08 VI 03 - ÐоÑковÑÐºÐ°Ñ Ð½ÐµÐ¼ÐµÑÐºÐ°Ñ Ð³Ð°Ð·ÐµÑа - MDZ-Moskau
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Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
w w w . m d z - m o s k a u . e u<br />
UNABHÄNGIGE ZEITUNG FÜR POLITIK, WIRTSCHAFT UND KULTUR • GEGRÜNDET 1870<br />
Das Politikjahr<br />
Zu fernen<br />
orten<br />
Viele DDR-Bürger kannten an<br />
Ausland nur die Tschechoslowakei.<br />
Andere drangen in<br />
die abgelegensten<br />
<strong>03</strong><br />
Winkel der<br />
Sowjetunion vor - heimlich.<br />
Am 4. März wählt Russland einen neuen<br />
Präsidenten – aller Voraussicht nach wird er<br />
aber so neu nicht sein. Wladimir Putin, der<br />
das höchste Amt bereits von 2000 bis 20<strong>08</strong><br />
ausübte und gegenwärtig Ministerpräsident<br />
ist, sieht seine Mission noch nicht beendet,<br />
wie er sagt, und tritt erneut an. Die neueste<br />
Meinungsumfrage von WZIOM gibt ihm<br />
48 Prozent und allen anderen Kandidaten<br />
maximal zehn. Dabei macht ein Großteil<br />
der Unzufriedenen im Lande seine Ablehnung<br />
des politischen Systems an Putin fest.<br />
Die <strong>Moskau</strong>er Massenkundgebungen nach<br />
den Parlamentswahlen im Dezember waren<br />
auch ein Misstrauensvotum gegen ihn –<br />
und am 4. Februar findet die nächste statt.<br />
Beobachter halten es nicht für ausgeschlossen,<br />
dass Putin in eine Stichwahl muss.<br />
Allerdings hat es die liberale Opposition<br />
versäumt, sich auf einen Gegenkandidaten<br />
zu verständigen.<br />
Das <strong>Moskau</strong>jahr<br />
Am 1. Juli wächst <strong>Moskau</strong> auf einen Schlag<br />
um 160 000 Hektar und damit fast auf das<br />
Zweieinhalbfache. Die neue Grenzziehung<br />
im Südwesten soll die aus allen Nähten<br />
platzende Stadt entlasten und durch Auslagerung<br />
von Arbeitsplätzen sowie den damit<br />
mit eigenen<br />
worten<br />
Der Europarat will die Sprachen<br />
von Minderheiten<br />
schützen, Russland will es<br />
auch. Warum es trotzdem<br />
noch keine Einigung gibt.<br />
2012<br />
Was uns erwartet<br />
Das Jubiläumsjahr<br />
Vor 200 Jahren, am 7. September 1812,<br />
kam es in Borodino vor <strong>Moskau</strong> zur vermeintlichen<br />
Entscheidungsschlacht zwischen<br />
den napoleonischen Truppen und<br />
der russischen Armee. Rund 300 000 Soldaten<br />
standen sich gegenüber, erst nach<br />
zwölf Stunden schwiegen die Waffen. Es<br />
gab Zehntausende Tote – und doch keinen<br />
Sieger. Statt ein weiteres Gemetzel zu riskieren,<br />
befahl der russische Oberkommandierende<br />
Michail Kutusow den Rückzug<br />
und lockte die Invasoren mit dieser Kriegslist<br />
nach <strong>Moskau</strong> – in die Falle. Scheinbar<br />
am Ziel seiner Träume, stellte Napoleon<br />
fest, dass niemand kapitulierte, niemand<br />
verhandelte, stattdessen ein schweres Feuer<br />
die Stadt verwüstete und seine Mannen<br />
größte Mühe hatten, Lebensmittel aufzutreiben.<br />
Dann nahte auch schon der Winter.<br />
Einen Monat nach der Einnahme <strong>Moskau</strong>s<br />
zogen die Franzosen ab – geschwächt und<br />
demoralisiert. Auf dem Weg nach Westen<br />
wurden sie von Kutusows Truppen, die auf<br />
diese Gelegenheit gewartet hatten, und vom<br />
einsetzenden Frost zusehends aufgerieben.<br />
<strong>08</strong> <strong>VI</strong><br />
verbundenen Wegzug von Menschen unter<br />
anderem die Verkehrslage entschärfen. Zu<br />
<strong>Moskau</strong> statt zum <strong>Moskau</strong>er Umland gehören<br />
werden künftig Troizk und Schtscherbinka<br />
sowie 19 weitere Städte und Gemeinden.<br />
Als sie sechs Monate nach dem Überfall<br />
auf Russland wieder die russische Grenze<br />
erreichte, war von der stolzen „Grande<br />
Armée“ kaum noch etwas übrig. Der Sieg<br />
über Napoleon wird in Russland 2012 auf<br />
vielfältige Weise begangen. Im Innenhof<br />
des ehemaligen <strong>Moskau</strong>er Lenin-Museums<br />
eröffnet ein „Museum des Vaterländischen<br />
Krieges 1812“. Rekonstruiert werden das<br />
Borodino-Panorama und der Triumphbogen<br />
am Kutusow-Prospekt. Die Borodino-<br />
Schlacht wird wie jedes Jahr auch diesmal<br />
am Jahrestag vor Ort nachgestellt – allerdings<br />
mit besonderem Pomp.<br />
Zum 400. Mal jährt sich am 4. November<br />
der Volksaufstand von 1612 gegen die<br />
polnische Fremdherrschaft, die den Russen<br />
als Höhepunkt der „Smuta“ gilt, der<br />
Zeit ohne legitimen Regenten – ein nationales<br />
Trauma. Die Bürgerwehr von Minin<br />
und Poscharskij, deren Denkmal heute vor<br />
dem Eingang zur Basilius-Kathedrale steht,<br />
befreite den Kreml. Ein Jahr später trat mit<br />
Michail Romanow der erste Vertreter einer<br />
neuen Zarendynastie sein Amt an.<br />
Мистификация<br />
жизни<br />
и творчества<br />
В Москве открывается<br />
выставка работ художникасюрреалиста<br />
Макса Хаазе<br />
Weitere runde Jubiläen: Das Puschkin-<br />
Museum für bildende Künste in <strong>Moskau</strong><br />
wird 100 Jahre alt, ebenso wie angeblich<br />
auch der Russische Fußballverband.<br />
Das<br />
Deutschlandjahr<br />
Unter dem Motto „Deutschland und Russland<br />
– gemeinsam die Zukunft gestalten“<br />
beginnt im Juni 2012 das Deutschlandjahr<br />
in Russland. Im Fokus der Projekte und<br />
Veranstaltungen stehen in der zweiten Jahreshälfte<br />
2012 <strong>Moskau</strong> und St. Petersburg<br />
und in der ersten Jahreshälfte 2013 die<br />
russischen Regionen, insbesondere Nowosibirsk,<br />
Wolgograd, Jekaterinburg, Nischnij<br />
Nowgorod und Kaliningrad. Schwerpunkte<br />
sind die Themen gesellschaftliche Herausforderungen,<br />
Stadt und Raum, Ressourcen<br />
und Umwelt, Wissenschafts- und Bildungsaustausch<br />
sowie zeitgenössische Kultur.<br />
Das Sportjahr<br />
Bei der Fußball-EM vom 8. Juni bis 1. Juli<br />
in Polen und der Ukraine hat Russland eine<br />
eher leichte Gruppe mit Polen, Griechenland<br />
und Tschechien erwischt. Gespielt<br />
wird in Warschau und Breslau.<br />
02<br />
Ausgabe vom 19. Januar bis 1. Februar
02<br />
<strong>Moskau</strong>er<br />
impressum<br />
Herausgeber<br />
Olga Martens, Heinrich Martens<br />
Redaktion<br />
Lena Steinmetz<br />
Redaktionsleiterin<br />
Dr. Olga Silantjewa<br />
Stellv. Chefredakteurin<br />
Tino Künzel<br />
(Titelseite, Blickpunkt, Marktplatz,<br />
Sport)<br />
Kathrin Aldenhoff (ifa-Redakteurin)<br />
(Politik, Feuilleton, Gesellschaft,<br />
Regionen, Russlands Nachbarn)<br />
Jochen Stappenbeck<br />
(Wirtschaft, Ausflugstipp, Freizeit)<br />
Korrektur<br />
Marina Lischtschinskaja ,<br />
Alexander Paissow<br />
Computersatz<br />
Andrej Morenko<br />
Designentwurf: Hans Winkler<br />
<strong>MDZ</strong>-Online<br />
(www.mdz-moskau.eu)<br />
Tino Künzel<br />
„MaWi Group“<br />
Geschäftsführende<br />
Gesellschafterin<br />
Olga Martens<br />
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Namentlich gekennzeichnete Artikel<br />
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Registriert bei Roskompetschat.<br />
Registriernummer 017576<br />
Redaktionsschluss:<br />
18. Januar 2012.<br />
Gedruckt in der Druckerei<br />
„Krasnaja Swesda“.<br />
Auflage 25 000 Expl.<br />
Номер заказа 5975<br />
Газета в розницу<br />
не распространяется.<br />
01<br />
Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
„Rache, Rache und nochmals Rache“<br />
Vor 25 Jahren starben in <strong>Moskau</strong> sieben Menschen bei einer Anschlagsserie<br />
Noch heute scheint es unglaublich, dass das erste Attentat in der <strong>Moskau</strong>er<br />
Metro in die Sowjetzeit fiel, mitten in die vergleichsweise friedlichen<br />
Breschnew-Jahre. Der Staat verhängte die Höchststrafe: 1979 wurden<br />
drei Armenier als Terroristen zum Tode verurteilt und erschossen.<br />
Der Generalsekretär hatte seinen<br />
70. gefeiert, die ausländischen<br />
Schmeichler waren wieder abgereist.<br />
Im Sowjetreich des greisen<br />
Leonid Breschnew wurden die<br />
Sicherheitsmaßnahmen nach dem<br />
Festakt für den Jubilar am 1. Januar<br />
1977 zurückgefahren. Die Menschen<br />
genossen ihre freien Tage<br />
rund um den Jahreswechsel.<br />
Dann der 8. Januar 1977, ein<br />
Samstag. In einem Zug der <strong>Moskau</strong>er<br />
Metro geht um 17.33 Uhr<br />
zwischen den Stationen Ismajlowskaja<br />
und Perwomajskaja ein<br />
Sprengsatz hoch. Sieben Passagiere<br />
werden getötet, mehrere Dutzend<br />
verletzt. Eine reichliche halbe Stunde<br />
später explodiert eine weitere<br />
Bombe in einem Lebensmittelgeschäft<br />
östlich des Stadtzentrums.<br />
Und noch einmal fünf Minuten<br />
darauf fliegt ein Abfalleimer ganz<br />
in der Nähe des KGB-Gebäudes<br />
an der Lubjanka in die Luft. Zum<br />
Glück sind dabei keine weiteren<br />
Opfer zu beklagen.<br />
Die politische Führung steht<br />
trotzdem unter Schock. Eilig wird<br />
Das vermeintliche Losglück könnte allerdings<br />
schnell nach hinten losgehen, sollten sich vor<br />
allem Polen und Griechen als die erwartet<br />
unbequemen Gegner herausstellen. Russland,<br />
das unter dem holländischen Trainerveteran<br />
Dick Advocaat in der Qualifikation selten<br />
überzeugte, wird im eigenen Land an der EM<br />
20<strong>08</strong> gemessen werden, als es in einem grandiosen<br />
Viertelfinale Holland besiegte, was eine<br />
beispiellose Euphorie auslöste: Hunderttausende<br />
strömten auf die Straßen und machten<br />
die Nacht zum Tag.<br />
Zu den Olympischen Sommerspielen vom<br />
27. Juli bis 12. August in London wird Russland<br />
wie gewohnt eine der größten Mannschaft<br />
aller Teilnehmerländer entsenden. Auch die<br />
Ambitionen dürften ehrgeizig sein. Russland<br />
sieht sich traditionell als Sportsupermacht<br />
und wird zumindest den Anschluss zu China<br />
und den USA nicht verlieren wollen, die in<br />
der Nationenwertung zuletzt die ersten beiden<br />
Plätze unter sich ausgemacht hatten. Russland<br />
gewann 20<strong>08</strong> in Peking dagegen „nur“ noch 23<br />
Goldmedaillen – in Athen 2004 waren es 27,<br />
vier Jahre davon in Sydney 32.<br />
Vom 10. bis 31. Mai wird in <strong>Moskau</strong> der<br />
Schach-WM-Titelkampf zwischen Herausforderer<br />
Boris Gelfand – einem gebürtigen<br />
Weißrussen mit israelischer Staatsbürgerschaft<br />
– und Weltmeister Viswanathan Anand<br />
aus Indien ausgetragen. Mitte Juli erlebt der<br />
„Moscow Raceway“, ein neues Motorsportmekka<br />
westlich von <strong>Moskau</strong>, seine Feuertaufe:<br />
Auf der Rennstrecke, die theoretisch auch<br />
für Formel-1-Läufe geeignet ist, gastiert die<br />
Re nault World Series.<br />
Von Tino Künzel<br />
in <strong>Moskau</strong> die Präsenz von Uniformierten<br />
verstärkt. „Man hat uns aus<br />
unserer Garnison abkommandiert,<br />
damit wir einige Wochen lang<br />
in den zentralen Metrostationen<br />
patrouillieren“, sagt der <strong>Moskau</strong>er<br />
Alexander Paissow, ein Oberstleutnant<br />
im Ruhestand.<br />
Nach den Tätern wird monatelang<br />
gefahndet. Die Ermittler<br />
befragen 500 Zeugen, analysieren<br />
die Art des Sprengstoffs, sogar die<br />
Überreste der beigen Kunstledertasche,<br />
in der die Metrobombe versteckt<br />
gewesen war. Doch das Verbrechen<br />
wäre wohl unaufgeklärt<br />
geblieben, hätten die Urheber nicht<br />
einen weiteren Anschlag geplant –<br />
bereits Ende 1977 und im Kursker<br />
Bahnhof von <strong>Moskau</strong>. Dort ließen<br />
sie im Wartesaal eine Tasche mit<br />
einer Splitterbombe zurück. Die<br />
fiel jedoch gerade noch rechtzeitig<br />
einem Reisenden auf, der die<br />
Kabel im Innern entdeckte und<br />
erschrocken Meldung machte. In<br />
der Tasche wurden auch eine Trainingsjacke<br />
und Haare gefunden.<br />
Stunden später nahm die Miliz im<br />
2012 »»» Was uns erwartet<br />
Das Wirtschaftsjahr<br />
Zug von <strong>Moskau</strong> nach Jerewan die<br />
beiden Armenier Akop Stepanjan<br />
und Sawen Bagdassarjan fest.<br />
Die Trainingsjacke gehörte nach<br />
Überzeugung der Emittler Stepanjan,<br />
er soll die dazu passenden<br />
Trainingshosen getragen haben.<br />
Seine Mutter identifizierte später<br />
die Tasche als die ihres Sohnes. In<br />
Jerewan verhaften die Behörden<br />
nun auch Stepan Satikjan, als Hintermann<br />
der Anschläge. Stepanjan<br />
und Bagdassarjan – seine Nachbarn<br />
– hätten sie ausgeführt.<br />
Satikjan ist für die Staatsmacht<br />
kein Unbekannter. Als Student am<br />
Polytechnischen Institut hatte er<br />
einst eine Untergrundpartei mitgegründet,<br />
die Nationale Vereinigte<br />
Partei Armeniens (NOP). Ihr Ziel<br />
war ein unabhängiges Armenien.<br />
Über den Austritt aus der Sowjetunion<br />
sollte per Volksabstimmung<br />
entschieden werden.<br />
Die NOP-Aktivisten wanderten<br />
1968 wegen „antisowjetischer<br />
Agitation und Propaganda“ hinter<br />
Gitter. Satikjan kam erst 1972<br />
frei, arbeitete fortan als Schlosser<br />
in einem Großbetrieb und stellte<br />
1975 einen Ausreiseantrag aus der<br />
Sowjetunion, der abgelehnt wurde.<br />
Mit seiner Frau und zwei Kindern<br />
lebte er zur Tatzeit in Jerewan.<br />
Die nationalistische Untergrundarbeit<br />
hatte er als perspektivlos<br />
eingestellt.<br />
In einem Geheimprozess wurden<br />
die drei Angeklagten am 24. Januar<br />
1979 zum Tode verurteilt. Satikjan<br />
erklärte sich für unschuldig, Stepanjan<br />
räumte eine Teilschuld ein,<br />
bestritt aber die Beteiligung Satikjans.<br />
Bagdassarjan gab alles zu.<br />
Erhalten geblieben ist ein Video,<br />
auf dem Stepan Satikjan erklärt, er<br />
erkenne dieses Gericht nicht an.<br />
Das „jüdisch-russische Imperium“<br />
sei kein Rechtsstaat und er selbst<br />
der Ankläger, nicht der Angeklagte.<br />
Seine Rede beendete er auf Armenisch:<br />
„Sagt den anderen, dass uns<br />
Rache, Rache und nochmals Rache<br />
bleibt.“<br />
Zahlreiche Sowjetdissidenten<br />
hielten den Prozess für fingiert<br />
und die Schuld der Angeklagten<br />
für nicht bewiesen. Physik-<br />
Nobelpreisträger Andrej Sacharow<br />
sprach offen davon, die Anschläge<br />
könnten auch das Werk der repressiven<br />
Staatsorgane gewesen sein –<br />
um anschließend leichter gegen<br />
kritische Geister vorgehen zu können.<br />
Sacharow forderte in einem<br />
Brief an Breschnew am 30. Januar<br />
1979, das Gerichtsverfahren neu<br />
aufzurollen. Doch da war es bereits<br />
zu spät. Am selben Tag wurden die<br />
drei Verurteilten hingerichtet.<br />
Am 8. und 9. September richtet Russland<br />
erstmals ein Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen<br />
Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) aus,<br />
der mehr als 20 Anrainerstaaten des Pazifik<br />
angehören, darunter Wirtschaftsmächte wie<br />
die USA, Japan und Australien. Getagt wird<br />
auf der Insel Russkij vor Wladiwostok. Seit<br />
der Vergabe der Gastgeberrechte des Gipfels<br />
hat Russland bei der Vorbereitung keine<br />
Kosten gescheut. So sind beispielsweise zwei<br />
Autobrücken im Bau. Eine überspannt das<br />
„Goldene Horn“ in Wladiwostok, die andere<br />
verbindet Wladiwostok erstmals mit der Insel<br />
Russkij. Auch zahlreiche andere Infrastruktur<br />
wird entweder rekonstruiert oder entsteht völlig<br />
neu, darunter ein supermoderner Campus<br />
für die Fernöstliche Föderale Universität, die<br />
im Vorjahr aus der Zusammenlegung von vier<br />
Hochschulen hervorging.<br />
Bereits für den Sommer erwarten Experten<br />
den Beitritt Russlands zur WTO. Die Welthandelsorganisation<br />
hat inzwischen grünes Licht<br />
gegeben, nun muss Russland noch die nötigen<br />
Dokumente ratifizieren, um die Verhandlungen<br />
nach fast 20 Jahren zum Abschluss zu<br />
bringen.<br />
Vom 20. bis 22. Juni werden beim UN-<br />
Klimagipfel für nachhaltige Entwicklung in<br />
Rio de Janeiro auch von Russland einschneidende<br />
Schritte erwartet, um seine Wirtschaft<br />
umweltverträglicher zu gestalten.<br />
Mit dem 1. Januar haben sich Russland,<br />
Weißrussland und Kasachstan zu einer Freihandelszone<br />
zusammengeschlossen. Zuvor<br />
war zwischen den drei Staaten bereits eine<br />
Zollunion vereinbart worden. Der einheitliche<br />
Wirtschaftsraum ist offen für weitere Länder.<br />
Als Kandidaten gelten etwa die Ukraine,<br />
Armenien und Kirgisien.<br />
Im Herbst soll der zweite Strang der Ostsee-<br />
Pipeline in Betrieb genommen werden. Damit<br />
verdoppelt sich auch die Liefermenge an Gas,<br />
die von Russland nach Europa fließt.<br />
Ebenfalls für den Herbst ist die Einweihung<br />
einer neuen Touristenhochburg im Nordkaukasus<br />
geplant. Russlands Regierung will in<br />
der Konfliktregion, die immer wieder durch<br />
Anschläge, Arbeitslosigkeit und Vetternwirtschaft<br />
in die Schlagzeilen gerät, neue Perspektiven<br />
schaffen. Fünf Wintersportorte sollen<br />
mit Investitionen von insgesamt 80 Milliarden<br />
Rubel (rund zwei Milliarden Euro) auf „Weltniveau“<br />
gebracht werden. Es handelt sich um<br />
die Bergregionen Archys in Karatschajewo-<br />
Tscherkessien, Besengi in Kabardino-Balkarien,<br />
Mamison in Nordossetien, Lagonaki im<br />
Krasnodarer Gebiet und Adygeja sowie Matlas<br />
in Dagestan. Am weitesten fortgeschritten in<br />
diesem so genannten „Tourcluster“ sind die<br />
Arbeiten in Archys. Der erste Bauabschnitt –<br />
das Dorf Romantik – soll 2012 übergeben<br />
werden. <br />
tk
Iduna Böhning/n-ost<br />
<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
Unerkannt durch Freundesland<br />
Wie Abenteurer und Andersdenkende aus der DDR illegal die Sowjetunion bereisten<br />
Ostdeutschen blieben bis 1989 nicht nur Reisen in den Westen verwehrt. Auch die Grenzen<br />
in die sozialistischen Bruderländer waren nur bedingt durchlässig. Hunderte, wenn<br />
nicht Tausende wagemutiger junger Menschen aber nutzten in den 70er und 80er Jahren<br />
ein bürokratisches Schlupfloch, um die Sowjetunion jenseits aller Reglementierungen zu<br />
erkunden. Die Berliner Dokumentarfilmerin Cornelia Klauß ihre Geschichten gesammelt.<br />
Die Idee stammte aus einem DDR-Comic<br />
und war ebenso reizvoll wie waghalsig: Fix<br />
und Fax, zwei freche Mäuse, basteln sich aus<br />
Langeweile einen Segelschlitten und haben<br />
einen Heidenspaß, damit über das Eis zu<br />
brausen. Als Kind liebte Uwe Wirthwein<br />
diese Geschichte. Als 27-Jähriger wollte er<br />
sie selbst erleben. Er überredete Freunde,<br />
das abenteuerliche Gefährt nachzubauen<br />
und auszuprobieren – und zwar auf dem<br />
Baikalsee, dem fernen Sehnsuchtsort, an den<br />
Ostdeutsche auf eigene Faust eigentlich gar<br />
nicht fahren durften. Und so kam es, dass<br />
im Sommer 1988 fünf junge Männer aus<br />
Dresden Nylonballen über die sowjetische<br />
Grenze schmuggelten, sich mit 36 Kilogramm<br />
schweren Rucksäcken bis nach Sibirien durchschlugen,<br />
dort Bäume fällten und schließlich<br />
einen riesigen Segler mit fünf Meter langem<br />
Mast aufs Eis des Baikal setzten. Sie reisten<br />
„Unerkannt durch Freundesland“ (UdF) und<br />
waren Teil einer Bewegung, von der bis zum<br />
Ende der DDR nur wenige wussten.<br />
Hunderte, vielleicht Tausende junger Ostdeutscher<br />
entflohen der Enge ihres Heimatlandes<br />
in den 70er und 80er Jahren durch<br />
ein Schlupfloch im bürokratischen System.<br />
Sie erklommen im Kaukasus schroffe Gipfel,<br />
erkundeten märchenhaft fremde Republiken<br />
in Zentralasien, streiften wochenlang durch<br />
sibirische Weiten – irgendwie illegal, aber<br />
von überforderten Behörden oft nur halbherzig<br />
aufgehalten. Reisen in die Sowjetunion<br />
waren damals angemeldeten Reisegruppen<br />
vorbehalten und für Individualtouristen tabu.<br />
Doch seit dem Prager Frühling 1968 kam ein<br />
Transitvisum zur Anwendung, das die zweioder<br />
dreitägige Durchreise durch die UdSSR<br />
erlaubte, um die unruhige Tschechoslowakei<br />
zu umgehen. Nie wieder abgeschafft, wurde<br />
es für viele junge Menschen zur Eintrittskarte<br />
in ein Land, das sich verheißungsvoll über<br />
elf Zeitzonen ausdehnte. „Wer es schaffte,<br />
nach der Einreise von der offiziellen Route<br />
abzuhauen und ins Landesinnere zu gelangen,<br />
konnte sich danach relativ frei bewegen“,<br />
erinnert sich UdF'ler Frank Böttcher.<br />
Er ist heute Verleger in Berlin und hat, genau<br />
wie zuvor schon ein Kollege in Sachsen, ein<br />
Buch herausgegeben, das die Geschichten<br />
der Weltenbummler aus Vorwendezeiten<br />
erzählt. Halb historisches Dokument, halb<br />
Reisetagebuch, zeigen die mit viel Liebe<br />
zum Detail gestalteten Sammelbände, was<br />
herauskam, wenn DDR-Bürger die Parole<br />
von der deutsch-sowjetischen Freundschaft<br />
wörtlich nahmen. Nahezu einhellig berichten<br />
sie von überschwänglicher Herzlichkeit,<br />
von offenen Armen, mit denen sie allerorts<br />
aufgenommen wurden. Sie erzählen von<br />
Milizionären, die in Verhören ratlose Fragen<br />
Von Ulrike Gruska (n-ost)<br />
Wartburg auf großer Fahrt: Mit Wohnanhänger Marke „Würdig“ ging es von Hoyerswerda über Polen in<br />
die Sowjetunion – zunächst nach Odessa und auf die Krim. Sogar vom Schwarzen Meer ließen sich die<br />
reiselustigen Insassen nicht aufhalten. Samt Fahrzeug setzten sie per Schiff zum Kaukasus über.<br />
stellten – und anschließend Fahrkarten in den<br />
nächsten Verwaltungsbezirk organisierten,<br />
um die unliebsamen Wanderer möglichst<br />
schnell wieder loszuwerden. Und sie zeigen<br />
Fotos, die ganz und gar nicht zum Bild von<br />
der UdSSR als kommunistischem Paradies<br />
passten: verfallene Wohnhäuser, bettelnde<br />
Rentner, notdürftig zusammengeflickte<br />
Traktoren.<br />
„Wir trafen Menschen, mit denen wir sonst<br />
nie in Berührung gekommen wären“, erzählt<br />
Baikal-Segler Uwe Wirthwein, „und wir<br />
erfuhren von Dingen, die es laut offizieller<br />
Propaganda nicht geben durfte.“ Ein Großteil<br />
der UdF-Reisenden waren Bergsteiger und<br />
Abenteurer wie er. Mit Ausrüstung Marke<br />
„Eigenbau“ begaben sie sich auf halsbrecherische<br />
Touren. Sie schnitten Isomatten<br />
aus Fußboden-Isolierstoff zurecht, bogen<br />
Lkw-Blattfedern zu Eispickeln und nähten<br />
Schlafsäcke aus westlichen Katalogen nach.<br />
Sie verfassten sich selbst Delegierungsschreiben<br />
für sportliche Expeditionen und setzten<br />
farbige Fantasiestempel darunter. Unverfroren<br />
und mit im Zweifelsfall ahnungslosem<br />
Gesicht präsentiert, kam man damit, so<br />
schien es, überall hin. Die einen radelten<br />
3 000 Kilometer durch das schier unendliche<br />
Land und ließen sich vom Nationaltrainer<br />
der sowjetischen Friedensfahrtmannschaft<br />
eine gebrochene Achse reparieren. Andere<br />
waren zugegen, als ausgewählte Alpinisten<br />
der UdSSR den höchsten Kaukasus-Gipfel<br />
bestiegen, wurden für ihre hervorragenden<br />
Leistungen ausgezeichnet und vom Staatsfernsehen<br />
interviewt. „Wir wollten Ungewisses<br />
ausprobieren und Grenzen überschreiten“,<br />
sagt Uwe Wirthwein.<br />
Doch neben den Naturburschen gab es<br />
von Anfang an auch andere, die den Grenzübertritt<br />
politisch interpretierten und sich<br />
vor allem für die Menschen in der Sowjetunion<br />
interessierten. Der Philosophiestudent<br />
Ekkehard Maaß etwa, von der Universität<br />
verwiesen, weil er 1976 gegen die Ausbürgerung<br />
Wolf Biermanns protestiert hatte.<br />
Er reiste stets mit Gitarre, hatte Biermanns<br />
Texte ins Russische übersetzt und kannte<br />
die Lieder Bulat Okudschawas auswendig,<br />
jenes laut Stasi-Akten „stark pessimistischen<br />
und versteckt antisowjetischen Sängers“, der<br />
den Russen so viel bedeutete. Wohin er kam,<br />
suchte Maaß nach Dissidenten und kritischen<br />
Künstlern. Er fand Okudschawa auf seiner<br />
Datscha bei <strong>Moskau</strong>. In Tiflis ließ er sich von<br />
dem verfemten Regisseur Sergej Paradschanow<br />
bewirten, in Kirgisien traf er Tschingis<br />
Aitmatow, „den wir“, so Maaß, „wegen seiner<br />
gesellschaftskritischen Romane verehrten und<br />
wegen seiner Funktionärsreden verachteten“.<br />
Der offiziell linientreue Schriftsteller nahm<br />
ihn mit zu einer Familienfeier aufs Land,<br />
wo Maaß feststellte, „dass der Kommunist<br />
Aitmatow gleichzeitig ein Moslem war, der<br />
betete“.<br />
Diesen Widerspruch zwischen verordnetem<br />
Atheismus und der tiefen Religiösität vieler<br />
Menschen erlebte auch Gernot Friedrich. Der<br />
Thüringer Pfarrer reiste bis zur Wende etwa<br />
zwanzig Mal illegal gen Osten, um Bibeln zu<br />
deutschen Gemeinden zu schmuggeln. „Ich<br />
hatte meist nur einen Faltbeutel dabei“, erzählt<br />
er, „darin zwei Hemden, Schreibzeug sowie<br />
die Schmuggelware. Und in der Hosentasche<br />
ein Stück Seife.“ Das Sowjetsystem und die<br />
Menschen, die in ihm lebten, das erkannte<br />
Friedrich schnell, waren zwei vollkommen<br />
verschiedene Dinge: auf der einen Seite ein<br />
übermächtiger Geheimdienst und die Angst<br />
der Bewachten, sich als Wolgadeutsche<br />
oder gar als Christen zu erkennen zu geben.<br />
Auf der anderen Seite kaum ein Ort, an<br />
dem der Pfarrer kein Bett fand, obwohl die<br />
unangemeldete Aufnahme von Ausländern<br />
untersagt war.<br />
Hatte er keine Angst, bei seinen riskanten<br />
Reisen erwischt zu werden? „Ich war eigentlich<br />
recht unbekümmert und bin immer tapfer<br />
drauflos gefahren“, erinnert sich Friedrich.<br />
Von den Plänen der Staatssicherheit, ihn<br />
durch falsche medizinische Behandlung „physisch<br />
und psychisch zu zersetzen“, erfuhr er<br />
erst nach dem Ende der DDR. Ein Vierteljahr<br />
habe er gebraucht, um seine 3 000-seitige<br />
Akte zu durchforsten – und dabei immer<br />
wieder „mit Amüsement festgestellt, wie<br />
oft ich denen entwischt bin“. Der 74-jährige<br />
Pfarrer, der noch heute jeden zweiten Sommer<br />
nach Sibirien fährt, lacht: „Ich war ein<br />
richtiger Kleinunternehmer, ich habe an die<br />
20 Spitzel beschäftigt.“<br />
Diese vergnügte Unerschrockenheit ist<br />
es, die der UdF-Bewegung anhaftet und sie<br />
im Nachhinein so faszinierend macht – die<br />
mutige Bereitschaft junger Ostdeutscher,<br />
BLICKPUNKT<br />
<strong>03</strong><br />
Freiheit nicht zu fordern, sondern sich einfach<br />
zu nehmen. Es war eine „ganz und gar kampflose<br />
Gegnerschaft zum SED-Staat“, bringt es<br />
Michael Beleites, UdF-Reisender und späterer<br />
Beauftragter für die Stasi-Unterlagen in<br />
Sachsen, auf den Punkt. „Vielleicht wirkten<br />
die subversiven Nutzer des Transitvisums<br />
genau deswegen viel freier; sie erschienen<br />
vom Naturell der Funktionäre weiter entfernt<br />
als viele Dissidenten.“<br />
Übereinstimmend berichten Transitreisende,<br />
wie klein ihnen die DDR nach der Rückkehr<br />
erschien, wie viel weniger bedrohlich<br />
der politische Apparat plötzlich wirkte, wie<br />
sie mit den äußeren Grenzen auch innere<br />
überwanden. „Wenn man in Angst lebte,<br />
konnte dieses Land einen ersticken“, sagt<br />
die Dramaturgin Cornelia Klauß, die in der<br />
DDR mit Berufsverbot belegt wurde und die<br />
2006 einen Dokumentarfilm über die UdF-<br />
Bewegung drehte. Dabei sei vieles einfach<br />
nur kurios gewesen.<br />
Kurios war auch die Antwort aus Ostberlin,<br />
als sowjetische Behörden Mitte der<br />
80er Jahre darauf drängten, dem Strom der<br />
unerlaubt durch die UdSSR trampenden<br />
Rucksacktouristen Einhalt zu gebieten und<br />
die Transitregelung wieder abzuschaffen. Das<br />
sei unmöglich, hieß es aus dem Ministerium<br />
für Staatssicherheit, denn dann würde „neben<br />
den bereits bekannten Einschränkungen im<br />
privaten Reiseverkehr für Bürger der DDR<br />
noch eine weitere attraktive Reiseroute entfallen“.<br />
So war es am Ende die Stasi selbst, die<br />
sich für die UdF'ler einsetzte – obwohl diese<br />
sie permanent an der Nase herumführten.<br />
Li te r at u r t i p p s z u m We i te r l e s e n:<br />
Cornelia Klauß und Frank Böttcher (Hg.): Unerkannt<br />
durch Freundesland. Illegale Reisen durch das Sowjetreich,<br />
Lukas-Verlag 2011<br />
Jörg Kuhbandner und Jan Oelker (Hg.): Transit. Illegal<br />
durch die Weiten der Sowjetunion, Notschriften-Verlag<br />
2010<br />
Werden Sie fündig!<br />
Hier finden Sie die<br />
aktuelle Ausgabe<br />
der <strong>MDZ</strong>:<br />
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Deutsch-Russische Auslandshandelskammer, 1.<br />
Kasatschij Per., 7; LLC German Centre for Industry<br />
and Trade, Prospekt Andropova, 18, Korpus, 6;<br />
Fluglinie Aeroflot, Flughafen Scheremetjewo, 2<br />
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Per., 1/4; President Hotel, Bolschaja Jakimanka,<br />
24; Renaissance Hotel, Olim piskij Prospekt,<br />
18/1; Radisson Slawjanskaja, Bereschkowskaja<br />
Nab., 2; Art Hotel, 3. Peschtschanaja ul., 2;<br />
Swiss-Hotel Krasnyje Cholmy, Kosmodamianskaja<br />
Nab., 52; Baltschug-Kempinski, ul. Baltschug 1;<br />
Marriott Aurora, Petrowka, 11/20; Marriott Grand,<br />
Twerskaja, 26; Korston Hotel, Kossygina, 15; Holiday<br />
Inn, ul. Lesnaja, 15; Sheraton Palace Hotel,<br />
1. Twerskaja-Jamskaja, 19; Aquamarine Hotel,<br />
Oserkowskaja, 26; Renaissance Moscow Monarch<br />
Centre Hotel, Leningradskij Prospekt, 31a, Gebäude<br />
1; Savoy Hotel, ul. Roshdestwenka, 3/6,<br />
Gebäude, 1; Hilton Moscow Leningradskaja Hotel,<br />
ul. Kalanchewskaja, 21/40; Pekin, ul. Bolschaja<br />
Sadowaja, 5; Katerina City, Schluessowaja Nab., 6;<br />
Katerina Park, Kirowogradskaja, 11; East-West Hotel,<br />
Twerskoj Bulvar, 14; Lotte Hotel Moscow, Nowinskij<br />
Bulvar, 8, Gebäude 2; Golden Apple Hotel,<br />
ul. Malaja Dmitrowka, 11; Kassada-Plaza Hotel,<br />
ul. Mnewniki, 3, Gebäude 2; Borodino Business-<br />
Hotel, ul. Russakowskaja, 13, Gebäude 5; Kadaschewskaja,<br />
Kadaschewskaja Nab., 26; Mamaison<br />
All-Suites Spa Hotel Pokrovka Moscow, ul. Pokrowka<br />
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Business-Zentren<br />
Business-Center, Oserkowskaja nab., 50/1; Dukat<br />
Plaza 2, Gascheka, 7; Olimpique Plaza, Prospekt<br />
Mira, 33/1; Legion, Bolschaja Ordynka, 40; Proton,<br />
Nowozawodskaja ul., 22; World Trade Center,<br />
Krasnopresnenskaja Nab., 12; Business Center na<br />
Mochowoj, Mochowaja, 4/7, Gebäude 2; Business<br />
Center na Serebrjakowa, Pr. Serebrjakowa, 6;<br />
Business-Center, Nikitskij Per., 5; Business-Center,<br />
ul. Bachrushina, 32/1<br />
Cafés, Restaurants<br />
Coffee Bean, Ul. Pjatnitskaja, 5, Ul. Pokrowka, 18/3;<br />
ul. Sretenka, 22/1; Restaurant Deutsches Eck, Prospekt<br />
Wernadskogo, 1<strong>03</strong>; Restaurant WIRT, Plotnikow<br />
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Arbat, 15
04<br />
<strong>Moskau</strong>er<br />
WIRTSCHAFT<br />
Recht<br />
Kurz u n d Knapp<br />
Bussgelder<br />
bei fehlender<br />
Nachricht<br />
Die Regierung der Russischen Föderation<br />
hat einen Gesetzentwurf vorbereitet,<br />
der Änderungen in Bezug auf die<br />
Haftung für die Nichteinreichung der<br />
Benachrichtigung über die Eröffnung<br />
von Bankkonten im Ausland durch<br />
Ansässige bei den Steuerbehörden<br />
vorsieht. Es wird nun eine ordnungsrechtliche<br />
