erzielt. Und in strategischen<br />

Bereichen wie etwa beim<br />

Flugzeugbau führt an Joint Ventures<br />

ohnehin kein Weg vorbei.<br />

Wo hat Rödl & Partner mit seinen<br />

Wurzeln in den geordneten westlichen<br />

Verhältnissen das Know-how<br />

für ein Russland hergenommen, das<br />

so unberechenbar war?<br />

Gewisse Erfahrungen beim Übergang<br />

von der Plan- zur Marktwirtschaft<br />

haben die Kollegen gleich<br />

nach der Wende bereits in den<br />

neuen Bundesländern gesammelt,<br />

in Tschechien und in Polen. Und<br />

was ganz wichtig ist: Wir beschäftigen<br />

an unseren Standorten nicht<br />

nur deutsche, sondern zum größten<br />

Teil einheimische Mitarbeiter.<br />

Die sind mit den Bedingungen vor<br />

Ort vertraut. Das bedeutet allerdings,<br />

dass auch bei uns intern<br />

zwei Welten aufeinandergeprallt<br />

sind. Aber das hat sich mit der Zeit<br />

wesentlich entschärft.<br />

Sie sind selbst ein Kind der DDR. Ist<br />

das ein Vorteil für das Verständnis der<br />

Vorgänge im einstigen Bruderland?<br />

Die DDR war schon anders als<br />

die Sowjetunion. Aber wir kannten<br />

immerhin vieles, worüber sich<br />

Russen heute noch unterhalten:<br />

Filmszenen, Dialoge, die zitiert<br />

werden. Dass das ausreicht, besser<br />

zu sein, dass die „Gnade der östlichen<br />

Geburt“ per se erfolgreicher<br />

macht, würde ich bezweifeln. Vielleicht<br />

findet man eher Zugang zu<br />

gewissen Dingen. Aber es gibt auch<br />

eine Menge Leute aus dem Osten,<br />

die hier scheitern, manchmal deshalb,<br />

weil sie sich nie so richtig mit<br />

dem neuen Denken anfreunden<br />

konnten. Das ist also kein Automatismus.<br />

Wie sehr hat sich das Russlandgeschäft<br />

der Deutschen mit der Zeit<br />

gewandelt?<br />

Der Fokus war bei den Unternehmen<br />

anfangs viel stärker auf den<br />

Verkauf, den Vertrieb ausgerichtet.<br />

Damals hat kaum jemand daran<br />

gedacht, hier auch zu produzieren.<br />

Aber der Markt ist schnell gewachsen,<br />

heute spannt sich ein Netz von<br />

Niederlassungen ausländischer<br />

Firmen über das ganze Land und<br />

die Lokalisierung der Produktion<br />

spielt eine immer größere Rolle.<br />

Wie attraktiv ist Russland aus Ihrer<br />

Sicht inzwischen für ausländische<br />

Investoren?<br />

Es hat sich alles verbessert, von<br />

den Rahmenbedingungen bis zur<br />

Unternehmenskultur. Das muss<br />

man auch mal positiv würdigen.<br />

Die Geschichte dieses Landes ist<br />

ja noch nicht sehr lang. Trotzdem<br />

sieht man deutliche Fortschritte.<br />

Die Gesetzeslage ist in weiten Teilen<br />

modern und überschaubar,<br />

das Steuerrecht so schlank, wie es<br />

auch in Deutschland zu wünschen<br />

wäre und immer wieder gepredigt<br />

wird. Die Schwierigkeiten<br />

beginnen dann, wenn man auf die<br />

Verwaltung trifft, also bei der tatsächlichen<br />

Umsetzung. So beißen<br />

sich Anspruch und Wirklichkeit.<br />

Hier der moderne Staat, was die<br />

Gesetzeslage anbetrifft, dort die<br />

Bürokratie, die das konterkariert.<br />

Solange sich da nichts ändert, hat<br />

eine echte Modernisierung keine<br />

Chance.<br />

Stichwort Korruption.<br />

Man kann zumindest als ausländischer<br />

Unternehmer in<br />

Russland seine Geschäfte auch<br />

ohne Schmiergeld tätigen. Wer<br />

behauptet, man müsse bestechen,<br />

der schafft ein völlig falsches Bild.<br />

Als Ausländer kann man immer<br />

sagen: „Wir machen so etwas nicht.“<br />

Dem Beamten wird das schnell zu<br />

mühsam. Ehe er sich mit einem<br />

Ausländer abplagt, hat er schon<br />

drei andere abkassiert.<br />

Außer in <strong>Moskau</strong> und St. Petersburg<br />

unterhält Ihr Unternehmen neuerdings<br />

auch Büros in Sotschi und<br />

Kaluga. Was hat dazu den Ausschlag<br />

gegeben?<br />

Das sind zwei ganz unterschiedliche<br />

Standorte. Sotschi ist sehr<br />

stark mit dem Projektgeschäft<br />

im Hinblick auf die Olympischen<br />

Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

„In Russland beißen sich Anspruch und Wirklichkeit“<br />

20 Jahre Rödl & Partner in <strong>Moskau</strong>: Niederlassungsleiter André Scholz blickt zurück – und nach vorn<br />

Das postsowjetische Russland hat wirtschaftlich einen langen Weg<br />

hinter sich: von der chaotischen Privatisierung der 90er Jahre über die<br />

Zockerzeit vor dem ersten Börsencrash bis hin zur Abzahlung der Auslandsschulden<br />

und dem de facto besiegelten WTO-Beitritt. Alle Höhen<br />

und Tiefen miterlebt haben die Berater von Rödl & Partner. Das deutsche<br />

Unternehmen eröffnete 1992 in <strong>Moskau</strong> sein erstes von heute vier<br />

Büros in Russland. 20 Jahre später sprach André Scholz (42), Managing<br />

Partner für Russland und die GUS, am Firmensitz im Businesszentrum<br />

„LeFort“ mit der <strong>MDZ</strong> über die Krux der Joint Ventures, Russlands<br />

„halbe“ Moderne und die Hassliebe zu <strong>Moskau</strong>.<br />

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André Scholz von Rödl & Partner. Wenn es in Russland heiß hergeht,<br />

heißt es Ruhe zu bewahren.<br />

Winterspiele 2014 verbunden, bei<br />

dem man auf westliches Knowhow<br />

zurückgreifen muss. Nach<br />

diesem Großereignis wird das<br />

Interesse der internationalen<br />

Wirtschaft spürbar nachlassen,<br />

weil Sotschi fast ausschließlich in<br />

touristischer Hinsicht attraktiv ist.<br />

Bei Kaluga reden wir von Industrie,<br />

von Produktion und Handel.<br />

Das ist einer der Musterstandorte<br />

in Russland, an dem sich andere<br />

ein Beispiel nehmen können. Wo<br />

die Verwaltung so funktioniert,<br />

dass sich Unternehmen willkommen<br />

fühlen. Wo man verstanden<br />

hat, was Investoren wollen.<br />

In dieser Region ist eine Vielzahl<br />

unserer Mandanten aktiv. Deshalb<br />

haben auch wir eine Fi liale<br />

eröffnet.<br />

Zur Person<br />

Welche Pläne hat Rödl & Partner<br />

in Russland für 2012 und darüber<br />

hinaus?<br />

Unsere Mandanten gehen verstärkt<br />

in die Regionen. Und wir gehen<br />

mit. Es ist geplant, unsere Präsenz<br />

territorial weiter auszudehnen.<br />

<strong>Moskau</strong> ist eine Stadt der tausend<br />

Möglichkeiten, aber auch der langen<br />

Wege, des Lärms, der Staus. Wie wohl<br />

fühlen Sie sich persönlich hier?<br />

Ich habe noch niemanden getroffen,<br />

der sich in <strong>Moskau</strong> rundum<br />

wohl fühlt. Die Mehrheit derer,<br />

die länger hier sind, pflegt eine<br />

Hassliebe zu dieser Stadt. <strong>Moskau</strong><br />

bietet sehr viel. Man führt ein<br />

intensives, schnelles Leben hier,<br />

knüpft jede Menge Kontakte. Zu<br />

den Schattenseiten gehört, dass<br />

es schwierig ist, mal einfach in<br />

die Natur rauszufahren. Dass Preis<br />

und Leistung in einem Missverhältnis<br />

stehen und von Service oft<br />

keine Rede sein kann. Dass vieles<br />

mühselig ist. Ich bin die ersten fünf<br />

Jahre allein Auto gefahren. Seitdem<br />

lasse ich mich fahren. So bin<br />

Zu André Scholz schauen nicht nur seine Angestellten auf. Der Mann<br />

ist 2,10 Meter groß. Als Jugendlicher spielte er Volleyball beim TSC<br />

Berlin und für die DDR-Junioren-Nationalmannschaft, hätte auch<br />

Leistungssportler bleiben können, . Doch mit 20 hörte Scholz 1989 auf.<br />

„Das war auch rückblickend richtig so“, sagt er heute. „Volleyball – das<br />

hieß zweimal Training am Tag, sieben Tage die Woche. Aber für mich gab<br />

es auch noch andere Sachen. Ich wollte studieren, einen Beruf ergreifen.“<br />

Seinen Job in <strong>Moskau</strong> hat der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater 20<strong>03</strong><br />

angetreten. Mit seiner Familie wohnt Scholz im „Deutschen Dorf“ am<br />

Wernadskogo-Prospekt.<br />

Das <strong>Moskau</strong>er Businesszentrum<br />

„LeFort“. Hier gehört Rödl &<br />

Partner mit 1 600 Quadratmetern<br />

Bürofläche zu den größten<br />

Mietern.<br />

LeFort<br />

ich unter Umständen sogar früher<br />

zu Hause und habe länger gearbeitet.<br />

Das ist ein riesiger Gewinn an<br />

Arbeitszeit und an Lebensqualität.<br />

Kann ich nur empfehlen.<br />

Das Interview führte Tino Künzel.<br />

Über den Osten<br />

in den Westen<br />

Rödl & Partner ist eines der<br />

größten deutschen Prüfungsund<br />

Beratungsunternehmen.<br />

Das Leistungsspektrum umfasst<br />

Wirtschaftsprüfung, Steuer-, Rechtsund<br />

Unternehmensberatung. 1977<br />

in Nürnberg als Ein-Mann-Kanzlei<br />

gegründet, wurde die Firma<br />

nach dem politischen Umbruch<br />

in Osteuropa auch international<br />

tätig und eröffnete ihr erstes<br />

Auslandsbüro in Prag. <strong>Moskau</strong> folgte<br />

1992. Heute hat Rödl & Partner<br />

weltweit rund 3 000 Mitarbeiter und<br />

ist an über 80 Standorten vertreten.<br />

„Das starke Geschäftsinteresse der<br />

deutschen Wirtschaft im Osten<br />

hat unser Wachstum im Westen<br />

finanziert“, sagt André Scholz.<br />

Martin von den Driesch


<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

So klug als wie zuvor<br />

Viele Uniabsolventen wissen nach ihrem Studium vor allem eines: was nicht ihr Traumberuf ist<br />

gesellschaft<br />

07<br />

Sie studieren Russisch und Mathematik auf Lehramt, wollen aber<br />

eigentlich Manager werden: Russische Studenten haben oft ein ganz<br />

anderes Berufsziel, als die Wahl ihrer Studienfächer vermuten lassen.<br />

80 Prozent der Hochschulabsolventen arbeiten nach Angaben des Russischen<br />

Amtes für Statistik nicht in dem Fachgebiet, für das sie an der<br />

Uni viele Semester gepaukt haben. Die Gründe dafür liegen ganz am<br />

Anfang, bei der Berufswahl der Abiturienten, die oft von den Wünschen<br />

der Eltern beeinflusst ist.<br />

Irina Rjabowa ist 30 Jahre alt<br />

und fängt noch einmal ganz von<br />

vorne an. Nach fast sieben Jahren<br />

als Bankkauffrau macht sie<br />

nun eine zweite Ausbildung – als<br />

Grafikdesignerin. „Das Arbeiten<br />

in der Bank war nie so richtig<br />

mein Ding. Die Berufswahl<br />

haben damals meine Eltern<br />

getroffen, weil man ja in der<br />

Bankenbranche richtig viel Geld<br />

machen kann. Die Schule hatte<br />

ich wie alle anderen mit 17 Jahren<br />

abgeschlossen, da weiß man<br />

noch nicht richtig, was man vom<br />

Leben will.“<br />

Die Eltern entscheiden,<br />

was ihre Kinder studieren.<br />

Irinas Geschichte ist typisch für<br />

Russland. Die Eltern spielen bei<br />

der Berufswahl ihrer Kinder eine<br />

wichtige Rolle. Viele kontrollieren<br />

ihre Kinder, glauben besser zu<br />

wissen, was sie brauchen, oft ohne<br />

ihre Stärken und Neigungen zu<br />

berücksichtigen. Die Abiturienten<br />

werden zum Opfer der Illusionen<br />

der älteren Generation. Mal sind<br />

es die „Wirtschaftswissenschaften“,<br />

mit denen viele die Werte<br />

der 90er Jahre verbinden: Geld<br />

und Erfolg. Mal benutzen Eltern<br />

ihre Kinder, um eigene, unerfüllte<br />

Ambitionen und Träume zu<br />

verwirklichen, mal sind es ganz<br />

pragmatische Gründe: Wenn du<br />

Arzt wirst, kannst du die gesamte<br />

Verwandschaft behandeln. In der<br />

Schule und im Studium wird von<br />

den Studenten erwartet, dass sie<br />

keine Fragen stellen; im Laufe der<br />

Ausbildungszeit wird alles dafür<br />

getan, dass nur ja keine eigenen<br />

Entscheidungen getroffen werden<br />

müssen.<br />

Von Valeria Straschnowa<br />

So passiert es dann, dass die<br />

jungen Akademiker, die auf den<br />

Arbeitsmarkt kommen, meist<br />

keine Erfahrung darin haben,<br />

selbst Entscheidungen zu treffen.<br />

Die neuen Arbeitnehmer sind oft<br />

noch ein bisschen kindlich, wissen<br />

nicht so recht, was sie wollen.<br />

„Der Hauptgrund für die Unzufriedenheit<br />

mit dem erlernten<br />

Beruf ist die Unfähigkeit, selbständig<br />

für sich zu entscheiden“,<br />

meint Alexandra Olschanskaja,<br />

Chefin des Akademischen Zentrums<br />

für Bevölkerungsbeschäftigung<br />

im südöstlichen Bezirk<br />

<strong>Moskau</strong>s. Manche würden erst<br />

nach einigen Jahren Arbeit merken,<br />

dass sie fehl am Platz sind<br />

und eigentlich etwas ganz anderes<br />

machen wollen.<br />

Die gescheiterte Berufswahl<br />

erklärt sich oft auch dadurch, dass<br />

die Hochschulausbildung zu einer<br />

formalen Anforderung geworden<br />

ist. Die genaue Studien richtung,<br />

die eigenen Interessen, Stärken<br />

und Schwächen sowie die ausgewählte<br />

Universität sind nicht von<br />

großem Interesse. Das Hauptziel<br />

ist, das Diplom in den Händen<br />

zu halten; denn mit einem Studium<br />

verbinden viele ein sorgenfreies,<br />

finanziell gesichertes und<br />

glückliches Leben.<br />

Auch für den Arbeitgeber ist<br />

in vielen Branchen nur wichtig,<br />

dass ein Hochschulabschluss vorhanden<br />

ist – die Fachrichtung<br />

ist nahezu egal. Tatjana Lubimova<br />

ist Personal-Managerin<br />

bei einem <strong>Moskau</strong>er Unternehmen<br />

für Lebensmittelproduktion.<br />

Sie sagt: „Wir suchen Menschen<br />

mit Arbeitserfahrung in<br />

der Branche, ein Hochschulabschluss<br />

ist obligatorisch, doch<br />

als Qualifikation spielt das keine<br />

Jewgenija Nikolajewa (24) hat<br />

Deutsch als Fremdsprache<br />

studiert und arbeitet heute beim<br />

Fernsehen.<br />

Ich bin Schenja und arbeite als<br />

TV-Journalistin bei dem föderalen<br />

russischen Fernsehsender „Rossija 2“.<br />

In den Bereich Massenmedien kam<br />

ich als 19-jährige Studentin des<br />

Faches Deutsch als Fremdsprache.<br />

Ich fand das Studium immer sehr<br />

interessant, wollte aber schon so<br />

früh wie möglich eine Beschäftigung<br />

finden. Die Entscheidung,<br />

in einer deutschsprachigen<br />

Rundfunkredaktion einzusteigen,<br />

fiel mir leicht. Journalismus fand ich<br />

schon als Schülerin anziehend. Als<br />

aber die Zeit kam, ein Studienfach<br />

auszuwählen, erschien mir ein DaF-<br />

Studium als die logische Folge der Schule mit erweitertem Deutschunterricht.<br />

Ich scherze! Mit 17 konnte ich das selbst nicht wirklich überblicken, die<br />

unmittelbare Entscheidung haben meine Eltern für mich getroffen.<br />

Ich liebe das, was ich beim Fernsehen mache. Allerdings brauche ich dort nur<br />

meine Englischkenntnisse. Deutsch kam für mich nur ab und zu in kurzen<br />

Beiträgen für die <strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung vor. Ich habe dem Lehren auf<br />

keinen Fall den Rücken gekehrt. Ich muss mir jedes Mal eingestehen, dass<br />

ich den Unterrichtsprozess vermisse, wenn ich ein Sprachtandem mache.<br />

Ich finde, dass die Komponenten des Lehramtstudiums wie Pädagogik und<br />

Psychologie auch für Journalisten wichtig sind. Wenn ich Texte verfasse, geht<br />

es mir darum, das Thema „zu vermitteln“. Ich finde, das Studium ist ein sehr<br />

wichtiger Teil unseres Lebens. Das wissen besonders viele der Quereinsteiger<br />

richtig zu schätzen. Sie sehen ihre Fähigkeiten nach dem Uniabschluss aus<br />

einem anderen Blickwinkel und können sie dann in einem neuen Bereich<br />

anwenden.<br />

bedeutende Rolle.“ So muss man<br />

bei der Suche nach einer Stelle<br />

nicht unbedingt ein Diplom<br />

in der Berufsrichtung besitzen,<br />

welche die Stellenausschreibung<br />

nahelegt. Hauptsache, man hat<br />

studiert und kann es im Notfall<br />

nachweisen. Finanzmanager<br />

oder Juristen, populäre Berufe,<br />

gelten als universell einsetzbar.<br />

Wer keinen Job findet, der den<br />

Diplomqualifikation entspricht,<br />

kann mit einer guten Stelle in<br />

einer anderen Branche rechnen.<br />

Keine Seltenheit sind Juristen in<br />

der TV-Produktion, Kreditmanager<br />

im Reisebüro, Bankkaufleute<br />

im Klubgeschäft. Auch deshalb<br />

sind in letzter Zeit Studienrichtungen<br />

wie Kulturwissenschaften<br />

und Umweltschutz nachgefragt.<br />

Das liegt nicht an einem gesteigerten<br />

Interesse der russischen<br />

Abiturienten in diesem Bereich,<br />

sondern an der niedrigen Durchschnittsnote,<br />

die erreicht werden<br />

muss und an den niedrigen<br />

Studiengebühren im Falle eines<br />

kostenpflichtigen Studiums.<br />

Finanzmanager und<br />

Juristen im Überfluss<br />

Zahlreiche Studien zeigen, dass<br />

in den letzten Jahren immer wieder<br />

dieselben Berufe als besonders<br />

populär gelten. 2011 waren<br />

es trotz weltweiter Krise Finanzspezialisten,<br />

Juristen und Manager.<br />

Die Chefin des Zentrums<br />

für Personalsuche „Sotis“, Swetlana<br />

Barkowkaja, erklärt, es gebe<br />

deutlich zu viele Finanzspezialisten<br />

und Juristen, und gleichzeitig<br />

einen Mangel an Ingenieuren,<br />

IT-Spezialisten, Facharbeitern,<br />

Lehrern und Ärzten. Tausende<br />

neuer kommerzieller Universitäten<br />

passen sich den Wünschen<br />

der Schulabgänger an, indem<br />

sie haufenweise Finanzmanager,<br />

Juristen und Buchhalter ausbilden.<br />

Bei so einer „Massenausbildung“<br />

gehe die Qualität der<br />

Ausbildung verloren.<br />

Es kommt zu so absurden Situationen,<br />

dass selbst Hochschulen,<br />

die auf Pädagogik spezialisiert<br />

sind, Finanzexperten ausbilden.<br />

Auf dem Arbeitsmarkt bringt so<br />

eine Ausbildung aber dann oft<br />

nichts, das Portal für Job- und<br />

Personalsuche „Superjob“ gibt<br />

in einer Studie an, dass rund<br />

die Hälfte der Arbeitgeber mit<br />

den Kenntnissen der Uniabgänger<br />

unzufrieden ist. „Manche<br />

haben keine Ahnung vom<br />

eigenen Beruf, können selbst die<br />

einfachsten theoretischen Fragen<br />

nicht beantworten“, beklagt sich<br />

Alexander Serebrjannikow, Chef<br />

einer Handelsfirma. Das Ausbildungssystem<br />

und besonders die<br />

Hochschulausbildung stecken<br />

in einer tiefen Krise. Die Lehrbücher<br />

sind veraltet, sie stammen<br />

oft noch aus der Sowjetzeit,<br />

die Professoren sind größtenteils<br />

sehr alt, konkurrenzfähig<br />

ist das System nicht. Innovationen?<br />

Keine Spur. Das russische<br />

Diplom ist eher der Nachweis für<br />

ein gutes Allgemeinwissen und<br />

nicht unbedingt die Eintrittskarte<br />

in ein erfolgreiches Berufsleben.<br />

Und vielleicht spielt auch die Tatsache,<br />

dass das Studium teilweise<br />

kostenlos ist, eine Rolle. Die Studenten<br />

schenken dem Studium<br />

in diesem Fall vielleicht weniger<br />

Aufmerksamkeit, als wenn sie<br />

dafür bezahlen müssten.<br />

Die Wahl der Eltern, falsche<br />

Vorstellungen vom Traumberuf<br />

und Prestigesucht sorgen nicht<br />

selten für Enttäuschung nach dem<br />

Studium. Den Schulabgängern<br />

mangelt es an einer professionellen<br />

Berufsberatung, einer Orientierungshilfe<br />

und tatkräftiger<br />

Unterstützung. Es ist schließlich<br />

eine wichtige Entscheidung, die<br />

sie zu treffen haben.<br />

Irina Rjabowa hat Glück gehabt<br />

– ihr neuer Beruf macht ihr Spaß<br />

und bringt auch genug Geld, sie<br />

entwickelt die Grafik für Webseiten.<br />

„Schon als kleines Mädchen<br />

habe ich für mein Leben gern<br />

gezeichnet, daran hat sich bis<br />

heute nichts geändert. Ich bin<br />

jetzt richtig glücklich, meinem<br />

Traumberuf nachzugehen. Es ist<br />

nur schade um die verlorenen<br />

Jahre.“<br />

Dordzhi Naminov (23) hat<br />

Physik studiert und fand eine<br />

Stelle als Leiter einer Klinik.<br />

Ich wusste schon in der siebten<br />

Klasse, dass ich Physik studieren<br />

möchte. Dieses Fach faszinierte mich<br />

am meisten von allen. Ich nahm<br />

an Wettbewerben innerhalb meiner<br />

Heimatregion Kalmückien teil und<br />

belegte einmal sogar den zweiten<br />

Platz. Ich wollte damals unbedingt<br />

das studieren, was mir Spaß macht<br />

und mich interessiert und deshalb<br />

schrieb ich mich an der <strong>Moskau</strong>er<br />

Lomonossow-Universität für ein<br />

Physik-Studium ein. Ich dachte<br />

damals noch nicht darüber nach, wie<br />

der Alltag eines Physikers aussieht und<br />

hatte keine genauen Vorstellungen<br />

von meinem Berufsziel.<br />

Meine ersten Zweifel bezüglich meiner Studienwahl hatte ich bereits im<br />

dritten Semester. Im Herbst 2010 kam ich dann als Austauschstudent nach<br />

Japan und arbeitete dort viel im Labor. Dort merkte ich dann endgültig, dass<br />

die Arbeit in der Forschung nichts für mich ist.<br />

Nach Abschluss des Studiums 2011 gelangte ich dann über einige Zufälle<br />

in den medizinischen Bereich. Nach einer Einarbeitungsphase in <strong>Moskau</strong><br />

wurde ich nach Jekaterinburg versetzt, um dort als Filialleiter einer Klinik<br />

zu arbeiten. Als studierter Physiker ohne eine Ausbildung im Management<br />

oder in der Personalführung hatte ich mit einem Mal die Verantwortung über<br />

mehrere Mitarbeiter einer medizinischen Einrichtung inne. Mir ist inzwischen<br />

aber klar, dass ich erst einmal Management studieren möchte, bevor ich in<br />

diesem Bereich arbeite.<br />

Julja Troschkina (22) hat<br />

Dolmetschen studiert und<br />

arbeitet nun als Sekretärin.<br />

Ich habe fünf Jahre lang an<br />

der Tschernomyrdin <strong>Moskau</strong>er<br />

Staatlichen Offenen Universität<br />

den Studiengang „Übersetzen und<br />

Dolmetschen“ studiert. Jetzt bin<br />

ich 22 und seit einem halben Jahr<br />

keine Studentin mehr, sondern<br />

Mitarbeiterin der Firma „MBA<br />

consult“, die ihre Kunden auf den<br />

Master in Business Administration<br />

hauptsächlich in den USA und<br />

England, aber auch in Europa<br />

vorbereitet. Ich kann mich noch<br />

gut an die Zeit erinnern, als ich<br />

endlich die Schule abgeschlossen<br />

hatte und vor der Entscheidung<br />

stand, aus unzähligen Universitäten<br />

und Studiengängen zu wählen. Ich<br />

erinnere mich an meine Ratlosigkeit<br />

und Unsicherheit. Mit 17 Jahren<br />

hatte ich kaum eine Vorstellung<br />

davon, was ich in meinem<br />

Leben machen will. Schließlich<br />

entschied ich mich für ein<br />

Fremdsprachenstudium; einerseits<br />

weil mir das Fremdsprachenlernen<br />

immer viel Spaß gemacht hat<br />

und andererseits erschien es mir<br />

als eine logische Fortsetzung<br />

meiner schulischen Ausbildung,<br />

denn ich hatte zehn Jahre lang<br />

an einer Schule mit erweitertem<br />

Englischunterricht gelernt. Aber<br />

irgendwie wusste ich damals<br />

schon, dass ich nie als Dolmetscher<br />

oder Übersetzer arbeiten werde.<br />

Mein Ziel war einfach: Ich wollte<br />

mich ausbilden lassen. Auch der<br />

finanzielle Faktor hat eine Rolle<br />

gespielt. Ich habe zum Beispiel<br />

nicht die anerkannte Lomonossow-<br />

Universität ausgewählt, weil ich ein<br />

gebührenfreies Studium anstrebte.<br />

Und es ist allgemein bekannt, dass<br />

die Universitäten mit einem sehr<br />

guten Ruf viel weniger kostenlose<br />

Studienplätze anbieten.<br />

Nach meinem Uniabschluss stieß ich<br />

auf die Firma „MBA consult“, die eine<br />

Sekretärin suchte und kostenlose<br />

Englischkurse versprach. Dieses<br />

Angebot fand ich interessant und<br />

nach einem Vorstellungsgespräch<br />

wurde ich eingestellt. Meine<br />

Fremdsprachenkenntnisse sind<br />

dabei sehr hilfreich. Ich bin<br />

heute genauso wie mit 17 Jahren<br />

überzeugt, dass ich nicht als<br />

Übersetzerin oder Dolmetscherin bei<br />

einer Übersetzungsfirma arbeiten<br />

möchte. Meine Arbeit macht mir<br />

Spaß, ich kommuniziere gerne<br />

mit Menschen und möchte mich<br />

im Bereich Business-Ausbildung<br />

weiterentwickeln. Ohne meine<br />

Englischkenntnisse wäre ich kaum<br />

an diesen Job gekommen und ich<br />

bereue nicht, mich damals für diesen<br />

Studiengang entschieden zu haben.<br />

Mir fehlen aber Grundkenntnisse in<br />

anderen Bereichen, zum Beispiel<br />

Wirtschaft oder Finanzen. Mit so<br />

einer Ausbildung hätte ich mehr<br />

Möglichkeiten, einen guten Job zu<br />

finden. Aber ich kann statt einer<br />

zweiten Ausbildung auch durch<br />

die Arbeit lernen und praktische<br />

Erfahrungen sammeln. Dann<br />

brauche ich nicht noch weitere<br />

drei Jahre an der Universität<br />

verschwenden und kann nebenbei<br />

auch noch Geld verdienen.


