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2<br />

<strong>Gneisenau</strong> Blätter Band 6 (2007)


Band 6 (2007)<br />

Einsatzarmee<br />

und<br />

Innere Führung<br />

herausgegeben im Auftrag der<br />

<strong>Gneisenau</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> der OSLw e.V.<br />

von Dr. Eberhard Birk<br />

3


Einsatzarmee<br />

und<br />

Innere Führung<br />

mit Beiträgen von:<br />

Robert Bergmann, Eberhard Birk, Bernhard Chiari,<br />

Peter Dreist, Loretana de Libero, Franz Josef Jung, Peter Krug,<br />

Reinhold Robbe, Wolfgang Schneiderhan und Javier Solana


Motto<br />

„Die Bundeswehr ist durch den größten Wandel ihrer Geschichte gegangen. Sie ist immer<br />

mehr zu einer Armee im Einsatz geworden. Heute leistet die Bundeswehr im Interesse<br />

unseres Landes auf dem Balkan, in Afghanistan, im Libanon, in Afrika und im Kaukasus ihren<br />

Dienst. Der politischen Begründung der Einsätze aus den Zielen und Interessen deutscher<br />

Sicherheitspolitik kommt für den Staatsbürger mit und ohne Soldat große Bedeutung zu.“<br />

(Vorwort des Bundesminister der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung im Weißbuch 2006)<br />

***<br />

„Die Einsätze konfrontieren ganz unmittelbar mit existentiellen Gefahren. Der Soldat<br />

der Bundeswehr muß im Einsatz kämpfen können und wollen. Der Soldat von heute ist<br />

darüber hinaus mehr denn je als Helfer, Vermittler und Schlichter gefordert. Dafür benötigen<br />

unsere Soldaten Kompetenzen, die über rein militärische Aspekte weit hinausreichen.<br />

Neben Charakterstärke und Menschenkenntnis sind vor allem politisches und ethisches<br />

Urteilsvermögen, diplomatisches Fingerspitzengefühl sowie kulturelle Kompetenzen –<br />

die Kenntnis von Sprachen und Kulturen – gefragt.<br />

(...)<br />

Wer die kulturellen Besonderheiten des Einsatzlandes verletzt, bringt nicht nur seine<br />

Kameraden und sich selbst in Gefahr. Er gefährdet auch die Sicherheit in der Heimat und stellt<br />

die öffentliche Unterstützung für einen Einsatz in Frage.<br />

(...)<br />

Auf die Vermittlung der Werte und Normen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung<br />

müssen wir noch stärker als bisher Wert legen. Denn leider können wir ihre Kenntnis nicht<br />

mehr als selbstverständlich voraussetzen.“<br />

(Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, anlässlich des Festaktes zum<br />

50-jährigen Bestehen des Zentrums Innere Führung am 30. November 2006 in Koblenz)<br />

5


Inhalt<br />

Grußwort des Präsidenten der <strong>Gneisenau</strong>-<strong>Gesellschaft</strong><br />

Brigadegeneral Gerhard Schulz<br />

Vorwort des 1. Vorsitzenden<br />

Horst Steinberg<br />

Ziele und Handlungsfelder der Europäischen Sicherheits- und<br />

Verteidigungspolitik – Sachstand und Perspektive<br />

SG/HR Javier Solana<br />

Die Bundeswehr – Instrument deutscher Sicherheitspolitik<br />

Verteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung<br />

Bundeswehr im Einsatz – eine Herausforderung für die Innere Führung?<br />

General Wolfgang Schneiderhan<br />

Einsatzbedingungen als Beschwerdegrund<br />

Wehrbeauftragter Reinhold Robbe<br />

Rechtsfragen des Auslandseinsatzes der Bundeswehr<br />

Ministerialrat Peter Dreist<br />

Militärseelsorge im Auslandseinsatz<br />

Ev. Militärbischof Peter Krug<br />

Eine Neubegründung der Inneren Führung?<br />

Soldatenprofil und Einsatzerfahrung<br />

Brigadegeneral Robert Bergmann<br />

Die Auslandseinsätze der Bundeswehr als Herausforderung für die<br />

historische Bildungsarbeit in den deutschen Streitkräften<br />

Dr. Bernhard Chiari<br />

Tradition und Einsatz.<br />

Zu ethischen Aspekten der deutschen Sicherheitsvorsorge<br />

Prof. Dr. Loretana de Libero<br />

Abschied vom Bild des Offiziers?<br />

Dr. Eberhard Birk<br />

Seite<br />

8<br />

9<br />

10–18<br />

19–22<br />

23–27<br />

28–32<br />

33–42<br />

43–46<br />

47–50<br />

51–57<br />

58–61<br />

62–70<br />

Autoren 71–76<br />

Bisher erschienene Bände der <strong>Gneisenau</strong> Blätter 77–78<br />

Die <strong>Gneisenau</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> 79<br />

Impressum 80<br />

7


Grußwort des Präsidenten<br />

Text:<br />

Brigadegeneral Gerhard Schulz<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

in meiner Funktion als Kommandeur der Offizierschule<br />

der Luftwaffe und Präsident der „<strong>Gneisenau</strong> – <strong>Gesellschaft</strong>“<br />

sehe ich in der Auseinandersetzung mit Fragen<br />

der historischen und politischen Bildung eine bleibende<br />

und unverzichtbare Verpflichtung für die Soldaten der<br />

Bundeswehr. Insbesondere der militärische Führernachwuchs,<br />

aber auch die erfahrenen (Unter-)Offiziere der<br />

‚Einsatzarmee’ Bundeswehr werden in der Gegenwart<br />

und in der Zukunft mit nicht vorhersehbaren Herausforderungen<br />

konfrontiert, die neben aller militärisch-handwerklichen<br />

Souveränität nur mit einem immer breiteren<br />

Bildungshorizont situations- und auftragsadäquat gelöst<br />

werden können.<br />

Die <strong>Gneisenau</strong> Blätter unserer <strong>Gesellschaft</strong> verstehen sich<br />

daher auch als Diskussionsforum für die Belange der<br />

Inneren Führung, die in ihrer facettenreichen Weiterentwicklung<br />

vielfältiger Reflexion bedarf. Die bisherigen<br />

Themenbände „Die humanitäre Intervention als ultima<br />

ratio zur Beendigung oder Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen“<br />

(Bd. 1; 2001), „Aspekte einer europäischen<br />

Identität“ (Bd. 2; 2004), „Militärische Tradition“<br />

(Bd. 3; 2004), „Revolution – Reform – Transformation“<br />

(Bd. 4; 2006) und „Erziehung und Streitkräfte“ (Bd. 5;<br />

2007) dokumentieren diesen Anspruch, der immer mehr<br />

Resonanz findet.<br />

Unserem Ziel, hochrangige Vertreter der unterschiedlichsten<br />

Fachrichtungen zu einem Themenband zu gewinnen,<br />

konnten wir unserer Auffassung nach diesmal besonders<br />

gerecht werden. Herrn Dr. Birk ist es als Herausgeber<br />

wiederum gelungen, namhafte Autoren, von denen Javier<br />

Solana, Verteidigungsminister Jung und Generalinspekteur<br />

General Schneiderhan sowie der Wehrbeauftragte<br />

des Deutschen Bundestages Reinhold Robbe die prominentesten<br />

sind, am virtuellen round-table der <strong>Gneisenau</strong>-<br />

<strong>Gesellschaft</strong> zu versammeln.<br />

Über deren sicherheits- und militärpolitischen Beiträge<br />

hinaus stellen die zudem im Band behandelten rechtlichen<br />

und seelsorgerischen Dimensionen des Einsatzes<br />

Gerhard Schulz<br />

sowie die reflexiven Überlegungen und Thesen von Militärs<br />

und Wissenschaftlern zu Fragen der (interkulturellen)<br />

Kompetenz und Erziehung, der Menschenführung, der<br />

(militär-)historischen und politischen Bildung sowie der<br />

verfassungsadäquaten Traditionsbildung und -pflege – alle<br />

insbesondere auch orientiert an den Bedingungen einer<br />

Einsatzarmee – einen wichtigen Impuls zur gedanklichen<br />

Auseinandersetzung zum aktuellen Thema „Innere Führung<br />

und Einsatzarmee“ dar.<br />

Besonderer Dank gebührt neben den Autoren zudem<br />

EADS für die Unterstützung und dem Team der Abteilung<br />

‚Visual Language emedia’ unter Leitung von Herrn<br />

Schubert – und hierbei insbesondere Frau Frankl, Frau<br />

Masluk und Frau Weckerle – für die wiederum qualitativ<br />

hochwertige Gestaltung des Bandes.<br />

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.<br />

Gerhard Schulz<br />

Brigadegeneral<br />

Präsident der <strong>Gneisenau</strong>-<strong>Gesellschaft</strong><br />

8


Vorwort des 1. Vorsitzenden<br />

Text:<br />

Horst Steinberg<br />

Die <strong>Gneisenau</strong> <strong>Gesellschaft</strong> besteht nun seit sieben Jahren<br />

und dabei waren die <strong>Gneisenau</strong> Blätter der zentrale<br />

Punkt der Aktivitäten der <strong>Gesellschaft</strong>. Die bisherigen<br />

fünf Bände befassten sich mit aktuellen und grundlegenden<br />

öffentlichen Themen im Zusammenhang mit der<br />

Entwicklung Europas, der Sicherheits- und Humanpolitik<br />

national wie international. Im vorliegenden 6. Band<br />

behandeln namhafte Autoren das Thema „Einsatzarmee<br />

und Innere Führung“. Die <strong>Gneisenau</strong> Blätter erfreuen<br />

sich immer größer werdender Popularität und deshalb<br />

wollen wir sie auch einem breiteren Publikum zugänglich<br />

machen. Erstmalig werden mit der vorliegenden Ausgabe<br />

alle bisherigen auf der Internetseite „www.gneisenaugesellschaft.de“<br />

veröffentlicht.<br />

Horst Steinberg<br />

Dies ist eine Neuerung, die der neue Vorstand der <strong>Gneisenau</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong>, als dessen 1. Vorsitzender ich mich<br />

hiermit vorstellen möchte, beschlossen hat. Die Internetseite<br />

wird den Mitgliedern und den interessierten Lesern<br />

darüber hinaus aktuell über die Entwicklung und zusätzlichen<br />

Aktivitäten der <strong>Gesellschaft</strong> informieren.<br />

Unsere <strong>Gesellschaft</strong> wird geführt als „Förderverein der<br />

<strong>Gneisenau</strong> <strong>Gesellschaft</strong> zur Förderung der Offizierschule<br />

der Luftwaffe“ und hat seit April diesen Jahres eine neue<br />

Satzung, welche die anerkannte Gemeinnützigkeit zur<br />

Basis hat. Der Zweck des Vereins ist:<br />

„Die Förderung von Wissenschaft und Forschung, Bildung und<br />

Erziehung, Kunst und Kultur, Völkerverständigung, des Sports,<br />

die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens der<br />

Bundesrepublik Deutschland sowie Maßnahmen der Soldaten- und<br />

Reservistenbetreuung“.<br />

Die <strong>Gesellschaft</strong> geht bewusst durch einen Wandel,<br />

der sich mit verstärkten Aktivitäten, eingebettet im öffentlichen<br />

Leben, vollziehen soll. Das Dreieck, in dem<br />

wir uns dabei bewegen wollen, besteht zum einen aus<br />

Öffentlichkeit und Gemeinschaft im regionalen Bereich<br />

der Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck<br />

mit besonderem Schwerpunkt auf der dortigen jungen<br />

Bevölkerung, im überregionalen Bereich zum anderen<br />

aus der Luftwaffe und zum dritten aus Institutionen der<br />

Wirtschaft, Industrie, Forschung, Kunst und Kultur.<br />

Wenn Sie uns, verehrte Leser, dabei unterstützen wollen,<br />

so möchten wie Sie gerne als Mitglied und Mitstreiter<br />

der <strong>Gneisenau</strong> <strong>Gesellschaft</strong> gewinnen. Informieren Sie<br />

sich weiter über unsere Internetseite und kontaktieren<br />

Sie uns.<br />

Ich möchte Ihnen nun den 6. Band der <strong>Gneisenau</strong> Blätter<br />

präsentieren und allen Autoren für die hervorragenden<br />

Aufsätze zum Thema „Einsatzarmee und Innere Führung“<br />

danken. Mein Dank geht aber auch an Herrn Dr.<br />

Birk, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Offizierschule<br />

der Luftwaffe, der die <strong>Gneisenau</strong> Blätter seit dem 2. Band<br />

so hervorragend etabliert hat. Die <strong>Gneisenau</strong> Blätter bleiben<br />

zentraler Bestandteil unserer Aktivitäten und werden<br />

den Wandel unserer <strong>Gesellschaft</strong> fördern.<br />

Horst Steinberg<br />

1. Vorsitzender<br />

9


Ziele und Handlungsfelder der Europäischen Sicherheitsund<br />

Verteidigungspolitik – Sachstand und Perspektive<br />

Text:<br />

Javier Solana<br />

Einführung<br />

Die deutsche Präsidentschaft der Europäischen Union<br />

im ersten Halbjahr 2007 war ungewöhnlich erfolgreich.<br />

Sie hat für die Weiterentwicklung der Europäischen<br />

Union und deren Handlungsfähigkeit Großes geleistet.<br />

Nach sehr schwierigen Verhandlungen haben sich die<br />

Staats- und Regierungschefs der Union unter Führung<br />

von Bundeskanzlerin Merkel am 23. Juni 2007 auf ein<br />

detailliertes Verhandlungsmandat für einen „Reformvertrag“<br />

geeinigt. Die EU wird durch diesen Vertrag in die<br />

Lage versetzt, sich den großen Herausforderungen der<br />

Zukunft zu stellen. Die Union wird transparenter, demokratischer<br />

und handlungsfähiger. Der für zweieinhalb<br />

Jahre gewählte Präsident des Europäischen Rats sorgt für<br />

Kontinuität und Sichtbarkeit der EU-Politik. Der ‚Hohe<br />

Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik‘,<br />

der zugleich Vizepräsident der Kommission für Außenbeziehungen<br />

wird, den Vorsitz im Rat für Außenbeziehungen<br />

übernimmt und durch einen Europäischen Auswärtigen<br />

Dienst unterstützt wird, sorgt für Kohärenz und<br />

Wirksamkeit der gemeinsamen EU-Politik nach außen.<br />

Die Rechte des Europäischen Parlaments werden ebenso<br />

gestärkt wie die der nationalen Volksvertretungen. Der<br />

Präsident der Europäischen Kommission wird künftig<br />

durch das Europäische Parlament gewählt. Das Prinzip<br />

der doppelten Mehrheit in der Stimmengewichtung bei<br />

Entscheidungen im Rat wird sowohl der Gleichheit der<br />

Mitgliedstaaten als auch der Gleichheit der Bürgerinnen<br />

und Bürger gerecht. Die Bekämpfung von Terrorismus<br />

und Kriminalität erhält einen hohen Stellenwert, und zu<br />

Klimaschutz und Energiepolitik wurden neue Bestimmungen<br />

aufgenommen.<br />

Seit dem 23. Juli 2007 tagt nun die Regierungskonferenz<br />

unter der Leitung der portugiesischen Präsidentschaft.<br />

Sie soll die Arbeiten am Reformvertrag über die Arbeitsweise<br />

der Union abschließen, damit ihn die Staats- und<br />

Regierungschefs Ende des Jahres verabschieden können<br />

und genügend Zeit bleibt, ihn bis 2009, dem Jahr der<br />

Wahlen zum Europäischen Parlament, in allen 27 EU-<br />

Mitgliedstaaten zu ratifizieren.<br />

Javier Solana<br />

Daneben wurde unter deutscher Präsidentschaft ein<br />

substantieller Bericht zur Stärkung der Europäischen<br />

Nachbarschaftspolitik gebilligt und die neue Zentralasienstrategie<br />

angenommen, mit der ein Rahmen für die Beziehungen<br />

der EU mit dieser Region etabliert wird. Auch<br />

auf dem engeren Feld der Europäischen Sicherheits- und<br />

Verteidigungspolitik können sich die erzielten Fortschritte<br />

sehen lassen, sowohl was die Operationen der EU, die<br />

Entwicklung der zivilen und militärischen Fähigkeiten,<br />

die Verbesserung der Zusammenarbeit mit den Vereinten<br />

Nationen als auch die Weiterentwicklung der Planungsund<br />

Führungsfähigkeit der EU angeht. All dies zeigt, wie<br />

dynamisch und kraftvoll sich die EU entwickelt.<br />

Seit dem Jahr 2003, also in nur vier Jahren, hat die Europäische<br />

Union im Rahmen der Europäischen Sicherheits-<br />

und Verteidigungspolitik (ESVP) 15 Operationen<br />

begonnen oder erfolgreich beendet, elf zivile oder zivilmilitärische<br />

und vier militärische in Kombination mit<br />

zivilen Einsätzen. Seit dem 15. Juni 2007 hat sie mit der<br />

zivilen Polizei- und Rechtsstaatsmission in Afghanistan<br />

ihre 16. Operation begonnen. Eine weitere große Polizei-<br />

und Rechtsstaatsoperation ist fertig geplant – für das<br />

Kosovo dann, wenn dessen Status entschieden ist und<br />

ein Mandat des VN-Sicherheitsrates den Einsatz der EU<br />

im Kosovo in der Nachfolge der Mission der Vereinten<br />

10


Nationen UNMIK ermöglicht. Rund 10.000 Männer und<br />

Frauen wurden bisher in den Operationen der EU eingesetzt,<br />

Polizisten aus allen EU-Mitgliedstaaten, Soldaten,<br />

Richter und junge Menschen jeglicher Herkunft, die sich<br />

für Frieden und Entwicklung engagieren. Die Kosovo-<br />

Operation wird rund 1.800 Polizisten und Experten umfassen.<br />

In Afghanistan werden einschließlich der Beiträge<br />

von Nicht-EU-Staaten rund 200 Männer und Frauen eingesetzt<br />

sein. Die Dimension all dieser Operationen ist bemerkenswert,<br />

in geographischer wie auch in thematischer<br />

Hinsicht: Auf drei Kontinenten, in Europa, Afrika und<br />

Asien, decken sie ein Spektrum ab, das von militärischer<br />

Friedenserhaltung über Polizeimissionen zum Aufbau<br />

und zur Reform von Polizeistrukturen in krisengeschüttelten<br />

Ländern und bis zu Unterstützungseinsätzen bei<br />

der Reform des Sicherheitssektors von fragilen Staaten<br />

und dem Aufbau funktionierender Institutionen reicht.<br />

In wenigen Jahren hat sich die EU also zum globalen<br />

Sicherheitsakteur entwickelt. In kurzer Zeit haben wir<br />

es geschafft, von Worten zu Taten zu kommen, von der<br />

Theorie zur Praxis, von Deklarationen zu Operationen.<br />

Zwar ist und bleibt die EU vor allem eine politische und<br />

ökonomische Macht: Mit bald rund 500 Millionen Bürgern<br />

erwirtschaften wir mehr als ein Viertel des Weltbruttosozialprodukts;<br />

tragen einen Anteil von 40 Prozent am<br />

weltweiten Export und leisten die Hälfte der weltweiten<br />

Entwicklungshilfe. Aber eine politische Union aus 27<br />

europäischen Nationen dieser Leistungsstärke hat darüber<br />

hinaus regionale und globale Sicherheitsinteressen<br />

und Verantwortung. Seit ihrer Geburtsstunde auf dem<br />

Europäischen Rat 1999 in Köln strebt die Europäische<br />

Sicherheits- und Verteidigungspolitik als integraler Bestandteil<br />

der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />

(GASP) einen integrierten zivil-militärischen Ansatz<br />

zur Bewältigung von Krisen an. Die gelungene Implementierung<br />

dieses ehrgeizigen Anspruchs macht das ‚Alleinstellungsmerkmal’<br />

der ESVP und ihren ‚Mehrwert’ im<br />

internationalen Krisenmanagement aus. Die Europäische<br />

Sicherheitsstrategie (ESS) vom Dezember 2003 bildet dafür<br />

den politisch-konzeptionellen Rahmen.<br />

Die Europäische Sicherheitsstrategie<br />

Seit Ende des Kalten Krieges haben wir es mit einer<br />

dynamischen und komplexen Entwicklung des internationalen<br />

Systems zu tun, die von Paradoxien gekennzeichnet<br />

ist. Die bipolare Weltordnung ist Vergangenheit, aber<br />

weltweit hat die Gewalt zugenommen; seit 1990 sind<br />

mehr als vier Millionen Menschen in gewaltsamen Konflikten<br />

umgekommen, 90 Prozent davon waren Zivilisten.<br />

Die westlichen Demokratien und ihre Ökonomien sind<br />

die wesentlichen Motoren der Globalisierung, die große<br />

Chancen für Freiheit und Entwicklung mit sich bringt;<br />

aber zugleich schränkt der Prozess der Globalisierung<br />

ihre Fähigkeit ein, Krisen zu begrenzen und zu meistern.<br />

Die totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts sind in<br />

Europa passé, aber die kulturelle und religiös motivierte<br />

Radikalisierung hat in vielen Teilen der Welt dramatisch<br />

zugenommen. In einer Welt, in der sich Kräfte und Bewegungen<br />

entfesselt haben, die keine Regierung allein zu<br />

kontrollieren vermag; in der wir es weiterhin mit Gewalt,<br />

Unterdrückung und extremer Armut zu tun haben; einer<br />

Welt, in der viele unsere Werte nicht teilen; in dieser Welt<br />

müssen wir unsere Anstrengungen und unsere Ressourcen<br />

bündeln. Natürlich ist es oft mühsam, gemeinsame<br />

Positionen für kohärentes internationales Handeln zu<br />

entwickeln, sowohl innerhalb der EU selbst als auch<br />

besonders unter internationalen Akteuren und zwischen<br />

komplexen internationalen Organisationen. Aber angesichts<br />

der Herausforderungen von heute und morgen,<br />

den Chancen und Risiken der Globalisierung, der Veränderung<br />

des globalen Klimas oder des internationalen<br />

Terrorismus, kann sich keiner die Alternative leisten:<br />

nationale Egoismen oder unilaterales Handeln.<br />

Unsere Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik muss<br />

sich den Herausforderungen stellen, Chancen nutzen,<br />

Risiken begegnen, Verpflichtungen gerecht werden und<br />

die Zukunft gestalten. Es geht darum, den internationalen<br />

Wandel zu steuern, Schutz und Sicherheit für unsere<br />

Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten und unsere<br />

gemeinsamen Werte und Interessen zu fördern, nicht nur<br />

zuhause, sondern auch weltweit. Mit der Europäischen<br />

Sicherheitsstrategie für: „Ein sicheres Europa in einer<br />

11


Ziele und Handlungsfelder der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – Sachstand und Perspektive<br />

besseren Welt“ gibt es erstmals eine Richtschnur für<br />

gemeinsames sicherheitspolitisches Handeln aller EU-<br />

Mitgliedsstaaten. Ihr Kern liegt in der Überzeugung, dass<br />

komplexe, multinationale Herausforderungen kohärente,<br />

multinationale Antworten verlangen. Sie identifiziert ähnliche<br />

strategische Bedrohungen und Herausforderungen<br />

wie die NATO: Terrorismus, Proliferation von Massenvernichtungswaffen,<br />

Organisierte Kriminalität, regionale<br />

Konflikte und Zusammenbruch von staatlichen Strukturen<br />

(failed states). In der Verflechtung aller dieser Faktoren<br />

liegt die größte Gefahr. Die Krisenherde im Nahen und<br />

Mittleren Osten wie auch in Afrika legen davon beredtes<br />

Zeugnis ab. Nachhaltige Stabilisierung von Krisenregionen<br />

erfordert daher rechtzeitige Intervention, im Idealfall<br />

Prävention (einschließlich eines „preventive engagement“); die<br />

klare Definition des angestrebten politisch-strategischen<br />

Zielzustandes (End State); die Entwicklung eines klaren<br />

Fahrplans und einer durchdachten ‚Exit Strategy’; den<br />

richtigen, auf den je individuellen Charakter eines Konflikt<br />

oder einer Krisenregion zugeschnittenen Einsatz<br />

ziviler und militärischer Instrumente und deren optimale<br />

Koordination; und schließlich: die abgestimmte, wirkungsvolle<br />

Kooperation mit internationalen Partnern,<br />

allen voran mit den Vereinten Nationen (VN), den USA,<br />

der NATO oder auch der Afrikanischen Union (AU). Es<br />

geht um eine internationale Ordnung, die auf ‚effektivem<br />

Multilateralismus’ basiert.<br />

Europa braucht nicht nur große Ideen, sondern auch<br />

konkrete Taten. Internationale Politik kann heute nur<br />

noch in kontinentaler Dimension betrieben werden. Europa<br />

hat Interessen zu wahren, Bedrohungen zu bewältigen,<br />

Probleme aktiv anzugehen und lösen zu helfen. Wie<br />

steht es nun mit der praktischen Umsetzung unserer Strategie?<br />

Ich will einen Überblick über den erreichten Stand<br />

der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

geben und deren Entwicklungsperspektive aufzeigen.<br />

Operationen<br />

Alle unsere praktischen Einsatzerfahrungen lehren, dass<br />

nahezu jede militärische Operation zur Krisenbewältigung<br />

in eine breite zivile Anstrengung münden oder in sie<br />

eingebettet sein muss, um letztendlich erfolgreich zu sein.<br />

Umgekehrt brauchen viele zivile Missionen militärische<br />

Expertise, Unterstützung oder Absicherung. Stabilisierung<br />

und Wiederaufbau in Krisenregionen kommen selten<br />

ohne militärische Beiträge oder Schutz aus. Im Rahmen<br />

des ganzheitlichen Ansatzes für die Krisenbewältigung<br />

spielt das militärische Instrument in der EU also eine<br />

wichtige, aber eine begrenzte Rolle. Die Mitgliedstaaten<br />

der Union verfügen nicht nur über Truppen, sondern<br />

über eine Vielzahl von zivilen Mitteln und Fähigkeiten<br />

zur Krisenintervention. Damit einher geht der Anspruch,<br />

die ‚Vision’, der EU für die Bewältigung von Krisen und<br />

Konflikten: ganzheitlich angelegte, nachhaltige Stabilisierung,<br />

ein Prozess, der mit den Werten, Prinzipien und<br />

Interessen der EU-Mitgliedstaaten im Einklang zu stehen<br />

hat. Der Schwerpunkt unserer Bemühungen liegt also<br />

auf Wiederaufbau, langfristiger Stärkung von Institutionen,<br />

Reform der Sicherheitssektoren von fragilen Staaten<br />

(vor allem Reform der Streitkräfte und Polizei und deren<br />

demokratische Kontrolle), wirtschaftlicher Unterstützung<br />

und Hilfe zur Selbsthilfe. Sicherheit und Entwicklung<br />

sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Langfristige politische<br />

Stabilisierung ist das Ziel.<br />

Knapp sieben Jahre nach den richtungweisenden Entscheidungen<br />

von Nizza zum Aufbau der ESVP-Strukturen<br />

lässt sich sagen: die ESVP steht im Feld, sie ist<br />

Realität. Die größte Operation, die militärische Operation<br />

ALTHEA in Bosnien und Herzegowina (BuH) begann<br />

Ende 2004 mit rund 7.000 Männern und Frauen aus 22<br />

Mitgliedstaaten und elf Partnernationen, darunter der<br />

Türkei, Kanada, Chile und Marokko. Sie arbeitet effektiv<br />

mit der ebenfalls in Bosnien und Herzegowina tätigen<br />

Europäischen Polizeimission EUPM zusammen. Aber<br />

wir wollen nicht ewig in Bosnien bleiben. Die Bosnier<br />

müssen selbst Verantwortung für ihr Land übernehmen.<br />

Die militärische Präsenz wird schrittweise weiter abgebaut<br />

und umfasst heute noch rund 2.500 Mann; trotzdem<br />

bleibt unsere Truppe noch sichtbar im Lande und kann<br />

schnell verstärkt werden, wenn nötig. Unter der politisch<br />

koordinierenden Autorität des EU-Sonderbeauftragten<br />

(und Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft)<br />

führt die ‚EU-Family’, zusammen mit der NATO,<br />

12


die dort noch ein kleines Hauptquartier unterhält, das<br />

Land schrittweise in die euro-atlantische Integration. Die<br />

NATO hat das Land im Herbst 2006 in das Programm<br />

Partnership for Peace aufgenommen. Der Schwerpunkt der<br />

Bemühungen liegt nun – nach erfreulichen Fortschritten<br />

auf dem Felde der Streitkräftereform – auf der Reform<br />

der Polizei und der Verfassung, die leider zu wünschen<br />

übrig lässt.<br />

Die zivilen und zivil-militärischen Operationen der EU<br />

sind weniger spektakulär, in ihrer Wirkung aber nicht zu<br />

unterschätzen. Ich will ihre Bedeutung an einigen Beispielen<br />

illustrieren. Die Beobachtermission der EU in ACEH<br />

(Sumatra/Indonesien) überwachte von September 2005<br />

bis Dezember 2006 mit rund 290 Männern und Frauen,<br />

darunter vielen Soldaten, zusammen mit fünf Nationen<br />

der regionalen Organisation ASEAN die Implementierung<br />

eines Friedensabkommens zwischen der indonesischen<br />

Regierung und der Rebellenorganisation GAM.<br />

In der europäischen Öffentlichkeit fand die Operation<br />

insgesamt wenig Beachtung und war doch eine kaum<br />

für möglich gehaltene Erfolgsgeschichte für die EU.<br />

Nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs besteht nun erstmals<br />

eine realistische Chance zu wirklichem Frieden auf der<br />

Halbinsel. Keine andere internationale Organisation oder<br />

Macht als die EU war von den Parteien als Garant des<br />

Friedensvertrages akzeptiert worden. Erstmals beteiligten<br />

ASEAN-Staaten an einer Friedensmission und arbeiteten<br />

mit der EU zusammen. Das Auftreten der EU in Asien<br />

als politischer Friedensfaktor war von strategischer Bedeutung<br />

und hat der GASP und ESVP eine neue Dimension<br />

eröffnet.<br />

Trotz der dramatischen, unglücklichen Entwicklungen im<br />

Nahen Osten in den vergangenen Monaten, soll auch die<br />

zivile Border Assistance Mission der EU am Grenzübergang<br />

RAFAH in Gaza genannt werden. Die Idee war, erstmals<br />

die Grenze zu Ägypten zu öffnen und die Regelung des<br />

Personen- und Güterverkehrs über diesen Grenz übergang<br />

in die Hände der palästinensischen Behörden zu legen.<br />

70 europäische Zollbeamte und Polizisten sollten die Einhaltung<br />

der internationalen Normen überwachen und die<br />

palästinensischen Beamten darin anleiten und weiterbilden.<br />

Die Übertragung staatlicher Exekutivfunktionen auf<br />

die palästinensische Autonomiebehörde und die Chance<br />

auf wirtschaftliche Erholung des Gazastreifens sollten<br />

mit den Sicherheitsinteressen Israels verbunden werden.<br />

Angesichts der jüngsten kriegerischen Entwicklungen im<br />

Gaza-Streifen ist leider fraglich, ob und wann die EU-<br />

Mission ihre Arbeit wieder aufnehmen kann.<br />

In SUDAN/DARFUR unterstützt die EU, zusammen<br />

mit den USA, Kanada, Norwegen und der NATO die<br />

Afrikanische Union (AU) in der Durchführung der Friedensmission<br />

AMIS. Die Europäische Kommission hat<br />

bisher 282 Mio. EURO zur Finanzierung der Mission<br />

aufgebracht, einschließlich der bilateralen Unterstützung<br />

seitens der EU-Mitgliedstaaten sind es mehr als 450<br />

Mio. EUR. Zusammen mit den Amerikanern stellt die<br />

EU Militärbeobachter und Offiziere als Experten in den<br />

AMIS-Hauptquartieren, um deren Kommandostruktur<br />

zu stärken; ein Kontingent europäischer Polizisten berät<br />

und unterstützt die afrikanischen Kollegen, die in den<br />

Flüchtlingslagern für Recht und Ordnung sorgen sollen.<br />

Gemeinsam mit der NATO organisiert die EU den Lufttransport<br />

der afrikanischen Bataillone in den Einsatzraum<br />

und zurück, und zusammen mit den Amerikanern hat die<br />

EU die Friedensverhandlungen in Abuja im Jahre 2006<br />

politisch und diplomatisch massiv unterstützt – heute<br />

muss man leider sagen: mit geringem Erfolg. Die katastrophale<br />

Lage in Darfur hat sich kaum gebessert. Es ging<br />

und geht aber darum, den Krieg in der geschundenen<br />

Provinz zu beenden, zugleich den Aufbau der AU zu einer<br />

handlungsfähigen Regionalen Organisation voranzutreiben,<br />

die die Sicherheitsbelange des Kontinents selbst<br />

in die Hand nehmen kann. Der Erfolg ist begrenzt. Die<br />

junge AU ist mit der Führung einer so komplexen Operation<br />

in einem äußerst schwierigen Umfeld überfordert.<br />

Nun richten sich alle internationalen Anstrengungen darauf,<br />

Truppen der VN in die Provinz zu bringen, die AMIS<br />

unterstützen und über eine gemeinsame AU/VN Hybrid<br />

Operation schließlich entlasten können.<br />

Die gewaltige politische, humanitäre und Sicherheitskrise<br />

in Darfur ist selbst nur ein Teil eines größeren regionalen<br />

Problems: Die ethnischen Strukturen und politischen<br />

13


Ziele und Handlungsfelder der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – Sachstand und Perspektive<br />

Prozesse diesseits und jenseits der Grenzen zum Tschad<br />

und auch zur Zentralafrikanischen Republik sind ebenso<br />

verflochten wie die Interessen und Aktionen der verschiedenen<br />

Akteure und Gruppen hier wie dort. Die riesigen<br />

Flüchtlings- und Vertriebenenzahlen in den Lagern in<br />

Darfur und im Tschad legen davon ein beklemmendes<br />

Zeugnis ab. Die VN wollen daher schon seit langem eine<br />

Operation im Osten des Tschad und Nordosten der Zentralafrikanischen<br />

Republik aufbauen. Frankreich hat diese<br />

Absicht nun aufgegriffen und eine Operation der EU<br />

vorgeschlagen, die dort die Sicherheit für die Bevölkerung<br />

verbessern hilft, einen VN-geführten Polizeieinsatz<br />

in den Lagern absichert und humanitäre Hilfe erleichtert,<br />

solange bis die VN in der Lage sind, selbst Truppen zu<br />

entsenden. Die Planungen für eine ESVP-Operation werden<br />

nun vorangetrieben, in enger Abstimmung mit den<br />

Vereinten Nationen.<br />

Nach der Operation ARTEMIS in Ostkongo im Jahre<br />

2003 unter Führung Frankreichs war die Operation<br />

EUFOR RD CONGO mit rund 2.300 Soldaten aus<br />

21 Nationen die zweite militärische Operation der EU<br />

aus eigener Kraft, also ohne die Hilfe der NATO. Dieses<br />

Mal übernahm erstmals Deutschland mit dem Operations<br />

Headquarters in Potsdam die militärische Gesamtführung,<br />

was international große Beachtung fand. Auf Bitten der<br />

Vereinten Nationen unterstützte die EU im zweiten Halbjahr<br />

2006 mit einem begrenzten, aber effizienten militärischen<br />

Beitrag die VN-Mission MONUC während des<br />

Wahlprozesses in der Demokratischen Republik Kongo 1<br />

– vor allem zur Abschreckung von potentiellen Unruhestiftern<br />

und zur Ermutigung der Wahlbevölkerung. Die<br />

Entwicklung der DR Kongo ist aufgrund ihrer zentralen<br />

Lage, ihrer schieren Größe, die der ganz Westeuropas<br />

gleichkommt, und der Zahl ihrer Nachbarn für die Lage<br />

Zentralafrikas von ausschlaggebender Bedeutung. Erfolgreiche<br />

demokratische Wahlen haben Vorbildcharakter für<br />

die gesamte Region. Eine stabile Entwicklung des Landes<br />

strahlt auf den ganzen Kontinent aus. Afrika aber ist<br />

unser Nachbarkontinent; von Stabilität oder Instabilität<br />

dort ist die Sicherheit Europas mehr oder weniger direkt<br />

betroffen. Mit dem militärischen Einsatz zur Absicherung<br />

der Wahlen haben wir ein deutliches Zeichen unseres<br />

Engage ments für die Zukunft des Landes und unserer<br />

Entschlossenheit gesetzt, ein Scheitern des politischen<br />

Transformationsprozesses nach langen Jahre grausamer<br />

Gewalt nicht zuzulassen. Die ‚autonome’ militärische<br />

Operation war aber Teil einer Gesamtanstrengung der<br />

Europäer: Die EU finanzierte zu 80 Prozent die Wahlen.<br />

Die zivile Mission EUSEC RD CONGO hilft nun weiter,<br />

die desolaten kongolesischen Streitkräfte neu aufzubauen;<br />

und die Mission EUPOL RD CONGO bildet die<br />

kongolesische Polizei nach europäischen Maßstäben aus.<br />

Derzeit prüfen wir, im Jahre 2008 eine integrierte Operation<br />

zur Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors<br />

(Streitkräfte, Polizei, Justiz, Verwaltung) in Zusammenarbeit<br />

mit den VN auf die Beine zu stellen.<br />

Kapazitäten<br />

Die Beispiele zeigen, dass ESVP-Operationen in vielen<br />

Fällen eine zivile und militärische Dimension haben.<br />

Darauf ist auch die Entwicklung der Fähigkeiten der EU<br />

ausgerichtet. Die Maximen der ESS verlangen die Fähigkeit<br />

zum rechtzeitigen, wenn nötig raschen, weltweiten<br />

Einsatz der jeweils richtigen Kapazitäten zur Krisenbewältigung,<br />

wenn nötig in mehreren Einsätzen gleichzeitig.<br />

Seit 2003 sieht sich die EU zwar technisch in der Lage,<br />

militärische Operationen im gesamten Spektrum der<br />

Petersberg-Aufgaben zu führen (Humanitäre und Rettungseinsätze,<br />

friedenserhaltende Einsätze sowie Kampfeinsätze<br />

zur Krisenbewältigung), aber in durch bestehende<br />

Defizite gesetzten Grenzen: Wesentliche Fähigkeiten wie<br />

Transport, Aufklärung, Führung, Mobilität oder Luftbetankung<br />

bringen die Europäer noch nicht in ausreichendem<br />

Maße auf. Mit der ESS aber sind neue Aufgaben<br />

hinzugekommen. Sie unterstreichen die Ausrichtung der<br />

EU auf langfristige Stabilisierung: Aufbau von Institutionen<br />

(Institution Building); Entwaffnung, Demobilisierung<br />

und Reintegration von Milizen und bewaffneten<br />

Rebellenorganisationen (Disarmament, Demobilisation, and<br />

Reintegration -DDR); Reform ganzer Sicherheitssektoren<br />

1 Im Kongo wurden der Präsident, das nationale Parlament und die Provinzparlamente gewählt. Da keiner der Bewerber um das Amt des Präsidenten im ersten Wahlgang am 30. Juli 2006 die<br />

absolute Mehrheit errang, war eine Stichwahl im Oktober erforderlich.<br />

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fragiler Staaten (Security Sector Reform – SSR) sowie die<br />