Belangung festgelegt. Vorgesehen<br />
sind folgende Bußgelder:<br />
4 000 bis 5 000 Rubel für natürliche<br />
Personen, 40 000 bis 50 000 Rubel<br />
für die verantwortlichen Personen<br />
einer juristischen Person sowie von<br />
800 000 bis zu einer Million Rubel für<br />
juristische Personen.<br />
Vollstreckung<br />
in verpfändetes<br />
Vermögen<br />
Der russische Präsident hat im Dezember<br />
2011 das Föderale Gesetz „Über<br />
die Einbringung von Änderungen in<br />
einzelne Gesetzgebungsakte der Russischen<br />
Föderation im Hinblick auf die<br />
Vervollkommnung der Vollstreckung<br />
in verpfändetes Vermögen“ unterzeichnet.<br />
Unter anderem hat das Gesetz eine<br />
Reihe von Änderungen in den ersten<br />
Teil des Zivilgesetzbuches der Russischen<br />
Föderation eingebracht, die<br />
das Recht der Parteien festlegen, im<br />
Pfandvertrag eine Regelung bezüglich<br />
der Vollstreckung auf Grundlage<br />
eines Gerichtsbeschlusses und/oder<br />
bezüglich der Möglichkeit einer außergerichtlichen<br />
Vollstreckung in das verpfändete<br />
Vermögen vorzusehen.<br />
Das Föderale Gesetz hat Änderungen<br />
in das Föderale Gesetz „Über die<br />
staatliche Registrierung von Rechten<br />
an und Geschäften mit Immobilienvermögen“<br />
eingebracht, die die Fristen<br />
der staatlichen Registrierung von<br />
Rechten an Immobilienvermögen und<br />
Geschäften damit verkürzen.<br />
Verhandlung<br />
vor zweiter<br />
instanz<br />
Seit 1. Januar ist in der Zivilprozessordnung<br />
der Russischen Föderation<br />
sowie in weiteren föderalen Gesetzen<br />
eine Möglichkeit vorgesehen, nicht<br />
rechtskräftig gewordene Beschlüsse<br />
vor einem Gericht der zweiten Instanz<br />
(Berufungsinstanz) anzufechten.<br />
Bislang war die Verhandlung von<br />
Sachen bei der Berufungsinstanz nur<br />
für Beschlüsse von Schiedsrichtern<br />
vorgesehen, nicht in Kraft getretene<br />
Beschlüsse der Gerichte der ersten<br />
Instanz wurden im Kassationsverfahren<br />
angefochten.<br />
Die Einführung einer vollwertigen<br />
Berufungsinstanz im Zivilprozessrecht<br />
betrifft auch andere Methoden<br />
zur Prüfung von Gerichtsakten. Im<br />
Aufsichtsverfahren können laut der<br />
neuen Fassung der Zivilprozessordnung<br />
der Russischen Föderation nur<br />
Sachen angefochten werden, welche<br />
bereits vor dem Obersten Gericht<br />
der Russischen Föderation bzw. im<br />
Berufungs- oder Kassationsverfahren<br />
verhandelt wurden.<br />
Dieser Infodienst wird unterstützt von<br />
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Branche in Hochspannung<br />
Herr Listowskij, Wladimir Putin fordert,<br />
die Elektroenergiebranche von<br />
allen Offshore-Mechanismen und<br />
Korruptionsgeschäften zu säubern.<br />
Steht der Branche jetzt eine Säuberungswelle<br />
bevor?<br />
Ich nehme diesen Auftritt als<br />
Teil der Wahlkampagne wahr.<br />
Er sollte demonstrieren, dass die<br />
Direktoren der größten Gesellschaften<br />
der Branche ihre eigenen<br />
Interessen allzu aktiv verfolgen,<br />
und dass neue Leute das alles<br />
korrigieren müssen. Sämtliche<br />
große Staatsunternehmen, darunter<br />
Rusgidro und Rosatom, müssen<br />
sich regelmäßigen Prüfungen<br />
des Rechnungshofs und anderer<br />
kontrollierender Organe unterziehen,<br />
die alle ihre Finanztransaktionen<br />
prüfen. Der Staat und<br />
Rechtsschutzorgane haben also<br />
alle Informationen über die Arbeit<br />
der Staatsunternehmen. Deshalb<br />
klingt es befremdlich, wenn es<br />
heißt: Die Unternehmen sollen<br />
noch stärker kontrolliert werden.<br />
Aber den gemeinen Bürgern tut<br />
es gut, wieder einmal zu hören,<br />
dass die Regierung die Korruption<br />
entschlossen bekämpfen will.<br />
Dem Ministerpräsidentem ist vor<br />
allem die mangelnde Transparenz<br />
in den Unternehmen ein Dorn im<br />
Auge. Er hat das als groben Fehler<br />
der Reformen der Elektroenergetik,<br />
die von Anatolij Tschubais umgesetzt<br />
wurden, ausgemacht.<br />
Die Klage über die fehlende Transparenz<br />
ist ein weiterer Bluff, da<br />
die normativen und regulierenden<br />
Materialien von der Regierung oder<br />
ihren Agenturen herausgegeben<br />
werden. Es gibt dafür das föderale<br />
Tarifamt, das Energieministerium<br />
und das Ministerium für regionale<br />
Entwicklung, die die Arbeit der Vertriebsgesellschaften<br />
regulieren.<br />
Die Reformen im Energiesektor wurden<br />
lange und gründlich durchgeführt.<br />
Wo bestehen Risiken und<br />
Lücken?<br />
Anatolij Tschubajs war darum<br />
bemüht, die Stromerzeuger davon<br />
abzuhalten, einen totalen Einfluss<br />
auf die Preisbildung auszuüben.<br />
Heute allerdings begünstigt der<br />
Staat durch Fusionen größerer<br />
Energiegesellschaften das Entstehen<br />
neuer Riesen wie Gasprom,<br />
die eine unzulässige Marktstellung<br />
innehaben können. Solch ein<br />
Rückschritt geht Hand in Hand<br />
mit der Verstärkung der Rolle des<br />
Staates im Energiesektor.<br />
Ist Putins Auftritt als Fanal für Säuberungen<br />
in Staatsholdings anderer<br />
Branchen zu werten?<br />
In Russland gibt es drei Branchen,<br />
die riesige Geldströme erzeugen:<br />
die Öl- und Gasbranche sowie die<br />
Elektroenergetik. Die Gasbranche<br />
ist in der Hand von Gasprom. Im<br />
Unterschied zum Erdöl- und Gasmarkt<br />
ist dank Tschubajs die Elektroenergetik<br />
kein Quasi-Markt,<br />
Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
Besonders im elektroenergetischen Sektor soll 2012 die Korruption bekämpft werden<br />
Anfang Januar verkündete Präsident Medwedew die Gründung einer<br />
Sondergruppe für die Bekämpfung von Finanzkriminalität. Zugleich<br />
schlug Sergej Stepaschin, Chef des Rechnungshofes, Alarm: Noch nie<br />
sei so viel öffentliches Geld fehlgelenkt worden wie 2011. Bereits Ende<br />
Dezember hatte Ministerpräsident Wladimir Putin während einer Sitzung<br />
der Regierungskommission für die Entwicklung der Elektroenergetik<br />
im sibirischen Sajano-Schuschenskaja-Wasserkraftwerk befunden,<br />
die Leiter der russischen Energiegesellschaften seien „wie von der Leine<br />
gelassen“. Die Korruption im elektroenergetischen Sektor Russlands<br />
habe präzedenzlose Maßstäbe erreicht, fast jeder zweite Leiter in dieser<br />
Branche sei mit kommerziellen Strukturen verbunden. Andrej Listowskij,<br />
Direktor des Fonds für energetische Entwicklung, erläutert gegenüber<br />
der <strong>MDZ</strong> die wirtschaftspolitischen Hintergründe dieser Aussagen des<br />
Ministerpräsidenten.<br />
Nichts zu verbergen<br />
Wladimir Putin am 19. Dezember 2011 auf der Talsperre des Sajano-Schuschinskaja-Kraftwerks.<br />
Vor allem das von Rosatom im<br />
November organisierte Forum<br />
„Atomex 2011“ dürfte für die gute<br />
Bewertung der Unternehmensgruppe<br />
gesorgt haben. Rosatom<br />
lud seine Geschäftspartner ein und<br />
legte ihnen akribisch alle geplanten<br />
Neuerungen und Ausschreibungen<br />
dar. Der mediale Höhepunkt waren<br />
Online-Übertragungen der Sitzungen<br />
der verschiedenen Kommissionen,<br />
während deren die<br />
Briefumschläge mit den Angebo-<br />
Von Jochen Stappenbeck<br />
ten der Zulieferer geöffnet wurden.<br />
Dadurch konnten alle Konferenzteilnehmer<br />
den Mitarbeitern live<br />
auf die Finger schauen. In diesem<br />
Jahr ist nach eigenen Angaben der<br />
Start eines Projektes zur Einführung<br />
eines Vertragsregisters auf<br />
der Website von Rosatom geplant.<br />
Das Staatsunternehmen will nach<br />
eigenen Angaben dadurch das Einkaufs-<br />
und Ausschreibungssystem<br />
standardisieren, um das Risiko der<br />
Korruption zu verringern.<br />
Den zweiten Platz nimmt das<br />
Stromunternehmen „Inter RAO<br />
EES“ ein. „Das Unternehmen ist<br />
sehr darum bemüht, die informationelle<br />
Transparenz zu erhöhen,<br />
und verbessert ständig das System<br />
der Firmenleitung und der Bereitstellung<br />
von Informationen“, heißt<br />
es im Memorandum der Rating-<br />
Ersteller. Die Bronzemedaille geht<br />
an den Ölfördergiganten Rosneft.<br />
Als dessen strategische Priorität<br />
wurde das Beachten der modernen<br />
russischen und internationalen<br />
Anforderungen auf dem Gebiet der<br />
Transparenz genannt. Drei weitere<br />
Ölförderer schafften es in die Top<br />
Ten: Neben Gasprom Neft und<br />
Transneft ist das TNK-BP. Das<br />
Unternehmen zeichnete sich durch<br />
innerhalb dessen man also leicht<br />
Geschäftsstrukturen aufbauen<br />
kann, von denen Putin gesprochen<br />
hat. Dazu ist die Elektroenergetik<br />
ein Thema, über die sich<br />
die Präsidentschaftskandidaten<br />
in ihren Wahlprogrammen noch<br />
nicht geäußert haben.<br />
Welche Folgen sind dann zu erwarten?<br />
Putin nannte sogar konkrete<br />
Namen führender „Clans“ in ganz<br />
Russland, die er krimineller Verwicklungen<br />
verdächtigt. Werden jetzt<br />
Köpfe rollen?<br />
Unter den Genannten gibt es<br />
eine Handvoll, die ihre Unternehmen<br />
schon mehrere Jahrzehnte<br />
führen und somit ihre familiären<br />
Beziehungen optimal eingesetzt<br />
haben. Sie sind nun gut beraten,<br />
ihre Koffer zu packen, um für<br />
eine neue Mannschaft Platz zu<br />
machen. Die entsprechende Einwirkung<br />
wird wohl eher auf subtile<br />
Weise geleistet werden. Aber<br />
das Signal ist klar: Die alte Garde<br />
hat ausdient, sie wird durch eine<br />
neue ersetzt werden. Dabei können<br />
auch strafrechtliche Verfolgungen<br />
als Mittel herangezogen<br />
werden, wenn es denjenigen von<br />
Vorteil erscheint, die die Nutznießer<br />
der Umgestaltung sein<br />
werden. Obwohl alle schon lange<br />
in der Branche tätig sind und<br />
bereits alles übereinander wissen.<br />
Bislang hat vor allem Präsident<br />
Medwedew auf die Karte des obersten<br />
Bekämpfers der Korruption<br />
gesetzt. Warum tritt jetzt Putin in<br />
seine Fußstapfen und nennt konkrete<br />
Tatsachen und Verdächtige?<br />
Die Lautstärke des Signals ist<br />
für die Wähler höher, als das bei<br />
ähnlichen Schlussfolgerungen der<br />
Fall ist wie etwa durch den Rechnungshof,<br />
der das vergangene<br />
Jahr als das Jahr mit den größten<br />
fehlgeleiteten Summen aus den<br />
Staatskassen brandmarkte. Allein<br />
2011 wurden mehr Gelder unterschlagen<br />
als im ganzen vorhergegangenen<br />
Jahrzehnt.<br />
Medwedew hat auch gleich reagiert<br />
und ein neues Amt geschaffen,<br />
das alle Finanzströme kontrollieren<br />
soll. Wäre es tatsächlich sinnvoll,<br />
dem russischen Kapital den Weg in<br />
die Steueroasen zu versperren oder<br />
wenigstens zu erschweren?<br />
Wo es ein Monopol gibt und<br />
Undurchsichtigkeit bei Entscheidungsprozessen,<br />
da blüht die Korruption.<br />
Das muss systematisch<br />
bekämpft werden. Wenn solche<br />
außerplanmäßigen Kontrollen<br />
wie die von Putin durchgeführt<br />
werden und konkrete Ergebnisse<br />
bringen, wird es ein systematischer<br />
Kampf. Wenn sich diese<br />
Aktionen auf die Wahlkampfperioden<br />
beschränken, wird er keinen<br />
Einfluss auf die Probleme der<br />
Branche haben.<br />
Die Fragen stellte<br />
Jochen Stappenbeck.<br />
Im Transparenz-Rating erklimmt die Staatsholding Rosatom den ersten Platz<br />
Die Agentur für politische und ökonomische Kommunikation liefert in<br />
ihrem Mitte Januar publizierten Rating der geschäftlichen Transparenz<br />
ein Bild, das zu dem von Wladimir Putin gezeichneten Szenario Kontraste<br />
aufweist. Auf den führenden Rängen finden sich einige große<br />
Staatsholdings aus dem Energiebereich wieder.<br />
den aktiven Dialog aus, den es mit<br />
seinen Partnern pflegt. Gelobt werden<br />
im Rating, das aus Befragung<br />
von Experten entstand, weiterhin<br />
die Unternehmen AFK Sistema<br />
und Rusgidro. Den Betreiber von<br />
Wasserkraftwerken hatte Wladimir<br />
Putin im Dezember besonders kritisiert:<br />
„Das System verdächtiger<br />
grenzüberschreitender Operationen<br />
mit Wechseln und Darlehen<br />
ist auch für OAO Rusgidro<br />
eine gewöhnliche Praxis geworden“,<br />
unterstrich der Premier. Der<br />
Geschäftsführer der Rating-Agentur<br />
Dmitrij Orlow sagte gegenüber<br />
dem Nachrichtenportal Wsgljad.<br />
ru, der Auftritt Putins habe das<br />
Transparenz-Rating nicht beeinflusst.<br />
RIA Nowosti
<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
WIRTSCHAFT<br />
05<br />
Grünes Licht für South Stream<br />
Russland und die Türkei treiben den Pipelinebau voran<br />
Im Schatten des Jahreswechsels finden oft unmerkliche, aber Weichen stellende Ereignisse<br />
statt. Als ein solches kann die Unterzeichnung des Übereinkommens zum Bau der South<br />
Stream-Erdgasleitung durch das Schwarze Meer gelten, die kurz vor Jahresende 2011<br />
von Russland und der Türkei vorgenommen wurde. Zuvor hatten sich die Regierungen der<br />
Türkei und Aserbaidschans auf den Bau einer Erdgasleitung von den Fördergebieten am<br />
Kaspischen Meer quer durch die anatolische Halbinsel verständigt. Dies dürfte erhebliche<br />
Konsequenzen für die diversen Pipeline-Projekte im Südosten Europas haben, vor allem für<br />
das Nabucco-Projekt. Seit der Inbetriebnahme der NordStream-Pipeline im letzten Herbst<br />
war der Süden im Zugzwang.<br />
Voraussichtlich 2017 wird der zweite<br />
Abschnitt des Erdgasfeldes Shah Deniz<br />
vor der Küste Aserbaidschans seine Produktion<br />
aufnehmen. Bis dahin muss der<br />
Weg des Gases zu den Abnehmermärkten<br />
klar sein, will die Kaukasus-Republik<br />
von den zusätzlichen Exporteinnahmen<br />
profitieren. Die wichtigsten potenziellen<br />
Kunden sitzen in Europa. Das bekannteste<br />
Transportvorhaben ist die seit mehreren<br />
Jahren geplante Pipeline Nabucco, ein<br />
gemeinsam von Energieunternehmen aus<br />
Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien<br />
und der Türkei angestoßenes Projekt, an<br />
dem seit 20<strong>08</strong> auch RWE beteiligt ist. Die<br />
Leitung soll vor allem helfen, die Abhängigkeit<br />
von Russland bei der Versorgung<br />
mit Energierohstoffen zu verringern. Für<br />
die verlässliche Füllung der Pipeline mit<br />
einer geplanten Kapazität von 31 Milliarden<br />
Kubikmetern im Jahr wären neben<br />
Aserbaidschan aber nach herrschender<br />
Meinung noch weitere Herkunftsländer<br />
mit ins Boot zu holen. Gedacht ist dabei<br />
zunächst vor allem an Turkmenistan, das<br />
über Lieferverträge allerdings bereits stark<br />
an China und Russland gebunden ist, und<br />
Kasachstan. Aus technischen und politischen<br />
Gründen erscheint die Einspeisung<br />
von Gas aus dem Irak und Iran momentan<br />
schwierig.<br />
Russland treibt unterdessen mit dem<br />
South Stream-Projekt eine eigene Leitung<br />
in den Südosten Europas voran, die über<br />
den Grund des Schwarzen Meeres verlaufen<br />
soll. Alternativ könnte Erdgas aus der<br />
Kaspiregion auch diesen Weg nehmen.<br />
Erschwerend für eine rasche Umsetzung<br />
von Nabucco waren in den vergangenen<br />
Jahren neben der Sicherung der Finanzierung<br />
die unterschiedlichen Vorstellungen<br />
der Beteiligten über den Charakter der<br />
Unternehmung. Während Aserbaidschan<br />
auf der Suche nach konkreten Abnahmeverträgen<br />
für sein Erdgas war, verstand<br />
sich das Nabucco-Konsortium eher als<br />
Transportkorridor zwischen den Produzenten<br />
und den Abnehmern in Europa,<br />
nicht aber als Käufer. Die Türkei strebte<br />
die Position des Zwischenhändlers an –<br />
eine wenig attraktive Option für die ande-<br />
Von Marcus Knupp (gtai)<br />
ren Akteure, wegen des großen Anteils der<br />
Strecke über türkisches Territorium aber<br />
auch nicht einfach vom Tisch zu wischen.<br />
Unterdessen tauchten mit dem Interconnector<br />
Turkey-Greece-Italy (ITGE) und<br />
der Trans-Adriatic-Pipeline (TAP, unter<br />
anderem unter Beteiligung von Eon-Ruhrgas),<br />
zwei alternative Pipeline-Pläne für<br />
den Transport des Rohstoffes von der<br />
türkischen Grenze nach Mitteleuropa<br />
auf. Statt durch die Balkan-Länder zielen<br />
sie auf eine Route durch Italien. Ob die<br />
Vorhaben eher komplementär oder konkurrierend<br />
zu Nabucco sind, wird unterschiedlich<br />
beurteilt. Die Frage ist letztlich,<br />
wie viel Gas aus welchen Quellen zur<br />
Verfügung steht.<br />
Die beiden Übereinkommen der letzten<br />
Dezemberwoche 2011 mischen die Karten<br />
nun neu. Mit 16 Milliarden Kubikmetern<br />
im Jahr ist die Kapazität der von Aserbaidschan<br />
und der Türkei geplanten Pipeline<br />
zu groß, um daneben noch die Nabucco-<br />
Leitung zu füllen. Übergabepunkt für den<br />
Transport des Erdgases nach Mitteleuropa<br />
wäre nach Bau der neuen Leitung demnach<br />
nicht mehr die aserbaidschanische<br />
oder georgische, sondern die türkischbulgarische<br />
Grenze. Auch das russische<br />
Pipeline-Projekt South Stream erreicht<br />
in Bulgarien Südosteuropa. Wegen der<br />
Umgehung der exklusiven Wirtschaftszone<br />
der Ukraine verläuft die geplante<br />
Route über jene der Türkei, die daher<br />
dem Vorhaben zustimmen musste. In der<br />
Endphase soll South Stream bis zu 63 Milliarden<br />
Kubikmeter Gas im Jahr befördern<br />
können.<br />
Bei einer Verwirklichung der beiden<br />
Projekte stellt sich nunmehr im Wesentlichen<br />
die Frage der Weiterleitung ab<br />
Bulgarien. Gasprom, Initiator der South<br />
Stream-Leitung, sieht in seinen Planungen<br />
eine Gabelung vor: Ein Zweig soll durch<br />
Serbien, Ungarn und Österreich Mitteleuropa<br />
erreichen, der andere über Griechenland<br />
und Italien. Partnerunternehmen von<br />
Gasprom bei dem Vorhaben sind die Eni<br />
(Italien), EdF (Frankreich) und Wintershall<br />
(Deutschland). Die Fertigstellung ist für<br />
2015 geplant.<br />
Die Kraft der Mitte<br />
Die Konsumfreude der Mittelschicht stützt den Markt<br />
ussisches<br />
R parkett<br />
Das „Jahr der Wahrheit“ sollte 2011 für den<br />
russischen Aktienmarkt werden, so lautete<br />
die Prognose der <strong>MDZ</strong> vor einem Jahr. Zur<br />
vollen Wahrheit mag es nicht ganz gereicht<br />
haben, aber ein Jahr der Prüfungen wurde<br />
es allemal – und zwar für die Märkte weltweit.<br />
Nun wollen sich die Analysten ungern<br />
zu weit aus dem Fenster lehnen: Für 2012<br />
überwiegt die Rückbesinnung auf die Triebkräfte<br />
längerfristigen Wachstums.<br />
Von Jegor Kisseljow<br />
Den auf längere Sicht stärksten Rückhalt<br />
erfährt die russische Wirtschaft durch<br />
die wachsende Mittelschicht. Denn mit<br />
ihr wächst auch der Konsum. Eine der<br />
im globalen Vergleich geringsten privaten<br />
Verschuldungen, kombiniert mit einer<br />
relativ niedrigen Einkommenssteuer (13<br />
Prozent), erlaubt den Russen, auf über 80<br />
Prozent ihres monatlichen Einkommens<br />
zuzugreifen. Es ist logisch, dass ein großer<br />
Anteil davon für Gebrauchsgüter ausgegeben<br />
wird. Auch die demographische<br />
Entwicklung begünstigt den Konsum. Der<br />
Bevölkerungsanteil der Mittelschicht in<br />
Russland dürfte sich in der kommenden<br />
Dekade von 25 auf 50 Prozent verdoppeln.<br />
Der bevorstehende Beitritt zur WTO wird<br />
durch den Zwang zu höherer Effizienz<br />
dem Wirtschaftswachstum förderlich sein.<br />
Ein großes Wachstumspotenzial besteht<br />
für Russland in der Annäherung an die<br />
asiatischen Märkte und speziell China.<br />
Da China einen enormen Bedarf an fossilen<br />
Ressourcen aufweist, wird es sich im<br />
Gegenzug immer mehr als Finanzier für die<br />
dringend benötigten Modernisierungsprojekte<br />
in der russischen Wirtschaft anbieten.<br />
2010 hat China Deutschland als größten<br />
Handelspartner überrundet. Für die kommenden<br />
Jahrzehnte sind vor allem für die<br />
Entwicklung der russischen Infrastruktur<br />
große Ziele avisiert. So sollen bis 2<strong>03</strong>0<br />
eine halbe Million Kilometer neue Straßen<br />
gebaut und 21 000 Kilometer Schienen verlegt<br />
werden. Die sportlichen Prestigeprojekte<br />
ab 2014 bieten zusätzliche Anreize für<br />
Investoren.<br />
Mittelfristig blicken die Marktteilnehmer<br />
mit gemischten Gefühlen auf eine instabile<br />
Weltwirtschaft. Da im Nahen Osten<br />
die politischen Spannungen steigen, sollte<br />
dies jedoch zu einer relativen Stabilität am<br />
Jegor Kisseljow ist Analyst bei der Bank<br />
TK BNP Paribas in St. Petersburg.<br />
russischen Markt führen – aufgrund des<br />
Ölpreises, der sich über 100 US-Dollar pro<br />
Barrel halten dürfte. Russland ist 2012 besser<br />
auf globale Erschütterungen vorbereitet<br />
als 20<strong>08</strong>. Die Geldpolitik ist flexibel und der<br />
private Sektor ist geringer verschuldet.<br />
Die Eurokrise hat nur einen geringen<br />
Einfluss auf die Handelsbeziehungen, denn<br />
die meisten Exportgüter aus Russland sind<br />
Rohstoffe, deren Preise global festgelegt<br />
werden.<br />
Dennoch wird die russische Börse verletzlich<br />
und schwankungsfreudig bleiben. Deshalb<br />
ist Stock-Picking empfohlen. Unsere<br />
Favoriten sind:<br />
TNK BP. Zum einen ist es die üppige<br />
Dividende, zum anderen die Steuerreform,<br />
die die Aktie attraktiv machen. Außerdem<br />
besticht das Unternehmen durch hohe Effizienz<br />
und eine voraussehende Beteiligung<br />
an solchen Projekten wie Yamal und East<br />
Siberia.<br />
Surgutneftegas weist neben einer hohen<br />
Dividende enorme Währungsreserven und<br />
finanzielle Beteiligungen auf. Die Steuerreform<br />
im Ölsektor kommt dem Unternehmen<br />
zugute, da es wie TNK nur rund ein<br />
Drittel des geförderten Öls raffiniert.<br />
Rusagro sollte seine Einnahmen dank<br />
eines steigenden Zuckerpreises merklich<br />
anheben können. Außerdem erhöht das<br />
Unternehmen seine Schweineproduktion<br />
um das Zweieinhalbfache: von 60 000 Tonnen<br />
2011 bis zu 150 000 Tonnen im Jahr<br />
2013.<br />
E.on Russia erhofft sich für 2012 einen<br />
Gewinnzuwachs von 40 Prozent pro Aktie.<br />
Die großen Investitionsprogramme kommen<br />
zum Abschluss. Nun ist das Unternehmen<br />
mit seinen Kraftwerken auf dem<br />
regionalen Markt sehr gut aufgestellt.<br />
Uns ist kein Weg zu weit –<br />
auch nicht zu Ihnen nach<br />
Hause oder ins Büro!<br />
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Russland
06<br />
<strong>Moskau</strong>er<br />
MARKTPLATZ<br />
Herr Scholz, je schwieriger das<br />
Umfeld, desto mehr Beratung braucht<br />
ein Unternehmen. Trauern Sie nicht<br />
vielleicht den 90er Jahren nach, als<br />
eine Art Wild-West-Kapitalismus in<br />
Russland Einzug hielt?<br />
Wir begleiten deutsche Unternehmen<br />
dorthin, wo sie Chancen<br />
für sich sehen. Je ruhiger es läuft,<br />
desto besser für unsere Mandanten.<br />
Wir leben lieber davon, dass sie gar<br />
nicht erst in die Bredouille geraten,<br />
als dass wir ihnen aus dem Schlamassel<br />
helfen müssen.<br />
Die Russen verbinden mit dem ersten<br />
Jahrzehnt nach dem Untergang der<br />
Sowjetunion Goldgräberstimmung,<br />
aber auch eine weitgehende Gesetzlosigkeit.<br />
Kursieren in Ihrem Haus<br />
Legenden aus jenen Tagen?<br />
Es gibt schon Geschichten, die<br />
erlebt man heute nicht mehr. Wenn<br />
hier früher Unternehmen zum<br />
Kauf standen, da hat man teilweise<br />
die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.<br />
Auch die Zeiten<br />
ausschließlich schwarzer Kassen<br />
sind vorbei. Vieles ist inzwischen<br />
von mehr Ordnung gekennzeichnet,<br />
durchdachter, normaler und<br />
damit unspektakulärer.<br />
Geben Sie uns ein Beispiel für einen<br />
typischen Problemfall jener Anfangsjahre?<br />
Joint Ventures. Die russischen<br />
Partner waren ganz auf den schnellen<br />
Profit aus. Das vertrug sich<br />
schlecht mit der eher langfristigen<br />
Orientierung eines deutschen Mittelständlers.<br />
Deshalb war Konfrontation<br />
in diesen Gemeinschaftsunternehmen<br />
oft vorprogrammiert.<br />
Irgendwann hat beim Wort Joint<br />
Venture jeder nur noch das Gesicht<br />
verzogen. Heute ist das Modell<br />
wieder besser gelitten. Einerseits<br />
hat sich die geschäftliche Mentalität<br />
gewandelt, andererseits wurden<br />
große Fortschritte bei der Rechtssicherheit<br />
erzielt. Und in strategischen<br />
Bereichen wie etwa beim<br />
Flugzeugbau führt an Joint Ventures<br />
ohnehin kein Weg vorbei.<br />
Wo hat Rödl & Partner mit seinen<br />
Wurzeln in den geordneten westlichen<br />
Verhältnissen das Know-how<br />
für ein Russland hergenommen, das<br />
so unberechenbar war?<br />
Gewisse Erfahrungen beim Übergang<br />
von der Plan- zur Marktwirtschaft<br />
haben die Kollegen gleich<br />
nach der Wende bereits in den<br />
neuen Bundesländern gesammelt,<br />
in Tschechien und in Polen. Und<br />
was ganz wichtig ist: Wir beschäftigen<br />
an unseren Standorten nicht<br />
nur deutsche, sondern zum größten<br />
Teil einheimische Mitarbeiter.<br />
Die sind mit den Bedingungen vor<br />
Ort vertraut. Das bedeutet allerdings,<br />
dass auch bei uns intern<br />
zwei Welten aufeinandergeprallt<br />
sind. Aber das hat sich mit der Zeit<br />
wesentlich entschärft.<br />
Sie sind selbst ein Kind der DDR. Ist<br />
das ein Vorteil für das Verständnis der<br />
Vorgänge im einstigen Bruderland?<br />
Die DDR war schon anders als<br />
die Sowjetunion. Aber wir kannten<br />
immerhin vieles, worüber sich<br />
Russen heute noch unterhalten:<br />
Filmszenen, Dialoge, die zitiert<br />
werden. Dass das ausreicht, besser<br />
zu sein, dass die „Gnade der östlichen<br />
Geburt“ per se erfolgreicher<br />
macht, würde ich bezweifeln. Vielleicht<br />
findet man eher Zugang zu<br />
gewissen Dingen. Aber es gibt auch<br />
eine Menge Leute aus dem Osten,<br />
die hier scheitern, manchmal deshalb,<br />
weil sie sich nie so richtig mit<br />
dem neuen Denken anfreunden<br />
konnten. Das ist also kein Automatismus.<br />
Wie sehr hat sich das Russlandgeschäft<br />
der Deutschen mit der Zeit<br />
gewandelt?<br />
Der Fokus war bei den Unternehmen<br />
anfangs viel stärker auf den<br />
Verkauf, den Vertrieb ausgerichtet.<br />
Damals hat kaum jemand daran<br />
gedacht, hier auch zu produzieren.<br />
Aber der Markt ist schnell gewachsen,<br />
heute spannt sich ein Netz von<br />
Niederlassungen ausländischer<br />
Firmen über das ganze Land und<br />
die Lokalisierung der Produktion<br />
spielt eine immer größere Rolle.<br />
Wie attraktiv ist Russland aus Ihrer<br />
Sicht inzwischen für ausländische<br />
Investoren?<br />
Es hat sich alles verbessert, von<br />
den Rahmenbedingungen bis zur<br />
Unternehmenskultur. Das muss<br />
man auch mal positiv würdigen.<br />
Die Geschichte dieses Landes ist<br />
ja noch nicht sehr lang. Trotzdem<br />
sieht man deutliche Fortschritte.<br />
Die Gesetzeslage ist in weiten Teilen<br />
modern und überschaubar,<br />
das Steuerrecht so schlank, wie es<br />
auch in Deutschland zu wünschen<br />
wäre und immer wieder gepredigt<br />
wird. Die Schwierigkeiten<br />
beginnen dann, wenn man auf die<br />
Verwaltung trifft, also bei der tatsächlichen<br />
Umsetzung. So beißen<br />
sich Anspruch und Wirklichkeit.<br />
Hier der moderne Staat, was die<br />
Gesetzeslage anbetrifft, dort die<br />
Bürokratie, die das konterkariert.<br />
Solange sich da nichts ändert, hat<br />
eine echte Modernisierung keine<br />
Chance.<br />
Stichwort Korruption.<br />
Man kann zumindest als ausländischer<br />
Unternehmer in<br />
Russland seine Geschäfte auch<br />
ohne Schmiergeld tätigen. Wer<br />
behauptet, man müsse bestechen,<br />
der schafft ein völlig falsches Bild.<br />
Als Ausländer kann man immer<br />
sagen: „Wir machen so etwas nicht.“<br />
Dem Beamten wird das schnell zu<br />
mühsam. Ehe er sich mit einem<br />
Ausländer abplagt, hat er schon<br />
drei andere abkassiert.<br />
Außer in <strong>Moskau</strong> und St. Petersburg<br />
unterhält Ihr Unternehmen neuerdings<br />
auch Büros in Sotschi und<br />
Kaluga. Was hat dazu den Ausschlag<br />
gegeben?<br />
Das sind zwei ganz unterschiedliche<br />
Standorte. Sotschi ist sehr<br />
stark mit dem Projektgeschäft<br />
im Hinblick auf die Olympischen<br />
Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
„In Russland beißen sich Anspruch und Wirklichkeit“<br />
20 Jahre Rödl & Partner in <strong>Moskau</strong>: Niederlassungsleiter André Scholz blickt zurück – und nach vorn<br />
Das postsowjetische Russland hat wirtschaftlich einen langen Weg<br />
hinter sich: von der chaotischen Privatisierung der 90er Jahre über die<br />
Zockerzeit vor dem ersten Börsencrash bis hin zur Abzahlung der Auslandsschulden<br />
und dem de facto besiegelten WTO-Beitritt. Alle Höhen<br />
und Tiefen miterlebt haben die Berater von Rödl & Partner. Das deutsche<br />
Unternehmen eröffnete 1992 in <strong>Moskau</strong> sein erstes von heute vier<br />
Büros in Russland. 20 Jahre später sprach André Scholz (42), Managing<br />
Partner für Russland und die GUS, am Firmensitz im Businesszentrum<br />
„LeFort“ mit der <strong>MDZ</strong> über die Krux der Joint Ventures, Russlands<br />
„halbe“ Moderne und die Hassliebe zu <strong>Moskau</strong>.<br />
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André Scholz von Rödl & Partner. Wenn es in Russland heiß hergeht,<br />
heißt es Ruhe zu bewahren.<br />
Winterspiele 2014 verbunden, bei<br />
dem man auf westliches Knowhow<br />
zurückgreifen muss. Nach<br />
diesem Großereignis wird das<br />
Interesse der internationalen<br />
Wirtschaft spürbar nachlassen,<br />
weil Sotschi fast ausschließlich in<br />
touristischer Hinsicht attraktiv ist.<br />
Bei Kaluga reden wir von Industrie,<br />
von Produktion und Handel.<br />
Das ist einer der Musterstandorte<br />
in Russland, an dem sich andere<br />
ein Beispiel nehmen können. Wo<br />
die Verwaltung so funktioniert,<br />
dass sich Unternehmen willkommen<br />
fühlen. Wo man verstanden<br />
hat, was Investoren wollen.<br />
In dieser Region ist eine Vielzahl<br />
unserer Mandanten aktiv. Deshalb<br />
haben auch wir eine Fi liale<br />
eröffnet.<br />
Zur Person<br />
Welche Pläne hat Rödl & Partner<br />
in Russland für 2012 und darüber<br />
hinaus?<br />
Unsere Mandanten gehen verstärkt<br />
in die Regionen. Und wir gehen<br />
mit. Es ist geplant, unsere Präsenz<br />
territorial weiter auszudehnen.<br />
<strong>Moskau</strong> ist eine Stadt der tausend<br />
Möglichkeiten, aber auch der langen<br />
Wege, des Lärms, der Staus. Wie wohl<br />
fühlen Sie sich persönlich hier?<br />
Ich habe noch niemanden getroffen,<br />
der sich in <strong>Moskau</strong> rundum<br />
wohl fühlt. Die Mehrheit derer,<br />
die länger hier sind, pflegt eine<br />
Hassliebe zu dieser Stadt. <strong>Moskau</strong><br />
bietet sehr viel. Man führt ein<br />
intensives, schnelles Leben hier,<br />
knüpft jede Menge Kontakte. Zu<br />
den Schattenseiten gehört, dass<br />
es schwierig ist, mal einfach in<br />
die Natur rauszufahren. Dass Preis<br />
und Leistung in einem Missverhältnis<br />
stehen und von Service oft<br />
keine Rede sein kann. Dass vieles<br />
mühselig ist. Ich bin die ersten fünf<br />
Jahre allein Auto gefahren. Seitdem<br />