<strong>08</strong><br />

<strong>Moskau</strong>er<br />

politik<br />

Russland ist ein großes Land mit sehr vielen<br />

ethnischen Gruppen. Das ist, überspitzt<br />

ausgedrückt, der gemeinsame Nenner, auf<br />

den sich die russischen und europäischen<br />

Experten nach fast drei Jahren Analyse des<br />

Status Quo beim Schutz von Minderheitensprachen<br />

in Russland einigen konnten. Die<br />

Situation ist reichlich kompliziert: In der<br />

Russischen Föderation leben über 170 ethnische<br />

Gruppen, von denen jede ihre eigene<br />

Sprache und Kultur hat und diese mehr<br />

oder weniger vehement gegen Sprache und<br />

Kultur der Mehrheitsbevölkerung verteidigt.<br />

Als Russland vor fünfzehn Jahren dem<br />

Europarat beigetreten ist, verpflichtete es<br />

sich unter anderem, die Europäische Charta<br />

der Regional- und Minderheitensprachen zu<br />

ratifizieren. Unterzeichnet wurde sie 2001,<br />

ratifiziert ist sie bisher aber noch nicht.<br />

Deshalb wurde vom Europarat, der Europäischen<br />

Union und dem russischen Ministerium<br />

für Regionale Entwicklung das Joint<br />

Programme „Minderheiten in Russland:<br />

Sprachen, Kultur, Medien und Zivilgesellschaft<br />

entwickeln“ ins Leben gerufen. Von<br />

2009 bis 2011 wurde in drei Pilotregionen,<br />

der Republik Mordwinien, der Republik<br />

Dagestan und der Region Altai, untersucht,<br />

ob es Russland möglich ist, die Charta zu<br />

ratifizieren und in Kraft zu setzen.<br />

Russland verfügt bereits über Verfassungsgrundsätze<br />

und weitere Gesetze (siehe<br />

Kasten), die sowohl Bestand als auch Entwicklung<br />

der Minderheitensprachen sichern<br />

sollen, die jedoch nicht in allen Regionen<br />

des größten Flächenstaates der Welt gleich<br />

gut umgesetzt sind. Mit der Charta des<br />

Europarates soll ein über nationale Grenzen<br />

hinausgehender Vertrag zum Schutz von<br />

Minderheitensprachen geschlossen werden.<br />

Von 25 Staaten wurde sie bereits ratifiziert,<br />

unter ihnen Deutschland, Bosnien-Herzegowina<br />

und die Ukraine. Neben dem Ziel,<br />

allgemein gültige Normen zu setzen, sieht<br />

die Charta ein Überwachungsverfahren vor,<br />

wonach alle drei Jahre von einem Sachverständigenausschuss<br />

überprüft wird, ob<br />

der Vertragsstaat das Abkommen anwendet<br />

und die Regelungen einhält. Im Dezember<br />

wurde beispielsweise Österreich, das die<br />

Charta 2001 ratifiziert hatte, vom Europarat<br />

gerügt, nicht in ausreichendem Umfang<br />

Von Kathrin Aldenhoff<br />

zweisprachigen Schulunterricht in Deutsch<br />

und Slowenisch anzubieten.<br />

Bei der Abschlusskonferenz des Joint Programmes,<br />

die im November in <strong>Moskau</strong><br />

stattfand, wurden von der russischen Seite<br />

vor allem zwei Probleme bei der Ratifizierung<br />

der Charta genannt: aus über 170 Minderheitensprachen<br />

diejenigen auszuwählen,<br />

die, zusätzlich zum allgemeingültigen zweiten<br />

Teil der Charta, im dritten Teil ausdrücklich<br />

erwähnt werden sowie die unterschiedliche<br />

Behandlung von autochthonen<br />

und eingewanderten Völkern. Auch innerhalb<br />

der russischen Expertengruppe besteht<br />

Uneinigkeit, ob Deutsch als Minderheitensprache<br />

oder als Migrantensprache angesehen<br />

wird. Der Definition des Europarates<br />

zufolge sind Sprachen von Zuwanderern<br />

nicht durch die Charta geschützt.<br />

Dass die Russlanddeutschen, deren Vorfahren<br />

vor knapp 250 Jahren nach Russland<br />

kamen, nicht mehr als Migranten anzusehen<br />

sind, stellte unter anderem Mahulena Hofmannowa,<br />

Mitglied des Expertenkomitees<br />

des Europäischen Rates, im Gespräch mit<br />

der <strong>Moskau</strong>er Deutschen Zeitung klar. Und<br />

Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

Eine Charta für 170 Sprachen<br />

Europarat und Russland einigten sich in drei Jahren nicht über den richtigen Weg im Minderheitenschutz<br />

Beim Beitritt zum Europarat im Jahr 1996 verpflichtete sich Russland zu einer Ratifizierung<br />

der Europäischen Charta für Minderheitensprachen. Nun haben Experten des Europarates,<br />

der EU und der Russischen Föderation drei Jahre lang die Situation der Minderheiten<br />

in drei Regionen Russlands untersucht. Zu einem gemeinsamen Standpunkt sind sie trotz<br />

Analyse, Meinungsaustausch und gegenseitigem Verständnis nicht gekommen.<br />

Gesetzgebung zum Schutz der nationalen Minderheiten in Russland<br />

In Russland gibt es neben den Regelungen der Verfassung auch eine zusätzliche Gesetzgebung, die<br />

sich unmittelbar mit den nationalen Minderheiten befasst.<br />

Mit der Rahmenkonvention für den Schutz der nationalen Minderheiten des Europarates, die<br />

Russland 1998 ratifiziert hat, und nach der Verfassung der Russischen Föderation, verabschiedet<br />

im Dezember 1993, werden allen in Russland lebenden Völkern die Prinzipien der Gleichheit und<br />

Selbstbestimmung garantiert. Offiziell werden sie als „nationale Minderheiten“ oder „einheimische<br />

kleinere Völker“ und „kleinere ethnische Gemeinschaften“ bezeichnet. Die Rechte auf das Land<br />

und andere Naturschätze werden in Artikel 9 der Verfassung als „Basis für das Leben der Völker"<br />

beschrieben. Auch das Recht auf eine traditionelle Lebensweise wird durch diese Gesetze<br />

geschützt.<br />

Von 2001 bis 2004 wurden weitergehende Gesetze zum Schutz der Minderheiten verabschiedet<br />

sowie bereits bestehende Gesetze verbessert. Nationale Minderheiten dürfen ihre Sprache<br />

sprechen, sie weiterentwickeln, haben ein Recht auf Schulunterricht und Universitätskurse in dieser<br />

Sprache und das Recht, ihre Kultur und ihre Traditionen auszuleben; das legt das föderale Gesetz<br />

für die Sprachen der Völker in der Russischen Föderation fest. Wie es in der Realität aussieht, ist<br />

eine andere Sache; in über 170 Sprachen Schulunterricht anzubieten, ist ein hehres Ziel, das bisher<br />

nicht erreicht ist.<br />

2002 wurde festgelegt, dass das kyrillische Alphabet Grundlage aller Schriften der<br />

Minderheitensprachen sein soll. Andere Schriftzeichen können durch zusätzliche Gesetze der<br />

einzelnen Republiken erlaubt werden.<br />

Das föderale Gesetz zur offiziellen Sprache in der Russischen Föderation von 2005 lässt eine<br />

Verwendung anderer, nicht russischer Sprachen in der inoffiziellen Öffentlichkeitssphäre zu, wobei<br />

in der offiziellen Kommunikation das Russische weiterhin obligatorisch ist.<br />

Während des Joint Programms mit den Experten des Europarates war die russische Gesetzgebung<br />

gründlich analysiert und als prinzipiell mit der europäischen Charta vergleichbar anerkannt<br />

worden. Die Gesetze seien gut zusammengestellt und durchdacht, das Problem bestehe nur in<br />

ihrer konkreten Umsetzung, erklärt Sergej Sokolowskij, Mitarbeiter des Institus für Ethnologie<br />

und Anthropologie der Russischen Akademie der Wissenschaften. Wenn die heute bestehende<br />

Gesetzgebung vollständig umgesetzt und angewandt würde, bräuchten die Minderheitensprachen<br />

in Russland keinen zusätzlichen Schutz.<br />

Natalia Gubko<br />

Ethnische Gruppen in russland<br />

Die indigenen Völker des hohen Nordens leben auf viele Regionen Russlands verteilt. Das macht es<br />

besonders schwer, ihre Sprachen und Traditionen zu schützen.<br />

Russland besteht aus 83 Gebietseinheiten, darunter 21 Republiken, neun Kreise, 46<br />

Gebiete, die beiden föderalen Städte <strong>Moskau</strong> und St. Petersburg, vier autonome Kreise und<br />

das autonome jüdische Gebiet. 26 von ihnen sind ethnisch definiert, wie beispielsweise<br />

Kalmückien, wo die Mehrheit der Bewohner den Kalmücken, einem mongolischen Volk mit<br />

buddhistischem Glauben angehört, das seit dem 17. Jahrhundert im südlichen Wolgagebiet<br />

leben. Dort ist Kalmückisch neben dem Russischen offizielle Amtssprache. Insgesamt leben<br />

in Russland über 170 ethnische Gruppen, die ethnischen Russen machen den aktuellen<br />

Bevölkerungsstatistiken zufolge knapp 80 Prozent der Bevölkerung aus, die größte ethnische<br />

Gruppe sind mit knapp vier Prozent die Tataren. 45 registrierte Gruppen bilden allein die<br />

indigenen Völker des hohen Nordens, Sibiriens und des fernen Ostens aus. Die insgesamt nur<br />

275 000 Personen leben in 27 Regionen.<br />

primamedia.ru<br />

sie sagt: „Die Ratifizierung der Charta ist<br />

eigentlich eine technische Frage, die unnötig<br />

politisiert worden ist.“ Russland müsse<br />

die Charta ratifizieren, es habe sich bereits<br />

beim Beitritt zum Europarat dazu verpflichtet.<br />

Das Argument, Russland habe bereits<br />

eine sehr gute Gesetzgebung im Bereich<br />

des Minderheitenschutzes, das von der russischen<br />

Seite oft ins Spiel gebracht wird,<br />

lässt sie nicht gelten: „Gerade weil Russland<br />

schon so ein hohes Niveau beim Schutz<br />

für Minderheitensprachen hat, würde eine<br />

Ratifizierung der Charta die Situation nicht<br />

drastisch ändern und die Politik nicht dazu<br />

zwingen, viele neue Regelungen umzusetzen.“<br />

Allerdings würde die Sprachpolitik<br />

Russlands durch eine Ratifizierung der<br />

Charta besser kontrollierbar. Ein Punkt,<br />

der Befürchtungen auf der russischen Seite<br />

weckt, der aber Hofmannowa zufolge auch<br />

Chancen eröffnet: „Russland würde mit der<br />

Charta auch selbst die Möglichkeit gewinnen,<br />

den Schutz der russischen Sprache in<br />

Europa zu fördern.“<br />

Durch den Meinungsaustausch zwischen<br />

Experten des Europarates, der EU und<br />

russischen Experten ist aller Meinung nach<br />

ein Verständnis für die jeweils andere Seite<br />

entstanden. Russland hat die Folgen der<br />

Einführung der Charta erkannt und die<br />

europäischen Experten die russlandspezifischen<br />

Herausforderungen. Genau diese<br />

betont Sergej Sokolowskij, Mitglied im<br />

russischen Expertenteam und Dozent am<br />

Institut für Ethnologie und Anthropologie<br />

der Russischen Akademie der Wissenschaften:<br />

„In Russland gibt es mehr<br />

Minderheitensprachen als in der ganzen<br />

Europäischen Union.“ Bevor die Charta<br />

ratifiziert werden könne, müssten erst alle<br />

Minderheitensprachen in allen russischen<br />

Regionen untersucht werden, um ihren<br />

Entwicklungsstand einschätzen zu können.<br />

Und auch er sieht ein großes Problem in<br />

der Auswahl der Sprachen, die im dritten<br />

Teil der Charta explizit erwähnt werden:<br />

„Wenn eine Sprache in die Charta aufgenommen<br />

wird und eine andere nicht, dann<br />

wird es Probleme und Konflikte geben. Die<br />

Republik Tatarstan beispielsweise ist schon<br />

lange dafür, die Charta anzuwenden. Aber<br />

nicht, um die tatarische Sprache zu schützen,<br />

sondern damit in den Gebieten, wo<br />

baschkirische Dialekte gesprochen werden,<br />

auf Tatarisch unterrichtet wird. So entstehen<br />

Konflikte.“<br />

Auf keinen Fall dürfe die Auswahl der<br />

Sprachen willkürlich sein, sagt auch Hofmannowa.<br />

Russland könne selbst entscheiden,<br />

wie viele Minderheitensprachen im<br />

dritten Teil erwähnt werden – zwei, 20 oder<br />

50. Es gäbe mehrere Ansätze für eine Auswahl,<br />

beispielsweise eine quantitative, welche<br />

die Sprachen hervorhebt, die von einer<br />

bestimmten Anzahl an Menschen gesprochen<br />

werden; oder es könnten die Republiksprachen<br />

sein, wobei diese ja ohnehin<br />

schon am stärksten geschützt seien.<br />

Bei der Abschlusskonferenz in <strong>Moskau</strong><br />

erklärte die russische Seite, das Expertenteam<br />

habe Unvollkommenheiten in der<br />

eigenen Sprachpolitik entdeckt; gleichzeitig<br />

habe Russland aber allen Grund, stolz<br />

auf sich zu sein. Nicht nur die bedeutende<br />

Anzahl an Minderheitensprachen,<br />

sondern auch der kulturelle Hintergrund<br />

der ethnischen Minderheiten werde schon<br />

jetzt durch die russischen Gesetze berücksichtigt.<br />

Anpassungsbedarf sah Wladimir<br />

Sorin, stellvertretender Direktor des Instituts<br />

für Ethnologie und Anthropologie der<br />

Russischen Akademie der Wissenschaften,<br />

vor allem bei mehrsprachigen Kindergärten<br />

und dem Schulunterricht.<br />

Es bleibt der Eindruck, dass keine der beiden<br />

Seiten so wirklich weiß, wie Russland,<br />

seine ethnischen Minderheiten und die<br />

Charta des Europarates zusammenfinden<br />

sollen. Die Ratifikation war laut Etienne<br />

Claeye, Leiter der Kooperation zwischen<br />

der EU und Russland, ohnehin nicht das<br />

Ziel des dreijährigen Joint Prorammes. Es<br />

gehe darum, nun in einer zweiten Phase<br />

weiter zusammenzuarbeiten und im Dialog<br />

miteinander zu bleiben.<br />

Zunächst soll die Untersuchung, die bisher<br />

in drei Regionen stattfand, auf ganz<br />

Russland erweitert werden; eine Idee, die<br />

auch Hofmannowa für sinnvoll hält. Man<br />

habe dann einen guten Überblick. Und:<br />

„Wenn das abgeschlossen ist, ist die Ratifizierung<br />

nur noch ein kleiner Schritt.“ Zwei<br />

bis drei Jahre könne das allerdings dauern.<br />

Diese Aussage bestätigt das russische Ministerium<br />

für Regionale Entwicklung. Die<br />

Untersuchung der drei Pilotregionen sei bei<br />

Weitem nicht ausreichend, die Strukturen<br />

seien so unterschiedlich, dass nun weitere<br />

Analysen erforderlich seien, bevor über<br />

eine Annahme der Charta entschieden<br />

werden könne. Und das erfordere Zeit, in<br />

jedem Falle mehr als ein Jahr. Russland will<br />

nun auf eigene Faust untersuchen, wie es<br />

um den Schutz der Minderheitensprachen<br />

im Land steht. Die Expertise der europäischen<br />

Experten sei hilfreich gewesen und<br />

man werde weiterhin eng zusammenarbeiten.<br />

Aber nun könne man als eigenständiger<br />

Akteur weitermachen. Sokolowskij:<br />

„Es wäre merkwürdig, wenn wir jemandem<br />

aus dem Ausland bräuchten, der uns immer<br />

daran erinnert, was wir umsetzen können<br />

und was nicht.“<br />

Deutschland hat sieben Jahre gebraucht,<br />

um von der Unterzeichnung der Charta<br />

zu ihrer Ratifikation zu kommen. Noch ist<br />

nicht absehbar, wie viele Jahre Russland<br />

dafür brauchen wird. Und ob am Ende des<br />

Prozesses wirklich eine Ratifizierung durch<br />

die russische Staatsduma steht.


№ 1 (320) Январь 2012<br />

w w w . m d z - m o s k a u . e u<br />

НЕЗАВИСИМАЯ ГАЗЕТА О ПОЛИТИКЕ, ЭКОНОМИКЕ И КУЛЬТУРЕ • ОСНОВАНА В 1870 ГОДУ<br />

Страстное<br />

беспристрастие<br />

В<br />

то время как СМИ Германии<br />

активно «перетирали»<br />

неблаговидные поступки<br />

Кристиана Вульфа, немецкий<br />

электорат откровенно скучал.<br />

Можно сказать, на почве интереса<br />

или отсутствия интереса к<br />

этой теме в обществе началось<br />

расслоение. Все, кто находится<br />

при власти, или думает, что<br />

близок к ней, дискутировали до<br />

хрипоты – оставаться Вульфу<br />

или все же уйти.<br />

Все «замутили» журналисты.<br />

Они били на то, что пресса в<br />

Германии пока еще является действительно<br />

четвертой властью, а<br />

главные редакторы не привыкли<br />

к таким бесцеремонным методам<br />

«вышестоящих товарищей», как<br />

звонки сверху с указанием, кого<br />

прославить, а кого «опустить».<br />

Хотя, возможно, главред «Бильда»<br />

Кай Дикман своим журналистским<br />

нюхом прочувствовал,<br />

что скандал по поводу «позвоночных<br />

методов» манипулирования<br />

общественным мнением<br />

со стороны главы государства<br />

прибавит рейтинга его газете.<br />

Кто ж не хочет заработать «на<br />

шару» пару лишних «лимонов»?<br />

Вся история была подана с присущим<br />

«Бильду» умением раздуть<br />

сенсацию. Немецкие СМИ проявили<br />

редкую солидарность с<br />

желтой прессой. В начале января<br />

сразу несколько газет (!) вышли<br />

с одной и той же фотографией,<br />

где госпожа канцлер подчеркнуто<br />

любезно улыбается также<br />

любезно улыбающейся чете Вульфов.<br />

Правда, комментарии были<br />

различные. Одни писали, что<br />

Меркель «ценит деятельность<br />

президента», а другие ехидно<br />

отмечали, что плакать надо, а<br />

не улыбаться по поводу того,<br />

что нарушитель демократических<br />

норм так крепко вцепился<br />

в свое кресло.<br />

«А что народ?» – спросит<br />

читатель. Позиция некоторых<br />

бюргеров сходна с позицией<br />

среднестатистического российского<br />

гражданина: «Какое<br />

мне дело, уйдет Вульф (или его<br />

уйдут), или он останется – цены<br />

от этого не упадут, налоги не<br />

уменьшатся. А оттого, что ему<br />

одолжили денег на виллу, мне<br />

не холодно, не жарко». Но есть<br />

и такие политически активные<br />

элементы, кто пишет Вульфу<br />

гневные письма с требованием<br />

уйти. Но он принародно покаялся<br />

и пообещал «добросовестно<br />

и с полной отдачей» и дальше<br />

исполнять свои обязанности<br />

главы государства. Совсем как у<br />

нас – кто же добровольно откажется<br />

покинуть президентскую<br />

резиденцию?<br />

мг<br />

Снежное чудо Германии<br />

В маленькой баварской деревушке Миттерфирмиансройт, неподалеку от чешской границы, возвышается церковь …из<br />

снега! 26 метров длиной, 11 метров шириной, с 17-метровой башней. Для возведения церкви понадобилось более одной<br />

тысячи кубометров натурального снега. Изначально планировалось, что снежный собор будет открыт к рождественским<br />

праздникам, но подвела погода. Торжественное открытие состоялось 27 декабря. Событие приурочено к столетнему<br />

юбилею с момента строительства первой снежной церкви здесь же. Тогда жители деревушки сами для себя построили<br />

церковь из снега, за неимением другой. Она простояла с февраля до мая. Как долго простоит нынешнее снежное<br />

творение, будет зависеть от погоды, которая не перестает удивлять немцев своей взбалмошностью.<br />