Unterstützung von Drittstaaten im Kampf gegen den<br />

internationalen Terrorismus. Das (militärische) Headline<br />

Goal 2010 legt daher den Schwerpunkt auf Qualität und<br />

Reaktionsfähigkeit und sieht die Entwicklung von flexibel<br />

einsetzbaren, schnell verfügbaren und verlegefähigen<br />

Streitkräftekontingenten vor.<br />

In einem systematischen Planungsprozess wurden die<br />

erforderlichen Fähigkeiten für eine Reihe von denkbaren<br />

Einsatzszenarien definiert. Derzeit werden die eingemeldeten<br />

Beiträge der Mitgliedstaaten, die verbleibenden<br />

Defizite und die möglichen operativen Risiken bewertet.<br />

Die Europäische Verteidigungsagentur (EVA) wird eine wesentliche<br />

Rolle bei der Suche nach Lösungen spielen, die<br />

Lücken schließen zu helfen und die Fähigkeitsplanung<br />

über 2010 hinaus langfristig auszurichten. Das Langzeit-<br />

Strategie-Papier der Agentur (Initial Long Term Vision) ist<br />

auf das Jahr 2025 hin ausgelegt und hilft uns zu verstehen,<br />

welche Schritte wir heute einleiten müssen, um für<br />

die Zukunft gerüstet zu sein. – Seit Anfang 2007 verfügt<br />

die EU mit ihrer Battlegroup-Kapazität über eine spezifische<br />

Fähigkeit zur schnellen Reaktion. Zwei Battlegroup-<br />

Operationen können nun gleichzeitig geführt werden; in<br />

vielen Regionen Afrikas kann, wie die bisherigen militärischen<br />

Einsätze der EU gezeigt haben, damit – etwa zur<br />

Unterstützung der VN – durchaus große Wirkung erzielt<br />

werden.<br />

Auf der zivilen Seite hat die EU mehrere Prioritätenfelder<br />

für zivile Fähigkeiten definiert: Polizei, Aufbau des<br />

Rechtsstaats, Aufbau oder Reform ziviler Verwaltungen,<br />

Schutz der Zivilbevölkerung, Beobachtungs- und Überwachungsmissionen<br />

und Unterstützung für die EU-<br />

Sonderbeauftragten in verschiedenen Regionen der Welt.<br />

Unsere Mitgliedstaaten haben sich zu bemerkenswerten<br />

Beiträgen verpflichtet: 5.700 Polizisten; 630 Richter,<br />

Staatsanwälte und Vollzugsbeamte, 560 zivile Verwaltungsexperten,<br />

5.000 Zivilschutzexperten, 500 Experten<br />

für Beobachtermissionen und rund 400 für Sonderbeauftragte.<br />

Zweifelsohne zielen die meisten zivilen Missionen<br />

der ESVP auf Beratung, Anleitung, Aus- und Weiterbildung,<br />

Beobachtung und Verifikation durch individuelle<br />

Experten ab. Polizisten und Rechtsstaatsexperten, die<br />

für anspruchsvolle und risikoreiche Auslandseinsätze<br />

zur Verfügung stünden, sind aber überall ein knappes<br />

und wertvolles ‚Gut’. Die Rekrutierung ist jedes Mal ein<br />

schwieriges und langwieriges Unterfangen. Außerdem<br />

braucht man in bestimmten kritischen Situationen geschlossene<br />

polizeiliche Formationen, wenn es gilt, nach<br />

einer militärischen Intervention rasch ein „law enforcement<br />

gap“ zu füllen. Dafür stehen noch nicht genügend ‚stehende’,<br />

einheitlich ausgebildete, schnell einsatzfähige<br />

Polizeikontingente bereit. Daher haben wir analog zum<br />

militärischen Headline Goal 2010 das Civilian Headline Goal<br />

2008 entwickelt. Analog zur militärischen Methodologie<br />

wurden multifunktionale zivile Fähigkeitspakete entwickelt.<br />

Zwei Beispiele sind zu nennen:<br />

− Schnell verfügbare und verlegefähige Polizeikontingente<br />

wie die Integrated Police Units (IPU) mit<br />

militärischem Status wie die französische Gendarmerie<br />

oder die italienischen Carabinieri, die auch zeitweise<br />

unter militärisches Kommando treten können, oder die<br />

Formed Police Units, die unter ziviler Führung verbleiben,<br />

können ein breites Spektrum an exekutiven Polizeiaufgaben<br />

erfüllen. Fünf Mitgliedstaaten – Frankreich, Italien,<br />

die Niederlande, Portugal und Spanien – haben Anfang<br />

des Jahres die European Gendarmerie Force mit insgesamt<br />

800 Mann in Dienst gestellt. Vermutlich wird sie in diesem<br />

Jahr erstmals mit Teilen in Bosnien und Herzegowina<br />

im Rahmen der EUFOR eingesetzt.<br />

− Crisis Response Teams (CRT), die sich aus zivilen<br />

Experten verschiedener Provenienz zusammensetzen,<br />

sollen in wenigen Tagen verfügbar sein und auch mit militärischen<br />

schnellen Reaktionskräften eingesetzt werden<br />

können, schnellen Kontakt mit den lokalen Stellen und<br />

anderen internationalen Organisationen aufnehmen, die<br />

militärischen Kräfte beraten, größere zivile Operationen<br />

erkunden und deren Aufnahme vorbereiten.<br />

Das Spektrum der EU an zivilen Instrumenten zur<br />

Krisenbewältigung ist aber nicht nur auf Operationen<br />

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Ziele und Handlungsfelder der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – Sachstand und Perspektive<br />

und Missionen im Rahmen der ESVP beschränkt. Auch<br />

die Europäische Kommission entfaltet natürlich große<br />

Wirkung nach außen. Mit über 130 Delegationen in der<br />

Welt hat die Kommission ein dicht geflochtenes, globales<br />

Netzwerk und Verbindungen zu zahlreichen Organisationen<br />

und Ländern etabliert. Das entscheidende Instrument<br />

der Kommission sind die finanziellen Mittel und<br />

Haushalte der EU, die sie zumeist für langfristig angelegte<br />

Programme und Projekte nutzt – für die Entwicklung<br />

und Stabilisierung von Ländern und Regionen im engeren<br />

und weiteren Umkreis der EU und für den Aufbau und<br />

die Stärkung von Institutionen und regionalen Organisationen.<br />

Die Kommission ist aber ebenso für rasche humanitäre<br />

Hilfe im Namen der EU verantwortlich.<br />

Zivil-militärische Koordinierung<br />

Natürlich hat Entwicklungshilfe der EU eine außenund<br />

sicherheitspolitische Dimension; umgekehrt können<br />

ESVP-Operationen die Voraussetzungen für langfristige<br />

Projekte der Kommission schaffen oder von ihnen profitieren.<br />

Es besteht daher breites Einvernehmen darüber,<br />

dass die EU als ganze koordiniert nach außen auftreten<br />

und ihre Wirksamkeit als ganze verbessern muss. Geschlossenheit<br />

und Kohärenz ist ein dringendes Gebot,<br />

will die EU in ihrem äußeren Handeln glaubwürdig und<br />

effektiv sein. Das Schlüsselwort heißt zivil-militärische<br />

Koordination, die zielorientierte Planung der zivilen und<br />

militärischen Instrumente der ESVP, aber auch die der<br />

ersten und zweiten ‚Säule’ der EU – in Brüssel, in und<br />

zwischen den Hauptstädten, wie auch ‚im Felde’. Es ist<br />

klar, dass dazu ein einheitliches Verständnis über das jeweilige<br />

politische Ziel und eine gemeinsame Strategie notwendig<br />

sind, die die eher kurzfristigen Operationen mit<br />

den langfristigen Programmen verbindet. Wir brauchen<br />

eine übergreifende gemeinsame Denk- und Planungskultur,<br />

die entsprechenden Strukturen und effiziente Verfahren<br />

zur raschen Bereitstellung der finanziellen Mittel. Der<br />

Reformvertrag der EU wird hoffentlich ein Meilenstein<br />

auf dem Weg zu einheitlicher Planung und kohärenter<br />

externer Aktion der EU sein. Bis dahin ist aber noch viel<br />

zu tun. Derzeit drehen sich unsere internen Reformüberlegungen<br />

vor allem um zwei Felder:<br />

(1) Wollen wir überlegt und vorbereitet handeln, der<br />

Politik Entscheidungsfreiheit bieten und für schnelle und<br />

angemessene Reaktion Zeit gewinnen, ist vorausschauende<br />

Analyse, die Entwicklung strategischer Optionen<br />

und integrierte Planung unausweichlich. Diese muss<br />

zivil-militärisch und ‚säulen-übergreifend’ angelegt sein.<br />

Mit der Civilian/Military Cell im EU-Militärstab ist ein<br />

wichtiger Schritt in diese Richtung getan. Dort arbeiten<br />

Diplomaten, Offiziere und auch Beamte der Kommission<br />

in gemischten Teams effektiv zusammen. Wenn<br />

außerdem schnelle und flexible, aber ebenso situationsgerechte<br />

und effektive Reaktion möglich sein soll, ist zivil<br />

und militärisch eng abgestimmte Parallelplanung über die<br />

Führungsebenen hinweg geboten. Mit dem neuen EU<br />

Operations Centre steht dafür seit Beginn 2007 eine zentrale<br />

Planungs- und Führungskapazität in Brüssel zur Verfügung.<br />

Dessen Nukleus ist Teil der Civilian/Military Cell.<br />

Auf Beschluss des Rats kann er in sehr kurzer Zeit, durch<br />

Personal aus dem EU-Militärstab, dem Generalsekretariat<br />

und aus Mitgliedstaaten verstärkt, zu voller Stärke von<br />

rund 90 Mann aufwachsen und dann eine mittlere militärische<br />

oder größere zivil-militärische ESVP-Operation<br />

planen und führen 2 . Die physische und geistige Nähe zu<br />

den Entscheidungsgremien der EU und deren Ausschüssen,<br />

zu den zivilen und militärischen Abteilungen und<br />

auch zur Kommission macht rasche, nahezu parallele und<br />

konsistente Planung auf allen Führungsebenen möglich<br />

– ein gewaltiger Vorteil dieser Führungsoption. Die erste<br />

Übung MILEX 07 fand ein großes öffentliches Echo.<br />

Auf Veranlassung der deutschen Präsidentschaft werden<br />

nun Optionen entwickelt, mit denen die die Fähigkeit zu<br />

schneller, effizienter Planung weiter vorangetrieben werden<br />

kann.<br />

(2) Die Entwicklung der militärischen Führungsfähigkeit<br />

findet ihre Entsprechung auf ziviler Seite: Die<br />

Führung von zivilen Operationen liegt derzeit noch in<br />

der Hand eines Head of Mission im Einsatzland. Mit Blick<br />

auf die professionelle Führung anspruchsvoller ziviler<br />

2 Das Operation Centre fungiert dann wie ein Operation Headquarters der EU und stellt damit – neben SHAPE im Falle von Berlin-Plus-Operationen und den fünf der EU angezeigten nationalen<br />

militärischen Oberkommandos (DE, EL, FR, IT, UK) eine dritte Führungsoption auf strategischer Ebene dar.<br />

16


Operationen baut die EU nun eine voll ausgebildete,<br />

dreistufige Leitungsorganisation für zivile Operationen<br />

auf, analog zur militärischen Kommandostruktur. Die<br />

deutsche Präsidentschaft hat mit der Berliner Konferenz<br />

zur Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

Ende Januar 2007 dafür den Weg geebnet. Künftig wird<br />

ein ziviler Operation Commander alle Heads of Missions führen.<br />

Dazu wird er durch einen eigenen Stab unterstützt,<br />

der die Funktion eines zivilen Hauptquartiers hat. Da<br />

Planung und Führung nahezu jeder komplexen ESVP-<br />

Operation zivile und militärische Anteile haben, findet<br />

die Planung und Überwachung von ESVP-Operationen<br />

in Brüssel künftig integriert statt: Über die Civilian/Military<br />

Cell wird der neue zivile Stab mit dem Militärstab<br />

und dem Operation Centre verbunden; dort wird auch eine<br />

Watch Keeping Capability etabliert, die alle Operationen der<br />

EU permanent überwacht und alle einsatzrelevanten Informationen<br />

steuert.<br />

Damit stehen eigentlich alle wesentlichen Elemente einer<br />

zentralen, zivil-militärischen Planungs- und Führungsfähigkeit<br />

in Brüssel zur Verfügung, ganz im Einklang mit<br />

dem ganzheitlichen Anspruch unserer Sicherheits- und<br />

Verteidigungspolitik. Ich bin sicher, dass ein globaler<br />

Sicherheitsakteur von der Größe, der Rolle, der Verantwortung<br />

und dem Aktionsradius der EU auf längere<br />

Sicht uneingeschränkt in der Lage sein muss, eigene<br />

Operationen zu führen; die Verantwortung für Planung,<br />

Ausführung und Erfolg ist unteilbar.<br />

Effektiver Multilateralismus<br />

Die Kongruenz und immer enger werdende Verbindung<br />

der zivilen und militärischen Führungsstrukturen wird die<br />

Koordination der zivilen und militärischen Mittel der EU<br />

und damit die Wirksamkeit des EU-Krisenmanagements<br />

im Einsatzland deutlich verbessern. Aber zur EU-internen<br />

Optimierung muss eine entscheidende Dimension<br />

hinzukommen, will Krisenmanagement zu nachhaltiger<br />

Stabilisierung führen: die Zusammenarbeit in multilateralen<br />

Organisationen und mit unseren internationalen Partnern.<br />

Die Vereinten Nationen sind eine zentrale Kraftquelle<br />

und Ausdruck von multilateraler Verantwortung,<br />

ein Grundpfeiler des internationalen Systems und die<br />

einzige universale internationale Organisation, die wir haben.<br />

Die EU hat es sich zur Aufgabe gemacht, vor allem<br />

die VN in ihren Friedensbemühungen zu unterstützen.<br />

Man kann sogar sagen: ein wesentlicher Bestandsgrund<br />

der ESVP liegt in der Unterstützung von und der Zusammenarbeit<br />

mit den VN. In unserem Engagement auf<br />

dem Balkan, im Kaukasus, im Nahen Osten und in Afrika<br />

kommt dies besonders zum Ausdruck.<br />

Als globaler Akteur will die EU darüber hinaus ihre politischen,<br />

wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu<br />

alten und neuen Machtzentren vertiefen. Die Beziehungen<br />

zu unserem Nachbarn Russland sind in schwierigen<br />

Gewässern, aber beide Seiten sind aus sicherheits- und<br />

wirtschaftspolitischen Gründen aufeinander angewiesen.<br />

Die Ukraine braucht europäische Unterstützung. Der<br />

Kaukasus richtet sich mehr und mehr auch nach Westen<br />

aus. Die wachsende Bedeutung Zentralasiens für die<br />

europäischen Interessen kommt in der neuen Zentralasienstrategie<br />

zum Ausdruck; ihre Schwerpunkte liegen<br />

auf Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Bildung, wirtschaftlicher<br />

Entwicklung und Energie. Die junge Afrikanische<br />

Union richtet sich nach dem Modell der EU aus;<br />

sie braucht und verdient alle unsere Unterstützung für<br />

den Aufbau der Kapazitäten und Strukturen, die sie für<br />

die Aufgaben einer Regionalen Organisation auf unserem<br />

Nachbarkontinent benötigt. Neue, aufstrebende Akteure<br />

sind auf der internationalen Bühne erschienen: China,<br />

Indien, Brasilien und Südafrika. Sie eröffnen neue große<br />

Chancen für wirtschaftliche und sicherheitspolitische Kooperation,<br />

verlangen aber ebenso alle unsere Anstrengungen,<br />

unserer gemeinsamen Verantwortung für regionale<br />

Stabilität, Klima- und Umweltschutz gerecht zu werden.<br />

Wenn es um die Pflege und Weiterentwicklung internationaler<br />

Zusammenarbeit geht, steht die einzigartige transatlantische<br />

Partnerschaft natürlich obenan. Es stimmt,<br />

„acting together, the EU and the US can be a formidable<br />

17


Ziele und Handlungsfelder der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – Sachstand und Perspektive<br />

force for the good in the world”, wie es die Europäische<br />

Sicherheitsstrategie ausdrückt. Die transatlantische Verbindung<br />

bleibt für die Sicherheit Europas unverzichtbar.<br />

Zu einer wirklichen strategischen Partnerschaft zwischen<br />

den großen Demokratien des Westens, zwischen den<br />

Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen<br />

Union, gibt es angesichts der strategischen Herausforderungen<br />

von heute und morgen keine vernünftige Alternative.<br />

Zugleich müssen sich die Beziehungen zwischen<br />

den USA und der EU zu einer umfassenden Partnerschaft<br />

unter Gleichen entwickeln, im Einklang mit der NATO<br />

und unseren jeweiligen bilateralen Beziehungen und Verpflichtungen.<br />

Auch in dieser Hinsicht hat die deutsche<br />

Präsidentschaft mit dem EU-US Gipfel im März 2007<br />

Wegweisendes geleistet. Der Zwang zur praktischen Zusammenarbeit<br />

in Krisenregionen, die für Europas und<br />

Amerikas Sicherheit gleichermaßen wichtig sind und in<br />

denen sowohl die EU also auch die NATO engagiert<br />

sind, ist evident. Der Balkan, der Nahe und Mittlere Osten<br />

und Afghanistan sind dafür schlagende Beispiele.<br />

Der ganzheitliche Ansatz, der Comprehensive Approach, für<br />

wirkungsvolle Krisenbewältigung ist auch in der NATO<br />

inzwischen fraglos anerkannt: Der Gipfel in Riga Ende<br />

2006 hat sich diesen Ansatz explizit zueigen gemacht. Die<br />

EU verfügt über ein Spektrum an Fähigkeiten, die der<br />

NATO fehlen, aber für effektive Krisenbewältigung im<br />

europäischen wie amerikanischen Interesse unverzichtbar<br />

sind. Die Planungen für eine ESVP-Polizei- und Rechtsstaatsmission<br />

im Kosovo und die jüngst begonnene<br />

Polizei- und Rechtsstaatsmission der EU in Afghanistan,<br />

die in Zusammenarbeit mit den NATO-Stäben erfolgten,<br />

wie auch die Bereitschaft der USA, sich an der zivilen<br />

Kosovo-Operation der EU zu beteiligen, bieten eine große<br />

Chance für eine neue Form der Zusammenarbeit.<br />

Schlussbemerkungen<br />

Vor wenigen Monaten haben wir in Berlin den 50. Geburtstag<br />

der Römischen Verträge gefeiert. Der Aufbau<br />

der Europäischen Union hatte mit dem Willen begonnen,<br />

den Frieden zwischen Deutschland und Frankreich zu<br />

besiegeln. Vierzig Jahre später wurde das europäische<br />

Aufbauwerk der Schlüssel zur friedlichen Wiedervereinigung<br />

unseres Kontinents. Es ist uns in Europa gelungen,<br />

den alten und fruchtlosen Ansatz hinter uns zu lassen,<br />

die eigene Sicherheit auf die Schwäche des anderen zu<br />

gründen. Wir wissen heute alle, dass wir nur stark, sicher<br />

und wohlhabend sein werden, wenn unsere Nachbarn es<br />

auch sind. Das aus der Tragik und der Schrecken zweier<br />

Weltkriege geborene Projekt ist etwas entschieden<br />

Neues und Geniales: Einheit in Freiheit; Frieden durch<br />

Öffnung und Integration. Es hat eine einzigartige Stabilität<br />

geschaffen, die nicht wie früher das Ergebnis eines<br />

Mächtegleichgewichts, sondern die Folge solider Normen<br />

und funktionierender Institutionen ist. Die Rechts- und<br />

Wertegemeinschaft der Europäer halte ich für unsere<br />

größte Errungenschaft. Man muss mehr als 800 Jahre<br />

zurückgehen, um eine längere Periode des Friedens in<br />

Europa zu finden.<br />

Wir müssen nun den nächsten Schritt tun und zum Faktor<br />

des Friedens in der internationalen Gemeinschaft werden.<br />

In vielen Regionen der Welt gilt die EU als Modell, als<br />

ein Ort, dessen Maß an Freiheit und Frieden, Wohlstand<br />

und Stabilität unvergleichlich ist. Die in Europa erreichte<br />

Stabilität strahlt weit über unseren Kontinent hinaus und<br />

ist Vorbild für andere Weltregionen geworden. Daraus erwächst<br />

Verantwortung. Unser eigenes Interesse gebietet,<br />

dass wir uns auch in den anderen Regionen dieser Erde<br />

für Stabilität, Frieden und Menschenrechte engagieren.<br />

Was wir in der Welt tun müssen, hat das getreue Spiegelbild<br />

dessen zu sein, was wir sind. Es gibt eine europäische<br />

Art, in der Welt zu wirken: den Dialog suchen, Brücken<br />

bauen, mit anderen zusammenarbeiten, aber auch die<br />

Schwachen schützen, die unsere Hilfe brauchen: More<br />

active, more capable, and more coherent – das sind die strategischen<br />

Imperative, die sich Europa selbst gesetzt hat.<br />

18


Die Bundeswehr – Instrument deutscher Sicherheitspolitik<br />

Text:<br />

Dr. Franz Josef Jung<br />

Bundeswehr im Einsatz<br />

Die Einsätze der Bundeswehr spannen einen weiten geographischen<br />

Bogen vom Balkan über Afrika bis nach Afghanistan.<br />

Über 8.200 deutsche Soldatinnen und Soldaten<br />

im Einsatz sind unter anderem Beweis für die Bedeutung,<br />

die unseren Streitkräften bei der Sicherung von Frieden<br />

und Sicherheit weltweit zukommt. An kaum einem anderen<br />

Politikfeld lässt sich die Entwicklung Deutschlands<br />

besser aufzeigen als an der Außen- und Sicherheitspolitik.<br />

Die Auslandseinsätze der Bundeswehr machen dieses<br />

deutlich.<br />

An den Einsätzen ist aber auch eine andere Entwicklung<br />

festzumachen, die das sicherheitspolitische Umfeld im<br />

21. Jahrhundert prägt. Sicherheitspolitik lässt sich heute<br />

nicht mehr allein geographisch definieren. Der Prozess<br />

der Globalisierung prägt unsere moderne Welt in besonderer<br />

Weise. Er erfasst weltweit nahezu alle Staaten und<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en. Mit ihm verbindet sich eine zunehmende<br />

Vernetzung internationaler Handels-, Investitions-,<br />

Reise-, Kommunikations- und Wissensströme. Dadurch<br />

bieten sich vielen <strong>Gesellschaft</strong>en größere Chancen, an der<br />

modernen Welt teilzuhaben. Geographische Distanzen<br />

verlieren zunehmend an Bedeutung. Die Globalisierung<br />

sorgt für eine sich fortsetzende Beschleunigung und Erleichterung<br />

des Austauschs von Ideen und Technologien.<br />

In der Folge dieser Entwicklungen werden die wechselseitigen<br />

Abhängigkeiten zwischen <strong>Gesellschaft</strong>en weltweit<br />

immer größer.<br />

Gleichzeitig ist diese Entwicklung aber auch nicht ohne<br />

Risiken. Aus der immer größeren Interdependenz folgt,<br />

dass Entwicklungen in Regionen und Sektoren unsere<br />

Sicherheit beeinträchtigen können, die in einem hauptsächlich<br />

geographisch und militärisch definierten Sicherheitsverständnis<br />

früher nur wenig Beachtung fanden. Die<br />

steigende Bedeutung nichtstaatlicher Akteure, der internationale<br />

Terrorismus oder die organisierte Kriminalität<br />

sind Beispiele für die gestiegene Bedrohung durch mitten<br />

in Zivilgesellschaften existierende, schwer zu lokalisierende<br />

Gefahren. Diesen kann weder allein noch vorrangig<br />

mit militärischen Mitteln begegnet werden.<br />

Franz Josef Jung<br />

Verantwortungsvolle Sicherheitspolitik darf nicht darauf<br />

warten, bis die Auswirkungen entfernter Konflikte auch<br />

bei uns spürbar werden. Es gilt vielmehr, die Probleme<br />

an ihren Ursachen anzugehen. Die Bundeswehr leistet<br />

hierzu mit ihrer Beteiligung an internationalen Friedensmissionen<br />

einen wichtigen Beitrag.<br />

Ausrichtung der Bundeswehr<br />

Die Auslandseinsätze haben die Bundeswehr vor neue<br />

Herausforderungen gestellt. Die verfassungsrechtliche<br />

Grundlage der Bundeswehr bleibt die Verteidigung gegen<br />

eine militärische Bedrohung, auch wenn dies auf absehbare<br />

Zeit als unwahrscheinlich erscheint. Gleichzeitig gilt<br />

es, die Bundeswehr auf die wahrscheinlicheren Aufgaben<br />

im Rahmen internationaler Konfliktverhütung und Krisenbewältigung<br />

auszurichten.<br />

Die Dynamik des sicherheitspolitischen Umfelds im 21.<br />

Jahrhundert verlangt von Staaten, aber auch von Streitkräften<br />

ein hohes Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.<br />

Die Bundeswehr begegnet dieser Herausforderung<br />

mit dem ebenso dynamischen Prozess der Transformation.<br />

Dieser ist ein multidimensionaler Prozess, der<br />

sicherheitspolitische, gesellschaftliche, technologische,<br />

innovative und mentale Aspekte vereint.<br />

19


Die Bundeswehr – Instrument deutscher Sicherheitspolitik<br />

In der praktischen Umsetzung ist es das übergeordnete<br />

Ziel der Transformation, die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr<br />

zu erhöhen. Transformation umfasst damit alle<br />

Bereiche der Streitkräfte und ihrer Verwaltung – Fähigkeiten,<br />

Umfänge, Strukturen, Stationierung, Personal,<br />

Material, Ausrüstung und Ausbildung.<br />

Wesentliches Element der Transformation ist die Einführung<br />

von neuen Kräftekategorien, die den Anforderungen<br />

einer Armee im Einsatz in besonderer Weise<br />

Rechnung tragen. Die Umstrukturierung soll bis 2010<br />

abgeschlossen sein. Von den neuen Kräftekategorien<br />

sind die Eingreifkräfte in erster Linie für multinationale,<br />

streitkräftegemeinsame, vernetzte Operationen von hoher<br />

Intensität vorgesehen. Sie sollen friedenserzwingende<br />

Maßnahmen gegen vorwiegend militärisch organisierte<br />

Gegner durchsetzen und damit die Voraussetzung für<br />

Stabilisierungsoperationen schaffen können. Aus dieser<br />

Kategorie werden auch die Beiträge Deutschlands zur<br />

schnellen Eingreiftruppe der NATO oder zu den EU-<br />

Battlegroups gestellt. [Sie umfasst insgesamt 35.000 Soldatinnen<br />

und Soldaten.]<br />

Die Stabilisierungskräfte sind hingegen für militärische<br />

Operationen mittlerer Intensität und längerer Dauer<br />

vorgesehen, wie wir sie heute in den Einsätzen der Bundeswehr<br />

überwiegend vorfinden. Stabilisierungskräfte<br />

müssen sowohl gegen militärisch organisierte Gegner als<br />

auch gegen asymmetrisch kämpfende Kräfte durchsetzungsfähig<br />

sein. Dies verlangt, dass sie Fähigkeiten zur<br />

Eskalationsdominanz besitzen müssen. Der Erfolg ihrer<br />

Operationen beruht im wesentlichen auf drei Elementen:<br />

konsequentem Auftreten, kultureller und sozialer<br />

Kompetenz im Einsatzgebiet sowie der Fähigkeit zur<br />

umfassenden Nachrichtengewinnung und Aufklärung,<br />

um ungünstigen Lageentwicklungen entgegenwirken zu<br />

können. [Um die Durchhaltefähigkeit zu gewährleisten,<br />

umfassen die Stabilisierungskräfte 70.000 Soldatinnen<br />

und Soldaten.] Langfristig sollen insgesamt bis zu 14.000<br />

Soldatinnen und Soldaten gleichzeitig in bis zu fünf Einsatzgebieten<br />

weltweit einsatzfähig sein.<br />

Sowohl Eingreif- als auch Stabilisierungskräfte werden in<br />

ihren Aufgaben durch die Unterstützungskräfte bei der<br />

Einsatzvorbereitung und -durchführung umfassend und<br />

effizient unterstützt. Ihre Aufgaben liegen vor allem in<br />

der Führungsunterstützung, Nachrichtengewinnung und<br />

Aufklärung sowie in logistischer und sanitätsdienstlicher<br />

Unterstützung. [Sie umfassen insgesamt 147.500 Soldatinnen<br />

und Soldaten.]<br />

Leitlinien für Einsätze und internationale Verantwortung<br />

Deutschlands<br />

Die Bundeswehr stellt der Politik ein wirksames und<br />

effizientes Mittel staatlichen Handelns bereit. Die Entsendung<br />

von deutschen Streitkräften in Auslandseinsätze<br />

ist aber nicht nur abhängig von der Frage der technischen<br />

Machbarkeit. Die Entscheidung, dieses Mittel auch einzusetzen<br />

obliegt zum einen der Bundesregierung und<br />

unterliegt zum anderen dem Vorbehalt der konstitutiven<br />

Zustimmung durch den Deutschen Bundestag.<br />

Immer wieder ist die Frage nach den Kriterien aufgeworfen<br />

worden, anhand derer die Einsätze begründet werden.<br />

Die Politik trägt mit diesen Entscheidungen eine hohe<br />

Verantwortung, die keine einfachen Antworten zulässt.<br />

Jede Entscheidung muss sorgfältig auf den konkreten Fall<br />

bezogen abgewogen werden – nicht zuletzt im Interesse<br />

unserer Soldatinnen und Soldaten. Dennoch gibt es<br />

Eckpfeiler, an denen sich jede Entscheidung orientieren<br />

muss. Dies sind die Werte des Grundgesetzes, die Ziele<br />

und die Interessen deutscher Sicherheitspolitik sowie die<br />

internationalen Verpflichtungen Deutschlands.<br />

Wir können uns unserer internationalen Verantwortung<br />

nicht entziehen. Deutschland kommt aufgrund seiner<br />

Größe, seiner Bevölkerungszahl und seiner wirtschaftlichen<br />

Leistungsfähigkeit eine wichtige Rolle in Europa und<br />

der Welt zu. Diese Rolle gilt es verantwortungsvoll auszufüllen.<br />

Die Bundeswehr leistet durch ihre Beteiligung an<br />

internationalen Friedensmissionen einen wichtigen Beitrag,<br />

dieser internationalen Verantwortung Deutschlands<br />

für Frieden und Sicherheit gerecht zu werden.<br />

20


Herausforderung vernetzte Sicherheitspolitik<br />

Die Einsätze stellen nicht nur die Bundeswehr, sondern<br />

die gesamte internationale Gemeinschaft auf die Probe.<br />

Um erfolgreich zu sein, müssen wir uns weiterentwickeln.<br />

Die Bundesregierung hat dies erkannt und antwortet auf<br />

diese Herausforderung im Weißbuch mit dem Konzept<br />

der vernetzten Sicherheit. Es basiert zum einen auf der<br />

Überlegung, dass Sicherheit heute nicht nur durch militärische<br />

Faktoren beeinflusst wird. <strong>Gesellschaft</strong>liche,<br />

ökonomische, ökologische und kulturelle Bedingungen<br />

spielen eine ebenso große Rolle. Zum anderen trägt es<br />

der Einsicht Rechnung, dass weder national noch durch<br />

Streitkräfte alleine Sicherheit gewährleistet werden kann.<br />

Erforderlich ist vielmehr ein Ansatz, der nicht nur diese<br />

unterschiedlichen Faktoren berücksichtigt. Er muss dazu<br />

führen, dass die verschiedenen Akteure zielgerichtet<br />

gemeinsam planen und handeln, damit die beabsichtigte<br />

Wirkung eintritt. Der Weg von der gemeinsamen Problemanalyse<br />

hin zum gemeinsamen Handeln ist das Ziel des<br />

Konzepts der vernetzten Sicherheit.<br />

Die Herausforderung vernetzten Handelns stellt sich auf<br />

zwei Ebenen: auf der nationalen und auf der internationalen<br />

Ebene. Im nationalen Bereich geht es vor allem darum,<br />

zunächst den Informationsaustausch zwischen den<br />

verschiedenen Akteuren zu erleichtern und zu verbessern.<br />

Beispielhaft hierfür ist das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum,<br />