lasse ich mich fahren. So bin<br />
Zu André Scholz schauen nicht nur seine Angestellten auf. Der Mann<br />
ist 2,10 Meter groß. Als Jugendlicher spielte er Volleyball beim TSC<br />
Berlin und für die DDR-Junioren-Nationalmannschaft, hätte auch<br />
Leistungssportler bleiben können, . Doch mit 20 hörte Scholz 1989 auf.<br />
„Das war auch rückblickend richtig so“, sagt er heute. „Volleyball – das<br />
hieß zweimal Training am Tag, sieben Tage die Woche. Aber für mich gab<br />
es auch noch andere Sachen. Ich wollte studieren, einen Beruf ergreifen.“<br />
Seinen Job in <strong>Moskau</strong> hat der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater 20<strong>03</strong><br />
angetreten. Mit seiner Familie wohnt Scholz im „Deutschen Dorf“ am<br />
Wernadskogo-Prospekt.<br />
Das <strong>Moskau</strong>er Businesszentrum<br />
„LeFort“. Hier gehört Rödl &<br />
Partner mit 1 600 Quadratmetern<br />
Bürofläche zu den größten<br />
Mietern.<br />
LeFort<br />
ich unter Umständen sogar früher<br />
zu Hause und habe länger gearbeitet.<br />
Das ist ein riesiger Gewinn an<br />
Arbeitszeit und an Lebensqualität.<br />
Kann ich nur empfehlen.<br />
Das Interview führte Tino Künzel.<br />
Über den Osten<br />
in den Westen<br />
Rödl & Partner ist eines der<br />
größten deutschen Prüfungsund<br />
Beratungsunternehmen.<br />
Das Leistungsspektrum umfasst<br />
Wirtschaftsprüfung, Steuer-, Rechtsund<br />
Unternehmensberatung. 1977<br />
in Nürnberg als Ein-Mann-Kanzlei<br />
gegründet, wurde die Firma<br />
nach dem politischen Umbruch<br />
in Osteuropa auch international<br />
tätig und eröffnete ihr erstes<br />
Auslandsbüro in Prag. <strong>Moskau</strong> folgte<br />
1992. Heute hat Rödl & Partner<br />
weltweit rund 3 000 Mitarbeiter und<br />
ist an über 80 Standorten vertreten.<br />
„Das starke Geschäftsinteresse der<br />
deutschen Wirtschaft im Osten<br />
hat unser Wachstum im Westen<br />
finanziert“, sagt André Scholz.<br />
Martin von den Driesch
<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
So klug als wie zuvor<br />
Viele Uniabsolventen wissen nach ihrem Studium vor allem eines: was nicht ihr Traumberuf ist<br />
gesellschaft<br />
07<br />
Sie studieren Russisch und Mathematik auf Lehramt, wollen aber<br />
eigentlich Manager werden: Russische Studenten haben oft ein ganz<br />
anderes Berufsziel, als die Wahl ihrer Studienfächer vermuten lassen.<br />
80 Prozent der Hochschulabsolventen arbeiten nach Angaben des Russischen<br />
Amtes für Statistik nicht in dem Fachgebiet, für das sie an der<br />
Uni viele Semester gepaukt haben. Die Gründe dafür liegen ganz am<br />
Anfang, bei der Berufswahl der Abiturienten, die oft von den Wünschen<br />
der Eltern beeinflusst ist.<br />
Irina Rjabowa ist 30 Jahre alt<br />
und fängt noch einmal ganz von<br />
vorne an. Nach fast sieben Jahren<br />
als Bankkauffrau macht sie<br />
nun eine zweite Ausbildung – als<br />
Grafikdesignerin. „Das Arbeiten<br />
in der Bank war nie so richtig<br />
mein Ding. Die Berufswahl<br />
haben damals meine Eltern<br />
getroffen, weil man ja in der<br />
Bankenbranche richtig viel Geld<br />
machen kann. Die Schule hatte<br />
ich wie alle anderen mit 17 Jahren<br />
abgeschlossen, da weiß man<br />
noch nicht richtig, was man vom<br />
Leben will.“<br />
Die Eltern entscheiden,<br />
was ihre Kinder studieren.<br />
Irinas Geschichte ist typisch für<br />
Russland. Die Eltern spielen bei<br />
der Berufswahl ihrer Kinder eine<br />
wichtige Rolle. Viele kontrollieren<br />
ihre Kinder, glauben besser zu<br />
wissen, was sie brauchen, oft ohne<br />
ihre Stärken und Neigungen zu<br />
berücksichtigen. Die Abiturienten<br />
werden zum Opfer der Illusionen<br />
der älteren Generation. Mal sind<br />
es die „Wirtschaftswissenschaften“,<br />
mit denen viele die Werte<br />
der 90er Jahre verbinden: Geld<br />
und Erfolg. Mal benutzen Eltern<br />
ihre Kinder, um eigene, unerfüllte<br />
Ambitionen und Träume zu<br />
verwirklichen, mal sind es ganz<br />
pragmatische Gründe: Wenn du<br />
Arzt wirst, kannst du die gesamte<br />
Verwandschaft behandeln. In der<br />
Schule und im Studium wird von<br />
den Studenten erwartet, dass sie<br />
keine Fragen stellen; im Laufe der<br />
Ausbildungszeit wird alles dafür<br />
getan, dass nur ja keine eigenen<br />
Entscheidungen getroffen werden<br />
müssen.<br />
Von Valeria Straschnowa<br />
So passiert es dann, dass die<br />
jungen Akademiker, die auf den<br />
Arbeitsmarkt kommen, meist<br />
keine Erfahrung darin haben,<br />
selbst Entscheidungen zu treffen.<br />
Die neuen Arbeitnehmer sind oft<br />
noch ein bisschen kindlich, wissen<br />
nicht so recht, was sie wollen.<br />
„Der Hauptgrund für die Unzufriedenheit<br />
mit dem erlernten<br />
Beruf ist die Unfähigkeit, selbständig<br />
für sich zu entscheiden“,<br />
meint Alexandra Olschanskaja,<br />
Chefin des Akademischen Zentrums<br />
für Bevölkerungsbeschäftigung<br />
im südöstlichen Bezirk<br />
<strong>Moskau</strong>s. Manche würden erst<br />
nach einigen Jahren Arbeit merken,<br />
dass sie fehl am Platz sind<br />
und eigentlich etwas ganz anderes<br />
machen wollen.<br />
Die gescheiterte Berufswahl<br />
erklärt sich oft auch dadurch, dass<br />
die Hochschulausbildung zu einer<br />
formalen Anforderung geworden<br />
ist. Die genaue Studien richtung,<br />
die eigenen Interessen, Stärken<br />
und Schwächen sowie die ausgewählte<br />
Universität sind nicht von<br />
großem Interesse. Das Hauptziel<br />
ist, das Diplom in den Händen<br />
zu halten; denn mit einem Studium<br />
verbinden viele ein sorgenfreies,<br />
finanziell gesichertes und<br />
glückliches Leben.<br />
Auch für den Arbeitgeber ist<br />
in vielen Branchen nur wichtig,<br />
dass ein Hochschulabschluss vorhanden<br />
ist – die Fachrichtung<br />
ist nahezu egal. Tatjana Lubimova<br />
ist Personal-Managerin<br />
bei einem <strong>Moskau</strong>er Unternehmen<br />
für Lebensmittelproduktion.<br />
Sie sagt: „Wir suchen Menschen<br />
mit Arbeitserfahrung in<br />
der Branche, ein Hochschulabschluss<br />
ist obligatorisch, doch<br />
als Qualifikation spielt das keine<br />
Jewgenija Nikolajewa (24) hat<br />
Deutsch als Fremdsprache<br />
studiert und arbeitet heute beim<br />
Fernsehen.<br />
Ich bin Schenja und arbeite als<br />
TV-Journalistin bei dem föderalen<br />
russischen Fernsehsender „Rossija 2“.<br />
In den Bereich Massenmedien kam<br />
ich als 19-jährige Studentin des<br />
Faches Deutsch als Fremdsprache.<br />
Ich fand das Studium immer sehr<br />
interessant, wollte aber schon so<br />
früh wie möglich eine Beschäftigung<br />
finden. Die Entscheidung,<br />
in einer deutschsprachigen<br />
Rundfunkredaktion einzusteigen,<br />
fiel mir leicht. Journalismus fand ich<br />
schon als Schülerin anziehend. Als<br />
aber die Zeit kam, ein Studienfach<br />
auszuwählen, erschien mir ein DaF-<br />
Studium als die logische Folge der Schule mit erweitertem Deutschunterricht.<br />
Ich scherze! Mit 17 konnte ich das selbst nicht wirklich überblicken, die<br />
unmittelbare Entscheidung haben meine Eltern für mich getroffen.<br />
Ich liebe das, was ich beim Fernsehen mache. Allerdings brauche ich dort nur<br />
meine Englischkenntnisse. Deutsch kam für mich nur ab und zu in kurzen<br />
Beiträgen für die <strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung vor. Ich habe dem Lehren auf<br />
keinen Fall den Rücken gekehrt. Ich muss mir jedes Mal eingestehen, dass<br />
ich den Unterrichtsprozess vermisse, wenn ich ein Sprachtandem mache.<br />
Ich finde, dass die Komponenten des Lehramtstudiums wie Pädagogik und<br />
Psychologie auch für Journalisten wichtig sind. Wenn ich Texte verfasse, geht<br />
es mir darum, das Thema „zu vermitteln“. Ich finde, das Studium ist ein sehr<br />
wichtiger Teil unseres Lebens. Das wissen besonders viele der Quereinsteiger<br />
richtig zu schätzen. Sie sehen ihre Fähigkeiten nach dem Uniabschluss aus<br />
einem anderen Blickwinkel und können sie dann in einem neuen Bereich<br />
anwenden.<br />
bedeutende Rolle.“ So muss man<br />
bei der Suche nach einer Stelle<br />
nicht unbedingt ein Diplom<br />
in der Berufsrichtung besitzen,<br />
welche die Stellenausschreibung<br />
nahelegt. Hauptsache, man hat<br />
studiert und kann es im Notfall<br />
nachweisen. Finanzmanager<br />
oder Juristen, populäre Berufe,<br />
gelten als universell einsetzbar.<br />
Wer keinen Job findet, der den<br />
Diplomqualifikation entspricht,<br />
kann mit einer guten Stelle in<br />
einer anderen Branche rechnen.<br />
Keine Seltenheit sind Juristen in<br />
der TV-Produktion, Kreditmanager<br />
im Reisebüro, Bankkaufleute<br />
im Klubgeschäft. Auch deshalb<br />
sind in letzter Zeit Studienrichtungen<br />
wie Kulturwissenschaften<br />
und Umweltschutz nachgefragt.<br />
Das liegt nicht an einem gesteigerten<br />
Interesse der russischen<br />
Abiturienten in diesem Bereich,<br />
sondern an der niedrigen Durchschnittsnote,<br />
die erreicht werden<br />
muss und an den niedrigen<br />
Studiengebühren im Falle eines<br />
kostenpflichtigen Studiums.<br />
Finanzmanager und<br />
Juristen im Überfluss<br />
Zahlreiche Studien zeigen, dass<br />
in den letzten Jahren immer wieder<br />
dieselben Berufe als besonders<br />
populär gelten. 2011 waren<br />
es trotz weltweiter Krise Finanzspezialisten,<br />
Juristen und Manager.<br />
Die Chefin des Zentrums<br />
für Personalsuche „Sotis“, Swetlana<br />
Barkowkaja, erklärt, es gebe<br />
deutlich zu viele Finanzspezialisten<br />
und Juristen, und gleichzeitig<br />
einen Mangel an Ingenieuren,<br />
IT-Spezialisten, Facharbeitern,<br />
Lehrern und Ärzten. Tausende<br />
neuer kommerzieller Universitäten<br />
passen sich den Wünschen<br />
der Schulabgänger an, indem<br />
sie haufenweise Finanzmanager,<br />
Juristen und Buchhalter ausbilden.<br />
Bei so einer „Massenausbildung“<br />
gehe die Qualität der<br />
Ausbildung verloren.<br />
Es kommt zu so absurden Situationen,<br />
dass selbst Hochschulen,<br />
die auf Pädagogik spezialisiert<br />
sind, Finanzexperten ausbilden.<br />
Auf dem Arbeitsmarkt bringt so<br />
eine Ausbildung aber dann oft<br />
nichts, das Portal für Job- und<br />
Personalsuche „Superjob“ gibt<br />
in einer Studie an, dass rund<br />
die Hälfte der Arbeitgeber mit<br />
den Kenntnissen der Uniabgänger<br />
unzufrieden ist. „Manche<br />
haben keine Ahnung vom<br />
eigenen Beruf, können selbst die<br />
einfachsten theoretischen Fragen<br />
nicht beantworten“, beklagt sich<br />
Alexander Serebrjannikow, Chef<br />
einer Handelsfirma. Das Ausbildungssystem<br />
und besonders die<br />
Hochschulausbildung stecken<br />
in einer tiefen Krise. Die Lehrbücher<br />
sind veraltet, sie stammen<br />
oft noch aus der Sowjetzeit,<br />
die Professoren sind größtenteils<br />
sehr alt, konkurrenzfähig<br />
ist das System nicht. Innovationen?<br />
Keine Spur. Das russische<br />
Diplom ist eher der Nachweis für<br />
ein gutes Allgemeinwissen und<br />
nicht unbedingt die Eintrittskarte<br />
in ein erfolgreiches Berufsleben.<br />
Und vielleicht spielt auch die Tatsache,<br />
dass das Studium teilweise<br />
kostenlos ist, eine Rolle. Die Studenten<br />
schenken dem Studium<br />
in diesem Fall vielleicht weniger<br />
Aufmerksamkeit, als wenn sie<br />
dafür bezahlen müssten.<br />
Die Wahl der Eltern, falsche<br />
Vorstellungen vom Traumberuf<br />
und Prestigesucht sorgen nicht<br />
selten für Enttäuschung nach dem<br />
Studium. Den Schulabgängern<br />
mangelt es an einer professionellen<br />
Berufsberatung, einer Orientierungshilfe<br />
und tatkräftiger<br />
Unterstützung. Es ist schließlich<br />
eine wichtige Entscheidung, die<br />
sie zu treffen haben.<br />
Irina Rjabowa hat Glück gehabt<br />
– ihr neuer Beruf macht ihr Spaß<br />
und bringt auch genug Geld, sie<br />
entwickelt die Grafik für Webseiten.<br />
„Schon als kleines Mädchen<br />
habe ich für mein Leben gern<br />
gezeichnet, daran hat sich bis<br />
heute nichts geändert. Ich bin<br />
jetzt richtig glücklich, meinem<br />
Traumberuf nachzugehen. Es ist<br />
nur schade um die verlorenen<br />
Jahre.“<br />
Dordzhi Naminov (23) hat<br />
Physik studiert und fand eine<br />
Stelle als Leiter einer Klinik.<br />
Ich wusste schon in der siebten<br />
Klasse, dass ich Physik studieren<br />
möchte. Dieses Fach faszinierte mich<br />
am meisten von allen. Ich nahm<br />
an Wettbewerben innerhalb meiner<br />
Heimatregion Kalmückien teil und<br />
belegte einmal sogar den zweiten<br />
Platz. Ich wollte damals unbedingt<br />
das studieren, was mir Spaß macht<br />
und mich interessiert und deshalb<br />
schrieb ich mich an der <strong>Moskau</strong>er<br />
Lomonossow-Universität für ein<br />
Physik-Studium ein. Ich dachte<br />
damals noch nicht darüber nach, wie<br />
der Alltag eines Physikers aussieht und<br />
hatte keine genauen Vorstellungen<br />
von meinem Berufsziel.<br />
Meine ersten Zweifel bezüglich meiner Studienwahl hatte ich bereits im<br />
dritten Semester. Im Herbst 2010 kam ich dann als Austauschstudent nach<br />
Japan und arbeitete dort viel im Labor. Dort merkte ich dann endgültig, dass<br />
die Arbeit in der Forschung nichts für mich ist.<br />
Nach Abschluss des Studiums 2011 gelangte ich dann über einige Zufälle<br />
in den medizinischen Bereich. Nach einer Einarbeitungsphase in <strong>Moskau</strong><br />
wurde ich nach Jekaterinburg versetzt, um dort als Filialleiter einer Klinik<br />
zu arbeiten. Als studierter Physiker ohne eine Ausbildung im Management<br />
oder in der Personalführung hatte ich mit einem Mal die Verantwortung über<br />
mehrere Mitarbeiter einer medizinischen Einrichtung inne. Mir ist inzwischen<br />
aber klar, dass ich erst einmal Management studieren möchte, bevor ich in<br />
diesem Bereich arbeite.<br />
Julja Troschkina (22) hat<br />
Dolmetschen studiert und<br />
arbeitet nun als Sekretärin.<br />
Ich habe fünf Jahre lang an<br />
der Tschernomyrdin <strong>Moskau</strong>er<br />
Staatlichen Offenen Universität<br />
den Studiengang „Übersetzen und<br />
Dolmetschen“ studiert. Jetzt bin<br />
ich 22 und seit einem halben Jahr<br />
keine Studentin mehr, sondern<br />
Mitarbeiterin der Firma „MBA<br />
consult“, die ihre Kunden auf den<br />
Master in Business Administration<br />
hauptsächlich in den USA und<br />
England, aber auch in Europa<br />
vorbereitet. Ich kann mich noch<br />
gut an die Zeit erinnern, als ich<br />
endlich die Schule abgeschlossen<br />
hatte und vor der Entscheidung<br />
stand, aus unzähligen Universitäten<br />
und Studiengängen zu wählen. Ich<br />
erinnere mich an meine Ratlosigkeit<br />
und Unsicherheit. Mit 17 Jahren<br />
hatte ich kaum eine Vorstellung<br />
davon, was ich in meinem<br />
Leben machen will. Schließlich<br />
entschied ich mich für ein<br />
Fremdsprachenstudium; einerseits<br />
weil mir das Fremdsprachenlernen<br />
immer viel Spaß gemacht hat<br />
und andererseits erschien es mir<br />
als eine logische Fortsetzung<br />
meiner schulischen Ausbildung,<br />
denn ich hatte zehn Jahre lang<br />
an einer Schule mit erweitertem<br />
Englischunterricht gelernt. Aber<br />
irgendwie wusste ich damals<br />
schon, dass ich nie als Dolmetscher<br />
oder Übersetzer arbeiten werde.<br />
Mein Ziel war einfach: Ich wollte<br />
mich ausbilden lassen. Auch der<br />
finanzielle Faktor hat eine Rolle<br />
gespielt. Ich habe zum Beispiel<br />
nicht die anerkannte Lomonossow-<br />
Universität ausgewählt, weil ich ein<br />
gebührenfreies Studium anstrebte.<br />
Und es ist allgemein bekannt, dass<br />
die Universitäten mit einem sehr<br />
guten Ruf viel weniger kostenlose<br />
Studienplätze anbieten.<br />
Nach meinem Uniabschluss stieß ich<br />
auf die Firma „MBA consult“, die eine<br />
Sekretärin suchte und kostenlose<br />
Englischkurse versprach. Dieses<br />
Angebot fand ich interessant und<br />
nach einem Vorstellungsgespräch<br />
wurde ich eingestellt. Meine<br />
Fremdsprachenkenntnisse sind<br />
dabei sehr hilfreich. Ich bin<br />
heute genauso wie mit 17 Jahren<br />
überzeugt, dass ich nicht als<br />
Übersetzerin oder Dolmetscherin bei<br />
einer Übersetzungsfirma arbeiten<br />
möchte. Meine Arbeit macht mir<br />
Spaß, ich kommuniziere gerne<br />
mit Menschen und möchte mich<br />
im Bereich Business-Ausbildung<br />
weiterentwickeln. Ohne meine<br />
Englischkenntnisse wäre ich kaum<br />
an diesen Job gekommen und ich<br />
bereue nicht, mich damals für diesen<br />
Studiengang entschieden zu haben.<br />
Mir fehlen aber Grundkenntnisse in<br />
anderen Bereichen, zum Beispiel<br />
Wirtschaft oder Finanzen. Mit so<br />
einer Ausbildung hätte ich mehr<br />
Möglichkeiten, einen guten Job zu<br />
finden. Aber ich kann statt einer<br />
zweiten Ausbildung auch durch<br />
die Arbeit lernen und praktische<br />
Erfahrungen sammeln. Dann<br />
brauche ich nicht noch weitere<br />
drei Jahre an der Universität<br />
verschwenden und kann nebenbei<br />
auch noch Geld verdienen.
<strong>08</strong><br />
<strong>Moskau</strong>er<br />
politik<br />
Russland ist ein großes Land mit sehr vielen<br />
ethnischen Gruppen. Das ist, überspitzt<br />
ausgedrückt, der gemeinsame Nenner, auf<br />
den sich die russischen und europäischen<br />
Experten nach fast drei Jahren Analyse des<br />
Status Quo beim Schutz von Minderheitensprachen<br />
in Russland einigen konnten. Die<br />
Situation ist reichlich kompliziert: In der<br />
Russischen Föderation leben über 170 ethnische<br />
Gruppen, von denen jede ihre eigene<br />
Sprache und Kultur hat und diese mehr<br />
oder weniger vehement gegen Sprache und<br />
Kultur der Mehrheitsbevölkerung verteidigt.<br />
Als Russland vor fünfzehn Jahren dem<br />
Europarat beigetreten ist, verpflichtete es<br />
sich unter anderem, die Europäische Charta<br />
der Regional- und Minderheitensprachen zu<br />
ratifizieren. Unterzeichnet wurde sie 2001,<br />
ratifiziert ist sie bisher aber noch nicht.<br />
Deshalb wurde vom Europarat, der Europäischen<br />
Union und dem russischen Ministerium<br />
für Regionale Entwicklung das Joint<br />
Programme „Minderheiten in Russland:<br />
Sprachen, Kultur, Medien und Zivilgesellschaft<br />
entwickeln“ ins Leben gerufen. Von<br />
2009 bis 2011 wurde in drei Pilotregionen,<br />
der Republik Mordwinien, der Republik<br />
Dagestan und der Region Altai, untersucht,<br />
ob es Russland möglich ist, die Charta zu<br />
ratifizieren und in Kraft zu setzen.<br />
Russland verfügt bereits über Verfassungsgrundsätze<br />
und weitere Gesetze (siehe<br />
Kasten), die sowohl Bestand als auch Entwicklung<br />
der Minderheitensprachen sichern<br />
sollen, die jedoch nicht in allen Regionen<br />
des größten Flächenstaates der Welt gleich<br />
gut umgesetzt sind. Mit der Charta des<br />
Europarates soll ein über nationale Grenzen<br />
hinausgehender Vertrag zum Schutz von<br />
Minderheitensprachen geschlossen werden.<br />
Von 25 Staaten wurde sie bereits ratifiziert,<br />
unter ihnen Deutschland, Bosnien-Herzegowina<br />
und die Ukraine. Neben dem Ziel,<br />
allgemein gültige Normen zu setzen, sieht<br />
die Charta ein Überwachungsverfahren vor,<br />
wonach alle drei Jahre von einem Sachverständigenausschuss<br />
überprüft wird, ob<br />
der Vertragsstaat das Abkommen anwendet<br />
und die Regelungen einhält. Im Dezember<br />
wurde beispielsweise Österreich, das die<br />
Charta 2001 ratifiziert hatte, vom Europarat<br />
gerügt, nicht in ausreichendem Umfang<br />
Von Kathrin Aldenhoff<br />
zweisprachigen Schulunterricht in Deutsch<br />
und Slowenisch anzubieten.<br />
Bei der Abschlusskonferenz des Joint Programmes,<br />
die im November in <strong>Moskau</strong><br />
stattfand, wurden von der russischen Seite<br />
vor allem zwei Probleme bei der Ratifizierung<br />
der Charta genannt: aus über 170 Minderheitensprachen<br />
diejenigen auszuwählen,<br />
die, zusätzlich zum allgemeingültigen zweiten<br />
Teil der Charta, im dritten Teil ausdrücklich<br />
erwähnt werden sowie die unterschiedliche<br />
Behandlung von autochthonen<br />
und eingewanderten Völkern. Auch innerhalb<br />
der russischen Expertengruppe besteht<br />
Uneinigkeit, ob Deutsch als Minderheitensprache<br />
oder als Migrantensprache angesehen<br />
wird. Der Definition des Europarates<br />
zufolge sind Sprachen von Zuwanderern<br />
nicht durch die Charta geschützt.<br />
Dass die Russlanddeutschen, deren Vorfahren<br />
vor knapp 250 Jahren nach Russland<br />
kamen, nicht mehr als Migranten anzusehen<br />
sind, stellte unter anderem Mahulena Hofmannowa,<br />
Mitglied des Expertenkomitees<br />
des Europäischen Rates, im Gespräch mit<br />
der <strong>Moskau</strong>er Deutschen Zeitung klar. Und<br />
Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
Eine Charta für 170 Sprachen<br />
Europarat und Russland einigten sich in drei Jahren nicht über den richtigen Weg im Minderheitenschutz<br />
Beim Beitritt zum Europarat im Jahr 1996 verpflichtete sich Russland zu einer Ratifizierung<br />
der Europäischen Charta für Minderheitensprachen. Nun haben Experten des Europarates,<br />
der EU und der Russischen Föderation drei Jahre lang die Situation der Minderheiten<br />
in drei Regionen Russlands untersucht. Zu einem gemeinsamen Standpunkt sind sie trotz<br />
Analyse, Meinungsaustausch und gegenseitigem Verständnis nicht gekommen.<br />
Gesetzgebung zum Schutz der nationalen Minderheiten in Russland<br />
In Russland gibt es neben den Regelungen der Verfassung auch eine zusätzliche Gesetzgebung, die<br />
sich unmittelbar mit den nationalen Minderheiten befasst.<br />
Mit der Rahmenkonvention für den Schutz der nationalen Minderheiten des Europarates, die<br />
Russland 1998 ratifiziert hat, und nach der Verfassung der Russischen Föderation, verabschiedet<br />
im Dezember 1993, werden allen in Russland lebenden Völkern die Prinzipien der Gleichheit und<br />
Selbstbestimmung garantiert. Offiziell werden sie als „nationale Minderheiten“ oder „einheimische<br />
kleinere Völker“ und „kleinere ethnische Gemeinschaften“ bezeichnet. Die Rechte auf das Land<br />
und andere Naturschätze werden in Artikel 9 der Verfassung als „Basis für das Leben der Völker"<br />
beschrieben. Auch das Recht auf eine traditionelle Lebensweise wird durch diese Gesetze<br />
geschützt.<br />
Von 2001 bis 2004 wurden weitergehende Gesetze zum Schutz der Minderheiten verabschiedet<br />
sowie bereits bestehende Gesetze verbessert. Nationale Minderheiten dürfen ihre Sprache<br />
sprechen, sie weiterentwickeln, haben ein Recht auf Schulunterricht und Universitätskurse in dieser<br />
Sprache und das Recht, ihre Kultur und ihre Traditionen auszuleben; das legt das föderale Gesetz<br />
für die Sprachen der Völker in der Russischen Föderation fest. Wie es in der Realität aussieht, ist<br />
eine andere Sache; in über 170 Sprachen Schulunterricht anzubieten, ist ein hehres Ziel, das bisher<br />
nicht erreicht ist.<br />
2002 wurde festgelegt, dass das kyrillische Alphabet Grundlage aller Schriften der<br />
Minderheitensprachen sein soll. Andere Schriftzeichen können durch zusätzliche Gesetze der<br />
einzelnen Republiken erlaubt werden.<br />
Das föderale Gesetz zur offiziellen Sprache in der Russischen Föderation von 2005 lässt eine<br />
Verwendung anderer, nicht russischer Sprachen in der inoffiziellen Öffentlichkeitssphäre zu, wobei<br />
in der offiziellen Kommunikation das Russische weiterhin obligatorisch ist.<br />
Während des Joint Programms mit den Experten des Europarates war die russische Gesetzgebung<br />
gründlich analysiert und als prinzipiell mit der europäischen Charta vergleichbar anerkannt<br />
worden. Die Gesetze seien gut zusammengestellt und durchdacht, das Problem bestehe nur in<br />
ihrer konkreten Umsetzung, erklärt Sergej Sokolowskij, Mitarbeiter des Institus für Ethnologie<br />
und Anthropologie der Russischen Akademie der Wissenschaften. Wenn die heute bestehende<br />
Gesetzgebung vollständig umgesetzt und angewandt würde, bräuchten die Minderheitensprachen<br />
in Russland keinen zusätzlichen Schutz.<br />
Natalia Gubko<br />
Ethnische Gruppen in russland<br />
Die indigenen Völker des hohen Nordens leben auf viele Regionen Russlands verteilt. Das macht es<br />
besonders schwer, ihre Sprachen und Traditionen zu schützen.<br />
Russland besteht aus 83 Gebietseinheiten, darunter 21 Republiken, neun Kreise, 46<br />
Gebiete, die beiden föderalen Städte <strong>Moskau</strong> und St. Petersburg, vier autonome Kreise und<br />
das autonome jüdische Gebiet. 26 von ihnen sind ethnisch definiert, wie beispielsweise<br />
Kalmückien, wo die Mehrheit der Bewohner den Kalmücken, einem mongolischen Volk mit<br />
buddhistischem Glauben angehört, das seit dem 17. Jahrhundert im südlichen Wolgagebiet<br />
leben. Dort ist Kalmückisch neben dem Russischen offizielle Amtssprache. Insgesamt leben<br />
in Russland über 170 ethnische Gruppen, die ethnischen Russen machen den aktuellen<br />
Bevölkerungsstatistiken zufolge knapp 80 Prozent der Bevölkerung aus, die größte ethnische<br />
Gruppe sind mit knapp vier Prozent die Tataren. 45 registrierte Gruppen bilden allein die<br />
indigenen Völker des hohen Nordens, Sibiriens und des fernen Ostens aus. Die insgesamt nur<br />
275 000 Personen leben in 27 Regionen.<br />
primamedia.ru<br />
sie sagt: „Die Ratifizierung der Charta ist<br />
eigentlich eine technische Frage, die unnötig<br />
politisiert worden ist.“ Russland müsse<br />
die Charta ratifizieren, es habe sich bereits<br />
beim Beitritt zum Europarat dazu verpflichtet.<br />
Das Argument, Russland habe bereits<br />
eine sehr gute Gesetzgebung im Bereich<br />
des Minderheitenschutzes, das von der russischen<br />
Seite oft ins Spiel gebracht wird,<br />
lässt sie nicht gelten: „Gerade weil Russland<br />
schon so ein hohes Niveau beim Schutz<br />
für Minderheitensprachen hat, würde eine<br />
Ratifizierung der Charta die Situation nicht<br />
drastisch ändern und die Politik nicht dazu<br />
zwingen, viele neue Regelungen umzusetzen.“<br />
Allerdings würde die Sprachpolitik<br />
Russlands durch eine Ratifizierung der<br />
Charta besser kontrollierbar. Ein Punkt,<br />
der Befürchtungen auf der russischen Seite<br />
weckt, der aber Hofmannowa zufolge auch<br />
Chancen eröffnet: „Russland würde mit der<br />
Charta auch selbst die Möglichkeit gewinnen,<br />
den Schutz der russischen Sprache in<br />
Europa zu fördern.“<br />
Durch den Meinungsaustausch zwischen<br />
Experten des Europarates, der EU und<br />
russischen Experten ist aller Meinung nach<br />
ein Verständnis für die jeweils andere Seite<br />
entstanden. Russland hat die Folgen der<br />
Einführung der Charta erkannt und die<br />
europäischen Experten die russlandspezifischen<br />
Herausforderungen. Genau diese<br />
betont Sergej Sokolowskij, Mitglied im<br />
russischen Expertenteam und Dozent am<br />
Institut für Ethnologie und Anthropologie<br />
der Russischen Akademie der Wissenschaften:<br />
„In Russland gibt es mehr<br />
Minderheitensprachen als in der ganzen<br />
Europäischen Union.“ Bevor die Charta<br />
ratifiziert werden könne, müssten erst alle<br />
Minderheitensprachen in allen russischen<br />
Regionen untersucht werden, um ihren<br />
Entwicklungsstand einschätzen zu können.<br />
Und auch er sieht ein großes Problem in<br />
der Auswahl der Sprachen, die im dritten<br />
Teil der Charta explizit erwähnt werden:<br />
„Wenn eine Sprache in die Charta aufgenommen<br />
wird und eine andere nicht, dann<br />
wird es Probleme und Konflikte geben. Die<br />
Republik Tatarstan beispielsweise ist schon<br />
lange dafür, die Charta anzuwenden. Aber<br />
nicht, um die tatarische Sprache zu schützen,<br />
sondern damit in den Gebieten, wo<br />
baschkirische Dialekte gesprochen werden,<br />
auf Tatarisch unterrichtet wird. So entstehen<br />
Konflikte.“<br />
Auf keinen Fall dürfe die Auswahl der<br />
Sprachen willkürlich sein, sagt auch Hofmannowa.<br />
Russland könne selbst entscheiden,<br />
wie viele Minderheitensprachen im<br />
dritten Teil erwähnt werden – zwei, 20 oder<br />
50. Es gäbe mehrere Ansätze für eine Auswahl,<br />
beispielsweise eine quantitative, welche<br />
die Sprachen hervorhebt, die von einer<br />
bestimmten Anzahl an Menschen gesprochen<br />
werden; oder es könnten die Republiksprachen<br />
sein, wobei diese ja ohnehin<br />
schon am stärksten geschützt seien.<br />
Bei der Abschlusskonferenz in <strong>Moskau</strong><br />
erklärte die russische Seite, das Expertenteam<br />
habe Unvollkommenheiten in der<br />
eigenen Sprachpolitik entdeckt; gleichzeitig<br />
habe Russland aber allen Grund, stolz<br />
auf sich zu sein. Nicht nur die bedeutende<br />
Anzahl an Minderheitensprachen,<br />
sondern auch der kulturelle Hintergrund<br />
der ethnischen Minderheiten werde schon<br />
jetzt durch die russischen Gesetze berücksichtigt.<br />
Anpassungsbedarf sah Wladimir<br />
Sorin, stellvertretender Direktor des Instituts<br />
für Ethnologie und Anthropologie der<br />
Russischen Akademie der Wissenschaften,<br />
vor allem bei mehrsprachigen Kindergärten<br />
und dem Schulunterricht.<br />
Es bleibt der Eindruck, dass keine der beiden<br />
Seiten so wirklich weiß, wie Russland,<br />
seine ethnischen Minderheiten und die<br />
Charta des Europarates zusammenfinden<br />
sollen. Die Ratifikation war laut Etienne<br />
Claeye, Leiter der Kooperation zwischen<br />
der EU und Russland, ohnehin nicht das<br />
Ziel des dreijährigen Joint Prorammes. Es<br />
gehe darum, nun in einer zweiten Phase<br />
weiter zusammenzuarbeiten und im Dialog<br />
miteinander zu bleiben.<br />
Zunächst soll die Untersuchung, die bisher<br />
in drei Regionen stattfand, auf ganz<br />
Russland erweitert werden; eine Idee, die<br />
auch Hofmannowa für sinnvoll hält. Man<br />
habe dann einen guten Überblick. Und:<br />
„Wenn das abgeschlossen ist, ist die Ratifizierung<br />
nur noch ein kleiner Schritt.“ Zwei<br />
bis drei Jahre könne das allerdings dauern.<br />
Diese Aussage bestätigt das russische Ministerium<br />
für Regionale Entwicklung. Die<br />
Untersuchung der drei Pilotregionen sei bei<br />
Weitem nicht ausreichend, die Strukturen<br />
seien so unterschiedlich, dass nun weitere<br />
Analysen erforderlich seien, bevor über<br />
eine Annahme der Charta entschieden<br />
werden könne. Und das erfordere Zeit, in<br />
jedem Falle mehr als ein Jahr. Russland will<br />
nun auf eigene Faust untersuchen, wie es<br />
um den Schutz der Minderheitensprachen<br />
im Land steht. Die Expertise der europäischen<br />
Experten sei hilfreich gewesen und<br />
man werde weiterhin eng zusammenarbeiten.<br />
Aber nun könne man als eigenständiger<br />
Akteur weitermachen. Sokolowskij:<br />
„Es wäre merkwürdig, wenn wir jemandem<br />
aus dem Ausland bräuchten, der uns immer<br />
daran erinnert, was wir umsetzen können<br />
und was nicht.“<br />
Deutschland hat sieben Jahre gebraucht,<br />
um von der Unterzeichnung der Charta<br />
zu ihrer Ratifikation zu kommen. Noch ist<br />
nicht absehbar, wie viele Jahre Russland<br />
dafür brauchen wird. Und ob am Ende des<br />
Prozesses wirklich eine Ratifizierung durch<br />
die russische Staatsduma steht.