Юбилей отменяется?!<br />

По-гречески назвали, в Греции промотали: десятилетний путь евро<br />

В первый день нового 2012 года исполнилось 10 лет с того момента,<br />

как в мире впервые появились банкноты и монеты евро. Но<br />

никаких юбилейных торжеств по поводу этой круглой даты не устраивалось<br />

– во время кризиса не до веселья. Финансовых экспертов<br />

мира скорее озадачивает вопрос: останется ли европейская<br />

валюта после 10 лет обращения символом стабильности или станет<br />

воплощением экономических неурядиц и долгового кризиса?<br />

А как красиво все начиналось<br />

1 января 2002 года, когда<br />

с помпой было отпраздновано<br />

введение евро в наличное<br />

обращение! В Брюсселе, официальной<br />

столице Евросоюза,<br />

небо было расцвечено праздничным<br />

фейерверком и двенадцатью<br />

прожекторами, символизирующими<br />

12 первых<br />

стран еврозоны. Политики<br />

обещали простым гражданам<br />

(многие из которых приняли<br />

евро достаточно настороженно),<br />

что он станет «локомотивом<br />

развития европейской<br />

и мировой торговли, позволит<br />

инвесторам и государствам<br />

расширить ассортимент<br />

выпускаемой продукции<br />

и переориентировать рынки<br />

сбыта». Аргументировали<br />

свои заявления «отцы» новой<br />

валюты тем, что она показала<br />

Маргарита Гоголева<br />

свою жизнеспособность уже с<br />

1 января 1999 года, когда была<br />

введена для безналичных расчетов,<br />

заменив европейскую<br />

валютную единицу (ЭКЮ).<br />

Декларация о стабильности<br />

евро заложена уже в самом его<br />

названии: в логотипе знака «€»<br />

использована греческая буква<br />

«эпсилон», очень похожая на<br />

букву «Е», с которой начинаются<br />

слова «Европа» и «Евросоюз».<br />

А параллельные линии,<br />

пересекающие знак по горизонтали,<br />

призваны символизировать<br />

стабильность евро.<br />

Через 10 лет многие аналитики<br />

констатируют, что в реальности<br />

евро не добился стабильности,<br />

а его введение наряду с<br />

упразднением национальных<br />

валют было непродуманным и<br />

поспешным шагом, который во<br />

многом спровоцировал долговой<br />

кризис в еврозоне. Большинство<br />

государств еврозоны<br />

страдают от непомерных и<br />

постоянно растущих государственных<br />

долгов, имеют шаткую<br />

банковскую систему и низкие<br />

темпы восстановления национальных<br />

экономик. В наиболее<br />

сложном положении находятся<br />

Португалия, Ирландия, Италия,<br />

Греция, Испания. В 20<strong>08</strong><br />

году журналисты и финансовые<br />

аналитики придумали для<br />

этих стран сокращение PIIGS,<br />

которое ассоциируется с английским<br />

словом «свинья» и<br />

демонстрирует особо негативное<br />

отношение людей из<br />

ведущих стран к финансовой<br />

политике стран-аутсайдеров.<br />

И вот теперь весь мир гадает,<br />

устоит ли единая европейская<br />

валюта под натиском проблем,<br />

накопившихся внутри этих<br />

государств, или они «подложат<br />

свинью» всей зоне евро?<br />

Вступление в ЕС дало странам<br />

PIIGS возможность получать<br />

дешевые кредиты. Государства<br />

восполняли (и до сих пор восполняют)<br />

нехватку бюджетных<br />

средств все новыми и новыми<br />

заимствованиями. Ставки<br />

банковских кредитов существенно<br />

упали, поэтому кредиты<br />

стали более доступными как<br />

для промышленного сектора и<br />

предпринимателей, так и для<br />

частных лиц. Банки, фирмы и<br />

население стали без оглядки<br />

на свою платежеспособность<br />

брать в кредит недвижимое<br />

имущество и машины. Пропорционально<br />

наращивались и<br />

долги. Вырос потребительский<br />

спрос, а вместе с ним и цены<br />

и, соответственно, зарплаты,<br />

особенно в госсекторе. Улучшился<br />

бизнес-климат, но все<br />

же однобоко, так как развалились<br />

только сфера внутренних<br />

услуг, строительство и улучшение<br />

инфраструктуры. Страны<br />

PIIGS вышли на международные<br />

рынки, но им не удалось<br />

увеличить объемы экспорта,<br />

ведь вследствие девальвации<br />

национальных валют их товары<br />

и услуги стали неконкурентоспособными.<br />

Из-за повышенного спроса,<br />

который расширял импорт, но<br />

не способствовал экспорту,<br />

III<br />

Jenny Ostrander<br />

«Меркози» и<br />

«сгуттенбергить»<br />

Немцы назвали наиболее популярные<br />

слова прошлого года<br />

«Валдай» для<br />

российских немцев<br />

В Сочи прошел дискуссионный клуб<br />

«Авангард»<br />

Голштейн-Беки на<br />

улицах Курска<br />

Жизнь немецких курян нашла<br />

отражение на страницах новой<br />

исторической книги<br />

III V <strong>VI</strong>


II<br />

Московская<br />

Г е р м а н и я<br />

Made in Germany<br />

Автоконцерны Германии предлагают миру «немецкую мечту»<br />

Прошедший 2011 год ознаменовался небывалым взлетом для<br />

немецкого автомобильного рынка. Успешным, судя по всему, должен<br />

оказаться и наступающий год, хотя свои собственные рекорды<br />

немецким производителям превзойти будет трудно. И все же<br />

на очередном Детройтском автошоу, проходящем на американском<br />

континенте в середине января, немецкие производители<br />

успешно заключают договоры c надеждой продолжить завоевывать<br />

мировой рынок уже новыми моделями.<br />

Согласно данным Федерального<br />

ведомства дорожного<br />

движения во Фленсбурге,<br />

немецкий автомобильный<br />

рынок вырос за прошедший<br />

год на 8,8% (или около 257<br />

тысяч автомобилей), дойдя до<br />

рекордного числа 3,174 миллиона<br />

новых сертификаций.<br />

На фоне общеевропейского и<br />

мирового финансового кризиса<br />

этот успех производит<br />

особенно оглушительное впечатление.<br />

Ведущие автоконцерны<br />

ФРГ, такие как BMW,<br />

Mercedes-Benz и VW, успели<br />

за прошедший год продать на<br />

американском рынке по четверти<br />

миллиона легковых<br />

автомобилей, а общий прирост<br />

сбыта за рубеж по сравнению<br />

с 2010 годом составил 18%.<br />

Один только Volkswagen может<br />

по хвастаться ростом сбыта на<br />

26%. В общем, на сегодняшний<br />

день немецкие автомобили –<br />

лакомый кусок для покупателей<br />

с деньгами, прежде всего<br />

из Америки и Китая.<br />

В то же время еще никогда не<br />

были так жестко поставлены<br />

новые задачи перед автомобильной<br />

отраслью немецкой<br />

Екатерина Келлер<br />

промышленности, как в экологическую<br />

эру. В их числе,<br />

например, разработка электроавтомобилей,<br />

работающих<br />

без помощи двигателя внутреннего<br />

сгорания. Вопрос, как<br />

именно выглядит автомобиль<br />

будущего, остается на сегодня<br />

открытым. В то время как<br />

американцы делают ставку в<br />

первую очередь на электрический<br />

автомобиль, а японцы<br />

– на гибрид, немецкие концерны<br />

исследуют и пробуют все<br />

технические варианты. Новым<br />

гибридным моделям BMW и<br />

Mercedez-Benz, отмечающим<br />

свою премьеру в Детройте,<br />

Союз автомобильной индустрии<br />

предсказывает закрепление<br />

успеха этих и без того<br />

уважаемых у высшего класса<br />

концернов.<br />

На открытии Детройтского<br />

автошоу президент Союза<br />

автомобильной индустрии<br />

Маттиас Виссманн смотрел в<br />

будущее с оптимизмом: «Мы<br />

расширяем наши возможности,<br />

выводим на рынок новые<br />

модели и ставим перед собой<br />

цель увеличить наш рыночный<br />

сегмент и в этом году». Результат<br />

прошедшего года вряд ли<br />

удастся повторить, однако<br />

успех отечественных автомобилей<br />

на заокеанском рынке<br />

растет. Во многом это связано<br />

с повышением цен на топливо,<br />

которое вынуждает американцев<br />

следить за расходом горючего<br />

и покупать экономные<br />

автомобили. В этом сегменте,<br />

подчеркивает Виссманн,<br />

немецкое автомобилестроение<br />

практически не имеет конкурентов.<br />

При экономичности<br />

новых моделей с точки зрения<br />

потребления топлива они не<br />

перестают оставаться отличными<br />

марками спортивных<br />

автомобилей. Новый Mercedez<br />

300 SL тут, пожалуй, в первых<br />

рядах и успел завоевать сердца<br />

немецкая газета № 1 (320) Январь 2012<br />

посетителей автошоу.<br />

Успех немецких автомобилей<br />

на мировом рынке действительно<br />

уникален: пока французские<br />

производители вынуждены<br />

увольнять сотрудников,<br />

японские, еще пять лет назад<br />

задававшие тон всей отрасли,<br />

не оправились от прошлогодней<br />

природной катастрофы, а<br />

американским никак не удается<br />

вернуться в былую форму<br />

после банкротства Lehman<br />

Brothers, автомобилестроение<br />

в ФРГ переживает свой<br />

бум. На наших глазах начинается<br />

очередная эра «Made in<br />

Germany».<br />

Впрочем, не стоит забывать,<br />

что за этим новым началом<br />

кроется немало кропотливой<br />

NAIAS<br />

и упорной работы. Немецкие<br />

автомобильные концерны<br />

во время озаботились налаживанием<br />

широкой сети рынков<br />

сбыта в мировом масштабе – в<br />

итоге им не приходится подобно,<br />

к примеру, «Рено», «Пежо»,<br />

«Ситроену» или «Фиату», опасаться<br />

кризиса на отдельно<br />

взятом рынке. Даже в кризисные<br />

времена они продолжают<br />

вкладывать миллиарды евро в<br />

исследования и производ ство<br />

моделей, отвечающих современным<br />

требованиям. Еще<br />

одним секретом успеха является<br />

так называемая модульная<br />

система, позволяющая комбинировать<br />

отдельные детали<br />

по вкусу. И, наконец, достижением<br />

немецкого автомобилестроения<br />

стоит назвать и то,<br />

что совместно с политиками<br />

им удалось выработать стратегию<br />

борьбы с кризисом, включающую<br />

в себя, к примеру, укороченный<br />

рабочий день.<br />

Ныне, когда кризис миновал,<br />

автомобильная промышленность<br />

едва успевает удовлетворять<br />

спрос и стремительно<br />

создает в Германии и за рубежом<br />

тысячи новых рабочих<br />

мест. За прошедший год количество<br />

занятых в этой отрасли<br />

увеличилось на 23 600 человек,<br />

и это не включая работающих<br />

по временному контракту.<br />

Увеличение количества рабочих<br />

мест коснулось в прошедшем<br />

году даже находящегося<br />

на реконструкции концерна<br />

«Opel».<br />

Подмоченная репутация<br />

Президент Германии дает поводы для разговоров о своей возможной отставке<br />

То, что в редких случаях позволено рядовому налогоплательщику,<br />

заштатному бизнесмену, иногда даже и незаметному депутату низшего<br />

уровня, запрещено первому лицу города, земли, государства.<br />

За коими глаз да глаз неравнодушной общественности. Такая<br />

вот человеческая несправедливость. Ее-то совершенно не учел, а,<br />

как следствие, только что в полной мере испытал на себе федеральный<br />

президент Германии Кристиан Вульф.<br />

В середине минувшего декабря<br />

в немецкой прессе разразился<br />

скандал: президента Германии,<br />

который, по идее, должен быть<br />

для всей нации моральным<br />

авторитетом, заподозрили<br />

в… коррупции. Оказывается,<br />

будучи еще президентом земли<br />

Нижняя Саксония, Вульф взял<br />

на покупку дома в Ганновере<br />

частный кредит в размере 500<br />

тысяч евро. Полмиллиона он<br />

взял взаймы у жены крупного<br />

нижнесаксонского бизнесмена<br />

Эгона Геркенса, друга детства,<br />

под очень низкий процент:<br />

кредит обошелся первому лицу<br />

земли в 4 процента годовых.<br />

Затем выяснилось, что глава<br />

земельного правительства<br />

Вульф шесть раз ездил в частные<br />

поездки в сопровождении<br />

друзей-предпринимателей или<br />

топ-менеджеров крупных компаний.<br />

Жареными фактами из<br />

недавнего прошлого нынешнего<br />

главы государства тут же,<br />

потирая от удовольствия руки,<br />

заинтересовалась оппозиция,<br />

которая обратилась в прокуратуру<br />

Нижней Саксонии с обвинениями<br />

Вульфа в коррупции.<br />

Правящая коалиция в растерянности…<br />

Григорий Крошин<br />

Сразу же начали обсуждать<br />

возможную отставку президента<br />

и кандидатуры на его<br />

кресло. В кристальной честности<br />

«морального авторитета<br />

страны» засомневались даже<br />

члены правительственной коалиции.<br />

Последние, впрочем,<br />

пока высказываются очень<br />

осторожно по поводу скандала<br />

вокруг своего выдвиженцапрезидента.<br />

Они выражают<br />

лишь надежду, что Вульф наконец<br />

четко и недвусмысленно<br />

опровергнет все обвинения в<br />

свой адрес, а канцлер Ангела<br />

Меркель пока поддерживает<br />

коллегу: «Я вполне доверяю<br />

Вульфу как человеку и как президенту».<br />

Адвокаты Кристиана Вульфа<br />

отметают все обвинения в коррупции<br />

или вообще в какомлибо<br />

злом умысле в действиях<br />

тогдашнего премьер-министра<br />

земли. Они твердо убеждены<br />

в том, что президент, останавливаясь<br />

у друзей или занимая<br />

у них деньги, не нарушал законов.<br />

«Разве можно человека<br />

обвинить в предвзятости и<br />

коррупции только за то, что<br />

у него есть друзья? – вопрошает<br />

защита. – Между высокой<br />

должностью Вульфа и его<br />

поездками к предпринимателям<br />

нет никакой связи!»<br />

Сам же Вульф в течение<br />

нескольких дней после вспыхнувшего<br />

в прессе скандала<br />

вообще никак не реагировал<br />

на выдвинутые против него<br />

публичные обвинения. Спустя<br />

некоторое время он заявил,<br />

что считает произошедшее<br />

скорее недоразумением, чем<br />

кознями политических конкурентов,<br />

и в отставку уходить не<br />

собирается. При этом он, мол,<br />

конечно, жалеет, что не упомянул<br />

ранее о льготном кредите,<br />

из-за которого разгорелся<br />

скандал. В самом же факте<br />

получения льготной суммы он,<br />

по собственному признанию,<br />

не видел и не видит преступного<br />

умысла.<br />

Однако ясно,<br />

что и общество,<br />

и политики, и<br />

пресса ожидали<br />

от президента<br />

не такой<br />

формальной<br />

реакции.<br />

Более того,<br />

дело дошло<br />

до бундестага,<br />

где оппозиция<br />

потребовала<br />

от Вульфа не<br />

только внятного<br />

объяснения,<br />

но и принесения<br />

им публичного<br />

извинения в столь длительном<br />

сокрытии правды.<br />

В ответ на это президент<br />

Вульф сначала вроде бы извинился<br />

за прежние грехи, хотя<br />

и не признал за собой нарушения<br />

законов. Но тут гласности<br />

был предан еще один<br />

факт, совершенно необъяснимый,<br />

учитывая тот высокий<br />

пост, который Вульф занимает<br />

в государстве. Оказывается,<br />

в начале скандала президент<br />

звонил шефу самой популярной<br />

многотиражной бульварной<br />

газеты Германии «Бильд»<br />

с угрозами в адрес этого издания:<br />

он, мол, возбудит против<br />

журналистов уголовное дело,<br />

если они не прекратят свои<br />

критические публикации в<br />

адрес президента. Разразился<br />

новый скандал, теперь уже<br />

с обвинениями президента в<br />

попытках ущемления свободы<br />

печати, основополагающей<br />

для демократического государства.<br />

И снова, теперь уже<br />

по этому конкретному поводу,<br />

президент Вульф вынужден<br />

был лично извиняться перед<br />

шефом «Бильда», а затем в<br />

телевизионном интервью второму<br />

общефедеральному каналу<br />

ZDF признать этот звонок<br />

своей еще одной серьезной<br />

ошибкой. Впрочем, по его словам,<br />

из-за нее он не собирается<br />

уходить в отставку: «Я намерен<br />

и дальше исполнять свою<br />

функцию президента страны в<br />

течение положенных пяти лет<br />

добросовестно и приложить<br />

для этого все усилия, потому<br />

что мы сталкиваемся с серьезными<br />

проблемами в нашей<br />

стране».<br />

Но столь оптимистично относительно<br />

будущей судьбы Вульфа<br />

настроены не все в стране.<br />

Согласно последним общественным<br />

опросам института<br />

Forsa, 48 процентов опрошенных<br />

жителей Германии требуют<br />

отставки президента. Многие<br />

ведущие политики, в том<br />

числе и находящиеся в растерянности<br />

члены правящей<br />

коалиции, а также газетные<br />

комментаторы тоже сомневаются<br />

в доверии к нынешнему<br />

высшему должностному лицу<br />

государства.<br />

Похоже, «дело Вульфа» пока<br />

не близится к развязке.


Московская немецкая газета 1 (320) Январь 2012<br />

г е р м а н и я<br />

III<br />

«Меркози» и «сгуттенбергить»<br />

Немцы назвали наиболее популярные слова прошлого года<br />

«Стресс-тест» (Stresstest) был<br />

признан словом 2011 года,<br />

которое традиционно называет<br />

под Рождество Общество<br />

немецкого языка. В топ-10<br />

включают слова, наиболее<br />

часто упоминаемые в общественных<br />

дискуссиях в течение<br />

года. Лексема, венчавшая<br />

десятку в этот раз, обычно<br />

используется в медицине.<br />

Однако в прошедшем году на<br />

стрессоустойчивость тестировали<br />

не только людей, но и<br />

банки, и проект рекон струкции<br />

железнодорожного вокзала в<br />

Штутгарте, и атомные электростанции,<br />

и даже краснозеленое<br />

правитель ство земли<br />

Баден-Вюртемберг. В общем<br />

все, что вызывало общественный<br />

резонанс, подвергалось<br />

стресс-тесту.<br />

I<br />

рост ВВП не получил особо<br />

положительных сдвигов, а<br />

вместе с тем сумма суверенного<br />

государственного долга<br />

росла.<br />

И вполне закономерно, что<br />

разразился кризис. Это случилось<br />

в 20<strong>08</strong> году. Долги стран<br />

PIIGS стали астрономическими,<br />

а, как выяснилось, отдавать<br />

их нечем.<br />

Кризис суверенных долгов<br />

выявил ахиллесову пяту экономики<br />

Европейского союза:<br />

отсутствие единого политического<br />

руководства, что<br />

отрицательно сказывается и<br />

на финансовой политике. ЕС и<br />

его валюта страдают от своих<br />

плохо управляемых властных<br />

структур, а евро стал заложником<br />

непредсказуемого разрастания<br />

Европейского союза.<br />

В связи с этим и многие политики,<br />

и граждане стран PIIGS,<br />

прежде всего Греции, требуют<br />

отмены евро и возвращения<br />

своих прежних национальных<br />

валют.<br />

На защиту евро рьяно встала<br />

А как там в Греции?<br />

Второе место в рейтинге<br />

наиболее популярных слов<br />

года занял глагол «применять<br />

рычаг» (hebeln). Его употребляли,<br />

когда речь заходила о<br />

мерах помощи по спасению<br />

евро, которым правительства<br />

стран еврозоны занимались на<br />

протяжении всего года. Этим<br />

же они собственно занимались<br />

и в позапрошлом году – тогда<br />

в горячую десятку слов года<br />

вошло выражение «шмыгнуть<br />

под зонтик, спасающий евро».<br />

Теперь же этот «зонтик» предлагалось<br />

«расширить» – увеличить<br />

в разы сумму, выделяемую<br />

на спасение стран-должников<br />

при выполнении ими<br />

ряда условий. То есть, видимо,<br />

«применить рычаг» и таким<br />

образом задействовать меньше<br />

капитала, чем в случае изобретения<br />

велосипеда с нуля.<br />

Юбилей отменяется?!<br />

Ангела Меркель. По всем новостным<br />

телеканалам Германии<br />

целыми днями показывают, как<br />

убежденно федеральный канцлер<br />

отстаивает необходимость<br />

сохранения единой европейской<br />

валюты. Отчасти мотивы<br />

госпожи Меркель можно<br />

объяснить чисто немецким<br />

менталитетом – раз механизм<br />

запущен, он должен функционировать,<br />

и желательно без<br />

перебоев. С другой стороны,<br />

Германия больше всего выиграла<br />

от введения евро, получив<br />

вожделенные дополнительные<br />

рынки сбыта. Кабинет министров<br />

и руководство Германии<br />

проводят многочисленные<br />

консультации с банкирами и<br />

экономистами по вопросам<br />

устранения кризиса евро.<br />

Так что вполне вероятно, что<br />

вторая мировая валюта, которую<br />

официально используют<br />

332 миллиона человек в 17<br />

государствах ЕС, евро доживет<br />

до своего следующего круглого<br />

юбилея. А уж по какому<br />

курсу – покажет время. Как<br />

говорится в любимом фильме,<br />

поживем – увидим!<br />

«Тройка» – ЕЦБ, МВФ и Европейская комиссия – давят на греческое<br />

правительство, чтобы оно ускорило проведение переговоров. Но<br />

пока результата не видно. Аналитики предполагают три варианта<br />

развития событий:<br />

1. Списание 50% задолженности в обмен на поддержку «тройки».<br />

Греческим банкам необходимо будет поднять свой капитал на<br />

15 млрд. евро – это почти половина основного капитала банков.<br />

Частично банки будут национализированы, инвесторы получат часть<br />

своих вложений, а «тройка» передаст Греции еще 30 млрд. евро.<br />

2. Списание 60–70% задолженности. В этом случае большее число<br />

банков будет национализировано, а на их рекапитализацию придется<br />

потратить уже 24 млрд. евро.<br />

3. Дефолт и возможный выход страны из зоны евро. Если договоренность<br />

о списании долгов не будет достигнута, европейцам придется<br />

решать – либо и дальше увеличивать финансирование Греции, либо<br />

допустить ее дефолт. Это приведет к оттоку депозитов, в ответ власти<br />

введут мораторий на снятие средств. В случае неконтролируемого<br />

дефолта возможен выход страны из еврозоны и немедленная<br />

девальвация возрожденной драхмы: в разы упадет внутреннее<br />

потребление и экономика, начнется кризис в банковской системе и<br />

обесценивание активов.<br />

Все три сценария негативны для греческой банковской системы,<br />

однако пока всем сторонам переговоров выгоднее согласиться на<br />

добровольное списание половины долга – так потери для всех будут<br />

меньше.<br />

С трудом переводимый на<br />

русский язык неологизм «арабеллион»<br />

(Arabellion) занял<br />

третье место. Этим термином<br />

обозначали совокупность перемен<br />

и революций, проходящих<br />

весь год в арабских и североафриканских<br />

странах. В нем<br />

и географическая привязка, и<br />

английское «rebellion» (восстание),<br />

так что открытая акция<br />

сопротивления группы людей<br />

против государственной власти<br />

в отдельно взятом регионе<br />

заслужила, по мнению немцев,<br />

своего слова. Да и неологизм<br />

этот намного интереснее выражения<br />

«арабская весна», которым<br />

принято обозначать революционную<br />

волну демонстраций<br />

и протестов, начавшихся<br />

в арабском мире 18 декабря<br />

2010 года.<br />

Введение в наличное обращение<br />

евро в 2002 году по ставило<br />

россиян перед дилеммой: в чем<br />

лучше хранить сбережения, в<br />

долларах или в новой, почти<br />

общеевропейской валюте?<br />

Еще не забылся августовский<br />

дефолт 1998 года, научивший<br />

не доверять свои деньги банкам<br />

– не стеклянным, а коммерческим<br />

– и больше полагаться<br />

на «зеленые», марки,<br />

фунты, иены и прочие, нежели<br />

на родные деревянные. Уже,<br />

предположим, преодолены<br />

возникшие трудности с обменом<br />

наличных национальных<br />

валют на евро: напомним,<br />

что, например, по инструкции<br />

немецкого Бундесбанка<br />

наличные немецкие марки<br />

принимались у населения<br />

только на инкассо. В результате<br />

Сбербанк переписывал<br />

номера купюр, сдаваемых россиянами,<br />

и менял их на евро<br />

не менее чем через 3 месяца<br />

(купюры надо было переслать<br />

в Германию и там проверить).<br />

Итак, первые месяцы знакомства<br />

с новыми хрустящими<br />

купюрами позади, и к середине<br />

2002 года уже 11% россиян<br />

«Меркози» (Merkozy) – сочетание<br />

фамилий канцлера Германии<br />

Ангелы Меркель и президента<br />

Франции Николя Саркози<br />

– на четвертой позиции в<br />

рейтинге жюри. В 2011-м именно<br />

эти политики, лидеры двух<br />

ведущих экономик Европы,<br />

определяли стратегию выхода<br />

ЕС из финансового кризиса.<br />

И что немаловажно – выступали<br />

чаще всего согласованно,<br />

чем и заслужили одно на двоих<br />

имя «Меркози». Кстати, имя<br />

другого популярного немецкого<br />

политика Карла Теодора<br />

фон Гуттенберга, попавшегося<br />

на плагиате при написании<br />

диссертации, стало основой<br />

для глагола-неологизма «сгуттенбергить»<br />

(guttenbergen, 7-е<br />

место) и синонимом слова<br />

«списать».<br />

доверяют евро. Для сравнения:<br />

доллару тогда доверяли<br />

35% респондентов, рублю – 37,<br />

подсчитывает фонд «Общественное<br />

мнение».<br />

Постепенно евро приживался<br />

в России. Спрос на него<br />

подрастал, он стал занимать<br />

гораздо более существенную<br />

долю в сбережениях граждан,<br />

постепенно вытесняя доллар,<br />

позиции которого казались<br />

поначалу незыблемыми.<br />

Серьезной проверкой на<br />

проч ность стал мировой<br />

финансовый кризис, разразившийся<br />

осенью 20<strong>08</strong> года. Тогда<br />

евро, которому весной того же<br />

года доверяли уже 27% россиян<br />

(это был звездный час<br />

европейской валюты в нашей<br />

стране), потерял свои позиции,<br />

опустившись к 26 октября 20<strong>08</strong><br />

года до отметки 15% (доверие<br />

к рублю, напротив, выросло до<br />

рекордных 67%). Впрочем, по<br />

оценке того же фонда «Общественное<br />

мнение», среди пользующихся<br />

валютой россиян<br />

евро в 2009 году доверяли 43%<br />

(38% доверяли рублю, 15% –<br />

доллару). Так граждане отмечают<br />

сравнительно высокий и<br />

Название японской атомной<br />

электростанции в префектуре<br />

Фукусима, на которой 11 марта<br />

2011 года произошла радиационная<br />

авария, заняло пятое<br />

место в десятке наиболее популярных<br />

слов года в немецком<br />

обществе. Отголоски землетрясения,<br />

ставшего причиной<br />

аварии в далекой азиатской<br />

стране, хорошо ощущались и в<br />

Германии: немцы закрыли ряд<br />

своих АЭС и объявили о выходе<br />

из атомной энергетики к<br />

2022 году. Последствия Фукусимы<br />

предстоит преодолевать<br />

немцам еще долгие годы на их<br />

пути к использованию только<br />

экологических видов энергии,<br />

поэтому не удивительно, что<br />

название японской АЭС начало<br />

укореняться в немецком<br />

языке.<br />

Ольга Силантьева<br />

Храните евро… если они у вас есть!<br />

достаточно стабильный курс<br />

европейской валюты.<br />

С тех пор евро сохранил свои<br />

завоеванные за десятилетие<br />

хождения позиции в предпочтениях<br />

россиян: они немного<br />

пошатнулись, но все равно наши<br />

граждане предпочитают евро<br />

долларам, когда дело доходит<br />

до хранения сбережений. По<br />

итогам опроса, проведенного<br />

в конце прошлого года социологами<br />

портала Superjob.ru,<br />

хранить сбережения в зеленых<br />

банкнотах сейчас готовы 10%<br />

россиян, в евро – 17% опрошенных.<br />

Хотя, конечно, проблемы с<br />

Грецией и непрекращающаяся<br />

кампания по спасению евровалюты<br />

не способствуют укреплению<br />

ее позиций в России.<br />

В прошлом году наблюдалось<br />

сокращение объемов покупки<br />

евро, даже несмотря на рост<br />

его курса к рублю. Так что,<br />

граждане, храните деньги в сберегательной<br />

кассе, как призывала<br />

советская реклама. «Если,<br />

конечно, они у вас есть…» –<br />

как завершал слоган вор-рецидивист<br />

Жорж Милославский<br />

из комедии «Иван Васильевич<br />

меняет профессию».<br />

Динамика курса евро к рублю (2002–2012): данные Центрального банка РФ приведены на январь<br />

каждого года.