in dem Polizei, Nachrichtendienste und<br />

Streitkräfte gemeinsam zusammenarbeiten. Es geht aber<br />

auch darum, vorhandene Lücken in der Sicherheitsvorsorge<br />

zu schließen. Hierzu gehört der Einsatz militärischer<br />

Mittel zum Schutz der Luft- und Seesicherheit vor<br />

terroristischen Anschlägen, wo die Bundesregierung an<br />

einer Regelung arbeitet.<br />

Im internationalen Bereich geht es vor allem um die Frage<br />

der verbesserten Koordination und Abstimmung der<br />

internationalen Organisationen untereinander. Die Bundeswehr<br />

schafft dort, wo sie in Friedensmissionen eingesetzt<br />

ist, die Voraussetzungen dafür, dass die Menschen<br />

vor Ort ohne Angst vor Gewalt einen Neuanfang wagen<br />

können. Durch ihren Einsatz sorgen unsere Soldatinnen<br />

und Soldaten in den Krisengebieten auf dem Balkan,<br />

in Afrika und Afghanistan für das sichere Umfeld, in<br />

dem internationale sowie Nichtregierungsorganisationen<br />

arbeiten können. Mit ihren zivilen Aktivitäten fördern sie<br />

den Wiederaufbau und damit selbsttragende Stabilität. Ziviles<br />

und militärisches Handeln bedingen sich gegenseitig:<br />

Es wird keinen Fortschritt im zivilen Bereich ohne Schutz<br />

durch das Militär und ohne Erfolg beim zivilen Wiederaufbau<br />

kein Ende der Notwendigkeit des militärischen<br />

Schutzes geben.<br />

Die Schaffung eines sicheren Umfelds ist somit militärische<br />

Kernaufgabe. Dieses leistet die Bundeswehr hervorragend.<br />

In den Auslandseinsätzen steht die internationale<br />

Gemeinschaft jedoch vor größeren Herausforderungen.<br />

Es geht darum, die Bedingungen für einen selbsttragenden<br />

Frieden zu schaffen. Es ist nicht Aufgabe der Streitkräfte,<br />

Verwaltungen, Justiz- und Gesundheitssysteme, ja<br />

ganze Volkswirtschaften aufbauen.<br />

Es ist deshalb notwendig, alle Akteure von Anfang an auf<br />

ein gemeinsames Ziel zu verpflichten. Dieses Ziel kann<br />

nur lauten: Die Konfliktursachen zu beseitigen, die den<br />

Einsatz notwendig gemacht haben. Den größten Erfolg<br />

haben wir erzielt, wenn wir einen Einsatz beenden können.<br />

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Aktivitäten<br />

aller Akteure möglichst effizient ineinander greifen.<br />

Diese Einsicht schlägt sich auch in den aktuellen Planungen<br />

unserer Partner und Verbündeten nieder. Gegenwärtig<br />

diskutieren wir über Konzepte, die über den rein<br />

militärischen Bereich hinausweisen. Dabei geht es nicht<br />

um die Vereinnahmung von zivilen Akteuren durch das<br />

Militär. Vielmehr ziehen diese Konzepte die Schlussfolgerung<br />

aus der Erkenntnis, dass wir einen ganzheitlichen<br />

Ansatz brauchen. Dazu müssen die Akteure frühzeitig an<br />

einem Tisch sitzen.<br />

Deutschland hat diese Einsicht in Afghanistan bereits<br />

umgesetzt. Dort arbeiten in den Provincial Reconstruction<br />

Teams die Bundesministerien der Verteidigung, für<br />

21


Die Bundeswehr – Instrument deutscher Sicherheitspolitik<br />

wirtschaftliche Zusammenarbeit, des Innern und das<br />

Auswärtige Amt in vorbildlicher Weise zusammen. Diesen<br />

Weg müssen wir konsequent weiter beschreiten.<br />

Dabei dürfen wir unsere Bevölkerung bei allen Einsätzen<br />

über eine Tatsache nicht hinwegtäuschen: Die Einsätze<br />

sind schwierig, sie sind herausfordernd und sie sind<br />

gefährlich. Dies ist der Grund, warum wir Streitkräfte<br />

dorthin schicken.<br />

Es gibt für diese Art komplexer zivil-militärischer Missionen<br />

kein Patentrezept. Es gibt keine Blaupause, die sich<br />

beispielsweise problemlos von Bosnien und Herzegowina<br />

nach Afghanistan übertragen ließe. Die internationale<br />

Gemeinschaft kann auch im Libanon nicht über Nacht<br />

einen fast 60 Jahre alten Konflikt beenden. Nicht nur<br />

die maßgeblichen internationalen Organisationen – die<br />

Vereinten Nationen, NATO und EU – sondern auch<br />

deren Mitgliedstaaten lernen kontinuierlich dazu. Sie<br />

lernen aus den Erfahrungen der Einsätze und entwickeln<br />

ihre Konzepte hin zu intensivierter Zusammenarbeit und<br />

Vernetzung.<br />

Ein gutes Beispiel, in welchen Zeiträumen man denken<br />

muss, aber auch welche positiven Auswirkungen Geduld<br />

zeitigt, ist Bosnien und Herzegowina. Dort sind wir<br />

weiter gekommen, als mancher Kritiker uns zugestehen<br />

möchte. In den gut zehn Jahren unseres Einsatzes hat es<br />

die internationale Gemeinschaft geschafft, einen weiten<br />

Weg zu gehen. Wer sich auskennt in der Region, hält<br />

einen Rückfall in die Gewaltexzesse der neunziger Jahre<br />

heute für äußerst unwahrscheinlich. Dies ist ein großer<br />

Erfolg europäischer und transatlantischer Politik.<br />

Gleichwohl ist auch dort noch nicht alles in Ordnung.<br />

Dennoch gilt: Die nächsten Schritte müssen von den<br />

Menschen in Bosnien und Herzegowina selbst getan werden.<br />

Wir können die Versöhnung nicht stellvertretend für<br />

die Menschen vor Ort vorantreiben. Sie selbst müssen für<br />

die gemeinsame Zukunft zusammen einstehen. Und sie<br />

tun es immer mehr.<br />

Hier hat die internationale Gemeinschaft erfolgreich eine<br />

vernetzte Sicherheitspolitik betrieben, die von der militärischen<br />

Absicherung eines Waffenstillstandes bis hin<br />

zum Aufbau von administrativen, wirtschaftlichen und<br />

politischen Strukturen reicht. Deswegen ist es jetzt an<br />

der Zeit, wie auf dem Verteidigungsministertreffen der<br />

Europäischen Union in Levi einvernehmlich beschlossen<br />

wurde, den Umfang der europäischen Präsenz in Bosnien<br />

und Herzegowina zu überprüfen und gegebenenfalls<br />

anzupassen. Dabei können wir die Lage in Bosnien und<br />

Herzegowina nicht isoliert von den Entwicklungen des<br />

gesamten Balkans betrachten.<br />

Unser Erfolg in Bosnien darf uns aber nicht darüber hinwegtäuschen,<br />

dass wir in anderen Einsätzen noch immer<br />

vor großen Herausforderungen stehen: das Kosovo und<br />

Afghanistan stehen hierbei an oberster Stelle. Besonders<br />

mit Blick auf diese Einsätze gilt: Wir können sie nur dann<br />

beenden, wenn alle Akteure im Sinne einer vernetzten Sicherheitspolitik<br />

gemeinsam auf dasselbe Ziel hinarbeiten<br />

– selbsttragende Stabilität.<br />

Diese Beispiele verdeutlichen die zentrale Schlussfolgerung<br />

des Weißbuchs der Bundesregierung: National wie<br />

international müssen wir die Instrumente unseres Handelns<br />

im Sinne einer vernetzten Sicherheitspolitik besser<br />

zur Wirkung bringen. Dies ist die Herausforderung für<br />

die nächsten Jahre, wenn wir die Sicherheit Deutschlands<br />

auch in Zukunft gewährleisten wollen. Die Bundeswehr<br />

trägt dazu das ihre bei.<br />

22


„Bundeswehr im Einsatz – eine Herausforderung für die<br />

Innere Führung?“<br />

Text:<br />

General Wolfgang Schneiderhan<br />

I.<br />

In den vergangenen Jahren ist die Bundeswehr immer<br />

mehr zu einer Armee im Einsatz geworden – eine Entwicklung,<br />

die die deutschen Streitkräfte mit vielen anderen<br />

Armeen Europas teilen. Die neuen Bedrohungen und<br />

die Tatsache, dass Krisen, die in weit entfernten Erdteilen<br />

entstehen, auch die Sicherheit in der Heimat zunehmend<br />

gefährden können, haben die deutsche Bundeswehr zum<br />

substantiellen Wandel und zur Anpassung an neue Aufgaben<br />

gezwungen.<br />

Ohne zu übertreiben lässt sich behaupten, dass die<br />

Bundeswehr augenblicklich den größten Wandel ihrer<br />

50jährigen Geschichte erlebt. Dabei hat sich ihre Aufgabe<br />

– vordergründig betrachtet – kaum verändert. Unverändert<br />

sind die Streitkräfte ein Instrument der deutschen<br />

Außen- und Sicherheitspolitik. Sie leisten ihren Beitrag<br />

zur umfassenden nationalen Sicherheitsvorsorge.<br />

Ungeachtet dessen ist die Bundeswehr nun schon seit<br />

mehr als eine Dekade eine Armee im Einsatz. Der Bundesminister<br />

der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, hat<br />

zu Recht von den Gründerjahren neuer deutscher Streitkräfte<br />

gesprochen.<br />

Der Transformationsprozess der Bundswehr zielt konsequenterweise<br />

in erster Linie auf die Erhöhung der Einsatzfähigkeit<br />

der Streitkräfte. Auslandseinsätze, sichtbarer<br />

Ausdruck der gewachsenen internationalen Verantwortung<br />

Deutschlands, sind mittlerweile zum bestimmenden<br />

Merkmal des Alltags in der Bundeswehr geworden und<br />

müssen daher auch deren Struktur prägen.<br />

Die eigentliche Dynamik dieser Veränderung erschließt<br />

sich insbesondere in der Rückschau. Noch vor 15 Jahren<br />

wäre die Absicht, deutsche Soldaten in afrikanischen Bürgerkriegsstaaten<br />

zum Schutz freier Wahlen einzusetzen,<br />

als Ausgeburt militaristischer Phantasien gebranntmarkt<br />

worden. Der robuste Einsatz der Bundeswehr außerhalb<br />

Europas und zu anderen Zwecken als der unmittelbaren<br />

Verteidigung des Bündnisgebietes der NATO war<br />

schlicht undenkbar.<br />

Heute sind die staatlich organisierten und konfrontativen<br />

Militärblöcke mit strategischem Vernichtungspotential in<br />

geographisch definierter Ordnung, die über Jahrzehnte<br />

Wolfgang Schneiderhan<br />

den Auftrag der Bundeswehr geprägt haben, komplexeren<br />

Rahmenbedingungen gewichen. Die erfolgreiche<br />

Sicherheitsarchitektur der Ost-West-Konfrontation, die<br />

uns vier Jahrzehnte den Frieden in Mitteleuropa erhalten<br />

hat, entspricht nicht länger den Bedrohungen.<br />

II.<br />

Die Begründung des soldatischen Dienens ist heute komplexer<br />

und schwieriger als zu Zeiten des Kalten Krieges.<br />

Die eindeutige Orientierung, die das Denken in den<br />

eindeutigen Kategorien der Ost-West-Konfrontation, das<br />

schichttortenartig verflochtene Dispositiv von Korpsgefechtsstreifen,<br />

welche früher die innerdeutsche und<br />

deutsch-tschechische Grenze abdeckten, die Militärstrategie<br />

der Flexiblen Antwort und das operative Konzept der<br />

Vorneverteidigung geboten haben, gibt es nicht mehr.<br />

Die Anforderungen, die wir heute an die allgemeine soldatische<br />

Kompetenz stellen müssen, erhöhen sich durch das<br />

veränderte Aufgabenfeld sowohl militärisch handwerklich<br />

als auch intellektuell sowie in der Frage des Selbstverständnisses.<br />

Heute sind die Übergänge vom unbeteiligten<br />

Zivilisten zum Widerstandskämpfer, Terroristen oder<br />

simplen Kriminellen fließend geworden. Je rascher und<br />

geschmeidiger sie erfolgen können, umso höher müssen<br />

unsere Anforderungen an die Flexibilität, an die Bildung<br />

und an die Fähigkeiten unserer Soldaten sein.<br />

23


„BUNDESWEHR IM EINSATZ – eine herausforderung für die innere führung?“<br />

Der archaische Kämpfertypus kann diesen hohen Ansprüchen<br />

nicht genügen, er erfüllt nur noch einen Teil<br />

der vom miles protector geforderten Fähigkeiten. Das soldatische<br />

Berufsprofil reicht heute von zivilen, präventiven,<br />

manchmal polizeiähnlichen Aufgaben bis hin zum<br />

klassischen Kriegseinsatz. Letzterer wird voraussichtlich<br />

immer seltener erfolgen, bleibt aber Kernkompetenz jeder<br />

soldatischen Existenz.<br />

Wir benötigen eine intensive und ernsthafte Auseinandersetzung<br />

mit dem modernen Berufsbild des Soldaten,<br />

seinem künftigen Anforderungsprofil und den damit<br />

einhergehenden Risiken. Dazu müssen wir uns darüber<br />

Klarheit verschaffen und anerkennen, dass sich die Anforderungen<br />

an den Soldaten und militärischen Führer<br />

gravierend gewandelt und erweitert haben.<br />

Heute ist ein Einsatz, in dem sich die unterschiedlichen<br />

Aspekte des soldatischen Aufgabenprofils wechselseitig<br />

durchdringen, rasch miteinander abwechseln und sogar<br />

parallel auftreten, die Regel. Dies gilt insbesondere für<br />

Stabilisierungsmissionen, die – anders als im alten Kriegsbild<br />

vorgesehen – häufig in völlig unterschiedlichen Kulturkreisen<br />

erfolgen. Dafür benötigen wir charakterstarke<br />

und in der Urteilskraft gefestigte Persönlichkeiten mit<br />

emotionaler und moralischer Stabilität, die auch in Krisensituationen<br />

unter hohem psychischen und physischen<br />

Druck bestehen können. Politische, soziale, ethische und<br />

moralische Urteilsfähigkeit sowie interkulturelle Kompetenz<br />

werden zunehmend bedeutsam und müssen heute<br />

wie zukünftig in Ausbildung und Bildung einfließen.<br />

Die Bundeswehr benötigt engagiertes Führungspersonal<br />

mit hoher sozialer Kompetenz. Es muss zum ganzheitlichen<br />

Denken befähigt, kommunikativ und gleichermaßen<br />

konflikt- wie konsensfähig sein. Wir brauchen flexible militärische<br />

Führer, die lernwillig und lernfähig sind und auf<br />

deren rasche Urteilsfähigkeit wir uns verlassen können.<br />

Die Asymmetrie der Kriegsführung verlangt vom militärischen<br />

Führer heute schon auf relativ niedriger Ebene ein<br />

sicheres Urteilsvermögen, um die Lage in völlig unübersichtlichen<br />

Situationen richtig erfassen und beurteilen zu<br />

können und unter Druck – Stress – sicher entscheiden zu<br />

können. Dies ist ein komplexer Anspruch. Hier muss im<br />

Einklang mit dem Prinzip der Auftragstaktik Verantwortung<br />

für Entscheidungen übernommen werden, die unter<br />

Umständen später in der Heimat unter Berücksichtigung<br />

möglicher politischer Implikationen und unter großer<br />

Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit diskutiert werden.<br />

III.<br />

Der beschriebene Paradigmenwechsel in der deutschen<br />

Sicherheitspolitik und der mit ihm verbundene Wandel<br />

der Aufgaben und der Rolle von deutschen Streitkräften<br />

haben natürlich auch Einfluss auf die Innere Führung in<br />

den Streitkräften. Die im Rahmen des Transformationsprozesses<br />

getroffenen Maßnahmen sind unverändert dem<br />

Leitbild des Staatsbürgers in Uniform verpflichtet, denn<br />

dieses Leitbild, das den Menschen mit seinen Rechten<br />

und Pflichten in den Mittelpunkt stellt, ist heute aktueller<br />

denn je. Die Grundsätze der Inneren Führung haben sich<br />

unter Einsatzbedingungen bewährt und sie liefern auch<br />

den geistigen Rahmen für die Bundeswehr der Zukunft.<br />

Die dynamische Konzeption der Inneren Führung hilft<br />

uns, erneut auf grundlegende politische, sicherheitspolitische<br />

und gesellschaftliche Umbrüche zu reagieren, ohne<br />

Gefahr zu laufen, die Orientierung zu verlieren. Und sie<br />

wirkt fort, weil sich gerade Streitkräfte im Einsatz im<br />

Spannungsbogen zwischen Ordnung und Freiheit immer<br />

neu bewähren müssen.<br />

Die Bundeswehr hat das Erbe, das die Schöpfer der<br />

Inneren Führung ihr hinterlassen haben, bewahrt und<br />

erneuert. Der Rahmen, der in der Dienststelle Blank für<br />

die Ideen abgesteckt wurde, die zur Inneren Führung der<br />

Bundeswehr führten, ist in den vergangenen Jahrzehnten<br />

auf beinahe allen Gebieten gefüllt worden. Das allein<br />

belegt, wie wenig Vorwürfe zutreffen, die Innere Führung<br />

werde nicht mehr ernst genommen und werde nicht<br />

weiterentwickelt.<br />

Die Konzeption der Inneren Führung trägt. Der Staatsbürger<br />

in Uniform besitzt das nötige geistige Rüstzeug für<br />

den Einsatz und für den Wandel, denn das Eintreten für<br />

Menschenrechte, Demokratie und Rechtstaatlichkeit ist<br />

nicht nur gelebte Tradition in der Bundeswehr. Vielmehr<br />

24


sind diese Werte auch geeignet, unseren Soldatinnen und<br />

Soldaten Orientierung und Richtschnur im Einsatz zu<br />

geben. Unsere Soldaten verstehen die politischen und<br />

kulturellen Zusammenhänge vor Ort und begegnen den<br />

Menschen mit Respekt und Verständnis. Das verschafft<br />

ihnen umgekehrt hohe Anerkennung in der Bevölkerung,<br />

aber auch den Respekt unserer Verbündeten.<br />

Die positive Einstellung unserer Soldaten ist das Ergebnis<br />

von Innerer Führung und einer militärischen Ausbildung,<br />

die sich an der Menschenwürde und an der Einsatzrealität<br />

gleichermaßen orientiert. Wie der Bundespräsident festgestellt<br />

hat, ist sie auch Beleg für den guten Geist, der in<br />

unseren Streitkräften herrscht.<br />

Der Konzeption der Inneren Führung mit ihrem Leitbild<br />

des Staatsbürgers in Uniform liegt das Verständnis vom<br />

mündigen Menschen als Grundlage von Theorie und<br />

Praxis zu Grunde. Ein solches Leitbild wird nur dem vage<br />

und nebulös erscheinen, dem sich die zugrundeliegenden<br />

Werte nicht erschließen. Wer diese jedoch internalisiert<br />

und damit zum Bestandteil seiner Persönlichkeit gemacht<br />

hat, der wird auch ohne detaillierte Erläuterungen in jeder<br />

nur denkbaren Situation daraus konkrete Verhaltensmaßregeln<br />

ableiten können.<br />

Vorfälle und Skandale, wie wir sie in jüngerer Vergangenheit<br />

erleben mussten, offenbaren daher nach meiner<br />

Überzeugung auch nicht vorrangig den Bedarf an zusätzlicher<br />

Ausbildung. Sie belegen vielmehr, dass es uns nicht<br />

immer gelingt, den Menschen, die aus allen Teilen der <strong>Gesellschaft</strong><br />

zu uns kommen, die Werte, die der Konzeption<br />

der Inneren Führung zugrunde liegen, so zu vermitteln,<br />

dass sie sich diese zu eigen machen.<br />

Dazu müssen die zentralen Werte unserer <strong>Gesellschaft</strong>,<br />

zu deren Schutz die Bundeswehr ins Leben gerufen<br />

wurde und die in der Inneren Führung aufgenommen<br />

wurden, im Truppenalltag nicht nur Gegenstand von Unterrichtsstunden,<br />

sondern erlebbare Realität sein.<br />

Wir müssen uns darüber bewusst sein, dass die Anforderungen,<br />

die wir an die Flexibilität, an die Selbständigkeit,<br />

an die Bildung und an die Fähigkeiten unserer Soldatinnen<br />

und Soldaten stellen, gewachsen sind.<br />

Die Konzeption der Inneren Führung entspricht angesichts<br />

der doppelten Legitimation durch demokratische<br />

Werte und militärische Zweckmäßigkeit, sowie aufgrund<br />

ihres offenen und dynamischen Charakters den Anforderungen<br />

des Transformationsprozesses in besonderem<br />

Maße.<br />

Schon beim Aufbau der Bundeswehr verstand sich<br />

die Innere Führung als ein Reformkonzept, das etwas<br />

„grundlegend Neues“ wagen wollte. Sie war geistiger Teil<br />

eines Neuaufbaus von Streitkräften, die in der Lage sein<br />

mussten, sich angesichts neuer Herausforderungen und<br />

in einem grundlegend veränderten Umfeld zu bewähren.<br />

Mit ganz ähnlichen Bedingungen sehen wir uns auch<br />

heute konfrontiert. So wie in den Aufbaujahren der<br />

Bundeswehr alle Anstrengungen darauf gerichtet waren,<br />

die Verteidigungswürdigkeit der Werte der jungen Demokratie<br />

einleuchtend darzustellen, so müssen heute die<br />

Gründe und Notwendigkeiten des weltweiten deutschen<br />

Engagements überzeugend vermittelt werden.<br />

Seit ihrem Bestehen ist die Bundeswehr wieder und wieder<br />

mit der Forderung nach Umsetzung der Grundsätze der<br />

Inneren Führung in konkrete und verbindliche Leitsätze<br />

konfrontiert worden, verbunden mit dem Wunsch nach<br />

einer verbindlichen Definition. Gerade im Zusammenhang<br />

mit den neuen Aufgaben der Bundeswehr ist dieser<br />

Wunsch nach einer verbindlichen Definition wieder erhoben<br />

worden. Innere Führung als Berufsphilosophie,<br />

die aufgabenorientiert, sachgerecht und vor allem zukunftsoffen<br />

ist, lässt sich aber nicht in einfache Leitsätze<br />

pressen. Zu komplex ist dazu das Wirkgefüge vielfältiger<br />

Abhängigkeiten und Wechselbeziehungen zwischen den<br />

Konstanten der Inneren Führung und ihren Variablen.<br />

Nehmen Sie als Variablen den Auftrag der Streitkräfte<br />

und die zur Erfüllung jeweils nötige Effizienz und nehmen<br />

Sie als Konstanten beispielhaft die Menschenwürde<br />

und das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform.<br />

25


„Bundeswehr im Einsatz – eine Herausforderung für die Innere Führung?“<br />

Den Schöpfern der Inneren Führung ging es darum, eine<br />

Konzeption aus Prinzipien und Grunderfahrungen zu<br />

entwickeln, welche die Anpassung an die gesellschaftliche<br />

Entwicklung ermöglicht, weil deren große Dynamik<br />

erkannt worden war. Eine Versteinerung der Konzeption<br />

sollte nachdrücklich verhindern werden. Aus diesem<br />

Ansatz ergibt sich das Vermächtnis für uns, die wir heute<br />

die Verantwortung für die Weiterentwicklung der Inneren<br />

Führung tragen:<br />

Vorgesetztenausbildung und Führungstätigkeiten von<br />

Vorgesetzten müssen die immer neu und überprüfte<br />

Umsetzung solcher Prinzipien und Grunderfahrungen in<br />

jeweils veränderten Verhältnissen und Entscheidungssituationen<br />

zur Selbstverständlichkeit werden lassen. Dazu<br />

braucht der Vorgesetzte, vor allem der Offizier,<br />

historisch-politische Kenntnisse, klare Vorstellungen von<br />

der <strong>Gesellschaft</strong>, in der er lebt, und die Fähigkeit, seine<br />

Einsicht über den Gesamtzusammenhang, in dem er handelt,<br />

dem Untergebenen vorzuleben, sie zu erklären und<br />

ihn dadurch einsichtig zu motivieren. Und dazu benötigt<br />

er vor allem eine ethisch-moralisch fundierte Berufsauffassung.<br />

Dabei ist Innere Führung nicht als Motivationstechnik<br />

für Untergebene in einem geschlossenen Militärsystem zu<br />

begreifen. Innere Führung ist nur in der Interpretation zu<br />

erfassen. Diese Offenheit ist eine erhebliche intellektuelle<br />

Herausforderung, weil es zur persönlichen Auseinandersetzung<br />

auffordert, statt Formeln zum Auswendiglernen<br />

vorzugeben. Diese Offenheit zwingt uns zur steten Auseinandersetzung<br />

mit den geistigen Grundlagen unseres<br />

Berufs. Der Aufbau der Bundeswehr bleibt untrennbar<br />

mit ihr verbunden, genauso wie unser heutiger Alltag.<br />

IV.<br />

Der veränderte Auftrag und der Einsatzalltag konfrontieren<br />

die Menschen in der Bundeswehr mit neuen und<br />

schwierigen Aufgaben. Der Transformationsprozess führt<br />

an Belastungsgrenzen. Wir erwarten von unseren Soldatinnen<br />

und Soldaten und von unserem Zivilpersonal, dass<br />

sie die Umstrukturierungen und Standortauflösungen<br />

sowie die dazu erforderlichen Versetzungen akzeptieren<br />

und ihr eigenes Leben sowie das der betroffenen Familien<br />

neu gestalten. Sie ertragen häufig lange Trennungsphasen<br />

und mussten in der Vergangenheit zudem auch manche<br />

finanzielle Einbuße hinnehmen. Unverzichtbar ist daher<br />

eine zielgerichtete und angemessene Betreuung der Familien,<br />

insbesondere während des Einsatzes. Sie ist ein<br />

wesentlicher Garant für die hohe Motivation unserer<br />

Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Mittlerweile verfügt<br />

die Bundeswehr über eine flächendeckende Betreuungsorganisation<br />

mit 31 Familienbetreuungszentren.<br />

Das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Dienst“ gewinnt<br />

im Zusammenhang mit vermehrten Auslandseinsätzen<br />

der Bundeswehr und auch infolge der gesamtgesellschaftlichen<br />

Entwicklung für Soldatinnen und Soldaten<br />

immer größere Bedeutung. Als attraktiver Arbeitgeber<br />

muss sich die Bundeswehr bemühen, bei der Gestaltung<br />

der Arbeitsplätze zu einer ausgewogenen Balance zwischen<br />

Familie/Privatleben und Dienst beizutragen. Das<br />

Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz enthält<br />

daher im Abschnitt 3 (§§ 12 bis 14) Regelungen zur Vereinbarkeit<br />

von Familie und Dienst in den Streitkräften.<br />

Die angemessene Rücksichtnahme auf familiäre und<br />

partnerschaftliche Belange der Soldatinnen und Soldaten<br />

bei der Umsetzung dienstlicher Erfordernisse ist als Führungsaufgabe<br />

eine Verpflichtung aller Vorgesetzen, denn<br />

ein mit der Familie bzw. der Partnerschaft vereinbarer<br />

Dienst trägt maßgeblich zur Zufriedenheit und Motivation<br />

des Personals, zur Einsatzfähigkeit der Streitkräfte<br />

sowie zur Attraktivität des Soldatenberufs bei.<br />

Unter Fürsorgeverantwortung sind auch Überlegungen<br />

zur Entwicklung grundsätzlicher Regelungen einzuordnen,<br />

um im Einsatz Verwundete, Verletzte oder anderweitig<br />

gesundheitlich Geschädigte rechtlich abzusichern und<br />

regelmäßig wieder in den Dienstbetrieb zu integrieren.<br />

Dies entspricht der Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn.<br />

Durch das Einsatzversorgungsgesetz vom 21. Dezember<br />

2004 wurden die bei Unfällen und Erkrankungen<br />

im Einsatz und sonstigen Verwendungen im Ausland<br />

geltenden Versorgungsregelungen ergänzt und verbessert.<br />

Kern des Einsatzversorgungsgesetzes ist die Einführung<br />

des Rechtsbegriffs „Einsatzunfall“ in die Soldatenversor-<br />

26


gung. Ein Einsatzunfall liegt dann vor, wenn ein Soldat<br />

im Rahmen eines besonderen Auslandseinsatzes einen<br />

Dienstunfall oder eine sonst dienstlich bedingte gesundheitliche<br />

Schädigung erleidet. Der Dienstherr kommt mit<br />

dieser gesetzlichen Regelung seiner Fürsorgeverpflichtung<br />

in vollem Umfang nach.<br />

Mit Blick auf die Risiken im Auslandseinsatz haben<br />

die politische Leitung und die militärische Führung in<br />

Ergänzung zu einer angemessenen Einsatzversorgung<br />

nach dem Einsatzversorgungsgesetz zudem auf einen<br />

gesetzlich abgesicherten Weiterverwendungsanspruch<br />

hingewirkt. Mit dem Weiterverwendungsgesetz soll Einsatzverletzten<br />

als Alternative zur Inanspruchnahme der<br />

rein auf die finanzielle Absicherung abzielenden Einsatzversorgung<br />

eine ihrer Verwendungsfähigkeit entsprechende<br />

berufliche Perspektive in der Bundeswehr<br />

ermöglicht werden. Die gesundheitliche Wiederherstellung<br />

der Dienst- und Arbeitsfähigkeit hat dabei Vorrang,<br />

um so die einsatzverletzten Soldatinnen und Soldaten in<br />

die Lage zu versetzen, ihre bisherige soldatische Tätigkeit<br />

grundsätzlich fortsetzen zu können, und sie in den<br />

Streitkräften verbleiben zu lassen. Auch dies entspricht<br />

der gegenseitigen Treueverpflichtung, vor allem aber der<br />

Verpflichtung zum kameradschaftlichen Verhalten. Dass<br />

verletzte und verwundete Soldatinnen und Soldaten keine<br />

Belastung darstellen, sondern ihren Dienst genauso vorbildlich<br />

leisten können wie ihre unversehrten Kameraden,<br />

belegt unsere eigene Geschichte. Viele hundert kriegsversehrte<br />

Bundeswehrangehörige haben nach 1955 geholfen,<br />

die Streitkräfte aufzubauen. Ihr Beispiel ist uns Verpflichtung.<br />

Zusammen mit dem Einsatzversorgungsgesetz<br />

schnüren wir so ein für die Soldatinnen und Soldaten im<br />

Einsatz solides Gesamtpaket an sozialer Sicherheit und<br />

Verlässlichkeit.<br />

V.<br />

Die Konzeption der Inneren Führung entspricht aufgrund<br />

ihres offenen und dynamischen Charakters den<br />

Anforderungen des aktuellen Transformationsprozesses<br />

und der Einsätze der Streitkräfte in besonderem Maße.<br />

Schon beim Aufbau der Bundeswehr nach 1955 verstand<br />

sich die Innere Führung als ein Reformkonzept, das etwas<br />

grundlegend Neues wagen wollte. Sie war geistiger<br />

Teil eines Neuaufbaus von Streitkräften, die in der Lage<br />

sein mussten, sich angesichts neuer Herausforderungen<br />

und in einem grundlegend veränderten Umfeld zu bewähren.<br />

Mit ganz ähnlichen Bedingungen sehen wir uns<br />

auch heute konfrontiert. So wie in den Aufbaujahren der<br />

Bundeswehr alle Anstrengungen darauf gerichtet waren,<br />

die Verteidigungswürdigkeit der Werte der jungen Demokratie<br />

einleuchtend darzustellen, so müssen heute die<br />

Gründe und Notwendigkeiten des weltweiten deutschen<br />

Engagements überzeugend vermittelt werden, denn die<br />

Gewissheit der Sinnhaftigkeit des Einsatzes ist eine der<br />

entscheidenden Voraussetzungen erfolgreicher Auftragserfüllung.<br />

Mehr noch als bisher kommt hier der Arbeit<br />

des Zentrums Innere Führung besondere Bedeutung zu.<br />

27


Einsatzbedingungen als Beschwerdegrund<br />

Text:<br />

Reinhold Robbe<br />

Die Bundeswehr beteiligt sich seit etwa anderthalb<br />

Jahrzehnten weltweit an Einsätzen zur Sicherung oder<br />

Wiederherstellung des Friedens. Allein im Jahr 2006 waren<br />

zeitgleich bis zu 9.000 Soldatinnen und Soldaten im<br />

Einsatz: in Afghanistan, im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina,<br />

im Kongo, vor dem Horn von Afrika und der Küste<br />

des Libanon. Insgesamt wurden bereits mehr als 200.000<br />

Soldaten in einen Auslandseinsatz kommandiert. Von<br />

den Bedingungen, unter denen diese Auslandseinsätze<br />

vor Ort absolviert werden mussten und müssen, habe ich<br />

mir bei meinen regelmäßigen Truppenbesuchen in den<br />

Einsatzgebieten einen persönlichen Eindruck verschaffen<br />

können. Auch in Eingaben werden immer wieder Schwierigkeiten<br />

und Defizite angesprochen, bei deren Behebung<br />

der Wehrbeauftragte Hilfestellung zu geben versucht.<br />

Auf einige dieser konkreten Klagen und Beschwerden<br />

werde ich im Folgenden noch eingehen.<br />

Es ist mir jedoch zunächst wichtig, deutlich werden zu<br />

lassen, dass der Dienst, die berufliche Zufriedenheit und<br />

das Selbstverständnis unserer Soldatinnen und Soldaten<br />

im Einsatz nicht in erster Linie von den mehr oder weniger<br />

dramatischen Einzelproblemen vor Ort beeinflusst<br />

werden. Zu den Einsatzbedingungen zählt aus meiner<br />

Sicht vielmehr auch all das, was sich in der Wahrnehmung<br />

der Soldaten im Zusammenhang mit dem erweiterten<br />

Aufgabenspektrum und einem in Teilen neuen soldatischen<br />

Selbstverständnis in der Bundeswehr insgesamt<br />

fundamental verändert hat.<br />

Die in einer Mitgliederbefragung im Auftrag des Bundeswehr-Verbandes<br />

zu Tage getretene verbreitete berufliche<br />

Unzufriedenheit und Verunsicherung sehe ich als ein weiteres<br />

Warnsignal dafür, dass sich der einzelne Soldat in der<br />

sich über viele Jahre hinweg aufbauenden Konstellation<br />

von neuen Aufgaben, permanenten Struktur- und Standortveränderungen<br />

sowie chronischer Unterfinanzierung<br />

von seinem Dienstherrn häufig nicht mehr angemessen<br />

und fürsorglich behandelt fühlt. Dieser Hintergrund und<br />

Zusammenhang darf bei einer Betrachtung von „Einsatzbedingungen“<br />

nach meiner Auffassung nicht außer Acht<br />

gelassen werden.<br />

Reinhold Robbe<br />

Die Bundeswehr befindet sich seit Beginn der Neunziger<br />

Jahre in einem anhaltenden Prozess der Umstrukturierung.<br />

Die Veränderungsschübe begannen bereits<br />

mit der Herausforderung des Aufbaus gesamtdeutscher<br />

Streitkräfte nach der Vereinigung der beiden deutschen<br />

Staaten. In der Folgezeit musste durch umfangreiche Anpassungsmaßnahmen<br />

den grundlegend neuen Aufgaben<br />

und Anforderungen nach dem Ende des Kalten Krieges<br />

Rechnung getragen werden.<br />

Internationale Konfliktbewältigung auf der Grundlage<br />

von Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen<br />

bestimmt in zunehmendem Maße die außen- und<br />

sicherheitspolitische Agenda. Und Deutschland steht<br />

heute anerkanntermaßen nach dem Ende seiner staatlichen<br />

Teilung, dem Wegfall jeglicher territorialen Bedrohung<br />

und im Hinblick auf seine vergleichsweise hohe<br />

wirtschaftliche und technologische Leistungsfähigkeit in<br />

einer besonderen Verantwortung, sich an den Aufgaben<br />

der weltweiten Friedenssicherung und Konfliktprävention<br />

materiell wie auch durch den Einsatz von Streitkräften<br />

zu beteiligen.<br />

Schnell musste dabei erkannt werden, dass das Ende der<br />

weltumspannenden Blockkonfrontation die Welt nicht<br />

wirklich friedlicher hat werden lassen. Das Gegenteil ist<br />

28


der Fall. Insbesondere regionale Konflikte, Bürgerkriege,<br />

organisierte massenhafte Menschenrechtsverletzungen<br />

bis hin zum Völkermord, asymmetrische Kampfführung<br />

und die Bedrohung durch einen international vernetzten<br />

Terrorismus prägen die internationale Sicherheitslage –<br />

und dies bis vor unsere Haustür.<br />

Die Präsenzstärke der Bundeswehr wurde halbiert, zahlreiche<br />

Standorte im Inland aufgelöst, die Grundwehrdienstzeit<br />

im Rahmen der Wehrpflicht auf ein Minimum<br />

reduziert. Zugleich wurden und werden Strukturen geschaffen,<br />

die diese Bundeswehr konsequent von einer<br />

Manöverarmee zu einer Einsatzarmee, zu einer flexibel<br />

einsetzbaren Truppe mit Eingreif-, Stabilisierungs- und<br />

Unterstützungskräften umbauen.<br />

Die Unterschiede zwischen den Streitkräften der alten<br />

Bundesrepublik, die innerhalb fester Bündnisstrukturen<br />

ihren definierten Beitrag zur Landes- und Bündnisverteidigung<br />

geleistet hatten, und der Bundeswehr in der<br />

Transformation erschöpfen sich jedoch nicht in Struktur-<br />

und Ausstattungsveränderungen. Die internationalen<br />

Aufgaben sind heute bereits so prägend für die deutschen<br />

Streitkräfte geworden, dass man mit einiger Berechtigung<br />

von einer veränderten Legitimation des soldatischen<br />

Dienstes und von einem veränderten Selbstverständnis<br />

der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sprechen<br />

kann.<br />

Als 1992 mit der Errichtung eines Feldlazaretts in Phnom<br />

Penh (Kambodscha) der erste Auslandseinsatz der Bundeswehr<br />

durchgeführt wurde, hatte kurz zuvor noch der<br />

damalige Wehrbeauftragte Alfred Biehle in seinem Jahresbericht<br />

1991 vor dem Hintergrund des ersten Golfkriegs<br />

darauf hingewiesen, dass die geistige Vorbereitung der<br />

Soldaten intensiviert werden müsse. Das Bewusstsein<br />

vieler Soldaten, in einer kriegerischen Auseinandersetzung<br />

eingesetzt werden zu können, habe sich bislang im<br />

Wesentlichen auf die Vorstellung beschränkt, die Bundesrepublik<br />

Deutschland auf heimischem Territorium<br />

verteidigen zu müssen. Dies lasse nun die Soldaten über<br />

die Tragweite des Eides beziehungsweise Gelöbnisses neu<br />

nachdenken.<br />

Heute sind wir an dieser Stelle zweifellos weiter. Zunächst<br />

durch die nahe liegende Tatsache, dass die Soldaten Zeit<br />

hatten, sich an das neue Aufgabenspektrum ihres Berufsstandes<br />

zu gewöhnen. Hinzu kommt, dass sich zwischenzeitlich<br />

alle Zeitsoldaten und die meisten Berufssoldaten<br />

bereits im Bewusstsein des veränderten Berufsbildes für<br />

eine entsprechende Verpflichtung entschieden haben.<br />

Somit haben sich die stets mit derart grundlegenden<br />

Umstellungen verbundenen Akzeptanzprobleme weitestgehend<br />

ausgewachsen. Und in der Tat haben die Soldatinnen<br />

und Soldaten heute nach meinem bei zahlreichen<br />

Truppenbesuchen im In- und Ausland gewonnenen Eindruck<br />

ihre neuen Aufgaben motiviert angenommen.<br />

Wir sind auch deshalb weiter, weil der Deutsche Bundestag<br />

heute auf der Grundlage einer wegweisenden<br />

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Auslandseinsätzen<br />

„out of area“ und des danach in Kraft getretenen<br />

Parlamentsbeteiligungsgesetzes in einem geordneten<br />

Verfahren zu jedem einzelnen bewaffneten Einsatz<br />

deutscher Streitkräfte im Ausland Stellung bezieht, genauer:<br />

in zumeist namentlicher Abstimmung über die Entsendung<br />

von Soldaten der Bundeswehr entscheidet. Das<br />

ist mehr als ein gerichtlich erzwungener Formalismus. Mit<br />

seiner Zustimmung übernimmt der Deutsche Bundestag<br />

als die demokratisch legitimierte Volksvertretung einen<br />

wesentlichen Teil der politischen Verantwortung für eine<br />

Einsatzentscheidung und der moralischen Verantwortung<br />

für die eingesetzten Soldaten. Dies ist der unverzichtbare<br />

Rückhalt für die Parlamentsarmee Bundeswehr, der sich<br />

nach der berechtigten Erwartung der Soldaten in der Folge<br />

allerdings auch bei der Bereitstellung entsprechender<br />

Mittel widerspiegeln muss.<br />

Auf der anderen Seite erfahre ich durch Eingaben sowie<br />

bei meinen Truppenbesuchen in den Einsatzgebieten<br />

und Heimatstandorten immer wieder von ernst zu<br />

nehmenden Defiziten, die sich auf die Einstellung und<br />

Motivation zumal der engagiertesten und erfahrensten<br />

Soldaten bereits erkennbar negativ auswirken. Dauerhafte<br />

personelle und materielle Engpässe sind die deutlichsten<br />

Hinweise darauf, dass sich die Bundeswehr derzeit in<br />

einer latenten, gelegentlich auch manifesten strukturel-<br />

29


Einsatzbedingungen als Beschwerdegrund<br />

len Überforderungssituation befindet. An dieser Stelle<br />

ist dann allerdings mehr als nur eine nüchterne Analyse<br />

gefragt, der zufolge der Prozess der Transformation zur<br />

Einsatzarmee eben noch nicht abgeschlossen ist. Hier<br />

wird ein wichtiger Bestandteil der Inneren Führung vernachlässigt:<br />

die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die es<br />

zum Beispiel zwingend notwendig macht, rechtzeitig die<br />

erforderliche Ausstattung für einen Einsatz bereitzustellen,<br />

was wiederum eine vorausschauende Finanzierung<br />

und Beschaffungsorganisation voraussetzt.<br />

Um die Motivation und Leistungsbereitschaft der Soldatinnen<br />

und Soldaten mit Blick auf die Auslandseinsätze<br />

langfristig zu erhalten, müssen aus meiner Sicht zwei<br />

grundlegende Voraussetzungen erfüllt sein. Der einzelne<br />

Einsatz muss politisch und militärisch auch in der Wahrnehmung<br />

der Soldaten als sinnvoll angesehen werden<br />

können (a), und die Bundeswehr muss personell wie<br />

materiell in der Lage sein, einen Einsatz erfolgreich und<br />

sicher durchzuführen (b).<br />

a) Es fällt nicht in die Zuständigkeit des Wehrbeauftragten<br />

des Deutschen Bundestages, konkrete Einsatzentscheidungen<br />

des Bundestages zu bewerten. Allerdings<br />

weise ich immer wieder darauf hin, dass jeder Soldat einen<br />

Anspruch hat, die Gründe, Zielsetzungen und Rahmenbedingungen<br />

eines Einsatzes dargelegt und erläutert zu<br />

bekommen. Der mitdenkende, umsichtig und verantwortungsbewusst<br />

handelnde Soldat ist nach den Grundsätzen<br />

der Inneren Führung und auch politisch gewollt. Der Soldat<br />

will einbezogen werden und verstehen können, was<br />

von ihm erwartet wird. In der Praxis bedeutet dies, dass<br />

die Soldaten so zeitnah und so umfassend wie nur irgend<br />

möglich über sich abzeichnende Einsatzanforderungen,<br />

insbesondere auch über die jeweiligen politischen Gegebenheiten,<br />

Entwicklungen und Hintergründe unterrichtet<br />

werden müssen.<br />

Eine Einsatzentscheidung ist selbstverständlich eine eminent<br />

politische Entscheidung und der Primat der Politik<br />

gegenüber der militärischen Seite darf nicht in Frage<br />

gestellt werden. Aber der Soldat als „Staatsbürger in<br />

Uniform“ und auch als derjenige, der im Ernstfall seinen<br />

Kopf hinzuhalten hat, ist in jeder Weise berechtigt, Fragen<br />

zu stellen und gegebenenfalls – natürlich zur rechten<br />

Zeit und in angemessener Form – auch Kritik zu üben.<br />

Zweifel und kritische Stimmen begegnen mir im Übrigen<br />

bei meinen Truppenbesuchen in den Einsatzgebieten<br />

mittlerweile in zunehmender Zahl. Die Soldaten – einige<br />

davon bereits wiederholt im Einsatz – fragen sich etwa<br />

im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina angesichts eines<br />