№ 1 (320) Январь 2012<br />
w w w . m d z - m o s k a u . e u<br />
НЕЗАВИСИМАЯ ГАЗЕТА О ПОЛИТИКЕ, ЭКОНОМИКЕ И КУЛЬТУРЕ • ОСНОВАНА В 1870 ГОДУ<br />
Страстное<br />
беспристрастие<br />
В<br />
то время как СМИ Германии<br />
активно «перетирали»<br />
неблаговидные поступки<br />
Кристиана Вульфа, немецкий<br />
электорат откровенно скучал.<br />
Можно сказать, на почве интереса<br />
или отсутствия интереса к<br />
этой теме в обществе началось<br />
расслоение. Все, кто находится<br />
при власти, или думает, что<br />
близок к ней, дискутировали до<br />
хрипоты – оставаться Вульфу<br />
или все же уйти.<br />
Все «замутили» журналисты.<br />
Они били на то, что пресса в<br />
Германии пока еще является действительно<br />
четвертой властью, а<br />
главные редакторы не привыкли<br />
к таким бесцеремонным методам<br />
«вышестоящих товарищей», как<br />
звонки сверху с указанием, кого<br />
прославить, а кого «опустить».<br />
Хотя, возможно, главред «Бильда»<br />
Кай Дикман своим журналистским<br />
нюхом прочувствовал,<br />
что скандал по поводу «позвоночных<br />
методов» манипулирования<br />
общественным мнением<br />
со стороны главы государства<br />
прибавит рейтинга его газете.<br />
Кто ж не хочет заработать «на<br />
шару» пару лишних «лимонов»?<br />
Вся история была подана с присущим<br />
«Бильду» умением раздуть<br />
сенсацию. Немецкие СМИ проявили<br />
редкую солидарность с<br />
желтой прессой. В начале января<br />
сразу несколько газет (!) вышли<br />
с одной и той же фотографией,<br />
где госпожа канцлер подчеркнуто<br />
любезно улыбается также<br />
любезно улыбающейся чете Вульфов.<br />
Правда, комментарии были<br />
различные. Одни писали, что<br />
Меркель «ценит деятельность<br />
президента», а другие ехидно<br />
отмечали, что плакать надо, а<br />
не улыбаться по поводу того,<br />
что нарушитель демократических<br />
норм так крепко вцепился<br />
в свое кресло.<br />
«А что народ?» – спросит<br />
читатель. Позиция некоторых<br />
бюргеров сходна с позицией<br />
среднестатистического российского<br />
гражданина: «Какое<br />
мне дело, уйдет Вульф (или его<br />
уйдут), или он останется – цены<br />
от этого не упадут, налоги не<br />
уменьшатся. А оттого, что ему<br />
одолжили денег на виллу, мне<br />
не холодно, не жарко». Но есть<br />
и такие политически активные<br />
элементы, кто пишет Вульфу<br />
гневные письма с требованием<br />
уйти. Но он принародно покаялся<br />
и пообещал «добросовестно<br />
и с полной отдачей» и дальше<br />
исполнять свои обязанности<br />
главы государства. Совсем как у<br />
нас – кто же добровольно откажется<br />
покинуть президентскую<br />
резиденцию?<br />
мг<br />
Снежное чудо Германии<br />
В маленькой баварской деревушке Миттерфирмиансройт, неподалеку от чешской границы, возвышается церковь …из<br />
снега! 26 метров длиной, 11 метров шириной, с 17-метровой башней. Для возведения церкви понадобилось более одной<br />
тысячи кубометров натурального снега. Изначально планировалось, что снежный собор будет открыт к рождественским<br />
праздникам, но подвела погода. Торжественное открытие состоялось 27 декабря. Событие приурочено к столетнему<br />
юбилею с момента строительства первой снежной церкви здесь же. Тогда жители деревушки сами для себя построили<br />
церковь из снега, за неимением другой. Она простояла с февраля до мая. Как долго простоит нынешнее снежное<br />
творение, будет зависеть от погоды, которая не перестает удивлять немцев своей взбалмошностью.<br />
Юбилей отменяется?!<br />
По-гречески назвали, в Греции промотали: десятилетний путь евро<br />
В первый день нового 2012 года исполнилось 10 лет с того момента,<br />
как в мире впервые появились банкноты и монеты евро. Но<br />
никаких юбилейных торжеств по поводу этой круглой даты не устраивалось<br />
– во время кризиса не до веселья. Финансовых экспертов<br />
мира скорее озадачивает вопрос: останется ли европейская<br />
валюта после 10 лет обращения символом стабильности или станет<br />
воплощением экономических неурядиц и долгового кризиса?<br />
А как красиво все начиналось<br />
1 января 2002 года, когда<br />
с помпой было отпраздновано<br />
введение евро в наличное<br />
обращение! В Брюсселе, официальной<br />
столице Евросоюза,<br />
небо было расцвечено праздничным<br />
фейерверком и двенадцатью<br />
прожекторами, символизирующими<br />
12 первых<br />
стран еврозоны. Политики<br />
обещали простым гражданам<br />
(многие из которых приняли<br />
евро достаточно настороженно),<br />
что он станет «локомотивом<br />
развития европейской<br />
и мировой торговли, позволит<br />
инвесторам и государствам<br />
расширить ассортимент<br />
выпускаемой продукции<br />
и переориентировать рынки<br />
сбыта». Аргументировали<br />
свои заявления «отцы» новой<br />
валюты тем, что она показала<br />
Маргарита Гоголева<br />
свою жизнеспособность уже с<br />
1 января 1999 года, когда была<br />
введена для безналичных расчетов,<br />
заменив европейскую<br />
валютную единицу (ЭКЮ).<br />
Декларация о стабильности<br />
евро заложена уже в самом его<br />
названии: в логотипе знака «€»<br />
использована греческая буква<br />
«эпсилон», очень похожая на<br />
букву «Е», с которой начинаются<br />
слова «Европа» и «Евросоюз».<br />
А параллельные линии,<br />
пересекающие знак по горизонтали,<br />
призваны символизировать<br />
стабильность евро.<br />
Через 10 лет многие аналитики<br />
констатируют, что в реальности<br />
евро не добился стабильности,<br />
а его введение наряду с<br />
упразднением национальных<br />
валют было непродуманным и<br />
поспешным шагом, который во<br />
многом спровоцировал долговой<br />
кризис в еврозоне. Большинство<br />
государств еврозоны<br />
страдают от непомерных и<br />
постоянно растущих государственных<br />
долгов, имеют шаткую<br />
банковскую систему и низкие<br />
темпы восстановления национальных<br />
экономик. В наиболее<br />
сложном положении находятся<br />
Португалия, Ирландия, Италия,<br />
Греция, Испания. В 20<strong>08</strong><br />
году журналисты и финансовые<br />
аналитики придумали для<br />
этих стран сокращение PIIGS,<br />
которое ассоциируется с английским<br />
словом «свинья» и<br />
демонстрирует особо негативное<br />
отношение людей из<br />
ведущих стран к финансовой<br />
политике стран-аутсайдеров.<br />
И вот теперь весь мир гадает,<br />
устоит ли единая европейская<br />
валюта под натиском проблем,<br />
накопившихся внутри этих<br />
государств, или они «подложат<br />
свинью» всей зоне евро?<br />
Вступление в ЕС дало странам<br />
PIIGS возможность получать<br />
дешевые кредиты. Государства<br />
восполняли (и до сих пор восполняют)<br />
нехватку бюджетных<br />
средств все новыми и новыми<br />
заимствованиями. Ставки<br />
банковских кредитов существенно<br />
упали, поэтому кредиты<br />
стали более доступными как<br />
для промышленного сектора и<br />
предпринимателей, так и для<br />
частных лиц. Банки, фирмы и<br />
население стали без оглядки<br />
на свою платежеспособность<br />
брать в кредит недвижимое<br />
имущество и машины. Пропорционально<br />
наращивались и<br />
долги. Вырос потребительский<br />
спрос, а вместе с ним и цены<br />
и, соответственно, зарплаты,<br />
особенно в госсекторе. Улучшился<br />
бизнес-климат, но все<br />
же однобоко, так как развалились<br />
только сфера внутренних<br />
услуг, строительство и улучшение<br />
инфраструктуры. Страны<br />
PIIGS вышли на международные<br />
рынки, но им не удалось<br />
увеличить объемы экспорта,<br />
ведь вследствие девальвации<br />
национальных валют их товары<br />
и услуги стали неконкурентоспособными.<br />
Из-за повышенного спроса,<br />
который расширял импорт, но<br />
не способствовал экспорту,<br />
III<br />
Jenny Ostrander<br />
«Меркози» и<br />
«сгуттенбергить»<br />
Немцы назвали наиболее популярные<br />
слова прошлого года<br />
«Валдай» для<br />
российских немцев<br />
В Сочи прошел дискуссионный клуб<br />
«Авангард»<br />
Голштейн-Беки на<br />
улицах Курска<br />
Жизнь немецких курян нашла<br />
отражение на страницах новой<br />
исторической книги<br />
III V <strong>VI</strong>
II<br />
Московская<br />
Г е р м а н и я<br />
Made in Germany<br />
Автоконцерны Германии предлагают миру «немецкую мечту»<br />
Прошедший 2011 год ознаменовался небывалым взлетом для<br />
немецкого автомобильного рынка. Успешным, судя по всему, должен<br />
оказаться и наступающий год, хотя свои собственные рекорды<br />
немецким производителям превзойти будет трудно. И все же<br />
на очередном Детройтском автошоу, проходящем на американском<br />
континенте в середине января, немецкие производители<br />
успешно заключают договоры c надеждой продолжить завоевывать<br />
мировой рынок уже новыми моделями.<br />
Согласно данным Федерального<br />
ведомства дорожного<br />
движения во Фленсбурге,<br />
немецкий автомобильный<br />
рынок вырос за прошедший<br />
год на 8,8% (или около 257<br />
тысяч автомобилей), дойдя до<br />
рекордного числа 3,174 миллиона<br />
новых сертификаций.<br />
На фоне общеевропейского и<br />
мирового финансового кризиса<br />
этот успех производит<br />
особенно оглушительное впечатление.<br />
Ведущие автоконцерны<br />
ФРГ, такие как BMW,<br />
Mercedes-Benz и VW, успели<br />
за прошедший год продать на<br />
американском рынке по четверти<br />
миллиона легковых<br />
автомобилей, а общий прирост<br />
сбыта за рубеж по сравнению<br />
с 2010 годом составил 18%.<br />
Один только Volkswagen может<br />
по хвастаться ростом сбыта на<br />
26%. В общем, на сегодняшний<br />
день немецкие автомобили –<br />
лакомый кусок для покупателей<br />
с деньгами, прежде всего<br />
из Америки и Китая.<br />
В то же время еще никогда не<br />
были так жестко поставлены<br />
новые задачи перед автомобильной<br />
отраслью немецкой<br />
Екатерина Келлер<br />
промышленности, как в экологическую<br />
эру. В их числе,<br />
например, разработка электроавтомобилей,<br />
работающих<br />
без помощи двигателя внутреннего<br />
сгорания. Вопрос, как<br />
именно выглядит автомобиль<br />
будущего, остается на сегодня<br />
открытым. В то время как<br />
американцы делают ставку в<br />
первую очередь на электрический<br />
автомобиль, а японцы<br />
– на гибрид, немецкие концерны<br />
исследуют и пробуют все<br />
технические варианты. Новым<br />
гибридным моделям BMW и<br />
Mercedez-Benz, отмечающим<br />
свою премьеру в Детройте,<br />
Союз автомобильной индустрии<br />
предсказывает закрепление<br />
успеха этих и без того<br />
уважаемых у высшего класса<br />
концернов.<br />
На открытии Детройтского<br />
автошоу президент Союза<br />
автомобильной индустрии<br />
Маттиас Виссманн смотрел в<br />
будущее с оптимизмом: «Мы<br />
расширяем наши возможности,<br />
выводим на рынок новые<br />
модели и ставим перед собой<br />
цель увеличить наш рыночный<br />
сегмент и в этом году». Результат<br />
прошедшего года вряд ли<br />
удастся повторить, однако<br />
успех отечественных автомобилей<br />
на заокеанском рынке<br />
растет. Во многом это связано<br />
с повышением цен на топливо,<br />
которое вынуждает американцев<br />
следить за расходом горючего<br />
и покупать экономные<br />
автомобили. В этом сегменте,<br />
подчеркивает Виссманн,<br />
немецкое автомобилестроение<br />
практически не имеет конкурентов.<br />
При экономичности<br />
новых моделей с точки зрения<br />
потребления топлива они не<br />
перестают оставаться отличными<br />
марками спортивных<br />
автомобилей. Новый Mercedez<br />
300 SL тут, пожалуй, в первых<br />
рядах и успел завоевать сердца<br />
немецкая газета № 1 (320) Январь 2012<br />
посетителей автошоу.<br />
Успех немецких автомобилей<br />
на мировом рынке действительно<br />
уникален: пока французские<br />
производители вынуждены<br />
увольнять сотрудников,<br />
японские, еще пять лет назад<br />
задававшие тон всей отрасли,<br />
не оправились от прошлогодней<br />
природной катастрофы, а<br />
американским никак не удается<br />
вернуться в былую форму<br />
после банкротства Lehman<br />
Brothers, автомобилестроение<br />
в ФРГ переживает свой<br />
бум. На наших глазах начинается<br />
очередная эра «Made in<br />
Germany».<br />
Впрочем, не стоит забывать,<br />
что за этим новым началом<br />
кроется немало кропотливой<br />
NAIAS<br />
и упорной работы. Немецкие<br />
автомобильные концерны<br />
во время озаботились налаживанием<br />
широкой сети рынков<br />
сбыта в мировом масштабе – в<br />
итоге им не приходится подобно,<br />
к примеру, «Рено», «Пежо»,<br />
«Ситроену» или «Фиату», опасаться<br />
кризиса на отдельно<br />
взятом рынке. Даже в кризисные<br />
времена они продолжают<br />
вкладывать миллиарды евро в<br />
исследования и производ ство<br />
моделей, отвечающих современным<br />
требованиям. Еще<br />
одним секретом успеха является<br />
так называемая модульная<br />
система, позволяющая комбинировать<br />
отдельные детали<br />
по вкусу. И, наконец, достижением<br />
немецкого автомобилестроения<br />
стоит назвать и то,<br />
что совместно с политиками<br />
им удалось выработать стратегию<br />
борьбы с кризисом, включающую<br />
в себя, к примеру, укороченный<br />
рабочий день.<br />
Ныне, когда кризис миновал,<br />
автомобильная промышленность<br />
едва успевает удовлетворять<br />
спрос и стремительно<br />
создает в Германии и за рубежом<br />
тысячи новых рабочих<br />
мест. За прошедший год количество<br />
занятых в этой отрасли<br />
увеличилось на 23 600 человек,<br />
и это не включая работающих<br />
по временному контракту.<br />
Увеличение количества рабочих<br />
мест коснулось в прошедшем<br />
году даже находящегося<br />
на реконструкции концерна<br />
«Opel».<br />
Подмоченная репутация<br />
Президент Германии дает поводы для разговоров о своей возможной отставке<br />
То, что в редких случаях позволено рядовому налогоплательщику,<br />
заштатному бизнесмену, иногда даже и незаметному депутату низшего<br />
уровня, запрещено первому лицу города, земли, государства.<br />
За коими глаз да глаз неравнодушной общественности. Такая<br />
вот человеческая несправедливость. Ее-то совершенно не учел, а,<br />
как следствие, только что в полной мере испытал на себе федеральный<br />
президент Германии Кристиан Вульф.<br />
В середине минувшего декабря<br />
в немецкой прессе разразился<br />
скандал: президента Германии,<br />
который, по идее, должен быть<br />
для всей нации моральным<br />
авторитетом, заподозрили<br />
в… коррупции. Оказывается,<br />
будучи еще президентом земли<br />
Нижняя Саксония, Вульф взял<br />
на покупку дома в Ганновере<br />
частный кредит в размере 500<br />
тысяч евро. Полмиллиона он<br />
взял взаймы у жены крупного<br />
нижнесаксонского бизнесмена<br />
Эгона Геркенса, друга детства,<br />
под очень низкий процент:<br />
кредит обошелся первому лицу<br />
земли в 4 процента годовых.<br />
Затем выяснилось, что глава<br />
земельного правительства<br />
Вульф шесть раз ездил в частные<br />
поездки в сопровождении<br />
друзей-предпринимателей или<br />
топ-менеджеров крупных компаний.<br />
Жареными фактами из<br />
недавнего прошлого нынешнего<br />
главы государства тут же,<br />
потирая от удовольствия руки,<br />
заинтересовалась оппозиция,<br />
которая обратилась в прокуратуру<br />
Нижней Саксонии с обвинениями<br />
Вульфа в коррупции.<br />
Правящая коалиция в растерянности…<br />
Григорий Крошин<br />
Сразу же начали обсуждать<br />
возможную отставку президента<br />
и кандидатуры на его<br />
кресло. В кристальной честности<br />
«морального авторитета<br />
страны» засомневались даже<br />
члены правительственной коалиции.<br />
Последние, впрочем,<br />
пока высказываются очень<br />
осторожно по поводу скандала<br />
вокруг своего выдвиженцапрезидента.<br />
Они выражают<br />
лишь надежду, что Вульф наконец<br />
четко и недвусмысленно<br />
опровергнет все обвинения в<br />
свой адрес, а канцлер Ангела<br />
Меркель пока поддерживает<br />
коллегу: «Я вполне доверяю<br />
Вульфу как человеку и как президенту».<br />
Адвокаты Кристиана Вульфа<br />
отметают все обвинения в коррупции<br />
или вообще в какомлибо<br />
злом умысле в действиях<br />
тогдашнего премьер-министра<br />
земли. Они твердо убеждены<br />
в том, что президент, останавливаясь<br />
у друзей или занимая<br />
у них деньги, не нарушал законов.<br />
«Разве можно человека<br />
обвинить в предвзятости и<br />
коррупции только за то, что<br />
у него есть друзья? – вопрошает<br />
защита. – Между высокой<br />
должностью Вульфа и его<br />
поездками к предпринимателям<br />
нет никакой связи!»<br />
Сам же Вульф в течение<br />
нескольких дней после вспыхнувшего<br />
в прессе скандала<br />
вообще никак не реагировал<br />
на выдвинутые против него<br />
публичные обвинения. Спустя<br />
некоторое время он заявил,<br />
что считает произошедшее<br />
скорее недоразумением, чем<br />
кознями политических конкурентов,<br />
и в отставку уходить не<br />
собирается. При этом он, мол,<br />
конечно, жалеет, что не упомянул<br />
ранее о льготном кредите,<br />
из-за которого разгорелся<br />
скандал. В самом же факте<br />
получения льготной суммы он,<br />
по собственному признанию,<br />
не видел и не видит преступного<br />
умысла.<br />
Однако ясно,<br />
что и общество,<br />
и политики, и<br />
пресса ожидали<br />
от президента<br />
не такой<br />
формальной<br />
реакции.<br />
Более того,<br />
дело дошло<br />
до бундестага,<br />
где оппозиция<br />
потребовала<br />
от Вульфа не<br />
только внятного<br />
объяснения,<br />
но и принесения<br />
им публичного<br />
извинения в столь длительном<br />
сокрытии правды.<br />
В ответ на это президент<br />
Вульф сначала вроде бы извинился<br />
за прежние грехи, хотя<br />
и не признал за собой нарушения<br />
законов. Но тут гласности<br />
был предан еще один<br />
факт, совершенно необъяснимый,<br />
учитывая тот высокий<br />
пост, который Вульф занимает<br />
в государстве. Оказывается,<br />
в начале скандала президент<br />
звонил шефу самой популярной<br />
многотиражной бульварной<br />
газеты Германии «Бильд»<br />
с угрозами в адрес этого издания:<br />
он, мол, возбудит против<br />
журналистов уголовное дело,<br />
если они не прекратят свои<br />
критические публикации в<br />
адрес президента. Разразился<br />
новый скандал, теперь уже<br />
с обвинениями президента в<br />
попытках ущемления свободы<br />
печати, основополагающей<br />
для демократического государства.<br />
И снова, теперь уже<br />
по этому конкретному поводу,<br />
президент Вульф вынужден<br />
был лично извиняться перед<br />
шефом «Бильда», а затем в<br />
телевизионном интервью второму<br />
общефедеральному каналу<br />
ZDF признать этот звонок<br />
своей еще одной серьезной<br />
ошибкой. Впрочем, по его словам,<br />
из-за нее он не собирается<br />
уходить в отставку: «Я намерен<br />
и дальше исполнять свою<br />
функцию президента страны в<br />
течение положенных пяти лет<br />
добросовестно и приложить<br />
для этого все усилия, потому<br />
что мы сталкиваемся с серьезными<br />
проблемами в нашей<br />
стране».<br />
Но столь оптимистично относительно<br />
будущей судьбы Вульфа<br />
настроены не все в стране.<br />
Согласно последним общественным<br />
опросам института<br />
Forsa, 48 процентов опрошенных<br />
жителей Германии требуют<br />
отставки президента. Многие<br />
ведущие политики, в том<br />
числе и находящиеся в растерянности<br />
члены правящей<br />
коалиции, а также газетные<br />
комментаторы тоже сомневаются<br />
в доверии к нынешнему<br />
высшему должностному лицу<br />
государства.<br />
Похоже, «дело Вульфа» пока<br />
не близится к развязке.
Московская немецкая газета 1 (320) Январь 2012<br />
г е р м а н и я<br />
III<br />
«Меркози» и «сгуттенбергить»<br />
Немцы назвали наиболее популярные слова прошлого года<br />
«Стресс-тест» (Stresstest) был<br />
признан словом 2011 года,<br />
которое традиционно называет<br />
под Рождество Общество<br />
немецкого языка. В топ-10<br />
включают слова, наиболее<br />
часто упоминаемые в общественных<br />
дискуссиях в течение<br />
года. Лексема, венчавшая<br />
десятку в этот раз, обычно<br />
используется в медицине.<br />
Однако в прошедшем году на<br />
стрессоустойчивость тестировали<br />
не только людей, но и<br />
банки, и проект рекон струкции<br />
железнодорожного вокзала в<br />
Штутгарте, и атомные электростанции,<br />
и даже краснозеленое<br />
правитель ство земли<br />
Баден-Вюртемберг. В общем<br />
все, что вызывало общественный<br />
резонанс, подвергалось<br />
стресс-тесту.<br />
I<br />
рост ВВП не получил особо<br />
положительных сдвигов, а<br />
вместе с тем сумма суверенного<br />
государственного долга<br />
росла.<br />
И вполне закономерно, что<br />
разразился кризис. Это случилось<br />
в 20<strong>08</strong> году. Долги стран<br />
PIIGS стали астрономическими,<br />
а, как выяснилось, отдавать<br />
их нечем.<br />
Кризис суверенных долгов<br />
выявил ахиллесову пяту экономики<br />
Европейского союза:<br />
отсутствие единого политического<br />
руководства, что<br />
отрицательно сказывается и<br />
на финансовой политике. ЕС и<br />
его валюта страдают от своих<br />
плохо управляемых властных<br />
структур, а евро стал заложником<br />
непредсказуемого разрастания<br />
Европейского союза.<br />
В связи с этим и многие политики,<br />
и граждане стран PIIGS,<br />
прежде всего Греции, требуют<br />
отмены евро и возвращения<br />
своих прежних национальных<br />
валют.<br />
На защиту евро рьяно встала<br />
А как там в Греции?<br />
Второе место в рейтинге<br />
наиболее популярных слов<br />
года занял глагол «применять<br />
рычаг» (hebeln). Его употребляли,<br />
когда речь заходила о<br />
мерах помощи по спасению<br />
евро, которым правительства<br />
стран еврозоны занимались на<br />
протяжении всего года. Этим<br />
же они собственно занимались<br />
и в позапрошлом году – тогда<br />
в горячую десятку слов года<br />
вошло выражение «шмыгнуть<br />
под зонтик, спасающий евро».<br />
Теперь же этот «зонтик» предлагалось<br />
«расширить» – увеличить<br />
в разы сумму, выделяемую<br />
на спасение стран-должников<br />
при выполнении ими<br />
ряда условий. То есть, видимо,<br />
«применить рычаг» и таким<br />
образом задействовать меньше<br />
капитала, чем в случае изобретения<br />
велосипеда с нуля.<br />
Юбилей отменяется?!<br />
Ангела Меркель. По всем новостным<br />
телеканалам Германии<br />
целыми днями показывают, как<br />
убежденно федеральный канцлер<br />
отстаивает необходимость<br />
сохранения единой европейской<br />
валюты. Отчасти мотивы<br />
госпожи Меркель можно<br />
объяснить чисто немецким<br />
менталитетом – раз механизм<br />
запущен, он должен функционировать,<br />
и желательно без<br />
перебоев. С другой стороны,<br />
Германия больше всего выиграла<br />
от введения евро, получив<br />
вожделенные дополнительные<br />
рынки сбыта. Кабинет министров<br />
и руководство Германии<br />
проводят многочисленные<br />
консультации с банкирами и<br />
экономистами по вопросам<br />
устранения кризиса евро.<br />
Так что вполне вероятно, что<br />
вторая мировая валюта, которую<br />
официально используют<br />
332 миллиона человек в 17<br />
государствах ЕС, евро доживет<br />
до своего следующего круглого<br />
юбилея. А уж по какому<br />
курсу – покажет время. Как<br />
говорится в любимом фильме,<br />
поживем – увидим!<br />
«Тройка» – ЕЦБ, МВФ и Европейская комиссия – давят на греческое<br />
правительство, чтобы оно ускорило проведение переговоров. Но<br />
пока результата не видно. Аналитики предполагают три варианта<br />
развития событий:<br />
1. Списание 50% задолженности в обмен на поддержку «тройки».<br />
Греческим банкам необходимо будет поднять свой капитал на<br />
15 млрд. евро – это почти половина основного капитала банков.<br />
Частично банки будут национализированы, инвесторы получат часть<br />
своих вложений, а «тройка» передаст Греции еще 30 млрд. евро.<br />
2. Списание 60–70% задолженности. В этом случае большее число<br />
банков будет национализировано, а на их рекапитализацию придется<br />
потратить уже 24 млрд. евро.<br />
3. Дефолт и возможный выход страны из зоны евро. Если договоренность<br />
о списании долгов не будет достигнута, европейцам придется<br />
решать – либо и дальше увеличивать финансирование Греции, либо<br />
допустить ее дефолт. Это приведет к оттоку депозитов, в ответ власти<br />
введут мораторий на снятие средств. В случае неконтролируемого<br />
дефолта возможен выход страны из еврозоны и немедленная<br />
девальвация возрожденной драхмы: в разы упадет внутреннее<br />
потребление и экономика, начнется кризис в банковской системе и<br />
обесценивание активов.<br />
Все три сценария негативны для греческой банковской системы,<br />
однако пока всем сторонам переговоров выгоднее согласиться на<br />
добровольное списание половины долга – так потери для всех будут<br />
меньше.<br />
С трудом переводимый на<br />
русский язык неологизм «арабеллион»<br />
(Arabellion) занял<br />
третье место. Этим термином<br />
обозначали совокупность перемен<br />
и революций, проходящих<br />
весь год в арабских и североафриканских<br />
странах. В нем<br />
и географическая привязка, и<br />
английское «rebellion» (восстание),<br />
так что открытая акция<br />
сопротивления группы людей<br />
против государственной власти<br />
в отдельно взятом регионе<br />
заслужила, по мнению немцев,<br />
своего слова. Да и неологизм<br />
этот намного интереснее выражения<br />
«арабская весна», которым<br />
принято обозначать революционную<br />
волну демонстраций<br />
и протестов, начавшихся<br />
в арабском мире 18 декабря<br />
2010 года.<br />
Введение в наличное обращение<br />
евро в 2002 году по ставило<br />
россиян перед дилеммой: в чем<br />
лучше хранить сбережения, в<br />
долларах или в новой, почти<br />
общеевропейской валюте?<br />
Еще не забылся августовский<br />
дефолт 1998 года, научивший<br />
не доверять свои деньги банкам<br />
– не стеклянным, а коммерческим<br />
– и больше полагаться<br />
на «зеленые», марки,<br />
фунты, иены и прочие, нежели<br />
на родные деревянные. Уже,<br />
предположим, преодолены<br />
возникшие трудности с обменом<br />
наличных национальных<br />
валют на евро: напомним,<br />
что, например, по инструкции<br />
немецкого Бундесбанка<br />
наличные немецкие марки<br />
принимались у населения<br />
только на инкассо. В результате<br />
Сбербанк переписывал<br />
номера купюр, сдаваемых россиянами,<br />
и менял их на евро<br />
не менее чем через 3 месяца<br />
(купюры надо было переслать<br />
в Германию и там проверить).<br />
Итак, первые месяцы знакомства<br />
с новыми хрустящими<br />
купюрами позади, и к середине<br />
2002 года уже 11% россиян<br />
«Меркози» (Merkozy) – сочетание<br />
фамилий канцлера Германии<br />
Ангелы Меркель и президента<br />
Франции Николя Саркози<br />
– на четвертой позиции в<br />
рейтинге жюри. В 2011-м именно<br />
эти политики, лидеры двух<br />
ведущих экономик Европы,<br />
определяли стратегию выхода<br />
ЕС из финансового кризиса.<br />
И что немаловажно – выступали<br />
чаще всего согласованно,<br />
чем и заслужили одно на двоих<br />
имя «Меркози». Кстати, имя<br />
другого популярного немецкого<br />
политика Карла Теодора<br />
фон Гуттенберга, попавшегося<br />
на плагиате при написании<br />
диссертации, стало основой<br />
для глагола-неологизма «сгуттенбергить»<br />
(guttenbergen, 7-е<br />
место) и синонимом слова<br />
«списать».<br />
доверяют евро. Для сравнения:<br />
доллару тогда доверяли<br />
35% респондентов, рублю – 37,<br />
подсчитывает фонд «Общественное<br />
мнение».<br />
Постепенно евро приживался<br />
в России. Спрос на него<br />
подрастал, он стал занимать<br />
гораздо более существенную<br />
долю в сбережениях граждан,<br />
постепенно вытесняя доллар,<br />
позиции которого казались<br />
поначалу незыблемыми.<br />
Серьезной проверкой на<br />
проч ность стал мировой<br />
финансовый кризис, разразившийся<br />
осенью 20<strong>08</strong> года. Тогда<br />
евро, которому весной того же<br />
года доверяли уже 27% россиян<br />
(это был звездный час<br />
европейской валюты в нашей<br />
стране), потерял свои позиции,<br />
опустившись к 26 октября 20<strong>08</strong><br />
года до отметки 15% (доверие<br />
к рублю, напротив, выросло до<br />
рекордных 67%). Впрочем, по<br />
оценке того же фонда «Общественное<br />
мнение», среди пользующихся<br />
валютой россиян<br />
евро в 2009 году доверяли 43%<br />
(38% доверяли рублю, 15% –<br />
доллару). Так граждане отмечают<br />
сравнительно высокий и<br />
Название японской атомной<br />
электростанции в префектуре<br />
Фукусима, на которой 11 марта<br />
2011 года произошла радиационная<br />
авария, заняло пятое<br />
место в десятке наиболее популярных<br />
слов года в немецком<br />
обществе. Отголоски землетрясения,<br />
ставшего причиной<br />
аварии в далекой азиатской<br />
стране, хорошо ощущались и в<br />
Германии: немцы закрыли ряд<br />
своих АЭС и объявили о выходе<br />
из атомной энергетики к<br />
2022 году. Последствия Фукусимы<br />
предстоит преодолевать<br />
немцам еще долгие годы на их<br />
пути к использованию только<br />
экологических видов энергии,<br />
поэтому не удивительно, что<br />
название японской АЭС начало<br />
укореняться в немецком<br />
языке.<br />
Ольга Силантьева<br />
Храните евро… если они у вас есть!<br />
достаточно стабильный курс<br />
европейской валюты.<br />
С тех пор евро сохранил свои<br />
завоеванные за десятилетие<br />
хождения позиции в предпочтениях<br />
россиян: они немного<br />
пошатнулись, но все равно наши<br />
граждане предпочитают евро<br />
долларам, когда дело доходит<br />
до хранения сбережений. По<br />
итогам опроса, проведенного<br />
в конце прошлого года социологами<br />
портала Superjob.ru,<br />
хранить сбережения в зеленых<br />
банкнотах сейчас готовы 10%<br />
россиян, в евро – 17% опрошенных.<br />
Хотя, конечно, проблемы с<br />
Грецией и непрекращающаяся<br />
кампания по спасению евровалюты<br />
не способствуют укреплению<br />
ее позиций в России.<br />
В прошлом году наблюдалось<br />
сокращение объемов покупки<br />
евро, даже несмотря на рост<br />
его курса к рублю. Так что,<br />
граждане, храните деньги в сберегательной<br />
кассе, как призывала<br />
советская реклама. «Если,<br />
конечно, они у вас есть…» –<br />
как завершал слоган вор-рецидивист<br />
Жорж Милославский<br />
из комедии «Иван Васильевич<br />
меняет профессию».<br />
Динамика курса евро к рублю (2002–2012): данные Центрального банка РФ приведены на январь<br />
каждого года.