IV<br />

Московская<br />

н е м ц ы р о с с и и<br />

Живой труп<br />

От рассказов о трудармии стынет кровь<br />

«Морозным январским днем<br />

1942 года наш поезд с мобилизированными<br />

немцами остановился<br />

на маленькой станции<br />

Морошко Свердловской<br />

области. При входе на зону,<br />

где ранее жили заключенные,<br />

прямо на проходной с нас сняли<br />

отпечатки пальцев. Все были<br />

в шоке. Нас провели в бараки.<br />

Нары были исцарапаны и исписаны,<br />

можно было прочитать<br />

имена, проклятия, ругательства.<br />

Как долго сидели здесь<br />

люди, безмолвно, погрузившись<br />

в свои мысли? Часов не было,<br />

казалось, время остановилось.<br />

Наконец, один молодой человек<br />

встал и сказал: «Что головы<br />

повесили? Идемте, выкурим по<br />

одной, посмотрим, что рядом с<br />

бараком, где туалет. Мне как<br />

раз нужно». Он встал, взял<br />

из вышитой сумки щепотку<br />

табака, скрутил себе сигарету<br />

и со словами: «Ну, кто со<br />

мной?» – вышел. Мы пошли за<br />

ним. Выйдя во двор, мы увидели,<br />

что он окружен высоким<br />

забором, поверх которого шла<br />

колючая проволока. На каждом<br />

углу была наблюдательная<br />

вышка, на которой стоял<br />

солдат с ружьем. Доносился<br />

лай собак. «Мы тут как в<br />

тюрьме». «Что скажешь, Густав<br />

Петрович, ты же партийный?»<br />

– пошутил молодой<br />

человек, но сразу пожалел:<br />

страх перед 1937 годом напомнил<br />

о себе. «Тихо ты, осторожно».<br />

Густав Петрович, бывший<br />

директор школы в Шёнтале,<br />

молчал. Может, подбирал<br />

слова. Потом негромко сказал:<br />

«Думаю, мы все равны».<br />

Валить лес – сложное мужское<br />

дело. Но без опыта оно вдвойне<br />

сложнее. Вскоре трудармейцы<br />

узнали, как надо валить деревья,<br />

стеречь и обрабатывать<br />

их. Единицы могли выполнить<br />

норму, хотя работали до изнеможения.<br />

Мороз и голод выматывали.<br />

Многие в этом диком<br />

лесу не дожили и до весны. А<br />

конец этой пытке и не предвиделся.<br />

День начинался, день<br />

заканчивался, все время преследовал<br />

страх, что принесет день<br />

завтрашний. Рано утром, снег<br />

ли, дождь ли, всех, кто еще мог<br />

передвигаться, вели в лес – в<br />

сопровождении вооруженных солдат.<br />

Затем чиновник и дежурный<br />

врач делали обход, посещали<br />

оставшихся в бараках.<br />

Больных и слабых осматривал<br />

и лечил врач в медпункте.<br />

Тех, что не были больными,<br />

а только ими притворялись,<br />

запирали в карцер. А мертвых<br />

почти голыми, в лучшем случае<br />

в старом бельем, бросали<br />

на большие сани и отвозили в<br />

лес, на так называемое кладбище<br />

и неглубоко зарывали в<br />

снегу. Как-то прошел слух, что<br />

на том кладбище раздались<br />

слова одного окоченевшего,<br />

но живого человека: «Я ведь<br />

жив еще, зачем?..» Испуганный<br />

возница стал заикаться:<br />

«Начальник и врач лучше<br />

знают, жив ты или… И вообще,<br />

ты должен благодарить их<br />

за то, что они навсегда избавили<br />

тебя от работы». Врач,<br />

к сожалению, не мог ставить<br />

на ноги всех слабых и больных,<br />

не хватало медикамен-<br />

немецкая газета № 1 (320) Январь 2012<br />

Т р у д а р м и я : к а к э т о б ы л о ?<br />

В год 70-летия массовой<br />

мобилизации немцев в трудовую<br />

армию Международный<br />

союз немецкой культуры<br />

при поддержке Министерства<br />

внутренних дел Германии<br />

готовит к печати для издания<br />

альбом воспоминаний участников<br />

трудового фронта. В<br />

него войдут научно-популярные<br />

статьи о трудармии, документы,<br />

воспоминания очевидцев,<br />

выдержки из писем<br />

70-летней давности, стихи и<br />

песни, отрывки из пьес, репродукции<br />

картин – все то, что<br />

сохранит для ныне живущих<br />

и последующих поколений<br />

память о трагических для<br />

российских немцев событиях<br />

военных лет. Альбом призван<br />

запечатлеть подвиг немецкого<br />

народа, ковавшего в тяжелейших<br />

условиях тыла Победу.<br />

Для того чтобы собрать этот<br />

материал МСНК объявляет о<br />

проведении акции. Мы ищем:<br />

• Воспоминания трудармейцев<br />

о годах в трудовой<br />

армии.<br />

тов и простого хлеба. На зоне,<br />

где было 400 мужчин, к лету<br />

1943 года осталось 150–160<br />

человек. Однажды майским<br />

утром перед колонной предстал<br />

новый начальник, который<br />

обещал улучшить питание.<br />

И вечером люди получили<br />

по миске каши. Поговаривали,<br />

что предыдущий шеф был<br />

арестован и предстал перед<br />

судом из-за закопанных в снегу<br />

зимой трупов. Или это легенда<br />

была про говорящий труп?<br />

• Выдержки из писем тех<br />

лет.<br />

• Литературные произведения<br />

о трудармии.<br />

• Зарисовки и репродукции<br />

картин на тему «Трудовая<br />

армия».<br />

• Фотографии трудармейцев,<br />

сделанные в военные годы и в<br />

наши дни.<br />

• Рассказы представителей<br />

послевоенных поколений<br />

российских немцев, прежде<br />

всего молодежи, о том, что<br />

они знают о пребывании их<br />

(пра-)бабушек и (пра-)дедушек<br />

на трудовом фронте, о<br />

том, что для них значит этот<br />

период в жизни немецкого<br />

народа.<br />

Памятный альбом выйдет<br />

на русском и немецком языках<br />

и станет продолжением<br />

проекта 2011 года «„Выселить<br />

с треском!“ Очевидцы<br />

и исследователи о трагедии<br />

российских немцев».<br />

Подробная информация на<br />

сайте www.rusdeutsch.ru<br />

Так исчезли следы тысяч<br />

и тысяч немецких мужчин,<br />

которые на каком-то кладбище,<br />

где-то в дремучем лесу, в<br />

незнакомом месте, без гроба<br />

были закопаны. Кто знает их<br />

имена? Кто принесет цветы<br />

на могилку?..»<br />

Из дневника Йоханнеса Шейерманна,<br />

который он вел в трудармии<br />

на Урале (перевод с<br />

немецкого).<br />

Трудный случай<br />

Вступил в силу закон о воссоединении семей<br />

В декабре прошлого года вступил в силу Девятый закон об изменении<br />

Федерального закона о беженцах и изгнанных. Закон призван<br />

ликвидировать нежелательный разрыв семей поздних переселенцев<br />

путем создания правил трудного случая. Технически речь идет<br />

о включении задним числом потомков и супруги (супруга) позднего<br />

переселенца (переселенки) в решение о приеме основного<br />

заявителя.<br />

Ю рИДИЧЕСКАЯ<br />

КОНСУЛЬТАЦИЯ<br />

Рубрику ведут<br />

адвокат Томас Пуэ и<br />

Михаил Рушанов<br />

(ФРГ)<br />

Важнейшее изменение внесено<br />

в параграф 27, абзац<br />

3 «Федерального закона<br />

о беженцах и изгнанных»<br />

(BVFG). Теперь он гласит (с<br />

некоторыми сокращениями):<br />

«Оставшийся в стране проживания<br />

супруг или потомок<br />

позднего переселенца может<br />

задним числом включаться в<br />

решение о приеме позднего<br />

переселенца, если отказ от<br />

включения можно считать<br />

трудным жизненным случаем<br />

позднего переселенца или<br />

его супруга или потомка, а<br />

также наличествуют прочие<br />

предпосылки. Трудный случай<br />

может быть обоснован только<br />

обстоятельствами, отягчающе<br />

влияющими на семейную или<br />

личную ситуацию после переселения».<br />

Таким образом, спустя годы<br />

уже немолодые поздние переселенцы<br />

получили возможность<br />

воссоединиться с оставшимися<br />

в стране происхождения<br />

детьми, внуками и даже<br />

правнуками, а также членами<br />

их семей. Заинтересованные<br />

лица могут ходатайствовать<br />

о включении оставшихся в<br />

стране происхождения членов<br />

семьи в собственное решение<br />

о приеме.<br />

Предпосылки включения<br />

• Право подачи заявления о<br />

включении в решение дано<br />

поздним переселенцам<br />

(Spätaussiedler). Это изгнанные<br />

немецкой национальности,<br />

переселившиеся в<br />

Германию после 31.12.1992.<br />

Изгнанные немецкой национальности,<br />

переселившиеся<br />

до указанного срока,<br />

имеют статус переселенцев<br />

(Aussiedler) или изгнанных<br />

(Vertriebene), а посему действие<br />

закона на них не распространяется:<br />

переселенцы<br />

и изгнанные не смогут<br />

включить потомков задним<br />

числом в свои бумаги о приеме<br />

в Германию.<br />

• Право подачи заявления о<br />

включении имеет основной<br />

заявитель по § 4 BVFG.<br />

Потомок или супруг не<br />

имеют права самостоятельной<br />

подачи заявления от<br />

своего имени.<br />

• Включаемые лица должны<br />

доказать знания простого<br />

немецкого языка уровня А1.<br />

Из этого правила возможны<br />

исключения, особенно по<br />

состоянию здоровья.<br />

• Важнейшей предпосылкой<br />

включения является доказательство<br />

«трудного случая».<br />

Законодатель оставил<br />

открытым определение<br />

такового. Закон знает<br />

понятие «особо отягощенной<br />

ситуации» (besondere<br />

Härte) и «необычно отягощенной<br />

ситуации»<br />

(außergewöhnliche Härte).<br />

«Трудный случай» (Härtefall)<br />

в смысле §27 Abs. 3 BVFG<br />

можно считать минимальным<br />

понятием невысокой<br />

степени отягощенности. С<br />

другой стороны, «простого»<br />

включения не будет. Заявители<br />

должны убедительно<br />

доказать отягощенность<br />

своего случая и наличие<br />

обстоятельств, отягчающе<br />

влияющих на семейную<br />

или личную ситуацию<br />

после переселения основного<br />

заявителя в Германию.<br />

Обычный, жизненный разрыв<br />

семьи при добровольной<br />

смене места жительства<br />

некоторыми членами семьи<br />

«трудным жизненным случаем»<br />

не считается.<br />

• Обосновывающая часть<br />

закона содержит следующие<br />

примеры применения<br />

нового закона. Потомок<br />

позднего переселенца под<br />

влиянием ненемецкого<br />

супруга решает остаться в<br />

стране происхождения. Вся<br />

прочая семья переселяется<br />

в Германию. По прошествии<br />

лет потомок теряет работу,<br />

жилье, лишается супруга,<br />

болеет или попадает в иные<br />

трудные жизненные обстоятельства.<br />

Другой пример:<br />

проживающие в Германии<br />

предки стареют, болеют,<br />

страдают от разлуки, нуждаются<br />

в поддержке остающегося<br />

в стране происхождения<br />

потомка. Страдания от<br />

разлуки должны превышать<br />

обычную хандру и достигать<br />

уровня депрессивного<br />

заболевания.<br />

По нашему мнению, «трудным<br />

случаем» следует считать<br />

невключение потомка в решение<br />

о приеме позднего переселенца<br />

из-за незнания правовой<br />

ситуации. Федеральное административное<br />

ведомство видело<br />

правовую наивность проживающих<br />

в Сибири и Казахстане<br />

российских немцев. Поздние<br />

переселенцы по понятным<br />

причинам не знают правил<br />

включения потомка в свое<br />

решение о приеме. Многие<br />

выехали в Германию, не завершив<br />

административную процедуру<br />

включения в заявление<br />

на переселение всех членов<br />

семьи. Федеральное административное<br />

ведомство как орган<br />

государственного управления<br />

не указало поздним переселенцам<br />

на их ошибку и не сочло<br />

нужным проинформировать<br />

заинтересованных лиц обо всех<br />

требованиях закона. Несколько<br />

лет назад ведомство изменило<br />

документацию, теперь<br />

все поздние переселенцы получают<br />

информацию о правилах<br />

включения потомков.


Московская немецкая газета 1 (320) Январь 2012<br />

«Валдай» для российских немцев<br />

В Сочи прошел Дискуссионный клуб «Авангард»<br />

Дискуссионный клуб «Авангард» вновь, уже пятый год, собрал экспертов<br />

и активистов общественного движения российских немцев.<br />

На этот раз встреча, организуемая Международным союзом<br />

немецкой культуры при финансовой поддержке Министерства<br />

внутренних дел Германии, прошла в середине января в Сочи. Сюда<br />

со всей страны съехались активные российские немцы. Участников<br />

ожидала насыщенная программа – образовательные лекции,<br />

встречи с экспертами и острые дискуссии.<br />

Развитие спортивного<br />

направления для молодежи<br />

из числа российских немцев<br />

является одним из приоритетных<br />

направлений программы<br />

«Формирование авангарда»<br />

Международного союза<br />

немецкой культуры. В 2011<br />

году на федеральном уровне<br />

в рамках спортивных проектов<br />

было принято решение<br />

о создании и поддержке<br />

сборной российских немцев<br />

по футболу. Была проведена<br />

огромная работа по поиску<br />

молодых футболистов в регионах.<br />

Оказалось, что свои<br />

футбольные команды у российских<br />

немцев есть в Омской<br />

области, Самаре, Красноярске.<br />

В других регионах есть футболисты<br />

немецкой национальности,<br />

которые тренируются в<br />

местных командах.<br />

Футболистам, как и другим<br />

спортсменам, нужна конечная<br />

цель, к которой они должны<br />

стремиться. Этой целью для<br />

сборной российских немцев<br />

является победа в чемпионате<br />

национальных меньшинств<br />

по футболу «Европеада-2012»,<br />

который пройдет в июне 2012<br />

года в городе Лаузице в Германии.<br />

Подготовкой команды<br />

Организаторы Дискуссионного<br />

клуба «Авангард» провели<br />

своеобразный эксперимент,<br />

пригласив на этот раз людей,<br />

чья деятельность не содержит<br />

в себе напрямую этнокультурного<br />

компонента. И не прогадали:<br />

предпринимательство,<br />

политика и спорт являются<br />

важными сферами общественной<br />

деятельности любого<br />

сообщества.<br />

«Направление деятельности<br />

МСНК «Формирование авангарда»<br />

предполагает поддержку<br />

людей из разных сфер<br />

деятельности с высоким уровнем<br />

национального самосознания.<br />

Мы собираем их здесь не<br />

только для того, чтобы использовать<br />

их потенциал, но и для<br />

того, чтобы показать им возможности<br />

нашей программы»,<br />

— объясняет руководитель<br />

проекта Наталья Хречкова.<br />

«Здесь можно найти новые<br />

контакты, понять, куда двигать<br />

дальше. У нас есть в Самаре<br />

такая проблема – молодежь<br />

не представляет, чем можно<br />

заниматься на политической<br />

арене, а дискуссионный клуб<br />

как раз демонстрирует эти возможности»,<br />

— говорит доцент<br />

кафедры социологии, политологии<br />

и истории отечества<br />

Самарского государственного<br />

технического университета<br />

Бэлла Гартвиг.<br />

Высокий уровень участников<br />

отметил и модератор проек-<br />

Светлана Андреева<br />

та, член Общественной палаты<br />

Российской Федерации Алексей<br />

Арбузов из Абакана: «Среди<br />

наших российских немцев есть<br />

достаточно большое количество<br />

людей, которые потенциально<br />

могут создать что-то<br />

масштабное». Одна из возможностей<br />

реализовать потенциал,<br />

по мнению Алексея, это стать<br />

рациональной и созидательной<br />

частью российского общества,<br />

которая предлагает решения и<br />

реализует их как на федеральном,<br />

так и на региональном<br />

уровнях. Предприниматели<br />

при этом смогут осуществлять<br />

поддержку подобных проектов.<br />

Одним из партнеров Дискуссионного<br />

клуба стал московский<br />

Университет профессиональной<br />

политики, преподаватели<br />

которого среди прочего<br />

рассказали о роли межнациональной<br />

политики в органах<br />

управления и провели тренинг<br />

по ораторскому мастерству.<br />

Участники высоко оценили<br />

тренинг. «Так как моя основная<br />

деятельность связана с<br />

публичными выступлениями,<br />

мне было интересно услышать<br />

мнение профессионала о<br />

своей презентации», — делится<br />

активист Никита Балакирев<br />

из Казани.<br />

Участие в проекте оказалось<br />

полезным и для ижевского<br />

предпринимателя Михаила<br />

Киля: «Всем, кто хочет стать<br />

предпринимателем, я советую<br />

вступать в союзы предпринимателей.<br />

В этом смысле<br />

хотелось бы, чтобы и в рамках<br />

«Авангарда» у нас было больше<br />

дискуссий на тему предпринимательства».<br />

За восемь проектных дней<br />

Дискуссионному клубу удалось<br />

выработать план действий на<br />

ближайший год. После заседаний<br />

участники клуба решили,<br />

что необходимо создать<br />

и развивать Бизнес-клуб российских<br />

немцев, запланировав<br />

следующую встречу уже на<br />

февраль–март этого года. До<br />

этого момента инициативная<br />

группа планирует работать<br />

в дистанционном режиме, в<br />

том числе в социальных сетях.<br />

Политики же вплотную займутся<br />

подготовкой и проведением<br />

публичных слушаний<br />

в Общественной палате РФ,<br />

посвященных обсуждению<br />

Нам нужна одна победа!<br />

За каждым мячом заветная цель –<br />

«Европеада»!<br />

Участники за главным занятием Дискуссионного клуба –<br />

обсуждением новых идей.<br />

Сборная российских немцев по футболу готова к «Европеаде-2012»<br />

целевой программы поддержки<br />

российских немцев.<br />

В рамках проекта на основе<br />

голосования участников<br />

была определена Доска почета,<br />

которая уже стала непременным<br />

атрибутом Дискуссионного<br />

клуба. Ее лауреатами<br />

стали предприниматель, руководитель<br />

организации «Молодежный<br />

фонд Алтая» Денис<br />

Матис (Барнаул); руководитель<br />

сибирского представительства<br />

«Российской газеты» Константин<br />

Матис (Барнаул); предприниматель,<br />

активист молодежной<br />

организации «Югендхайм»<br />

Михаил Киль (Ижевск);<br />

активист движения российских<br />

немцев Арвид Мартенс<br />

(Франкфурт-на-Майне). Эти<br />

лучшие из лучших получат<br />

возможность реализовать<br />

свои социальные идеи и пройти<br />

обучение на интенсивных<br />

курсах немецкого языка.<br />

занялись опытные тренеры,<br />

давно уже работающие в движении<br />

российских немцев и<br />

знающие, как одновременно с<br />

занятиями спортом повысить<br />

национальное самосознание<br />

и сопричастность молодых<br />

российских немцев к своему<br />

народу. Главным тренером<br />

сборной является Андрей<br />

Ротэрмель.<br />

С 7-го по 15 января в Сочи<br />

футбольная команда российских<br />

немцев активно готовилась<br />

к предстоящему летом<br />

турниру. Проводились тактические<br />

занятия, тесты на<br />

выносливость, тренировки,<br />

стыковочные матчи. Тренеры<br />

делали упор на технику и сыгранность<br />

команды. Команда<br />

провела четыре товарищеские<br />

встречи со сборными Сочи<br />

и Адлера. Тренеры хотели<br />

отсмотреть игроков, а также<br />

отработать новые схемы. В<br />

первых двух играх российские<br />

немцы проиграли сначала<br />

со счетом 6:4, а потом 9:2.<br />

Но в двух последующих играх<br />

ребята одержали победу над<br />

сборной Адлера почти всухую<br />

— 4:1 и 2:1. «То, что попался<br />

серьезный соперник, это очень<br />

хорошо. Они проэкзаменовали<br />

нас. Но если бы у нас была<br />

задача выиграть, мы бы выиграли»,<br />

— рассказывает тренер<br />

сборной Алексей Землянухин.<br />

Матчи показали, что сыгранность<br />

на поле и командная<br />

игра стали гораздо выше по<br />

уровню. Последней проверкой<br />

команды стал матч с известным<br />

ярославским футбольным<br />

клубом «Шинник», в ходе<br />

которого сборная российских<br />

немцев показала достойную<br />

игру, но в итоге пропустила<br />

один мяч в свои ворота и проиграла.<br />

Помимо тренировок футболисты<br />

совместно с участниками<br />

проводимых в это же<br />

время проектов – дискуссионный<br />

клуб «Авангард» и<br />

Фестиваль педагогических<br />

команд – ходили на занятия<br />

по немецкому языку, на вечерние<br />

мероприятия. В завершение<br />

футболисты обсудили,<br />

как можно дальше развивать<br />

спортивное направление на<br />

региональном уровне. В настоящее<br />

время переговоры уже<br />

проведены с руководителями<br />

центров встреч в Сыктывкаре,<br />

Томске, Красноярске, где<br />

также будут создаваться футбольные<br />

команды.<br />

На «Европеаде-2012» российских<br />

немцев ожидают<br />

довольно сильные соперники.<br />

Уже на первой игре в группе<br />

команде предстоит столкнуться<br />

с прошлогодними<br />

полуфиналистами и фаворитами<br />

чемпионата – сборной<br />

из Венгрии. Но главный тренер<br />

сборной Андрей Ротермель<br />

настроен решительно:<br />

«У нас одна цель – победить,<br />

и мы справимся». Поддержать<br />

своих на чемпионате поедут и<br />

болельщики. А это является<br />

одной из важных составляющих<br />

успеха команды.<br />

н е м ц ы р о с с и и<br />

Светлана Андреева,<br />

Наталья Хречкова<br />

МСНК (2)<br />

V<br />

Der Sommer<br />

startet neue Wege!<br />

Начало года для языкового<br />

отдела Международного<br />

союза немецкой культуры<br />

характеризуется новым подходом<br />

в проведении мероприятий.<br />

С 7-го по 15 января<br />

в Сочи при поддержке<br />

Министерства внутренних<br />

дел Германии прошли одновременно<br />

«Фестиваль педагогических<br />

команд этнокультурных<br />

языковых лагерей<br />

российских немцев» и<br />

«Семинар для мультипликаторов<br />

по работе в языковых<br />

этнокультурных лагерях».<br />

Необходимость проведения<br />

первого Фестиваля педагогических<br />

команд связана<br />

в первую очередь с тем,<br />

чтобы выявить имеющийся<br />

в регионах потенциал. Всего<br />

в Фестивале приняло участие<br />

восемь команд из Оренбурга,<br />

Сыктывкара, Маркса,<br />

Костромы, Чебоксар, Омской<br />

области, Восточной<br />

Сибири и Алтайского края.<br />

Программа Фестиваля<br />

состояла из многочисленных<br />

конкурсов – различных<br />

методических разработок,<br />

информационных уголков,<br />

мастер-классов. Самым<br />

сложным для команд стали<br />

спонтанные конкурсы для<br />

вожатых, преподавателей<br />

и организаторов лагерей.<br />

Участники должны были<br />

показать свою смекалку,<br />

реагируя на различные<br />

предложенные организаторами<br />

ситуации. Самым<br />

ярким событием Фестиваля<br />

стали творческие презентации<br />

отрядов на тему „Der<br />

Sommer startet neue Wege!“<br />

(Лето – начало всех дорог!).<br />

По итогам всех конкурсов<br />

первое место в Фестивале<br />

педагогических<br />

отрядов заняла команда<br />

„Jugendkreis“ из Восточной<br />

Сибири, второе место<br />

– команда „Miteinander“ из<br />

Омской области, третье<br />

место – „Kinderland” из Сыктывкара.<br />

Сочинские победители<br />

покажут свои таланты<br />

на X<strong>VI</strong> Всероссийском фестивале<br />

в «Орленке» летом<br />

этого года.<br />

Вслед за Фестивалем для<br />

участников стартовал курс<br />

повышения квалификации<br />

«Технологии организации<br />

этнокультурных языковых<br />

лагерей (на примере этнокультурных<br />

лагерей этнической<br />

группы «российские<br />

немцы»)», проводимый в<br />

сотрудничестве с Московским<br />

государственным областным<br />

университетом.<br />

Среди множества лекций<br />

и практических занятий<br />

наибольший интерес вызвал<br />

практикум педагогического<br />

мастерства, где вожатые,<br />

преподаватели и организаторы<br />

этнокультурных лагерей<br />

получали новые инструменты<br />

для своей работы. По<br />

окончании курсов каждая<br />

педагогическая команда<br />

защищала идею этнокультурного<br />

лагеря.<br />

Проведенные мероприятия<br />

показали, что языковая<br />

работа должна проводиться<br />

системно, так как язык<br />

– одна из основ культуры<br />

российских немцев.<br />

Варвара Машкова


<strong>VI</strong><br />

Московская<br />

и с т о р и я и к у л ь т у р а<br />

В конце января посетители Российско-немецкого<br />

дома в Москве<br />

могут стать свидетелями<br />

уникального события: в стенах<br />

РНДМ при поддержке Международного<br />

союза немецкой<br />

культуры откроется выставка<br />

работ художника-сюрреалиста,<br />

«российского Дали» Макса<br />

Хаазе.<br />

Ульяна Ильина<br />

Имя этого художника по<br />

сей день окутано ореолом<br />

тайны: известно, что Макс<br />

Хааз родился и жил в Москве,<br />

творческий путь начинал<br />

в художественных студиях,<br />

занимался ручным ткачеством.<br />

Точно не известно происхождение<br />

художника: то<br />

ли обрусевший немец, то ли<br />

голландец, подлинное это имя<br />

или псевдоним. Практически<br />

никаких подробностей жизни<br />

художника неизвестно, поскольку<br />

она прошла в стороне<br />

от официоза, а известность<br />

пришла к нему уже после кончины.<br />

Более того: неизвестно<br />

даже, как он выглядел. Все<br />

это можно было бы назвать<br />

мистификацией, если бы не<br />

оставшиеся после его смерти<br />

работы.<br />

По мнению искусствоведа<br />

Людмилы Кандаловой, творчество<br />

Макса Хаазе поистине<br />

уникально: в работах художника<br />

прослеживается бесконечный<br />

поиск различных техник<br />

исполнения произведений,<br />

воплощения замыслов, творческого<br />

решения. Это видно<br />

в удивительном разнообразии<br />

его работ – от живописи, графики,<br />

рельефов с усложненной<br />

техникой до создания великолепных<br />

горельенов. С конца<br />

70-х годов, начав с гладкотканых<br />

шпалер, Макс Хаазе разрабатывает<br />

технику рельефных<br />

тканых панно, придумывает<br />

им название «горельен»<br />

(рельеф+гобелен). Его «Адам<br />

немецкая газета № 1 (320) Январь 2012<br />

Мистификация жизни и творчества<br />

В Москве открывается выставка работ художника-сюрреалиста Макса Хаазе<br />

и Ева», «Метаморфоза», «Анадиомена»,<br />

«Эрот и Морфей»<br />

отмечены эстетическим эротизмом<br />

и высоким уровнем<br />

технического исполнения. В<br />

своем творчестве художник<br />

повествует о вещах простых<br />

и значительных, о сложностях<br />

и загадках бытия, о необыкновенных<br />

поворотах судьбы, о<br />

превращениях человеческих<br />

душ и метаморфозах плоти.<br />

Сам Макс Хаазе называл<br />

свои картины багателями,<br />

«безделкам». Однако багатели<br />

Хаазе не являются просто<br />

картинами, это – сложные<br />

объекты, в которых он применял<br />

различные техники, в том<br />

числе приемы сюрреалистов,<br />

помещая обычные объекты в<br />

необычное окружение. Благодаря<br />

этому художник создавал<br />

в своих картинах эффект<br />

сна или галлюцинации: так,<br />

руки на одной из его картин<br />

превращаются в раковины и<br />

веера, ногти – в кисти, глаза<br />

стекают в слезы.<br />

Впервые творчество Макса<br />

Хаазе было представлено публике<br />

арт-директором галереи<br />

«Асти» Натэллой Войскунской<br />

в рамках Международного фестиваля<br />

искусств «Арт-ноябрь»<br />

в 2006 году. Позже работы<br />

художника выставлялись в<br />

залах Государственного института<br />

искусствознания и галерее<br />

Black Dog Красные Холмы.<br />

Сегодня наследие художника<br />

находится в Московском музее<br />

современного искусства и частных<br />

собраниях.<br />

Примечательным является и<br />

тот факт, что в настоящее время<br />

распорядительница наследия<br />

художника Нина Тихонова<br />

готова безвозмездно передать<br />

часть работ уникального художника<br />

в один из музеев Германии,<br />

с тем чтобы открыть имя и<br />

творчество этого пока все еще<br />

малоизвестного, но, несомненно,<br />

удивительного художника<br />

европейским ценителям искусства.<br />

Благодаря личной инициативе<br />

Нины Тихоновой работы<br />

Макса Хаазе будут представлены<br />

в Российско-немецком доме<br />

в Москве.<br />

Открытие выставки состоится<br />

24 января в 18:30 по адресу:<br />

ул. Малая Пироговская, д. 5.<br />

Выставка продлится до 29 февраля<br />

и будет открыта для посещений<br />

по вторникам, средам<br />

и пятницам с 12:00–20:00, по<br />

воскресеньям с 10:00–14:00.<br />

Голштейн-Беки на улицах Курска<br />

Жизнь немецких курян нашла отражение на страницах новой исторической книги<br />

Под названием «Немецкие адреса старого Курска» в свет вышла<br />

третья книга из серии, повествующей об истории российских<br />

немцев, живших в разных районах России. В новой книге речь идет<br />

о выходцах из германских земель, поселившихся в XIX – начале XX<br />

века в Курской губернии. Книга является плодом исследований,<br />

проведенных курскими историками, краеведами и искусствоведами<br />

в тесном сотрудничестве с Курским отделением общества «Знание»<br />

России. Проект осуществляется при поддержке Посольства<br />

Федеративной Республики Германия в Российской Федерации.<br />

К НИЖная<br />

полка<br />

История российских немцев<br />

уходит своими корнями в ХII<br />

век, когда в результате развития<br />

торговых связей со странами<br />

Западной Европы на землях русских<br />

княжеств начали селиться<br />

первые немецкие купцы. С<br />

течением времени к ним стали<br />

присоединяться довольно многочисленные<br />

ремесленники. В<br />

X<strong>VI</strong> веке немецкое население<br />

пополнилось военнопленными,<br />

захваченными в ходе Ливонской<br />

войны, а также беженцами,<br />

спасавшимися от преследований<br />

во времена Реформации.<br />

Затем число немцев значительно<br />

выросло за счет тех, кто<br />

откликнулся на приглашение<br />

русских царей и цариц переселиться<br />

в Россию. К началу XIX<br />

века число немецких иммигрантов<br />

составило уже 1,7 миллиона<br />

человек.<br />

Русские люди принимали<br />

переселенцев приветливо, с<br />

добрым любопытством при-<br />

Эмилия Лебедь<br />

сматривались к их быту, характеру.<br />

Обобщенное представление<br />

русских о немцах получило<br />

отражение в «Письмовнике»,<br />

написанном во второй половине<br />

X<strong>VI</strong>II века профессором<br />

Морского шляхетского корпуса<br />

Николаем Кургановым:<br />

«В поведении прост, ростом<br />

высок, в одежде подражателен,<br />

в кушании славен, в нраве ласков,<br />

в писании изряден, в науке<br />

знаток, в законе тверд, в предприятии<br />

орел, в устах верен, в<br />

браке хозяин».<br />

К началу XIX века, то есть<br />

ко времени, с которого начинается<br />

повествование в книге<br />

«Немецкие адреса старого Курска»,<br />

выходцы из германских<br />

земель играли уже значительную<br />

роль в развитии экономики,<br />

политики, общественной<br />

и культурной жизни России. В<br />

Курской губернии их было к<br />

тому времени немного – всего<br />

около 1500 человек, в своем<br />

большинстве уже потомки<br />

переселенцев, часто дети от<br />

смешанных браков, принявшие<br />

православие, обрусевшие, но<br />

сохранившие немецкие фамилии.<br />

Немало было и тех, кто<br />

остался верным лютеранскому<br />

вероисповеданию, старался не<br />

забывать родной язык. Некоторые<br />

переселенцы сохраняли<br />

германское подданство. Однако<br />

характерным для всех этих<br />

людей было то, что они относились<br />

к России как к своей второй<br />

родине и служили ей верой<br />

и правдой.<br />

Конечно, не все российские<br />

немцы сделали карьеру, но<br />

предостаточно было тех, кто<br />

оставил глубокий след в полуторавековой<br />

истории Курской<br />

губернии. Их деятельность в<br />

самых разных областях жизни<br />

была настолько результативной<br />

и общественно значимой,<br />

что ее плоды порой оказывают<br />

положительное влияние на<br />

жизнь курян и по сей день. Об<br />

этом идет речь в книге «Немецкие<br />

адреса старого Курска». Но<br />

не только об этом, потому что<br />

образы этих людей, их жизненный<br />

путь буквально оживает в<br />

книге, предстает перед читателем<br />

во плоти.<br />

Есть в этом документальном<br />

издании и романтические<br />

истории, о которых не всегда<br />

прочитаешь в иных любовных<br />

романах. Героем одной из них<br />

оказался, например, немец по<br />

крови и абсолютно русский по<br />

духу великий поэт Афанасий<br />

Фет. Увлекательна и одновременно<br />

познавательна глава,<br />

повествующая о хранящихся в<br />

собрании Курской картинной<br />

галереи имени Дейнеки произведений<br />

немецких художников<br />

X<strong>VI</strong>II века. Почти каждая<br />

такая работа связана с определенной<br />

страницей русской или<br />

немецкой истории. Эти картины<br />

были в свое время приобретены<br />

членами российских<br />

княжеских семей, породнившихся<br />

благодаря смешанным<br />

бракам с такими старинными<br />

немецкими родами, как Голштейн-Бек,<br />

Сайн-Виттгенштейн,<br />

Келлер и др.<br />

Воссоздавая судьбы российских<br />

немцев Курской губернии,<br />

авторы книги показывают, как<br />

на протяжении долгого, даже<br />

в масштабах истории, времени<br />

происходило взаимодействие,<br />

взаимовлияние и взаимное<br />

обогащение двух культур.<br />

Как осуществлялось совместное<br />

созидание во имя общего<br />

блага. В книге запечатлен ценный<br />

пример полезности этого<br />

процесса, реальной возможности<br />

понять и принять людей<br />

другой культуры.<br />

Известно, что случившиеся в<br />

XX веке две войны взорвали<br />

гармонию жизни, внесли в нее<br />

губительный хаос, принесли<br />

страшные разрушения. И это<br />

была большая беда для обоих<br />

народов. Часто приходится<br />

слышать, что зло сильнее<br />

добра. Однако жизнь настаивает<br />

на обратном. Прерванное<br />

сотрудничество, доброжелательный<br />

интерес двух народов<br />

друг к другу каждый раз снова<br />

оживали и набирали силу. Тому<br />

пример – динамично развивающиеся<br />

на государственном<br />

уровне и на уровне так называемой<br />

народной дипломатии<br />

российско-германские отношения<br />

сегодня. Об этом вы<br />

тоже подробно узнаете, прочитав<br />

книгу «Немецкие адреса<br />

старого Курска». Кстати, эту<br />

книгу надо читать не спеша.<br />

Только в этом случае истории<br />

отдельных людей постепенно<br />

сложатся в единую картину<br />

жизни и одновременно откроется<br />

глубокое содержание привычного<br />

и, казалось бы, такого<br />

простого понятия как «российские<br />

немцы».