schon Jahre anhaltenden politischen Stillstands und immer<br />

undeutlicher werdender Perspektiven, wie und wie lange<br />

es mit ihrem Einsatz weitergehen soll. Noch wesentlich<br />

dramatischer verhält es sich in Afghanistan. Nach dem<br />

Selbstmordanschlag auf deutsche ISAF-Soldaten im Mai<br />

2007 in Kunduz wurde ihren Kameraden mit aller Härte<br />

bewusst, dass die verschärfte Sicherheitslage und der<br />

nachlassende Rückhalt in der einheimischen Bevölkerung<br />

den Sinn ihres Einsatzes zunehmend in Frage stellen. Das<br />

erzeugt verständliche Enttäuschung und Frustration.<br />

Nach meinem Eindruck drängen inzwischen nicht mehr<br />

nur einzelne Experten, sondern auch immer mehr Soldatinnen<br />

und Soldaten darauf, dass die militärische<br />

Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Auslandseinsätzen<br />

jenseits von Landes- und Bündnisverteidigung<br />

einer nachvollziehbaren sicherheitspolitischen<br />

Doktrin folgen sollte. Daher begrüße ich Überlegungen<br />

auf der politischen Ebene, Prüfsteine oder Prinzipien<br />

für Auslandseinsätze der Bundeswehr zu entwickeln. Der<br />

Eindruck von Beliebigkeit, Übereifer oder einer vordergründigen<br />

und kurzfristigen Interessenpolitik darf nicht<br />

entstehen. Die Soldatinnen und Soldaten sind aufgrund<br />

ihrer an den Grundsätzen der Inneren Führung orientierten<br />

Ausbildung sowie ihrer Kenntnisse und Erfahrungen<br />

im militärischen Handwerk alles andere als Abenteurer.<br />

Im Gegenteil. Sie wollen ihre Entscheidung für diesen<br />

Beruf, der wahrhaftig kein Beruf wie jeder andere ist,<br />

vor sich selbst und ihren Familien rechtfertigen können.<br />

Hierfür bedarf es eines Mindestmaßes an Berechenbarkeit<br />

hinsichtlich des Berufsbildes und zumal des Risikos,<br />

das sie nach menschlichem Ermessen einzugehen haben.<br />

Darauf haben sie einen Anspruch.<br />

30


Die parlamentarische Verantwortung für die Bundeswehr<br />

in allen ihren Ausprägungen, vom Budgetrecht bis hin zu<br />

den vielfältigen Kontrollrechten, gewährleistet prinzipiell<br />

einen gründlichen und transparenten Umgang mit den<br />

Einsatzanforderungen an die Bundeswehr. Und eine<br />

möglichst offene parlamentarische Behandlung kann darüber<br />

hinaus einen weiteren wichtigen Baustein zur Sinnstiftung<br />

vermitteln: den notwendigen gesellschaftlichen<br />

Rückhalt für die Truppe.<br />

Soldaten beklagen insbesondere im Rahmen länger dauernder<br />

Auslandseinsätze, die nicht mehr einen so hohen<br />

aktuellen Schlagzeilenwert aufbieten können, dass die<br />

Sinnhaftigkeit und die Belastungen ihres Dienstes in<br />

der Öffentlichkeit oftmals nicht mehr wahrgenommen<br />

werden. Die Soldaten und auch ihre Familien fühlen sich<br />

dann nicht selten mit ihren Nöten schmerzlich alleine gelassen.<br />

Regelmäßige umfassende Informationen über die<br />

Medien, zum Beispiel auch durch eine breiter angelegte<br />

Übertragung parlamentarischer Beratungen, sind meines<br />

Erachtens notwendig, um die Bürgerinnen und Bürger<br />

unseres Landes für die Aufgaben der Bundeswehr und die<br />

dienstliche Belastung der Soldaten zu interessieren und zu<br />

sensibilisieren. Dies kann übrigens bei überzeugend dargelegten<br />

Einsatzanforderungen auch die gesellschaftliche<br />

und politische Bereitschaft erzeugen, den damit verbundenen<br />

Finanzbedarf zu decken.<br />

Im Hinblick auf die wünschenswerte Anteilnahme in der<br />

<strong>Gesellschaft</strong> an den Belangen der Bundeswehr sei auch<br />

der Hinweis gestattet, dass die Wehrpflicht bislang stets<br />

ein besonders wirksamer Transmissionsriemen zwischen<br />

Zivilgesellschaft und Bundeswehr gewesen ist. Durch<br />

sie wird eine sehr persönliche Beziehung vieler Bürger<br />

zu „ihrer“ Bundeswehr gewahrt. Auch im Hinblick auf<br />

die Auslandseinsätze ist diese menschliche Verbindung<br />

vorhanden, da sich aus den Reihen der Grundwehrdienstleistenden<br />

häufig diejenigen rekrutieren, die über einen<br />

freiwilligen längeren Wehrdienst oder eine Verpflichtung<br />

für derartige Einsätze in Betracht kommen.<br />

Was keinesfalls eintreten darf, ist eine Bewusstseinsveränderung<br />

in der Bevölkerung oder in der so genannten<br />

politischen Klasse unseres Landes dahingehend, dass die<br />

Bundeswehr nur noch als eine professionelle Einsatzarmee<br />

angesehen wird, deren Soldaten – wohl wissend,<br />

worauf sie sich eingelassen haben – ihren Dienst ohne<br />

Murren und Zögern in allen Teilen der Welt abzuleisten<br />

haben. Eine solche Entwicklung, der nach meiner festen<br />

Überzeugung durch die endgültige Abschaffung der<br />

Wehrpflicht Vorschub geleistet würde, entspräche nicht<br />

mehr dem hohen Ethos des Soldatenberufs, der von den<br />

Grundgedanken der Inneren Führung inspiriert ist.<br />

b) Wenn Soldaten in einen Auslandseinsatz geschickt<br />

werden, muss gewährleistet sein, dass die Bundeswehr<br />

personell und materiell in der Lage ist, einen solchen<br />

Einsatz sicher und erfolgreich durchzuführen.<br />

Im Hinblick auf die personelle Situation sind nach meinen<br />

Wahrnehmungen, die ich auch in meinem letzten<br />

Jahresbericht an den Deutschen Bundestag zum Ausdruck<br />

gebracht habe, nach wie vor in einigen Schlüsselbereichen<br />

bedenkliche Engpässe zu verzeichnen. In seiner<br />

Stellungnahme zu diesem Jahresbericht räumt das Bundesministerium<br />

der Verteidigung diese Schwierigkeiten<br />

auch ausdrücklich ein. Zumal spezialisiertes Personal, das<br />

in allen Einsatzgebieten benötigt wird, wie zum Beispiel<br />

Heeresflieger, Feldjäger, Ärzte und Sanitätspersonal steht<br />

nicht in hinreichender Anzahl zur Verfügung. In der Konsequenz<br />

sind Mehrbelastungen der vorhandenen fachlich<br />

qualifizierten und „auslandsdienstverwendungsfähigen“<br />

Soldatinnen und Soldaten unvermeidlich. Das bedeutet<br />

praktisch häufigere Auslandseinsätze und dazu teilweise<br />

erhebliche Dienstzeitbelastungen sowohl im Einsatz als<br />

auch für die in einer solchen Verwendung stehenden Kameraden<br />

in Deutschland.<br />

Für den Bereich der Sanität hat etwa das Forum Sanitätsoffiziere<br />

eindrucksvoll und bedrückend dargestellt,<br />

wie es um die Überstundenbelastung vieler Ärzte bestellt<br />

ist. Hinzu kommt, dass in Folge des Personalmangels die<br />

Qualifikationsvoraussetzungen teilweise in einem nicht<br />

mehr vertretbaren Maße heruntergesetzt werden. So<br />

stößt es zu Recht auf Unverständnis bei den Soldaten,<br />

31


Einsatzbedingungen als Beschwerdegrund<br />

wenn der einen Landtransport im nördlichen Afghanistan<br />

begleitende Arzt über keine notfallmedizinische Ausbildung<br />

verfügen muss.<br />

Ebenfalls kritisch betrachtet wurde die zeitweilige, inzwischen<br />

jedoch abgestellte Verwendung von Sanitätssoldaten<br />

im Wachdienst. Auch wenn dies nach den gesetzlichen<br />

Vorschriften und im Hinblick auf die Anforderungen des<br />

entsprechenden Genfer Abkommens im Rahmen des<br />

ISAF-Einsatzes in Afghanistan rechtlich unbedenklich<br />

war, da der ISAF-Einsatz nach offizieller Lesart nicht<br />

im Rahmen eines internationalen bewaffneten Konflikts<br />

stattfindet und außerdem im Wachdienst die Rotkreuz-<br />

Armbinde als völkerrechtlich anerkanntes Schutzzeichen<br />

abzulegen war, ist die Beendigung dieser Diensteinteilung<br />

aus meiner Sicht zu begrüßen.<br />

Immer wieder werden von den Soldaten vielfältige Ausstattungsmängel<br />

beklagt, die zwar jeweils für sich genommen<br />

in den Ohren eines Außenstehenden nicht immer so<br />

dramatisch klingen mögen, die jedoch von den Betroffenen<br />

als eine vermeidbare, unverständliche und ärgerliche<br />

Diensterschwerung empfunden werden. Für die jeweils<br />

vorherrschenden klimatischen Bedingungen ungeeignete<br />

oder nicht in ausreichender Zahl vorhandene Wäschestücke,<br />

Uniformteile und Stiefel sollten insbesondere bei den<br />

schon seit längerer Zeit bestehenden Auslandseinsätzen<br />

endgültig der Vergangenheit angehören.<br />

Noch bedenklicher ist es aus meiner Sicht, wenn mir<br />

Soldaten vortragen, es seien selbst in dem gefährlichsten<br />

Einsatzgebiet Afghanistan mit einer zunehmenden Anschlagswahrscheinlichkeit<br />

auch im bislang etwas ruhigeren<br />

Norden zeitweise zu wenig geschützte Fahrzeuge verfügbar<br />

gewesen. Auch wurde ich darauf hingewiesen, dass<br />

die Fahrer mit der vollständigen Schutzausstattung versehenes,<br />

entsprechend schweres und in seinen Fahreigenschaften<br />

verändertes Großgerät regelmäßig erst im Einsatzland<br />

übergeben bekommen, mit der Folge, dass diese<br />

Soldaten sich unter Einsatzbedingungen schulen lassen<br />

müssen. Entsprechend verhält es sich mit der schon seit<br />

längerem angekündigten modularen Kampfausstattung<br />

„Infanterist der Zukunft“. Wenn sich die Soldaten eines<br />

Panzeraufklärungsbataillons, das wenige Monate später in<br />

den Einsatz nach Afghanistan ziehen soll, nicht frühzeitig<br />

mit den entsprechenden Ausstattungselementen vertraut<br />

machen können, weil sie im Heimatstandort noch nicht<br />

zur Verfügung stehen, stellt dies in meinen Augen eine<br />

unnötige Gefährdung dar. Als Wehrbeauftragter sehe ich<br />

mich zumal bei diesen sicherheitsrelevanten Themen in<br />

besonderer Weise gefordert.<br />

Die im Jahr 2006 begonnene und gemessen am militärischen<br />

Auftrag durchaus erfolgreich abgeschlossene<br />

EUFOR-Mission zur Absicherung der Wahlen in der Demokratischen<br />

Republik Kongo wird im Hinblick auf die<br />

Rahmenbedingungen den meisten der dort eingesetzten<br />

Soldaten und auch mir in lebhafter Erinnerung bleiben.<br />

Die Anlage des Feldlagers in Kinshasa ohne das erforderliche<br />

Betonfundament und die mangelnde Tropeneignung<br />

der aufgestellten Zelte führten im Zusammenspiel mit<br />

der einsetzenden Regenzeit zu einer absolut unzumutbaren<br />

Unterbringungssituation. Die mit der Errichtung<br />

beauftragte zivile Firma war ganz offensichtlich hoffnungslos<br />

überfordert. Wie mir im Nachhinein der vor Ort<br />

für die sanitätsdienstliche Versorgung verantwortliche<br />

Befehlshaber des Kommandos Schnelle Einsatzkräfte<br />

Sanitätsdienst bestätigt hat, konnte man angesichts der<br />

herrschenden Hygienebedingungen nur von Glück reden,<br />

dass es zu keinen schweren Erkrankungsfällen gekommen<br />

war. Wenn hingegen angesichts solcher nicht mehr<br />

hinnehmbarer Einsatzbedingungen entsprechende Kritik<br />

unter Verweis auf die kurze Einsatzdauer und die generell<br />

zu bedenkenden „afrikanischen Verhältnisse“ relativiert<br />

werden soll, ist das mit Nachdruck zurückzuweisen.<br />

Es wird von der militärischen und politischen Führung<br />

der Bundeswehr richtiger Weise nicht in Zweifel gezogen,<br />

dass die Grundsätze der Inneren Führung auch und gerade<br />

für eine Armee im Einsatz das geeignete Instrumentarium<br />

für ein militärisch erfolgreiches und menschlich<br />

angemessenes Vorgehen darstellen. Daher sollte auch<br />

mit Blick auf die besondere Fürsorgeverpflichtung des<br />

Dienstherrn, die Teil der Konzeption der Inneren Führung<br />

ist, anerkannt bleiben, dass die bewährten deutschen<br />

Standards in der Ausrüstung, Ausstattung, Unterbringung<br />

und Betreuung unserer Soldatinnen und Soldaten, soweit<br />

dies irgend möglich ist, auch in den Einsatzgebieten<br />

gewahrt werden.<br />

32


Rechtsfragen des Auslandseinsatzes der Bundeswehr<br />

Text: Peter Dreist *<br />

I. Einleitung<br />

Die <strong>Gneisenau</strong> Blätter widmen sich in diesem Band<br />

6 mit den Themen Einsatz und Innere Führung zwei<br />

Bereichen, denen sie bereits wiederholt ein Forum geboten<br />

haben: So hat sich Band 1 (2001) insgesamt dem<br />

Thema der humanitären Intervention (NATO-Operation<br />

ALLIED FORCE vom 24. März bis 9. Juni 1999), im<br />

Beitrag von Claire Marienfeld-Czesla aber auch dem Thema<br />

Innere Führung und Zivilcourage gewidmet; Band 4<br />

(2006) stellt Beiträge zur Armee im Einsatz und in der<br />

Transformation sowie zur Konzeption Innere Führung<br />

vor. Dieser Beitrag stellt Überlegungen zu offenen oder<br />

zweifelhaft gelösten Rechtsfragen bei einzelnen Einsätzen<br />

multinationaler Streitkräfte im Ausland an, an denen sich<br />

die Bundesrepublik Deutschland mit Soldaten der Bundeswehr<br />

beteiligt. Dabei werden ungelöste Fragen auf der<br />

völkerrechtlichen und der verfassungsrechtlichen Ebene<br />

thematisiert.<br />

Soldaten der Bundeswehr waren und sind bei vielfältigen<br />

Einsätzen im Ausland gefordert. Schon 1960 begannen<br />

die Auslandsaktivitäten der Bundeswehr mit Hilfeleistungen<br />

nach einem Erdbeben in Marokko und humanitärer<br />

Hilfe in Angola. Viele weitere Einsätze humanitärer Art<br />

folgten danach in praktisch allen Teilen der Welt; dabei<br />

waren immer wieder Naturkatastrophen wie Hochwasser<br />

(z. B. Algerien 1963, Nigeria, Türkei, Peru 1970 und Mosambik<br />

2000), Erdbeben (z. B. Türkei 1966, Iran 1968,<br />

Pakistan 1975, UdSSR 1988), Dürrekatastrophen (z. B.<br />

Äthiopien, Mali, Niger, Tschad 1973 und 1974, Sudan<br />

und Uganda 1989) oder Waldbrände (Sardinien 1983,<br />

Griechenland 1990), aber auch Unglücksfälle aller Art<br />

(z. B. Fährunglück in Italien 1971, Explosionsunglück in<br />

Spanien 1978, Busunglück in der Türkei 1985, Bombenanschlag<br />

in Djibouti 1987) oder die Folgen einer aktuellen<br />

politischen Entwicklung (Hungerhilfe in der UdSSR 1990<br />

und in Russland und Somalia 1992, Kurdenhilfe im Iran<br />

und in der Türkei 1991) die Ursache des Einsatzes. 1 Diese<br />

Einsätze, die sich weitgehend in der Zeit des Kalten<br />

Krieges ereigneten, waren in der Regel humanitärer Art<br />

und verfassungsrechtlich unproblematisch.<br />

Peter Dreist<br />

Die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für<br />

Einsätze der Bundeswehr im Ausland, die sich thematisch<br />

und tatsächlich stets im Spannungsfeld zwischen<br />

Politik und Recht – insbesondere Verfassungs- und<br />

Völkerrecht – bewegt haben, haben sich in den letzten<br />

15 Jahren drastisch verändert. Erst das Grundsatzurteil<br />

des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 2 schuf<br />

Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für die Beteiligung<br />

bewaffneter deutscher Soldaten an Auslandseinsätzen,<br />

die als „Einsätze bewaffneter Streitkräfte“ anzusehen<br />

sind, und erklärte sie für verfassungsrechtlich möglich,<br />

allerdings unter dem Vorbehalt der – grundsätzlich<br />

vorherigen – konstitutiven Zustimmung durch den<br />

Deutschen Bundestag. In seiner Eilentscheidung zum<br />

AWACS-Einsatz hatte das Gericht bereits ein Jahr zuvor<br />

festgestellt, dass die Bundesregierung die Verantwortung<br />

für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der deutschen<br />

Beteiligung an einem VN-Einsatz trägt, nicht der einzelne<br />

eingesetzte Soldat; dies gilt für völkerrechtlich zulässige<br />

Einsätze im Rahmen anderer Systeme gegenseitiger kollektiver<br />

Sicherheit (NATO, WEU, EU) natürlich ebenso.<br />

Die Soldaten stelle das Gesetz von der Verantwortlichkeit<br />

frei (§ 11 Soldatengesetz). 3 Nach dem Grundsatzurteil zu<br />

Auslandseinsätzen vom 12. Juli 1994 muss diese Frage so<br />

verstanden werden, dass Bundesregierung und Parlament<br />

wegen des konstitutiven Zustimmungsvorbehalts die ver-<br />

33


Rechtsfragen des Auslandseinsatzes der bundeswehr<br />

fassungsrechtliche Verantwortung für Auslandseinsätze<br />

der Bundeswehr gemeinsam tragen. 4 Auslandseinsätze<br />

jeder Art können inzwischen weitgehend als militärische<br />

Alltagsaufgabe verstanden werden. Sie werden von den<br />

Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) 5 im Gegensatz<br />

zu früheren Zeiten, in denen Landes- und Bündnisverteidigung<br />

Hauptaufgabe und Daseinsberechtigung<br />

der Bundeswehr gleichermaßen bildeten, als derzeit<br />

wahrscheinlichste Aufgabe im Einsatzspektrum der Bundeswehr<br />

benannt.<br />

Die Beteiligung an solchen Einsätzen erfolgt für deutsche<br />

Streitkräfte in aller Regel in einem multinationalen<br />

Rahmen, und zwar im Rahmen der Vereinten Nationen<br />

(UNAMIC und UNTAC in Kambodscha, UNOSOM II<br />

in Somalia, UNOMIG in Georgien, UNTAES in Kroatien,<br />

INTERFET in Ost-Timor, UNMEE zwischen<br />

Äthiopien und Eritrea, UNMIS im Sudan, UNIFIL II<br />

als Lead Nation für die Marineoperation auf der See vor<br />

der libanesischen Küste), der NATO (IFOR, SFOR, Eagle<br />

Eye, Extraction Force, Allied Force, KFOR auf dem<br />

Balkan, ISAF in Afghanistan, Enduring Freedom), der<br />

WEU (Minenräumen im persischen Golf 1991, SHARP<br />

FENCE, SHARP GUARD in der Adria ab 1992) oder<br />

der EU (Concordia in Mazedonien, Artemis im Kongo,<br />

Althea in Bosnien und Herzegowina, EU-Unterstützung<br />

für Mission AMIS der Afrikanischen Union im Sudan<br />

oder die soeben abgeschlossene EUFOR-Mission in der<br />

demokratischen Republik Kongo). 6<br />

Rund 15 Jahre nach Beginn der Auslandseinsätze der<br />

Bundeswehr im eigentlichen Sinne und jenseits rein humanitärer<br />

Hilfsaufgaben und immerhin 13 Jahre nach dem<br />

Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12.<br />

Juli 1994 muss es ein wenig verwundern, dass Rechtsfragen<br />

des Bundeswehreinsatzes immer wieder das Bundesverfassungsgericht<br />

beschäftigen, wie die PDS-Organklage<br />

wegen der Zustimmung der Bundesregierung zum neuen<br />

Strategischen Konzept der NATO 1999 ohne Zustimmung<br />

des Bundestages 7 , der noch immer nicht endgültig<br />

entschiedene Rechtsstreit um die deutsche Beteiligung an<br />

AWACS-Flügen über dem Territorium der Türkei 2003<br />

während der US-geführten Operation Iraqi Freedom 8 ,<br />

oder die Organklageverfahren der Abgeordneten Gauweiler<br />

und Wimmer 9 und der Fraktion PDS/Die Linke<br />

im Deutschen Bundestag wegen des Einsatzes von Tornadoaufklärungsflugzeugen<br />

in Afghanistan im Rahmen<br />

der VN-mandatierten ISAF-Operation 10 zeigen. Weitere<br />

Unklarheiten ergeben sich bei näherer Betrachtung des<br />

Parlamentsbeteiligungsgesetzes, 11 mit dem die Zusammenarbeit<br />

zwischen Bundesregierung und Bundestag bei<br />

Zustimmungsentscheidungen zu einem Einsatz bewaffneter<br />

Streitkräfte abschließend geregelt werden sollte.<br />

Aufgrund des hier zur Verfügung stehenden Platzes<br />

soll der Schwerpunkt dieses Beitrages bei den Einsätzen<br />

mit deutscher Beteiligung in Afghanistan liegen; andere<br />

Rechtsfragen werden nur durch kurze Hinweise angerissen.<br />

II.<br />

Die laufenden Auslandseinsätze<br />

Die Bundeswehr beteiligt sich derzeit an folgenden Einsätzen<br />

im Ausland: An der<br />

–– UNOMIG-Mission der Vereinten Nationen in<br />

Georgien 12 seit dem 2. Februar 1994,<br />

–– VN-mandatierten und NATO-geführten Operationen<br />

IFOR seit 15.12.1995, SFOR seit 20.12.1996 und<br />

SFOR-Folgeoperation seit 19. Juni 1998 13 zunächst<br />

in Kroatien und ab Ende 1996 in Bosnien und<br />

Herzegowina sowie an der ebenfalls VM-mandatierten<br />

EU-Operation Althea (Truppenbezeichnung: EUFOR)<br />

in Bosnien und Herzegowina seit 26. November<br />

2004, 14<br />

–– VN-mandatierten und NATO-geführten KFOR-<br />

Operation im Kosovo 15 seit dem 11. Juni 1999,<br />

–– US-geführten Operation Enduring Freedom (OEF)<br />

auf der Grundlage des in Art. 51 der VN-Charta anerkannten<br />

naturgegebenen Rechts zur individuellen und<br />

kollektiven Selbstverteidigung und der Feststellung<br />

des NATO-Bündnisfalles nach Art. 5 des NATO-<br />

Vertrages seit dem 16. November 2001, 16 und zwar mit<br />

so verschiedenartigen Beiträgen wie z. B. dem Einsatz<br />

von Spezialkräften in Afghanistan, von Marinekräften<br />

am Horn von Afrika, in Djibouti (Marinelogistikbasis)<br />

oder Marineüberwachungs-flugzeugen (Maritime<br />

Ptrol Aircraft – MPA) in Kenia, später Djibouti, dem<br />

34


Einsatz von Verbindungsoffizieren in internationalen<br />

Stäben, der Bereitstellung von MEDEVAC-Kräften,<br />

der Beteiligung mit Seestreitkräften an den NATO-<br />

Unterstützungsoperationen Active Endeavour im östlichen<br />

Mittelmeer und Task Force STROG in der Straße<br />

von Gibraltar oder einem ABC-Abwehrkontingent in<br />

Kuwait (viele nur zeitweise),<br />

–– VN-mandatierten ISAF-Operation in Afghanistan seit<br />

dem 20. Dezember 2001 17 – Lead Nation 6 Monate<br />

Großbritannien, 6 Monate Türkei und sodann 9<br />

Monate Deutschland, seit Herbst 2003 unter Führung<br />

der NATO,<br />

–– UNMEE-Mission zur Überwachung des Waffenstillstands<br />

zwischen Äthiopien und Eritrea seit 28. Januar<br />

2004, 18<br />

–– Abstellung eines Verbindungsoffiziers zur UNAMA<br />

nach Afghanistan seit 10. Mai 2004, 19<br />

–– EU-Unterstützung für die VN-mandatierte „African<br />

Union Mission in Sudan“ (AMIS) seit 3. Dezember<br />

2004, 20<br />

––<br />

UNMIS im Sudan seit 28. April 200521 und schließlich<br />

–– VN-mandatierten und um eine Marinekomponente<br />

erweiterte UNIFIL-Mission im Libanon und den<br />

Seegebieten vor der libanesischen Küste als Lead<br />

Nation für den Marineeinsatz seit 20. September<br />

2006. 22<br />

III.<br />

Der konstitutive Parlamentsvorbehalt<br />

Nach dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

v. 12. Juli 1994 erfordert aus Gründen einer seit<br />

1918 bestehenden Verfassungstradition jeder „Einsatz<br />

bewaffneter Streitkräfte“ die – grundsätzlich vorherige –<br />

konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages; 23<br />

nur bei der derzeit laufenden deutschen Teilnahme an<br />

den Einsätzen UNOMIG, UNAMA und UNMEE liegt<br />

eine solche Zustimmung nicht vor. Entscheidend für die<br />

Erforderlichkeit einer Zustimmung des Bundestages ist<br />

es, dass es sich um einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte<br />