IV<br />
Московская<br />
н е м ц ы р о с с и и<br />
Живой труп<br />
От рассказов о трудармии стынет кровь<br />
«Морозным январским днем<br />
1942 года наш поезд с мобилизированными<br />
немцами остановился<br />
на маленькой станции<br />
Морошко Свердловской<br />
области. При входе на зону,<br />
где ранее жили заключенные,<br />
прямо на проходной с нас сняли<br />
отпечатки пальцев. Все были<br />
в шоке. Нас провели в бараки.<br />
Нары были исцарапаны и исписаны,<br />
можно было прочитать<br />
имена, проклятия, ругательства.<br />
Как долго сидели здесь<br />
люди, безмолвно, погрузившись<br />
в свои мысли? Часов не было,<br />
казалось, время остановилось.<br />
Наконец, один молодой человек<br />
встал и сказал: «Что головы<br />
повесили? Идемте, выкурим по<br />
одной, посмотрим, что рядом с<br />
бараком, где туалет. Мне как<br />
раз нужно». Он встал, взял<br />
из вышитой сумки щепотку<br />
табака, скрутил себе сигарету<br />
и со словами: «Ну, кто со<br />
мной?» – вышел. Мы пошли за<br />
ним. Выйдя во двор, мы увидели,<br />
что он окружен высоким<br />
забором, поверх которого шла<br />
колючая проволока. На каждом<br />
углу была наблюдательная<br />
вышка, на которой стоял<br />
солдат с ружьем. Доносился<br />
лай собак. «Мы тут как в<br />
тюрьме». «Что скажешь, Густав<br />
Петрович, ты же партийный?»<br />
– пошутил молодой<br />
человек, но сразу пожалел:<br />
страх перед 1937 годом напомнил<br />
о себе. «Тихо ты, осторожно».<br />
Густав Петрович, бывший<br />
директор школы в Шёнтале,<br />
молчал. Может, подбирал<br />
слова. Потом негромко сказал:<br />
«Думаю, мы все равны».<br />
Валить лес – сложное мужское<br />
дело. Но без опыта оно вдвойне<br />
сложнее. Вскоре трудармейцы<br />
узнали, как надо валить деревья,<br />
стеречь и обрабатывать<br />
их. Единицы могли выполнить<br />
норму, хотя работали до изнеможения.<br />
Мороз и голод выматывали.<br />
Многие в этом диком<br />
лесу не дожили и до весны. А<br />
конец этой пытке и не предвиделся.<br />
День начинался, день<br />
заканчивался, все время преследовал<br />
страх, что принесет день<br />
завтрашний. Рано утром, снег<br />
ли, дождь ли, всех, кто еще мог<br />
передвигаться, вели в лес – в<br />
сопровождении вооруженных солдат.<br />
Затем чиновник и дежурный<br />
врач делали обход, посещали<br />
оставшихся в бараках.<br />
Больных и слабых осматривал<br />
и лечил врач в медпункте.<br />
Тех, что не были больными,<br />
а только ими притворялись,<br />
запирали в карцер. А мертвых<br />
почти голыми, в лучшем случае<br />
в старом бельем, бросали<br />
на большие сани и отвозили в<br />
лес, на так называемое кладбище<br />
и неглубоко зарывали в<br />
снегу. Как-то прошел слух, что<br />
на том кладбище раздались<br />
слова одного окоченевшего,<br />
но живого человека: «Я ведь<br />
жив еще, зачем?..» Испуганный<br />
возница стал заикаться:<br />
«Начальник и врач лучше<br />
знают, жив ты или… И вообще,<br />
ты должен благодарить их<br />
за то, что они навсегда избавили<br />
тебя от работы». Врач,<br />
к сожалению, не мог ставить<br />
на ноги всех слабых и больных,<br />
не хватало медикамен-<br />
немецкая газета № 1 (320) Январь 2012<br />
Т р у д а р м и я : к а к э т о б ы л о ?<br />
В год 70-летия массовой<br />
мобилизации немцев в трудовую<br />
армию Международный<br />
союз немецкой культуры<br />
при поддержке Министерства<br />
внутренних дел Германии<br />
готовит к печати для издания<br />
альбом воспоминаний участников<br />
трудового фронта. В<br />
него войдут научно-популярные<br />
статьи о трудармии, документы,<br />
воспоминания очевидцев,<br />
выдержки из писем<br />
70-летней давности, стихи и<br />
песни, отрывки из пьес, репродукции<br />
картин – все то, что<br />
сохранит для ныне живущих<br />
и последующих поколений<br />
память о трагических для<br />
российских немцев событиях<br />
военных лет. Альбом призван<br />
запечатлеть подвиг немецкого<br />
народа, ковавшего в тяжелейших<br />
условиях тыла Победу.<br />
Для того чтобы собрать этот<br />
материал МСНК объявляет о<br />
проведении акции. Мы ищем:<br />
• Воспоминания трудармейцев<br />
о годах в трудовой<br />
армии.<br />
тов и простого хлеба. На зоне,<br />
где было 400 мужчин, к лету<br />
1943 года осталось 150–160<br />
человек. Однажды майским<br />
утром перед колонной предстал<br />
новый начальник, который<br />
обещал улучшить питание.<br />
И вечером люди получили<br />
по миске каши. Поговаривали,<br />
что предыдущий шеф был<br />
арестован и предстал перед<br />
судом из-за закопанных в снегу<br />
зимой трупов. Или это легенда<br />
была про говорящий труп?<br />
• Выдержки из писем тех<br />
лет.<br />
• Литературные произведения<br />
о трудармии.<br />
• Зарисовки и репродукции<br />
картин на тему «Трудовая<br />
армия».<br />
• Фотографии трудармейцев,<br />
сделанные в военные годы и в<br />
наши дни.<br />
• Рассказы представителей<br />
послевоенных поколений<br />
российских немцев, прежде<br />
всего молодежи, о том, что<br />
они знают о пребывании их<br />
(пра-)бабушек и (пра-)дедушек<br />
на трудовом фронте, о<br />
том, что для них значит этот<br />
период в жизни немецкого<br />
народа.<br />
Памятный альбом выйдет<br />
на русском и немецком языках<br />
и станет продолжением<br />
проекта 2011 года «„Выселить<br />
с треском!“ Очевидцы<br />
и исследователи о трагедии<br />
российских немцев».<br />
Подробная информация на<br />
сайте www.rusdeutsch.ru<br />
Так исчезли следы тысяч<br />
и тысяч немецких мужчин,<br />
которые на каком-то кладбище,<br />
где-то в дремучем лесу, в<br />
незнакомом месте, без гроба<br />
были закопаны. Кто знает их<br />
имена? Кто принесет цветы<br />
на могилку?..»<br />
Из дневника Йоханнеса Шейерманна,<br />
который он вел в трудармии<br />
на Урале (перевод с<br />
немецкого).<br />
Трудный случай<br />
Вступил в силу закон о воссоединении семей<br />
В декабре прошлого года вступил в силу Девятый закон об изменении<br />
Федерального закона о беженцах и изгнанных. Закон призван<br />
ликвидировать нежелательный разрыв семей поздних переселенцев<br />
путем создания правил трудного случая. Технически речь идет<br />
о включении задним числом потомков и супруги (супруга) позднего<br />
переселенца (переселенки) в решение о приеме основного<br />
заявителя.<br />
Ю рИДИЧЕСКАЯ<br />
КОНСУЛЬТАЦИЯ<br />
Рубрику ведут<br />
адвокат Томас Пуэ и<br />
Михаил Рушанов<br />
(ФРГ)<br />
Важнейшее изменение внесено<br />
в параграф 27, абзац<br />
3 «Федерального закона<br />
о беженцах и изгнанных»<br />
(BVFG). Теперь он гласит (с<br />
некоторыми сокращениями):<br />
«Оставшийся в стране проживания<br />
супруг или потомок<br />
позднего переселенца может<br />
задним числом включаться в<br />
решение о приеме позднего<br />
переселенца, если отказ от<br />
включения можно считать<br />
трудным жизненным случаем<br />
позднего переселенца или<br />
его супруга или потомка, а<br />
также наличествуют прочие<br />
предпосылки. Трудный случай<br />
может быть обоснован только<br />
обстоятельствами, отягчающе<br />
влияющими на семейную или<br />
личную ситуацию после переселения».<br />
Таким образом, спустя годы<br />
уже немолодые поздние переселенцы<br />
получили возможность<br />
воссоединиться с оставшимися<br />
в стране происхождения<br />
детьми, внуками и даже<br />
правнуками, а также членами<br />
их семей. Заинтересованные<br />
лица могут ходатайствовать<br />
о включении оставшихся в<br />
стране происхождения членов<br />
семьи в собственное решение<br />
о приеме.<br />
Предпосылки включения<br />
• Право подачи заявления о<br />
включении в решение дано<br />
поздним переселенцам<br />
(Spätaussiedler). Это изгнанные<br />
немецкой национальности,<br />
переселившиеся в<br />
Германию после 31.12.1992.<br />
Изгнанные немецкой национальности,<br />
переселившиеся<br />
до указанного срока,<br />
имеют статус переселенцев<br />
(Aussiedler) или изгнанных<br />
(Vertriebene), а посему действие<br />
закона на них не распространяется:<br />
переселенцы<br />
и изгнанные не смогут<br />
включить потомков задним<br />
числом в свои бумаги о приеме<br />
в Германию.<br />
• Право подачи заявления о<br />
включении имеет основной<br />
заявитель по § 4 BVFG.<br />
Потомок или супруг не<br />
имеют права самостоятельной<br />
подачи заявления от<br />
своего имени.<br />
• Включаемые лица должны<br />
доказать знания простого<br />
немецкого языка уровня А1.<br />
Из этого правила возможны<br />
исключения, особенно по<br />
состоянию здоровья.<br />
• Важнейшей предпосылкой<br />
включения является доказательство<br />
«трудного случая».<br />
Законодатель оставил<br />
открытым определение<br />
такового. Закон знает<br />
понятие «особо отягощенной<br />
ситуации» (besondere<br />
Härte) и «необычно отягощенной<br />
ситуации»<br />
(außergewöhnliche Härte).<br />
«Трудный случай» (Härtefall)<br />
в смысле §27 Abs. 3 BVFG<br />
можно считать минимальным<br />
понятием невысокой<br />
степени отягощенности. С<br />
другой стороны, «простого»<br />
включения не будет. Заявители<br />
должны убедительно<br />
доказать отягощенность<br />
своего случая и наличие<br />
обстоятельств, отягчающе<br />
влияющих на семейную<br />
или личную ситуацию<br />
после переселения основного<br />
заявителя в Германию.<br />
Обычный, жизненный разрыв<br />
семьи при добровольной<br />
смене места жительства<br />
некоторыми членами семьи<br />
«трудным жизненным случаем»<br />
не считается.<br />
• Обосновывающая часть<br />
закона содержит следующие<br />
примеры применения<br />
нового закона. Потомок<br />
позднего переселенца под<br />
влиянием ненемецкого<br />
супруга решает остаться в<br />
стране происхождения. Вся<br />
прочая семья переселяется<br />
в Германию. По прошествии<br />
лет потомок теряет работу,<br />
жилье, лишается супруга,<br />
болеет или попадает в иные<br />
трудные жизненные обстоятельства.<br />
Другой пример:<br />
проживающие в Германии<br />
предки стареют, болеют,<br />
страдают от разлуки, нуждаются<br />
в поддержке остающегося<br />
в стране происхождения<br />
потомка. Страдания от<br />
разлуки должны превышать<br />
обычную хандру и достигать<br />
уровня депрессивного<br />
заболевания.<br />
По нашему мнению, «трудным<br />
случаем» следует считать<br />
невключение потомка в решение<br />
о приеме позднего переселенца<br />
из-за незнания правовой<br />
ситуации. Федеральное административное<br />
ведомство видело<br />
правовую наивность проживающих<br />
в Сибири и Казахстане<br />
российских немцев. Поздние<br />
переселенцы по понятным<br />
причинам не знают правил<br />
включения потомка в свое<br />
решение о приеме. Многие<br />
выехали в Германию, не завершив<br />
административную процедуру<br />
включения в заявление<br />
на переселение всех членов<br />
семьи. Федеральное административное<br />
ведомство как орган<br />
государственного управления<br />
не указало поздним переселенцам<br />
на их ошибку и не сочло<br />
нужным проинформировать<br />
заинтересованных лиц обо всех<br />
требованиях закона. Несколько<br />
лет назад ведомство изменило<br />
документацию, теперь<br />
все поздние переселенцы получают<br />
информацию о правилах<br />
включения потомков.
Московская немецкая газета 1 (320) Январь 2012<br />
«Валдай» для российских немцев<br />
В Сочи прошел Дискуссионный клуб «Авангард»<br />
Дискуссионный клуб «Авангард» вновь, уже пятый год, собрал экспертов<br />
и активистов общественного движения российских немцев.<br />
На этот раз встреча, организуемая Международным союзом<br />
немецкой культуры при финансовой поддержке Министерства<br />
внутренних дел Германии, прошла в середине января в Сочи. Сюда<br />
со всей страны съехались активные российские немцы. Участников<br />
ожидала насыщенная программа – образовательные лекции,<br />
встречи с экспертами и острые дискуссии.<br />
Развитие спортивного<br />
направления для молодежи<br />
из числа российских немцев<br />
является одним из приоритетных<br />
направлений программы<br />
«Формирование авангарда»<br />
Международного союза<br />
немецкой культуры. В 2011<br />
году на федеральном уровне<br />
в рамках спортивных проектов<br />
было принято решение<br />
о создании и поддержке<br />
сборной российских немцев<br />
по футболу. Была проведена<br />
огромная работа по поиску<br />
молодых футболистов в регионах.<br />
Оказалось, что свои<br />
футбольные команды у российских<br />
немцев есть в Омской<br />
области, Самаре, Красноярске.<br />
В других регионах есть футболисты<br />
немецкой национальности,<br />
которые тренируются в<br />
местных командах.<br />
Футболистам, как и другим<br />
спортсменам, нужна конечная<br />
цель, к которой они должны<br />
стремиться. Этой целью для<br />
сборной российских немцев<br />
является победа в чемпионате<br />
национальных меньшинств<br />
по футболу «Европеада-2012»,<br />
который пройдет в июне 2012<br />
года в городе Лаузице в Германии.<br />
Подготовкой команды<br />
Организаторы Дискуссионного<br />
клуба «Авангард» провели<br />
своеобразный эксперимент,<br />
пригласив на этот раз людей,<br />
чья деятельность не содержит<br />
в себе напрямую этнокультурного<br />
компонента. И не прогадали:<br />
предпринимательство,<br />
политика и спорт являются<br />
важными сферами общественной<br />
деятельности любого<br />
сообщества.<br />
«Направление деятельности<br />
МСНК «Формирование авангарда»<br />
предполагает поддержку<br />
людей из разных сфер<br />
деятельности с высоким уровнем<br />
национального самосознания.<br />
Мы собираем их здесь не<br />
только для того, чтобы использовать<br />
их потенциал, но и для<br />
того, чтобы показать им возможности<br />
нашей программы»,<br />
— объясняет руководитель<br />
проекта Наталья Хречкова.<br />
«Здесь можно найти новые<br />
контакты, понять, куда двигать<br />
дальше. У нас есть в Самаре<br />
такая проблема – молодежь<br />
не представляет, чем можно<br />
заниматься на политической<br />
арене, а дискуссионный клуб<br />
как раз демонстрирует эти возможности»,<br />
— говорит доцент<br />
кафедры социологии, политологии<br />
и истории отечества<br />
Самарского государственного<br />
технического университета<br />
Бэлла Гартвиг.<br />
Высокий уровень участников<br />
отметил и модератор проек-<br />
Светлана Андреева<br />
та, член Общественной палаты<br />
Российской Федерации Алексей<br />
Арбузов из Абакана: «Среди<br />
наших российских немцев есть<br />
достаточно большое количество<br />
людей, которые потенциально<br />
могут создать что-то<br />
масштабное». Одна из возможностей<br />
реализовать потенциал,<br />
по мнению Алексея, это стать<br />
рациональной и созидательной<br />
частью российского общества,<br />
которая предлагает решения и<br />
реализует их как на федеральном,<br />
так и на региональном<br />
уровнях. Предприниматели<br />
при этом смогут осуществлять<br />
поддержку подобных проектов.<br />
Одним из партнеров Дискуссионного<br />
клуба стал московский<br />
Университет профессиональной<br />
политики, преподаватели<br />
которого среди прочего<br />
рассказали о роли межнациональной<br />
политики в органах<br />
управления и провели тренинг<br />
по ораторскому мастерству.<br />
Участники высоко оценили<br />
тренинг. «Так как моя основная<br />
деятельность связана с<br />
публичными выступлениями,<br />
мне было интересно услышать<br />
мнение профессионала о<br />
своей презентации», — делится<br />
активист Никита Балакирев<br />
из Казани.<br />
Участие в проекте оказалось<br />
полезным и для ижевского<br />
предпринимателя Михаила<br />
Киля: «Всем, кто хочет стать<br />
предпринимателем, я советую<br />
вступать в союзы предпринимателей.<br />
В этом смысле<br />
хотелось бы, чтобы и в рамках<br />
«Авангарда» у нас было больше<br />
дискуссий на тему предпринимательства».<br />
За восемь проектных дней<br />
Дискуссионному клубу удалось<br />
выработать план действий на<br />
ближайший год. После заседаний<br />
участники клуба решили,<br />
что необходимо создать<br />
и развивать Бизнес-клуб российских<br />
немцев, запланировав<br />
следующую встречу уже на<br />
февраль–март этого года. До<br />
этого момента инициативная<br />
группа планирует работать<br />
в дистанционном режиме, в<br />
том числе в социальных сетях.<br />
Политики же вплотную займутся<br />
подготовкой и проведением<br />
публичных слушаний<br />
в Общественной палате РФ,<br />
посвященных обсуждению<br />
Нам нужна одна победа!<br />
За каждым мячом заветная цель –<br />
«Европеада»!<br />
Участники за главным занятием Дискуссионного клуба –<br />
обсуждением новых идей.<br />
Сборная российских немцев по футболу готова к «Европеаде-2012»<br />
целевой программы поддержки<br />
российских немцев.<br />
В рамках проекта на основе<br />
голосования участников<br />
была определена Доска почета,<br />
которая уже стала непременным<br />
атрибутом Дискуссионного<br />
клуба. Ее лауреатами<br />
стали предприниматель, руководитель<br />
организации «Молодежный<br />
фонд Алтая» Денис<br />
Матис (Барнаул); руководитель<br />
сибирского представительства<br />
«Российской газеты» Константин<br />
Матис (Барнаул); предприниматель,<br />
активист молодежной<br />
организации «Югендхайм»<br />
Михаил Киль (Ижевск);<br />
активист движения российских<br />
немцев Арвид Мартенс<br />
(Франкфурт-на-Майне). Эти<br />
лучшие из лучших получат<br />
возможность реализовать<br />
свои социальные идеи и пройти<br />
обучение на интенсивных<br />
курсах немецкого языка.<br />
занялись опытные тренеры,<br />
давно уже работающие в движении<br />
российских немцев и<br />
знающие, как одновременно с<br />
занятиями спортом повысить<br />
национальное самосознание<br />
и сопричастность молодых<br />
российских немцев к своему<br />
народу. Главным тренером<br />
сборной является Андрей<br />
Ротэрмель.<br />
С 7-го по 15 января в Сочи<br />
футбольная команда российских<br />
немцев активно готовилась<br />
к предстоящему летом<br />
турниру. Проводились тактические<br />
занятия, тесты на<br />
выносливость, тренировки,<br />
стыковочные матчи. Тренеры<br />
делали упор на технику и сыгранность<br />
команды. Команда<br />
провела четыре товарищеские<br />
встречи со сборными Сочи<br />
и Адлера. Тренеры хотели<br />
отсмотреть игроков, а также<br />
отработать новые схемы. В<br />
первых двух играх российские<br />
немцы проиграли сначала<br />
со счетом 6:4, а потом 9:2.<br />
Но в двух последующих играх<br />
ребята одержали победу над<br />
сборной Адлера почти всухую<br />
— 4:1 и 2:1. «То, что попался<br />
серьезный соперник, это очень<br />
хорошо. Они проэкзаменовали<br />
нас. Но если бы у нас была<br />
задача выиграть, мы бы выиграли»,<br />
— рассказывает тренер<br />
сборной Алексей Землянухин.<br />
Матчи показали, что сыгранность<br />
на поле и командная<br />
игра стали гораздо выше по<br />
уровню. Последней проверкой<br />
команды стал матч с известным<br />
ярославским футбольным<br />
клубом «Шинник», в ходе<br />
которого сборная российских<br />
немцев показала достойную<br />
игру, но в итоге пропустила<br />
один мяч в свои ворота и проиграла.<br />
Помимо тренировок футболисты<br />
совместно с участниками<br />
проводимых в это же<br />
время проектов – дискуссионный<br />
клуб «Авангард» и<br />
Фестиваль педагогических<br />
команд – ходили на занятия<br />
по немецкому языку, на вечерние<br />
мероприятия. В завершение<br />
футболисты обсудили,<br />
как можно дальше развивать<br />
спортивное направление на<br />
региональном уровне. В настоящее<br />
время переговоры уже<br />
проведены с руководителями<br />
центров встреч в Сыктывкаре,<br />
Томске, Красноярске, где<br />
также будут создаваться футбольные<br />
команды.<br />
На «Европеаде-2012» российских<br />
немцев ожидают<br />
довольно сильные соперники.<br />
Уже на первой игре в группе<br />
команде предстоит столкнуться<br />
с прошлогодними<br />
полуфиналистами и фаворитами<br />
чемпионата – сборной<br />
из Венгрии. Но главный тренер<br />
сборной Андрей Ротермель<br />
настроен решительно:<br />
«У нас одна цель – победить,<br />
и мы справимся». Поддержать<br />
своих на чемпионате поедут и<br />
болельщики. А это является<br />
одной из важных составляющих<br />
успеха команды.<br />
н е м ц ы р о с с и и<br />
Светлана Андреева,<br />
Наталья Хречкова<br />
МСНК (2)<br />
V<br />
Der Sommer<br />
startet neue Wege!<br />
Начало года для языкового<br />
отдела Международного<br />
союза немецкой культуры<br />
характеризуется новым подходом<br />
в проведении мероприятий.<br />
С 7-го по 15 января<br />
в Сочи при поддержке<br />
Министерства внутренних<br />
дел Германии прошли одновременно<br />
«Фестиваль педагогических<br />
команд этнокультурных<br />
языковых лагерей<br />
российских немцев» и<br />
«Семинар для мультипликаторов<br />
по работе в языковых<br />
этнокультурных лагерях».<br />
Необходимость проведения<br />
первого Фестиваля педагогических<br />
команд связана<br />
в первую очередь с тем,<br />
чтобы выявить имеющийся<br />
в регионах потенциал. Всего<br />
в Фестивале приняло участие<br />
восемь команд из Оренбурга,<br />
Сыктывкара, Маркса,<br />
Костромы, Чебоксар, Омской<br />
области, Восточной<br />
Сибири и Алтайского края.<br />
Программа Фестиваля<br />
состояла из многочисленных<br />
конкурсов – различных<br />
методических разработок,<br />
информационных уголков,<br />
мастер-классов. Самым<br />
сложным для команд стали<br />
спонтанные конкурсы для<br />
вожатых, преподавателей<br />
и организаторов лагерей.<br />
Участники должны были<br />
показать свою смекалку,<br />
реагируя на различные<br />
предложенные организаторами<br />
ситуации. Самым<br />
ярким событием Фестиваля<br />
стали творческие презентации<br />
отрядов на тему „Der<br />
Sommer startet neue Wege!“<br />
(Лето – начало всех дорог!).<br />
По итогам всех конкурсов<br />
первое место в Фестивале<br />
педагогических<br />
отрядов заняла команда<br />
„Jugendkreis“ из Восточной<br />
Сибири, второе место<br />
– команда „Miteinander“ из<br />
Омской области, третье<br />
место – „Kinderland” из Сыктывкара.<br />
Сочинские победители<br />
покажут свои таланты<br />
на X<strong>VI</strong> Всероссийском фестивале<br />
в «Орленке» летом<br />
этого года.<br />
Вслед за Фестивалем для<br />
участников стартовал курс<br />
повышения квалификации<br />
«Технологии организации<br />
этнокультурных языковых<br />
лагерей (на примере этнокультурных<br />
лагерей этнической<br />
группы «российские<br />
немцы»)», проводимый в<br />
сотрудничестве с Московским<br />
государственным областным<br />
университетом.<br />
Среди множества лекций<br />
и практических занятий<br />
наибольший интерес вызвал<br />
практикум педагогического<br />
мастерства, где вожатые,<br />
преподаватели и организаторы<br />
этнокультурных лагерей<br />
получали новые инструменты<br />
для своей работы. По<br />
окончании курсов каждая<br />
педагогическая команда<br />
защищала идею этнокультурного<br />
лагеря.<br />
Проведенные мероприятия<br />
показали, что языковая<br />
работа должна проводиться<br />
системно, так как язык<br />
– одна из основ культуры<br />
российских немцев.<br />
Варвара Машкова
<strong>VI</strong><br />
Московская<br />
и с т о р и я и к у л ь т у р а<br />
В конце января посетители Российско-немецкого<br />
дома в Москве<br />
могут стать свидетелями<br />
уникального события: в стенах<br />
РНДМ при поддержке Международного<br />
союза немецкой<br />
культуры откроется выставка<br />
работ художника-сюрреалиста,<br />
«российского Дали» Макса<br />
Хаазе.<br />
Ульяна Ильина<br />
Имя этого художника по<br />
сей день окутано ореолом<br />
тайны: известно, что Макс<br />
Хааз родился и жил в Москве,<br />
творческий путь начинал<br />
в художественных студиях,<br />
занимался ручным ткачеством.<br />
Точно не известно происхождение<br />
художника: то<br />
ли обрусевший немец, то ли<br />
голландец, подлинное это имя<br />
или псевдоним. Практически<br />
никаких подробностей жизни<br />
художника неизвестно, поскольку<br />
она прошла в стороне<br />
от официоза, а известность<br />
пришла к нему уже после кончины.<br />
Более того: неизвестно<br />
даже, как он выглядел. Все<br />
это можно было бы назвать<br />
мистификацией, если бы не<br />
оставшиеся после его смерти<br />
работы.<br />
По мнению искусствоведа<br />
Людмилы Кандаловой, творчество<br />
Макса Хаазе поистине<br />
уникально: в работах художника<br />
прослеживается бесконечный<br />
поиск различных техник<br />
исполнения произведений,<br />
воплощения замыслов, творческого<br />
решения. Это видно<br />
в удивительном разнообразии<br />
его работ – от живописи, графики,<br />
рельефов с усложненной<br />
техникой до создания великолепных<br />
горельенов. С конца<br />
70-х годов, начав с гладкотканых<br />
шпалер, Макс Хаазе разрабатывает<br />
технику рельефных<br />
тканых панно, придумывает<br />
им название «горельен»<br />
(рельеф+гобелен). Его «Адам<br />
немецкая газета № 1 (320) Январь 2012<br />
Мистификация жизни и творчества<br />
В Москве открывается выставка работ художника-сюрреалиста Макса Хаазе<br />
и Ева», «Метаморфоза», «Анадиомена»,<br />
«Эрот и Морфей»<br />
отмечены эстетическим эротизмом<br />
и высоким уровнем<br />
технического исполнения. В<br />
своем творчестве художник<br />
повествует о вещах простых<br />
и значительных, о сложностях<br />
и загадках бытия, о необыкновенных<br />
поворотах судьбы, о<br />
превращениях человеческих<br />
душ и метаморфозах плоти.<br />
Сам Макс Хаазе называл<br />
свои картины багателями,<br />
«безделкам». Однако багатели<br />
Хаазе не являются просто<br />
картинами, это – сложные<br />
объекты, в которых он применял<br />
различные техники, в том<br />
числе приемы сюрреалистов,<br />
помещая обычные объекты в<br />
необычное окружение. Благодаря<br />
этому художник создавал<br />
в своих картинах эффект<br />
сна или галлюцинации: так,<br />
руки на одной из его картин<br />
превращаются в раковины и<br />
веера, ногти – в кисти, глаза<br />
стекают в слезы.<br />
Впервые творчество Макса<br />
Хаазе было представлено публике<br />
арт-директором галереи<br />
«Асти» Натэллой Войскунской<br />
в рамках Международного фестиваля<br />
искусств «Арт-ноябрь»<br />
в 2006 году. Позже работы<br />
художника выставлялись в<br />
залах Государственного института<br />
искусствознания и галерее<br />
Black Dog Красные Холмы.<br />
Сегодня наследие художника<br />
находится в Московском музее<br />
современного искусства и частных<br />
собраниях.<br />
Примечательным является и<br />
тот факт, что в настоящее время<br />
распорядительница наследия<br />
художника Нина Тихонова<br />
готова безвозмездно передать<br />
часть работ уникального художника<br />
в один из музеев Германии,<br />
с тем чтобы открыть имя и<br />
творчество этого пока все еще<br />
малоизвестного, но, несомненно,<br />
удивительного художника<br />
европейским ценителям искусства.<br />
Благодаря личной инициативе<br />
Нины Тихоновой работы<br />
Макса Хаазе будут представлены<br />
в Российско-немецком доме<br />
в Москве.<br />
Открытие выставки состоится<br />
24 января в 18:30 по адресу:<br />
ул. Малая Пироговская, д. 5.<br />
Выставка продлится до 29 февраля<br />
и будет открыта для посещений<br />
по вторникам, средам<br />
и пятницам с 12:00–20:00, по<br />
воскресеньям с 10:00–14:00.<br />
Голштейн-Беки на улицах Курска<br />
Жизнь немецких курян нашла отражение на страницах новой исторической книги<br />
Под названием «Немецкие адреса старого Курска» в свет вышла<br />
третья книга из серии, повествующей об истории российских<br />
немцев, живших в разных районах России. В новой книге речь идет<br />
о выходцах из германских земель, поселившихся в XIX – начале XX<br />
века в Курской губернии. Книга является плодом исследований,<br />
проведенных курскими историками, краеведами и искусствоведами<br />
в тесном сотрудничестве с Курским отделением общества «Знание»<br />
России. Проект осуществляется при поддержке Посольства<br />
Федеративной Республики Германия в Российской Федерации.<br />
К НИЖная<br />
полка<br />
История российских немцев<br />
уходит своими корнями в ХII<br />
век, когда в результате развития<br />
торговых связей со странами<br />
Западной Европы на землях русских<br />
княжеств начали селиться<br />
первые немецкие купцы. С<br />
течением времени к ним стали<br />
присоединяться довольно многочисленные<br />
ремесленники. В<br />
X<strong>VI</strong> веке немецкое население<br />
пополнилось военнопленными,<br />
захваченными в ходе Ливонской<br />
войны, а также беженцами,<br />
спасавшимися от преследований<br />
во времена Реформации.<br />
Затем число немцев значительно<br />
выросло за счет тех, кто<br />
откликнулся на приглашение<br />
русских царей и цариц переселиться<br />
в Россию. К началу XIX<br />
века число немецких иммигрантов<br />
составило уже 1,7 миллиона<br />
человек.<br />
Русские люди принимали<br />
переселенцев приветливо, с<br />
добрым любопытством при-<br />
Эмилия Лебедь<br />
сматривались к их быту, характеру.<br />
Обобщенное представление<br />
русских о немцах получило<br />
отражение в «Письмовнике»,<br />
написанном во второй половине<br />
X<strong>VI</strong>II века профессором<br />
Морского шляхетского корпуса<br />
Николаем Кургановым:<br />
«В поведении прост, ростом<br />
высок, в одежде подражателен,<br />
в кушании славен, в нраве ласков,<br />
в писании изряден, в науке<br />
знаток, в законе тверд, в предприятии<br />
орел, в устах верен, в<br />
браке хозяин».<br />
К началу XIX века, то есть<br />
ко времени, с которого начинается<br />
повествование в книге<br />
«Немецкие адреса старого Курска»,<br />
выходцы из германских<br />
земель играли уже значительную<br />
роль в развитии экономики,<br />
политики, общественной<br />
и культурной жизни России. В<br />
Курской губернии их было к<br />
тому времени немного – всего<br />
около 1500 человек, в своем<br />
большинстве уже потомки<br />
переселенцев, часто дети от<br />
смешанных браков, принявшие<br />
православие, обрусевшие, но<br />
сохранившие немецкие фамилии.<br />
Немало было и тех, кто<br />
остался верным лютеранскому<br />
вероисповеданию, старался не<br />
забывать родной язык. Некоторые<br />
переселенцы сохраняли<br />
германское подданство. Однако<br />
характерным для всех этих<br />
людей было то, что они относились<br />
к России как к своей второй<br />
родине и служили ей верой<br />
и правдой.<br />
Конечно, не все российские<br />
немцы сделали карьеру, но<br />
предостаточно было тех, кто<br />
оставил глубокий след в полуторавековой<br />
истории Курской<br />
губернии. Их деятельность в<br />
самых разных областях жизни<br />
была настолько результативной<br />
и общественно значимой,<br />
что ее плоды порой оказывают<br />
положительное влияние на<br />
жизнь курян и по сей день. Об<br />
этом идет речь в книге «Немецкие<br />
адреса старого Курска». Но<br />
не только об этом, потому что<br />
образы этих людей, их жизненный<br />
путь буквально оживает в<br />
книге, предстает перед читателем<br />
во плоти.<br />
Есть в этом документальном<br />
издании и романтические<br />
истории, о которых не всегда<br />
прочитаешь в иных любовных<br />
романах. Героем одной из них<br />
оказался, например, немец по<br />
крови и абсолютно русский по<br />
духу великий поэт Афанасий<br />
Фет. Увлекательна и одновременно<br />
познавательна глава,<br />
повествующая о хранящихся в<br />
собрании Курской картинной<br />
галереи имени Дейнеки произведений<br />
немецких художников<br />
X<strong>VI</strong>II века. Почти каждая<br />
такая работа связана с определенной<br />
страницей русской или<br />
немецкой истории. Эти картины<br />
были в свое время приобретены<br />
членами российских<br />
княжеских семей, породнившихся<br />
благодаря смешанным<br />
бракам с такими старинными<br />
немецкими родами, как Голштейн-Бек,<br />
Сайн-Виттгенштейн,<br />
Келлер и др.<br />
Воссоздавая судьбы российских<br />
немцев Курской губернии,<br />
авторы книги показывают, как<br />
на протяжении долгого, даже<br />
в масштабах истории, времени<br />
происходило взаимодействие,<br />
взаимовлияние и взаимное<br />
обогащение двух культур.<br />
Как осуществлялось совместное<br />
созидание во имя общего<br />
блага. В книге запечатлен ценный<br />
пример полезности этого<br />
процесса, реальной возможности<br />
понять и принять людей<br />
другой культуры.<br />
Известно, что случившиеся в<br />
XX веке две войны взорвали<br />
гармонию жизни, внесли в нее<br />
губительный хаос, принесли<br />
страшные разрушения. И это<br />
была большая беда для обоих<br />
народов. Часто приходится<br />
слышать, что зло сильнее<br />
добра. Однако жизнь настаивает<br />
на обратном. Прерванное<br />
сотрудничество, доброжелательный<br />
интерес двух народов<br />
друг к другу каждый раз снова<br />
оживали и набирали силу. Тому<br />
пример – динамично развивающиеся<br />
на государственном<br />
уровне и на уровне так называемой<br />
народной дипломатии<br />
российско-германские отношения<br />
сегодня. Об этом вы<br />
тоже подробно узнаете, прочитав<br />
книгу «Немецкие адреса<br />
старого Курска». Кстати, эту<br />
книгу надо читать не спеша.<br />
Только в этом случае истории<br />
отдельных людей постепенно<br />
сложатся в единую картину<br />
жизни и одновременно откроется<br />
глубокое содержание привычного<br />
и, казалось бы, такого<br />
простого понятия как «российские<br />
немцы».