Московская немецкая газета 1 (320) Январь 2012<br />

р е г и о н ы г е р м а н и и<br />

<strong>VI</strong>I<br />

На свидание с Лорелеей<br />

В долине Рейна что ни замок, то легенда<br />

Отрезок романтического Рейна от Кобленца до Бингена многократно<br />

воспет поэтами, музыкантами и художниками многих стран.<br />

Сколько легенд, историй и сказаний связано с этими круто сбегающими<br />

к воде берегами! Именно здесь, на Среднем Рейне, проходили<br />

события, описанные в знаменитом немецком героическом<br />

эпосе «Песнь о Нибелунгах», да и сама река до сих пор хранит в<br />

своих темных глубинах их сказочные сокровища.<br />

В этих местах величественный<br />

Рейн, петляя в скалистых<br />

ущельях, пробивает себе дорогу.<br />

Здесь с особой ясностью<br />

понимаешь, почему эта река<br />

стала одним из символов<br />

немецкой нации, ее гордостью.<br />

Сколько тайн и загадок<br />

хранят берега Рейна! Красотой<br />

этой реки, этих скал вскормлен<br />

немецкий романтизм. Именно<br />

здесь проходит туристический<br />

маршрут «Замки Рейна»,<br />

пользующийся большой популярностью<br />

у любознательных<br />

путешественников. Местные<br />

гиды советуют: «Путешествие<br />

лучше всего начать с пешеходной<br />

экскурсии по прекрасному<br />

Кобленцу, с его незабываемым<br />

«Немецким углом» (Deutsches<br />

Eck) и крепостью Эренбрайтштайн<br />

и продолжить вдоль<br />

берегов Рейна».<br />

Автобус подвозит путешественников<br />

к наиболее живописным<br />

и интересным старинным<br />

замкам. Туристы имеют<br />

возможность полюбоваться<br />

гармоничным сочетанием прекрасных<br />

ландшафтов и творений<br />

человеческого гения. В<br />

экскурсию входит посещение<br />

древнего замка Марксбург<br />

(Marksburg), построенного в<br />

XII–XIV веках, который является<br />

единственной не разрушенной<br />

временем крепостью<br />

на Рейне. Здесь же располагается<br />

превосходный музей.<br />

– Первые постройки на месте<br />

замка, – рассказывает экскурсовод,<br />

– появились еще задолго<br />

до 1200 г. Однако первое<br />

упоминание о будущем Марксбурге<br />

относится к 1231 году<br />

Восставший из руин – замок Штольценфельс.<br />

Григорий Крошин<br />

– под именем города, над которым<br />

он расположен, – Браубах.<br />

В замке можно ознакомиться с<br />

жизненным укладом средневековых<br />

рыцарей, увидеть интереснейший<br />

рыцарский зал и<br />

пушечные батареи. С их помощью<br />

владельцы замка контролировали<br />

движение судов по<br />

реке. Со смотровых площадок<br />

этого древнего замка открываются<br />

прекрасные панорамы<br />

Рейна.<br />

Вызывают восхищение не<br />

только романтическая красота<br />

этих мест, но и связанные<br />

с ними таинственные и удивительные<br />

рыцарские истории<br />

и легенды: о монахе Марке<br />

и замке Марксбург, о замках<br />

Мышки и Кошки, о руинах<br />

замков «Враждующие братья»<br />

и выступающих из воды скалах<br />

«Семь девственниц».<br />

Мышиная башня скупого<br />

архиепископа.<br />

Однако более всего влечет<br />

туристов легендарный<br />

мыс Лорелеи. Здесь у отвесной<br />

скалы река делает поворот<br />

почти под прямым углом.<br />

Согласно старинной легенде,<br />

Larry Myhre<br />

David Morgan-Mar<br />

Drosselgasse – улочка для<br />

непьющих.<br />

именно в этом месте разбивались<br />

в непогоду проплывающие<br />

мимо корабли, капитаны<br />

которых теряли голову, очарованные<br />

прекрасным голосом<br />

поющей на скале Лорелеи. С<br />

легкой руки Клеменса Брентано<br />

легенда об этой восхитительной<br />

кудеснице стала<br />

источником вдохновения многих<br />

поколений художников,<br />

музыкантов и поэтов. Наиболее<br />

известная из них принадлежит<br />

гению Генриха Гейне.<br />

Немало легенд связано и с<br />

живописным островком у<br />

городка Кауба, где раньше размещалась<br />

таможня, а теперь<br />

– небольшой музей. В этом<br />

месте форсировал реку, преследуя<br />

наполеоновские войска,<br />

легендарный полководец Блюхер.<br />

На противоположной стороне<br />

виден замок Рейнштейн<br />

(Burg Rheinstein), ставший<br />

в XIX веке символом рейнской<br />

романтики. В 1825 году<br />

замок, пришедший в X<strong>VI</strong>I веке<br />

в полное запустение, приобрел<br />

прусский принц Фридрих<br />

Вильгельм. Восстановленный<br />

по его приказу замок стал<br />

первым отреставрированным<br />

замком на Рейне.<br />

У городка Бингена посередине<br />

реки высится Мышиная<br />

башня (Binger Mäuseturm).<br />

Башня была построена в XIII<br />

веке как дозорная башня для<br />

замка Эренфельд. Легенда<br />

гласит, что в этом замке жил<br />

скупой архиепископ Майнца<br />

Хатто II, который как-то<br />

в неурожайный год, чтоб не<br />

расставаться с зерном, сжег<br />

его вместе с крестьянами и...<br />

мышами. Опасаясь преследований<br />

разгневанных жителей,<br />

он засел в башне на маленьком<br />

островке на Рейне. Но мышиный<br />

род решил отомстить скупердяю:<br />

грызуны перебрались<br />

John Chu<br />

Марксбург – настоящий рыцарский замок.<br />

на остров, образуя живой мост<br />

и… съели его.<br />

Еще одна рейнская достопримечательность<br />

– замок Штольценфельс<br />

(Schloss Stolzenfels).<br />

Он был основан в XIII веке<br />

архиепископом Трирским,<br />

в X<strong>VI</strong>I веке был разрушен и<br />

лишь в X<strong>VI</strong>II веке его восстановил<br />

будущий король Фридрих<br />

Вильгельм IV.<br />

Не оставит никого равнодушным<br />

и сказочный город<br />

Рюдесхайм, расположенный в<br />

центре Рейна. «Золотая середина<br />

реки» – так называют свой<br />

город его жители. Он является<br />

центром производства знаменитых<br />

рейнских рислингов.<br />

Этот уютный городок покоряет<br />

своеобразием архитектуры,<br />

красотой окружающего ландшафта.<br />

Именно здесь находится<br />

всемирно известная улочка<br />

Drosselgasse (в переводе с<br />

немецкого «улочка дроздов»).<br />

Три метра шириной, 144 метра<br />

длиной. Эта улочка винных<br />

погребков и ресторанчиков –<br />

одна из самых живописных в<br />

Германии – привлекает ежегодно<br />

около трех миллионов<br />

туристов. Drosselgasse настолько<br />

узка, что «подвыпившему<br />

человеку и упасть-то некуда»,<br />

шутят местные жители.<br />

На вершине горы возвышается<br />

один из самых величественных<br />

монументов страны<br />

– Niederwalddenkmal – символическая<br />

фигура Германии.<br />

На цоколе монумента – текст<br />

эпоса «Вахта на Рейне».<br />

Большой наплыв туристов в<br />

эти места можно наблюдать с<br />

июля по сентябрь, когда все<br />

большие и малые прибрежные<br />

города отмечают праздник<br />

«Рейн в огнях». В этом<br />

празднике сочетаются гостеприимство<br />

и жизнерадостность<br />

рейнландцев, радость<br />

виноградарей, завершивших<br />

сбор знаменитого рейнского<br />

Кобленц<br />

Бинген<br />

винограда. В это время свое<br />

мастерство демонстрируют<br />

шкиперы и экипажи кораблей<br />

рейнской флотилии. Как правило,<br />

праздник начинается в<br />

середине августа в Кобленце<br />

и к середине сентября перемещается<br />

к мысу Лорелеи.<br />

У каждого города свои традиции<br />

проведения праздника.<br />

Например, в Санкт-Гоаре на<br />

ночь перегораживают винными<br />

бочками пешеходные туннели,<br />

проходящие под железной<br />

дорогой. Чтобы войти в Санкт-<br />

Гоар, надо обязательно купить<br />

стаканчик местного рислинга и<br />

тут же выпить его до дна. В эти<br />

дни в городе играют маленькие<br />

оркестры, наполняя его музыкой<br />

и песнями. Перед винными<br />

кабачками выступают фокусники<br />

и акробаты. Молодое вино<br />

кружит головы, прямо на улицах<br />

танцуют все – и стар и млад.<br />

Праздники вдоль Рейна,<br />

сопровождаемые выступлениями<br />

оркестров и дегустациями<br />

местных вин, проходят так же<br />

бурно и красочно, как и царящая<br />

вокруг атмосфера. Рейнские<br />

берега с живописными<br />

скалами и завораживающими<br />

взгляд замками таят в себе<br />

великое множество различных<br />

легенд, сказаний и летописных<br />

историй, многие из которых,<br />

возможно, еще предстоит разгадать.<br />

Michael.berlin<br />

Мыс, кружащий голову<br />

Felix Koenig


<strong>VI</strong>II<br />

Московская<br />

н е м е ц к и й я з ы к<br />

Winterspaß auf russische Art<br />

In der kältesten Zeit des Jahres wird Schnee gesucht<br />

Der Winter ist sowohl in Deutschland als auch in Russland die kälteste und auch die<br />

dunkelste Jahreszeit. Trotzdem gibt es im Winter viele Gründe zur Freude. Auf der einen<br />

Seite sind es die beliebten Festtage – Advent, Nikolaustag, Weihnachten, Neujahrsfest,<br />

Fasching – mit vielen Geschenken und Süßigkeiten. Auf der anderen Seite sind es die<br />

winterlichen Freizeitaktivitäten, die man draußen unternehmen kann. Allerdings gibt es<br />

dafür eine wichtige Voraussetzung – Schnee!<br />

немецкая газета № 1 (320) Январь 2012<br />

Die Kinder in Russland haben meistens<br />

etwas mehr Glück, als ihre Altersgenossen<br />

in Deutschland. Denn in Russland<br />

bringt der Winter fast immer viel Schnee<br />

mit sich. In Deutschland dagegen müssen<br />

die Menschen im Winter oft ohne (viel)<br />

Schnee auskommen. Und wenn sie sich<br />

nach dem richtigen Winter mit Frost und<br />

Schneeflocken sehnen, fahren sie dorthin,<br />

wo es ganz viel Schnee gibt – zum Beispiel<br />

in die Alpen.<br />

Das Rezept für einen gelungenen Winterspaß<br />

ist sehr einfach: Eine passende<br />

Schneepiste aussuchen, sich warm anziehen,<br />

ein paar Freunde mitnehmen und los<br />

geht es. Natürlich darf man dabei das richtige<br />

Gerät nicht vergessen. Zum Beispiel<br />

den Schlitten. Was kann besser sein, als<br />

schon völlig mit Schnee bedeckt mit tränenden<br />

Augen den weißen Berg herunter<br />

Aufgaben<br />

1. Warst du aufmerksam beim Lesen? Dann kannst<br />

du problemlos 6 Wörter mit SCHNEE am Anfang finden.<br />

Schreibe sie auf.<br />

FLOCKE PISTE<br />

BALL SCHNEE REICH<br />

MANN KÖNIGIN<br />

2. In einer Schneeballschlacht sind die Buchstaben<br />

durcheinander geraten. Kannst du sie wieder in die<br />

richtige Reihenfolge bringen?<br />

a) sloekecfhcen<br />

b) ebhsian<br />

Von Natalja Gubko<br />

zu rasen? Na und, dass die Mütze irgendwo<br />

verloren gegangen ist? Dafür sind<br />

schöne rote Bäckchen und gute Laune<br />

garantiert.<br />

Wenn man nach so einer Fahrt noch<br />

Energie und Lust hat, kann man sich bei<br />

einer Schneeballschlacht austoben. So<br />

kann man sich mit ein paar Schneebällen<br />

bei denjenigen Freunden „bedanken“,<br />

die vielleicht einmal keinen Kugelschreiber<br />

ausleihen wollten. Dabei soll man natürlich<br />

auch damit rechnen, dass man selbst einige<br />

Schneeattacken aushalten muss. Aber was<br />

soll’s? Ganz ohne Schnee im Kragen gibt es<br />

eben keinen richtigen Spaß.<br />

Die Winterromantiker begeben sich, von<br />

zahlreichen TV-Shows wie „Stars auf Eis“<br />

inspiriert, auf die Eisbahn. Zu schöner<br />

Musik kann man hier stundenlang, ohne<br />

Eile Schlittschuh laufen. Viele Eisbahnbetreiber<br />

bieten die Möglichkeit an, Schlittschuhe<br />

auszuleihen, wenn man keine<br />

dabei hat.<br />

Ausleihen kann man in vielen Parks auch<br />

verschiedene andere Sportgeräte: Schi<br />

oder Snowboard. Außerdem kann dort ein<br />

fachkundiger Trainer mit Rat und Tat zur<br />

Seite stehen. Einige Stunden auf der Piste<br />

können nicht nur die Laune heben, sondern<br />

sind auch für die GesundheIt gut.<br />

Wenn der Winter besonders schneereich<br />

ist, muss man sich unbedingt in Bauarbeiten<br />

ausprobieren. Eine Minikopie des<br />

Eiffelturms aus dem Schnee zu errichten<br />

oder einfach einen Schneemann mit<br />

Karottennase zu bauen – das wäre eine<br />

c) schtltein<br />

d) stofr<br />

e) neches<br />

Летние каникулы в Германии<br />

beliebt –<br />

любимый, популярный<br />

die Voraussetzung –<br />

предпосылка; условие<br />

der Altersgenosse – сверстник<br />

auskommen – обходиться<br />

der Frost – мороз<br />

die Schneeflocke – снежинка<br />

die Schneepiste –<br />

лыжня, трасса<br />

der Schlitten – санки<br />

schöne Freizeitbeschäftigung sowohl für<br />

die Kinder als auch für die Erwachsenen.<br />

Wer keine Lust hat, selbst etwas zu<br />

bauen, kann vielleicht unweit der Haustür<br />

ein Schneereich finden – ähnlich wie das<br />

Königreich aus dem Märchen von Hans<br />

Christian Andersen „Die Schneekönigin“.<br />

3. Einige Stellen im Text sind schneebedeckt. Welche<br />

Wörter suchen wir? Fülle die Lücken aus.<br />

a) Der Winter ist sowohl in Deutschland als auch in<br />

Russland die _________ und auch die dunkelste Jahreszeit.<br />

b) Die Kinder in Russland haben meistens etwas mehr<br />

___________, als ihre Altersgenossen in Deutschland.<br />

c) Denn in Russland bringt der Winter fast immer viel<br />

___________ mit sich.<br />

Lesehilfe<br />

rasen – мчаться<br />

das Bäckchen – щёчка<br />

die Schneeballschlacht –<br />

снежная битва<br />

der Kragen – воротник<br />

Schlittschuh laufen –<br />

кататься на коньках<br />

ausleihen – брать напрокат<br />

die Schi – лыжи<br />

Frau Holle – Госпожа Метелица из<br />

одноименной сказки братьев Гримм<br />

In vielen russischen Städten werden schöne<br />

Schneesiedlungen errichtet, mit Bauten<br />

und Märchenfiguren aus Eis.<br />

Der Winterspaß auf russische Art ist<br />

nur dann möglich, wenn es viel Schnee<br />

gibt. Also, bitte, Frau Holle, lass es kräftig<br />

schneien!<br />

d) Das Rezept für einen gelungenen _____________ ist<br />

sehr einfach: Eine passende Schneepiste aussuchen, sich<br />

warm anziehen, ein paar Freunde mitnehmen und los<br />

geht es.<br />

e) Wenn man nach so einer Fahrt noch Energie und<br />

Lust hat, kann man sich bei einer ____________________<br />

austoben.<br />

f) Ganz ohne Schnee im ____________ gibt es eben keinen<br />

richtigen Spaß.<br />

g) Also, bitte, ______________, lass es kräftig schneien!<br />

4. Was meinst du: richtig oder falsch?<br />

a) Der Winter ist sowohl in Deutschland als auch in<br />

Russland die kälteste Jahreszeit.<br />

b) Die Kinder in Russland haben meistens weniger Glück<br />

mit Schnee, als ihre Altersgenossen in Deutschland.<br />

c) Die Winterromantiker lassen sich von TV-Shows wie<br />

„Stars auf Eis“ inspirieren und gehen Snowboard fahren.<br />

d) Viele Eisbahnbetreiber verbieten den Besuchern,<br />

eigene Schlittschuhe mitzubringen.<br />

e) Einige Stunden auf der Piste können nicht nur die<br />

Laune heben, sondern sind auch für die Gesundheit gut.<br />

f) In vielen russischen Städten werden schöne Siedlungen<br />

errichtet, mit Bauten und Märchenfiguren aus<br />

Sand.<br />

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совмещение отдыха и изучения немецкого языка. Каждый<br />

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5. Kannst du diese zwei Winterrätsel lösen?<br />

a) Wie heißt der große weiße Mann,<br />

der in der Sonne schmelzen kann?<br />

b) Im Winter fallen sie vom Himmel herab,<br />

tanzen vergnügt auf und ab.<br />

Setzen sich nieder auf deine Nas‘,<br />

zergehen sofort, was ist denn das?<br />

Zusammengestellt von Ludmila Urnyschewa<br />

Lösungen<br />

1. Schneeflocke (die), Schneepiste (die), Schneeball (der),<br />

Schneereich (das), Schneemann (der), Schneekönigin (die)<br />

2. a) Schneeflocke; b) Eisbahn; c) Schlitten; d) Frost ; e)<br />

Schnee<br />

3. a) kälteste; b) Glück; c) Schnee; d) Winterspaß; e)<br />

Schneeballschlacht; f) Kragen; g) Frau Holle<br />

4. Falsch: b; c; d; f<br />

5. a) Schneemann; b) Schneeflocken<br />

Адрес редакции: 119 435, Москва, ул. Малая Пироговская, д. 5, оф. 54. E-mail: redaktion@martens.ru Тел.: +7 (495) 937 65 44, +7 ( 495) 246 94 48.<br />

Отпечатано в типографии: ОАО «Издательский дом «Красная Звезда», 123007, Москва, Хорошевское ш., 38.


<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

Ganz großes Ballett<br />

85 Jahre alt und das Tanzen hat kein Ende – Zum Jubiläum von Jurij Grigorowitsch<br />

Feuilleton<br />

09<br />

Ohne ihn wäre die Geschichte des klassischen Balletts nicht vollständig:<br />

Ballettmeister und Choreograph Jurij Grigorowitsch ist eine herausragende<br />

Figur des 20. Jahrhunderts. Seine Innovationen waren keine<br />

stürmische Revolution, die Welt des Tanzes haben sie aber nachhaltig<br />

verändert. Das Genie, das von Terpsichore, der Muse des Tanzes wohl<br />

für die Ewigkeit geküsst wurde, genießt weit über Russlands Grenzen<br />

hinaus Anerkennung.<br />

Die Sonnenstrahlen haben die<br />

Erde kaum berührt, da übt die<br />

Truppe des Bolschoi-Theaters<br />

schon die wohlbekannten Schritte<br />

aus dem Ballett „Romeo und Julia“,<br />

noch vor dem offiziellen Probenbeginn.<br />

Gleich kommt Maestro<br />

Jurij Grigorowitsch und dann muss<br />

die Arbeit in vollem Gange sein.<br />

Halblaut die Melodie vom „Tanz<br />

der Ritter“ vor sich her singend,<br />

reißt er sich immer wieder von<br />

seinem Platz los und tanzt gemeinsam<br />

mit seiner Balletttruppe, um<br />

nicht nur mit Worten, sondern<br />

auch mit dem eigenen Körper zu<br />

vermitteln, welches Ergebnis er<br />

Von Natalia Gubko<br />

von den Tänzern erwartet. Wie ein<br />

Dirigent weist er die Tänzer auf<br />

den richtigen Weg, hat jede Kleinigkeit<br />

unter Kontrolle – Erfolg<br />

oder Miserfolg, alles hängt nur von<br />

ihm ab. Manchen Tänzern liegt<br />

diese Lehrmethode gar nicht und<br />

viele sagen, dass er auf Ideen und<br />

Vorschläge der Tänzer überhaupt<br />

nicht eingeht; er macht, was er will.<br />

„Dem genialen Choreographen,<br />

herausragenden Künstler mit dem<br />

schlechten Charakter. Mit Liebe.“,<br />

hat der Komponist Aram Chatschaturjan<br />

auf den Programmzettel für<br />

Jurij Grigorowitsch am Tag der<br />

„Spartacus“-Premiere geschrieben.<br />

Bei den Proben kann er nicht still sitzen: Jurij Grigorowitsch im Jahr 1978 mit<br />