handelt; diese Bewertung hat die Bundesregierung vorzunehmen,<br />

sodann die Initiative mit einem Kabinettbeschluss<br />

zu ergreifen und den Bundestag um seine Zustimmung<br />

zu ersuchen. Der Bundestag kann nur zustimmen<br />

oder ablehnen, ein eigenes Initiativrecht steht ihm nicht<br />

zu. Die Bundesregierung geht von einem Einsatz bewaffneter<br />

Streitkräfte jedenfalls dann aus, wenn die Soldaten<br />

Waffen mitführen oder die Gefahr ihrer Einbeziehung in<br />

bewaffnete Unternehmungen besteht. 24 Noch muss es<br />

als unklar gelten, ob auch die Gefahr einer mittelbaren<br />

Einbeziehung oder Verstrickung in bewaffnete Unternehmungen<br />

ausreicht, um einen bewaffneten Einsatz<br />

anzunehmen; dies hatte das Bundesverfassungsgericht<br />

in seiner Eilentscheidung zum AWACS-Einsatz in der<br />

Türkei angedeutet 25 – hierüber ist noch nicht endgültig<br />

entschieden. Es geht mithin objektiv nicht darum, ob der<br />

Einsatz persönliche Gefahren mit sich bringt (gefährlich<br />

sind auch Einsätze unbewaffneter Beobachter im Sudan<br />

oder der von Sanitätskräfte in Georgien, wie der zum<br />

Tod eines deutschen Sanitätsoffiziers bei UNOMIG in<br />

Georgien führende Abschuss eines VN-Hubschraubers<br />

gezeigt hat). Es geht vielmehr darum, ob der Einsatz<br />

sich in einer Gesamtbetrachtung als Einsatz bewaffneter<br />

Streitkräfte darstellt, wobei im Zeitalter arbeitsteiligen<br />

Zusammenwirkens nicht jeder Einzelakt einen Einsatz<br />

bewaffneter Streitkräfte darstellen, sondern der Einsatz<br />

sich in seiner Gesamtheit entsprechend präsentieren<br />

muss. Dies kann durchaus umstritten sein; so wird<br />

die unbewaffnete UNOMIG-Truppe aus Sanitätskräften<br />

und Beobachtern von einer schwer bewaffneten GUS-<br />

Peacekeeping-Streitmacht, 26 vorwiegend aus russischen<br />

Soldaten bestehend, geschützt – geschähe dies einheitlich<br />

unter dem Dach der VN, hätte niemand einen Zweifel<br />

daran, dass es sich insgesamt um einen – aus verfassungsrechtlicher<br />

Sicht zustimmungsbedürftigen – Einsatz<br />

bewaffneter Streitkräfte handelte, was auch im Parlament<br />

bereits thematisiert wurde. 27 Dies hat übrigens auch bei<br />

den relativ bescheidenen deutschen Beiträgen an AMIS<br />

(Lufttransport) und UNMIS (Militärbeobachter) in der<br />

Gesamtbetrachtung dazu geführt, dass diese Einsätze<br />

dem Bundestag zur Zustimmung unterbreitet wurden.<br />

35


Rechtsfragen des Auslandseinsatzes der bundeswehr<br />

IV.<br />

ISAF-Einsatz in Afghanistan<br />

Derzeit werden der ISAF-Einsatz deutscher Soldaten in<br />

Afghanistan und der Einsatz im Rahmen der Operation<br />

Enduring Freedom besonders intensiv in Parlament und<br />

Öffentlichkeit diskutiert. Während die CDU, die CSU,<br />

die FDP und Teile der SPD die deutsche Beteiligung an<br />

den laufenden Einsätzen in Afghanistan (ISAF, Tornado-<br />

Einsatz für ISAF und Operation Enduring Freedom, die<br />

allerdings auch in anderen Einsatzgebieten stattfindet)<br />

fortsetzen wollen, wollen andere Teile der SPD und<br />

Teile der Grünen zumindest die deutsche Beteiligung<br />

an Enduring Freedom beenden und die Linke will aus<br />

sämtlichen Einsätzen in Afghanistan aussteigen. Die Bundesregierung<br />

hat sich auf die Fortsetzung der deutschen<br />

Beteiligung an diesen Operationen bereits festgelegt 28<br />

– das Thema wird uns in den nächsten Monaten weiter<br />

begleiten und auch danach nicht loslassen; heiße Rededuelle<br />

bei den anstehenden Verlängerungsentscheidungen<br />

im Deutschen Bundestag im Herbst 2007 sind garantiert.<br />

Zum Tornadoeinsatz in Afghanistan und damit auch zum<br />

ISAF-Einsatz, in dessen Rahmen die Tornado-Aufklärungsflugzeuge<br />

eingesetzt werden, und auch zum durch<br />

den NATO-Vertrag vorgegebenen Aufgabenbereich des<br />

Bündnisses hat das Bundesverfassungsgericht in seinem<br />

aktuellsten Urteil zu einem Streitkräfteeinsatz am 3. Juli<br />

2007 29 eine Reihe grundlegender Feststellungen getroffen.<br />

Danach sei ein wesentlicher Schritt der Fortbildung des<br />

vertraglichen Aufgabenkonzepts der NATO über ein<br />

Verteidigungsbündnis in einem engeren Sinn hinaus dem<br />

neuen Strategischen Konzept der NATO vom 24. April<br />

1999 zu entnehmen. Entscheidende Neuerung dieses<br />

Konzepts sei die Option der NATO, in Reaktion auf<br />

neue Bedrohungsszenarien für die Sicherheit des euroatlantischen<br />

Raums zukünftig auch nicht unter Art. 5<br />

des NATO-Vertrags fallende Krisenreaktionseinsätze<br />

durchzuführen (Ziff. 31 des Konzepts). 30 Der ISAF-<br />

Einsatz in Afghanistan stelle einen solchen Krisenreaktionseinsatz<br />

dar, mit dem sich die NATO aber nicht<br />

von der erforderlichen Bindung an den euro-atlantischen<br />

Raum gelöst habe. Denn das internationale Engagement<br />

in Afghanistan bedeute keinen isolierten Bezug zur Sicherheit<br />

des afghanischen Staates, sondern sei wesentlich<br />

darauf zurückzuführen, dass die handelnden Staaten in<br />

Übereinstimmung mit den handelnden internationalen<br />

Organisationen durch die Lage in Afghanistan ihre eigenen<br />

Sicherheitsinteressen als betroffen ansähen. 31 Als gefährlich<br />

gälten insofern gerade Staaten ohne oder mit nur<br />

begrenzt effektiver Staatsgewalt, weil diese potenzielle<br />

Rückzugsräume für international operierende terroristische<br />

Gruppierungen darstellten. Ebenso wenig liege die<br />

Annahme eines Bezuges der innerafghanischen Sicherheit<br />

zur Sicherheit im euro-atlantischen Raum außerhalb des<br />

Vertretbaren. Die Verantwortlichen im NATO-Rahmen<br />

durften und dürften davon ausgehen, dass die Sicherung<br />

des zivilen Aufbaus Afghanistans auch einen unmittelbaren<br />

Beitrag zur eigenen Sicherheit im euro-atlantischen<br />

Raum leiste; angesichts der heutigen Bedrohungslagen<br />

durch global agierende terroristische Netzwerke könnten,<br />

wie der 11. September 2001 gezeigt habe, Bedrohungen<br />

für die Sicherheit des Bündnisgebiets nicht mehr territorial<br />

eingegrenzt werden. 32<br />

Eine Verletzung des Völkerrechts durch einzelne militärische<br />

Einsätze der NATO (Vortrag der Antragstellerin),<br />

insbesondere die Verletzung des Gewaltverbots, könne<br />

ein Indikator dafür sein, dass die NATO sich von ihrer<br />

verfassungsrechtlich zwingenden friedenswahrenden<br />

Ausrichtung entferne. Dabei sei jedoch zu beachten,<br />

dass selbst entsprechende Völkerrechtsverletzungen nicht<br />

bereits für sich genommen einen im Organstreitverfahren<br />

rügefähigen Verstoß gegen Art. 24 Abs. 2 GG<br />

begründeten. Denn in der Konstellation des Organstreitverfahrens<br />

sei der Verstoß gegen das Gebot der<br />

Friedenswahrung nur als verfassungsrechtliche Grenze<br />

des Integrationsprogramms eines Systems gegenseitiger<br />

kollektiver Sicherheit bedeutsam. Verfassungsgerichtlich<br />

könne die Überschreitung dieses Integrationsprogramms<br />

im Organstreitverfahren nur deshalb überprüft werden,<br />

weil sie die Vertragsgrundlage des Bündnisses der Verantwortung<br />

des Deutschen Bundestages entziehe und<br />

diesen damit in seinem Recht aus Art. 59 Abs. 2 Satz<br />

1 GG (Verträge, die die politischen Beziehungen des<br />

Bundes regeln, bedürfen der Mitwirkung der für die Bun-<br />

36


desgesetzgebung zuständigen Körperschaften [Bundestag<br />

und Bundesrat]) in Verbindung mit Art. 24 Abs. 2 GG<br />

(Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem<br />

System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen)<br />

verletze. Deshalb eröffne diese Kontrolle keine allgemeine<br />

Prüfung der Völkerrechtskonformität von militärischen<br />

Einsätzen der NATO. 33 Die Einsätze ISAF 34 und OEF 35<br />

beruhten auf unterschiedlichen rechtlichen Regelungen.<br />

Generalinspekteur Schneiderhan habe in der mündlichen<br />

Verhandlung am 18. April 2007 dargelegt, dass Aufklärungsergebnisse<br />

von ISAF auf der Basis des NATO-<br />

Operationsplans nur dann an OEF weitergegeben würden,<br />

„wenn dies zur Durchführung der ISAF-Operation<br />

oder für die Sicherheit von ISAF-Kräften erforderlich<br />

ist“. Nur ISAF-Beteiligte seien berechtigt, Aufklärungsflüge<br />

anzufordern, nicht dagegen Kräfte der Operation<br />

Enduring Freedom. Die Bilder würden nach dem Aufklärungsflug<br />

– eine Inflight-Übermittlung sei nicht möglich<br />

– in eine Datenbank eingespeist, als geheim gekennzeichnet<br />

und an einen persönlichen Zugangscode gekoppelt.<br />

Abschließend entscheide ISAF in eigener Verantwortung<br />

und unter Beachtung des Operationsplans darüber, ob<br />

Ergebnisse vorlägen, deren Weitergabe an die Operation<br />

Enduring Freedom zur Förderung der gegenseitigen<br />

Sicherheit erforderlich sei. 36 Entgegen dem Vortrag der<br />

Antragstellerin sei nicht der stellvertretende Kommandeur<br />

für Sicherheitsoperationen von ISAF gleichzeitig als<br />

Angehöriger der US-amerikanischen Kommandostruktur<br />

für die Streitkräfte der Operation Enduring Freedom zur<br />

Terrorismusbekämpfung mitverantwortlich, sondern das<br />

Regional Command East, das unter US-amerikanischer<br />

Führung stehe. Dadurch ergebe sich gerade nicht die Gefahr<br />

einer unkontrollierten Vermischung der Einsätze. 37<br />

Somit seien nicht nur rechtlich, sondern auch in der praktischen<br />

Durchführung hinreichende Vorkehrungen dafür<br />

geschaffen, dass es zu einer Vermischung der Operationen<br />

mit der Folge der Auflösung der bisherigen Trennung<br />

der Verantwortungsbereiche nicht komme. 38<br />

Für die Bundeswehr bedeutet das Urteil, dass künftig<br />

weltweit Einsätze im Rahmen des NATO-Bündnisses<br />

verfassungsrechtlich möglich und zulässig sind (dieser<br />

Gedanke ließe sich auf vergleichbare Konstellationen<br />

anderer Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit übertragen<br />

und ist an den Voraussetzungen des jeweiligen<br />

durch den Gründungsvertrag oder vertragliche Ergänzungen<br />

geschaffenen Integrationsprogramms des jeweiligen<br />

Systems zu messen). Weltweit sind solche Einsätze<br />

sowohl für die Abwehr eines Angriffs (Bündnisfall) als<br />

auch für Krisenreaktionseinsätze auf der Grundlage<br />

des neuen Strategischen Konzepts der NATO von 1999<br />

verfassungsrechtlich zulässig, solange und soweit ein<br />

Zusammenhang mit der Sicherheit des euro-atlantischen<br />

Raumes gegeben ist, der insbesondere durch weltweit<br />

und grenzüberschreitend agierende Terrorgruppierungen<br />

als gegeben anzusehen sein dürfte. Grenzen für die Beteiligung<br />

an NATO-Einsätzen wären erst dann anzunehmen,<br />

wenn dieser regionale Bezug zum Vertragsgebiet<br />

im Einzelfall nicht mehr bestünde oder die NATO sich<br />

von einem der Friedenswahrung verpflichteten Verteidigungsbündnis<br />

in ein zur Führung von Angriffskriegen<br />

bestimmtes Bündnis veränderte (was kaum zu erwarten<br />

sein dürfte).<br />

Für die Aufgabenwahrnehmung in Afghanistan bedeutet<br />

das Judikat, dass die rechtliche Trennung zwischen den<br />

Einsätzen ISAF und OEF weiterhin gewährleistet bleiben<br />

muss. Das Urteil erbringt ein gutes Stück Rechtssicherheit<br />

für die in Afghanistan eingesetzten Soldaten, die ihre<br />

Aufgaben weiterhin in einem gefährlichen Umfeld wahrnehmen<br />

müssen und die sich in der Rechtmäßigkeit ihres<br />

Handelns durch das Urteil bestärkt fühlen können. Das<br />

Ministerwort, Deutschland werde auch am Hindukusch<br />

verteidigt, hat Bestand. Der Entschluss der Bundesrepublik,<br />

sich an ISAF und OEF zu beteiligen, war politisch<br />

aus Gründen der Bündnissolidarität zwingend geboten<br />

und rechtlich zulässig. Der Versuch der Linken, Deutschland<br />

aus der Beteiligung an Krisenreaktionseinsätzen im<br />

Rahmen der NATO aus dem Bündnis herauszubrechen,<br />

ist gescheitert.<br />

V. OEF-Einsatz in Afghanistan<br />

Aus rechtlicher Sicht wirft das Urteil aber auch eine Reihe<br />

von Fragen auf, die weiterhin als nicht endgültig geklärt<br />

betrachtet werden müssen: So kann die Annahme des Ge-<br />

37


Rechtsfragen des Auslandseinsatzes der bundeswehr<br />

richts bezweifelt werden, die Bundesregierung beteilige<br />

sich mit ihrer Zustimmung zu strategischen Konzepten<br />

der Bündnisse „in den Formen des Völkerrechts“ an der<br />

Fortentwicklung völkerrechtlicher Verträge. 39 Es fragt<br />

sich nämlich, ob das bewusste Ausweichen auf lediglich<br />

politisch, aber nicht rechtlich verbindliche Formen wie<br />

strategische Konzepte tatsächlich eine Form des Völkerrechts<br />

darstellt. Zu hinterfragen wäre auch, ob es tatsächlich<br />

der ISAF-Einsatz ist, der in unmittelbarer Verbindung<br />

mit dem einzigen Angriff auf einen NATO-Staat, der<br />

jemals zur Feststellung des NATO-Bündnisfalles (als<br />

Reaktion auf die Terroranschläge gegen die USA am 11.<br />

September 2001) führte, steht. 40 Vertreten wird nämlich<br />

eher, dass sich dieser unmittelbare Zusammenhang in der<br />

Operation Enduring Freedom manifestiert, mit der das<br />

als Urheber der Angriffe ausgemachte de-facto Regime<br />

der Taliban und seine Unterstützer von Al Qa’ida und<br />

Söldnern ab dem 7. Oktober 2001 in Afghanistan im<br />

Rahmen des in Art. 51 der VN-Charta anerkannten kollektiven<br />

Selbstverteidigungsrechts bekämpft wurden. 41<br />

Demgegenüber ist der ISAF-Einsatz erst dadurch zustande<br />

gekommen, dass der Petersberg-Prozess zum Bonner<br />

Abkommen, zur Installierung der Interimsregierung von<br />

Hamid Karzai und zur VNSRR 1386 mit entsprechendem<br />

Kapitel VII-Mandat führte.<br />

Soweit das höchste deutsche Gericht davon ausgeht, eine<br />

völker- und verfassungsrechtliche Prüfung der Rechtsgrundlagen<br />

für OEF sei bei diesem Rechtsstreit nicht<br />

vorzunehmen, 42 fragt man sich, ob dies angesichts der<br />

deutschen Beteiligung an beiden Operationen gleichzeitig<br />

und im selben Einsatzgebiet wirklich zutreffen kann. Die<br />

Frage erhebt sich insbesondere angesichts des Vorbringens<br />

der Antragstellerin, wegen einer „Vermischung“ der<br />

Operationen ISAF und OEF schlügen einzelne Völkerrechtsverstöße<br />

von OEF auf die Völkerrechtgemäßheit<br />

von ISAF durch. Hätte es deshalb nicht nahe gelegen,<br />

die Völkerrechtgemäßheit von OEF angesichts der Behauptung<br />

der Antragstellerin, die Operation könne sechs<br />

Jahre nach den Anschlägen gegen die USA nicht länger<br />

auf das Selbstverteidigungsrecht gestützt werden, 43 zu<br />

problematisieren? Dabei hätte man nämlich festgestellt,<br />

dass die deutsche Beteiligung an OEF aus völkerrechtlicher<br />

Sicht auf Art. 51 VN-Charta und Art. 5 des NATO-<br />

Vertrages gestützt wurde. 44 Demgegenüber wurde unter<br />

Bezugnahme auf Art. 5 des NATO-Vertrages und die<br />

daraus resultierende Bündnisverpflichtung Art. 24 Abs.<br />

2 GG als verfassungsrechtliche Grundlage für die deutsche<br />

Beteiligung an diesem Einsatz genannt. 45 Aus verfassungsrechtlicher<br />

Sicht wäre es jedoch zumindest leichter<br />

verständlich, einen Einsatz, der sich völkerrechtlich als<br />

Selbstverteidigungseinsatz darstellt, verfassungsrechtlich<br />

als Einsatz „zur Verteidigung“ i. S. d. Art. 87a Abs. 1 Satz<br />

1 und Abs. 2 GG und nicht als solchen im Rahmen und<br />

nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver<br />

Sicherheit gemäß Art. 24 Abs. 2 GG zu betrachten.<br />

Dies gilt umso mehr, als auch nach Auffassung des<br />

Gerichts „die Operation Enduring Freedom ... kein<br />

militärischer Einsatz im NATO-Rahmen (ist)“! 46 OEF<br />

ist tatsächlich ein US-geführter Einsatz, bei dem weder<br />

eine NATO-Führung noch ein gemeinsamer Operationsplan<br />

der NATO für die Teilnehmer je bestand. Auch<br />

die Einsatzregeln für die verschiedenen Einsatzgebiete<br />

von OEF-Operationen (z. B. Afghanistan, Seegebiete am<br />

Horn von Afrika, Seegebiete des östlichen Mittelmeers<br />

für die NATO-Operation Active Endeavour, zeitweise<br />

Kenia, Djibouti, Kuwait) sind keine der NATO, sondern<br />

solche der Nationen, die für jede Nation und dies nochmals<br />

in jedem Einsatzgebiet unterschiedlich sind. Die<br />

Frage, ob die Feststellung des NATO-Bündnisfalles am<br />

12. September und 4. Oktober 2001 immer noch eine<br />

hinreichende rechtliche Klammer für die weitere deutsche<br />

Beteiligung an OEF darstellt und damit die deutsche Beteiligung<br />

an OEF als ein Handeln im Rahmen und nach<br />

den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit<br />

(Art. 24 Abs. 2 GG) gewertet werden kann, dürfte<br />

schwierig zu beantworten sein. Ferner stellt sich die Frage,<br />

warum ein mögliche Verletzung des Gewaltverbots 47<br />

als Überschreitung des im NATO-Vertrag angelegten<br />

Integrationsprogramms, also eine „ius ad bellum“-Frage,<br />

im Urteil thematisiert wird, wenn die rechtlichen Voraussetzungen<br />

von OEF nicht zu prüfen sind und allein die<br />

rechtlichen Voraussetzungen des ISAF-Einsatzes – der<br />

seit dem 20. Dezember 2001 ununterbrochen vom VN-<br />

Sicherheitsrat mit einem Kapitel VII-Mandat ausgestattet<br />

38


ist – für das Gericht im Kontext dieser Organklage maßgebend<br />

waren. Unbeantwortet geblieben ist schließlich<br />

auch die Frage, ob sich die Beteiligten auch sechs Jahre<br />

nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gegen die<br />

USA aus völkerrechtlicher Sicht weiter auf das in Art. 51<br />

VN-Charta anerkannte Selbstverteidigungsrecht berufen<br />

dürfen, wie lange dies noch der Fall sein könnte und ob<br />

die Veränderung der Verhältnisse in Afghanistan, das inzwischen<br />

seit 2004 über ein gewähltes Parlament und eine<br />

gewählte Regierung verfügt, die Fortsetzung von OEF<br />

unabsehbar gestatten. Gerade die Möglichkeit der Weitergabe<br />

von bei Aufklärungsflügen mit Tornadoflugzeugen<br />

im Rahmen des ISAF-Einsatzes gewonnenen Bildern<br />

und Daten an OEF lässt es wünschenswert erscheinen,<br />

das auch der rechtliche Rahmen von OEF geprüft und<br />

bewertet worden wäre. Denn die Sicherheitslage in Afghanistan<br />

ist gefährlich, wobei die Urheber dieser Lage<br />

(Taliban und Unterstützer) wahllos Vertreter unterschiedlicher<br />

Organisationen und Nationen mit ihren Aktionen<br />

bedrohen, gefährden, verletzen und töten, wie es die<br />

aktuellen Ereignisse im Frühsommer 2007 nochmals<br />

bestätigt haben. Dabei sind es die Taliban, die entgegen<br />

dem Völkerrecht Kinder, Frauen und andere Zivilpersonen<br />

als menschliche Schutzschilde missbrauchen; dies ist<br />

der Grund, warum es in Afghanistan immer wieder zu<br />

zahlreichen zivilen Opfern kommt, nicht eine unverhältnismäßige<br />

Kampfführung der US-geführten Koalition<br />

Enduring Freedom. 48 Niemand bezweifelt, dass ein<br />

Wiedererstarken der Taliban und Ihrer Unterstützer auch<br />

zum Wohle der Sicherheit im euro-atlantischen Raum<br />

unbedingt verhindert werden muss. Gerade dies macht<br />

die Zusammenarbeit von ISAF und OEF, die zuletzt in<br />

VNSRR 1707 ausdrücklich vom Sicherheitsrat begrüßt<br />

und gefordert wurde, unverzichtbar; unverzichtbar ist<br />

aber dann auch eine rechtliche Bewertung der völker- und<br />

verfassungsrechtlichen Aspekte von OEF. Hier hinterlässt<br />

das Urteil leider eine Lücke.<br />

Thematisiert, aber nicht endgültig beantwortet werden<br />

kann derzeit auch die Frage, wie sich denn die tatsächliche<br />

Entwicklung in Afghanistan auf die Rechtslage im Einsatzgebiet<br />

und damit auf das Recht zur Kampfführung<br />

ausgewirkt hat, soweit es um die Wahrnehmung völkerrechtlicher<br />

Befugnisse (Zwangsmaßnahmen) im Rahmen<br />

der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, vertreten<br />

durch die immer noch aktiven früheren de-facto-<br />

Herrscher der Taliban und ihrer Unterstützer (Al Qa’ida<br />

und Söldner) geht. Das Völkerrecht unterscheidet nämlich<br />

lediglich zwischen den Rechtszuständen Krieg und<br />

Frieden, beim Krieg als Synonym des bewaffneten Konflikts<br />

den internationalen und den nicht-internationalen<br />

bewaffneten Konflikt. Interne Konflikte sind vorwiegend<br />

nach nationalem Recht des betroffenen Staates, nicht<br />

nach völkerrechtlichen Vorgaben mit Ausnahme der<br />

Menschenrechtspakte zu bewältigen. Ein internationaler<br />

bewaffneter Konflikt setzt den Rechtszustand des Krieges<br />

zwischen mindestens zwei Staaten gegeneinander<br />

voraus; ist der Gegner auf der einen Seite kein Staat, kann<br />

denknotwendig kein internationaler bewaffneter Konflikt<br />

gegeben sein. Auf die Lage in Afghanistan bezogen haben<br />

diese Kriterien allenfalls auf die Zeit des ersten Jahres<br />

nach Beginn der Kampfhandlungen am 7. Oktober 2001<br />

gepasst:<br />

Als die Selbstverteidigungsaktionen der US-geführten<br />

Antiterror-Koalition begannen, herrschte nach den Angriffen<br />

gegen die USA am 11. September 2001 ein internationaler<br />

bewaffneter Konflikt zwischen den Staaten<br />

der US-geführten Koalition Enduring Freedom und dem<br />

de-facto-Regime der Taliban. 49 Die Amtseinführung des<br />

jetzigen Präsidenten Hamid Karzai als Vertreter einer Interimsregierung<br />

am 20.12.2001 hat diesen Rechtszustand<br />

sicher nicht sofort beendet, weil er mit seiner Interimsregierung<br />

zu dieser Zeit praktisch nur im Bereich Kabul<br />

und Umgebung herrschen konnte und die bewaffneten<br />

Auseinandersetzungen mit kämpfenden Taliban fortgesetzt<br />

wurden. Muss man aber nicht annehmen, dass nach<br />

Wahl und Konstituierung der afghanischen Regierung<br />

und des Parlaments, spätestens jedoch mit der Ausdehnung<br />

ihres Einflussbereichs auf ganz Afghanistan<br />

irgendwann zwischen 2003 und 2004 der internationale<br />

bewaffnete Konflikt mit den früher herrschenden Taliban<br />

beendet wurde? Einen bewaffneten Konflikt gab<br />

es auch danach; hat sich sein rechtlicher Charakter aber<br />

dann nicht in den eines nicht-internationalen bewaffneten<br />

Konflikts geändert, weil die Taliban nicht länger das<br />

39


Rechtsfragen des Auslandseinsatzes der bundeswehr<br />

Land als Regierung beherrschten? In diesem gelten aus<br />

völkerrechtlicher Sicht aber dann nicht mehr die Kampfführungsregeln<br />

des IV. Haager Abkommens mit seiner<br />

Anlage, der Haager Landkriegsordnung 50 und – für die<br />

Unterzeichnerstaaten, zu denen z. B. die USA und die<br />

Türkei nicht gehören – das Zusatzprotokoll I von 1977<br />

zu den vier Genfer Abkommen von 1977 (ZP I). 51 Statt<br />

dessen gelten in einem nicht-internationalen bewaffneten<br />

Konflikt nur die Martens’sche Klausel, wiedergegeben<br />

in Art. 1 Abs. 2 ZP I, der gemeinsame Art. 3 der vier<br />

Genfer Abkommen vom 12. August 1949 52 und – für die<br />

Unterzeichnerstaaten, zu denen wiederum die USA und<br />

die Türkei nicht gehören – das Zusatzprotokoll II zu den<br />

vier Genfer Abkommen von 1949 (ZP II). 53 Auch wenn<br />

in der Staatengemeinschaft zunehmend angesichts der<br />

großen Zahl nicht-internationaler bewaffneter Konflikte<br />

die Bereitschaft erkennbar geworden sein soll, den Anwendungsbereich<br />

vorhandener Verträge des Humanitären<br />

Völkerrechts auch auf nicht-internationale bewaffnete<br />

Konflikte auszudehnen, 54 insbesondere dann, wenn sich<br />

die Kampfhandlungen weiterhin wie solche in einem internationalen<br />

bewaffneten Konflikt darstellen, hängt dies<br />

von der entsprechenden Bereitschaft einzelner Staaten<br />

ab und führt in der Konsequenz zu einer Vermischung<br />

geltenden Völkerrechts mit freiwillig angewandtem Völkerrecht<br />

und damit zu einer Steigerung der Unübersichtlichkeit<br />

der bestehenden Rechtslage. Damit nicht genug<br />

hat sich die Rechtslage in Afghanistan im Verhältnis<br />

zwischen den Koalitionstruppen von OEF und den<br />

Taliban sowie ihren Unterstützern möglicherweise vorübergehend,<br />

nämlich bei entscheidender Schwächung der<br />

Taliban in den Jahren 2003/2004, hin zu einem internen<br />

Konflikt (anwendbar: afghanisches Recht) und nach Wiedererstarken<br />

der Taliban ab etwa 2006 zurück zu einem<br />

nicht-internationalen bewaffneten Konflikt entwickelt. In<br />

allen drei Rechtszuständen gelten unterschiedliche rechtliche<br />

Vorgaben für die Erlaubnis zum Einsatz militärischen<br />

Zwanges und den Status der eingesetzten Kräfte – diese<br />

Fragen sind bisher soweit ersichtlich nirgends abschließend<br />

thematisiert oder gar beantwortet. Sie sind aber<br />

entscheidend für die Einsatzdurchführung. Eine eindeutige<br />

Rechtslage gibt es mithin für die Durchführung der<br />

Operation Enduring Freedom nicht – insbesondere kann<br />

nicht angenommen werden, dass die Anschläge vom 11.<br />

September 2001 gegen die USA einen weltweiten „war<br />

on terror“ im Sinne eines internationalen bewaffneten<br />

Konflikts ausgelöst haben und weltweit die Wahrnehmung<br />

von Kampfführungsrechten wie im internationalen<br />

bewaffneten Konflikt gestatteten.<br />

VI.<br />

Sonstige offene Fragen<br />

Eine Fülle weiterer Fragen ist ebenfalls bisher nicht endgültig<br />

beantwortet: So sind die in der Eilentscheidung des<br />

Bundesverfassungsgerichts zum AWACS-Einsatz über<br />

der Türkei 2003 55 aufgeworfenen Fragen, wann deutsche<br />

Soldaten „in bewaffnete Unternehmungen einbezogen“<br />

sind oder ob und unter welchen Voraussetzungen ein<br />

Einsatz an der Grenze zu einem kriegsbefangenen Territorium,<br />

die Ausdehnung der Überwachung auf ein<br />

solches Territorium oder die mittelbare Einbeziehung in<br />

bewaffnete Unternehmungen einen zustimmungspflichtigen<br />

„Einsatz bewaffneter Streitkräfte“ auslösen, immer<br />

noch ungeklärt. Dies gilt aus verfassungsrechtlicher Sicht<br />

auch für das in § 8 Parlamentsbeteiligungsgesetz geregelte<br />

„Rückholrecht“ des Parlaments bei einem laufenden<br />

Einsatz, dem der Deutsche Bundestag früher zugestimmt<br />

hatte. Hierbei ist fraglich, ob dem Parlament, das bei Einsatzentscheidungen<br />

nur ein Mitwirkungsrecht, aber kein<br />

Initiativrecht hat, 56 ein solches Recht überhaupt zustehen<br />

kann, ob es insbesondere angesichts der verfassungsrichterlichen<br />

Vorgabe, der Zustimmungsvorbehalt sei ein<br />

Recht von Verfassungsrang, 57 in einem einfachen Bundesgesetz<br />

geregelt werden durfte oder ob die Entscheidungen<br />

im „vereinfachten Zustimmungsverfahren“ nach<br />

§§ 4 und 7 Parlamentsbeteiligungsgesetz nicht einer einheitlichen<br />

Dokumentationspflicht unterliegen müssen.<br />

VII.<br />

Ausblick<br />

Jeder Auslandseinsatz unterliegt neuen, einmaligen rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen. Bereits das nationale Verständnis<br />

dieser Gegebenheiten kann zwischen den beteiligten<br />

Nationen sehr unterschiedlich sein. Sind aber<br />

– wie dargelegt – Lücken im nationalen Recht oder im<br />

Völkerrecht erkennbar, weil z. B. viele Fragen auch nach<br />

40


15 Jahren der deutschen Beteiligung an multinationalen<br />

Einsätzen im Ausland nicht geklärt sind oder eindeutige<br />

rechtliche Vorgaben für die militärischen Befugnisse<br />

bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus<br />

aufgrund entsprechender Lücken im Völkerrecht fehlen,<br />

erschwert dies die nationale Bewertung entsprechender<br />

Aktionen und auch den konkreten Einsatz, für den die<br />

eingesetzten Soldaten möglichst eindeutige Vorgaben benötigen.<br />

Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, dass<br />

aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts<br />

klargestellt ist, dass die verfassungsrechtliche Verantwortlichkeit<br />

für die Beteiligung mit Soldaten an Auslandseinsätzen<br />

Bundesregierung und Parlament, nicht aber die<br />

eingesetzten Soldaten tragen. Einen feststehenden rechtlichen<br />

Rahmen für die Bekämpfung des internationalen<br />

Terrorismus gibt es nur im internationalen bewaffneten<br />

Konflikt – besteht dieser nicht oder nicht mehr, ist die<br />

rechtliche Lage weitgehend ungeklärt und lückenhaft.<br />

Wünschen wir uns von den handelnden Akteuren auf<br />

der internationalen und auf der nationalen Bühne die<br />

notwendige Entschlossenheit, so weit wie möglich für<br />

Klarheit zu sorgen.<br />

* Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder und wurde am 27.07.2007 beendet.<br />

1 Bundesministerium der Verteidigung, Presse- und Informationsstab, Einsätze der Bundeswehr im Ausland, Stand: 01.04.1999, S. 29 – 32<br />

2 BVerfGE 90, 286<br />

* Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder und wurde am 27.07.2007 beendet.<br />

1 Bundesministerium der Verteidigung, Presse- und Informationsstab, Einsätze der Bundeswehr im Ausland, Stand: 01.04.1999, S. 29 – 32<br />

2 BVerfGE 90, 286<br />

3 BVerfGE 88, 173 [184]<br />

4 BVerfGE 88, 173 [184]; BVerfGE 90, 286 [387 – 390]<br />

5 Die Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) wurden von Bundesminister der Verteidigung Dr. Peter Struck am 21.05.2003 in Berlin vorgestellt. Nach Teil II, Ziffer 78 sind internationale<br />

Konfliktverhütung und Krisenbewältigung – einschließlich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus – für die deutschen Streitkräfte auf absehbare Zeit die wahrscheinlichsten<br />

Aufgaben und beanspruchen die Bundeswehr in besonderem Maße. Abruf möglich unter http://www.bmvg.de/sicherheit/vpr.php, Link VPR (Abruf am 02.09.2004).<br />

6 Peter Dreist, Rules of Engagement in multinationalen Operationen – ausgewählte Grundsatzfragen, NZWehrr 2007, S. 45<br />

7 BVerfGE 104, 151<br />

8 Eilverfahren (Antrag zurückgewiesen): BVerfGE 108, 34; Hauptverfahren noch nicht zur Verkündung terminiert<br />

9 Entscheidung im Eilverfahren (Antrag zurückgewiesen): Beschluss v. 12.03.2007, Az: 2 BvE 1/07, abrufbar auch auf der homepage des Gerichts unter www.bverfg.de, Entscheidungen, Datum<br />

der Entscheidung, Aktenzeichen; Entscheidung im Hauptverfahren (selbes Az – Antrag verworfen): Beschluss v. 29.03.2007<br />

10 Entscheidung im Eilverfahren (Antrag zurückgewiesen): Beschluss v. 29.03.2007, Az: 2 BvE 2/07; Entscheidung im Hauptverfahren (Antrag zurückgewiesen): Urteil v. 03.07.2007<br />

11 BGBl. 2005 I (Nr. 17) v. 23.03.2005, S. 775 f.; § 96a der Geschäftsordnung des Bundestages, abrufbar unter www.bundestag.de/parlament/funktion/gesetze/go_btg/go08.html<br />

12 Auf der Grundlage des Waffenstillstandsabkommens v. 27.07.1993, VN-Sicherheitsratsresolution (VNSRR)<br />

858 v. 24.08.1993, zuletzt verlängert mit VNSRR 1752 v. 13. April 2007, abrufbar auf der homepage der Vereinten Nationen unter www.un.org/docs, Jahrgang, Nr. der Resolution; vgl. ferner die<br />

Kabinettbeschlüsse vom 02.02. und 19.07.1994 sowie 01.04.1998<br />

13 NATO-Missionen IFOR (VNSRR 1031 v. 15.12.1995), BT-Drs. 13/3122, Zustimmung des Bundestages am 06.12.1995, SFOR (VNSRR 1088 v. 12.12.1996), BT-Drs. 13/6500, Zustimmung des<br />

Bundestages am 13.12.1996, und der SFOR-Folgeoperation (initiiert mit VNSRR 1147 v. 15.06.1998, mehrfach verlängert), BT-Drs. 13/10977, Zustimmung des Bundestages am 19.06.1998<br />

(galt bis zur Übernahme durch die EU-Operation Althea im Dezember 2004 – Bundestagsdrucksachen abrufbar auf der homepage des Bundestages unter www.bundestag.de, Dokumente,<br />

Drucksachen, Nr. der Drucksache eingeben)<br />

14 Nachfolgemission der Operationen IFOR, SFOR und SFOR-Folgeoperation (Fn. 13), initiiert mit VNSRR 1575 v. 22.11.2004, BT-Drs. 15/4245, Zustimmung des Bundestages v. 26.11.2004,<br />

zuletzt verlängert mit VNSRR 1722 v. 21.11.2006, BT-Drs. 16/3521, Zustimmung des Bundestages v. 30.11.2006<br />

15 VNSRR 1244 v. 10.06.1999, parlamentarischer Erstbeschluss: BT-Drs, 14/1133 v. 11.06.1999, derzeit gültig: BT-Drs. 16/5600, Zustimmung des Bundestages v. 21.06.2007. VNSRR 1244<br />

gestattet nur den Einsatz und die Wahrnehmung von Zwangsbefugnissen im Kosovo! Deshalb war für die Vorabstationierung von NATO-Kräften in Mazedonien (zunächst Kräfte für die Operationen<br />

EAGLE EYE und Extraction Force, dann auch die Bereitstellung eines ersten KFOR-Kontingents) seit Oktober 1998 eine Statusvereinbarungen der NATO mit Mazedonien erforderlich (mehrfach<br />

ergänzt und geändert), für die Nutzung des albanischen Territoriums durch KFOR der Erlass des albanischen Gesetzes Nr. 8470 und der Abschluss einer Statusvereinbarung zwischen Albanien<br />

und der NATO, für den Einsatz jenseits der Kosovo-Provinzgrenze auf dem Gebiet der früheren Republik Jugoslawien (später Serbien und Monenegro, jetzt Serbien) und die Nutzung der sog.<br />

„Ground Safety Zone“ und „Air Safety Zone“ der Abschluss des Military Technical Agreement v. 09.06.1999 zwischen COMKFOR und den Repräsentanten der serbischen Sicherheitskräfte.<br />

16 BT-Drs. 14/7296, Zustimmung des Bundestages am 16.11.2001, verbunden mit der Vertrauensfrage von Bundeskanzler Schröder nach Art. 68 Abs. 1 GG, BT-Drs. 14/7440 v. 13.11.2001;<br />

derzeit gültig: BT-Drs. 16/3150, Zustimmung des Bundestages v. 10.11.2006<br />

41


Rechtsfragen des Auslandseinsatzes der bundeswehr<br />

17 VNSRR 1386 v. 20.12.2001, mehrfach erweitert und verlängert, zuletzt mit VNSRR 1707 v. 12.09.2006; BT-Drs. 14/7930, Zustimmung des Bundestages am 22.12.2001, derzeit gültig: BT-Drs.<br />

16/2573, Zustimmung des Bundestages v. 28.09.2006, erweitert durch BT-Drs. 16/4298, Zustimmung des Bundestages v. 09.03.2007 zum zusätzlichen Einsatz von Tornadoaufklärungsflugzeugen<br />

mit bis zu 500 Soldaten<br />

18 Waffenstillstandsabkommen v. 18.06.2000 (Algiers), VNSRR 1312 v. 31.07.2000, zuletzt verlängert mit VNSRR 1741 v. 30.01.2007, Kabinettbeschluss v. 28.01.2004<br />

19 VNSRR 1401 v. 28.03.2002, zuletzt verlängert mit VNSRR 1746 v. 23.03.2007<br />

20 Waffenstillstandsabkommen von N’Djamena v. 08.04.2004, Vereinbarung von Addis Abeba v. 28.05.2004, VNSRR 1556 v. 30.07.2004, BT-Drs. 15/4227, Zustimmung des Bundestages am<br />

03.12.2004, zuletzt verlängert mit BT-Drs. 16/5436, Zustimmung des Bundestages v. 14.06.2007<br />

21 Nairobi Friedensabkommen v. 09.01.2005, VNSRR 1590 v. 24.03.2005, zuletzt verlängert mit VNSRR 1755 v. 30.04.2007; BT-Drs. 15/5265, Zustimmung des Bundestages v. 22.04.2005,<br />

zuletzt verlängert mit BT-Drs. 16/4861, Zustimmung des Bundestages v. 27.03.2007<br />

22 VNSRR 425 und 426, beide v. 19.03.1978 (!), erweitert u. a. um die Marinekomponente mit VNSRR 1701 v. 11.08.2006, BT-Drs. 16/2572, Zustimmung des Bundestages v. 20.09.2006<br />

23 BVerfGE 90, 286 (387 – 390)<br />

24 Dies ergibt sich aus den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, dass Einsätze bewaffneter Streitkräfte einerseits der – grundsätzlich vorherigen – konstitutiven Zustimmung des<br />

Bundestages bedürfen (BVerfGE 90, 286, Leitsatz 3 a. und S. 387) und andererseits die Verwendung von Personal der Bundeswehr (nur) für Hilfsdienste und Hilfeleistungen im Ausland dieser<br />

Zustimmung nicht bedürfen, sofern die Soldaten dabei nicht in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind (BVerfGE 90, 286 [388]). Dabei ist der konstitutive Parlamentsvorbehalt in der<br />

Begründung auf das historische Bild eines Kriegseintritts zugeschnitten (BVerfGE 90, 286 [383]; 108, 34 [43])<br />

25 BVerfGE 108, 34 [43]; vgl. auch Christof Gramm, Militärische Routine oder bewaffneter Einsatz, UBWV 2003, S. 161 ff.; Dieter Wiefelspütz, Der Einsatz der Streitkräfte und die konstitutive<br />

Beteiligung des Bundestages, NZWehrr 2003, S. 133 ff.; Peter Dreist, AWACS-Einsatz ohne Parlamentsbeschluss? ZaöRV 2004, S. 1001 ff.<br />

26 GUS – Gemeinschaft unabhängiger Staaten; englisch: CIS – Commenwealth of Independant States; gemeint sind die Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion<br />

27 Deutsche Vereinigung für Parlamentsfragen (DVParl) e. V., Protokoll des Forums vom 4.6.2003 zum Thema „Auslandseinsätze der Bundeswehr zwischen Parlaments- und Regierungsinteresse<br />

– Probleme eines Entsendegesetzes –“ (kurz: DVParl-Protokoll v. 9.6.2003), MdB Nachtwei, S. 21 und MdB Bartels, S. 32<br />

28 „Deutschland muss Kurs halten in Afghanistan“, FAZ v. 25.07.2007, S. 1; „Der Westen muss in Afghanistan durchhalten“, SZ v. 25.07.2007, S. 1; Bundesregierung bekräftigt deutsches<br />

Engagement in Afghanistan, Handelsblatt v. 25.07.2007, S. 3; Merkel hält an deutschem Afghanistan-Kurs fest, Berliner Zeitung v. 25.07.2007, S. 6;<br />

29 Urteil auf die Organklage der Fraktion PDS/Die Linke im Deutschen Bundestag wegen angeblich unzulässiger Beteiligung der Bundesregierung an einer konsensualen Fortentwicklung des<br />

NATO-Vertrages ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages durch Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG und durch Beteiligung am erweiterten ISAF-Mandat vom 09.03.2007<br />

(Tornado-Einsatz – BT-Drs. 16/4298), Urteil v. 03.07.2007, Az: 2 BvE 2/07, Internetversion abrufbar auf www.bverfg.de (vgl. Fn. 10)<br />

30 vgl. bereits BVerfGE 104, 151 [160 ff.]; Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 55<br />

31 Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 61<br />

32 Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 67<br />

33 Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 74<br />

34 Rechtsgrundlage: Kapitel VII-Mandat der VN, zuletzt mit VNSRR 1707 v. 12.09.2006<br />

35 Rechtsgrundlage: Art. 51 VN-Charta (Selbstverteidigung), Art. 5 des NATO-Vertrages (bisher einziger Fall der Feststellung des Bündnisfalles)<br />

36 Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 82<br />

37 Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 83<br />

38 Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 84<br />

39 Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 43<br />

40 Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 63<br />

41 Christian Tietje, Karsten Nowrot, Völkerrechtliche Aspekte militärischer Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus, NZWehrr 2002, S. 1 ff; Christian Fischer, Andreas Fischer-<br />

Lescano, Enduring Freedom für Entsendebeschlüsse? Völker- und verfassungsrechtliche Probleme der deutschen Beteiligung an Maßnahmen gegen den Internationalen Terrorismus, KritV<br />

2002, S. 113 ff.; Carsten Stahn, International Law at a Crossroads? – The Impact of September 11, ZaöRV 2002, S. 183 ff.; Wolff Heintschel von Heinegg/Tobias Gries, Der Einsatz der Deutschen<br />

Marine im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“, AVR 2002, S. 145 ff.; Dieter Wiefelspütz, Sicherheit vor den Gefahren des internationalen Terrorismus durch den Einsatz der Streitkräfte?<br />

NZWehrr 2003, S. 45 ff.; Karsten Nowrot, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Mitwirkung des Deutschen Bundestages bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr gegen den internationalen<br />

Terrorismus, NZWehrr 2003, S. 65 ff.; Peter Dreist, Terroristenbekämpfung als Streitkräfteauftrag – zu den verfassungsrechtlichen Grenzen polizeilichen Handelns der Bundeswehr im Innern,<br />

Der Kriminalist 2003, S. 349 ff. = NZWehrr 2004, S. 89 ff.<br />

42 Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 66<br />

43 Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 15<br />

44 BT-Drs. 14/7296 (Fn. 16), Ziffer 1<br />

45 BT-Drs. 14/7296 (Fn. 16), Ziffer 2<br />

46 Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 76<br />

47 Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 74<br />

48 AFP-Meldung v. 26.07.2007 „Italiens Außenminister für Ende der OEF-Mission in Afghanistan – Washington weist D’Alemas Äußerungen zurück“; Italiens Außenminister für Ende der Mission<br />