Московская немецкая газета 1 (320) Январь 2012<br />
р е г и о н ы г е р м а н и и<br />
<strong>VI</strong>I<br />
На свидание с Лорелеей<br />
В долине Рейна что ни замок, то легенда<br />
Отрезок романтического Рейна от Кобленца до Бингена многократно<br />
воспет поэтами, музыкантами и художниками многих стран.<br />
Сколько легенд, историй и сказаний связано с этими круто сбегающими<br />
к воде берегами! Именно здесь, на Среднем Рейне, проходили<br />
события, описанные в знаменитом немецком героическом<br />
эпосе «Песнь о Нибелунгах», да и сама река до сих пор хранит в<br />
своих темных глубинах их сказочные сокровища.<br />
В этих местах величественный<br />
Рейн, петляя в скалистых<br />
ущельях, пробивает себе дорогу.<br />
Здесь с особой ясностью<br />
понимаешь, почему эта река<br />
стала одним из символов<br />
немецкой нации, ее гордостью.<br />
Сколько тайн и загадок<br />
хранят берега Рейна! Красотой<br />
этой реки, этих скал вскормлен<br />
немецкий романтизм. Именно<br />
здесь проходит туристический<br />
маршрут «Замки Рейна»,<br />
пользующийся большой популярностью<br />
у любознательных<br />
путешественников. Местные<br />
гиды советуют: «Путешествие<br />
лучше всего начать с пешеходной<br />
экскурсии по прекрасному<br />
Кобленцу, с его незабываемым<br />
«Немецким углом» (Deutsches<br />
Eck) и крепостью Эренбрайтштайн<br />
и продолжить вдоль<br />
берегов Рейна».<br />
Автобус подвозит путешественников<br />
к наиболее живописным<br />
и интересным старинным<br />
замкам. Туристы имеют<br />
возможность полюбоваться<br />
гармоничным сочетанием прекрасных<br />
ландшафтов и творений<br />
человеческого гения. В<br />
экскурсию входит посещение<br />
древнего замка Марксбург<br />
(Marksburg), построенного в<br />
XII–XIV веках, который является<br />
единственной не разрушенной<br />
временем крепостью<br />
на Рейне. Здесь же располагается<br />
превосходный музей.<br />
– Первые постройки на месте<br />
замка, – рассказывает экскурсовод,<br />
– появились еще задолго<br />
до 1200 г. Однако первое<br />
упоминание о будущем Марксбурге<br />
относится к 1231 году<br />
Восставший из руин – замок Штольценфельс.<br />
Григорий Крошин<br />
– под именем города, над которым<br />
он расположен, – Браубах.<br />
В замке можно ознакомиться с<br />
жизненным укладом средневековых<br />
рыцарей, увидеть интереснейший<br />
рыцарский зал и<br />
пушечные батареи. С их помощью<br />
владельцы замка контролировали<br />
движение судов по<br />
реке. Со смотровых площадок<br />
этого древнего замка открываются<br />
прекрасные панорамы<br />
Рейна.<br />
Вызывают восхищение не<br />
только романтическая красота<br />
этих мест, но и связанные<br />
с ними таинственные и удивительные<br />
рыцарские истории<br />
и легенды: о монахе Марке<br />
и замке Марксбург, о замках<br />
Мышки и Кошки, о руинах<br />
замков «Враждующие братья»<br />
и выступающих из воды скалах<br />
«Семь девственниц».<br />
Мышиная башня скупого<br />
архиепископа.<br />
Однако более всего влечет<br />
туристов легендарный<br />
мыс Лорелеи. Здесь у отвесной<br />
скалы река делает поворот<br />
почти под прямым углом.<br />
Согласно старинной легенде,<br />
Larry Myhre<br />
David Morgan-Mar<br />
Drosselgasse – улочка для<br />
непьющих.<br />
именно в этом месте разбивались<br />
в непогоду проплывающие<br />
мимо корабли, капитаны<br />
которых теряли голову, очарованные<br />
прекрасным голосом<br />
поющей на скале Лорелеи. С<br />
легкой руки Клеменса Брентано<br />
легенда об этой восхитительной<br />
кудеснице стала<br />
источником вдохновения многих<br />
поколений художников,<br />
музыкантов и поэтов. Наиболее<br />
известная из них принадлежит<br />
гению Генриха Гейне.<br />
Немало легенд связано и с<br />
живописным островком у<br />
городка Кауба, где раньше размещалась<br />
таможня, а теперь<br />
– небольшой музей. В этом<br />
месте форсировал реку, преследуя<br />
наполеоновские войска,<br />
легендарный полководец Блюхер.<br />
На противоположной стороне<br />
виден замок Рейнштейн<br />
(Burg Rheinstein), ставший<br />
в XIX веке символом рейнской<br />
романтики. В 1825 году<br />
замок, пришедший в X<strong>VI</strong>I веке<br />
в полное запустение, приобрел<br />
прусский принц Фридрих<br />
Вильгельм. Восстановленный<br />
по его приказу замок стал<br />
первым отреставрированным<br />
замком на Рейне.<br />
У городка Бингена посередине<br />
реки высится Мышиная<br />
башня (Binger Mäuseturm).<br />
Башня была построена в XIII<br />
веке как дозорная башня для<br />
замка Эренфельд. Легенда<br />
гласит, что в этом замке жил<br />
скупой архиепископ Майнца<br />
Хатто II, который как-то<br />
в неурожайный год, чтоб не<br />
расставаться с зерном, сжег<br />
его вместе с крестьянами и...<br />
мышами. Опасаясь преследований<br />
разгневанных жителей,<br />
он засел в башне на маленьком<br />
островке на Рейне. Но мышиный<br />
род решил отомстить скупердяю:<br />
грызуны перебрались<br />
John Chu<br />
Марксбург – настоящий рыцарский замок.<br />
на остров, образуя живой мост<br />
и… съели его.<br />
Еще одна рейнская достопримечательность<br />
– замок Штольценфельс<br />
(Schloss Stolzenfels).<br />
Он был основан в XIII веке<br />
архиепископом Трирским,<br />
в X<strong>VI</strong>I веке был разрушен и<br />
лишь в X<strong>VI</strong>II веке его восстановил<br />
будущий король Фридрих<br />
Вильгельм IV.<br />
Не оставит никого равнодушным<br />
и сказочный город<br />
Рюдесхайм, расположенный в<br />
центре Рейна. «Золотая середина<br />
реки» – так называют свой<br />
город его жители. Он является<br />
центром производства знаменитых<br />
рейнских рислингов.<br />
Этот уютный городок покоряет<br />
своеобразием архитектуры,<br />
красотой окружающего ландшафта.<br />
Именно здесь находится<br />
всемирно известная улочка<br />
Drosselgasse (в переводе с<br />
немецкого «улочка дроздов»).<br />
Три метра шириной, 144 метра<br />
длиной. Эта улочка винных<br />
погребков и ресторанчиков –<br />
одна из самых живописных в<br />
Германии – привлекает ежегодно<br />
около трех миллионов<br />
туристов. Drosselgasse настолько<br />
узка, что «подвыпившему<br />
человеку и упасть-то некуда»,<br />
шутят местные жители.<br />
На вершине горы возвышается<br />
один из самых величественных<br />
монументов страны<br />
– Niederwalddenkmal – символическая<br />
фигура Германии.<br />
На цоколе монумента – текст<br />
эпоса «Вахта на Рейне».<br />
Большой наплыв туристов в<br />
эти места можно наблюдать с<br />
июля по сентябрь, когда все<br />
большие и малые прибрежные<br />
города отмечают праздник<br />
«Рейн в огнях». В этом<br />
празднике сочетаются гостеприимство<br />
и жизнерадостность<br />
рейнландцев, радость<br />
виноградарей, завершивших<br />
сбор знаменитого рейнского<br />
Кобленц<br />
Бинген<br />
винограда. В это время свое<br />
мастерство демонстрируют<br />
шкиперы и экипажи кораблей<br />
рейнской флотилии. Как правило,<br />
праздник начинается в<br />
середине августа в Кобленце<br />
и к середине сентября перемещается<br />
к мысу Лорелеи.<br />
У каждого города свои традиции<br />
проведения праздника.<br />
Например, в Санкт-Гоаре на<br />
ночь перегораживают винными<br />
бочками пешеходные туннели,<br />
проходящие под железной<br />
дорогой. Чтобы войти в Санкт-<br />
Гоар, надо обязательно купить<br />
стаканчик местного рислинга и<br />
тут же выпить его до дна. В эти<br />
дни в городе играют маленькие<br />
оркестры, наполняя его музыкой<br />
и песнями. Перед винными<br />
кабачками выступают фокусники<br />
и акробаты. Молодое вино<br />
кружит головы, прямо на улицах<br />
танцуют все – и стар и млад.<br />
Праздники вдоль Рейна,<br />
сопровождаемые выступлениями<br />
оркестров и дегустациями<br />
местных вин, проходят так же<br />
бурно и красочно, как и царящая<br />
вокруг атмосфера. Рейнские<br />
берега с живописными<br />
скалами и завораживающими<br />
взгляд замками таят в себе<br />
великое множество различных<br />
легенд, сказаний и летописных<br />
историй, многие из которых,<br />
возможно, еще предстоит разгадать.<br />
Michael.berlin<br />
Мыс, кружащий голову<br />
Felix Koenig
<strong>VI</strong>II<br />
Московская<br />
н е м е ц к и й я з ы к<br />
Winterspaß auf russische Art<br />
In der kältesten Zeit des Jahres wird Schnee gesucht<br />
Der Winter ist sowohl in Deutschland als auch in Russland die kälteste und auch die<br />
dunkelste Jahreszeit. Trotzdem gibt es im Winter viele Gründe zur Freude. Auf der einen<br />
Seite sind es die beliebten Festtage – Advent, Nikolaustag, Weihnachten, Neujahrsfest,<br />
Fasching – mit vielen Geschenken und Süßigkeiten. Auf der anderen Seite sind es die<br />
winterlichen Freizeitaktivitäten, die man draußen unternehmen kann. Allerdings gibt es<br />
dafür eine wichtige Voraussetzung – Schnee!<br />
немецкая газета № 1 (320) Январь 2012<br />
Die Kinder in Russland haben meistens<br />
etwas mehr Glück, als ihre Altersgenossen<br />
in Deutschland. Denn in Russland<br />
bringt der Winter fast immer viel Schnee<br />
mit sich. In Deutschland dagegen müssen<br />
die Menschen im Winter oft ohne (viel)<br />
Schnee auskommen. Und wenn sie sich<br />
nach dem richtigen Winter mit Frost und<br />
Schneeflocken sehnen, fahren sie dorthin,<br />
wo es ganz viel Schnee gibt – zum Beispiel<br />
in die Alpen.<br />
Das Rezept für einen gelungenen Winterspaß<br />
ist sehr einfach: Eine passende<br />
Schneepiste aussuchen, sich warm anziehen,<br />
ein paar Freunde mitnehmen und los<br />
geht es. Natürlich darf man dabei das richtige<br />
Gerät nicht vergessen. Zum Beispiel<br />
den Schlitten. Was kann besser sein, als<br />
schon völlig mit Schnee bedeckt mit tränenden<br />
Augen den weißen Berg herunter<br />
Aufgaben<br />
1. Warst du aufmerksam beim Lesen? Dann kannst<br />
du problemlos 6 Wörter mit SCHNEE am Anfang finden.<br />
Schreibe sie auf.<br />
FLOCKE PISTE<br />
BALL SCHNEE REICH<br />
MANN KÖNIGIN<br />
2. In einer Schneeballschlacht sind die Buchstaben<br />
durcheinander geraten. Kannst du sie wieder in die<br />
richtige Reihenfolge bringen?<br />
a) sloekecfhcen<br />
b) ebhsian<br />
Von Natalja Gubko<br />
zu rasen? Na und, dass die Mütze irgendwo<br />
verloren gegangen ist? Dafür sind<br />
schöne rote Bäckchen und gute Laune<br />
garantiert.<br />
Wenn man nach so einer Fahrt noch<br />
Energie und Lust hat, kann man sich bei<br />
einer Schneeballschlacht austoben. So<br />
kann man sich mit ein paar Schneebällen<br />
bei denjenigen Freunden „bedanken“,<br />
die vielleicht einmal keinen Kugelschreiber<br />
ausleihen wollten. Dabei soll man natürlich<br />
auch damit rechnen, dass man selbst einige<br />
Schneeattacken aushalten muss. Aber was<br />
soll’s? Ganz ohne Schnee im Kragen gibt es<br />
eben keinen richtigen Spaß.<br />
Die Winterromantiker begeben sich, von<br />
zahlreichen TV-Shows wie „Stars auf Eis“<br />
inspiriert, auf die Eisbahn. Zu schöner<br />
Musik kann man hier stundenlang, ohne<br />
Eile Schlittschuh laufen. Viele Eisbahnbetreiber<br />
bieten die Möglichkeit an, Schlittschuhe<br />
auszuleihen, wenn man keine<br />
dabei hat.<br />
Ausleihen kann man in vielen Parks auch<br />
verschiedene andere Sportgeräte: Schi<br />
oder Snowboard. Außerdem kann dort ein<br />
fachkundiger Trainer mit Rat und Tat zur<br />
Seite stehen. Einige Stunden auf der Piste<br />
können nicht nur die Laune heben, sondern<br />
sind auch für die GesundheIt gut.<br />
Wenn der Winter besonders schneereich<br />
ist, muss man sich unbedingt in Bauarbeiten<br />
ausprobieren. Eine Minikopie des<br />
Eiffelturms aus dem Schnee zu errichten<br />
oder einfach einen Schneemann mit<br />
Karottennase zu bauen – das wäre eine<br />
c) schtltein<br />
d) stofr<br />
e) neches<br />
Летние каникулы в Германии<br />
beliebt –<br />
любимый, популярный<br />
die Voraussetzung –<br />
предпосылка; условие<br />
der Altersgenosse – сверстник<br />
auskommen – обходиться<br />
der Frost – мороз<br />
die Schneeflocke – снежинка<br />
die Schneepiste –<br />
лыжня, трасса<br />
der Schlitten – санки<br />
schöne Freizeitbeschäftigung sowohl für<br />
die Kinder als auch für die Erwachsenen.<br />
Wer keine Lust hat, selbst etwas zu<br />
bauen, kann vielleicht unweit der Haustür<br />
ein Schneereich finden – ähnlich wie das<br />
Königreich aus dem Märchen von Hans<br />
Christian Andersen „Die Schneekönigin“.<br />
3. Einige Stellen im Text sind schneebedeckt. Welche<br />
Wörter suchen wir? Fülle die Lücken aus.<br />
a) Der Winter ist sowohl in Deutschland als auch in<br />
Russland die _________ und auch die dunkelste Jahreszeit.<br />
b) Die Kinder in Russland haben meistens etwas mehr<br />
___________, als ihre Altersgenossen in Deutschland.<br />
c) Denn in Russland bringt der Winter fast immer viel<br />
___________ mit sich.<br />
Lesehilfe<br />
rasen – мчаться<br />
das Bäckchen – щёчка<br />
die Schneeballschlacht –<br />
снежная битва<br />
der Kragen – воротник<br />
Schlittschuh laufen –<br />
кататься на коньках<br />
ausleihen – брать напрокат<br />
die Schi – лыжи<br />
Frau Holle – Госпожа Метелица из<br />
одноименной сказки братьев Гримм<br />
In vielen russischen Städten werden schöne<br />
Schneesiedlungen errichtet, mit Bauten<br />
und Märchenfiguren aus Eis.<br />
Der Winterspaß auf russische Art ist<br />
nur dann möglich, wenn es viel Schnee<br />
gibt. Also, bitte, Frau Holle, lass es kräftig<br />
schneien!<br />
d) Das Rezept für einen gelungenen _____________ ist<br />
sehr einfach: Eine passende Schneepiste aussuchen, sich<br />
warm anziehen, ein paar Freunde mitnehmen und los<br />
geht es.<br />
e) Wenn man nach so einer Fahrt noch Energie und<br />
Lust hat, kann man sich bei einer ____________________<br />
austoben.<br />
f) Ganz ohne Schnee im ____________ gibt es eben keinen<br />
richtigen Spaß.<br />
g) Also, bitte, ______________, lass es kräftig schneien!<br />
4. Was meinst du: richtig oder falsch?<br />
a) Der Winter ist sowohl in Deutschland als auch in<br />
Russland die kälteste Jahreszeit.<br />
b) Die Kinder in Russland haben meistens weniger Glück<br />
mit Schnee, als ihre Altersgenossen in Deutschland.<br />
c) Die Winterromantiker lassen sich von TV-Shows wie<br />
„Stars auf Eis“ inspirieren und gehen Snowboard fahren.<br />
d) Viele Eisbahnbetreiber verbieten den Besuchern,<br />
eigene Schlittschuhe mitzubringen.<br />
e) Einige Stunden auf der Piste können nicht nur die<br />
Laune heben, sondern sind auch für die Gesundheit gut.<br />
f) In vielen russischen Städten werden schöne Siedlungen<br />
errichtet, mit Bauten und Märchenfiguren aus<br />
Sand.<br />
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5. Kannst du diese zwei Winterrätsel lösen?<br />
a) Wie heißt der große weiße Mann,<br />
der in der Sonne schmelzen kann?<br />
b) Im Winter fallen sie vom Himmel herab,<br />
tanzen vergnügt auf und ab.<br />
Setzen sich nieder auf deine Nas‘,<br />
zergehen sofort, was ist denn das?<br />
Zusammengestellt von Ludmila Urnyschewa<br />
Lösungen<br />
1. Schneeflocke (die), Schneepiste (die), Schneeball (der),<br />
Schneereich (das), Schneemann (der), Schneekönigin (die)<br />
2. a) Schneeflocke; b) Eisbahn; c) Schlitten; d) Frost ; e)<br />
Schnee<br />
3. a) kälteste; b) Glück; c) Schnee; d) Winterspaß; e)<br />
Schneeballschlacht; f) Kragen; g) Frau Holle<br />
4. Falsch: b; c; d; f<br />
5. a) Schneemann; b) Schneeflocken<br />
Адрес редакции: 119 435, Москва, ул. Малая Пироговская, д. 5, оф. 54. E-mail: redaktion@martens.ru Тел.: +7 (495) 937 65 44, +7 ( 495) 246 94 48.<br />
Отпечатано в типографии: ОАО «Издательский дом «Красная Звезда», 123007, Москва, Хорошевское ш., 38.
<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
Ganz großes Ballett<br />
85 Jahre alt und das Tanzen hat kein Ende – Zum Jubiläum von Jurij Grigorowitsch<br />
Feuilleton<br />
09<br />
Ohne ihn wäre die Geschichte des klassischen Balletts nicht vollständig:<br />
Ballettmeister und Choreograph Jurij Grigorowitsch ist eine herausragende<br />
Figur des 20. Jahrhunderts. Seine Innovationen waren keine<br />
stürmische Revolution, die Welt des Tanzes haben sie aber nachhaltig<br />
verändert. Das Genie, das von Terpsichore, der Muse des Tanzes wohl<br />
für die Ewigkeit geküsst wurde, genießt weit über Russlands Grenzen<br />
hinaus Anerkennung.<br />
Die Sonnenstrahlen haben die<br />
Erde kaum berührt, da übt die<br />
Truppe des Bolschoi-Theaters<br />
schon die wohlbekannten Schritte<br />
aus dem Ballett „Romeo und Julia“,<br />
noch vor dem offiziellen Probenbeginn.<br />
Gleich kommt Maestro<br />
Jurij Grigorowitsch und dann muss<br />
die Arbeit in vollem Gange sein.<br />
Halblaut die Melodie vom „Tanz<br />
der Ritter“ vor sich her singend,<br />
reißt er sich immer wieder von<br />
seinem Platz los und tanzt gemeinsam<br />
mit seiner Balletttruppe, um<br />
nicht nur mit Worten, sondern<br />
auch mit dem eigenen Körper zu<br />
vermitteln, welches Ergebnis er<br />
Von Natalia Gubko<br />
von den Tänzern erwartet. Wie ein<br />
Dirigent weist er die Tänzer auf<br />
den richtigen Weg, hat jede Kleinigkeit<br />
unter Kontrolle – Erfolg<br />
oder Miserfolg, alles hängt nur von<br />
ihm ab. Manchen Tänzern liegt<br />
diese Lehrmethode gar nicht und<br />
viele sagen, dass er auf Ideen und<br />
Vorschläge der Tänzer überhaupt<br />
nicht eingeht; er macht, was er will.<br />
„Dem genialen Choreographen,<br />
herausragenden Künstler mit dem<br />
schlechten Charakter. Mit Liebe.“,<br />
hat der Komponist Aram Chatschaturjan<br />
auf den Programmzettel für<br />
Jurij Grigorowitsch am Tag der<br />
„Spartacus“-Premiere geschrieben.<br />
Bei den Proben kann er nicht still sitzen: Jurij Grigorowitsch im Jahr 1978 mit<br />
Ljudmila Semenjaka.<br />
RIA Nowosti (2)<br />
Über seinen Charakter gehen die<br />
Meinungen auseinander, aber dass<br />
er eine bedeutungsvolle Figur im<br />
russischen Ballett ist, bestreitet<br />
niemand ernsthaft.<br />
Das Tanztalent hat er im Blut.<br />
Sein Onkel Georgij Rosaj tanzte<br />
in Sergej Djagilews berühmter<br />
Tanzgruppe „Ballets russes“.<br />
Seine Grundkenntnisse und tänzerischen<br />
Fertigkeiten hat Grigorowitsch<br />
beim Petersburger Choreographen<br />
Alexander Schirjaew,<br />
erworben, der selbst Assistent des<br />
genialen französisch-russischen<br />
Choreographen Marius Petipa<br />
war. Am Kirow-Theater für Ballett<br />
und Oper im damaligen Leningrad<br />
(das heutige Mariinskij Theater)<br />
hat Jurij 18 Jahre getanzt. 1957<br />
bekam er die einmalige Chance,<br />
sich bei einer außerplanmäßigen<br />
Jugendvorstellung als Choreograph<br />
auszuprobieren. 30 Jahre<br />
war er damals alt und diese Vorstellung<br />
wurde zu seinem ersten<br />
choreographischen Erfolg. Seine<br />
Inszenierungen der Ballettstücke<br />
„Die Steinblume“, „Der Nussknacker“,<br />
„Schwanensee“ und „Iwan<br />
der Schreckliche“ beginnen ein<br />
neues Kapitel im russischen Ballett,<br />
im Einklang mit den Traditionen<br />
des klassischen russischen<br />
Balletts.<br />
Für seine Aufführungen ist das<br />
Verschmelzen von Choreografie<br />
und Musik typisch, die innere<br />
Struktur spiegelt sich im Tanz<br />
wider. Der klassische Tanz ist<br />
noch immer die Grundlage, aber<br />
er wird durch Elemente des dramatischen<br />
Tanzes und des Volkstanzes<br />
bereichert. Die Ballettgruppe<br />
wird zur lyrischen Begleitung<br />
der Solotänze. So steigert<br />
der Maestro die Emotionalität der<br />
Vorstellung. Sein Ziel ist nicht nur,<br />
das Publikum mit einwandfreien<br />
Tanzschritten zu begeistern, sondern<br />
auch, bei ihm Mitgefühl zu<br />
wecken und neue Gedankengänge<br />
anzustoßen.<br />
Am Kirow-Theater war Grigorowitsch<br />
von 1961 bis 1964 als<br />
Ballettmeister tätig. Dann wurde<br />
er vom Bolschoi-Theater engagiert<br />
und hat dort mehr als 20 Aufführungen<br />
auf die Bühne gebracht,<br />
unter ihnen Neuinszenierungen<br />
der klassischen russischen Ballettstücke.<br />
Während dieser Zeit zeigte<br />
er sich nicht nur als meisterhafter<br />
Choreograph und Lehrmeister,<br />
sondern entdeckte auch eine Reihe<br />
der heute weltweit berühmten<br />
Balletttänzer wie Wasiljew, Maksimowa<br />
und Lawrowskij. Auch<br />
Nikolaj Zisskaridse hat unter seiner<br />
Leitung getanzt. Mehrmals hat<br />
Grig, wie er von seinen Kollegen<br />
genannt wird, auch für europäische<br />
Bühnen gearbeitet – 1961<br />
wurde „Die Steinblume“ in der<br />
schwedischen königlichen Oper<br />
aufgeführt, 1973 „Der Nussknacker“<br />
in der Wiener Staatsoper,<br />
1976 „Iwan der Schreckliche“ in<br />
der Pariser Nationaloper. Internationale<br />
Tourneen waren selbstverständlich<br />
geworden.<br />
1995 musste Grigorowitsch das<br />
Bolschoi-Theater verlassen. Die<br />
Gründe für die plötzliche Kündigung<br />
bleiben unklar. Aber auch<br />
dieser Rückschlag konnte ihn in<br />
seinem Tatendrang nicht stoppen:<br />
1996 brachte er die Suite aus<br />
dem Ballett von Schostakowitsch<br />
„Goldenes Zeitalter“ auf die Bühne<br />
eines Krasnodarer Theaters und<br />
beschloss, dieses Theater weiter zu<br />
leiten, das daraufhin seinen Namen<br />
erhielt. Im nowosibirischen Theater<br />
für Oper und Ballett wurden<br />
viele seine Meisterwerke aufgeführt,<br />
seine „Rajmonda“ haben<br />
Theater in Prag, Mailand und<br />
Weißrussland gesehen.<br />
Seit 2001 ist er wieder am Bolschoi-Theater.<br />
Am 2. Januar ist Jurij<br />
Grigorowitsch 85 Jahre alt geworden.<br />
Ihm zu Ehren fand am 6. Januar<br />
im Bolschoi-Theater eine Galaveranstaltung<br />
statt, Ballettsuiten seiner<br />
besten Stücke wurden aufgeführt.<br />
Bei einer Probe 1977.<br />
„Obwohl er schon 85 Jahre alt<br />
ist, würde er alle jüngeren Tänzer<br />
an Geschicklichkeit und Ausdauer<br />
übertreffen. Er ist wie aufgezogen<br />
und seine Energie überträgt<br />
sich auf die Tänzern“ sagt Olga<br />
Wasjutschenko, seit 1998 Ballettlehrerin<br />
am Grigorowitsch-Balletttheater<br />
in Krasnodar. „Mit ihm<br />
zu arbeiten ist für mich wie ein<br />
Märchen. Es ist so eine Ehre, von<br />
ihm persönlich ausgesucht worden<br />
zu sein und mit ihm arbeiten<br />
zu dürfen. Er ist sehr anspruchsvoll<br />
und hat keine Lieblingstänzer.<br />
Jurij Nikolajewitsch wird alles<br />
aus einem Tänzer herausholen,<br />
bis er das gewünschte Ergebnis<br />
bekommt. Deshalb sind seine Ballettvorstellungen<br />
so vollkommen<br />
und einwandfrei“.<br />
Der russische Komponist Dmitrij<br />
Schostakowitsch hat bereits 1957,<br />
nach seinem Debüt mit „Der<br />
Steinblume“ von Prokofjew, über<br />
ihn geschrieben „Hier herrscht der<br />
Tanz. Alles ist mit seiner reichsten,<br />
eigenartigsten Sprache erzählt...<br />
das ist eine neue Etappe in der<br />
Entwicklung des sowjetischen Balletts.“<br />
Aber es ist viel mehr, es ist<br />
eine neue Ära in der ganzen Ballettwelt,<br />
die Jurij Grigorowitsch<br />
begründet hat.<br />
Verschleierte Wahrheit<br />
Taryn Simon zeigt, wie Fotos unsere Wahrnehmung verändern können<br />
Fotos, die nicht die Wahrheit sagen, sondern<br />
sie verschleiern, und durch ihre Doppeldeutigkeit<br />
schwere, sogar tödliche Folgen<br />
haben können: Das ist das Thema einer<br />
neuen Ausstellung im Museum für Multimediale<br />
Kunst im Haus der Fotografie in<br />
<strong>Moskau</strong>. Vom 21. Januar bis 19. Februar ist<br />
dort das Werk „Unschuldige“ der amerikanischen<br />
Fotografin Taryn Simon zu sehen.<br />
Die 36-Jährige hat Menschen, die jahrelang<br />
für Verbrechen im Gefängnis saßen,<br />
die sie nie begangen haben, an den Orten<br />
fotografiert, die ihr Leben verändert haben.<br />
An dem Tatort, an dem sie zuvor nie gewesen<br />
sind, am Ort ihrer Verhaftung, an dem<br />
Ort, wo sie waren, als die Verbrechen stattgefunden<br />
haben und die ihnen ein Alibi<br />
gaben – hätte es nicht Augenzeugen gegeben,<br />
die meinten, sie mittels Fotografien<br />
als Mörder, Entführer oder Vergewaltiger<br />
identifizieren zu können.<br />
Die Identifizierung mittels Fotos wird<br />
von den Ermittlern oft eingesetzt, es wird<br />
unterstellt, dass das visuelle Gedächtnis<br />
besonders präzise ist und sich nicht<br />
irrt. Simon beweist mit ihren Bildern das<br />
Gegenteil: dass die Kraft eines Fotos die<br />
Erinnerung ändern kann. Durch Fotografien<br />
wurden unschuldige Bürger zu Kriminellen<br />
und für Verbrechen bestraft, die<br />
andere begangen haben. Die Portraitierten<br />
sind inzwischen wieder freigelassen worden,<br />
DNA-Analysen hatten ihre Unschuld<br />
bewiesen. Einige von ihnen waren zur<br />
Todesstrafe verurteilt worden, andere zu<br />
lebenslangen Haftstrafen.<br />
Die Fotografin berichtet in einem Begleittext<br />
zur Ausstellung von dem Gespräch<br />
mit einem Verbrechensopfer, das den vermeintlichen<br />
Angreifer identifizieren sollte<br />
und deren Aussage zur Verurteilung eines<br />
Unschuldigen mit Namen Ron führte: „Ich<br />
wurde darum gebeten, mir mehrere Fotos<br />
von verschiedenen Männern anzusehen.<br />
Ich wählte Ron aus, weil er in meinem Kopf<br />
am ehesten dem Mann ähnelte, der mich<br />
angegriffen hatte. Aber was wirklich passierte,<br />
war, dass er der Zeichnung, die ich<br />
von meinem Angreifer angefertigt hatte,<br />
ähnlich sah. Als es zur Gegenüberstellung<br />
kam, fragten sie (die Ermittler, Red.), ob ich<br />
die Person identifizieren könnte. Ich wählte<br />
Ron, weil er unterbewusst, in meinem<br />
Kopf dem Foto ähnelte, welches meiner<br />
Zeichnung ähnelte, welche dem Angreifer<br />
ähnelte. Alle diese Bilder wurden zu einem<br />
Bild und Ron wurde zu dem Angreifer.“<br />
Das Projekt stammt aus dem Jahr 20<strong>03</strong>,<br />
die Bilder waren bereits in Galerien in Los<br />
Angeles, London und Berlin zu sehen.<br />
Museum für Multimediale Kunst <strong>Moskau</strong>,<br />
Uliza Ostoschenka 16, M. Kropotkinskaja,<br />
Ausstellung geöffnet vom 21. Januar bis zum<br />
19. Februar.<br />
kal<br />
Taryn Simon hat Ronald Jones an dem Ort fotografiert, wo er verhaftet wurde: Vor einem Supermarkt in<br />
Chicago im Bundesstaat Illinois. Jones hat acht Jahre lang im Gefängnis gesessen, er war wegen Mordes<br />
und Vergewaltigung zur Todesstrafe verurteilt worden.<br />
Taryn Simon
10<br />
<strong>Moskau</strong>er<br />
SPORT<br />
Auf einmal war Lenin weg<br />
Von Tino Künzel<br />
Ihrem Namen nach ist die Ukraine<br />
das „Land an der Grenze“, an<br />
der Peripherie. Im kommenden<br />
Sommer will sie mental einen<br />
Schritt in Richtung Mitte tun.<br />
„Wir Ukrainer möchten uns als<br />
Teil von Europa fühlen“, sagt Markian<br />
Lubkiwskij. Er ist der Chef<br />
des nationalen Organisationskomitees<br />
der EM und glaubt, dass<br />
dem Turnier eine „sehr wichtige,<br />
wenn nicht historische Rolle“ für<br />
die Ukraine zukommt.<br />
Manchmal treibt der Wunsch,<br />
sich dem Ausland in vorteilhaftem<br />
Licht zu präsentieren,<br />
allerdings seltsame Blüten. Die<br />
Kiewer Agentur „Shootgroup“<br />
ließ in einem anderthalbminütigen<br />
Promovideo mit dem Titel<br />
„Switch on Ukraine“ kurzerhand<br />
das 20 Meter hohe Lenin-<br />
Denkmal vom Freiheitsplatz in<br />
Charkiw verschwinden. Dabei<br />
muss der wegretuschierte Ober-<br />
Bolschewist so oder so mit zur<br />
EM: Charkiw ist eine der vier<br />
ukrainischen Gastgeberstädte. Im<br />
Metalist-Stadion trägt Deutschland<br />
am 13. Juni sein Vorrundenspiel<br />
gegen Holland aus. Und<br />
die Fanmeile auf dem riesigen<br />
Freiheitsplatz, wo sich 20<strong>08</strong> rund<br />
300 000 Menschen versammelten,<br />
um „Queen“ spielen zu hören,<br />
wird zu den größten der EM<br />
gehören. Lenin inklusive.<br />
Umso weniger Verständnis<br />
brachten die ukrainischen Me dien<br />
für den verschämten Umgang mit<br />
einem Teil der eigenen Geschichte<br />
auf. Auch der deutsche Filmemacher<br />
Jakob Preuss hält es für<br />
„ungeschickt“, dass die Ukraine<br />
ausgerechnet mit Modernität<br />
werben und den Eindruck vermitteln<br />
wolle, es sei „alles so toll<br />
wie in Europa“, das werde „nicht<br />
gelingen“. Preuss hat 20<strong>08</strong> und<br />
2009 in Zusammenarbeit mit<br />
dem ZDF seine viel beachtete<br />
Sozialstudie „The Other Chelsea“<br />
über den Fußballklub Schachtar<br />
Donezk, seine Verantwortlichen<br />
und Anhänger im Kohlerevier<br />
Donbass gedreht. Für den Berliner<br />
wird die Ukraine seit dem Zusammenbruch<br />
der Sowjet union von<br />
Oligarchen regiert, denen ihre<br />
Partikularinteressen wichtiger<br />
sind als demokratische Grundsätze<br />
oder das Allgemeinwohl. Präsident<br />
Viktor Janukowitsch habe<br />
in den Augen der Bevölkerung<br />
zunehmend abgewirtschaftet. „Es<br />
wäre schlimm, wenn es der immer<br />
autoritärer werdenden Regierung<br />
gelänge, aus der EM politisches<br />
Kapital zu schlagen.“<br />
Schätzen gelernt hat Preuss<br />
indes die „unglaubliche Menschlichkeit“<br />
der Ukrainer. „Nach<br />
Donezk zum Beispiel kommen<br />
nicht sehr viele Ausländer. Da<br />
wird man mit großer Offenheit<br />
und Neugierde empfangen. Ich<br />
würde das jedem als Reiseziel<br />
empfehlen, auch wenn gerade<br />
kein Fußball ist.“<br />
Zunächst einmal aber ist überall<br />
Fußball. „Die Ukrainer haben<br />
Lust auf die Europameisterschaft“,<br />
weiß Preuss. Und nicht<br />
nur das: Sie verstehen auch<br />
etwas vom Fußball. Mit dem<br />
heutigen Nationaltrainer Oleg<br />
Blochin, mit Igor Belanow und<br />
Andrej Schewtschenko wurden<br />
gleich drei Ukrainer Europas<br />
Fußballer des Jahres. 1975,<br />
1986 und 2004 war das. Walerij<br />
Lobanowskij, Trainerpatriarch<br />
von Dynamo Kiew, bis ihn 2002<br />
ein tödlicher Schlaganfall auf<br />
der Bank ereilte, gilt vielen als<br />
einer der größten Fußballweisen<br />
schlechthin. Dynamo Kiew und<br />
Schachtar Donezk haben zusammen<br />
drei Europapokale gewonnen,<br />
den letzten 2009. Auf nationaler<br />
Ebene wechseln sich die<br />
beiden als Meister ab, ansonsten<br />
ist das Niveau mäßig. „Bei den<br />
Zuschauern herrscht Ausflugsstimmung“,<br />
erzählt Regisseur<br />
Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
Neue Züge, alte Herbergen und ein bisschen Retusche: So bereitet sich die Ukraine auf die EM vor<br />
Preuss, der die Atmosphäre als<br />
„angenehm und friedlich“ empfand.<br />
Die heutige Nationalmannschaft<br />
gefiel unlängst beim 3:3<br />
im Testspiel gegen Deutschland,<br />
mit dem das rekonstruierte Kiewer<br />
Olympiastadion eingeweiht<br />
wurde, durch ihr überfallartiges<br />
Umkehrspiel. „Diese Schnelligkeit,<br />
diese Inspiration, Furchtlosigkeit<br />
und Abschlussstärke –<br />
das war eine Offenbarung“, sagt<br />
der ukrainische TV-Kommentator<br />
Alexander Gliwinskij. Damit<br />
habe das Team die Zuschauer in<br />
Euphorie versetzt. Trotzdem wird<br />
die Ukraine ein kleines Wunder<br />
brauchen, um ihre Vorrundengruppe<br />
mit England, Frankreich<br />
und Schweden zu überstehen.<br />
OK-Chef Lubkiwskij demonstriert<br />
augenzwinkernd Selbstbewusstsein:<br />
„Für uns zählt nur der<br />
Turniersieg. Da lachen Sie? Nach<br />
dem 3:3 gegen Deutschland war<br />
ich es, der gelacht hat!“<br />
Mit schnellem Umschalten von<br />
Defensive auf Offensive steuert<br />
die Ukraine inzwischen zumindest<br />
organisatorisch auf ein<br />
Happy End zu. Nach der EM-<br />
Vergabe 2007 hatte die UEFA<br />
lange Zeit ein höheres Tempo<br />
angemahnt und mehr oder weniger<br />
unverhohlen damit gedroht,<br />
ukrainische Austragungsorte von<br />
der Liste zu streichen. Das ist<br />
vom Tisch. Als letztes der vier<br />
Stadien wurde Ende Oktober die<br />
Arena Lwiw in Lemberg eingeweiht,<br />
obwohl noch nicht ganz<br />
fertig. Nach der Winterpause<br />
wird es als neue Heimspielstätte<br />
des Ortsklubs FK Karpaty auf<br />
Herz und Nieren getestet. Mit<br />
der Donbas Arena in Donezk<br />
verfügt die Ukraine über eines<br />
der attraktivsten Stadien in ganz<br />
Europa. Im Kiewer Olympiastadion<br />
findet am 1. Juli das EM-<br />
Finale statt. Nur zehn Minuten<br />
Fußmarsch entfernt, auf dem<br />
durch die „orangen“ Massenproteste<br />
2004 auch international<br />
bekannt gewordenen Unabhängigkeitsplatz<br />
(Maidan), werden<br />
dann 100 000 Menschen auf der<br />
Fanmeile erwartet.<br />
Fraglich ist nach wie vor, wie<br />
sich die Ukraine bei der übrigen<br />
Infrastruktur schlägt. Mangels<br />
Autobahnen werden sich Pkw-<br />
Fahrer über Fernverkehrsstraßen<br />
quälen müssen. An der Landgrenze<br />
zwischen Polen und der<br />
Ukraine, die als EU-Außengrenze<br />
schon im Normalbetrieb lange<br />
Wartezeiten mit sich bringt, sollen<br />
die Kontrollen während der<br />
EM nur auf polnischer Seite<br />
erfolgen, um die Abfertigung zu<br />
beschleunigen.<br />
Die ukrainische Bahn hat<br />
bei Hyundai in Südkorea neue<br />
Triebwagenzüge für den Nahund<br />
Regionalverkehr eingekauft.<br />
Sie sollen zwischen den<br />
EM-Standorten verkehren und<br />
dank 160 Kilometer pro Stunde<br />
Höchstgeschwindigkeit die Fahrzeit<br />
erheblich verkürzen. Bei Turnierbeginn<br />
werden jedoch erst<br />
sechs dieser Züge zur Verfügung<br />
stehen, die Jungfernfahrt ist nicht<br />
vor Mai geplant. Der Löwenanteil<br />
des Passagieraufkommens dürfte<br />
dadurch auf die herkömmlichen<br />
und vergleichsweise preiswerten,<br />
aber langsamen Nachtzüge entfallen.<br />
Sorgen bereitet auch die Bettenkapazität<br />
der Hotels, wobei Markian<br />
Lubkiwskij versichert: „Wir<br />
werden alle Fans und Touristen<br />