Ljudmila Semenjaka.<br />

RIA Nowosti (2)<br />

Über seinen Charakter gehen die<br />

Meinungen auseinander, aber dass<br />

er eine bedeutungsvolle Figur im<br />

russischen Ballett ist, bestreitet<br />

niemand ernsthaft.<br />

Das Tanztalent hat er im Blut.<br />

Sein Onkel Georgij Rosaj tanzte<br />

in Sergej Djagilews berühmter<br />

Tanzgruppe „Ballets russes“.<br />

Seine Grundkenntnisse und tänzerischen<br />

Fertigkeiten hat Grigorowitsch<br />

beim Petersburger Choreographen<br />

Alexander Schirjaew,<br />

erworben, der selbst Assistent des<br />

genialen französisch-russischen<br />

Choreographen Marius Petipa<br />

war. Am Kirow-Theater für Ballett<br />

und Oper im damaligen Leningrad<br />

(das heutige Mariinskij Theater)<br />

hat Jurij 18 Jahre getanzt. 1957<br />

bekam er die einmalige Chance,<br />

sich bei einer außerplanmäßigen<br />

Jugendvorstellung als Choreograph<br />

auszuprobieren. 30 Jahre<br />

war er damals alt und diese Vorstellung<br />

wurde zu seinem ersten<br />

choreographischen Erfolg. Seine<br />

Inszenierungen der Ballettstücke<br />

„Die Steinblume“, „Der Nussknacker“,<br />

„Schwanensee“ und „Iwan<br />

der Schreckliche“ beginnen ein<br />

neues Kapitel im russischen Ballett,<br />

im Einklang mit den Traditionen<br />

des klassischen russischen<br />

Balletts.<br />

Für seine Aufführungen ist das<br />

Verschmelzen von Choreografie<br />

und Musik typisch, die innere<br />

Struktur spiegelt sich im Tanz<br />

wider. Der klassische Tanz ist<br />

noch immer die Grundlage, aber<br />

er wird durch Elemente des dramatischen<br />

Tanzes und des Volkstanzes<br />

bereichert. Die Ballettgruppe<br />

wird zur lyrischen Begleitung<br />

der Solotänze. So steigert<br />

der Maestro die Emotionalität der<br />

Vorstellung. Sein Ziel ist nicht nur,<br />

das Publikum mit einwandfreien<br />

Tanzschritten zu begeistern, sondern<br />

auch, bei ihm Mitgefühl zu<br />

wecken und neue Gedankengänge<br />

anzustoßen.<br />

Am Kirow-Theater war Grigorowitsch<br />

von 1961 bis 1964 als<br />

Ballettmeister tätig. Dann wurde<br />

er vom Bolschoi-Theater engagiert<br />

und hat dort mehr als 20 Aufführungen<br />

auf die Bühne gebracht,<br />

unter ihnen Neuinszenierungen<br />

der klassischen russischen Ballettstücke.<br />

Während dieser Zeit zeigte<br />

er sich nicht nur als meisterhafter<br />

Choreograph und Lehrmeister,<br />

sondern entdeckte auch eine Reihe<br />

der heute weltweit berühmten<br />

Balletttänzer wie Wasiljew, Maksimowa<br />

und Lawrowskij. Auch<br />

Nikolaj Zisskaridse hat unter seiner<br />

Leitung getanzt. Mehrmals hat<br />

Grig, wie er von seinen Kollegen<br />

genannt wird, auch für europäische<br />

Bühnen gearbeitet – 1961<br />

wurde „Die Steinblume“ in der<br />

schwedischen königlichen Oper<br />

aufgeführt, 1973 „Der Nussknacker“<br />

in der Wiener Staatsoper,<br />

1976 „Iwan der Schreckliche“ in<br />

der Pariser Nationaloper. Internationale<br />

Tourneen waren selbstverständlich<br />

geworden.<br />

1995 musste Grigorowitsch das<br />

Bolschoi-Theater verlassen. Die<br />

Gründe für die plötzliche Kündigung<br />

bleiben unklar. Aber auch<br />

dieser Rückschlag konnte ihn in<br />

seinem Tatendrang nicht stoppen:<br />

1996 brachte er die Suite aus<br />

dem Ballett von Schostakowitsch<br />

„Goldenes Zeitalter“ auf die Bühne<br />

eines Krasnodarer Theaters und<br />

beschloss, dieses Theater weiter zu<br />

leiten, das daraufhin seinen Namen<br />

erhielt. Im nowosibirischen Theater<br />

für Oper und Ballett wurden<br />

viele seine Meisterwerke aufgeführt,<br />

seine „Rajmonda“ haben<br />

Theater in Prag, Mailand und<br />

Weißrussland gesehen.<br />

Seit 2001 ist er wieder am Bolschoi-Theater.<br />

Am 2. Januar ist Jurij<br />

Grigorowitsch 85 Jahre alt geworden.<br />

Ihm zu Ehren fand am 6. Januar<br />

im Bolschoi-Theater eine Galaveranstaltung<br />

statt, Ballettsuiten seiner<br />

besten Stücke wurden aufgeführt.<br />

Bei einer Probe 1977.<br />

„Obwohl er schon 85 Jahre alt<br />

ist, würde er alle jüngeren Tänzer<br />

an Geschicklichkeit und Ausdauer<br />

übertreffen. Er ist wie aufgezogen<br />

und seine Energie überträgt<br />

sich auf die Tänzern“ sagt Olga<br />

Wasjutschenko, seit 1998 Ballettlehrerin<br />

am Grigorowitsch-Balletttheater<br />

in Krasnodar. „Mit ihm<br />

zu arbeiten ist für mich wie ein<br />

Märchen. Es ist so eine Ehre, von<br />

ihm persönlich ausgesucht worden<br />

zu sein und mit ihm arbeiten<br />

zu dürfen. Er ist sehr anspruchsvoll<br />

und hat keine Lieblingstänzer.<br />

Jurij Nikolajewitsch wird alles<br />

aus einem Tänzer herausholen,<br />

bis er das gewünschte Ergebnis<br />

bekommt. Deshalb sind seine Ballettvorstellungen<br />

so vollkommen<br />

und einwandfrei“.<br />

Der russische Komponist Dmitrij<br />

Schostakowitsch hat bereits 1957,<br />

nach seinem Debüt mit „Der<br />

Steinblume“ von Prokofjew, über<br />

ihn geschrieben „Hier herrscht der<br />

Tanz. Alles ist mit seiner reichsten,<br />

eigenartigsten Sprache erzählt...<br />

das ist eine neue Etappe in der<br />

Entwicklung des sowjetischen Balletts.“<br />

Aber es ist viel mehr, es ist<br />

eine neue Ära in der ganzen Ballettwelt,<br />

die Jurij Grigorowitsch<br />

begründet hat.<br />

Verschleierte Wahrheit<br />

Taryn Simon zeigt, wie Fotos unsere Wahrnehmung verändern können<br />

Fotos, die nicht die Wahrheit sagen, sondern<br />

sie verschleiern, und durch ihre Doppeldeutigkeit<br />

schwere, sogar tödliche Folgen<br />

haben können: Das ist das Thema einer<br />

neuen Ausstellung im Museum für Multimediale<br />

Kunst im Haus der Fotografie in<br />

<strong>Moskau</strong>. Vom 21. Januar bis 19. Februar ist<br />

dort das Werk „Unschuldige“ der amerikanischen<br />

Fotografin Taryn Simon zu sehen.<br />

Die 36-Jährige hat Menschen, die jahrelang<br />

für Verbrechen im Gefängnis saßen,<br />

die sie nie begangen haben, an den Orten<br />

fotografiert, die ihr Leben verändert haben.<br />

An dem Tatort, an dem sie zuvor nie gewesen<br />

sind, am Ort ihrer Verhaftung, an dem<br />

Ort, wo sie waren, als die Verbrechen stattgefunden<br />

haben und die ihnen ein Alibi<br />

gaben – hätte es nicht Augenzeugen gegeben,<br />

die meinten, sie mittels Fotografien<br />

als Mörder, Entführer oder Vergewaltiger<br />

identifizieren zu können.<br />

Die Identifizierung mittels Fotos wird<br />

von den Ermittlern oft eingesetzt, es wird<br />

unterstellt, dass das visuelle Gedächtnis<br />

besonders präzise ist und sich nicht<br />

irrt. Simon beweist mit ihren Bildern das<br />

Gegenteil: dass die Kraft eines Fotos die<br />

Erinnerung ändern kann. Durch Fotografien<br />

wurden unschuldige Bürger zu Kriminellen<br />

und für Verbrechen bestraft, die<br />

andere begangen haben. Die Portraitierten<br />

sind inzwischen wieder freigelassen worden,<br />

DNA-Analysen hatten ihre Unschuld<br />

bewiesen. Einige von ihnen waren zur<br />

Todesstrafe verurteilt worden, andere zu<br />

lebenslangen Haftstrafen.<br />

Die Fotografin berichtet in einem Begleittext<br />

zur Ausstellung von dem Gespräch<br />

mit einem Verbrechensopfer, das den vermeintlichen<br />

Angreifer identifizieren sollte<br />

und deren Aussage zur Verurteilung eines<br />

Unschuldigen mit Namen Ron führte: „Ich<br />

wurde darum gebeten, mir mehrere Fotos<br />

von verschiedenen Männern anzusehen.<br />

Ich wählte Ron aus, weil er in meinem Kopf<br />

am ehesten dem Mann ähnelte, der mich<br />

angegriffen hatte. Aber was wirklich passierte,<br />

war, dass er der Zeichnung, die ich<br />

von meinem Angreifer angefertigt hatte,<br />

ähnlich sah. Als es zur Gegenüberstellung<br />

kam, fragten sie (die Ermittler, Red.), ob ich<br />

die Person identifizieren könnte. Ich wählte<br />

Ron, weil er unterbewusst, in meinem<br />

Kopf dem Foto ähnelte, welches meiner<br />

Zeichnung ähnelte, welche dem Angreifer<br />

ähnelte. Alle diese Bilder wurden zu einem<br />

Bild und Ron wurde zu dem Angreifer.“<br />

Das Projekt stammt aus dem Jahr 20<strong>03</strong>,<br />

die Bilder waren bereits in Galerien in Los<br />

Angeles, London und Berlin zu sehen.<br />

Museum für Multimediale Kunst <strong>Moskau</strong>,<br />

Uliza Ostoschenka 16, M. Kropotkinskaja,<br />

Ausstellung geöffnet vom 21. Januar bis zum<br />

19. Februar.<br />

kal<br />

Taryn Simon hat Ronald Jones an dem Ort fotografiert, wo er verhaftet wurde: Vor einem Supermarkt in<br />

Chicago im Bundesstaat Illinois. Jones hat acht Jahre lang im Gefängnis gesessen, er war wegen Mordes<br />

und Vergewaltigung zur Todesstrafe verurteilt worden.<br />

Taryn Simon


10<br />

<strong>Moskau</strong>er<br />

SPORT<br />

Auf einmal war Lenin weg<br />

Von Tino Künzel<br />

Ihrem Namen nach ist die Ukraine<br />

das „Land an der Grenze“, an<br />

der Peripherie. Im kommenden<br />

Sommer will sie mental einen<br />

Schritt in Richtung Mitte tun.<br />

„Wir Ukrainer möchten uns als<br />

Teil von Europa fühlen“, sagt Markian<br />

Lubkiwskij. Er ist der Chef<br />

des nationalen Organisationskomitees<br />

der EM und glaubt, dass<br />

dem Turnier eine „sehr wichtige,<br />

wenn nicht historische Rolle“ für<br />

die Ukraine zukommt.<br />

Manchmal treibt der Wunsch,<br />

sich dem Ausland in vorteilhaftem<br />

Licht zu präsentieren,<br />

allerdings seltsame Blüten. Die<br />

Kiewer Agentur „Shootgroup“<br />

ließ in einem anderthalbminütigen<br />

Promovideo mit dem Titel<br />

„Switch on Ukraine“ kurzerhand<br />

das 20 Meter hohe Lenin-<br />

Denkmal vom Freiheitsplatz in<br />

Charkiw verschwinden. Dabei<br />

muss der wegretuschierte Ober-<br />

Bolschewist so oder so mit zur<br />

EM: Charkiw ist eine der vier<br />

ukrainischen Gastgeberstädte. Im<br />

Metalist-Stadion trägt Deutschland<br />

am 13. Juni sein Vorrundenspiel<br />

gegen Holland aus. Und<br />

die Fanmeile auf dem riesigen<br />

Freiheitsplatz, wo sich 20<strong>08</strong> rund<br />

300 000 Menschen versammelten,<br />

um „Queen“ spielen zu hören,<br />

wird zu den größten der EM<br />

gehören. Lenin inklusive.<br />

Umso weniger Verständnis<br />

brachten die ukrainischen Me dien<br />

für den verschämten Umgang mit<br />

einem Teil der eigenen Geschichte<br />

auf. Auch der deutsche Filmemacher<br />

Jakob Preuss hält es für<br />

„ungeschickt“, dass die Ukraine<br />

ausgerechnet mit Modernität<br />

werben und den Eindruck vermitteln<br />

wolle, es sei „alles so toll<br />

wie in Europa“, das werde „nicht<br />

gelingen“. Preuss hat 20<strong>08</strong> und<br />

2009 in Zusammenarbeit mit<br />

dem ZDF seine viel beachtete<br />

Sozialstudie „The Other Chelsea“<br />

über den Fußballklub Schachtar<br />

Donezk, seine Verantwortlichen<br />

und Anhänger im Kohlerevier<br />

Donbass gedreht. Für den Berliner<br />

wird die Ukraine seit dem Zusammenbruch<br />

der Sowjet union von<br />

Oligarchen regiert, denen ihre<br />

Partikularinteressen wichtiger<br />

sind als demokratische Grundsätze<br />

oder das Allgemeinwohl. Präsident<br />

Viktor Janukowitsch habe<br />

in den Augen der Bevölkerung<br />

zunehmend abgewirtschaftet. „Es<br />

wäre schlimm, wenn es der immer<br />

autoritärer werdenden Regierung<br />

gelänge, aus der EM politisches<br />

Kapital zu schlagen.“<br />

Schätzen gelernt hat Preuss<br />

indes die „unglaubliche Menschlichkeit“<br />

der Ukrainer. „Nach<br />

Donezk zum Beispiel kommen<br />

nicht sehr viele Ausländer. Da<br />

wird man mit großer Offenheit<br />

und Neugierde empfangen. Ich<br />

würde das jedem als Reiseziel<br />

empfehlen, auch wenn gerade<br />

kein Fußball ist.“<br />

Zunächst einmal aber ist überall<br />

Fußball. „Die Ukrainer haben<br />

Lust auf die Europameisterschaft“,<br />

weiß Preuss. Und nicht<br />

nur das: Sie verstehen auch<br />

etwas vom Fußball. Mit dem<br />

heutigen Nationaltrainer Oleg<br />

Blochin, mit Igor Belanow und<br />

Andrej Schewtschenko wurden<br />

gleich drei Ukrainer Europas<br />

Fußballer des Jahres. 1975,<br />

1986 und 2004 war das. Walerij<br />

Lobanowskij, Trainerpatriarch<br />

von Dynamo Kiew, bis ihn 2002<br />

ein tödlicher Schlaganfall auf<br />

der Bank ereilte, gilt vielen als<br />

einer der größten Fußballweisen<br />

schlechthin. Dynamo Kiew und<br />

Schachtar Donezk haben zusammen<br />

drei Europapokale gewonnen,<br />

den letzten 2009. Auf nationaler<br />

Ebene wechseln sich die<br />

beiden als Meister ab, ansonsten<br />

ist das Niveau mäßig. „Bei den<br />

Zuschauern herrscht Ausflugsstimmung“,<br />

erzählt Regisseur<br />

Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

Neue Züge, alte Herbergen und ein bisschen Retusche: So bereitet sich die Ukraine auf die EM vor<br />

Preuss, der die Atmosphäre als<br />

„angenehm und friedlich“ empfand.<br />

Die heutige Nationalmannschaft<br />

gefiel unlängst beim 3:3<br />

im Testspiel gegen Deutschland,<br />

mit dem das rekonstruierte Kiewer<br />

Olympiastadion eingeweiht<br />

wurde, durch ihr überfallartiges<br />

Umkehrspiel. „Diese Schnelligkeit,<br />

diese Inspiration, Furchtlosigkeit<br />

und Abschlussstärke –<br />

das war eine Offenbarung“, sagt<br />

der ukrainische TV-Kommentator<br />

Alexander Gliwinskij. Damit<br />

habe das Team die Zuschauer in<br />

Euphorie versetzt. Trotzdem wird<br />

die Ukraine ein kleines Wunder<br />

brauchen, um ihre Vorrundengruppe<br />

mit England, Frankreich<br />

und Schweden zu überstehen.<br />

OK-Chef Lubkiwskij demonstriert<br />

augenzwinkernd Selbstbewusstsein:<br />

„Für uns zählt nur der<br />

Turniersieg. Da lachen Sie? Nach<br />

dem 3:3 gegen Deutschland war<br />

ich es, der gelacht hat!“<br />

Mit schnellem Umschalten von<br />

Defensive auf Offensive steuert<br />

die Ukraine inzwischen zumindest<br />

organisatorisch auf ein<br />

Happy End zu. Nach der EM-<br />

Vergabe 2007 hatte die UEFA<br />

lange Zeit ein höheres Tempo<br />

angemahnt und mehr oder weniger<br />

unverhohlen damit gedroht,<br />

ukrainische Austragungsorte von<br />

der Liste zu streichen. Das ist<br />

vom Tisch. Als letztes der vier<br />

Stadien wurde Ende Oktober die<br />

Arena Lwiw in Lemberg eingeweiht,<br />

obwohl noch nicht ganz<br />

fertig. Nach der Winterpause<br />

wird es als neue Heimspielstätte<br />

des Ortsklubs FK Karpaty auf<br />

Herz und Nieren getestet. Mit<br />

der Donbas Arena in Donezk<br />

verfügt die Ukraine über eines<br />

der attraktivsten Stadien in ganz<br />

Europa. Im Kiewer Olympiastadion<br />

findet am 1. Juli das EM-<br />

Finale statt. Nur zehn Minuten<br />

Fußmarsch entfernt, auf dem<br />

durch die „orangen“ Massenproteste<br />

2004 auch international<br />

bekannt gewordenen Unabhängigkeitsplatz<br />

(Maidan), werden<br />

dann 100 000 Menschen auf der<br />

Fanmeile erwartet.<br />

Fraglich ist nach wie vor, wie<br />

sich die Ukraine bei der übrigen<br />

Infrastruktur schlägt. Mangels<br />

Autobahnen werden sich Pkw-<br />

Fahrer über Fernverkehrsstraßen<br />

quälen müssen. An der Landgrenze<br />

zwischen Polen und der<br />

Ukraine, die als EU-Außengrenze<br />

schon im Normalbetrieb lange<br />

Wartezeiten mit sich bringt, sollen<br />

die Kontrollen während der<br />

EM nur auf polnischer Seite<br />

erfolgen, um die Abfertigung zu<br />

beschleunigen.<br />

Die ukrainische Bahn hat<br />

bei Hyundai in Südkorea neue<br />

Triebwagenzüge für den Nahund<br />

Regionalverkehr eingekauft.<br />

Sie sollen zwischen den<br />

EM-Standorten verkehren und<br />

dank 160 Kilometer pro Stunde<br />

Höchstgeschwindigkeit die Fahrzeit<br />

erheblich verkürzen. Bei Turnierbeginn<br />

werden jedoch erst<br />

sechs dieser Züge zur Verfügung<br />

stehen, die Jungfernfahrt ist nicht<br />

vor Mai geplant. Der Löwenanteil<br />

des Passagieraufkommens dürfte<br />

dadurch auf die herkömmlichen<br />

und vergleichsweise preiswerten,<br />

aber langsamen Nachtzüge entfallen.<br />

Sorgen bereitet auch die Bettenkapazität<br />

der Hotels, wobei Markian<br />

Lubkiwskij versichert: „Wir<br />

werden alle Fans und Touristen<br />

unterbringen.“ Gerade im Billigsektor<br />

sei das Angebot groß. Das<br />

betrifft vor allem die überwiegend<br />

aus Sowjetzeiten stammenden<br />

Sanatorien, Ferienlager und<br />

einfachen Bungalowsiedlungen.<br />

Problemlos gestalten sich in<br />

jedem Falle die Einreiseformalitäten.<br />

EU-Bürger können sich<br />

bereits seit Jahren bis zu 90 Tage<br />

visafrei in der Ukraine aufhalten.<br />

Fernsehkommentator Gliwinskij<br />

appelliert an Besucher aus dem<br />

Westen, sie mögen „nachsichtig<br />

sein mit uns“, wenn es während<br />

der EM an der einen oder<br />

anderen Stelle klemme. „Wir sind<br />

wirtschaftlich noch ein Entwicklungsland<br />

und können nicht alles<br />

von heute auf morgen lösen.“<br />

Eines stehe jedoch fest: „Die<br />

EM wird ohne jeden Zweifel ein<br />

großes Fest.“<br />

Ein Oligarch trainiert Donezk<br />

Weil der Trainer verletzt ist, springt bei Schachtar der Präsident ein<br />

Rinat Achmetow ist milliardenschwerer Stahlmagnat, reichster Mann<br />

der Ukraine, Besitzer der teuersten Wohnung Großbritanniens – und<br />

Präsident des ukrainischen Fußballmeisters Schachtar Donezk. Nun wird<br />

er auch noch Cheftrainer des Clubs, zumindest bis der eigentliche Coach<br />

Mircea Lucescu sich von den Folgen eines Autounfalls erholt hat.<br />

Im Rampenlicht steht Rinat Achmetow<br />

nur ungern. Dabei ist der<br />

45-Jährige ein Mann der Superlative.<br />

Mit Kohle und Stahl wurde er<br />

zum reichsten Mann der Ukraine.<br />

Er gönnt sich in London die teuerste<br />

Wohnung Großbritanniens.<br />

In Kiew hat der Parteifreund von<br />

Präsident Viktor Janukowitsch<br />

einen Sitz im Parlament. In seiner<br />

ostukrainischen Heimatstadt<br />

Donezk präsidiert und finanziert<br />

er den Fußballverein Schachtar,<br />

der es 2011 bis ins Viertelfinale<br />

der Champions League schaffte.<br />

Nun wird Achmetow auch noch<br />

Trainer – wenn auch nur vorübergehend.<br />

Er werde in den kommenden<br />

Wochen selbst das Training leiten,<br />

Von Martin Brand und Robert Kalimullin (n-ost)<br />

kündigte Achmetow lächelnd an.<br />

Der eigentliche Trainer Mircea<br />

Lucescu liegt im Krankenhaus.<br />

Er hatte sich auf Heimaturlaub<br />

in Rumänien Anfang Januar bei<br />

einem Autounfall sieben Rippen<br />

lädiert. Der Wagen, in dem Lucescu<br />

saß, war mit einer Straßenbahn<br />

kollidiert. Einen Monat wird es<br />

wohl noch dauern, bis der Erfolgscoach,<br />

seit 2004 in Donezk, vollständig<br />

genesen ist.<br />

Solange will sich Achmetow<br />

auch verstärkt um die sportlichen<br />

Belange kümmern. Seine<br />

Fußball-Leidenschaft teilt der Oligarch<br />

mit anderen Superreichen<br />

wie dem Russen Roman Abramowitsch.<br />

Der feine Unterschied:<br />

Abramowitsch kaufte für teures<br />

Einer der einflussreichsten Männer in<br />

der Ukraine: Rinat Achmetow.<br />

Geld den Londoner Club Chelsea.<br />

Achmetow als Lokalpatriot<br />

dagegen investiert lieber in seiner<br />

Heimat, dem Donbass. Und so<br />

schenkte er der ostukrainischen<br />

Wikipedia<br />

Industriestadt Donezk auch ein<br />

neues Stadion, die Donbas Arena.<br />

In dem 2009 für gut 175 Millionen<br />

Euro errichteten Schmuckkästchen<br />

werden im Sommer mehrere<br />

Gruppenspiele, ein Viertel- und<br />

ein Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft<br />

ausgetragen.<br />

In Donezk rechnet man Achmetow<br />

sein Engagement hoch an.<br />

Denn er hat nicht nur Schachtar<br />

zu internationalem Fußballruhm<br />

verholfen. Achmetow agiert auch<br />

als Wohltäter und ist Arbeitgeber<br />

für 200 000 Menschen. An<br />

mehr als 100 Unternehmen ist<br />

der Sohn eines tatarischen Bergarbeiters<br />

beteiligt, die er in der<br />

Holding System Capital Management<br />

gebündelt hat. Deren Umsatz<br />

beträgt nach eigenen Angaben<br />

knapp 13 Milliarden Dollar. Zum<br />

Vergleich: Die Staatseinnahmen<br />

der Ukraine im Jahr 2010 lagen bei<br />

unter 40 Milliarden Dollar.<br />

Achmetows sagenhafter Aufstieg<br />

in den 90er Jahren gab immer<br />

wieder Anlass zu Spekulationen<br />

über Verbindungen in die Halbwelt.<br />

Mit einem Team von PR-<br />

Profis und Juristen setzt sich der<br />

Geschäftsmann gegen solche Vorwürfe<br />

zur Wehr. Doch aller wirtschaftlichen,<br />

sportlichen und politischen<br />

Erfolge zum Trotz folgt<br />

die unklare Herkunft seines ersten<br />

Vermögens ihm wie ein Schatten,<br />

sogar bis nach Amerika. So soll<br />

Achmetow Probleme haben, ein<br />

längerfristiges Visum für die USA<br />

zu bekommen, obwohl er dort<br />

über eine Milliarde Dollar in ein<br />

Kohleunternehmen investiert hat.<br />

Derzeit aber hat Achmetow<br />

andere Sorgen. Mitte Januar flog er<br />

nach Bukarest, um sich nach dem<br />

Wohlbefinden von Coach Lucescu<br />

zu erkundigen. Glück im Unglück:<br />

Auch im ukrainischen Fußball ist<br />

gerade Winterpause. Sein nächstes<br />

Spiel bestreitet Donezk, mit<br />

einem Punkt Rückstand auf Dynamo<br />

Kiew Tabellenzweiter, erst am<br />

3. März.


<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012 Russlands nachbarn11<br />

Euro-Ernüchterung in Estland<br />

Nach einem Jahr in der Eurozone macht sich im baltischen Musterland Ernüchterung breit<br />

Nach einem Jahr in der Eurozone ist die Regierung in Tallinn zufrieden, doch das Volk<br />

ist gespalten. Ausgerechnet zu Beginn des Euro-Krisenjahres führte Estland 2011 die<br />

Gemeinschaftswährung ein. Die Regierung zieht eine positive Jahresbilanz und rühmt<br />

sich der geringen Staatsverschuldung: Estlands Image habe sich verbessert, was zu mehr<br />

Investitionen und einem Wachstum von satten acht Prozent führte. Dass die Ostseerepublik<br />

über den Euro-Rettungsfonds Milliardenzusagen für Griechen, Portugiesen und Iren gibt,<br />

kommt bei der Bevölkerung nicht gut an. Viele Esten klagen über steigende Preise – und<br />

immer mehr junge Akademiker suchen nach Perspektiven im Ausland.<br />

Jürgen Ligi ist zufrieden und auch etwas<br />

stolz. In seinem Büro in Tallinn zieht Estlands<br />

Finanzminister eine positive Bilanz:<br />

„Die Regierung hat es nie bereut, Estland<br />

in die Eurozone geführt zu haben.“ Der<br />

52-Jährige freut sich über ein Wachstum<br />

von acht Prozent im dritten Quartal und<br />

über das gute Image seines Landes: „Das<br />

Vertrauen der Märkte in Estland ist gestiegen<br />

und wurde nicht enttäuscht.“<br />

Keiner der 17 Euro-Staaten hat eine geringere<br />

Staatsverschuldung als die Baltenrepublik,<br />

die in vielen Medien als Gegenmodell<br />

zu Griechenland und Portugal gepriesen<br />

wird und sich unter dem Slogan „E-Stonia“<br />

als innovatives Land präsentiert. Auch die<br />

Rating-Agenturen loben die Fiskalpolitik:<br />

Die Überschüsse aus den Boomjahren zwischen<br />

2000 und 2007 zahlte man in einen<br />

Stabilisierungsfonds ein, der ein Neuntel<br />

des Bruttoinlandsprodukts beträgt und in<br />

schlechten Zeiten Spielraum gibt. So kam<br />

Estland besser durch die globale Finanzkrise<br />

als der Nachbar Lettland – und fährt nun<br />

die Ernte ein.<br />

Im ersten Halbjahr 2011 investierten ausländische<br />

Unternehmen 858,5 Millionen<br />

Euro und nie zuvor reisten so viele Touristen<br />

an die Ostsee. „Viele Gäste erzählen, dass<br />

sie die Medienberichte neugierig auf unser<br />

Land gemacht haben“, sagt Feliks Mägus, der<br />

Chef des Hotel- und Gaststättenverbands.<br />

Zwischen Januar und Oktober kamen mehr<br />

als 1,5 Millionen Touristen, darunter fast<br />

100 000 Deutsche. „Viele mögen es, dass sie<br />

kein Geld mehr wechseln müssen und Preise<br />

besser vergleichen können“, so Mägus.<br />

Von Matthias Kolb (n-ost)<br />

Allerdings lernt die Regierung in Tallinn<br />

auch die Schattenseiten des Euro kennen:<br />

Im Herbst stimmte das Parlament<br />

der Beteiligung am Rettungsschirm EFSF<br />

zu und so wird Estland im Ernstfall mit<br />

bis zu 1,995 Milliarden Euro haften. „Aus<br />

deutscher Sicht ist das wenig, aber im<br />

Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt<br />

garantiert kein anderes Euro-Land für eine<br />

höhere Summe“, sagt Minister Ligi, dessen<br />

Regierung Kanzlerin Angela Merkel<br />

in der Schuldenkrise unterstützt. Anders<br />

als in Finnland gibt es in Estland keine<br />

euroskeptische Partei, die die Bedenken<br />

der Bürger kanalisiert. So kursiert unter<br />

estnischen Facebook-Nutzern eine Grafik,<br />

in der Estlands Lohnniveau und Arbeitslosenquote<br />

mit den griechischen Werten<br />

verglichen werden. Laut der Tabelle liegt<br />

das Mindestgehalt in Estland bei 278 Euro,<br />

in Griechenland dagegen bei 863 Euro. Die<br />

Arbeitslosenquote in Estland ist mit 13,8<br />

Prozent deutlich höher als in Griechenland<br />

(6,2 Prozent). Überschrieben sind die Zahlen<br />

mit dem Slogan: „Und wer beschwert<br />

sich?“.<br />

Diese Grafik vergleicht Arbeitslosenquote, Lohn- und Rentenniveau und Kaufkraft von Griechenland und<br />