Enduring Freedom, Der Tagesspiegel v. 27.07.2007, S. 6; Rom kritisiert Anti-Terror-Einsätze in Afghanistan, SZ v. 27.07.2007, S. 8. Danach soll der italienische Außenminister Massimo D’Alema<br />

geäußert haben, zivile Opfer seien unter moralischen Gesichtspunkten „nicht akzeptabel“ und „politisch desaströs“. Durch Überlagerung der beiden Missionen OEF und ISAF entstünden „sehr<br />

häufig“ Abstimmungsschwierigkeiten mit Risiken für die Zivilbevölkerung. US-Außenamtssprecher Sean McCormack habe Taliban und El Kaida für die zivilen Opfer in Afghanistan verantwortlich<br />

gemacht. Diese benutzten „unschuldige Zivilisten, darunter Kinder, als menschliche Schutzschilde“ gegen Angriffe. Die OEF- und die ISAF-Mission seien getrennte, sich aber ergänzende<br />

Missionen mit unterschiedlichen Aufgaben in verschiedenen Landesteilen Afghanistans.<br />

49 Vgl. Norbert B. Wagner, Zum Anwendungsbereich des Humanitären Völkerrechts, BWV 2007, S. 121 ff. [124]<br />

50 Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges (IV. Haager Abkommen), RGBl. 1910 S. 107 mit Anlage zum Abkommen Ordnung der Gesetze und Gebräuche des<br />

Landkrieges (Haager Landkriegsordnung – HLKO), RGBl. 1910 S. 132<br />

51 Zusatzprotokoll I zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I – ZP I) vom 10. Juni 1977, BGBl. 1990 II S.<br />

1551<br />

52 BGBl. 1954 II S. 783 ff.<br />

53 Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll II – ZP II) vom 10. Juni 1977, BGBl. 1990 II<br />

S. 1637<br />

54 Norbert B. Wagner (Fn. 49), S. 123<br />

55 BVerfGE 108, 34 [43]<br />

56 BVerfGE 68, 1 [86]; 90, 286 [389]; 104, 151 [194]; Urteil v. 03.07.2007 (Fn. 10), Nr. 40<br />

57 BVerfGE 90, 286 [390]<br />

42


Militärseelsorge im Auslandseinsatz<br />

Text:<br />

Ev. Militärbischof Peter Krug<br />

Einleitung<br />

Am Nachmittag des 19. Mai 2007 verübt ein afghanischer<br />

Selbstmordattentäter auf dem belebten Markt der nordafghanischen<br />

Stadt Kunduz einen Sprengstoffanschlag<br />

auf eine deutsche Fußpatrouille. Drei Bundeswehrsoldaten<br />

und sieben afghanische Zivilisten kommen ums Leben.<br />

Ein einheimischer Dolmetscher und etliche deutsche<br />

Soldaten werden zum Teil schwer verletzt, ebenso viele<br />

Afghanen, die sich in unmittelbarer Nähe befanden.<br />

Die OPZ im Einsatzführungskommando in Potsdam<br />

setzt umgehend die Vertreter des evangelischen und katholischen<br />

Kirchenamtes über den Anschlag in Kenntnis<br />

und nennt die Namen und die Heimatstandorte der Getöteten.<br />

Die benachrichtigten Seelsorger und Vorgesetzten<br />

haben die schwere Aufgabe, die Familien zu informieren.<br />

Zugleich treten sie einen Wettlauf mit der Zeit an. Die<br />

Familien sollen vom Unglück und vom Tod Ihrer Angehörigen<br />

keineswegs durch die Medien erfahren.<br />

Währenddessen werden die Angehörigen der Kontingente<br />

von unseren Pfarrern vor Ort betreut. Trauer, Angst<br />

und ein Gefühl von Ohnmacht liegen in einer solchen Situation<br />

lähmend über dem Lager. Gut, dass ein Seelsorger<br />

da ist, mit dem man über alles reden kann.<br />

Vier Tage später überführt die Bundeswehr die drei Getöteten<br />

nach Köln-Wahn. Die Trauerfeier findet in einer<br />

großen Halle auf dem militärischen Teil des Flughafens<br />

Köln-Bonn statt. Vorne in der riesigen Halle sind die drei<br />

Särge aufgebahrt, flankiert von jeweils sechs Soldaten und<br />

Soldatinnen als Ehrenwache. Daneben stehen vergrößerte<br />

Photos der Getöteten, umgeben von Kränzen.<br />

Angehörige und Kameraden aus Deutschland haben sich<br />

in die aufgestellten Stuhlreihen gesetzt. Heerscharen von<br />

Pressevertretern warten. Das Unglück in Kunduz hat eine<br />

Welle der Teilnahme in Deutschland ausgelöst.<br />

Der Bundesminister und wir beiden Militärbischöfe<br />

begleiten die engsten Familienangehörigen bei ihrem<br />

schweren Weg.<br />

Peter Krug<br />

Frauen, Kinder, Väter und Mütter treten das erste Mal<br />

vor die Särge ihrer toten Angehörigen. Und manch einer<br />

begreift vielleicht erst jetzt die ganze Härte und Tragweite<br />

des Vorgefallenen.<br />

Bischof Dr. Mixa und ich bemühen uns, in Gebet und<br />

Segenswort Trost und Ermutigung zuzusprechen, bevor<br />

die Särge unter Trommelwirbel aus der Halle getragen<br />

werden. Auch wir haben in dieser Stunde mehr Fragen<br />

als Antworten.<br />

Auslandseinsatzbegleitung<br />

Mit dem Ende des Kalten Krieges veränderte sich das<br />

Einsatzspektrum der Bundeswehr. Aus der Landesverteidigungsarmee<br />

wurde zunehmend eine Einsatzarmee.<br />

War der Auftrag unserer Seelsorger bis Anfang der 90-er<br />

Jahre vor allem standortgebunden – mit Ausnahme von<br />

Übungsplatzaufenthalten und beliebten Rüstzeiten – entsenden<br />

wir gegenwärtig jedes Jahr aufgrund der Viermonatseinsätze<br />

bis zu einem Drittel unserer 110 Pfarrer und<br />

Pfarrerinnen in die Auslandseinsatzgebiete.<br />

Allein diese Zahl macht deutlich, dass von allen Konsequenzen<br />

der Transformation der Bundeswehr, die von<br />

43


Militärseelsorge im auslandseinsatz<br />

den Soldaten gewünschte Begleitung der Auslandseinsätze<br />

durch unsere Geistlichen die weitreichendsten Folgen<br />

für Organisation und Aufgabe der Militärseelsorgen<br />

haben.<br />

Schon bei Einstellungsgesprächen werden Bewerber und<br />

Bewerberinnen auf Pfarrstellen in der Militärseelsorge<br />

darauf hingewiesen, dass sie mit zwei Auslandseinsätzen<br />

während ihres Grunddienstverhältnisses von sechs Jahren<br />

rechnen müssen.<br />

Was bedeutet dies im Einzelnen?<br />

In einer Gesprächsrunde im August letzten Jahres fragte<br />

unser Referatsleiter für die Auslandseinsatzbegleitung<br />

Soldatinnen und Soldaten im Kosovo: „Wozu ist der<br />

Pfarrer im Auslandseinsatz eigentlich da?“<br />

Die Antworten lauteten: „Als Vermittler!“, „Als total<br />

wichtiger Seelsorger im Umgang mit Trauernden“, „Als<br />

Halt, wenn Leute Probleme haben!“, „Als Ruhepol!“,<br />

„Als neutraler Mensch, mit dem ich zu jeder Zeit reden<br />

kann, ohne mich zu verstellen“, „Als Gegengewicht zum<br />

dienstlichen Angespannt-Sein“ und: „Allein zu wissen,<br />

dass ein Pfarrer da ist, ist für mich wichtig!“.<br />

Diese Reaktionen zeigen: Für die Soldatinnen und Soldaten<br />

ist das Kerngeschäft des Pfarrers im Auslandseinsatz<br />

die Seelsorge.<br />

Natürlich sind unsere Pfarrer vor allem gefordert, wenn<br />

es Tote gibt. Aber auch unabhängig davon sind Soldaten<br />

im Auslandseinsatz vielen Belastungen und Anforderungen<br />

ausgesetzt. Nicht wenige sehen sich schließlich<br />

doch von Problemen zu Hause eingeholt, vor denen sie<br />

vielleicht eine Zeitlang entfliehen wollten. Die einsatzbedingte<br />

Trennung von nahen Menschen will bewältigt sein.<br />

Aber auch das dienstliche Zusammenleben auf engem<br />

Raum, weithin ohne Rückzugsmöglichkeiten, verlangt viel<br />

Disziplin.<br />

Doch wer den Soldatinnen und Soldaten seelsorgerlich<br />

beistehen will, muss mehr sein als ein Gast mit Passierschein<br />

für die Wache. Er muss dazugehören. Wer trösten<br />

will, muss Container an Container, Zelt an Zelt mit den<br />

Soldatinnen und Soldaten leben und arbeiten, sich den<br />

gleichen Bedingungen von Klima, Verpflegung, Hygiene<br />

und Gefährdungen stellen.<br />

Doch indem sich die Pfarrer und Pfarrerinnen den annähernd<br />

gleichen Lebensverhältnissen stellen, entsteht<br />

erfahrungsgemäß die Grundlage seelsorgerlicher Zuwendung.<br />

Das Beichtgeheimnis und – in der Regel – eine gute<br />

Portion Vertrauensvorschuss bilden weitere günstige Voraussetzungen.<br />

Das gemeinsame Bier am Abend gehört<br />

ebenfalls dazu.<br />

Vor allem aber profitieren unsere Pfarrer davon, dass sie<br />

nicht in die militärische Hierarchie eingebunden sind. Sie<br />

tragen zwar im Auslandseinsatz einen Schutzanzug. Doch<br />

das Fehlen eines Dienstgradabzeichens auf der Schulter<br />

unterstreicht ihre Unabhängigkeit. Sie können mit jedermann<br />

auf Augenhöhe reden und sind geschätzte Vermittler<br />

im Konfliktfall. Solidarität und Unabhängigkeit<br />

gehören zusammen in der Seelsorge.<br />

Die Väter des Militärseelsorgevertrages, dessen 50. Jahrestag<br />

der Unterzeichnung unter anderem durch Konrad<br />

Adenauer und Bischof Dibelius wir am 22. Februar 2007<br />

in einem Flugzeughangar in Köln-Wahn gemeinsam mit<br />

der Bundeskanzlerin Dr. Merkel, Verteidigungsminister<br />

Dr. Jung und dem Ratsvorsitzenden Bischof Dr. Huber<br />

begangenen haben, wollten keine Neuauflage des Soldatenpfarrers<br />

in Uniform und mit Offiziersrang.<br />

Die Geistlichen sollten zwar aufgrund des sicherheitsempfindlichen<br />

Umfeldes einer Kaserne im staatlichen<br />

Loyalitätsverhältnis des Beamten stehen und sollten mit<br />

der Alltagswelt ihrer Soldaten und Soldatinnen vertraut<br />

sein – deshalb keine Soldatenseelsorge nur im Nebenamt.<br />

Doch sie sollen ihren Dienst im Auftrag und unter Aufsicht<br />

der Kirche leisten. So Absatz I des Militärseelsorgevertrages:<br />

„Die Militärseelsorge als Teil der kirchlichen<br />

Arbeit wird im Auftrag und unter der Aufsicht der Kirche<br />

ausgeübt.“<br />

44


Wir können heute nach 50 Jahren bilanzieren:<br />

Die Pfarrer und Pfarrerinnen werden als Seelsorger geschätzt<br />

und in Anspruch genommen wegen ihrer Unabhängigkeit,<br />

die sie sich bei aller gelebter Nähe und Loyalität<br />

ihrer Gemeinde gegenüber zu bewahren haben.<br />

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes<br />

Oberst Gertz formulierte es in einem Grußwort zu unserem<br />

Jubiläum folgendermaßen: „Es sind die Soldatinnen<br />

und Soldaten, ihre Angehörigen und Familien, die angesichts<br />

der durch Transformation und Auslandseinsatz geprägten,<br />

veränderten Rahmenbedingungen und Lebensumstände<br />

zunehmend einer zusätzlichen, besonderen<br />

Betreuung bedürfen. Die Militärseelsorge trägt maßgeblich<br />

dazu bei, dass der „Mensch in der Transformation“<br />

die ihm auferlegten Belastungen zu schultern vermag. Sie<br />

wird als unabhängige Institution um Hilfe und Unterstützung<br />

in einem Bereich gebeten, auf dem der Rat von<br />

Vorgesetzten, Ärzten und Sozialfürsorgern regelmäßig<br />

nicht gesucht wird.“<br />

Sinnfragen<br />

Nach meinen Dienstreisen ins Kosovo und nach Afghanistan<br />

habe ich unsere Pfarrer und die deutschen<br />

EUFOR-Soldaten in den Feldlagern Rajlovac und Butmir<br />

besucht.<br />

Ich erinnere mich noch besonders an ein Gespräch mit<br />

Vertrauensleuten, Kompaniefeldwebeln und Kompaniechefs<br />

in der „Oase“ in Rajlovac. Zuerst kam die Diskussion<br />

nicht recht in Gang. Schließlich taute die Runde auf,<br />

und es sprudelte richtig aus den Teilnehmern heraus:<br />

Auslandsverwendungszuschlag, Besoldung im internationalen<br />

Vergleich, Belastung der Familien, Transportprobleme<br />

etc.<br />

Vor allem aber wurde auch nach dem Sinn der Bosnieneinsätze<br />

gefragt. Warum stehen wir immer noch hier?<br />

Was nützt unsere Präsenz?<br />

Fragen, die auftreten, wenn Angehörige eines Kontingents<br />

das 3. oder 4. Mal in einem Einsatzland Dienst tun<br />

und sie den Eindruck haben, es geht nicht weiter, wenn<br />

die Einheimischen selber nicht an eine Zukunft ihrer<br />

Region glauben bzw. die Politik die gewonnene Zeit nicht<br />

nutzt.<br />

„Allein in Kundus“, lautete ein Artikel in der Hamburger<br />

ZEIT vom 6. Juni 2007, in dem sehr genau die immer<br />

schwieriger werdende Situation der deutschen Soldaten<br />

im Norden Afghanistans beschrieben wird.<br />

Und es wird gefragt: Kann man noch an das Ziel des<br />

nationalen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus glauben,<br />

wenn sich die Bevölkerung mehr und mehr wieder den<br />

Talibankräften zuzuwenden scheint? Hinzu kommt das<br />

hohe Risiko: „Jeder denkt an Tod und Verstümmelung.<br />

Das gibt aber keiner gern preis“, räumte ein Fallschirmjägersoldat,<br />

dessen Bataillon vor dem Einsatz in Afghanistan<br />

steht, vor kurzem gegenüber der Frankfurter Sonntagszeitung<br />

ein. In der Tat: Die Rolle des Soldaten in den<br />

letzten 15 Jahren ist deutlich komplexer geworden.<br />

Und mit der Aufhebung der Beschränkung auf die unmittelbare<br />

Landesverteidigung und die Schwerpunktsetzung<br />

bei Auslandseinsätzen stellt sich für die Angehörigen der<br />

Bundeswehr immer wieder die Frage nach dem Sinn und<br />

der Notwenigkeit einzelner militärischer Maßnahmen<br />

bzw. ganzer Einsätze.<br />

Zentrale Fragen sind dabei:<br />

–– Was ist – ich habe besonders die Situation in<br />

Afghanistan vor Augen – die angemessene Zielebene<br />

bei der Stabilisierung bestimmter Staaten, beim so<br />

genannten Nation- und Statebuilding?<br />

–– Woran messen wir den Erfolg?<br />

–– Das Ziel, den Rechtsstaat und die Demokratie zu fördern,<br />

ist zum Teil weit von der<br />

–– Realität entfernt. Da brauchen wir ein angemessenes<br />

Niveau. Welches ist dies?<br />

–– Bei welchen Risiken und Bedrohungen kann die<br />

Bundeswehr überhaupt noch etwas ausrichten und<br />

wo nichts?<br />

45


Militärseelsorge im auslandseinsatz<br />

Vor diesem Hintergrund wird die Erwartung nachvollziehbar,<br />

dass die Pfarrer auch Auskunft geben können<br />

in solchen, das Individuelle überschreitenden Fragen.<br />

Unsere Seelsorger sollen vor Ort sein. Sie sollen Trauer<br />

und Ängste verstehen und Freude teilen. Sie sollen ihre<br />

Gesprächspartner dort abholen, wo sie innerlich stehen.<br />

Aber sie sollen auch informiert und diskussionsfähig sein.<br />

Und sie und ihr Bischof sollen Anwalt sein für die Sorgen<br />

der Soldatinnen und Soldaten. Auf allen Ebenen! Dieser<br />

Aufgabe kommen wir gern nach.<br />

Dazu möchte ich als evangelischer Militärbischof jedoch<br />

Folgendes ergänzen: Wenn Fürsprache im Interesse der<br />

Soldaten fruchtbar sein soll – gerade im Bereich der Politik<br />

–, werden die Gespräche in der Stille stattfinden, ohne<br />

Presserummel, sondern hinter verschlossenen Türen.<br />

Ich pflege im Hinblick auf mich selbst zu sagen: Ich bin<br />

Militärseelsorgebischof, nicht etwa Militärpolitikbischof.<br />

Mein Anliegen ist die Seelsorge.<br />

Gewissensfragen<br />

Nun geht es in unserer Seelsorge in der Bundeswehr in<br />

Transformation nicht nur um die Lasten der Trennung<br />

von daheim. Oder um die unmittelbare Konfrontation<br />

von Soldaten und Soldatinnen mit Tod und Verwundung.<br />

Sondern es geht auch um die nicht beneidenswerte Lage<br />

derer, die in Politik und Militär Entscheidungen zu treffen<br />

haben, wie politischem Extremismus und religiösem Fundamentalismus,<br />

die weder durch die Bibel noch durch den<br />

Koran zu rechtfertigen sind, so angemessen und wirksam<br />

wie möglich begegnet werden kann.<br />

Vor allem ist es die besondere Bürde des Soldatenberufs,<br />

den Frieden notfalls mit den Mitteln der Gewalt erhalten<br />

oder wiederherstellen zu müssen. Es ist gerade die<br />

Verantwortung dieses Standes, zuweilen gegebenenfalls<br />

nur zwischen dem einen oder anderen Übel entscheiden<br />

zu können. Natürlich finden Gespräche über diese Verantwortung<br />

des Soldatenberufs, den Frieden notfalls mit<br />

den Mitteln der Gewalt erhalten oder wiederherstellen zu<br />

müssen, nicht jeden Tag statt. Im normalen Betriebsablauf<br />

werden mehr andere Fragen und Sorgen diskutiert.<br />

Dennoch werden sie nicht ausgeklammert, sondern treten<br />

immer wieder an den Tag.<br />

In meiner Predigt in unserem Festgottesdienst zum 50-<br />

jährigen Jubiläum des Militärseelsorgevertrages habe ich<br />

deshalb von einer „stellvertretenden Nachdenklichkeit“<br />

der Militärseelsorgen gesprochen, die in kritischer Solidarität<br />

für den Einzelnen und das Ganze Verantwortung<br />

übernimmt.<br />

Und ich habe auf einen wichtigen Satz des ehemaligen<br />

Militärgeneraldekan Reinhard Gramm verwiesen, der<br />

über die „Macht und Verantwortung des militärischen<br />

Führers“ sehr Hilfreiches gesagt hat, was aber für politisch<br />

und kirchlich verantwortliche Schwestern und Brüder<br />

entsprechend gelten kann:<br />

„Er wird auch in diesen Strudeln eine Entscheidung vor<br />

Gott treffen müssen, eine Entscheidung, die ihm kein<br />

Mensch abnehmen kann, die möglicherweise sogar nicht<br />

die richtige sein kann. Zugleich aber darf er sich trösten,<br />

dass Gott diese seine Entscheidung kennt und weiß, dass<br />

er sich auch in dieser schweren Stunde von Gottes Treue<br />

umgeben sieht, die ihn nicht fallen oder untergehen lässt.<br />

Er wird als Christ kein gutes, aber ein getröstetes Gewissen<br />

haben dürfen.“<br />

Schluss<br />

Die Losung der Evangelischen Militärseelsorge für ihren<br />

Dienst in der Bundeswehr ist das Wort „Domini sumus“:<br />

Wir sind des Herrn.<br />

Dazu wird folgende schöne Begebenheit erzählt:<br />

Als Martin Luther mit Philipp Melanchthon in einem<br />

Kahn über die Elbe setzen wollte, versuchte der bedächtige<br />

Melanchthon seinen Freund von der Überfahrt<br />

abzuhalten. Der Fluss führte Hochwasser. Doch Luther<br />

sprang ins Boot mit dem Ruf: Domini Sumus.<br />

46


Eine Neubegründung der Inneren Führung?<br />

Soldatenprofil und Einsatzerfahrung<br />

Text:<br />

Brigadegeneral Robert Bergmann<br />

Die Innere Führung gibt es seit einem halben Jahrhundert.<br />

In eine Vorschrift ist sie 1972 gefasst worden 1 , die<br />

bislang nur einmal, nämlich 1993, durch eine Neubearbeitung<br />

ersetzt worden ist 2 . Allein dies verleiht der Inneren<br />

Führung eine beachtliche Kontinuität. Zwischenzeitlich<br />

hat sich aber die Weltlage erheblich verändert. Dabei<br />

unterlagen mit der Position der Bundesrepublik auch<br />

die Anforderungen an die Bundeswehr einem spürbaren<br />

Wandel – Grund also für eine Neubegründung der Inneren<br />

Führung?<br />

Eine Antwort auf diese Frage sollte zunächst einmal die<br />

Stellung der Inneren Führung in der Bundeswehr in den<br />

Blick nehmen sowie die Grundzüge der Konzeption, so<br />

wie sie zuletzt Anfang der 90er Jahre Gestalt gewonnen<br />

haben. In einem weiteren Schritt werden die Besonderheiten<br />

heutiger Einsätze zusammen mit dem damit<br />

korrespondierenden Soldatenprofil skizziert. Dies soll abschließend<br />

zu einer Antwort auf die Ausgangsfrage nach<br />

einer Neubegründung der Inneren Führung verhelfen.<br />

Die Position der Inneren Führung in der Bundeswehr<br />

wird wesentlich bestimmt durch das, was sie für die Streitkräfte<br />

leisten soll. Hier gilt es hervorzuheben, dass es<br />

sich bei diesem Konzept um eine militärische Führungskonzeption<br />

handelt, die insbesondere den Menschen im<br />

Vordergrund sieht mit seinen sozialen und individuellen<br />

Aspekten, die in besonderer Weise diese Konzeption<br />

kennzeichnen und die den Vorgesetzten nachdrücklich in<br />

die Pflicht nimmt. Nach der Definition, wie sie in der heute<br />

geltenden Vorschrift zu finden ist, ist Innere Führung<br />

der Auftrag zur Umsetzung der Normen und Werte des<br />

Grundgesetztes, mit dem Ziel einsatzbereiter Streitkräfte.<br />

Genau dies muss durchaus in Anknüpfung an Wolf Graf<br />

von Baudissin immer wieder deutlich gemacht werden,<br />

wenn man über diese Konzeption spricht: Ihre Zielsetzung<br />

sind einsatzbereite Streitkräfte, und damit hängt die<br />

Verwirklichung des Leitbildes vom Staatsbürger in Uniform<br />

in dem freiheitlichen Rechtsstaat der Bundesrepublik<br />

eng zusammen 3 . Wer die Demokratie und ihre Werte<br />

verteidigt, muss diese Herrschaftspraxis und diese Werte<br />

auch im soldatischen Alltag erleben können, und wer für<br />

Robert Bergmann<br />

die Würde des Menschen einsteht, muss sie auch selbst<br />

erfahren. Das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform mit<br />

den drei Komponenten, die nach wie vor die Aufgabenstellung<br />

des Gründungserlasses von 1953 spiegeln: engagierter,<br />

aus Eigenverantwortung handelnder Staatsbürger,<br />

einsatzbereiter Soldat und freie Persönlichkeit 4 – dieses<br />

Leitbild ist kein Begriff aus der Militärromantik, sondern<br />

ein juristischer Begriff, der zum Ausdruck bringt, dass die<br />

Soldaten der Bundeswehr die Rechte eines Staatsbürgers<br />

haben, dass sie diese wahrnehmen können und dass es<br />

in der Bundesrepublik Institutionen gibt, über die diese<br />

Rechte nötigenfalls auch eingeklagt werden können. General<br />

a.D. Ulrich de Maizìere, ein früher Begleiter der Inneren<br />

Führung und in seiner Amtszeit als Generalinspekteur<br />

deren Förderer, hat in einer Rede kürzlich das Wort<br />

vom »Staatsbürger mit der Waffe« aufgegriffen 5 , was den<br />

Staatsbürger in Uniform als den Staatsbürger aufweist,<br />

der befugt ist, die Waffen zu führen. Mit dieser Wendung<br />

wird noch deutlicher, welche große Verantwortung ihm<br />

auferlegt wird und welche Bedeutung auch Moral und<br />

Ethik für den Soldaten haben.<br />

Diese Beschreibung des einsatzfähigen, weil in der freiheitlichen<br />

Rechtsordnung verwurzelten Soldaten, auf den<br />

1 ZDv 10/1 »Hilfen für die Innere Führung« (August 1972).<br />

2 ZDv 10/1 Innere Führung (Februar 1993).<br />

3 Vgl. dazu u.a. das unter der Verantwortung von Wolf Graf von Baudissin zusammengestellte Handbuch Innere Führung. Hilfen zur Klärung der Begriffe. Hrsg. vom Bundesministerium für<br />

Verteidigung, Bonn 1957, hier S. 17-46 den Abschnitt »Situation und Leitbild«, besonders S. 17; vgl. dazu ZDv 10/1 Innere Führung (Februar 1993), Ziff. 201-203.<br />

4 ZDv 10/1 Innere Führung (Februar 1993), Ziff. 203; BA-MA, BW 9/411, fol. 24, Dienststelle Blank, Regelung der ‹Inneren Führung›, 10.1.1953.<br />

5 Mündliche Mitteilung von General a.D. de Maizìere an den Verfasser.<br />

47


Eine Neubegründung der Inneren Führung? Soldatenprofil und Einsatzerfahrung<br />

die Innere Führung abzielt und die darum eine zentrale<br />

Position in der Bundeswehr beanspruchen kann, ist unter<br />

den Bedingungen des Kalten Krieges formuliert worden.<br />

Dieser Konflikt liegt nun schon geraume Zeit zurück. Im<br />

Folgenden werden – ohne Anspruch auf eine umfassende<br />

Darlegung – einige Aspekte des seither die Bundeswehr<br />

betreffenden Wandels beleuchtet, die namentlich auch die<br />

Innere Führung angehen und ihre Leistungsfähigkeit auf<br />

den Prüfstand stellen.<br />

Wenn heute die Beziehung von <strong>Gesellschaft</strong> und Militär<br />

betrachtet wird, dann fällt eine neuartige Inkongruenz<br />

ins Auge: Vor eineinhalb Jahrzehnten gab es noch eine<br />

territoriale Kongruenz zwischen dem Einsatzraum der<br />

Streitkräfte und dem Lebensraum der deutschen Bevölkerung.<br />

Diese territoriale Kongruenz hat sich verändert, der<br />

Einsatzraum der Streitkräfte hat sich in entfernte Länder<br />

und Kulturkreise verlagert, der Lebensraum ist um einige<br />

Bundesländer erweitert, aber sonst gleich geblieben. Das<br />

bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die <strong>Gesellschaft</strong>.<br />

Die »Schicksalsgemeinschaft« von ehedem hat sich heute,<br />

wenn man genau hinschaut, fast reduziert auf die<br />

Familien der Soldatenangehörigen und die Soldaten im<br />

Einsatz. In einer parallelen Entwicklung spielt heute die<br />

Frage der Legitimation des soldatischen Dienstes eine<br />

besondere Rolle. Sehr oft ist der Satz zu hören, dass es in<br />

diesen Tagen schwieriger ist zu erklären, warum deutsche<br />

Soldaten am Hindukusch eingesetzt werden müssen, als<br />

es vielleicht früher der Fall war. Dabei ließe sich durchaus<br />

fragen, warum es eigentlich schwerer sein soll, die Heimat<br />

weit entfernt zu verteidigen, als sie unter Inkaufnahme<br />

von Zerstörung, Verwüstung und großer Gefahr für die<br />

eigene Bevölkerung auf dem eigenen Territorium zu verteidigen.<br />

Hier ist vielleicht der Rückgriff auf die eigene<br />

Erfahrung erlaubt: Als Soldat der Panzerbrigade 2 in<br />

Braunschweig lag mein Verteidigungsauftrag als Artillerist<br />

genau um Braunschweig, um meine Heimat, und ich habe<br />

mich als junger Offizier oft gefragt, ob das nicht sehr<br />

schwer ist, in diesem Umfeld seinen Kampfauftrag zu<br />

erfüllen. Vielleicht ist es in der Ferne diesbezüglich doch<br />

etwas leichter. Ungeachtet dessen fallen Begründungen<br />

heute offenbar schwerer. Was sich hier niederschlägt, sind<br />

nicht zuletzt Anzeichen einer möglichen Entfremdung<br />

zwischen der <strong>Gesellschaft</strong> und ihren Streitkräften. Das<br />

Profil der Einsätze, denen sich die Bundeswehr nach dem<br />

Ende des Kalten Krieges zu stellen hat, verlangt aber gerade<br />

nach dem – wie es zu Anfang in dem Konzept der<br />

Inneren Führung hieß – in der <strong>Gesellschaft</strong> »beheimateten«<br />

Soldaten 6 .<br />

Im September 2005 waren etwa 6300 Soldatinnen und<br />

Soldaten der Bundeswehr an verschiedenen Plätzen<br />

dieser Welt im Einsatz. Auf diese Frauen und Männer,<br />

wie auch auf die, welche sie im Einsatz abgelöst haben<br />

oder sich umgekehrt für die Ablösung bereit halten, wirken<br />

sehr viele Einflüsse ein. Das sind zum einen neue<br />

oder andere sicherheitspolitische Akteure. Damit sind<br />

nicht nur die Terroristen gemeint. Die Bundeswehr hat<br />

sich zum Beispiel noch nicht ausreichend mit der Frage<br />

beschäftigt, wie sie reagieren soll, wenn der Truppe Kindersoldaten<br />

gegenüberstehen, und wie die Öffentlichkeit<br />

reagieren wird. Die Streitkräfte sehen sich heute mit einer<br />

Rollenerwartung konfrontiert, die vom Helfer über den<br />

Stabilisierer bis zum Kämpfer reicht. Dies soll aber keineswegs<br />

heißen, dass die Szenarien dieser Welt auch nach<br />

diesen drei Blöcken eingeteilt sind. Da gibt es kein Szenario,<br />

in dem die Truppe hilft und ein anderes, in dem sie<br />

stabilisiert, und vielleicht ein drittes, in dem sie kämpft.<br />

Der Betrachter muss sich bewusst sein darüber, dass diese<br />

drei Szenarien räumlich und zeitlich sehr nahe beieinander<br />

liegen können. Man stelle sich die Kompanie vor, die<br />

irgendwo in den Bergen des Kosovo oder in Afghanistan<br />

Nahrungsmittel, Zeitungen oder Radios verteilt. Die<br />

Bevölkerung empfindet die Verteilung als ungerecht und<br />

sieht vielleicht eine Ethnie dabei bevorzugt. Schon kann<br />

es zu Unruhen kommen, ein Schuss fällt, ein Kind wird<br />

getroffen, und das Szenario schlägt innerhalb von Minuten<br />

um. Ich erinnere mich sehr wohl; während meiner<br />

Zeit im Kosovo hat ein Albaner zwei serbische Kinder<br />

beim Baden erschossen. Diese Tat hat innerhalb von<br />

Minuten die Gesamtlage im Kosovo für bestimmte Zeit<br />

völlig verändert und auch damit das Verhalten der dort<br />

6 Handbuch Innere Führung (wie Anm. 3), S. 42 f.<br />

48


eingesetzten Truppe. Der Helfer wurde innerhalb von<br />

Minuten in die Rolle des Kämpfers gesetzt. Es sind aber<br />

auch noch weitere Faktoren, die heute auf die Bundeswehr<br />

mehr, als es vielleicht vorher der Fall war, Einfluss<br />

nehmen: Multinationalität, internationale Zusammensetzung,<br />

interkulturelle Kommunikationsfähigkeit und interkulturelle<br />

Kompetenz. Ohne dieses Themenfeld an dieser<br />

Stelle vertiefen zu wollen, sei dessen Bandbreite hier nur<br />

einmal umrissen: Es beginnt nicht erst, wenn die Einheiten<br />

in die Einsätze gehen. Als ich 2004 als Kommandeur<br />

der Brigade 21 eine Grundausbildungseinheit von 150<br />

Soldaten besuchte, waren 50 davon, also ein Drittel, nicht<br />

in Deutschland geboren und primärsozialisiert. Auch<br />

die Stuben in den Truppenunterkünften im Inland, im<br />

gemeinsamen Zusammenleben dieser Soldaten, ist die<br />

interkulturelle Kompetenz bereits gefordert. Mehr aber<br />

noch ist dies der Fall, wenn die Soldaten in die Einsätze<br />

gehen und als Deutsche in multinationalen Stäben oder in<br />

multinationalen Task-Forces eingesetzt werden. 2003 befanden<br />

sich in der Task-Force Prizren der Multinationalen<br />

Brigade Südwest unter anderem eine Kompanie Türken,<br />

eine Kompanie Georgier und ein Zug Aserbaidschaner –<br />

nur um einmal diese Multinationalität aufzugreifen. Und<br />

der dritte Kreis, der interkulturelle Kompetenz verlangt,<br />

ist das Einsatzland. Allein im Feldlager Prizren arbeiteten<br />

im Oktober 2003 rund 1000 Einheimische. Davon<br />

500 ständig als Übersetzer, Reinigungskräfte, Hilfskräfte<br />

sowie 500 weitere zeitlich begrenzt, um dort Straßenbauarbeiten<br />

und Ähnliches zu bewältigen. Das sind 1000<br />

Menschen, die sich in diesem kleinen Lager zusätzlich<br />

aufhielten, Menschen, mit denen man zusammenarbeiten<br />

und auf die man eingehen können muss. Hier spielt die<br />

Frage der interkulturellen Kompetenz schon eine große<br />

Rolle. Das Wissen um politische und kulturelle Hintergründe<br />

im Einsatz ist etwas, das die Bundeswehr heute<br />

in einer Intensität vermittelt, wie dies vorher sicherlich<br />

nicht erwartet worden war. Den Soldatinnen und Soldaten<br />

müssen in diesen Tagen sehr viele Details über die<br />

Einsatzländer vermittelt werden 7 .<br />

Zusätzlich wird der Soldat durch Faktoren belastet, die<br />

auch ein militärischer Frührer nur bedingt beeinflussen<br />

kann. Das sind Risiko, Trennung, Klima, Wetter, Mangel<br />

an frei verfügbarer Zeit, starke Einschränkung der Lebensqualität.<br />

Auch eine Einsatzdauer von vier Monaten<br />

ohne Urlaub ist keineswegs ein Spaziergang, insbesondere<br />

nicht für junge Menschen, die Trennung in dieser Weise<br />

überhaupt nicht gewohnt sind.<br />

An welchem Soldatenprofil muss sich die Bundeswehr<br />

orientieren, um mit ihren Frauen und Männern in diesen<br />

Einsätzen nicht nur zu bestehen, sondern diese auch<br />

durchzustehen? Als die bewaffnete Macht der Bundesrepublik<br />

Deutschland muss sie unverändert am Leitbild<br />

vom Staatsbürger in Uniform festhalten, denn es ist, so<br />

hat der amtierende Generalinspekteur es formuliert 8 , die<br />

idealtypische Rollenbeschreibung des soldatischen Selbstverständnisses<br />

in der Demokratie und in der heutigen <strong>Gesellschaft</strong>.<br />

Sein Handeln ist an die Werteordnung unseres<br />

Grundgesetztes gebunden. Der Soldat muss sich mit Fragen<br />

der Ethik und Moral auseinandersetzen. Wäre dies<br />

nicht der Fall, dann wäre der Zusammenhang mit dem,<br />

was nach wie vor den Dienst des Soldaten begründet,<br />

gelöst. Es ist im Wesentlichen diese Kompetenz, die die<br />

Bundeswehr ihren Soldatinnen und Soldaten abverlangen<br />

muss. Man kann über ihren Ausprägungsgrad je nach Hierarchie<br />

und Führungsebene streiten. Unbestritten aber<br />

sollte gelten, dass insbesondere die Frage der sozialen und<br />

personalen Kompetenz einer Soldatin oder eines Soldaten<br />

mit zunehmendem Verantwortungsbereich an Bedeutung<br />

gewinnt. Darüber hinaus seien hier nur vier weitere Elemente<br />

angegeben, die das Profil der Frauen und Männer<br />

der Bundeswehr in Zukunft aufweisen muss, sollen diese<br />

die Anforderungen des Einsatzes meistern können.<br />

Zunächst geht es um eine hohe physische Belastbarkeit<br />

im Einsatz. Nur das allein würde allerdings nicht reichen,<br />

die Durchhaltefähigkeit wäre damit noch lange nicht<br />

gewährleistet. Die psychische Belastbarkeit und die Fähigkeit,<br />

auch unter den soeben skizzierten Belastungen<br />

einen Einsatz zu durchstehen, muss von den Soldaten<br />

7 In diesem Zusammenhang erscheinen die vom MGFA herausgegebenen »Wegweiser zur Geschichte« zum jeweiligen Einsatzgebiet als sehr hilfreich. Vgl. z.B. Wegweiser zur Geschichte<br />

Bosnien-Herzegowina. Im Auftr. des MGFA hrsg. von Agilof Kesselring, 2., durchges. u. erw. Aufl., Paderborn [u.a.] 2007. Weitere Bde aus der Reihe sind zu Afghanistan und zum Kongo,<br />

Kosovo und Nahen Osten erschienen.<br />

8 Vgl. Rede des Generalinspekteurs der Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan, im Rahmen der 40. Kommandeurstagung der Bundeswehr in Bonn, 11.10.2005. In: BMVg.de Reden<br />

der Inspekteure (letzter Zugriff 6.12.2006), URL:


Eine Neubegründung der Inneren Führung? Soldatenprofil und Einsatzerfahrung<br />

abverlangt werden, was gleichzeitig bedeutet, dass die<br />

Vorgesetzten in der Bundeswehr ihren Beitrag dazu leisten,<br />

die Soldaten dazu in die Lage zu versetzen, entsprechend<br />

deren Persönlichkeit und körperlichen Fähigkeiten<br />

auszubilden und zu formen.<br />

In Anbetracht des hohen Anteils der Technik bei den<br />

Informations- und Kommunikationssystemen, der sehr<br />

komplexen Waffensysteme und der sehr vielen Arbeitsverfahren,<br />

die national wie international anzuwenden<br />

sind, braucht die Bundeswehr Frauen und Männer, die<br />

nicht nur lernfähig, sondern die auch lernwillig sind, um<br />

diese Dinge anzunehmen. Als Beispiel seien hier nur die<br />

Fremdsprachen als eines der wichtigen Kommunikationsmittel<br />

im internationalen Bereich herausgegriffen. Zudem<br />

müssen Frauen und Männer der Bundeswehr flexibel<br />

sein, nicht nur weil sie relativ schnell, und manchmal sogar<br />

auf Pfiff, in den Einsatz gehen müssen. Sie müssen<br />

flexibel sein, weil die Einsätze selbst ihnen hohe Flexibilität<br />

abverlangen: Noch einmal sei hier nur an das Bild vom<br />

Helfen zum Kämpfen erinnert. Darüber hinaus müssen<br />

sie durchsetzungsfähig sein – zunächst, weil sie sich als<br />

Repräsentanten der Bundeswehr und der Bundesrepublik<br />

in anderen Stäben durchzusetzen haben. Sie müssen<br />

aber auch durchsetzungsfähig sein, wenn sie z.B. mit dem<br />

Bürgermeister oder Vertreter einer Ethnie zu verhandeln<br />

haben, und sie müssen letztlich auch durchsetzungsfähig<br />

sein, wenn es gilt, den Auftrag zur Not auch unter Einsatz<br />

der Waffen durchzusetzen.<br />

Braucht die Bundeswehr also vor diesem Hintergrund<br />

eine neue Innere Führung? Hält man sich die Maxime<br />

einer integrierten Bundeswehr vor Augen, die durch die<br />

Verlagerung des Einsatzgebietes, die vermehrt gestellte<br />

Frage nach der Begründung des Einsatzes und durch<br />

dessen zunehmende Komplexität ganz gewiss nicht an<br />

Bedeutung verloren hat, so ist der Staatsbürger in Uniform<br />

als Leitbild unvermindert gefordert. Die Bundeswehr<br />

braucht Soldaten, die in der Lage sind, Ethik und<br />

Moral zu reflektieren und ihr eigenes Handeln in ethische<br />

wie moralische Grundsätze einzuordnen, ihr Handeln zu<br />

begründen und es zu verantworten. Die damit einhergehende<br />

Verankerung des Soldaten in einer freiheitlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong> gebietet es angesichts der erheblichen Belastungen,<br />

denen die Frauen und Männer der Bundeswehr<br />

im Einsatz ausgesetzt sind, an dem festzuhalten, was<br />

von jeher der Inneren Führung aufgegeben war und was<br />

der Generalinspekteur unlängst wieder unterstrichen<br />

hat, nämlich an dem ständigen Abwägen zwischen den<br />

Rechten des Staatsbürgers und den Pflichten des Soldaten<br />

unter dem Vorzeichen: nur soviel Einschränkungen wie<br />

nötig und soviel Freiheit wie möglich 9 ! Nein, die Bundeswehr<br />

braucht keine Neubegründung für eine Konzeption,<br />

die sich seit 50 Jahren bewährt hat. Worauf es allerdings<br />

ankommt, ist diese Konzeption weiterzuentwickeln.<br />

Gleichwohl gilt, was der ehemalige Bundespräsident<br />

Roman Herzog zur Inneren Führung bemerkt hat: »Seit<br />

ihrer Aufstellung ist die Bundeswehr eine offene Armee,<br />

integriert in die <strong>Gesellschaft</strong>. Sie hat ein vorbildliches<br />

Bildungssystem, eine moderne Führungsphilosophie und<br />

– wenn Sie mir den unmilitärischen Ausdruck gestatten –<br />

eine konkurrenzfähige Unternehmenskultur – die Innere<br />

Führung 10 «.<br />

[Anm.: Der Beitrag ist zudem abgedruckt in: Die Bundeswehr<br />

1955 bis 2005. Rückblenden – Einsichten – Perspektiven, hg.<br />

im Auftrag des MGFA von Frank Nägler, München 2007<br />

(= Sicherheitspolitik und Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland,<br />

Band 7), S. 495-500]<br />

9 Rede des Generalinspekteurs der Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan, im Rahmen der 40. Kommandeurstagung der Bundeswehr in Bonn, 11.10.2005. In: BMVg.de<br />

(wie Anm. 8).<br />

10 Ansprache von Bundspräsident Roman Herzog bei der Führungsakademie, Hamburg, 11.12.1996. In: Bundespräsident.de: Der Bundespräsident (letzter Zugriff 6.12.2006), URL: www.<br />

bundespraesident.de/dokumente/-,2.12394/Rede/dokument.htm.<br />

50


Die Auslandseinsätze der Bundeswehr als Herausforderung für die<br />

historische Bildungsarbeit in den deutschen Streitkräften<br />

Text:<br />

Dr. Bernhard Chiari<br />

Bernhard Chiari<br />

Im Jahre 1789, als in Paris Aufständische die Bastille<br />

stürmten, setzte sich Friedrich Schiller in seiner Jenaer<br />

„Akademischen Antrittsrede“ mit dem Sinn der Universalgeschichte<br />

auseinander. Die Menge der hör- und<br />

schaulustigen Studenten wuchs derart an, dass die Veranstaltung<br />

am 26. und 27. Mai in den größten Hörsaal der<br />

Stadt verlegt werden musste. Die Frage, wie historische<br />

Bildung in den deutschen Streitkräften auszusehen habe,<br />

und zu welchem Zweck man sie insbesondere für die<br />

Einsatzkontingente zu betreiben habe, interessiert demgegenüber<br />

außerhalb einer Fachöffentlichkeit vor allem<br />

dann, wenn es echte oder vermeintliche Entgleisungen<br />

deutscher Soldaten im In- und Ausland zu beklagen gilt.<br />

So warfen die von der Bildzeitung medienwirksam in Szene<br />

gesetzten „Schädelfotos“ aus Afghanistan die Frage<br />

auf, wie und ob man (insbesondere junge) Männer und<br />

Frauen geistig auf die Herausforderung von Einsätzen<br />

vorbereiten könne.<br />

Die Relevanz dieser Frage steigert der Umstand, dass in<br />

Afghanistan die Einwohner jeden 25jährigen Patrouillenführer<br />

als Botschafter seines Landes wahrnehmen, und<br />

30jährige Zugführer innerhalb von Minuten Entscheidungen<br />

treffen müssen, die wenige Stunden später die<br />

internationalen Medien beschäftigen. Die Befehle zur<br />

Abwehr gewalttätiger Demonstranten, die ein deutscher<br />

Hauptfeldwebel während der Märzunruhen 2004 vor<br />

dem Erzengelkloster bei Prizren gab, waren viele Monate<br />

lang und aus sicherer Entfernung Gegenstand der Analysen<br />

des Deutschen Bundestags und der Bundeswehr-<br />

Führung.<br />

Die „Veranstalter“ historischer Bildung sehen sich mit<br />

Blick auf die Auslandsmissionen einer überaus heterogenen<br />

Zielgruppe gegenüber, die über alle Dienstgradgruppen<br />

und Teilstreitkräfte hinweg höchst unterschiedliche<br />

Funktionen und Bedürfnisse im Einsatzland einschließt.<br />

Um es vorweg zu nehmen: Trotz der Anstrengungen, die<br />

beispielsweise das Militärgeschichtliche Forschungsamt<br />

(MGFA) auf dem Gebiet der historischen Bildung unternimmt,<br />

wird es auch in Zukunft nicht immer gelingen,<br />

„Schädelfotos“ zu verhindern. Die Streitkräfte sind ein<br />

Spiegel der Gesamtgesellschaft, und bei der Gewinnung<br />

von Nachwuchs steht die Bundeswehr insbesondere<br />

angesichts einer erfreulichen Entspannung auf dem Arbeitsmarkt<br />

potenten Mitbewerbern gegenüber. Soldaten,<br />

die von vornherein über ideale Voraussetzungen verfügen,<br />

um sich im komplexen Umfeld anderer Kulturen zurechtzufinden,<br />

sind eher die Ausnahme. Gerade deshalb<br />

aber kommt der historischen Bildung erhebliche Bedeutung<br />

zu. Historische Bildung kann Schule und Elternhaus<br />

nicht ersetzen und sie erreicht nicht alle, aber sie gibt<br />

vielen Orientierungshilfe und hilft dabei zweckmäßige<br />

Entscheidungen zu treffen.<br />

Wer sind die Empfänger von historischer Bildung?<br />

Wer die Chancen und Möglichkeiten der historischen<br />

Bildung ausloten möchte, sollte sich zunächst mit seiner<br />

Zielgruppe auseinandersetzen. Ich möchte das tun, indem<br />

ich zunächst nach der Ausgangslage frage, wie sie die<br />

Einsatzarmee Bundeswehr kennzeichnet. Deren Schwerpunkt<br />

bilden seit Jahren die unterschiedlichen Missionen<br />

im Ausland, in denen sich die Bundesrepublik engagiert.<br />

Ausnahmen bestätigen die Regel, aber abseits einiger<br />

Ämter und Stäbe stellt sich für Berufs- und Zeitsoldaten<br />

nicht länger die Frage, ob eine Auslandsverwendung<br />

ansteht, sondern lediglich wann, wo und wie oft. Dies<br />

schafft für Ausbildungsinhalte, die im Einsatz nützlich<br />

sein können, von vornherein eine hohe Akzeptanz.<br />

Die meisten Soldaten machen die Erfahrung, dass in<br />

51


Die Auslandseinsätze der Bundeswehr als Herausforderung für die historische Bildungsarbeit<br />

in den deutschen Streitkräften<br />

ihrem militärischen Alltag die langfristige Beschäftigung<br />

mit einem bestimmten Einsatzgebiet kaum möglich ist.<br />

Militärische Verwendungen „im richtigen Leben“, also<br />

die Tätigkeit zwischen den Einsätzen, stehen meist nicht<br />

mit einer speziellen Region im Zusammenhang. So müssen<br />

denn Erfahrungen aus dem Einsatz in Bosnien dazu<br />

dienen, um sich zwei Jahre später auf die afghanischen<br />

Verhältnisse vorzubereiten. Die vermeintliche Übertragbarkeit<br />

eigener Erfahrungen stellt dabei für die Betroffenen<br />

eine Hilfe dar, bedeutet aber für die historische Bildung<br />

eine besondere Herausforderung. Im Rahmen der<br />

Ausbildung muss eben gerade gezeigt werden, wie sehr<br />

und fallweise wie grundlegend sich die <strong>Gesellschaft</strong>en der<br />

Einsatzgebiete nicht nur von mitteleuropäischen Verhältnissen,<br />

sondern auch untereinander unterscheiden.<br />

Gleichzeitig schaffen die eigene Einsatzerfahrung und das<br />

Bewusstsein, nach dem einen Einsatz schon den nächsten<br />

vorzubereiten, bei den Betroffenen hervorragende Ausgangsbedingungen<br />

für die Akzeptanz aller Dienstleistungen,<br />

die diesem Ziel dienen. Aus dem Wortschatz der Soziologen<br />

stammt der Ausdruck der „Praxisgemeinschaft“,<br />

der mir in diesem Zusammenhang als besonders treffend<br />

erscheint. „Praxisgemeinschaft“ meint hier die fest gefügte<br />

Gruppe der Kontingente in Vorbereitung und Einsatz.<br />

Deren Angehörige versuchen, in kürzest möglicher Zeit<br />

und mit begrenztem Aufwand „zu verstehen, wie der Hase<br />

läuft“ und „zu wissen, worum es eigentlich geht“.<br />

Ich gebrauche bewusst diese umgangssprachlichen Formulierungen<br />

aus der Praxis und dem eigenen Erleben.<br />

Sie bringen auf den Punkt, wo im Rahmen begrenzter<br />

Zeit für Ausbildungszwecke die Möglichkeiten der historischen<br />

Bildung liegen. Anders als fallweise im wissenschaftlichen<br />

Diskurs ist die Beschäftigung mit Geschichte<br />

und Kultur eines Einsatzraumes für die Betroffenen kein<br />

Selbstzweck. Mir ist eine konkreteAusbildungssituation<br />

im Gedächtnis, die den neudeutschen Begriff des „Abholpunktes“<br />

mit konkretem Inhalt füllt.<br />

2006, unmittelbar vor Beginn des Kongo-Einsatzes,<br />

saßen mir in einem überfüllten Unterrichtsraum beim<br />

Mittleren Transporthubschrauber-Regiment in Laupheim<br />

Kontingentsoldaten gegenüber. Am Beispiel der Demokratischen<br />

Republik Kongo, deren Lage vor dem entsprechenden<br />

Bundestagsbeschluss die meisten Deutschen<br />

wohl nicht einmal im Schulatlas hätten zeigen können,<br />

lassen sich die Bedürfnisse innerhalb des Kontingentes<br />

besonders gut verdeutlichen. Seine aus allen Bereichen der<br />

Bundeswehr zusammengewürfelten Angehörigen hatten<br />

eine kurzfristig improvisierte Vorausbildung durchlaufen<br />

und verfügten praktisch über keine Vorerfahrungen mit<br />

dem Einsatzraum. Die meisten kannten bereits ihren<br />

Abflugtermin. In Laupheim fanden die Ausbilder eine<br />

Aufnahmebereitschaft vor, von der man normalerweise in<br />

der Erwachsenenbildung nur träumen kann.<br />

Die Teilnehmer – eine Ausbildungsgruppe vom Kontingentführer<br />

bis zum Mannschaftssoldaten – erwarteten,<br />

in einer Situation großer Unsicherheit Anhaltspunkte für<br />

das Verständnis des Gesamtsystems im Kongo zu finden.<br />

Sie hofften auf die Vermittlung von Hintergrundwissen<br />

in leicht abrufbarer Form. Dabei bestand das Problem<br />

nicht im zur Verfügung stehenden Informationsangebot.<br />

Dieses war in Datenbanken innerhalb und außerhalb<br />

der Bundeswehr ausreichend vorhanden. Wesentliche<br />

Leistung der Ausbilder war vielmehr die Vermittlung<br />

eines inhaltlichen Koordinatensystems, das die Auswahl<br />

und Strukturierung von Informationen überhaupt erst<br />

ermöglichte.<br />

Anders als etwa bei der Wissen vermittelnden Ausbildung<br />

von Regionalexperten ging es im Rahmen begrenzter<br />

Ausbildungszeit zunächst darum, Eckpunkte aufzuzeigen,<br />

um die herum dann später im Einsatz individuelles<br />

Wissen „gruppiert“ werden konnte. Ausbildung und<br />

Ausbildungshilfen stellten also in der geschilderten Situation<br />

ein wichtiges Instrument dar, das die Kontingentteilnehmer<br />

befähigte, sich in einer unbekannten, afrikanischen<br />

Krisenregion zu verorten, die für die Mission<br />

ausschlaggebenden Konflikte zu verstehen und damit in<br />

einer bestimmten Funktion die zugewiesenen Aufgaben<br />

zu erfüllen.<br />

Abstrakter gefasst: Historische Bildung macht Sinn in<br />

höchst komplexen Gesamtsystemen, die außer durch die<br />

Vielzahl von Akteuren auch durch zunächst unverständliche<br />

und vom eigenen Erfahrungshorizont abweichende<br />

mentale und kulturelle Spielregeln gekennzeichnet sind.<br />

Dies beginnt bei den traditionellen Wegen der Entscheidungsfindung<br />

in einer Stammesgesellschaft oder dem<br />

dortigen Verständnis von Loyalität, Auseinandersetzung<br />

52


oder Pünktlichkeit und endet bei der militärischen Stabskultur<br />

von Partnerländern im Einsatz. Indem Spezialisten<br />

in verständlicher Form beispielhaft das komplizierte<br />

System von Geben und Nehmen in einer afghanischen<br />

Provinz beschreiben, liefern sie gleichzeitig Hinweise auf<br />

„key indicators“, die einen gegenwärtigen Zustand verändern<br />

oder ein Gleichgewicht destabilisieren können. Sinnstiftung<br />

kann und soll in diesem Zusammenhang nicht als<br />

Handlungsanweisung wirken, sie trägt aber zur Ausbildung<br />

von Persönlichkeit bei und vermittelt gemeinsam mit den<br />

Vorerfahrungen anderer auch Handlungssicherheit. Damit<br />

unterscheidet sich die ganzheitliche Betrachtung der<br />

Wegweiser grundlegend von Ausbildungsprodukten, die<br />

Soldaten im Einsatz landeskundliche Kompendien und<br />

Datensammlungen sowie konkrete Verhaltensmaßregeln<br />

(Schutz vor Gifttieren, Beachtung religiöser Gebräuche<br />

usw.) an die Hand geben.<br />

Die Analyse und anschauliche Schilderung gesellschaftlicher<br />

und historischer Strukturen im Einsatzland stellt den<br />

Zuhörer auf komplexe Situationen ein und bereitet ihn<br />

mental darauf vor, zwischen welche Fronten er geraten<br />

könnte. Wer im Rahmen der historischen Bildung danach<br />

fragt, ob ein politisches System westlicher Prägung tatsächlich<br />

dazu taugt, in Afghanistan Probleme zu lösen,<br />

fördert bei seinem Gegenüber auch die Fähigkeit, in der<br />

Einsatzrealität Andersartigkeit und Fremdheit auszuhalten<br />

und hinzunehmen, ohne selbst in eine Sinnkrise zu<br />

stürzen. Die hier geleistete Orientierung schafft Abstand<br />

zur vorgefundenen Umwelt, die außer den <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

der Einsatzländer auch die Angehörigen anderer nationaler<br />

Einsatzkontingente mit einschließt. Die Reflexion<br />

der eigenen Geschichte führt hin zu einer Reflexion des<br />

eigenen Selbstverständnisses und Selbstbewusstseins. Vor<br />

allem fördert sie die Fähigkeit, die Unterschiede zwischen<br />

den deutschen Verhältnissen und dem Geschichtsverständnis<br />

außerhalb Deutschlands zu begreifen. In der<br />

Einsatzrealität schließt dies die Frage ein, wie Soldaten<br />

anderer Kontingente „die Deutschen“ wahrnehmen und<br />

warum sie dies tun. Was meint ein Paschtune, wenn er<br />

sagt, er und ich seien „Arier“ – und warum zuckt der in<br />

Deutschland sozialisierte Zuhörer zunächst zurück?<br />

Die einleitenden Überlegungen zeigen zweierlei. Erstens<br />

machen sie klar, dass historische Bildung allgemein und<br />

insbesondere unter den Bedingungen der Einsatzarmee<br />

der Ausbildung, Bildung und Erziehung dient. Im<br />

Ausland kommt allen drei Bereichen angesichts eines<br />

komplexen Umfeldes sogar noch verstärkte Bedeutung<br />

zu. Zweitens sollen die eingangs angeführten Beispiele<br />

verdeutlichen, dass die Priorisierung von Einsatzvorbereitung<br />

und Einsatz im Alltag der Bundeswehr geradezu<br />

ideale Voraussetzungen für die Akzeptanz historischer<br />

Bildungsarbeit schafft.<br />

Was müssen Soldaten wissen?<br />

Mit Blick auf historische Inhalte stellt sich zunächst die<br />

Frage nach dem notwendigen Aktualitätsbezug. Auch<br />

wenn das bei Anlegung eines strengen, geschichtswissenschaftlichen<br />

Maßstabes geradezu einem Tabubruch<br />

gleichkommt, so muss bei der Auswahl historischer<br />

Sachverhalte, die in die Verhältnisse eines Einsatzgebietes<br />

einführen sollen, eine Beurteilung der aktuellen Lage<br />

im Krisengebiet den Ausgangspunkt der Betrachtung<br />

bilden. Ausbildungshilfen für die historische Bildung<br />

sollten „Living Documents“ sein, die aktuelle Vorgänge<br />

und Veränderungen aufgreifen und sie in die Geschichte<br />

zurückverfolgen.<br />

Am Beispiel Afghanistan lässt sich zeigen, wie rasch<br />

sich die Relevanz und der Bedeutungsgehalt historischer<br />

Fachinformation verändern können. Diese Veränderungen<br />

müssen der Ziegruppe vermittelt und erklärt werden.<br />

Um hierzu in der Lage zu sein, müssen die Bearbeiter und<br />

Vermittler selbst in der Lage leben. Tun sie dies nicht,<br />

werden sie mit ihren Inhalten in der Zielgruppe keine<br />

Akzeptanz finden. Historische Bildung und Fachinformation<br />

bewegen sich dabei auf einem schmalen Grat. Ist die<br />

angebotene Information zu sehr an der Tagesaktualität<br />

ausgerichtet, verfügt sie meist nur über eine kurze „Halbwertzeit“.<br />

Beschränken sich die getroffenen Aussagen<br />

demgegenüber allzu sehr auf allgemeine Strukturen und<br />

historische Phänomene, so sinken Akzeptanz und Relevanz.<br />

Die Zielgruppe erkennt keinen Zusammenhang<br />

mehr zwischen Bildungs- und Erklärungsangebot einerseits<br />

und dem eigenen Erleben im Einsatz andererseits.<br />

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Zwischen dem Erscheinen<br />

der ersten und zweiten Auflage des „Wegweisers<br />

53


Die Auslandseinsätze der Bundeswehr als Herausforderung für die historische Bildungsarbeit<br />

in den deutschen Streitkräften<br />

zur Geschichte Afghanistan“, der im folgenden noch<br />

näher vorgestellt wird, lagen etwa eineinhalb Jahre. Die<br />

Lageentwicklung im Land vom Herbst 2005 bis Frühjahr<br />

2007 machte es notwendig, diese Ausbildungshilfe neu<br />

zu konzipieren, sollte sie nach wie vor ihrem Ziel gerecht<br />

werden, nämlich die Funktionsweise der afghanischen<br />

<strong>Gesellschaft</strong> zu erläutern. Die Taliban, in der ersten<br />

Auflage als historisches Phänomen präsentiert, das 2005<br />

nur begrenzte Bedeutung für den Fortgang des Wiederaufbaus<br />

hatte, waren nun erneut zu zentralen Spielern<br />

im Land geworden. Diese zentrale Aussage musste dem<br />

Leser schon in der Gliederung und Struktur der ausgewählten<br />

Beiträge deutlich erkennbar ins Auge springen.<br />

Die zunehmende Eskalierung militärischer Auseinandersetzungen<br />

im Süden Afghanistans verschärfte die lokalen<br />

und regionalen Unterschiede, was die Erfolgsaussichten<br />

militärischer und ziviler Aufbauarbeit angeht. Diesem<br />

Umstand hatten regionale Beiträge Rechnung zu tragen,<br />

die verstärkt auf die strukturellen Unterschiede einzelner<br />

Provinzen hinweisen.<br />

Erfahrungen mit der Vermittlung historischer<br />

Bildung<br />

Im steten Kontakt mit der Zielgruppe entstand am<br />

Militärgeschichtlichen Forschungsamt das Konzept der<br />

Reihe „Wegweiser zur Geschichte“. Im Sommer 2005<br />

erschien mit „Bosnien-Herzegowina“ der erste Band der<br />

Reihe. Mittlerweile liegen Bände für die sieben großen<br />

Einsatzgebiete der Bundeswehr vor, in drei Fällen bereits<br />

in erheblich aktualisierten Neuauflagen. Ein Band zum<br />

Kaukasus befindet sich in Vorbereitung. Die Wegweiser<br />

sollen Information aus einer Hand vermitteln und jeweils<br />

das aktuelle Gesamtsystem mit seinen historischen und<br />

kulturellen Wurzeln erklären. Ein Schwerpunkt liegt auf<br />

der Diskussion möglicher zukünftiger Entwicklungen.<br />

Das ständig fortgeschriebene Konzept wird an der Lebenswirklichkeit<br />

von Kontingentsoldaten ausgerichtet.<br />

Drei große Abschnitte umfassen erstens historische<br />

Entwicklungen, zweitens Strukturen und Lebenswelt<br />

sowie drittens einen Anhang mit ausgewählten weiterführenden<br />

Literatur- und Internethinweisen. Eine Zeittafel<br />

sowie weitere Beigaben sollen ebenso wie das Orts-,<br />

Personen- und Sachregister die Benutzung erleichtern.<br />

Umfang, Aufmachung und Präsentationsform verfolgen<br />

das Ziel, auch ungeübten Lesern die rasche Orientierung<br />

zu ermöglichen. Die Autoren der Wegweiser sind Fachwissenschaftler<br />

aus dem Bereich der Bundeswehr und<br />

von zivilen Hochschulen und Forschungseinrichtungen.<br />

Hinzu kommen solche Autoren, die selbst Verantwortung<br />

innerhalb der militärischen Strukturen der Einsatzgebiete<br />

oder in Regierungs- bzw. Nichtregierungsorganisationen<br />

getragen haben.<br />

Zwei Anmerkungen erscheinen in diesem Zusammenhang<br />

angebracht. Erstens hat sich – trotz großer Authentizität<br />

der Beiträge – die Mitarbeit gegenwärtig Betroffener, die<br />

Einsatzstrukturen aus unmittelbarer, eigener Anschauung<br />

schildern, nicht selten als problematisch erwiesen. Zu<br />

gering ist meist der Abstand zum Geschehen, um in den<br />

Bewertungen zum notwendigen Maß an Ausgewogenheit<br />

zu gelangen. Die zweite Anmerkung betrifft die Akzeptanz<br />

des Projektes „Wegweiser“ in der Fachwissenschaft,<br />

wo noch vor zehn Jahren die Anfrage an einen Hochschullehrer,<br />

einen Beitrag für die Ausbildung deutscher<br />

Soldaten auf dem Balkan zu verfassen, wohl meist Ablehnung<br />

und Unverständnis hervorrgerufen hätte. Hier<br />

ist in den vergangenen Jahren im Zuge der öffentlich geführten<br />

Debatte um die Auslandseinsätze eine erfreuliche<br />

Normalisierung eingetreten. Die Bereitschaft von Fachwissenschaftlern,<br />

an Projekten zur Einsatzvorbereitung<br />

mitzuarbeiten, ist quer über politische Grenzen hinweg<br />

hoch. Sie wird gefördert durch die immer wieder angeführte<br />

Überlegung, die Vorbereitung von Soldaten dürfe<br />

weder zweifelhaften, selbsternannten Experten noch den<br />

vorhandenen Internetforen überlassen werden.<br />

Eine wichtige Rolle – diese Anmerkungen seien im Jahr<br />

2007 gestattet, in dem das MGFA seinen 50. Geburtstag<br />

feiert – spielt die wissenschaftliche Seriosität des<br />

„Veranstalters“ historischer Bildung: Die Reputation<br />

des MGFA als Forschungseinrichtung öffnet Türen, die<br />

eine Dienststelle der Bundeswehr, die lediglich Informationen<br />

gewinnt und Dienstleister für die Streitkräfte<br />

ist, wohl verschlossen fände. Diese Erfahrung war ein<br />

Grund dafür, 2005 am MGFA einen Wissenschaftlichen<br />

Beirat Einsatzunterstützung ins Leben zu rufen. Ihm<br />

gehören renommierte Südosteuropahistoriker ebenso<br />

54


an wie Afghanistan- und Afrikaspezialisten, der Leiter<br />

der österreichischen Redaktion Truppendienst, die einen<br />

Schwerpunkt ihrer Arbeit bei der Einsatzvorbereitung<br />

des Bundesheeres hat, sowie der heutige Kommandeur<br />

der in Aufstellung begriffenen Heeresaufklärungsschule<br />

in Munster. Das Gremium entspricht nicht nur dem evaluierungswütigen<br />

Zeitgeist, sondern wirkt sich überaus<br />

hilfreich auf die Bildung und Pflege der notwendigen<br />

Netzwerke innerhalb und außerhalb der Bundeswehr aus.<br />

Positive Erfahrungen haben wir auch mit dem Entschluss<br />

gemacht, die Wegweiser zur Geschichte nicht im Selbstverlag<br />

für die Truppe herauszugeben, sondern sie als Reihe<br />

des Schöningh Verlags in entsprechender Aufmachung<br />

auch auf dem regulären Buchmarkt anzubieten. Für<br />

Autorinnen und Autoren schafft dies einen zusätzlichen<br />

Anreiz, und innerhalb der Organisation Bundeswehr bedeutet<br />

es zusätzliche Unabhängigkeit bei der Präsentation<br />

kritischer oder widersprüchlicher Aussagen und Thesen.<br />

Damit komme ich zur wesentlichen Leistung des Militärgeschichtlichen<br />

Forschungsamtes an der Schnittstelle<br />

zwischen Wissenschaft, Bundeswehr und Öffentlichkeit.<br />

Für die historische Bildung zum Zweck der Einsatzvorbereitung<br />

ist dies zunächst die Auswahl von Inhalten, die<br />

mit der Einsatzrealität der Soldaten in Verbindung stehen<br />

und den Voraussetzungen der Rezipienten entsprechen.<br />

So macht es wenig Sinn, für Bosnien-Herzegowina lediglich<br />

die Besonderheiten der vorhandenen Religionen und<br />

Konfessionen zu referieren, wenn die Leser größtenteils<br />

einem derart säkularisierten Umfeld entstammen, dass sie<br />

selbst der Religion im Alltag keinerlei Bedeutung mehr<br />

zumessen. Vorerfahrungen und eigene Prägungen beschränken<br />

auch die Übertragbarkeit historischer Bildung:<br />

Nach der jahrzehntelangen Dominanz bosniakischer<br />

Gastarbeiter auf dem Wiener Arbeitsmarkt, die in Österreich<br />

wiederum weit reichende historische Wurzeln hat,<br />

sind bei österreichischen Kontingentsoldaten Erfahrungen<br />

aus dem eigenen Alltag vorhanden, die in Deutschland<br />

fehlen. Und nur, weil in einer multinationalen Task<br />

Force deutsche, österreichische und türkische Soldaten<br />

gemeinsam Dienst tun, funktionieren Produkte historischer<br />

Bildung, die für Österreich und Deutschland ihren<br />

Zweck erfüllen, nicht einfach durch eine Übersetzung<br />

auch für den türkischen Offizier oder Unteroffizier.<br />

Hervorragende Fachexpertise nützt nichts, wenn sie zu<br />

spät bzw. nicht in leicht zugänglicher und verständlicher<br />

Form vermittelt wird. Im Fall der Demokratischen Republik<br />

Kongo hatte das MGFA die Arbeiten an einem<br />

Wegweiser zur Geschichte in nur sechs Wochen abzuschließen,<br />

um jeden Soldaten des Kontingentes vor<br />

Einsatzbeginn ausstatten zu können. Das Operation<br />

Headquarters (OHQ) der Europäischen Union, das die<br />

Kongo-Operation von Potsdam aus führte, erhielt ebenso<br />

wie das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte in<br />

Ulm, verantwortlich für den Aufwuchs des entsprechenden<br />

Force Headquarters (FHQ), eine englischsprachige<br />

Version des Wegweisers. Beide Stäbe nutzten das Dokument<br />

bereits in der Phase der Vorbereitung und dann<br />

verstärkt während der laufenden Operation.<br />

Benutzer, die angesichts eines historischen Textes voll<br />

Ehrfurcht anmerken, es handele sich um „großartige<br />

Wissenschaft, denn ich habe nichts verstanden“, sind<br />

für die Ziele historischer Bildung verloren. Neben der<br />

Umfangsbeschränkung und dem Verzicht auf die Abhandlung<br />

allzu theoretischer Fragen spielen in diesem<br />

Zusammenhang die graphische Gestaltung und damit die<br />

Zugänglichkeit sowie die Verwendung von Bildern eine<br />

wichtige Rolle. Die Inhalte historischer Bildung sollten im<br />

Internet abrufbar sein, was die Benutzbarkeit für interne<br />

Ausarbeitungen oder die Vorbereitung von Ausbildungen<br />

verbessert. Das MGFA richtete zu diesem Zweck vor<br />

einigen Monaten einen neuen Bereich auf seiner Website<br />

ein, der sich eines hervorragenden Zuspruchs erfreut.<br />

Weiterführende Hinweise auf Websites, Literatur oder<br />

Filme machen nur Sinn in Form einer kommentierten<br />

Auswahl, die den Rahmenbedingungen von Einsatz und<br />

Einsatzrealität Rechnung tragen. Ihre Zusammenstellung<br />

und Bewertung stellen eine Führungs- und Erziehungsleistung<br />

dar und folgen anderen Regeln als akademische<br />

Bibliographien. Ausdrücklich sei auch die Notwendigkeit<br />

unterstrichen, kritische Inhalte wiederzugeben, etwa was<br />

die Hoffnung auf funktionierende staatliche und gesellschaftliche<br />

Strukturen nach westlichen Vorstellungen<br />

angeht. In der Situation von Ausbildung und Einsatz<br />

wird historische Bildung nur dann glaubwürdig wirken<br />

55


Die Auslandseinsätze der Bundeswehr als Herausforderung für die historische Bildungsarbeit<br />