unterbringen.“ Gerade im Billigsektor<br />
sei das Angebot groß. Das<br />
betrifft vor allem die überwiegend<br />
aus Sowjetzeiten stammenden<br />
Sanatorien, Ferienlager und<br />
einfachen Bungalowsiedlungen.<br />
Problemlos gestalten sich in<br />
jedem Falle die Einreiseformalitäten.<br />
EU-Bürger können sich<br />
bereits seit Jahren bis zu 90 Tage<br />
visafrei in der Ukraine aufhalten.<br />
Fernsehkommentator Gliwinskij<br />
appelliert an Besucher aus dem<br />
Westen, sie mögen „nachsichtig<br />
sein mit uns“, wenn es während<br />
der EM an der einen oder<br />
anderen Stelle klemme. „Wir sind<br />
wirtschaftlich noch ein Entwicklungsland<br />
und können nicht alles<br />
von heute auf morgen lösen.“<br />
Eines stehe jedoch fest: „Die<br />
EM wird ohne jeden Zweifel ein<br />
großes Fest.“<br />
Ein Oligarch trainiert Donezk<br />
Weil der Trainer verletzt ist, springt bei Schachtar der Präsident ein<br />
Rinat Achmetow ist milliardenschwerer Stahlmagnat, reichster Mann<br />
der Ukraine, Besitzer der teuersten Wohnung Großbritanniens – und<br />
Präsident des ukrainischen Fußballmeisters Schachtar Donezk. Nun wird<br />
er auch noch Cheftrainer des Clubs, zumindest bis der eigentliche Coach<br />
Mircea Lucescu sich von den Folgen eines Autounfalls erholt hat.<br />
Im Rampenlicht steht Rinat Achmetow<br />
nur ungern. Dabei ist der<br />
45-Jährige ein Mann der Superlative.<br />
Mit Kohle und Stahl wurde er<br />
zum reichsten Mann der Ukraine.<br />
Er gönnt sich in London die teuerste<br />
Wohnung Großbritanniens.<br />
In Kiew hat der Parteifreund von<br />
Präsident Viktor Janukowitsch<br />
einen Sitz im Parlament. In seiner<br />
ostukrainischen Heimatstadt<br />
Donezk präsidiert und finanziert<br />
er den Fußballverein Schachtar,<br />
der es 2011 bis ins Viertelfinale<br />
der Champions League schaffte.<br />
Nun wird Achmetow auch noch<br />
Trainer – wenn auch nur vorübergehend.<br />
Er werde in den kommenden<br />
Wochen selbst das Training leiten,<br />
Von Martin Brand und Robert Kalimullin (n-ost)<br />
kündigte Achmetow lächelnd an.<br />
Der eigentliche Trainer Mircea<br />
Lucescu liegt im Krankenhaus.<br />
Er hatte sich auf Heimaturlaub<br />
in Rumänien Anfang Januar bei<br />
einem Autounfall sieben Rippen<br />
lädiert. Der Wagen, in dem Lucescu<br />
saß, war mit einer Straßenbahn<br />
kollidiert. Einen Monat wird es<br />
wohl noch dauern, bis der Erfolgscoach,<br />
seit 2004 in Donezk, vollständig<br />
genesen ist.<br />
Solange will sich Achmetow<br />
auch verstärkt um die sportlichen<br />
Belange kümmern. Seine<br />
Fußball-Leidenschaft teilt der Oligarch<br />
mit anderen Superreichen<br />
wie dem Russen Roman Abramowitsch.<br />
Der feine Unterschied:<br />
Abramowitsch kaufte für teures<br />
Einer der einflussreichsten Männer in<br />
der Ukraine: Rinat Achmetow.<br />
Geld den Londoner Club Chelsea.<br />
Achmetow als Lokalpatriot<br />
dagegen investiert lieber in seiner<br />
Heimat, dem Donbass. Und so<br />
schenkte er der ostukrainischen<br />
Wikipedia<br />
Industriestadt Donezk auch ein<br />
neues Stadion, die Donbas Arena.<br />
In dem 2009 für gut 175 Millionen<br />
Euro errichteten Schmuckkästchen<br />
werden im Sommer mehrere<br />
Gruppenspiele, ein Viertel- und<br />
ein Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft<br />
ausgetragen.<br />
In Donezk rechnet man Achmetow<br />
sein Engagement hoch an.<br />
Denn er hat nicht nur Schachtar<br />
zu internationalem Fußballruhm<br />
verholfen. Achmetow agiert auch<br />
als Wohltäter und ist Arbeitgeber<br />
für 200 000 Menschen. An<br />
mehr als 100 Unternehmen ist<br />
der Sohn eines tatarischen Bergarbeiters<br />
beteiligt, die er in der<br />
Holding System Capital Management<br />
gebündelt hat. Deren Umsatz<br />
beträgt nach eigenen Angaben<br />
knapp 13 Milliarden Dollar. Zum<br />
Vergleich: Die Staatseinnahmen<br />
der Ukraine im Jahr 2010 lagen bei<br />
unter 40 Milliarden Dollar.<br />
Achmetows sagenhafter Aufstieg<br />
in den 90er Jahren gab immer<br />
wieder Anlass zu Spekulationen<br />
über Verbindungen in die Halbwelt.<br />
Mit einem Team von PR-<br />
Profis und Juristen setzt sich der<br />
Geschäftsmann gegen solche Vorwürfe<br />
zur Wehr. Doch aller wirtschaftlichen,<br />
sportlichen und politischen<br />
Erfolge zum Trotz folgt<br />
die unklare Herkunft seines ersten<br />
Vermögens ihm wie ein Schatten,<br />
sogar bis nach Amerika. So soll<br />
Achmetow Probleme haben, ein<br />
längerfristiges Visum für die USA<br />
zu bekommen, obwohl er dort<br />
über eine Milliarde Dollar in ein<br />
Kohleunternehmen investiert hat.<br />
Derzeit aber hat Achmetow<br />
andere Sorgen. Mitte Januar flog er<br />
nach Bukarest, um sich nach dem<br />
Wohlbefinden von Coach Lucescu<br />
zu erkundigen. Glück im Unglück:<br />
Auch im ukrainischen Fußball ist<br />
gerade Winterpause. Sein nächstes<br />
Spiel bestreitet Donezk, mit<br />
einem Punkt Rückstand auf Dynamo<br />
Kiew Tabellenzweiter, erst am<br />
3. März.
<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012 Russlands nachbarn11<br />
Euro-Ernüchterung in Estland<br />
Nach einem Jahr in der Eurozone macht sich im baltischen Musterland Ernüchterung breit<br />
Nach einem Jahr in der Eurozone ist die Regierung in Tallinn zufrieden, doch das Volk<br />
ist gespalten. Ausgerechnet zu Beginn des Euro-Krisenjahres führte Estland 2011 die<br />
Gemeinschaftswährung ein. Die Regierung zieht eine positive Jahresbilanz und rühmt<br />
sich der geringen Staatsverschuldung: Estlands Image habe sich verbessert, was zu mehr<br />
Investitionen und einem Wachstum von satten acht Prozent führte. Dass die Ostseerepublik<br />
über den Euro-Rettungsfonds Milliardenzusagen für Griechen, Portugiesen und Iren gibt,<br />
kommt bei der Bevölkerung nicht gut an. Viele Esten klagen über steigende Preise – und<br />
immer mehr junge Akademiker suchen nach Perspektiven im Ausland.<br />
Jürgen Ligi ist zufrieden und auch etwas<br />
stolz. In seinem Büro in Tallinn zieht Estlands<br />
Finanzminister eine positive Bilanz:<br />
„Die Regierung hat es nie bereut, Estland<br />
in die Eurozone geführt zu haben.“ Der<br />
52-Jährige freut sich über ein Wachstum<br />
von acht Prozent im dritten Quartal und<br />
über das gute Image seines Landes: „Das<br />
Vertrauen der Märkte in Estland ist gestiegen<br />
und wurde nicht enttäuscht.“<br />
Keiner der 17 Euro-Staaten hat eine geringere<br />
Staatsverschuldung als die Baltenrepublik,<br />
die in vielen Medien als Gegenmodell<br />
zu Griechenland und Portugal gepriesen<br />
wird und sich unter dem Slogan „E-Stonia“<br />
als innovatives Land präsentiert. Auch die<br />
Rating-Agenturen loben die Fiskalpolitik:<br />
Die Überschüsse aus den Boomjahren zwischen<br />
2000 und 2007 zahlte man in einen<br />
Stabilisierungsfonds ein, der ein Neuntel<br />
des Bruttoinlandsprodukts beträgt und in<br />
schlechten Zeiten Spielraum gibt. So kam<br />
Estland besser durch die globale Finanzkrise<br />
als der Nachbar Lettland – und fährt nun<br />
die Ernte ein.<br />
Im ersten Halbjahr 2011 investierten ausländische<br />
Unternehmen 858,5 Millionen<br />
Euro und nie zuvor reisten so viele Touristen<br />
an die Ostsee. „Viele Gäste erzählen, dass<br />
sie die Medienberichte neugierig auf unser<br />
Land gemacht haben“, sagt Feliks Mägus, der<br />
Chef des Hotel- und Gaststättenverbands.<br />
Zwischen Januar und Oktober kamen mehr<br />
als 1,5 Millionen Touristen, darunter fast<br />
100 000 Deutsche. „Viele mögen es, dass sie<br />
kein Geld mehr wechseln müssen und Preise<br />
besser vergleichen können“, so Mägus.<br />
Von Matthias Kolb (n-ost)<br />
Allerdings lernt die Regierung in Tallinn<br />
auch die Schattenseiten des Euro kennen:<br />
Im Herbst stimmte das Parlament<br />
der Beteiligung am Rettungsschirm EFSF<br />
zu und so wird Estland im Ernstfall mit<br />
bis zu 1,995 Milliarden Euro haften. „Aus<br />
deutscher Sicht ist das wenig, aber im<br />
Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt<br />
garantiert kein anderes Euro-Land für eine<br />
höhere Summe“, sagt Minister Ligi, dessen<br />
Regierung Kanzlerin Angela Merkel<br />
in der Schuldenkrise unterstützt. Anders<br />
als in Finnland gibt es in Estland keine<br />
euroskeptische Partei, die die Bedenken<br />
der Bürger kanalisiert. So kursiert unter<br />
estnischen Facebook-Nutzern eine Grafik,<br />
in der Estlands Lohnniveau und Arbeitslosenquote<br />
mit den griechischen Werten<br />
verglichen werden. Laut der Tabelle liegt<br />
das Mindestgehalt in Estland bei 278 Euro,<br />
in Griechenland dagegen bei 863 Euro. Die<br />
Arbeitslosenquote in Estland ist mit 13,8<br />
Prozent deutlich höher als in Griechenland<br />
(6,2 Prozent). Überschrieben sind die Zahlen<br />
mit dem Slogan: „Und wer beschwert<br />
sich?“.<br />
Diese Grafik vergleicht Arbeitslosenquote, Lohn- und Rentenniveau und Kaufkraft von Griechenland und<br />
Estland. Bei den estnischen Facebook-Nutzern ist sie sehr beliebt.<br />
n-ost<br />
„Ich finde es nicht gut, dass wir für die<br />
Fehler der Griechen und Portugiesen einstehen“,<br />
sagt die 77-jährige Urve. Sie verkauft<br />
Strickwaren an einem Stand in der<br />
Tallinner Altstadt und findet: „Wer über<br />
seine Verhältnisse gelebt hat, sollte seine<br />
Probleme durch Sparen lösen.“ Ein Kunde<br />
ist unsicher: „Eigentlich ist es richtig,<br />
solidarisch zu sein, doch zugleich ärgert<br />
es mich, dass ich als Rentner 300 Euro<br />
bekomme und ein Grieche sechs Mal so<br />
viel erhält.“ Andere Esten denken europäischer:<br />
„Wir haben enorm von den Strukturfonds<br />
der EU profitiert, und nun können<br />
wir etwas zurückgeben“, findet Urmas. Den<br />
Angestellten stört jedoch, dass viele Preise<br />
vor der Euro-Einführung erhöht und dann<br />
aufgerundet wurden. Da die Löhne stagnieren,<br />
wirkt die Inflation von fünf Prozent<br />
noch stärker. Auch Urmas hat auf Reisen<br />
bemerkt, dass sich das Image ändert: „Wir<br />
werden nicht länger als Ex-Sowjetrepublik<br />
gesehen.“<br />
Allerdings hinterfragen gerade die jungen<br />
Esten das Selbstbild ihres Landes. „Die Politiker<br />
sollten nicht immer mit unseren niedrigen<br />
Schulden angeben, sondern wahrnehmen,<br />
dass die Lebenserwartung für Männer<br />
nirgends in Europa niedriger ist als hier<br />
und die Zahl der HIV-Infizierten am höchsten<br />
ist“, meint der Designer Markko Karu.<br />
Viele Esten hätten Probleme, die Kredite<br />
zurückzuzahlen, die sie in den Boomjahren<br />
aufgenommen haben. Karu stört vor allem,<br />
dass die Regierung sehr auf Zahlen fixiert<br />
sei und die Menschen dahinter vergesse.<br />
Dabei liegt die Arbeitslosigkeit bei 13,8<br />
Prozent und jeder fünfte Este im Alter<br />
zwischen 18 und 24 Jahren lebt in relativer<br />
Armut. Das soziale Klima ist rauer geworden<br />
und immer mehr Akademiker suchen<br />
nach Jobs im Ausland: Experten schätzen,<br />
dass allein in Skandinavien 100 000 Esten<br />
arbeiten. Auch Karu wird immer öfter zu<br />
Abschiedspartys eingeladen: „Für sie spielt<br />
es keine Rolle, ob man in Estland mit Euros<br />
oder mit Kronen bezahlt.“<br />
Geheimtipp Lettland<br />
Immer mehr junge Deutsche beginnen ihr Medizinstudium in Riga<br />
Unter deutschen Medizinstudenten gilt Riga als Geheimtipp. Wer in Deutschland vergeblich<br />
auf einen Studienplatz wartet, kann in der lettischen Hauptstadt mit dem Studium<br />
beginnen und darauf hoffen, nach dem Physikum zurückzukehren. Ein Studienplatz kostet<br />
3.500 Euro pro Semester. An der Stradina Universität in Riga kommt fast jeder Zweite der<br />
500 ausländischen Medizinstudenten aus Deutschland.<br />
Reuters<br />
Bereits am frühen Morgen geht es im<br />
Foyer der Stradina Universtität in Riga zu<br />
wie im Taubenschlag. Einige Studierende<br />
sind bereits im weißen Arztkittel zum<br />
Seminar unterwegs, während die letzten<br />
noch eilig ihre Mäntel an der Garderobe<br />
abgeben. Auffällig ist das Sprachgewirr an<br />
der medizinischen Fakultät: Hier wird Lettisch<br />
gesprochen, dort Schwedisch, andere<br />
beraten sich auf Norwegisch oder Englisch.<br />
Eine größere Gruppe ereifert sich soeben<br />
auf Deutsch, bevor sie den Hörsaal betritt.<br />
Einer von ihnen ist Toni aus Halle an der<br />
Saale. „Mit einem Notendurchschnitt von<br />
1,6 habe ich zu Hause keinen Studienplatz<br />
bekommen“, erzählt er. „Ich will meine<br />
Wartezeit nicht mit unnötigen Praktika<br />
verbringen, deshalb bin ich nach Lettland<br />
gegangen.“<br />
Im zweiten Semester wollen 85 Studierende<br />
aus Deutschland, Schweden und<br />
Norwegen Ärzte werden. Zuhause haben<br />
sie wegen des hohen Numerus Clausus<br />
(NC), der bei 1,3 liegt, keinen Studienplatz<br />
erhalten. An der Stradina Universität in<br />
Riga wurden sie ohne bürokratische Hürden<br />
für den englischsprachigen Medizin-<br />
Studiengang aufgenommen. Die meisten<br />
allerdings gehen nach dem Physikum wieder<br />
zurück nach Deutschland. Grund sind<br />
die hohen Gebühren. Zwar verlangen auch<br />
Die Altstadt von Riga<br />
Von Birgit Johannsmeier (n-ost)<br />
viele deutsche Unis bis zu 500 Euro pro<br />
Semester, einzelne Bundesländer haben die<br />
Studiengebühren aber wieder abgeschafft.<br />
In Lettland dagegen kostet ein Medizinstudium<br />
7 000 Euro im ersten Studienjahr und<br />
wird anschließend richtig teurer.<br />
Wer Ausbildungsförderung erhält, hat<br />
Glück, denn die Kosten werden vom Auslandsbafög<br />
nahezu gedeckt. Andere, wie<br />
Johanna aus Schleswig-Holstein, werden<br />
von den Eltern unterstützt. „Ich bin so<br />
dankbar, dass ich die Möglichkeit habe,<br />
hier zu studieren. Und ich bleibe auch hier,<br />
wenn ich nach dem Physikum im vierten<br />
Semester zu Hause immer noch keinen<br />
Platz bekomme.“<br />
Liga Aberberga ist Professorin an der<br />
medizinischen Fakultät in Riga. Seit Lettlands<br />
Unabhängigkeit vor 21 Jahren hat<br />
sie am Aufbau des englischsprachigen Studiengangs<br />
mitgewirkt und bereits viele<br />
hundert Ärzte ausgebildet. Die Uni hoffte<br />
auf ein lukratives Geschäft „Früher hatten<br />
wir Studenten aus Sri Lanka, Pakistan und<br />
Israel, plötzlich haben wir Deutsche. In<br />
der ersten Gruppe waren drei Studierende,<br />
im nächsten Jahr waren es doppelt so<br />
viele und heute gibt es sogar rein deutsche<br />
Gruppen.“<br />
Mehr als 500 angehende Mediziner aus<br />
dem Ausland werden an der Stradina Universität<br />
in Riga derzeit ausgebildet, allein<br />
206 kommen aus Deutschland. Für die<br />
Dekanin Smuidra Zermanos ist das ein<br />
großer Erfolg. Seit Jahren wirbt sie auf<br />
Bildungsmessen für das lettische Medizinstudium.<br />
Heute kann die Hochschule von<br />
den Studiengebühren ihr gesamtes Lehrpersonal<br />
finanzieren. „Wir spüren einen<br />
großen Wettbewerb“, sagt sie. „Allein in<br />
Osteuropa werden jährlich zwanzig neue<br />
Medizinstudiengänge aufgemacht. In Lettland<br />
hat keine Uni so viele Studierende<br />
aus dem Ausland wie wir.“ Außerdem hilft<br />
der Studiengang mit, die Bologna-Reform<br />
zu erfüllen. Denn bis zum Jahr 2015 sollte<br />
jeder zehnte Hochschüler in den Ländern<br />
der Europäischen Union ein Ausländer<br />
sein.<br />
Julia Schümann ist eine der ersten Deutschen,<br />
die nach dem Physikum in Lettland<br />
geblieben sind und einen Studienplatz<br />
in Deutschland ausgeschlagen haben. Sie<br />
setzt auf das lettische Studieren in der<br />
Zweiergruppe, was ein intensives Lernen<br />
ermöglicht. „Das ist beinahe Privatunterricht.<br />
Mal werde ich in den OP mitgenommen,<br />
mal darf ich assistieren oder<br />
mir sehr schwierige Fälle anschauen“, sagt<br />
sie und betont: „In Deutschland wäre das<br />
unmöglich.“
12<br />
<strong>Moskau</strong>er<br />
russlands regionen<br />
Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
Den Deutschen auf der Spur<br />
Freiwillige aus Russland und Deutschland organisieren eine alternative Stadtführung durch St. Petersburg<br />
Was ist deutsch an St. Petersburg? 15 Jugendliche wollten es wissen.<br />
Zweieinhalb Monate lang haben sie im Rahmen des Projektes<br />
„ANDERSground“ recherchiert, fotografiert und Interviews geführt. Das<br />
Ergebnis ist eine ungewöhnliche Stadtführung, welche die deutschrussischen<br />
Beziehungen in den Vordergrund rückt.<br />
Die beiden Koordinatoren des Projektes ANDERSground, Boris Romanow und Julia Iwanowa, Daniel Monahow, ein freiwilliger<br />
Helfer, Daniel Ricco, Kulturreferent beim Generalkonsulat, Werner Siegel vom Deutschen Konsulat und Lena Edich, die Vertreterin<br />
des Deutsch-Russischen Forums in <strong>Moskau</strong> (von links nach rechts) beim ersten alternativen Stadtrundgang in St. Petersburg.<br />
Es ist heiß im kleinen Ausstellungssaal<br />
der „Fish Fabrique“ in<br />
St. Petersburg. Im Club drängen<br />
sich etwa 30 neugierige Besucher<br />
um ein paar Bistrotische. Sie lauschen<br />
deutscher Musik und greifen<br />
nach Wurst- und Käsehäppchen.<br />
An den Wänden hängen<br />
Porträt-Fotos von Deutschen,<br />
die in St. Petersburg leben und<br />
arbeiten.<br />
Die Ausstellung ist zugleich<br />
Vorgeschmack und Ausgangspunkt<br />
einer alternativen Entdeckungstour<br />
durch die Stadt. Das<br />
Besondere: Jeder Ort stellt ein<br />
aktuelles „Deutschprojekt“ vor.<br />
Der Koordinator Boris Romanow<br />
erklärt: „Wir wollen über<br />
den aktuellen Stand der Dinge<br />
berichten. Wir haben uns gefragt:<br />
Wer lebt und arbeitet heute in<br />
St. Petersburg? Diese Menschen<br />
wollen wir vorstellen.“<br />
Das Projekt zeigt, wie Deutsche<br />
und Russlanddeutsche die Kulturentwicklung<br />
der ehemaligen<br />
russischen Hauptstadt beeinflussten,<br />
wie deutsche Ideen vor<br />
Ort realisiert werden und welche<br />
Austauschbeziehungen zwischen<br />
Russen und Deutschen bestehen.<br />
Sieben Stationen hat der 26-jährige<br />
Russe im Parcours integriert.<br />
Das Goethe-Institut, die Petri-<br />
Kirche, und der Tanzclub „Dat-<br />
Von Katrin Herms<br />
scha“ dürfen dabei natürlich<br />
nicht fehlen. Jeden Schauplatz<br />
beschreiben die Freiwilligen mit<br />
ein paar markanten Details über<br />
die deutsch-russischen Beziehungen.<br />
Wer hätte zum Beispiel<br />
gedacht, dass im alten Konsulatsgebäude<br />
schon einmal die Dresdner<br />
Bank untergebracht war? Es<br />
soll auch um die Widersprüche<br />
der deutsch-russischen Beziehungen<br />
in der jüngsten Geschichte<br />
der Stadt gehen.<br />
Für Boris Romanow ist das Projekt<br />
mit dem Namen „ANDERSground“<br />
auch ein persönliches<br />
Experiment. Denn zum ersten<br />
Mal hat er ein Organisationsteam<br />
von rund 15 Freiwilligen koordiniert<br />
– und das ehrenamtlich. Die<br />
Aufgaben teilt er sich mit seinen<br />
Kolleginnen Julia Iwanowa und<br />
Olga Skobina vom Deutsch-Russischen<br />
Autausch. Das Projekt<br />
hat schließlich auch das Büro<br />
des Deutsch-Russischen Forums<br />
in <strong>Moskau</strong> überzeugt. Sie haben<br />
„ANDERSground“ mit dem Förderpreis<br />
für Alumni des Netzwerkes<br />
„hallo Deutschland“ ausgezeichnet.<br />
30 Projekte hatten<br />
sich um diesen Preis beworben,<br />
der besonders innovative Ideen<br />
unterstützt.<br />
Lena Edich vom Deutsch-Russischen<br />
Forum sagt: „‚ANDERSground‘<br />
hat uns überzeugt, weil<br />
die Weiterbildung der Mitwirkenden<br />
im Vordergrund steht.<br />
Nicht nur die Exkursionsteilnehmer,<br />
sondern vor allem die Freiwilligen<br />
lernen bei der Organisation<br />
der Stadtführung etwas<br />
für ihre Zukunft.“ So auch Maxie<br />
Syren. Die deutsche Freiwillige<br />
ist 21 Jahre alt und studiert<br />
in Deutschland Europawissenschaften.<br />
Bei ihrem Auslandssemester<br />
in St. Petersburg fehlte<br />
ihr vor allem der Kontakt zu<br />
russischen Muttersprachlern. „In<br />
meinem Studiengang verbringen<br />
wir die meiste Zeit mit anderen<br />
internationalen Studenten.<br />
Ich rede immer nur Englisch<br />
und habe nach einer Möglichkeit<br />
gesucht, mehr Russen kennenzulernen“,<br />
sagt sie. „Dafür<br />
war das Projekt perfekt.“ So wie<br />
Maxie stammt etwa die Hälfte<br />
der Freiwilligen aus Deutschland,<br />
die andere Hälfte hat einen russischen<br />
Pass. So konnte die erste<br />
Stadtführung problemlos zweisprachig<br />
stattfinden.<br />
Die nächste Version der alternativen<br />
Stadtführung ist für<br />
die Deutsche Woche im April<br />
ge plant. Dann soll das Publikum<br />
allerdings mit Bussen durch die<br />
Petersburger City transportiert<br />
werden. So können auch abgelegenere<br />
Stationen – etwa am<br />
Ligowskij Prospekt – mit ins Programm<br />
genommen werden.<br />
Katrin Herms<br />
Russland, ein Märchen<br />
Russische Provinzen wollen mit fiktiven Buchfiguren Touristen ins Land locken<br />
Seine Hütte in <strong>Moskau</strong> ist leer. Er selbst<br />
– verreist. Oder eher heimgekehrt in den<br />
hohen Norden, wo er sich von den Strapazen<br />
der letzten Tage erholt. „Ded Moros“,<br />
das Väterchen Frost, ist vor allem im Winter<br />
ein gefragter Mann in Russland. Das<br />
Land tut viel für den kommunistischen<br />
Weihnachtsmann-Ersatz, baut ihm Holzdatschen<br />
in der Hauptstadt, errichtet Residenzen<br />
in der Provinz. Nun soll die Ehre<br />
nicht nur dem bärtigen <strong>VI</strong>P im roten Mantel<br />
zukommen. Die Verwaltungen quer durch<br />
Russ land haben russische Märchen für sich<br />
entdeckt – und wollen sich mit Sagengestalten<br />
zu touristischen Attraktionen mausern.<br />
Das Gebiet Jaroslawl am Goldenen<br />
Ring punktet da mit der Hexe „Baba Jaga“,<br />
„Buratino“, das russische Pendant zu Pinocchio,<br />
soll Kaliningrad, ehemals Königsberg,<br />
zu größerer Bekanntheit verhelfen. Und der<br />
Schneemann lebt angeblich in Archangelsk,<br />
der Erzengel-Stadt am Weißen Meer.<br />
So steht das auf „Russlands Märchenkarte“,<br />
die russische Marketingexperten nun<br />
mit Leben zu erfüllen versuchen. Vor allem<br />
in strukturschwachen Regionen des riesigen<br />
Landes soll das Projekt gedeihen – auch als<br />
Abgrenzung zum westlichen Disneyland.<br />
Das große Ziel der Macher: Der Tourismus<br />
soll angekurbelt werden, auch für ausländische<br />
Gäste.<br />
Problematisch ist in manchen Fällen die<br />
Zuordnung: Welche Sagenfigur kommt aus<br />
welcher Region? Anlass zu Diskussionen<br />
gibt die Herkunft der Teigkugel Kolobok.<br />
Der Heimatkundler Sergej Petrow aus dem<br />
Gebiet Uljanowsk hat im Wörterbuch von<br />
Dal das Wort „kolebjatka“ («колебятка»)<br />
gefunden, das Teigrest bedeutet. Dieses<br />
Wort war im Simbirischen Gouvernement<br />
(Uljanowsker Gebiet) gebräuchlich. Davon<br />
leite sich der Name Kolobok ab, weswegen<br />
die naive Märchenfigur aus Uljanowsk<br />
komme. Der Antrag, als Heimat des Kolobok<br />
anerkannt zu werden, wurde vom<br />
Gebiet Uljanowsk im vergangenen Jahr<br />
gestellt, geplant sind nun ein Märchenpark<br />
inklusive Kolobok-Haus, einem Spielplatz<br />
und einer Backstube.<br />
Aber die Konkurrenz schläft nicht: In der<br />
Twerer Region sagen die Leute Kolobucha<br />
zu einem größeren Teigfladen, was auch<br />
Twer gute Chancen auf den Titel „Heimatstadt<br />
des Kolobok“ einräumt. Und im<br />
Park von Donezk in der Ukraine steht eine<br />
schmiedeeiserne Figur der Teigkugel, fern<br />
der vermeintlichen Heimat. Denn auch<br />
die Ukraine beansprucht den Teigkloß für<br />
sich, er ist auf der ukrainischen Märchenkarte<br />
eingezeichnet. Die Figur des Kolobok<br />
kommt übrigens auch in den Märchen<br />
anderer Länder vor, zum Beispiel in Norwegen<br />
und in Deutschland, dort besser<br />
bekannt als der „dicke fette Pfannkuchen“.<br />
Der Verlauf der Erzählungen unterscheidet<br />
sich ein wenig von Land zu Land, nur das<br />
Ende ist überall gleich: Der Teigkloß wird<br />
gegessen.<br />
Von den Zuordnungsproblemen einmal<br />
abgesehen, sind die Märchenfiguren gar<br />
keine schlechte Idee, dümpelt doch die<br />
russische Tourismusindustrie seit Jahren<br />
vor sich hin. Die meisten ausländischen<br />
Besucher gehen lediglich auf Städtetour<br />
nach <strong>Moskau</strong> und St. Petersburg. Gruppen<br />
unternehmen oft eine Fahrt auf der Wolga,<br />
manche Individualtouristen verirren sich<br />
an den Baikalsee oder ins Altai-Gebirge.<br />
Auf der Karte beliebter Reiseziele bleibt<br />
Russland ein weißer Fleck.<br />
Der Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt<br />
des größten Flächenstaates<br />
der Erde liegt bei lediglich 6,5 Prozent. Im<br />
Weltdurchschnitt sind es 9,4 Prozent. 2,1<br />
Millionen Ausländer besuchten 2010 das<br />
Land, die Deutschen waren mit 350 000<br />
Touristen die größte Gruppe. Das reiche<br />
aber nicht, stellte Ministerpräsident Wladimir<br />
Putin fest, die Zahl der Touristen<br />
solle bis 2018 auf das Sechsfache wachsen.<br />
Der russische Verband der Reiseunternehmer<br />
ist allerdings skeptisch. 18 Ursachen<br />
haben die Mitglieder ausgemacht,<br />
warum die Menschen das unbekannte Russland<br />
meiden. Vor allem Visa-Hürden und<br />
die Sprache führen sie an. Aber es mangele<br />
auch an modernen Kreuzfahrtschiffen und<br />
Reisebussen, sagt Sprecherin Irina Tjurina.<br />
Dabei ist das Fortkommen im Land<br />
bestens möglich. Bis ins kleinste Dorf<br />
fahren Züge und Busse. Wenn nicht, verwandelt<br />
sich nahezu jeder Autofahrer in<br />
einen Taxibetrieb für wenig Geld. Nur<br />
Russisch muss man können – für die meisten<br />
Touristen ein Schrecken. Während in<br />
Peking zum Beispiel nahezu alle Schilder<br />
auch auf Englisch verfasst sind, sind in<br />
<strong>Moskau</strong> nicht einmal die Metro-Stationen<br />
in lateinischer Schrift angeschrieben. In<br />
der Provinz, die selbst Putin als „einmalig<br />
schön“ bezeichnet, findet sich kaum<br />
jemand, der Englisch spricht.<br />
„Ded Moros“ ist da bereits viel weiter.<br />
Deutsch beherrscht der russische Weihnachtsmann,<br />
wenn er in <strong>Moskau</strong> weilt,<br />
nahezu perfekt – weil sein Darsteller Wlad<br />
Demtschenko einst in Wien am Theater<br />
spielte.<br />
Inna Hartwich<br />
Kathrin Aldenhoff<br />
Auf der aktuellen russischen Märchenkarte ist der Kolobok noch nicht eingetragen.<br />
<strong>Moskau</strong>er Assoziation der Landsmannschaften
<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012 Ausflugstipp13<br />
„Und in der Nacht wird tief sein euer Schlaf!“<br />
Ein Wanderclub animiert zur Erkundung der <strong>Moskau</strong>er Umgebung – zu jeder Jahreszeit<br />
Woche für Woche sammeln sie sich auf den großen <strong>Moskau</strong>er Bahnhöfen,<br />
um gemeinsam nach einer kurzen Fahrt mit der Vorstadtbahn in die<br />
Wälder und Felder zu ziehen, an Flüssen und Stauseen entlang, zu<br />
halb verfallenen Landsitzen oder anderen Sehenswürdigkeiten des<br />
Naherholungsgebiets um <strong>Moskau</strong>. Keine kommerziellen, politischen,<br />
religiösen oder beruflichen Interessen verbinden sie. Aber etwas eint<br />
sie alle: die Gabe, das Leben in seiner ganzen Fülle und Einfachheit zu<br />
lieben und ohne Grund glücklich zu sein – wenn nur die Möglichkeit<br />
besteht, aus eigenen Kräften die Welt zu erwandern. Das sind die<br />
Wanderfreunde vom Club für Wochenendmärsche.<br />
Die russische Leidenschaft für<br />
Abkürzungen hat auch vor naturverbundenen<br />
Menschen nicht<br />
Halt gemacht: PWD ist das Codewort<br />
für Eingeweihte. „Pochody<br />
wychodnogo dnja“. Auf Deutsch<br />
wäre das WEM – Wochenendmärsche.<br />
Der Begriff erstreckt<br />
sich mittlerweile auch auf die<br />
Werktage. Die PWD haben sich<br />
im <strong>Moskau</strong>er Städtischen Zentralen<br />
Tourismusklub eingenistet.<br />
Derzeit haben Wanderlustige die<br />
Auswahl unter 70 eingetragenen<br />
Gruppenleitern, die alle unentgeltlich<br />
arbeiten. Jede Unternehmung<br />
zieht zwischen zehn und<br />
300 Menschen an. So kommt es,<br />
dass jeden Tag einige Tausend<br />
Gleichgesinnte unterwegs sind.<br />
Einer der Vordenker der WEM-<br />
Gruppenleiter Alexej Korinskij (links) haut in die Klampfe. Gemeinsames Singen schweißt zusammen.<br />
Irina Sabitowa (4)<br />
Oft tauchen solche Meisterwerke der Architektur wie Gespenster aus vergangenen<br />
Epochen am Wegesrand auf.<br />
„Bewegung“, Lew Chaninajew,<br />
erklärt: „Der Tourismusclub ist<br />
eine ganz seriöse Einrichtung,<br />
dort werden mehrtätige Ausflüge<br />
geplant und sportliche Ränge<br />
vergeben. Unsere Sektion ist<br />
dagegen bewusst informell und<br />
locker. Alle Ausflüge, Konzerte<br />
und literarischen Veranstaltungen<br />
sind kostenlos.“<br />
Das hindert die Gemeinschaft<br />
nicht daran, dass die einzelnen<br />
Gruppenleiter gewissenhaft und<br />
voller Begeisterung an ihre Aufgaben<br />
herangehen. Der Name<br />
des Gruppenleiters steht für das<br />
Programm. Er ist die Visitenkarte<br />
für das bevorstehende Event. So<br />
können im Voraus die thematische<br />
Orientierung, die zurückzulegende<br />
Kilometerleistung,<br />
das Tempo der Fortbewegung,<br />
die Dauer der Pausen, die Zeit<br />
der Rückkehr und die Kategorie<br />
der Teilnehmer erahnt werden.<br />
Geht es mit oder ohne Kinder in<br />
die Natur, wird Rücksicht auf die<br />
älteren Teilnehmer genommen,<br />
was passiert am Bestimmungsort?<br />
Die einen spielen Volleyball<br />
oder Gitarre, die anderen schauen<br />
sich Gebäude an, wieder andere<br />
kochen Suppen. Es gibt die verschiedensten<br />
Gruppen. Die einen<br />
legen praktisch einen Marathon<br />
hin, die anderen bevorzugen das<br />
Von Irina Sabitowa<br />
Schneckentempo, um in Ruhe<br />
die den Wegesrand säumenden<br />
Merkwürdigkeiten zu genießen.<br />
Im Winter werden gerne Skier<br />
angeschnallt und im Sommer<br />
auch mal Fahrräder mitgenommen.<br />
Die Gruppenleiter müssen keine<br />
besondere Ausbildung haben,<br />
aber oft lassen sich unter ihnen<br />
hoch qualifizierte Instruktoren<br />
antreffen wie zum Beispiel Alexej<br />
Korinskij, der in den Kategorien<br />
Fußmarsch, Langlauf und<br />
Abfahrt die Gruppenqualifikation<br />
beim Städtishen Tourismusclub<br />
erworben hat. Auch Meister<br />
des Sports sind dabei wie<br />
etwa Tatjana Popowa, mehrfache<br />
<strong>Moskau</strong>-Meisterin im Schwimmen.<br />
Sergej Kambalin spezialisiert<br />
sich auf Führungen an Orte,<br />
zu denen so schnell niemand von<br />
alleine gelangt. Auch die Persönlichkeiten<br />
der Gruppenleiter sind<br />
in der Regel erfrischend vielseitig.<br />
Der Elektroniker Kambalin<br />
musste unlängst seinen Betrieb<br />
dicht machen, erlernte innerhalb<br />
einiger Monate Japanisch und<br />
übersetzt seitdem Gebrauchsanleitungen<br />
ins Russische. Der<br />
Hochschuldozent Korinskij ist<br />
geeignet für besonders neugierige<br />
Teilnehmer, denn er ist zweifacher<br />
Champion der legendären<br />
Teleshow Brain-Ring, einem<br />
Ratespiel für alle möglichen Fragen.<br />
Die Wanderfreunde vergessen<br />
auch die Ökologie nicht. Letzten<br />
Herbst wurden Subbotniks für<br />
die Säuberung von Waldschneisen<br />
durchgeführt. An die Teilnehmer<br />
wurden Gedenkmedaillen<br />
verteilt. Bei aller Schönheit der<br />
Natur sticht in Russland immer<br />
wieder die Vermüllung der Landschaft<br />
ins Auge.<br />
Der erste Verfechter solcher<br />
Erkundungs- und Gesundungsausflüge<br />
war niemand anderes<br />
als der Dichterfürst Alexander<br />
Puschkin. Der Gruppenleiter<br />
Nikolaj Sgura führt zur Erhärtung<br />
dieser These die Zeilen an,<br />
die Puschkin einst in der Nähe<br />
des Örtchens Sacharow in der<br />
<strong>Moskau</strong>er Umgebung niedergeschrieben<br />
hat:<br />
„Meine Freunde! Nehmt den<br />
Wanderstab,<br />
Durchstreift den Wald und<br />
schlendert durch das Tal,<br />
Erklimmt die Gipfel steiler Hügel<br />
Und in der Nacht wird tief sein<br />
euer Schlaf!“<br />
Der Wanderclub hat eine eigene<br />
Website: gctk.narod.ru. Die<br />
Informationen über bevorstehende<br />
Ausflüge finden sich dort aber<br />
nur in verkürzter Fassung. Ausführlicher<br />
sind sie in den Monatsbroschüren<br />
zu studieren, die für<br />
einen geringen Unkostenbeitrag<br />
im Club zu erstehen oder auch<br />
elektronisch zu abonnieren sind.<br />
Der Verkauf erfolgt werktäglich<br />
von 16 bis 20 Uhr, mittwochs bis<br />
22 Uhr und freitags bis 19 Uhr.<br />
Wer Scheu hat, sich in rein russische<br />
Abenteuer einzulassen,<br />
dem sind die „Hiker“ zu empfehlen.<br />
Auch sie strömen an den<br />
Wochenenden in die Umgebung<br />
mit dem Unterschied, dass sich<br />
Gruppen mit starker Expat-Beteiligung<br />
bilden. Sie haben zwar<br />
keinen zentralen Sammelplatz in<br />
<strong>Moskau</strong>, wohl aber eine Webpräsenz:<br />
hike.narod.ru. Ins Leben<br />
gerufen haben diese Bewegung<br />
in <strong>Moskau</strong> lebende Ausländer,<br />
die, wenn sie wieder in ihre Heimatländer<br />
zurückkehrten, den<br />
Staffelstab des Gruppenleiters an<br />
einen anderen Ausländer weitergaben.<br />
Heute ist die Nationalität<br />
keine besondere Eignungsvoraussetzung<br />
mehr.<br />
PWD beim<br />
<strong>Moskau</strong>er Städtischen Zentralen<br />
Tourismusclub<br />
Ul. Alexandra Solschenizyna 17,<br />
Geb.1<br />
T.: (495) 911 3981<br />
Bei einem Eltern-und-Kinder-<br />
Ausflug Mitte Januar. Den Letzten<br />
beißen die Fotografen.<br />
Eine Spielzeugeisenbahn kämpft sich durch den Schnee.