Estland. Bei den estnischen Facebook-Nutzern ist sie sehr beliebt.<br />

n-ost<br />

„Ich finde es nicht gut, dass wir für die<br />

Fehler der Griechen und Portugiesen einstehen“,<br />

sagt die 77-jährige Urve. Sie verkauft<br />

Strickwaren an einem Stand in der<br />

Tallinner Altstadt und findet: „Wer über<br />

seine Verhältnisse gelebt hat, sollte seine<br />

Probleme durch Sparen lösen.“ Ein Kunde<br />

ist unsicher: „Eigentlich ist es richtig,<br />

solidarisch zu sein, doch zugleich ärgert<br />

es mich, dass ich als Rentner 300 Euro<br />

bekomme und ein Grieche sechs Mal so<br />

viel erhält.“ Andere Esten denken europäischer:<br />

„Wir haben enorm von den Strukturfonds<br />

der EU profitiert, und nun können<br />

wir etwas zurückgeben“, findet Urmas. Den<br />

Angestellten stört jedoch, dass viele Preise<br />

vor der Euro-Einführung erhöht und dann<br />

aufgerundet wurden. Da die Löhne stagnieren,<br />

wirkt die Inflation von fünf Prozent<br />

noch stärker. Auch Urmas hat auf Reisen<br />

bemerkt, dass sich das Image ändert: „Wir<br />

werden nicht länger als Ex-Sowjetrepublik<br />

gesehen.“<br />

Allerdings hinterfragen gerade die jungen<br />

Esten das Selbstbild ihres Landes. „Die Politiker<br />

sollten nicht immer mit unseren niedrigen<br />

Schulden angeben, sondern wahrnehmen,<br />

dass die Lebenserwartung für Männer<br />

nirgends in Europa niedriger ist als hier<br />

und die Zahl der HIV-Infizierten am höchsten<br />

ist“, meint der Designer Markko Karu.<br />

Viele Esten hätten Probleme, die Kredite<br />

zurückzuzahlen, die sie in den Boomjahren<br />

aufgenommen haben. Karu stört vor allem,<br />

dass die Regierung sehr auf Zahlen fixiert<br />

sei und die Menschen dahinter vergesse.<br />

Dabei liegt die Arbeitslosigkeit bei 13,8<br />

Prozent und jeder fünfte Este im Alter<br />

zwischen 18 und 24 Jahren lebt in relativer<br />

Armut. Das soziale Klima ist rauer geworden<br />

und immer mehr Akademiker suchen<br />

nach Jobs im Ausland: Experten schätzen,<br />

dass allein in Skandinavien 100 000 Esten<br />

arbeiten. Auch Karu wird immer öfter zu<br />

Abschiedspartys eingeladen: „Für sie spielt<br />

es keine Rolle, ob man in Estland mit Euros<br />

oder mit Kronen bezahlt.“<br />

Geheimtipp Lettland<br />

Immer mehr junge Deutsche beginnen ihr Medizinstudium in Riga<br />

Unter deutschen Medizinstudenten gilt Riga als Geheimtipp. Wer in Deutschland vergeblich<br />

auf einen Studienplatz wartet, kann in der lettischen Hauptstadt mit dem Studium<br />

beginnen und darauf hoffen, nach dem Physikum zurückzukehren. Ein Studienplatz kostet<br />

3.500 Euro pro Semester. An der Stradina Universität in Riga kommt fast jeder Zweite der<br />

500 ausländischen Medizinstudenten aus Deutschland.<br />

Reuters<br />

Bereits am frühen Morgen geht es im<br />

Foyer der Stradina Universtität in Riga zu<br />

wie im Taubenschlag. Einige Studierende<br />

sind bereits im weißen Arztkittel zum<br />

Seminar unterwegs, während die letzten<br />

noch eilig ihre Mäntel an der Garderobe<br />

abgeben. Auffällig ist das Sprachgewirr an<br />

der medizinischen Fakultät: Hier wird Lettisch<br />

gesprochen, dort Schwedisch, andere<br />

beraten sich auf Norwegisch oder Englisch.<br />

Eine größere Gruppe ereifert sich soeben<br />

auf Deutsch, bevor sie den Hörsaal betritt.<br />

Einer von ihnen ist Toni aus Halle an der<br />

Saale. „Mit einem Notendurchschnitt von<br />

1,6 habe ich zu Hause keinen Studienplatz<br />

bekommen“, erzählt er. „Ich will meine<br />

Wartezeit nicht mit unnötigen Praktika<br />

verbringen, deshalb bin ich nach Lettland<br />

gegangen.“<br />

Im zweiten Semester wollen 85 Studierende<br />

aus Deutschland, Schweden und<br />

Norwegen Ärzte werden. Zuhause haben<br />

sie wegen des hohen Numerus Clausus<br />

(NC), der bei 1,3 liegt, keinen Studienplatz<br />

erhalten. An der Stradina Universität in<br />

Riga wurden sie ohne bürokratische Hürden<br />

für den englischsprachigen Medizin-<br />

Studiengang aufgenommen. Die meisten<br />

allerdings gehen nach dem Physikum wieder<br />

zurück nach Deutschland. Grund sind<br />

die hohen Gebühren. Zwar verlangen auch<br />

Die Altstadt von Riga<br />

Von Birgit Johannsmeier (n-ost)<br />

viele deutsche Unis bis zu 500 Euro pro<br />

Semester, einzelne Bundesländer haben die<br />

Studiengebühren aber wieder abgeschafft.<br />

In Lettland dagegen kostet ein Medizinstudium<br />

7 000 Euro im ersten Studienjahr und<br />

wird anschließend richtig teurer.<br />

Wer Ausbildungsförderung erhält, hat<br />

Glück, denn die Kosten werden vom Auslandsbafög<br />

nahezu gedeckt. Andere, wie<br />

Johanna aus Schleswig-Holstein, werden<br />

von den Eltern unterstützt. „Ich bin so<br />

dankbar, dass ich die Möglichkeit habe,<br />

hier zu studieren. Und ich bleibe auch hier,<br />

wenn ich nach dem Physikum im vierten<br />

Semester zu Hause immer noch keinen<br />

Platz bekomme.“<br />

Liga Aberberga ist Professorin an der<br />

medizinischen Fakultät in Riga. Seit Lettlands<br />

Unabhängigkeit vor 21 Jahren hat<br />

sie am Aufbau des englischsprachigen Studiengangs<br />

mitgewirkt und bereits viele<br />

hundert Ärzte ausgebildet. Die Uni hoffte<br />

auf ein lukratives Geschäft „Früher hatten<br />

wir Studenten aus Sri Lanka, Pakistan und<br />

Israel, plötzlich haben wir Deutsche. In<br />

der ersten Gruppe waren drei Studierende,<br />

im nächsten Jahr waren es doppelt so<br />

viele und heute gibt es sogar rein deutsche<br />

Gruppen.“<br />

Mehr als 500 angehende Mediziner aus<br />

dem Ausland werden an der Stradina Universität<br />

in Riga derzeit ausgebildet, allein<br />

206 kommen aus Deutschland. Für die<br />

Dekanin Smuidra Zermanos ist das ein<br />

großer Erfolg. Seit Jahren wirbt sie auf<br />

Bildungsmessen für das lettische Medizinstudium.<br />

Heute kann die Hochschule von<br />

den Studiengebühren ihr gesamtes Lehrpersonal<br />

finanzieren. „Wir spüren einen<br />

großen Wettbewerb“, sagt sie. „Allein in<br />

Osteuropa werden jährlich zwanzig neue<br />

Medizinstudiengänge aufgemacht. In Lettland<br />

hat keine Uni so viele Studierende<br />

aus dem Ausland wie wir.“ Außerdem hilft<br />

der Studiengang mit, die Bologna-Reform<br />

zu erfüllen. Denn bis zum Jahr 2015 sollte<br />

jeder zehnte Hochschüler in den Ländern<br />

der Europäischen Union ein Ausländer<br />

sein.<br />

Julia Schümann ist eine der ersten Deutschen,<br />

die nach dem Physikum in Lettland<br />

geblieben sind und einen Studienplatz<br />

in Deutschland ausgeschlagen haben. Sie<br />

setzt auf das lettische Studieren in der<br />

Zweiergruppe, was ein intensives Lernen<br />

ermöglicht. „Das ist beinahe Privatunterricht.<br />

Mal werde ich in den OP mitgenommen,<br />

mal darf ich assistieren oder<br />

mir sehr schwierige Fälle anschauen“, sagt<br />

sie und betont: „In Deutschland wäre das<br />

unmöglich.“


12<br />

<strong>Moskau</strong>er<br />

russlands regionen<br />

Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

Den Deutschen auf der Spur<br />

Freiwillige aus Russland und Deutschland organisieren eine alternative Stadtführung durch St. Petersburg<br />

Was ist deutsch an St. Petersburg? 15 Jugendliche wollten es wissen.<br />

Zweieinhalb Monate lang haben sie im Rahmen des Projektes<br />

„ANDERSground“ recherchiert, fotografiert und Interviews geführt. Das<br />

Ergebnis ist eine ungewöhnliche Stadtführung, welche die deutschrussischen<br />

Beziehungen in den Vordergrund rückt.<br />

Die beiden Koordinatoren des Projektes ANDERSground, Boris Romanow und Julia Iwanowa, Daniel Monahow, ein freiwilliger<br />

Helfer, Daniel Ricco, Kulturreferent beim Generalkonsulat, Werner Siegel vom Deutschen Konsulat und Lena Edich, die Vertreterin<br />

des Deutsch-Russischen Forums in <strong>Moskau</strong> (von links nach rechts) beim ersten alternativen Stadtrundgang in St. Petersburg.<br />

Es ist heiß im kleinen Ausstellungssaal<br />

der „Fish Fabrique“ in<br />

St. Petersburg. Im Club drängen<br />

sich etwa 30 neugierige Besucher<br />

um ein paar Bistrotische. Sie lauschen<br />

deutscher Musik und greifen<br />

nach Wurst- und Käsehäppchen.<br />

An den Wänden hängen<br />

Porträt-Fotos von Deutschen,<br />

die in St. Petersburg leben und<br />

arbeiten.<br />

Die Ausstellung ist zugleich<br />

Vorgeschmack und Ausgangspunkt<br />

einer alternativen Entdeckungstour<br />

durch die Stadt. Das<br />

Besondere: Jeder Ort stellt ein<br />

aktuelles „Deutschprojekt“ vor.<br />

Der Koordinator Boris Romanow<br />

erklärt: „Wir wollen über<br />

den aktuellen Stand der Dinge<br />

berichten. Wir haben uns gefragt:<br />

Wer lebt und arbeitet heute in<br />

St. Petersburg? Diese Menschen<br />

wollen wir vorstellen.“<br />

Das Projekt zeigt, wie Deutsche<br />

und Russlanddeutsche die Kulturentwicklung<br />

der ehemaligen<br />

russischen Hauptstadt beeinflussten,<br />

wie deutsche Ideen vor<br />

Ort realisiert werden und welche<br />

Austauschbeziehungen zwischen<br />

Russen und Deutschen bestehen.<br />

Sieben Stationen hat der 26-jährige<br />

Russe im Parcours integriert.<br />

Das Goethe-Institut, die Petri-<br />

Kirche, und der Tanzclub „Dat-<br />

Von Katrin Herms<br />

scha“ dürfen dabei natürlich<br />

nicht fehlen. Jeden Schauplatz<br />

beschreiben die Freiwilligen mit<br />

ein paar markanten Details über<br />

die deutsch-russischen Beziehungen.<br />

Wer hätte zum Beispiel<br />

gedacht, dass im alten Konsulatsgebäude<br />

schon einmal die Dresdner<br />

Bank untergebracht war? Es<br />

soll auch um die Widersprüche<br />

der deutsch-russischen Beziehungen<br />

in der jüngsten Geschichte<br />

der Stadt gehen.<br />

Für Boris Romanow ist das Projekt<br />

mit dem Namen „ANDERSground“<br />

auch ein persönliches<br />

Experiment. Denn zum ersten<br />

Mal hat er ein Organisationsteam<br />

von rund 15 Freiwilligen koordiniert<br />

– und das ehrenamtlich. Die<br />

Aufgaben teilt er sich mit seinen<br />

Kolleginnen Julia Iwanowa und<br />

Olga Skobina vom Deutsch-Russischen<br />

Autausch. Das Projekt<br />

hat schließlich auch das Büro<br />

des Deutsch-Russischen Forums<br />

in <strong>Moskau</strong> überzeugt. Sie haben<br />

„ANDERSground“ mit dem Förderpreis<br />

für Alumni des Netzwerkes<br />

„hallo Deutschland“ ausgezeichnet.<br />

30 Projekte hatten<br />

sich um diesen Preis beworben,<br />

der besonders innovative Ideen<br />

unterstützt.<br />

Lena Edich vom Deutsch-Russischen<br />

Forum sagt: „‚ANDERSground‘<br />

hat uns überzeugt, weil<br />

die Weiterbildung der Mitwirkenden<br />

im Vordergrund steht.<br />

Nicht nur die Exkursionsteilnehmer,<br />

sondern vor allem die Freiwilligen<br />

lernen bei der Organisation<br />

der Stadtführung etwas<br />

für ihre Zukunft.“ So auch Maxie<br />

Syren. Die deutsche Freiwillige<br />

ist 21 Jahre alt und studiert<br />

in Deutschland Europawissenschaften.<br />

Bei ihrem Auslandssemester<br />

in St. Petersburg fehlte<br />

ihr vor allem der Kontakt zu<br />

russischen Muttersprachlern. „In<br />

meinem Studiengang verbringen<br />

wir die meiste Zeit mit anderen<br />

internationalen Studenten.<br />

Ich rede immer nur Englisch<br />

und habe nach einer Möglichkeit<br />

gesucht, mehr Russen kennenzulernen“,<br />

sagt sie. „Dafür<br />

war das Projekt perfekt.“ So wie<br />

Maxie stammt etwa die Hälfte<br />

der Freiwilligen aus Deutschland,<br />

die andere Hälfte hat einen russischen<br />

Pass. So konnte die erste<br />

Stadtführung problemlos zweisprachig<br />

stattfinden.<br />

Die nächste Version der alternativen<br />

Stadtführung ist für<br />

die Deutsche Woche im April<br />

ge plant. Dann soll das Publikum<br />

allerdings mit Bussen durch die<br />

Petersburger City transportiert<br />

werden. So können auch abgelegenere<br />

Stationen – etwa am<br />

Ligowskij Prospekt – mit ins Programm<br />

genommen werden.<br />

Katrin Herms<br />

Russland, ein Märchen<br />

Russische Provinzen wollen mit fiktiven Buchfiguren Touristen ins Land locken<br />

Seine Hütte in <strong>Moskau</strong> ist leer. Er selbst<br />

– verreist. Oder eher heimgekehrt in den<br />

hohen Norden, wo er sich von den Strapazen<br />

der letzten Tage erholt. „Ded Moros“,<br />

das Väterchen Frost, ist vor allem im Winter<br />

ein gefragter Mann in Russland. Das<br />

Land tut viel für den kommunistischen<br />

Weihnachtsmann-Ersatz, baut ihm Holzdatschen<br />

in der Hauptstadt, errichtet Residenzen<br />

in der Provinz. Nun soll die Ehre<br />

nicht nur dem bärtigen <strong>VI</strong>P im roten Mantel<br />

zukommen. Die Verwaltungen quer durch<br />

Russ land haben russische Märchen für sich<br />

entdeckt – und wollen sich mit Sagengestalten<br />

zu touristischen Attraktionen mausern.<br />

Das Gebiet Jaroslawl am Goldenen<br />

Ring punktet da mit der Hexe „Baba Jaga“,<br />

„Buratino“, das russische Pendant zu Pinocchio,<br />

soll Kaliningrad, ehemals Königsberg,<br />

zu größerer Bekanntheit verhelfen. Und der<br />

Schneemann lebt angeblich in Archangelsk,<br />

der Erzengel-Stadt am Weißen Meer.<br />

So steht das auf „Russlands Märchenkarte“,<br />

die russische Marketingexperten nun<br />

mit Leben zu erfüllen versuchen. Vor allem<br />

in strukturschwachen Regionen des riesigen<br />

Landes soll das Projekt gedeihen – auch als<br />

Abgrenzung zum westlichen Disneyland.<br />

Das große Ziel der Macher: Der Tourismus<br />

soll angekurbelt werden, auch für ausländische<br />

Gäste.<br />

Problematisch ist in manchen Fällen die<br />

Zuordnung: Welche Sagenfigur kommt aus<br />

welcher Region? Anlass zu Diskussionen<br />

gibt die Herkunft der Teigkugel Kolobok.<br />

Der Heimatkundler Sergej Petrow aus dem<br />

Gebiet Uljanowsk hat im Wörterbuch von<br />

Dal das Wort „kolebjatka“ («колебятка»)<br />

gefunden, das Teigrest bedeutet. Dieses<br />

Wort war im Simbirischen Gouvernement<br />

(Uljanowsker Gebiet) gebräuchlich. Davon<br />

leite sich der Name Kolobok ab, weswegen<br />

die naive Märchenfigur aus Uljanowsk<br />

komme. Der Antrag, als Heimat des Kolobok<br />

anerkannt zu werden, wurde vom<br />

Gebiet Uljanowsk im vergangenen Jahr<br />

gestellt, geplant sind nun ein Märchenpark<br />

inklusive Kolobok-Haus, einem Spielplatz<br />

und einer Backstube.<br />

Aber die Konkurrenz schläft nicht: In der<br />

Twerer Region sagen die Leute Kolobucha<br />

zu einem größeren Teigfladen, was auch<br />

Twer gute Chancen auf den Titel „Heimatstadt<br />

des Kolobok“ einräumt. Und im<br />

Park von Donezk in der Ukraine steht eine<br />

schmiedeeiserne Figur der Teigkugel, fern<br />

der vermeintlichen Heimat. Denn auch<br />

die Ukraine beansprucht den Teigkloß für<br />

sich, er ist auf der ukrainischen Märchenkarte<br />

eingezeichnet. Die Figur des Kolobok<br />

kommt übrigens auch in den Märchen<br />

anderer Länder vor, zum Beispiel in Norwegen<br />

und in Deutschland, dort besser<br />

bekannt als der „dicke fette Pfannkuchen“.<br />

Der Verlauf der Erzählungen unterscheidet<br />

sich ein wenig von Land zu Land, nur das<br />

Ende ist überall gleich: Der Teigkloß wird<br />

gegessen.<br />

Von den Zuordnungsproblemen einmal<br />

abgesehen, sind die Märchenfiguren gar<br />

keine schlechte Idee, dümpelt doch die<br />

russische Tourismusindustrie seit Jahren<br />

vor sich hin. Die meisten ausländischen<br />

Besucher gehen lediglich auf Städtetour<br />

nach <strong>Moskau</strong> und St. Petersburg. Gruppen<br />

unternehmen oft eine Fahrt auf der Wolga,<br />

manche Individualtouristen verirren sich<br />

an den Baikalsee oder ins Altai-Gebirge.<br />

Auf der Karte beliebter Reiseziele bleibt<br />

Russland ein weißer Fleck.<br />

Der Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt<br />

des größten Flächenstaates<br />

der Erde liegt bei lediglich 6,5 Prozent. Im<br />

Weltdurchschnitt sind es 9,4 Prozent. 2,1<br />

Millionen Ausländer besuchten 2010 das<br />

Land, die Deutschen waren mit 350 000<br />

Touristen die größte Gruppe. Das reiche<br />

aber nicht, stellte Ministerpräsident Wladimir<br />

Putin fest, die Zahl der Touristen<br />

solle bis 2018 auf das Sechsfache wachsen.<br />

Der russische Verband der Reiseunternehmer<br />

ist allerdings skeptisch. 18 Ursachen<br />

haben die Mitglieder ausgemacht,<br />

warum die Menschen das unbekannte Russland<br />

meiden. Vor allem Visa-Hürden und<br />

die Sprache führen sie an. Aber es mangele<br />

auch an modernen Kreuzfahrtschiffen und<br />

Reisebussen, sagt Sprecherin Irina Tjurina.<br />

Dabei ist das Fortkommen im Land<br />

bestens möglich. Bis ins kleinste Dorf<br />

fahren Züge und Busse. Wenn nicht, verwandelt<br />

sich nahezu jeder Autofahrer in<br />

einen Taxibetrieb für wenig Geld. Nur<br />

Russisch muss man können – für die meisten<br />

Touristen ein Schrecken. Während in<br />

Peking zum Beispiel nahezu alle Schilder<br />

auch auf Englisch verfasst sind, sind in<br />

<strong>Moskau</strong> nicht einmal die Metro-Stationen<br />

in lateinischer Schrift angeschrieben. In<br />

der Provinz, die selbst Putin als „einmalig<br />

schön“ bezeichnet, findet sich kaum<br />

jemand, der Englisch spricht.<br />

„Ded Moros“ ist da bereits viel weiter.<br />

Deutsch beherrscht der russische Weihnachtsmann,<br />

wenn er in <strong>Moskau</strong> weilt,<br />

nahezu perfekt – weil sein Darsteller Wlad<br />

Demtschenko einst in Wien am Theater<br />

spielte.<br />

Inna Hartwich<br />

Kathrin Aldenhoff<br />

Auf der aktuellen russischen Märchenkarte ist der Kolobok noch nicht eingetragen.<br />

<strong>Moskau</strong>er Assoziation der Landsmannschaften


<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012 Ausflugstipp13<br />

„Und in der Nacht wird tief sein euer Schlaf!“<br />

Ein Wanderclub animiert zur Erkundung der <strong>Moskau</strong>er Umgebung – zu jeder Jahreszeit<br />

Woche für Woche sammeln sie sich auf den großen <strong>Moskau</strong>er Bahnhöfen,<br />

um gemeinsam nach einer kurzen Fahrt mit der Vorstadtbahn in die<br />

Wälder und Felder zu ziehen, an Flüssen und Stauseen entlang, zu<br />

halb verfallenen Landsitzen oder anderen Sehenswürdigkeiten des<br />

Naherholungsgebiets um <strong>Moskau</strong>. Keine kommerziellen, politischen,<br />

religiösen oder beruflichen Interessen verbinden sie. Aber etwas eint<br />

sie alle: die Gabe, das Leben in seiner ganzen Fülle und Einfachheit zu<br />

lieben und ohne Grund glücklich zu sein – wenn nur die Möglichkeit<br />

besteht, aus eigenen Kräften die Welt zu erwandern. Das sind die<br />

Wanderfreunde vom Club für Wochenendmärsche.<br />

Die russische Leidenschaft für<br />

Abkürzungen hat auch vor naturverbundenen<br />

Menschen nicht<br />

Halt gemacht: PWD ist das Codewort<br />

für Eingeweihte. „Pochody<br />

wychodnogo dnja“. Auf Deutsch<br />

wäre das WEM – Wochenendmärsche.<br />

Der Begriff erstreckt<br />

sich mittlerweile auch auf die<br />

Werktage. Die PWD haben sich<br />

im <strong>Moskau</strong>er Städtischen Zentralen<br />

Tourismusklub eingenistet.<br />

Derzeit haben Wanderlustige die<br />

Auswahl unter 70 eingetragenen<br />

Gruppenleitern, die alle unentgeltlich<br />

arbeiten. Jede Unternehmung<br />

zieht zwischen zehn und<br />

300 Menschen an. So kommt es,<br />

dass jeden Tag einige Tausend<br />

Gleichgesinnte unterwegs sind.<br />

Einer der Vordenker der WEM-<br />

Gruppenleiter Alexej Korinskij (links) haut in die Klampfe. Gemeinsames Singen schweißt zusammen.<br />

Irina Sabitowa (4)<br />

Oft tauchen solche Meisterwerke der Architektur wie Gespenster aus vergangenen<br />

Epochen am Wegesrand auf.<br />

„Bewegung“, Lew Chaninajew,<br />

erklärt: „Der Tourismusclub ist<br />

eine ganz seriöse Einrichtung,<br />

dort werden mehrtätige Ausflüge<br />

geplant und sportliche Ränge<br />

vergeben. Unsere Sektion ist<br />

dagegen bewusst informell und<br />

locker. Alle Ausflüge, Konzerte<br />

und literarischen Veranstaltungen<br />

sind kostenlos.“<br />

Das hindert die Gemeinschaft<br />

nicht daran, dass die einzelnen<br />

Gruppenleiter gewissenhaft und<br />

voller Begeisterung an ihre Aufgaben<br />

herangehen. Der Name<br />

des Gruppenleiters steht für das<br />

Programm. Er ist die Visitenkarte<br />

für das bevorstehende Event. So<br />

können im Voraus die thematische<br />

Orientierung, die zurückzulegende<br />

Kilometerleistung,<br />

das Tempo der Fortbewegung,<br />

die Dauer der Pausen, die Zeit<br />

der Rückkehr und die Kategorie<br />

der Teilnehmer erahnt werden.<br />

Geht es mit oder ohne Kinder in<br />

die Natur, wird Rücksicht auf die<br />

älteren Teilnehmer genommen,<br />

was passiert am Bestimmungsort?<br />

Die einen spielen Volleyball<br />

oder Gitarre, die anderen schauen<br />

sich Gebäude an, wieder andere<br />

kochen Suppen. Es gibt die verschiedensten<br />

Gruppen. Die einen<br />

legen praktisch einen Marathon<br />

hin, die anderen bevorzugen das<br />

Von Irina Sabitowa<br />

Schneckentempo, um in Ruhe<br />

die den Wegesrand säumenden<br />

Merkwürdigkeiten zu genießen.<br />

Im Winter werden gerne Skier<br />

angeschnallt und im Sommer<br />

auch mal Fahrräder mitgenommen.<br />

Die Gruppenleiter müssen keine<br />

besondere Ausbildung haben,<br />

aber oft lassen sich unter ihnen<br />

hoch qualifizierte Instruktoren<br />

antreffen wie zum Beispiel Alexej<br />

Korinskij, der in den Kategorien<br />

Fußmarsch, Langlauf und<br />

Abfahrt die Gruppenqualifikation<br />

beim Städtishen Tourismusclub<br />

erworben hat. Auch Meister<br />

des Sports sind dabei wie<br />

etwa Tatjana Popowa, mehrfache<br />

<strong>Moskau</strong>-Meisterin im Schwimmen.<br />

Sergej Kambalin spezialisiert<br />

sich auf Führungen an Orte,<br />

zu denen so schnell niemand von<br />

alleine gelangt. Auch die Persönlichkeiten<br />

der Gruppenleiter sind<br />

in der Regel erfrischend vielseitig.<br />

Der Elektroniker Kambalin<br />

musste unlängst seinen Betrieb<br />

dicht machen, erlernte innerhalb<br />

einiger Monate Japanisch und<br />

übersetzt seitdem Gebrauchsanleitungen<br />

ins Russische. Der<br />

Hochschuldozent Korinskij ist<br />

geeignet für besonders neugierige<br />

Teilnehmer, denn er ist zweifacher<br />

Champion der legendären<br />

Teleshow Brain-Ring, einem<br />

Ratespiel für alle möglichen Fragen.<br />

Die Wanderfreunde vergessen<br />

auch die Ökologie nicht. Letzten<br />

Herbst wurden Subbotniks für<br />

die Säuberung von Waldschneisen<br />

durchgeführt. An die Teilnehmer<br />

wurden Gedenkmedaillen<br />

verteilt. Bei aller Schönheit der<br />

Natur sticht in Russland immer<br />

wieder die Vermüllung der Landschaft<br />

ins Auge.<br />

Der erste Verfechter solcher<br />

Erkundungs- und Gesundungsausflüge<br />

war niemand anderes<br />

als der Dichterfürst Alexander<br />

Puschkin. Der Gruppenleiter<br />

Nikolaj Sgura führt zur Erhärtung<br />

dieser These die Zeilen an,<br />

die Puschkin einst in der Nähe<br />

des Örtchens Sacharow in der<br />

<strong>Moskau</strong>er Umgebung niedergeschrieben<br />

hat:<br />

„Meine Freunde! Nehmt den<br />

Wanderstab,<br />

Durchstreift den Wald und<br />

schlendert durch das Tal,<br />

Erklimmt die Gipfel steiler Hügel<br />

Und in der Nacht wird tief sein<br />

euer Schlaf!“<br />

Der Wanderclub hat eine eigene<br />

Website: gctk.narod.ru. Die<br />

Informationen über bevorstehende<br />

Ausflüge finden sich dort aber<br />

nur in verkürzter Fassung. Ausführlicher<br />

sind sie in den Monatsbroschüren<br />

zu studieren, die für<br />

einen geringen Unkostenbeitrag<br />

im Club zu erstehen oder auch<br />

elektronisch zu abonnieren sind.<br />

Der Verkauf erfolgt werktäglich<br />

von 16 bis 20 Uhr, mittwochs bis<br />

22 Uhr und freitags bis 19 Uhr.<br />

Wer Scheu hat, sich in rein russische<br />

Abenteuer einzulassen,<br />

dem sind die „Hiker“ zu empfehlen.<br />

Auch sie strömen an den<br />

Wochenenden in die Umgebung<br />

mit dem Unterschied, dass sich<br />

Gruppen mit starker Expat-Beteiligung<br />

bilden. Sie haben zwar<br />

keinen zentralen Sammelplatz in<br />

<strong>Moskau</strong>, wohl aber eine Webpräsenz:<br />

hike.narod.ru. Ins Leben<br />

gerufen haben diese Bewegung<br />

in <strong>Moskau</strong> lebende Ausländer,<br />

die, wenn sie wieder in ihre Heimatländer<br />

zurückkehrten, den<br />

Staffelstab des Gruppenleiters an<br />

einen anderen Ausländer weitergaben.<br />

Heute ist die Nationalität<br />

keine besondere Eignungsvoraussetzung<br />

mehr.<br />

PWD beim<br />

<strong>Moskau</strong>er Städtischen Zentralen<br />

Tourismusclub<br />

Ul. Alexandra Solschenizyna 17,<br />

Geb.1<br />

T.: (495) 911 3981<br />

Bei einem Eltern-und-Kinder-<br />

Ausflug Mitte Januar. Den Letzten<br />

beißen die Fotografen.<br />

Eine Spielzeugeisenbahn kämpft sich durch den Schnee.