14<br />
<strong>Moskau</strong>er<br />
Freizeit<br />
Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
WO und WAS in MOSKAU<br />
KINO Restaurant Bühne Konzert Museum<br />
5Highlights<br />
Reif für die<br />
Insel<br />
Wo befindet sich das glücklichste<br />
Land der Welt? Nach den Ergebnissen<br />
des Ratings „Happy Planet<br />
Index“ soll das Vanuatu sein. Das<br />
ist ein Inselland in Ozeanien, eine<br />
ehemalige französische Kolonie, in<br />
der sehr viele dunkelhäutige Menschen<br />
mit blonden Haaren wohnen.<br />
Das Land besteht aus 83 Inseln,<br />
auf denen 109 Sprachen gesprochen<br />
werden. Hier gibt es keine<br />
Kriminalität und keine Kriege. Im<br />
Jahre 2011 war Vanuatu eines der<br />
wenigen Länder, die die Souveränität<br />
Abchasiens anerkannten. Bald<br />
danach erkannte Vanuatu sie aber<br />
wieder ab. Diesem Traumland ist<br />
die Ausstellung von Sergej Kowaltschuk<br />
im Zentralen Haus des<br />
Künstlers gewidmet. Der Fotograf<br />
interessiert sich vor allem für die<br />
Menschen. So entsteht in seinen<br />
Bildern ein Land in Gesichtern.<br />
Bis 29. Januar<br />
Krymskij Wal 10, Saal 17<br />
M. Oktjabrskaja<br />
Tel.: (499) 238 9634<br />
www.cha.ru<br />
Mit 76 Oldtimern, 64 Motorrädern<br />
und 74 Fluggeräten ist<br />
jedes Männerherz im Nu erobert.<br />
Das 20<strong>08</strong> entstandene Technik-<br />
Museum setzt auf große, sinnlich<br />
beeindruckende Artefakte. Und es<br />
weiß, dass die stärksten Emotionen<br />
immer noch bei Kriegstechnik<br />
hervorgerufen werden: 112<br />
Stück hält das Museum davonbereit.<br />
Viele Wunder der Technik<br />
sind nur hier anzutreffen wie etwa<br />
das erste russische Mini-Flugzeug<br />
AIR-1, das 1927 entwickelt wurde.<br />
Unter dem Dach eines der Pavillons<br />
schweben zwei Flugzeuge der<br />
Marke UT-1, die der Schrecken<br />
der feindlichen Stellungen waren,<br />
da sie praktisch lautlos heranflogen.<br />
Den hohen Seltenheitswert<br />
der Ausstellung garantiert die<br />
Kunst und<br />
Funktion<br />
Die Frage, ob Fotografie Kunst<br />
oder bloße Dokumentation ist,<br />
entscheidet jeder Künstler für<br />
sich. Für die US-amerikanische<br />
Fotografin Taryn Simon ist sie auf<br />
jeden Fall auch ein soziales Instrument.<br />
So kritisiert ihre Fotoserie<br />
„Die Unschuldigen“ die Funktion<br />
der Fotografie als Mittel im<br />
Gerichtsverfahren: Simon macht<br />
Bilder von Menschen, die ohne<br />
Schuld verurteilt wurden. Sie<br />
fotografiert politische Führer aus<br />
aller Welt oder Schmuggelwaren,<br />
die an der amerikanischen Grenze<br />
konfisziert wurden. Die Künstlerin<br />
arbeitet mit den Mitteln der Fotografie<br />
und der filmischen Reportage.<br />
Ihre Fotografien sind sehr<br />
detailbewusst. Dadurch will sie<br />
sich gezielt vom journalistischen<br />
Schnappschuss abgrenzen.<br />
Bis 19. Februar<br />
Multimedia Art Museum<br />
Ul. Ostoschenka 16<br />
Tel.: (495) 637 1100<br />
www.mamm-mdf.ru<br />
Von Natalia Schwertling<br />
museumseigene Restaurationswerkstatt,<br />
die regelmäßig Staatsaufträge<br />
annimmt. So wurden<br />
zur 70-jährigen Siegesparade am<br />
Roten Platz im letzten Herbst sechs<br />
Aufklärungspanzer des Typs T-60<br />
hergestellt – nach langwieriger<br />
Suche der historischen Details.<br />
Seit 2011 hat sich das Museum<br />
auch einiger Flugzeuge angenommen,<br />
die bislang auf dem Freiluftmuseum<br />
am Chodynskoje-Feld<br />
vor sich hin korrodierten. Aus der<br />
Werkstatt wird bald das fünf Tonnen<br />
schwere restaurierte Cabriolet<br />
der Marke Mercedes Benz 770<br />
entlassen, dessen Wert auf einige<br />
Millionen Euro geschätzt wird –<br />
nur weil Hitler in ihm die Parade<br />
in <strong>Moskau</strong> abnehmen wollte,<br />
es aber bereits 1941 dem kroa-<br />
Olympiade<br />
der Musik<br />
Das achte internationale Festival<br />
„Taufwoche in der neuen Oper“ findet<br />
in diesem Jahr unter dem Zeichen<br />
der Kulturolympiade „Sotschi<br />
2014“ statt. Die Kulturolympiade<br />
ist ein vierjähriges Projekt, das die<br />
besten Musikereignisse des Landes<br />
präsentiert. Jedes Jahr ist es einer<br />
Kunstart gewidmet, dieses Mal ist<br />
es die Musik. Auf dem Programm<br />
stehen sowohl die jüngsten Premieren<br />
des Theaters als auch die traditionellen<br />
Stücke des Repertoires<br />
in der Fassung des Theatergründers<br />
Jewgenij Kolobow. Unter den<br />
bekannten Stücken werden Musikwerke<br />
aufgeführt, die in <strong>Moskau</strong><br />
selten zu hören sind, zum Beispiel<br />
die Kantate „Christus“ von Ottorino<br />
Respighi und die Oper von<br />
Verdi „Die Lombarden auf dem<br />
ersten Kreuzzug“.<br />
Bis 29. Januar<br />
Theater „Neue Oper“<br />
Ul. Karetnyj Rjad 3, Geb. 2<br />
M. Majakowskaja, Tschechowskaja<br />
Tel.: (495) 694 <strong>08</strong>68<br />
www.novayaopera.ru<br />
Liebe zum Detail rostet nicht<br />
Das Sadoroschnyj-Museum für Technik lockt mit neuen Exponaten<br />
Zum Jahresanfang präsentiert sich das von Wadim Sadoroschnyj gegründete<br />
Technik-Museum bei Strogino mit erneuertem Ausstellungsaufbau und<br />
neuen Exponaten. Auf einem Gelände von über vier Hektar sind nun über<br />
500 Gegenstände zu bestaunen – die größte Kategorie ist Kriegstechnik.<br />
Das Museum erfüllt daneben staatliche Restaurationsaufträge und lässt<br />
die Besucher einige Fahrzeuge selbst ausprobieren.<br />
Das ist kein Putschversuch, sondern<br />
eine Demonstration für Liebhaber.<br />
tischen Diktator Pavelic schenkte.<br />
Tito wollte damit 1945 Stalin eine<br />
besondere Freude machen, der es<br />
aber sogleich an den ersten Sekretär<br />
Usbekistans weiterschenkte.<br />
Das Museum bietet ein reichhaltiges<br />
Zusatzprogramm an:<br />
Imbisse können in einer Feldküche<br />
eingenommen werden, Kinder<br />
und Erwachsene können mehrere<br />
Geräte und Gefährte selbst<br />
benutzen. Es gibt Seminare, in<br />
denen die Fertigkeit, alte Waffen<br />
zu benützen, vermittelt wird, und<br />
für Kinder eignen sich Kurse zum<br />
Modellflugzeugbau und ein Crash-<br />
Besuch bei<br />
Rentieren<br />
Durch ein verschneites Feld in<br />
einem Dreigespann zu fahren –<br />
was kann noch „winterlicher“ sein?<br />
Doch dieses Mal ist es nicht die<br />
traditionelle russische Troika, sondern<br />
es geht um Rentiere. Diese<br />
Bewohner des Hohen Nordens gibt<br />
es nicht einmal im <strong>Moskau</strong>er Zoo.<br />
Dafür aber in einer Rentiere-Farm<br />
im <strong>Moskau</strong>er Gebiet, auf der die<br />
Rentierzüchter mit ihren Tieren auf<br />
traditionelle Weise zusammen leben.<br />
Wer am Wochenende Zeit für einen<br />
zehnstündigen Ausflug findet, kann<br />
diese majestätischen Tiere persönlich<br />
kennen lernen und viel über ihr<br />
Leben erfahren, eine Aufführung<br />
sehen und einen aromatischen Tee<br />
im Rentierzüchterzelt trinken. Nach<br />
der Besichtigung der Farm gibt es<br />
auch eine Führung durch die alte<br />
russische Stadt Jegorjewsk.<br />
29. Januar,<br />
11. Februar, 9 Uhr<br />
Reisebüro „Reiseladen“<br />
Abfahrt M: Kusminki<br />
Anmeldung unter:<br />
(495) 627 7924<br />
www.magput.ru<br />
Kurs im Panzerfahren – und wenn<br />
dann etwas kracht, dann war es<br />
nicht der Panzer.<br />
Wadim Sadoroschnyj-<br />
Museum für Technik<br />
Siedlung Archangelskoje,<br />
4.km Iljinskogo Schosse, Geb. 9<br />
M. Strogino. Dann Marschrutka<br />
nach Sacharkowo, Haltestelle<br />
„Lipowaja alleja“.<br />
www.tmuseum.ru<br />
T.: (495) 662 3818<br />
Eintritt: 350 Rubel an<br />
Wochenenden und Feiertagen,<br />
250 Rubel an Werktagen<br />
Von Katja Gubernatorowa<br />
Schnee<br />
als Kult<br />
Typisch für den Jahresanfang auf<br />
Russisch ist der russische Salat<br />
„Winegret“, der Film „Ironie des<br />
Schicksals“ und – die Schneeshow<br />
von Slawa Polunin. Jedes Jahr im<br />
Januar, wenn das Wetter es zulässt,<br />
stehen vor dem Eingang zur Show<br />
Dutzende von Schneemännern.<br />
Ihre rührenden, naiven Gesichter<br />
bereiten den Zuschauer auf die<br />
Atmosphäre im Saal vor. Während<br />
zweier Stunden vergessen<br />
die Zuschauer ihr „erwachsenes“<br />
Leben und tauchen in die zauberhafte<br />
Welt der Kindheit ein,<br />
in der wie im Märchen noch alles<br />
möglich ist. Und die Show selbst<br />
ist solch ein Märchen, bei dem<br />
die Zuschauer plötzlich auf die<br />
Bühne gelangen und die sogar die<br />
ernstesten Gesichter zum Lächeln<br />
bringt.<br />
27. Januar – 9. Februar<br />
Natalija Ssaz-Musiktheater<br />
Prospekt Wernadskogo 5<br />
M. Universitet<br />
Tel.: (495) 730 7300<br />
www.teatr-sats.ru<br />
Noch vor 50 Jahren verkehrten solche<br />
Taxis in <strong>Moskau</strong>.<br />
ANZEIGEN<br />
Deutschlehrer(in) für ein 6-jähriges<br />
Kind gesucht, Muttersprachler<br />
bevorzugt.<br />
Das Kind verfügt über ein<br />
grundlegendes Sprachverständnis.<br />
Wir freuen uns auf Ihre Meldungen<br />
an panova.svetlana@inbox.ru<br />
bzw. per Telefon + 7 9<strong>03</strong> 760 26 61.<br />
tmuseum.ru
<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
Zum Reinschnuppern<br />
Im Winter lohnt sich ein Besuch im <strong>Moskau</strong>er Zoo<br />
Das verkehrsumtoste Gebiet des <strong>Moskau</strong>er Zoos und die Tatsache, dass<br />
dort 8 000 Tiere aus über 1 000 Arten auf engem Raum hausen müssen,<br />
mag die Zookritiker darin bestätigen, dass es humaner ist, die Tiere in<br />
freier Wildbahn zu suchen, aber wenn diese Zookritiker kleine Kinder<br />
haben, dann ist es geboten, Kompromisse einzugehen. Ein solcher wäre,<br />
den Zoo im Winter zu besuchen, wenn es dort wenigstens nicht so<br />
streng riecht.<br />
Der entscheidende Vorteil für<br />
Zoobesuche im Winter ist der, dass<br />
die Tiere wesentlich lebendiger<br />
sind als in der Sommerschwüle.<br />
Die Raubtiere dösen nicht nur<br />
vor sich hin und die Affen zeigen<br />
eine Schauspieleinlage nach der<br />
anderen. Besonders die Orang-<br />
Utans sind Publikumsmagneten.<br />
Wer zum ersten Mal da ist, sollte<br />
sich am Eingang einen Plan kau-<br />
Von Natalia Schwertling<br />
fen und zunächst zur äußersten<br />
rechten Ecke gehen. Dort ist im<br />
„Kinderzoo“ ein Bär aus nächster<br />
Entfernung zu erleben. Zum Aufwärmen<br />
bieten sich zwei Häuser<br />
an: das Delphinarium und das<br />
Exotarium. Für beide müssen<br />
Extratickets zu gemäßigten Preisen<br />
erworben werden. Futter gibt<br />
es an Automaten. Im großen Teich<br />
tummeln sich unzählige Karpfen.<br />
Wenn sie von den Kindern gefüttert<br />
werden, stehlen sie Exoten<br />
wie den Kängurus oder Elefanten<br />
die Schau. Für einen kompletten<br />
Rundgang sind drei bis vier Stunden<br />
die unterste Grenze. Deshalb<br />
empfiehlt es sich, bei einem<br />
Besuch immer nur einen Teil des<br />
Zoos zu besichtigen. Ansonsten<br />
wird die Aufmerksamkeit der Kinder<br />
überfordert – und klammert<br />
sich an nicht lebendige Attraktionen<br />
wie zum Beispiel den erzenen<br />
Seelöwen.<br />
M. Krasnopresnenskaja<br />
Im Winter: 10 bis 17 Uhr,<br />
außer Montag<br />
Eintritt: 150 Rubel<br />
Jahresabo: 500 Rubel<br />
Kirill Levinson<br />
Freizeit<br />
15<br />
Zum Ausbuddeln<br />
Archäologie ist spannender als Angeln<br />
Russischlektion<br />
In wöchentlichen Workshops<br />
bietet das Museum für Archäologie<br />
Interessierten an, in simulierten<br />
realen Bedingungen ihr<br />
Gespür für die Prähistorie zu<br />
prüfen und zu entwickeln. Im<br />
theoretischen Teil geht es darum,<br />
die methodischen Raffinessen<br />
kennen zu lernen, der interaktive<br />
Teil der Veranstaltung setzt<br />
die erworbenen Kenntnisse in<br />
die archäologische Praxis um:<br />
Nach der akribischen Suche von<br />
Spuren unserer Vorfahren werden<br />
die Funde gemeinsam analysiert<br />
und eingeordnet. Und das<br />
ist spannender, als es gemeinhin<br />
von dieser Grundlagenforschung<br />
angenommen wird. nas<br />
Jeden Sonntag,<br />
12 und 13.30 Uhr<br />
<strong>Moskau</strong>er Museum<br />
der Archäologie<br />
Maneschnaja Ploschtschad 1a<br />
M. Ochotnyj Rjad<br />
T.: (495) 692 4171<br />
Zwei Wochen des neuen Jahres sind bereits vergangen und einige gute Vorsätze<br />
schon wieder über Bord geworfen. Wer sich für 2012 vorgenommen hat, endlich<br />
Russisch zu lernen, hat es jedoch leicht. Mit dem Sprachlernkalender von Retorika<br />
lernt man jeden Tag eine kleine Lektion, beginnend mit dem Alphabet über<br />
einfache Sprichwörter hin zu anspruchsvolleren kleinen Texten. Auf der Rückseite<br />
jedes Kalenderblattes stehen Informationen zu Land, Leuten und Geschichte.<br />
<strong>Moskau</strong>er Museum der Archäologie<br />
Die Erstbesteigung des Seelöwen verlief erfolgreich.<br />
Der Kalender kann beim Verlag Retorika unter der Emailadresse<br />
retorika @ apollo.lv für 10 Euro bestellt werden.
16<br />
<strong>Moskau</strong>er<br />
H i n t e r l a n d<br />
Machatschkala<br />
LETZTE SEITE<br />
Perm<br />
Kemerowo<br />
Neujahr gestrichen<br />
Machatschkala. Immer mehr Einwohner von Dagestan lehnen die<br />
typischen russischen Neujahrsfeierlichkeiten ab, vermelden die Behörden<br />
von Russlands südlichster Republik am Kaspischen Meer. Jolka,<br />
Ded Moros und Snegurotschka seien eine Hinterlassenschaft der<br />
ungläubigen Sowjetunion, hätten ihre Wurzeln im heidnischen Brauchtum<br />
und ließen sich nicht mit den muslimischen Traditionen vereinbaren,<br />
heißt es zur Begründung. Wie die „Nesawissimaja Gaseta“ schreibt,<br />
werde bei Gottesdiensten in den Moscheen propagiert, sich von dem<br />
Fest zu distanzieren. Nach offiziellen Angaben beschlossen diesmal<br />
70 Prozent aller Schulen in Dagestan, auf Neujahrszeremonien für<br />
ihre Kinder zu verzichten, das hätten die Menschen vor Ort selbst so<br />
entschieden. Weiterhin gefeiert werde Neujahr vor allem in den großen<br />
Städten, dort, wo auch Russen leben. Viele sind das nicht: Ihr Anteil an<br />
der Bevölkerung liegt bei 3,6 Prozent – Tendenz sinkend.<br />
Oh, Tannenbaum<br />
Kemerowo. Wenn Mitte Januar auch der letzte Böller verschossen und<br />
der russische Feiertagsmarathon mit dem altkalendarischen Silvester zu<br />
Ende gegangen ist, hat eine saisonale Zimmerpflanze ausgedient: der<br />
Tannenbaum. Meist drücken sich seine Überreste dann noch eine Weile<br />
auf Hinterhöfen herum. In Westsibirien konnte das Grünzeug jetzt für<br />
einen guten Zweck gespendet werden. Die Beamten von Selenogorskij,<br />
einer 5 000-Seelen-Gemeinde rund 100 Kilometer von Kemerowo entfernt,<br />
riefen dazu auf, Tannenbäume an Sammelpunkten abzuliefern,<br />
man wolle die Nadeln an Milchkühe verfüttern. Immerhin 800 Bäume<br />
kamen so zusammen. Neu ist die Idee nicht: Schon die sowjetischen<br />
Kolchosen mischten dem Futter im Winter gern Nadeln bei. Die sollen<br />
durch ihren Gehalt an Carotinen, Vitamin C und Eisen so nahrhaft sein<br />
wie frisches Gras.<br />
„Deppen“ gegen<br />
Schirinowskij<br />
Perm. Seine Anhänger halten Wladimir<br />
Schirinowskij zugute, dass er<br />
sage, was er denke. Das könnte in<br />
der verdrucksten Politikerwelt<br />
auch tatsächlich eine Tugend sein,<br />
wären die Gedanken des ewigen Eiferers<br />
nicht so bizarr, dass er sie lieber für sich<br />
behalten sollte. Jetzt ist ausgerechnet<br />
im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen,<br />
für die Schirinowskij kandidiert, ein<br />
Fernsehinterview von 2001 aufgetaucht,<br />
in dem der Rechtspopulist gleich die<br />
gesamte Bevölkerung des Urals als<br />
„Deppen“ bezeichnet. In dem Video,<br />
das im Internet kursiert, zieht er über<br />
Ex-Präsident Boris Jelzin her, der damals<br />
gerade abgetreten war. Jelzin, so das<br />
Schandmaul im russischen Fernsehkanal<br />
„Streng geheim“, sei „beschränkt“,<br />
doch von einem gelernten Bauarbeiter<br />
könne man ja auch nichts anderes<br />
erwarten. Dazu komme seine Herkunft<br />
aus dem Ural mit dessen „riesigen<br />
Vorkommen unter der Erde“ und dem<br />
„gewaltigen Magnetfeld“, da brauche<br />
man sich über nichts zu wundern.<br />
Einmal in Fahrt, legte der Blut- und<br />
Boden-Experte erst richtig los: „Von<br />
Perm bis Jekaterinburg leben Deppen.<br />
Die sind vielleicht gesund, aber wenn<br />
es um Intellekt geht – dämlich bis zum<br />
Anschlag.“ Er müsse es schließlich<br />
wissen, habe in 40 Jahren ganz Russland<br />
bereist und eine so „dämliche<br />
Bevölkerung“ nirgendwo vorgefunden,<br />
so Schirinowskij. Nun hat er, der sich<br />
gern als Rächer des einfachen Mannes<br />
inszeniert, allerdings ein Problem mit<br />
dem einfachen Mann: Die Empörung im<br />
Ural ist groß. Ein Kleinunternehmer aus<br />
Perm reichte sogar Klage wegen übler<br />
Nachrede ein. Der bekannte Permer<br />
Rapper Sjawa antwortete Schirinowskij<br />
lieber in einem überdrehten Clip, um,<br />
wie er der Presse sagte, „mit Blödsinn<br />
auf Blödsinn zu reagieren“.<br />
Deutsche Zeitung Nr. 1 (320) Januar 2012<br />
Russischer Winter<br />
P<br />
lanet<br />
<strong>Moskau</strong><br />
Von<br />
Kathrin Aldenhoff<br />
In Russland ist es kalt, heißt es.<br />
In Russland schneit es unentwegt,<br />
heißt es. Zu sagen, ich hätte meinen<br />
Job in <strong>Moskau</strong> nur wegen des<br />
russischen Winters angetreten,<br />
wäre ein kleines bisschen übertrieben.<br />
Aber ja, ich liebe Schnee<br />
und ich habe mich darauf gefreut.<br />
Und dann das: Bis Mitte Dezember<br />
kein nennenswerter Schneefall<br />
in <strong>Moskau</strong>. Bis auf zwei oder<br />
drei Ausnahmetage war es sogar<br />
zu warm, um eine Pelzmütze zu<br />
tragen.<br />
Alle meine winterlichen Hoffnungen<br />
steckte ich in meine Reise<br />
nach Irkutsk, Anfang Dezember.<br />
Ich war gut ausgerüstet, hatte<br />
extra dicke Strumpfhosen angezogen,<br />
bei der Babuschka am Markt<br />
noch ein Paar Socken aus Yakwolle<br />
gekauft und Kälteschutzcreme<br />
für die empfindliche Gesichtshaut<br />
eingepackt. Ich kam an, minus 20<br />
Grad und Neuschnee, und ich war<br />
glücklich. Am ersten Tag. Danach<br />
kletterte das Thermometer auf<br />
minus fünf Grad, geschneit hat<br />
es nur in der ersten Nacht, in den<br />
kommenden vier Tagen fiel kein<br />
einziger kleiner Schneekristall<br />
vom Himmel. Ja wenn denn nicht<br />
einmal auf Sibirien Verlass ist!<br />
Tief enttäuscht fuhr ich über die<br />
Weihnachtstage nach Deutschland<br />
und es passierte – kaum hatte ich<br />
die Landesgrenze überflogen, fing<br />
es an zu schneien. In Deutschland<br />
angekommen, schrieb mir eine<br />
<strong>Moskau</strong>er Freundin über Facebook,<br />
wie hoch der Schnee in ihrer<br />
Straße liegt, ein anderer berichtet<br />
von nächtlichen Schneeballschlachten<br />
auf dem Heimweg. Eiskalter<br />
Zorn ergriff mein warmes<br />
Herz, der zarte Schneefall in<br />
meiner Heimatstadt konnte mich<br />
kaum besänftigen. Bereits Tage<br />
vor meinem Rückflug checkte ich<br />
alle paar Stunden den Wetterbericht<br />
für <strong>Moskau</strong> – dass nur bloß<br />
noch genug von dem Schnee läge,<br />
den ich so knapp verpasst hatte!<br />
Schon im Landeanflug sah ich die<br />
schneebedeckten Birkenwälder,<br />
ein zufriedenes Lächeln trat auf<br />
mein Gesicht.<br />
Und seit ich zurück bin, schneit<br />
es beinahe jeden Tag. Mit Schaufeln<br />
bewehrte Männer steigen der<br />
Redaktion aufs Dach, um es vom<br />
Schnee zu befreien, beim Joggen<br />
im Wald knirscht es unter meinen<br />
Schuhen, auf dem Weg zur Arbeit<br />
würden mir Schneeflocken in den<br />
Kaffee fallen, wäre kein Plastikdeckel<br />
darüber. Es ist ein Traum<br />
– und das Beste: Das war erst der<br />
Anfang. Vor April ist mit Frühling<br />
nicht zu rechnen! Meinetwegen<br />
kann es die kommenden Monate<br />
durchweg schneien. Es ist mir auch<br />
ganz egal, dass ich in der Fallstudie,<br />
die meine Mitbewohnerin und ich<br />
seit Neujahr führen – Knie oder<br />
Hand müssen den Boden berührt<br />
haben, sonst gilt's nicht – mit 2:0<br />
vorne liege. Ich mag verschneite<br />
Gehwege! Und in den kommenden<br />
drei Monaten lerne ich sicherlich<br />
auch diesen schleichenden, leicht<br />
schwebenden Gang von den Russen,<br />
gewöhne mich an Permafrost<br />
auf dem Bürgersteig und kann bald<br />
mit hohen Absätzen gefrorene<br />
Seen überqueren. Ich habe gerade<br />
noch einmal den Wetterbericht<br />
überprüft: Es soll Schnee geben.<br />
Gönnen Sie sich eine Pause!<br />
Der Hektik entfliehen – mit der <strong>MDZ</strong>