14<br />

<strong>Moskau</strong>er<br />

Freizeit<br />

Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

WO und WAS in MOSKAU<br />

KINO Restaurant Bühne Konzert Museum<br />

5Highlights<br />

Reif für die<br />

Insel<br />

Wo befindet sich das glücklichste<br />

Land der Welt? Nach den Ergebnissen<br />

des Ratings „Happy Planet<br />

Index“ soll das Vanuatu sein. Das<br />

ist ein Inselland in Ozeanien, eine<br />

ehemalige französische Kolonie, in<br />

der sehr viele dunkelhäutige Menschen<br />

mit blonden Haaren wohnen.<br />

Das Land besteht aus 83 Inseln,<br />

auf denen 109 Sprachen gesprochen<br />

werden. Hier gibt es keine<br />

Kriminalität und keine Kriege. Im<br />

Jahre 2011 war Vanuatu eines der<br />

wenigen Länder, die die Souveränität<br />

Abchasiens anerkannten. Bald<br />

danach erkannte Vanuatu sie aber<br />

wieder ab. Diesem Traumland ist<br />

die Ausstellung von Sergej Kowaltschuk<br />

im Zentralen Haus des<br />

Künstlers gewidmet. Der Fotograf<br />

interessiert sich vor allem für die<br />

Menschen. So entsteht in seinen<br />

Bildern ein Land in Gesichtern.<br />

Bis 29. Januar<br />

Krymskij Wal 10, Saal 17<br />

M. Oktjabrskaja<br />

Tel.: (499) 238 9634<br />

www.cha.ru<br />

Mit 76 Oldtimern, 64 Motorrädern<br />

und 74 Fluggeräten ist<br />

jedes Männerherz im Nu erobert.<br />

Das 20<strong>08</strong> entstandene Technik-<br />

Museum setzt auf große, sinnlich<br />

beeindruckende Artefakte. Und es<br />

weiß, dass die stärksten Emotionen<br />

immer noch bei Kriegstechnik<br />

hervorgerufen werden: 112<br />

Stück hält das Museum davonbereit.<br />

Viele Wunder der Technik<br />

sind nur hier anzutreffen wie etwa<br />

das erste russische Mini-Flugzeug<br />

AIR-1, das 1927 entwickelt wurde.<br />

Unter dem Dach eines der Pavillons<br />

schweben zwei Flugzeuge der<br />

Marke UT-1, die der Schrecken<br />

der feindlichen Stellungen waren,<br />

da sie praktisch lautlos heranflogen.<br />

Den hohen Seltenheitswert<br />

der Ausstellung garantiert die<br />

Kunst und<br />

Funktion<br />

Die Frage, ob Fotografie Kunst<br />

oder bloße Dokumentation ist,<br />

entscheidet jeder Künstler für<br />

sich. Für die US-amerikanische<br />

Fotografin Taryn Simon ist sie auf<br />

jeden Fall auch ein soziales Instrument.<br />

So kritisiert ihre Fotoserie<br />

„Die Unschuldigen“ die Funktion<br />

der Fotografie als Mittel im<br />

Gerichtsverfahren: Simon macht<br />

Bilder von Menschen, die ohne<br />

Schuld verurteilt wurden. Sie<br />

fotografiert politische Führer aus<br />

aller Welt oder Schmuggelwaren,<br />

die an der amerikanischen Grenze<br />

konfisziert wurden. Die Künstlerin<br />

arbeitet mit den Mitteln der Fotografie<br />

und der filmischen Reportage.<br />

Ihre Fotografien sind sehr<br />

detailbewusst. Dadurch will sie<br />

sich gezielt vom journalistischen<br />

Schnappschuss abgrenzen.<br />

Bis 19. Februar<br />

Multimedia Art Museum<br />

Ul. Ostoschenka 16<br />

Tel.: (495) 637 1100<br />

www.mamm-mdf.ru<br />

Von Natalia Schwertling<br />

museumseigene Restaurationswerkstatt,<br />

die regelmäßig Staatsaufträge<br />

annimmt. So wurden<br />

zur 70-jährigen Siegesparade am<br />

Roten Platz im letzten Herbst sechs<br />

Aufklärungspanzer des Typs T-60<br />

hergestellt – nach langwieriger<br />

Suche der historischen Details.<br />

Seit 2011 hat sich das Museum<br />

auch einiger Flugzeuge angenommen,<br />

die bislang auf dem Freiluftmuseum<br />

am Chodynskoje-Feld<br />

vor sich hin korrodierten. Aus der<br />

Werkstatt wird bald das fünf Tonnen<br />

schwere restaurierte Cabriolet<br />

der Marke Mercedes Benz 770<br />

entlassen, dessen Wert auf einige<br />

Millionen Euro geschätzt wird –<br />

nur weil Hitler in ihm die Parade<br />

in <strong>Moskau</strong> abnehmen wollte,<br />

es aber bereits 1941 dem kroa-<br />

Olympiade<br />

der Musik<br />

Das achte internationale Festival<br />

„Taufwoche in der neuen Oper“ findet<br />

in diesem Jahr unter dem Zeichen<br />

der Kulturolympiade „Sotschi<br />

2014“ statt. Die Kulturolympiade<br />

ist ein vierjähriges Projekt, das die<br />

besten Musikereignisse des Landes<br />

präsentiert. Jedes Jahr ist es einer<br />

Kunstart gewidmet, dieses Mal ist<br />

es die Musik. Auf dem Programm<br />

stehen sowohl die jüngsten Premieren<br />

des Theaters als auch die traditionellen<br />

Stücke des Repertoires<br />

in der Fassung des Theatergründers<br />

Jewgenij Kolobow. Unter den<br />

bekannten Stücken werden Musikwerke<br />

aufgeführt, die in <strong>Moskau</strong><br />

selten zu hören sind, zum Beispiel<br />

die Kantate „Christus“ von Ottorino<br />

Respighi und die Oper von<br />

Verdi „Die Lombarden auf dem<br />

ersten Kreuzzug“.<br />

Bis 29. Januar<br />

Theater „Neue Oper“<br />

Ul. Karetnyj Rjad 3, Geb. 2<br />

M. Majakowskaja, Tschechowskaja<br />

Tel.: (495) 694 <strong>08</strong>68<br />

www.novayaopera.ru<br />

Liebe zum Detail rostet nicht<br />

Das Sadoroschnyj-Museum für Technik lockt mit neuen Exponaten<br />

Zum Jahresanfang präsentiert sich das von Wadim Sadoroschnyj gegründete<br />

Technik-Museum bei Strogino mit erneuertem Ausstellungsaufbau und<br />

neuen Exponaten. Auf einem Gelände von über vier Hektar sind nun über<br />

500 Gegenstände zu bestaunen – die größte Kategorie ist Kriegstechnik.<br />

Das Museum erfüllt daneben staatliche Restaurationsaufträge und lässt<br />

die Besucher einige Fahrzeuge selbst ausprobieren.<br />

Das ist kein Putschversuch, sondern<br />

eine Demonstration für Liebhaber.<br />

tischen Diktator Pavelic schenkte.<br />

Tito wollte damit 1945 Stalin eine<br />

besondere Freude machen, der es<br />

aber sogleich an den ersten Sekretär<br />

Usbekistans weiterschenkte.<br />

Das Museum bietet ein reichhaltiges<br />

Zusatzprogramm an:<br />

Imbisse können in einer Feldküche<br />

eingenommen werden, Kinder<br />

und Erwachsene können mehrere<br />

Geräte und Gefährte selbst<br />

benutzen. Es gibt Seminare, in<br />

denen die Fertigkeit, alte Waffen<br />

zu benützen, vermittelt wird, und<br />

für Kinder eignen sich Kurse zum<br />

Modellflugzeugbau und ein Crash-<br />

Besuch bei<br />

Rentieren<br />

Durch ein verschneites Feld in<br />

einem Dreigespann zu fahren –<br />

was kann noch „winterlicher“ sein?<br />

Doch dieses Mal ist es nicht die<br />

traditionelle russische Troika, sondern<br />

es geht um Rentiere. Diese<br />

Bewohner des Hohen Nordens gibt<br />

es nicht einmal im <strong>Moskau</strong>er Zoo.<br />

Dafür aber in einer Rentiere-Farm<br />

im <strong>Moskau</strong>er Gebiet, auf der die<br />

Rentierzüchter mit ihren Tieren auf<br />

traditionelle Weise zusammen leben.<br />

Wer am Wochenende Zeit für einen<br />

zehnstündigen Ausflug findet, kann<br />

diese majestätischen Tiere persönlich<br />

kennen lernen und viel über ihr<br />

Leben erfahren, eine Aufführung<br />

sehen und einen aromatischen Tee<br />

im Rentierzüchterzelt trinken. Nach<br />

der Besichtigung der Farm gibt es<br />

auch eine Führung durch die alte<br />

russische Stadt Jegorjewsk.<br />

29. Januar,<br />

11. Februar, 9 Uhr<br />

Reisebüro „Reiseladen“<br />

Abfahrt M: Kusminki<br />

Anmeldung unter:<br />

(495) 627 7924<br />

www.magput.ru<br />

Kurs im Panzerfahren – und wenn<br />

dann etwas kracht, dann war es<br />

nicht der Panzer.<br />

Wadim Sadoroschnyj-<br />

Museum für Technik<br />

Siedlung Archangelskoje,<br />

4.km Iljinskogo Schosse, Geb. 9<br />

M. Strogino. Dann Marschrutka<br />

nach Sacharkowo, Haltestelle<br />

„Lipowaja alleja“.<br />

www.tmuseum.ru<br />

T.: (495) 662 3818<br />

Eintritt: 350 Rubel an<br />

Wochenenden und Feiertagen,<br />

250 Rubel an Werktagen<br />

Von Katja Gubernatorowa<br />

Schnee<br />

als Kult<br />

Typisch für den Jahresanfang auf<br />

Russisch ist der russische Salat<br />

„Winegret“, der Film „Ironie des<br />

Schicksals“ und – die Schneeshow<br />

von Slawa Polunin. Jedes Jahr im<br />

Januar, wenn das Wetter es zulässt,<br />

stehen vor dem Eingang zur Show<br />

Dutzende von Schneemännern.<br />

Ihre rührenden, naiven Gesichter<br />

bereiten den Zuschauer auf die<br />

Atmosphäre im Saal vor. Während<br />

zweier Stunden vergessen<br />

die Zuschauer ihr „erwachsenes“<br />

Leben und tauchen in die zauberhafte<br />

Welt der Kindheit ein,<br />

in der wie im Märchen noch alles<br />

möglich ist. Und die Show selbst<br />

ist solch ein Märchen, bei dem<br />

die Zuschauer plötzlich auf die<br />

Bühne gelangen und die sogar die<br />

ernstesten Gesichter zum Lächeln<br />

bringt.<br />

27. Januar – 9. Februar<br />

Natalija Ssaz-Musiktheater<br />

Prospekt Wernadskogo 5<br />

M. Universitet<br />

Tel.: (495) 730 7300<br />

www.teatr-sats.ru<br />

Noch vor 50 Jahren verkehrten solche<br />

Taxis in <strong>Moskau</strong>.<br />

ANZEIGEN<br />

Deutschlehrer(in) für ein 6-jähriges<br />

Kind gesucht, Muttersprachler<br />

bevorzugt.<br />

Das Kind verfügt über ein<br />

grundlegendes Sprachverständnis.<br />

Wir freuen uns auf Ihre Meldungen<br />

an panova.svetlana@inbox.ru<br />

bzw. per Telefon + 7 9<strong>03</strong> 760 26 61.<br />

tmuseum.ru


<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

Zum Reinschnuppern<br />

Im Winter lohnt sich ein Besuch im <strong>Moskau</strong>er Zoo<br />

Das verkehrsumtoste Gebiet des <strong>Moskau</strong>er Zoos und die Tatsache, dass<br />

dort 8 000 Tiere aus über 1 000 Arten auf engem Raum hausen müssen,<br />

mag die Zookritiker darin bestätigen, dass es humaner ist, die Tiere in<br />

freier Wildbahn zu suchen, aber wenn diese Zookritiker kleine Kinder<br />

haben, dann ist es geboten, Kompromisse einzugehen. Ein solcher wäre,<br />

den Zoo im Winter zu besuchen, wenn es dort wenigstens nicht so<br />

streng riecht.<br />

Der entscheidende Vorteil für<br />

Zoobesuche im Winter ist der, dass<br />

die Tiere wesentlich lebendiger<br />

sind als in der Sommerschwüle.<br />

Die Raubtiere dösen nicht nur<br />

vor sich hin und die Affen zeigen<br />

eine Schauspieleinlage nach der<br />

anderen. Besonders die Orang-<br />

Utans sind Publikumsmagneten.<br />

Wer zum ersten Mal da ist, sollte<br />

sich am Eingang einen Plan kau-<br />

Von Natalia Schwertling<br />

fen und zunächst zur äußersten<br />

rechten Ecke gehen. Dort ist im<br />

„Kinderzoo“ ein Bär aus nächster<br />

Entfernung zu erleben. Zum Aufwärmen<br />

bieten sich zwei Häuser<br />

an: das Delphinarium und das<br />

Exotarium. Für beide müssen<br />

Extratickets zu gemäßigten Preisen<br />

erworben werden. Futter gibt<br />

es an Automaten. Im großen Teich<br />

tummeln sich unzählige Karpfen.<br />

Wenn sie von den Kindern gefüttert<br />

werden, stehlen sie Exoten<br />

wie den Kängurus oder Elefanten<br />

die Schau. Für einen kompletten<br />

Rundgang sind drei bis vier Stunden<br />

die unterste Grenze. Deshalb<br />

empfiehlt es sich, bei einem<br />

Besuch immer nur einen Teil des<br />

Zoos zu besichtigen. Ansonsten<br />

wird die Aufmerksamkeit der Kinder<br />

überfordert – und klammert<br />

sich an nicht lebendige Attraktionen<br />

wie zum Beispiel den erzenen<br />

Seelöwen.<br />

M. Krasnopresnenskaja<br />

Im Winter: 10 bis 17 Uhr,<br />

außer Montag<br />

Eintritt: 150 Rubel<br />

Jahresabo: 500 Rubel<br />

Kirill Levinson<br />

Freizeit<br />

15<br />

Zum Ausbuddeln<br />

Archäologie ist spannender als Angeln<br />

Russischlektion<br />

In wöchentlichen Workshops<br />

bietet das Museum für Archäologie<br />

Interessierten an, in simulierten<br />

realen Bedingungen ihr<br />

Gespür für die Prähistorie zu<br />

prüfen und zu entwickeln. Im<br />

theoretischen Teil geht es darum,<br />

die methodischen Raffinessen<br />

kennen zu lernen, der interaktive<br />

Teil der Veranstaltung setzt<br />

die erworbenen Kenntnisse in<br />

die archäologische Praxis um:<br />

Nach der akribischen Suche von<br />

Spuren unserer Vorfahren werden<br />

die Funde gemeinsam analysiert<br />

und eingeordnet. Und das<br />

ist spannender, als es gemeinhin<br />

von dieser Grundlagenforschung<br />

angenommen wird. nas<br />

Jeden Sonntag,<br />

12 und 13.30 Uhr<br />

<strong>Moskau</strong>er Museum<br />

der Archäologie<br />

Maneschnaja Ploschtschad 1a<br />

M. Ochotnyj Rjad<br />

T.: (495) 692 4171<br />

Zwei Wochen des neuen Jahres sind bereits vergangen und einige gute Vorsätze<br />

schon wieder über Bord geworfen. Wer sich für 2012 vorgenommen hat, endlich<br />

Russisch zu lernen, hat es jedoch leicht. Mit dem Sprachlernkalender von Retorika<br />

lernt man jeden Tag eine kleine Lektion, beginnend mit dem Alphabet über<br />

einfache Sprichwörter hin zu anspruchsvolleren kleinen Texten. Auf der Rückseite<br />

jedes Kalenderblattes stehen Informationen zu Land, Leuten und Geschichte.<br />

<strong>Moskau</strong>er Museum der Archäologie<br />

Die Erstbesteigung des Seelöwen verlief erfolgreich.<br />

Der Kalender kann beim Verlag Retorika unter der Emailadresse<br />

retorika @ apollo.lv für 10 Euro bestellt werden.


16<br />

<strong>Moskau</strong>er<br />

H i n t e r l a n d<br />

Machatschkala<br />

LETZTE SEITE<br />

Perm<br />

Kemerowo<br />

Neujahr gestrichen<br />

Machatschkala. Immer mehr Einwohner von Dagestan lehnen die<br />

typischen russischen Neujahrsfeierlichkeiten ab, vermelden die Behörden<br />

von Russlands südlichster Republik am Kaspischen Meer. Jolka,<br />

Ded Moros und Snegurotschka seien eine Hinterlassenschaft der<br />

ungläubigen Sowjetunion, hätten ihre Wurzeln im heidnischen Brauchtum<br />

und ließen sich nicht mit den muslimischen Traditionen vereinbaren,<br />

heißt es zur Begründung. Wie die „Nesawissimaja Gaseta“ schreibt,<br />

werde bei Gottesdiensten in den Moscheen propagiert, sich von dem<br />

Fest zu distanzieren. Nach offiziellen Angaben beschlossen diesmal<br />

70 Prozent aller Schulen in Dagestan, auf Neujahrszeremonien für<br />

ihre Kinder zu verzichten, das hätten die Menschen vor Ort selbst so<br />

entschieden. Weiterhin gefeiert werde Neujahr vor allem in den großen<br />

Städten, dort, wo auch Russen leben. Viele sind das nicht: Ihr Anteil an<br />

der Bevölkerung liegt bei 3,6 Prozent – Tendenz sinkend.<br />

Oh, Tannenbaum<br />

Kemerowo. Wenn Mitte Januar auch der letzte Böller verschossen und<br />

der russische Feiertagsmarathon mit dem altkalendarischen Silvester zu<br />

Ende gegangen ist, hat eine saisonale Zimmerpflanze ausgedient: der<br />

Tannenbaum. Meist drücken sich seine Überreste dann noch eine Weile<br />

auf Hinterhöfen herum. In Westsibirien konnte das Grünzeug jetzt für<br />

einen guten Zweck gespendet werden. Die Beamten von Selenogorskij,<br />

einer 5 000-Seelen-Gemeinde rund 100 Kilometer von Kemerowo entfernt,<br />

riefen dazu auf, Tannenbäume an Sammelpunkten abzuliefern,<br />

man wolle die Nadeln an Milchkühe verfüttern. Immerhin 800 Bäume<br />

kamen so zusammen. Neu ist die Idee nicht: Schon die sowjetischen<br />

Kolchosen mischten dem Futter im Winter gern Nadeln bei. Die sollen<br />

durch ihren Gehalt an Carotinen, Vitamin C und Eisen so nahrhaft sein<br />

wie frisches Gras.<br />

„Deppen“ gegen<br />

Schirinowskij<br />

Perm. Seine Anhänger halten Wladimir<br />

Schirinowskij zugute, dass er<br />

sage, was er denke. Das könnte in<br />

der verdrucksten Politikerwelt<br />

auch tatsächlich eine Tugend sein,<br />

wären die Gedanken des ewigen Eiferers<br />

nicht so bizarr, dass er sie lieber für sich<br />

behalten sollte. Jetzt ist ausgerechnet<br />

im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen,<br />

für die Schirinowskij kandidiert, ein<br />

Fernsehinterview von 2001 aufgetaucht,<br />

in dem der Rechtspopulist gleich die<br />

gesamte Bevölkerung des Urals als<br />

„Deppen“ bezeichnet. In dem Video,<br />

das im Internet kursiert, zieht er über<br />

Ex-Präsident Boris Jelzin her, der damals<br />

gerade abgetreten war. Jelzin, so das<br />

Schandmaul im russischen Fernsehkanal<br />

„Streng geheim“, sei „beschränkt“,<br />

doch von einem gelernten Bauarbeiter<br />

könne man ja auch nichts anderes<br />

erwarten. Dazu komme seine Herkunft<br />

aus dem Ural mit dessen „riesigen<br />

Vorkommen unter der Erde“ und dem<br />

„gewaltigen Magnetfeld“, da brauche<br />

man sich über nichts zu wundern.<br />

Einmal in Fahrt, legte der Blut- und<br />

Boden-Experte erst richtig los: „Von<br />

Perm bis Jekaterinburg leben Deppen.<br />

Die sind vielleicht gesund, aber wenn<br />

es um Intellekt geht – dämlich bis zum<br />

Anschlag.“ Er müsse es schließlich<br />

wissen, habe in 40 Jahren ganz Russland<br />

bereist und eine so „dämliche<br />

Bevölkerung“ nirgendwo vorgefunden,<br />

so Schirinowskij. Nun hat er, der sich<br />

gern als Rächer des einfachen Mannes<br />

inszeniert, allerdings ein Problem mit<br />

dem einfachen Mann: Die Empörung im<br />

Ural ist groß. Ein Kleinunternehmer aus<br />

Perm reichte sogar Klage wegen übler<br />

Nachrede ein. Der bekannte Permer<br />

Rapper Sjawa antwortete Schirinowskij<br />

lieber in einem überdrehten Clip, um,<br />

wie er der Presse sagte, „mit Blödsinn<br />

auf Blödsinn zu reagieren“.<br />

Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />

Russischer Winter<br />

P<br />

lanet<br />

<strong>Moskau</strong><br />

Von<br />

Kathrin Aldenhoff<br />

In Russland ist es kalt, heißt es.<br />

In Russland schneit es unentwegt,<br />

heißt es. Zu sagen, ich hätte meinen<br />

Job in <strong>Moskau</strong> nur wegen des<br />

russischen Winters angetreten,<br />

wäre ein kleines bisschen übertrieben.<br />

Aber ja, ich liebe Schnee<br />

und ich habe mich darauf gefreut.<br />

Und dann das: Bis Mitte Dezember<br />

kein nennenswerter Schneefall<br />

in <strong>Moskau</strong>. Bis auf zwei oder<br />

drei Ausnahmetage war es sogar<br />

zu warm, um eine Pelzmütze zu<br />

tragen.<br />

Alle meine winterlichen Hoffnungen<br />

steckte ich in meine Reise<br />

nach Irkutsk, Anfang Dezember.<br />

Ich war gut ausgerüstet, hatte<br />

extra dicke Strumpfhosen angezogen,<br />

bei der Babuschka am Markt<br />

noch ein Paar Socken aus Yakwolle<br />

gekauft und Kälteschutzcreme<br />

für die empfindliche Gesichtshaut<br />

eingepackt. Ich kam an, minus 20<br />

Grad und Neuschnee, und ich war<br />

glücklich. Am ersten Tag. Danach<br />

kletterte das Thermometer auf<br />

minus fünf Grad, geschneit hat<br />

es nur in der ersten Nacht, in den<br />

kommenden vier Tagen fiel kein<br />

einziger kleiner Schneekristall<br />

vom Himmel. Ja wenn denn nicht<br />

einmal auf Sibirien Verlass ist!<br />

Tief enttäuscht fuhr ich über die<br />

Weihnachtstage nach Deutschland<br />

und es passierte – kaum hatte ich<br />

die Landesgrenze überflogen, fing<br />

es an zu schneien. In Deutschland<br />

angekommen, schrieb mir eine<br />

<strong>Moskau</strong>er Freundin über Facebook,<br />

wie hoch der Schnee in ihrer<br />

Straße liegt, ein anderer berichtet<br />

von nächtlichen Schneeballschlachten<br />

auf dem Heimweg. Eiskalter<br />

Zorn ergriff mein warmes<br />

Herz, der zarte Schneefall in<br />

meiner Heimatstadt konnte mich<br />

kaum besänftigen. Bereits Tage<br />

vor meinem Rückflug checkte ich<br />

alle paar Stunden den Wetterbericht<br />

für <strong>Moskau</strong> – dass nur bloß<br />

noch genug von dem Schnee läge,<br />

den ich so knapp verpasst hatte!<br />

Schon im Landeanflug sah ich die<br />

schneebedeckten Birkenwälder,<br />

ein zufriedenes Lächeln trat auf<br />

mein Gesicht.<br />

Und seit ich zurück bin, schneit<br />

es beinahe jeden Tag. Mit Schaufeln<br />

bewehrte Männer steigen der<br />

Redaktion aufs Dach, um es vom<br />

Schnee zu befreien, beim Joggen<br />

im Wald knirscht es unter meinen<br />

Schuhen, auf dem Weg zur Arbeit<br />

würden mir Schneeflocken in den<br />

Kaffee fallen, wäre kein Plastikdeckel<br />

darüber. Es ist ein Traum<br />

– und das Beste: Das war erst der<br />

Anfang. Vor April ist mit Frühling<br />

nicht zu rechnen! Meinetwegen<br />

kann es die kommenden Monate<br />

durchweg schneien. Es ist mir auch<br />

ganz egal, dass ich in der Fallstudie,<br />

die meine Mitbewohnerin und ich<br />

seit Neujahr führen – Knie oder<br />

Hand müssen den Boden berührt<br />

haben, sonst gilt's nicht – mit 2:0<br />

vorne liege. Ich mag verschneite<br />

Gehwege! Und in den kommenden<br />

drei Monaten lerne ich sicherlich<br />

auch diesen schleichenden, leicht<br />

schwebenden Gang von den Russen,<br />

gewöhne mich an Permafrost<br />

auf dem Bürgersteig und kann bald<br />

mit hohen Absätzen gefrorene<br />

Seen überqueren. Ich habe gerade<br />

noch einmal den Wetterbericht<br />

überprüft: Es soll Schnee geben.<br />

Gönnen Sie sich eine Pause!<br />

Der Hektik entfliehen – mit der <strong>MDZ</strong>

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