in den deutschen Streitkräften<br />

und überzeugen können, wenn sie bestehende Probleme<br />

realistisch beim Namen nennt.<br />

Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg ist die<br />

Abkehr vom „Fire and forget“-Prinzp historischer Bildung.<br />

Es reicht nicht aus, jahrelang behäbige Projekte<br />

zu entwickeln und bei geschlossenen Türen darüber zu<br />

brüten, was die Truppe braucht. Mit der Drucklegung ist<br />

die Arbeit an einem Projekt nicht abgeschlossen: Evaluierung,<br />

Verbesserung, Vermittlung und Fortschreibung<br />

bleiben Daueraufgaben, zumindest für Einsatzgebiete der<br />

Bundeswehr wie Afghanistan oder Kosovo, wo voraussichtlich<br />

noch lange Jahre eine militärische Präsenz erforderlich<br />

sein wird. Die Weiterentwicklung von Produkten<br />

setzt den ständigen Kontakt mit der Zielgruppe und eine<br />

gemeinsame Sprache voraus. Diesem Ziel dienen Kommunikationsformen<br />

wie gezielte Produktbefragungen<br />

ebenso wie der Chat im Internet, die Durchführung von<br />

Ausbildungsvorhaben im Rahmen der Kontingentausbildung<br />

oder der enge Arbeitskontakt mit Dienststellen und<br />

Instituten der Bundeswehr, die sich auf dem Gebiet der<br />

Einsatzvorbereitung engagieren.<br />

Da für wechselnde Interessengebiete und angesichts des<br />

Zeitfaktors eigene Grundlagenforschung nicht immer<br />

möglich ist, kommt dem Aufbau und der Pflege militärischer<br />

und wissenschaftlicher Netzwerke entscheidende<br />

Bedeutung für die Herstellung und Platzierung der Produkte<br />

zu. Sowohl Stäbe und Dienststellen, die Einsätze<br />

führen und vorbereiten, als auch die Kontingente selbst<br />

werden Unterstützung, die in den Köpfen vieler in einen<br />

Bereich außerhalb militärischer Kernaufgaben zielt, in der<br />

Praxis nur dann anfordern, wenn sie proaktiv über die<br />

entsprechenden Möglichkeiten informiert werden. Um<br />

hier ansetzen zu können, müssen den Bearbeitern die<br />

Strukturen und Abläufe im Einsatz aus eigenem Erleben<br />

vertraut sein. Arbeit im Elfenbeinturm, um dies nochmals<br />

zu unterstreichen, führt hier zum „Fire and forget“-<br />

Prinzip und damit zum Mißerfolg, weil die hilfreichsten<br />

Erkenntnisse nicht dort ankommen, wo sie gebraucht<br />

werden. Historische Bildung verkommt dann zu einer<br />

sinnlosen Folge von Worthülsen. Auf die Kommunikation<br />

in den Medien, insbesondere jenen der Bundeswehr,<br />

kann hier nicht näher eingegangen werden. Doch verbessert<br />

es die Wirkung von Produkten der historischen Bildung<br />

nachhaltig, wenn die inhaltliche Verantwortlichkeit<br />

sowie Vermittlung und Marketing in einer Hand liegen.<br />

Hierfür geeignetes Personal zu finden, ist unter den<br />

Rahmenbedingungen, die die Bundeswehr bietet, keine<br />

einfache Angelegenheit.<br />

Qualität historischer Bildung in der Einsatzvorbereitung<br />

Historische Bildung für die Einsatzkontingente kann<br />

nicht einfach befohlen werden. Hierfür sind die zu behandelnden<br />

Inhalte, aber auch die beteiligten Akteure und<br />

das institutionelle Umfeld zu vielfältig. In den vergangenen<br />

Jahren entstand vielmehr ein „Neuer Markt“ mit<br />

hoher Dynamik. Dieser ist gekennzeichnet vom Kampf<br />

um Ressourcen sowie durch das Bestreben der beteiligten<br />

Dienststellen, sich auf diesem Feld zu positionieren. Unter<br />

den Rahmenbedingungen der Transformation unterliegt<br />

auch die Einsatzvorbereitung einem ständigen Wandel.<br />

Es gibt Überschneidungen zwischen historischer Bildung<br />

für Einsatzkontingente, wie sie am MGFA verstanden<br />

wird, und dem Bereich der Interkulturellen Einsatzberatung<br />

(IEB), für die vor allem das Zentrum für Operative<br />

Information in Mayen verantwortlich zeichnet. Wesentliche<br />

Produkte im Bereich Landeskunde erstellt das Amt<br />

für Geoinformationswesen (AGeoBw) mit Schwerpunkt<br />

in Euskirchen, das nach der Auflösung des Zentrums<br />

für Nachrichtenwesen Ende 2007 zusätzliche Aufgaben<br />

übernimmt. Einen ganzheitlichen Ansatz zur Betrachtung<br />

der Einsatzgebiete verfolgt das Projekt „Knowledge<br />

Development KFOR“ (KD KFOR), das in Zusammenarbeit<br />

zwischen dem Zentrum für Transformation und<br />

einer zivilen Firma entsteht. Zunächst am Beispiel des<br />

Kosovo bieten beide Partner Stäben im Einsatz Hilfestellungen<br />

bei der Analyse komplexer Gesamtsysteme,<br />

für die historische Entwicklungen eine wichtige Größe<br />

darstellen. In die erste Erprobung von KD KFOR im<br />

Einsatzland war auch das MGFA mit eingebunden. Die<br />

Reihe ließe sich fortsetzen und zeigt einen Prozess, der<br />

auch in der Geschichtswissenschaft anzutreffen ist: das<br />

Verschwimmen von Disziplingrenzen und die Auflösung<br />

von Zunftordnungen. Eine wirksame Koordinierung fällt<br />

angesichts der Überschneidungen schwer, die Militäri-<br />

56


sches Nachrichtenwesen, Landeskunde, historische Bildung,<br />

Politikberatung und der eigenständige Bereich der<br />

Informationsarbeit der Bundeswehr aufweisen.<br />

Das bewusst gewählte Bild vom „Neuen Markt“ impliziert<br />

auch Gefahren. So fördert die vorherrschende<br />

Dynamik die Erstellung neuer elektronischer Foren durch<br />

Bereiche und Dienststellen, ohne dass immer die entsprechenden<br />

Inhalte zur Verfügung stünden. Vergleichbar ist<br />

dies mit einem aufwändigen Museumsbau, nach dessen<br />

Fertigstellung man sich überlegt, welche Exponate in<br />

den Räumen ihren Platz finden sollen. Systemkenntnisse<br />

ohne Fachkenntnisse bringen jedoch keinen Erfolg, und<br />

Spezialisten, etwa der Südosteuropäischen Geschichte,<br />

der Islamwissenschaften oder der Afrikastudien, sind in<br />

der Bundeswehr Mangelware.<br />

Die Dienstleistung des MGFA an der Schnittstelle zwischen<br />

Einsatzarmee Bundeswehr, Wissenschaft und Öffentlichkeit<br />

trägt den sehr speziellen Anforderungen<br />

der Streitkräfte Rechnung. Die wesentlichen Leistungen<br />

liegen in der zeitgerechten Netzwerkbildung und in einem<br />

umfassenden Servicepaket, das solide Inhalte der historischen<br />

Bildung generiert und an jene Orte schafft, wo<br />

sie benötigt werden. Ausbildungshilfen der historischen<br />

Bildung legen die Grundlagen für interkulturelle Kompetenz<br />

, das Markenzeichen deutschen Engagements<br />

nicht nur im Norden Afghanistans. Nicht-Regierungsorganisationen<br />

schätzten die mittlerweile gut eingeführten<br />

Produkte ebenso wie diplomatische Vertreter, und zwar<br />

auch deswegen, weil diese dokumentieren, dass die Bundeswehr<br />

beispielsweise im Rahmen von ISAF eben nicht<br />

nur bewaffnet Streife laufe.<br />

In seiner eingangs zitierten Jenaer Antrittsrede sagte<br />

Friedrich Schiller: „Fruchtbar und weit umfassend ist das<br />

Gebiet der Geschichte; in ihrem Kreise liegt die ganze<br />

moralische Welt“. Die Geschichte zum Reden zu bringen,<br />

wie Schiller dies von seinen Zuhörern forderte, ist auch<br />

das Ziel historischer Bildung. Unter den Bedingungen der<br />

Auslandseinsätze und für geographisch wie kulturell weit<br />

entfernte Einsatzgebiete erhält es eine erweiterte Bedeutung<br />

und erleichtert dort die Orientierung, wo anderfalls<br />

Frustration über die empfundene Fremdheit und ein gefährlicher<br />

Tunnelblick drohen. Dem Gedanken internationaler<br />

Peacekeeping-Operationen liefe beides zuwider.<br />

57


Tradition und Einsatz.<br />

Zu ethischen Aspekten der deutschen Sicherheitsvorsorge<br />

Text:<br />

Prof. Dr. Loretana de Libero<br />

Ein wahres Chamäleon ist der Krieg, so Clausewitz, ein<br />

Chamäleon, das „in jedem konkreten Falle seine Natur<br />

etwas ändert“. Vor fast 200 Jahren hat der preußische<br />

Militärtheoretiker diese Sentenz geprägt und sie besitzt<br />

immer noch Gültigkeit. Dem Wesen des Krieges immanent<br />

ist, dass ein Gewaltaustrag vielfältige Gestalt<br />

annehmen kann, je nachdem wer wann wo und warum<br />

zu den Waffen greift. Das allmähliche Verschwinden der<br />

‚klassischen’ zwischenstaatlichen Kriege hat neue oder<br />

auch nur scheinbar neue Konfliktformen hervorgebracht.<br />

Seit Auflösung der bipolaren Ordnung werden vermehrt<br />

‚kleine Kriege’ oder ‚Konflikte niederer Intensität’ auf<br />

einer inner- bzw. substaatlichen Ebene ausgetragen. Auf<br />

einer transnationalen Ebene hat sich dagegen die internationale<br />

Staatengemeinschaft mit dem Bedrohungspotential<br />

einer asymmetrischen Kriegführung auseinander zu<br />

setzen. All diesen Formen des Krieges gemein ist, dass<br />

nichtstaatliche Gewaltakteure beteiligt sind, die ethnischen,<br />

religiösen, ideologischen oder auch ökonomischen<br />

Handlungslogiken folgen. Dieser Typus ‚privatisierter<br />

Gewaltanwendung’ von regional begrenzt oder eben auch<br />

global operierenden Gruppierungen hat zur Folge, dass<br />

sich die internationale Staatenwelt weitgehend vom traditionellen<br />

Konzept der Landes- und Bündnisverteidigung<br />

verabschiedet hat. Verteidigt wird nicht mehr nur das<br />

eigene Hoheitsgebiet; nationale Sicherheit und Stabilität<br />

sollen auch gewährleistet werden durch zivil-militärisches<br />

Krisenmanagement jenseits der eigenen Grenzen, in entfernteren<br />

Regionen der Welt. Die Vereinten Nationen,<br />

die NATO und EU geben den institutionellen Rahmen<br />

für dieses erweiterte Sicherheits- und Verteidigungsverständnis.<br />

Der entgrenzte Krieg soll an seinem Ursprung<br />

bekämpft, friedensschaffende, friedenserhaltende Maßnahmen<br />

sollen durch Präsenz mandatierter multinationaler<br />

Streitkräfte an der Quelle der jeweiligen Krise greifen<br />

und wirken.<br />

Seit 1993 beteiligt sich die Bundeswehr unter Parlamentsvorbehalt<br />

an internationalen Militäreinsätzen, wobei sie<br />

zugleich in das Gefüge der multilateralen Sicherheitsarchitektur<br />

eingebunden ist. Mehr als 200.000 Soldatinnen<br />

und Soldaten waren bisher auf drei Kontinenten in verschiedenen<br />

Operationen im Einsatz, derzeit sind etwa<br />

Loretana de Libero<br />

8.000 in Krisengebieten engagiert. Die Bundeswehr ist<br />

eine Einsatzarmee. Sie ist damit zugleich auch eine Armee<br />

im steten Wandel. Um auf das Clausewitzsche Chamäleon<br />

effizient reagieren zu können, oder weniger bildhaft<br />

ausgedrückt: um auf ein sich wandelndes sicherheitspolitisches<br />

Umfeld adäquat und flexibel reagieren zu können,<br />

muss sich die Bundeswehr zukünftigen globalen Herausforderungen<br />

durch hohe, vorausschauende Anpassungsfähigkeit<br />

stellen. ‚Transformation’ ist die Antwort der<br />

Bundeswehr auf die Wandlungsfähigkeit des Krieges<br />

an sich. Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant<br />

Klaus-Peter Stieglitz, hat denn auch die deutschen Streitkräfte<br />

als eine „lernende Organisation“ bezeichnet, die<br />

durch strukturelle Anpassungs- und Innovationsfähigkeit<br />

gekennzeichnet sei. Das durch eine vorausschauende Sicherheitspolitik<br />

sich ständig verändernde Aufgabenspektrum<br />

der Bundeswehr zielt in erster Linie auf einen Stabilitätstransfer<br />

in gefährdete Regionen, um bedrohliche Folgen<br />

für die Sicherheit, Frieden und Freiheit des eigenen<br />

Landes abzuwehren. Brigadegeneral Karl H. Schreiner<br />

hat jüngst in einem Vortrag an der Führungsakademie<br />

darauf hingewiesen, dass es Ziel einer zeitgemäßen Sicherheitsvorsorge<br />

sein müsse, „einen Beitrag zur Stabilität<br />

im europäischen und globalen Rahmen zu leisten, die<br />

nationale Sicherheit und Verteidigung zu gewährleisten,<br />

zur Verteidigung der Verbündeten beizutragen sowie die<br />

multinationale Zusammenarbeit und Integration zu för-<br />

58


dern“. Das Aufgaben- und Einsatzspektrum einer neuen<br />

Bundeswehr als Armee der Einheit wurde erweitert, das<br />

berufliche Selbstverständnis des Soldaten entsprechend<br />

der neuen Realitäten neu definiert. In Zeiten eines reagierenden<br />

Transformationsprozesses, der durch die Beteiligung<br />

an internationalen Einsätzen, auch jenseits rein<br />

humanitärer Missionen, geprägt ist, sind Krisenmanagement,<br />

Konfliktlösung und Konfliktprävention im bündnispolitischen<br />

Rahmen die Maßgaben sicherheitspolitischen<br />

Handelns. Im Vergleich zu früheren Jahrzehnten ist<br />

das Anforderungsprofil des deutschen Soldaten allerdings<br />

vielschichtiger geworden: Er ist ein Konfliktmanager, der<br />

kämpfen, schützen, retten und helfen soll. Der Soldat,<br />

insbesondere der Offizier, muss zugleich Diplomat, Sozialarbeiter<br />

und Beschützer sein, neben den militärischen<br />

Grundfertigkeiten ausgestattet sein mit Handlungskompetenzen<br />

im sozialen und interkulturellen Bereich und<br />

ausgerüstet mit moralischethischen Grundsätzen entsprechend<br />

der vielfältigen Einsatzoptionen. Gefordert<br />

ist der vielseitige Soldatentyp, wobei selbstverständlich<br />

eine berufsmäßige Grundhaltung vorausgesetzt wird, zu<br />

der etwa gewissenhafter Gehorsam, Disziplin, Tapferkeit<br />

und Einsatzbereitschaft gehören. Eine solche komplexe<br />

Identitätskonstruktion stellt hohe Anforderungen an die<br />

einzelnen Soldatinnen und Soldaten: Der ‚Idealsoldat’ im<br />

Einsatz muss über ein großes Bündel an charakterlichen<br />

Qualitäten und Schlüsselqualifikationen verfügen, soziale<br />

Empathie, Sensibilität, aber auch eine gewisse Robustheit<br />

mitbringen, gleichzeitig Kommunikationsfähigkeit beweisen<br />

und die demokratische Unternehmensphilosophie<br />

leben.<br />

„Sie sind Gast, nicht Besatzer!“, mahnt der Code of<br />

Conduct (Taschenkarte KFOR ‚Verhalten gegenüber der<br />

Zivilbevölkerung’, 02/2000). Wer um die dunklen Seiten<br />

der eigenen Geschichte weiß, wer das ethische Rüstzeug<br />

besitzt, um im Einsatzgebiet den Menschen und ihrer<br />

Kultur mit Respekt und Umsicht zu begegnen, vertritt<br />

nicht nur überzeugend das freiheitlich-demokratische<br />

Wertesystem seines Kulturkreises, sondern trägt dazu bei,<br />

eine konkrete Aufgabe im Ausland erfolgreich bewältigen<br />

zu können. Der Schlüssel zum Erfolg ist die grundgesetzlich<br />

gebundene Werteorientierung der deutschen Streitkräfte,<br />

welche in der langen deutschen Militärgeschichte<br />

einzigartig ist. Das Eintreten für Menschenwürde und<br />

Rechtsstaatlichkeit ist lebendige Tradition der Bundeswehr,<br />

wie Verteidigungsminister von Apel bis Jung immer<br />

wieder hervorgehoben haben. Die Grundsätze der komplexen<br />

Inneren Führung, die gelebte Praxis sozusagen,<br />

wird als bundeswehrspezifische Überlieferung verstanden<br />

und zum Teil auch idealisiert. Als „unverwechselbare<br />

Markenzeichen der Bundeswehr“ werden die einzelnen<br />

Prinzipien in den gültigen „Richtlinien zum Traditionsverständnis<br />

und zur Traditionspflege in der Bundeswehr“<br />

vom 20. September 1982 aufgeführt. Unter Paragraph<br />

20 werden als Traditionselemente genannt: der Auftrag<br />

der Friedenserhaltung in Freiheit, der Verzicht auf ideologische<br />

Feindbilder, die multinationale Einbindung der<br />

Armee sowie die innere Verfasstheit der Bundeswehr und<br />

das berühmte Leitbild des Staatsbürgers in Uniform. Im<br />

Einklang mit diesen 25 Jahre alten Traditionsrichtlinien<br />

findet sich in offiziellen Darlegungen des Bundesministeriums<br />

der Verteidigung weiterhin ein klares Bekenntnis<br />

zur einst umstrittenen, oft hinterfragten Konzeption der<br />

Inneren Führung, welche sich als leitendes Prinzip auch<br />

für das Handeln im Einsatz bewährt habe. Als „ethischer<br />

Kompass“, so Bundesminister Jung, sei Innere Führung<br />

unverzichtbar. Unter den Bedingungen einer veränderten<br />

Einsatzwelt schafft sie – konsequent angewendet<br />

– Verhaltenssicherheit. Soldatinnen und Soldaten der<br />

Bundeswehr sind nicht nur einsatzfähig, sondern auch<br />

einsatzbereit, wenn sie um das „wofür“, d.h. um die<br />

Rechtmäßigkeit ihres Auftrags wissen.<br />

Seit 1960 beteiligt sich die Bundeswehr an nationalen<br />

wie internationalen Hilfseinsätzen, die bereits um 1970<br />

als traditionsbildende ‚Ereignisse’ aufgefasst wurden. Als<br />

traditionswürdige Leistungen werden im Traditionserlass<br />

von 1982 konkret die Hilfseinsätze der Streitkräfte<br />

erwähnt („bei Notlagen und Katastrophen im In- und<br />

Ausland“). 1991 prägte der damalige Generalinspekteur<br />

Admiral Dieter Wellershoff den feinen Satz: „Der Einsatz<br />

der Bundeswehr in der Hilfe für andere Menschen<br />

zählt zu den besten Traditionen, die Streitkräfte in Friedenszeiten<br />

erwerben können.“ Neben den zahlreichen<br />

humanitären Einsätzen im In- und Ausland werden in<br />

offiziellen Beiträgen seit einiger Zeit als neue Traditionselemente<br />

der Bundeswehr die friedenssichernden bzw.<br />

59


Tradition und Einsatz. Zu ethischen Aspekten der deutschen Sicherheitsvorsorge<br />

–stiftenden Auslandseinsätze genannt: Neben der alten<br />

‚Tradition des Helfens’ lassen sich somit Ansätze zu<br />

einer neuen ‚Tradition des Auslandseinsatzes’ erkennen.<br />

Im ‚Weißbuch 2006’ wird festgestellt, dass die Pflege<br />

von Traditionen einen unverzichtbaren Beitrag für die<br />

Bundeswehr als Armee im Einsatz leiste, da sie der<br />

Selbstvergewisserung diene, das Handeln der Soldaten<br />

in den historischen Kontext einordne und Orientierung<br />

für militärisches Führen und Handeln biete. Allerdings<br />

bleibt dort unerwähnt, wie sich denn die Einsatzwirklichkeit<br />

mit den ebenfalls genannten Traditionslinien, den<br />

preußischen Reformen, dem militärischen Widerstand<br />

gegen den Nationalsozialismus und der Eigentradition<br />

der Bundeswehr, kompatibel verhält. Versuche werden<br />

jedoch anderenorts, so etwa in offiziellen Reden zum 20.<br />

Juli, unternommen. Da Traditionsinhalte nach den Bedürfnissen<br />

der Gegenwart ausgewählt werden, kann, wie<br />

vom geistigen Vater der Inneren Führung Wolf Graf von<br />

Baudissin in den 1950er Jahren vorbereitet, das Attentat<br />

auf Hitler unter den außenpolitischen Vorzeichen „nach<br />

vorwärts verwandelt werden“ – oder anders ausgedrückt:<br />

Die Orientierung am Gegenwärtigen liefert den Maßstab<br />

und auch die Rechtfertigung für die wertebezogene Auswahl,<br />

so dass die Frauen und Männer des 20. Juli einst<br />

gegen den Kommunismus, jetzt gegen den Terrorismus<br />

eingesetzt werden. Der zeitgemäße Vergangenheitsbezug<br />

erfährt im Zuge der Neuausrichtung ganz spezifische<br />

Ausprägungen. So betont etwa Bundesminister der Verteidigung<br />

Franz Josef Jung in seiner Rede zum 20. Juli<br />

2006, dass sich der „Dienst in der Bundeswehr und vor<br />

allem der Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten für<br />

den Frieden weltweit [...] an den Werten der mutigen Akteure<br />

des 20. Juli 1944“ orientierten.<br />

Tradition unterliegt der Transformation innerhalb der<br />

von der freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung gezogenen<br />

Grenzen. Mit Blick auf soldatisches Fehlverhalten<br />

im Einsatz betont die Bundeswehrführung, dass das ethische<br />

Bewusstsein der Staatsbürger in Uniform geschärft,<br />

die militärischen Traditionen stärker ins Bewusstsein<br />

gebracht und die Auseinandersetzung mit möglichen<br />

Vorbildern gesucht werden müsse. Fundierte historische<br />

Kenntnisse, politische Bildung und diplomatischer Takt<br />

können Fehlgriffe und/oder Fehlverhalten verhindern<br />

helfen. In der einsatzvorbereitenden Ausbildung besitzt<br />

militärische Tradition allerdings noch keine kommunikative<br />

oder identitätsstiftende Funktion. Einsatzmotivation<br />

speist sich bisher kaum aus historischen Vorbildern. Zur<br />

Zeit kommt die neue Bundeswehr im Einsatz weitestgehend<br />

ohne traditionsbezogene Motivationsfaktoren offizieller<br />

Art aus. Ob der ältere Moltke oder der Große Kurfürst<br />

nach strenger Lesart des Erlasses und mit Blick auf<br />

Sinn und Zweck der Stabilisierungseinsätze die richtigen<br />

Werte vermitteln, bleibt ohnehin fraglich. Da empirische<br />

Befunde bisher fehlen, wäre übrigens interessant zu erfahren,<br />

welche ‚Helden’ denn in der Seitentasche von den<br />

Soldatinnen und Soldaten selbst mitgenommen werden,<br />

so sie sich in postheroischen Zeiten noch mit Gestalten<br />

grauer Vorzeit überhaupt identifizieren mögen. Möglicherweise<br />

erweist sich eine Idee, die Brigadegeneral Karl<br />

Schreiner kürzlich in den <strong>Gneisenau</strong>-Blättern vortrug,<br />

als richtungsgebend: „Erinnerungskultur, z.B. an erfolgreiche<br />

Einsätze kann in der Truppe zur Vermittlung der<br />

tradierbaren Werte genutzt werden“. Diese Überlegung<br />

steht übrigens im Einklang mit den Richtlinien, wonach<br />

gemäß Paragraph 19 auch soldatische Erfahrungen für<br />

die Ausbildung der Streitkräfte herangezogen werden<br />

sollen. Zu recht betonte daher Generalinspekteur General<br />

Wolfgang Schneiderhan in einem Interview im März<br />

2005, dass neben einem gewissenhaften Umgang mit der<br />

Vergangenheit im Vordergrund der Betrachtungen die<br />

50jährige Geschichte der Bundeswehr und ihre eigenen<br />

sinnstiftenden Leistungen stehen sollten.<br />

Die 50 Jahre alte Bundeswehr hat sich eine eigene Tradition<br />

geschaffen, auf die sie stolz blicken darf. Die<br />

bundeswehreigenen Traditionsinhalte scheinen ein Idealfall<br />

militärischer Traditionsbildung zu sein, zumindest<br />

erfüllen sie das, was bereits das ‚Weißbuch 1979’ in seinem<br />

Paragraphen 259 forderte: „Tradition ist alltäglich,<br />

selbstverständlich, natürlich.“ Auf die eigenen Leistungen<br />

der Streitkräfte wird in offiziellen Beiträgen aus dem<br />

Ministerium wie den militärischen Führungsstäben zu<br />

recht selbstbewusst verwiesen. Eine menschenwürdige<br />

Führungsphilosophie wurde geschaffen, die über ein<br />

ethisches Fundament verfügt, das wandelnden Anforde-<br />

60


ungen standhalten muss. Bundeswehreigene Traditionen<br />

sind keine kriegerischen Traditionen. Als Defensiv-Armee<br />

hat sich die Bundeswehr auch in multinationalen Auslandseinsätzen<br />

zu bewähren, von humanitären Missionen<br />

bis zum Kampfeinsatz. Ob sie für die ethische Dimension<br />

ihres Auftrages soldatische Vorbilder vergangener<br />

Zeiten benötigt, oder Traditionen genügen, die sie selbst<br />

in ihrer langen Geschichte hervorgebracht hat, muss die<br />

Zeit zeigen, denn, wie es bei Italo Svevo heißt, „die Vergangenheit<br />

ist immer neu. Sie verändert sich dauernd, wie<br />

das Leben fortschreitet“.<br />

61


Abschied vom Bild des Offiziers?<br />

Text:<br />

Dr. Eberhard Birk<br />

„Es gibt nichts, was ein deutscher Offizier nicht kann.“<br />

I. Prolegomena<br />

Es gehört zu den Eigentümlichkeiten des Militärs, dass<br />

nach inneren und äußeren Konstanten und Gewissheiten<br />

gefragt wird, die sich in Traditionen und fest umrissenen,<br />

Normen einfordernden ‚Bildern vom Offizier’ niederschlagen<br />

sollen. Selbst wenn sie nicht immer positiv<br />

artikuliert werden können, so ist ihnen gewiss, dass ‚man’<br />

weiß, was nicht dazu gehört. Sicher bleibt: Offiziere<br />

waren und sind als militärische Führungselite – in ihrer<br />

klassischen Trias als Ausbilder, Erzieher und Führer – der<br />

Transmissionsriemen für eine nach militärischen Gesichtspunkten<br />

einsatztaugliche Armee.<br />

Wollte man das Ergebnis einer fiktiven Umfrage unter<br />

unbeteiligten Zivilisten zugrunde legen, wären die Bilder<br />

des Offiziers schnell skizziert: Der Offizier bildet im<br />

Frieden seine Soldaten aus und führt sie im Krieg (heute:<br />

Einsatz). Im Subtext, so wird man weiter annehmen<br />

dürfen, hat man den schneidigen Leutnant oder Hauptmann<br />

vor Augen, der den Sturmangriff gegen feindliche<br />

Stellungen führt, den sich auf langjährige Erfahrung<br />

berufenden Stabsoffizier, den Monokel tragenden adligen<br />

preußischen General mit ordensgeschmückter Brust, den<br />

in Stalingrad oder Berlin letzte Stoßtrupps befehligenden<br />

Wehrmachtsoffizier, den der SED-Parteiräson folgenden<br />

spröden NVA-Offizier oder den nach zwei Wochen<br />

Truppenübungsplatz zurückkehrenden schmucklosen<br />

Verteidigungsspezialisten der Bundeswehr bis 1989/90,<br />

der nach und nach vom bewaffneten und studierten, uniformtragenden<br />

‚Entwicklungshelfer’ abgelöst wurde, der<br />

seinerseits, resp. nun die ihrerseits, Selbstmordanschlägen<br />

am anderen Ende der Welt ausgesetzt ist.<br />

Dies spiegelt unbewusst den Wandel eines Berufsbildes<br />

wider, das äußeren Einflüssen und innermilitärischen<br />

Idealvorstellungen im Laufe zweier Jahrhunderte unterlag.<br />

Die Schaffung eines eigenen militärischen Raumes<br />

kontrastiert indes mit dem Vorwurf, in der – dadurch ausgegrenzten<br />

– <strong>Gesellschaft</strong> nicht integriert zu sein. Dieser<br />

Spannungsbogen zieht sich über Jahrhunderte deutscher<br />

Eberhard Birk<br />

Militärgeschichte in allen ihren Facetten hin. Ihr militärhistorischer<br />

Ort ist auch die Frage nach Selbst- und<br />

Fremdbildern sowie in neuerer Zeit jene nach der Akzeptanz<br />

des Primats nicht unbedingt – stets vorhandener<br />

– politischer, wohl aber demokratischer Kontrolle von<br />

Streitkräften und der Identifikation von Streitkräften und<br />

Offizierkorps mit dem jeweiligen politischen System, das<br />

die Rahmenbedingungen soldatischen Dienens definiert.<br />

Die Wurzeln jedoch reichen tief zurück, wenngleich erst<br />

mit Aufkommen stehender Heere zur Zeit des Absolutismus<br />

der Offizier als neues Berufsbild konstitutiven<br />

Charakter erlangte. Das Bild des Offiziers erfährt seine<br />

unscharfen Umrisse von einer, in der Regel bar jeglicher<br />

historischen Faktizität, romantisch-ideellen Vorstellung,<br />

die am vordemokratischen Ehrbegriff eine diffuse Orientierung<br />

findet, und darüber hinaus auf eine ahistorische<br />

Verklärung und konstruierte Kontinuität in die Zeit des<br />

Rittertums zurückreicht.<br />

Dieser statische Charakter der ‚Ritterlichkeit’ im Verhalten<br />

steht das notwendige Einüben eines handwerklichfunktionalen<br />

militärischen Könnens und das Ausüben<br />

einer umfassenden Führungskompetenz gegenüber, die<br />

sich mit den sich dynamisch verändernden Einwirkungen<br />

auf die Kriegführung weiter entwickelten. Mit deren<br />

Wandel ist somit danach zu fragen, was die Überlieferung<br />

62


mit allen ihren Brüchen an Orientierung bereit hält. Allen<br />

Veränderungsprozessen zum Trotz wurde dabei seit Jahrhunderten<br />

‚das Ewige im Vergänglichen’ gesucht.<br />

II. Die Beeinflussung von Offizierbild und<br />

Anforderungsprofil<br />

So wie moderne Militärgeschichte operationsgeschichtliche<br />

Detailstudien nicht aus dem historisch-politischen<br />

und strategischen Zusammenhang reißen kann, ohne<br />

verfälschende Ergebnisse zu produzieren, können und<br />

dürfen ‚Bilder vom Offizier’ nicht auf Fragen der militärfachlichen<br />

Qualifikation und die romantisch-ideell überlagerten<br />

Fragen der Etikette reduziert werden.<br />

Offizierkorps verstehen sich bisweilen als überindividuelle<br />

Gruppen und als Generationen übergreifendes<br />

Kooptationskartell. Indes: Eine Karrieren und Verhalten<br />

nachzeichnende Analyse kann nie davon ausgehen, dass<br />

der Eintritt in eine Armee dem Übertreten von einem isolierten<br />

Reagenzglas in das andere vergleichbar wäre. Ohne<br />

diachrone und synchrone Bezüge zum gesellschaftlichen<br />

Wandel bleiben Normen einfordernde berufsspezifische<br />

‚Bilder’ ohne Aussagerelevanz. In anderen Worten: Bilder<br />

und Qualifikationserfordernisse verändern sich mit den<br />

Rahmenbedingungen.<br />

Die größten Veränderungen ergeben sich durch Militärische<br />

Revolutionen (MR) und Revolutions in Military Affairs<br />

(RMA). Militärische Revolutionen verändern unvorhersehbar<br />

und kaum kontrollierbar menschliche <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

und deren eingeübte Funktionsmechanismen;<br />

ihre Auswirkungen haben konstitutiven Charakter für ein<br />

neues Kriegsbild durch die Vergrößerung der Basis der<br />

für den Kriegseinsatz mobilisierbaren Potenzen auf sich<br />

erweiternden Politik- und Handlungsfeldern. Als Militärische<br />

Revolutionen lassen sich feststellen: die Entstehung<br />

des modernen Staates im 16./17. Jahrhundert (MR I:<br />

Staat); die Französische Revolution (MR II: Nation), die<br />

Industrielle Revolution (MR III: Wirtschaft und Technik),<br />

die Kombination aller MR in beiden Weltkriegen (MR IV:<br />

MR I-III + Ideologie als ‚Totaler Krieg’); das nukleare<br />

Zeitalter des Kalten Krieges (MR V: Nuklearisierung)<br />

sowie seit 1991 die Globalisierung (MR VI: Globalisierung,<br />

Information, Molekularisierung).<br />

Eine RMA ist eine über einen qualitativen technischen<br />

Quantensprung oder organisatorisch und konzeptionell<br />

induzierte grundlegende Neuausrichtung der bewaffneten<br />

Macht, die sich durch den Implementierungsprozess<br />

einer Transformation auf Organisation, Strategie, Doktrin,<br />

Ausbildung, Führung, Logistik etc. auswirkt, um<br />

damit entscheidende militärische Überlegenheit zu erzielen.<br />

Hierfür gibt es in der Geschichte der Kriegführung<br />

unzählige Beispiele. In der Regel zielt eine RMA auf die<br />

Herstellung einer Dissymmetrie, um damit einen Vorsprung<br />

für militärische Duellsituationen innerhalb eines<br />

Paradigmas zu erreichen, wodurch sie sich von der Asymmetrie<br />

unterscheidet, der die Mittel und der Wille fehlen,<br />

um innerhalb eines Paradigmas gleichzuziehen.<br />

Während jedoch in der Abfolge der Militärischen Revolutionen<br />

und Revolutions in Military Affairs bis 1991<br />

– beschleunigt durch die jeweiligen Kriegserfahrungen<br />

– innerhalb kurzer Zeit die Symmetrie im Kreis der<br />

Mächte hergestellt wurde, besteht die mögliche Gefahr,<br />

dass weitere RMAs die militärischen Fähigkeiten einer<br />

Macht in einem Maße steigen, die weit über den Sinn<br />

für den Einsatz ‚hinausschießen’, wenn sie nicht in eine<br />

über die Zeit nach der militärischen Auseinandersetzung<br />

hinausweisende, integrierte Gesamtstrategie eingebunden<br />

wird. Die Innovationszyklen der RMA mit immer kürzeren<br />

Abständen bei anhaltender Unsicherheit über die nun<br />

neuartige Dimension der MR führt tendenziell zu dem<br />

Ergebnis, dass man sich vermutlich vom statischen ‚Bild<br />

des Offiziers’ zu verabschieden hat.<br />

Vor diesem Hintergrund ist in Form einer These vorzuschlagen,<br />

eine terminologische Präzisierung des Begriffes<br />

vom ‚Bild des Offiziers’ vorzunehmen. Eine Militärische<br />

Revolution verlangt als neues Paradigma auch ein<br />

neues ‚Bild des Offiziers’, das die Veränderungen auf<br />

politischem, gesellschaftlichem, sozialen und (rüstungs-)<br />

wirtschaftlichem Terrain – und damit auch die sich ändernden<br />

Dimensionen der Legitimation soldatischen<br />

Dienens – geistig reflektiert; durch eine innerhalb des<br />

63


Abschied vom Bild des Offiziers?<br />

Paradigmas sich ereignende RMA verändern sich die jeweiligen<br />

Anforderungsprofile an den Offizier, die dessen<br />

genuin militärische Führungs- und Handlungskompetenz<br />

maximieren.<br />

III. Bilder vom Offizier in der Vergangenheit<br />

– panta rhei<br />

Epochale Einschnitte im Zuge Militärischer Revolutionen<br />

und RMAs sowie die beinahe unzähligen Umbrüche<br />

staatlich-politischer und militärischer Art in der deutschen<br />

Geschichte in den letzten zwei Jahrhunderten hatten auch<br />

Veränderungen der jeweiligen Vorstellungen vom Offizierberuf<br />

zur Folge. In diese Rahmenbedingungen ist nun<br />

ein jeweilig konstruiertes Bild des Offiziers einzufügen.<br />

Durch die MR I entstand der institutionalisierte frühneuzeitliche<br />

territoriale Flächenstaat, der die Herstellung,<br />

Sicherung, Vertiefung und Erweiterung des monarchischen<br />

Souveränitätsanspruches auf alle Politik- und<br />

<strong>Gesellschaft</strong>sfelder zum Inhalt hat. Insbesondere durch<br />

die Perpetuierung monarchischer Verfügungsgewalt über<br />

ein auf Dauer aufgestelltes stehendes Heer wurde das an<br />

die Person des Monarchen gebundene, fast ausschließlich<br />

adlige, dem ständischen Habitus noch verpflichtete<br />

Offizierkorps zur militärischen Führungsschicht. Diese<br />

Altlast aus der Ständezeit wurde zu einem staatlichen,<br />

systemstabilisierenden Dienstethos transformiert. Ehre,<br />

Eid und Esprit de Corps erlangten konstitutiven Charakter.<br />

Dieses Bild des Offiziers hat über den Absolutismus<br />

hinaus einen stabilen Charakter; es wird in der preußischen<br />

Geschichte nur durch die preußische Heeresreform<br />

unterbrochen, im Zuge der Restaurationsphase nach dem<br />

Wiener Kongress jedoch fast unverändert wieder aufgenommen.<br />

Durch die MR II (Französische Revolution) wandelte<br />

sich auch das Bild des Offiziers. Ihre über die nationalen<br />

Grenzen hinausweisende Universalität musste auch<br />

Nachwirkungen im Selbstverständnis und in der Zugangsberechtigung<br />

der militärischen Eliten aufweisen.<br />

Die nach der in ihren Folgen katastrophalen Niederlage<br />

Alt-Preußens gegen Napoleon in der sog. Doppelschlacht<br />

bei ‚Jena und Auerstedt’ am 14. Oktober 1806 verfolgte<br />

Zielsetzung der Integration des Bürgertums – auch als<br />

Ausdruck der Modernität – in Staat und Armee war ohne<br />

Alternative. Um dem Ideal von Scharnhorst nahe zu<br />

kommen – „Armee und Staat inniger zu vereinen“ –, gab<br />

es nur die Möglichkeit der Wehrpflicht, die den bürgerlichen<br />

Wehrpflichtigen zwar nicht zur Normalität machte,<br />

wohl aber zur Norm erhob. Somit mussten sich die<br />

Offiziere ihre „Bestimmung, die Erzieher und Anführer<br />

eines achtbaren Teils der Nation zu sein, immer vergegenwärtigen“<br />

– so verlangte es ihr Souverän. Folglich wurde<br />

am 6. August 1808 festgelegt: „Einen Anspruch auf<br />

Offizierstellen können in Friedenszeiten nur Kenntnisse<br />

und Bildung gewähren, im Kriege ausgezeichnete Tapferkeit,<br />

Tätigkeit und Überblick.“ Es genügte nicht mehr,<br />

als Offizier einer rein soldatischen Elite anzugehören,<br />

wenn die neben Besitz klassischen bürgerlichen Attribute<br />

‚Kenntnisse und Bildung’ fehlten. Die Qualifikation für<br />

den Zugang zum Offizierberuf wurde so verbreitert, dass<br />

damit eine Grundlegung erfolgte, die Epochen übergreifende<br />

Bedeutung besitzt.<br />

Die Phase der politischen Restauration verdrängte nicht<br />

nur den Ansatz von Scharnhorst und <strong>Gneisenau</strong>, indem<br />

sie zum Bild des Offiziers aus dem Absolutismus zurückkehrte.<br />

Das politische System Preußens, des Norddeutschen<br />

Bundes und des Kaiserreiches ließen ein neues<br />

Bild des Offiziers, das den Veränderungen der MR III<br />

im Zuge der Industrialisierung Rechnung getragen hätte,<br />

nicht zu. Die seit dieser Zeit streng monoton steigende<br />

Bedeutung der Rolle der (militärischen) Technik führte<br />

stattdessen zu einer Verkürzung und Fokussierung des<br />

‚Bildes’ auf ein immanentes RMA-Anforderungsprofil.<br />

Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Industrialisierung<br />

wurde als soziale Herausforderung des politischen<br />

Systems wahrgenommen, die sich abzeichnende Relevanz<br />

des industrialisierten Kriegsbildes auf Hinterladergewehre,<br />

verbesserte Artilleriegeschütze und Eisenbahnlinien<br />

reduziert. Schneidigkeit, Casinoton und der ‚Adel der<br />

Gesinnung’ waren als Gegenentwurf zum ‚Bild des Offiziers’<br />

nicht ausreichend.<br />

64


Die MR IV als Summe der MR I-III, mit dem Zusatz<br />

‚Ideologie’ versehen, führte in der ersten Hälfte des<br />

20. Jahrhunderts zum Ergebnis des ‚Totalen Krieges’.<br />

Hier ist eine doppelpolige Entwicklung zu konstatieren.<br />

Einerseits entstand unter den Bedingungen des technisch-industrialisierten<br />

Abnutzungskrieges des Ersten<br />

Weltkrieges der Frontkämpfertypus, von dem viele in<br />

der Zwischenkriegszeit zum mentalen SA-Marschierer<br />

wurden. Andererseits kultivierte die Reichswehrführung<br />

den unpolitischen, mit – in Anlehnung an das ‚Bild des<br />

Offiziers’ aus der MR I – geradezu aristokratischer Überhebung<br />

sich sehenden und auf sein rein militärisches<br />

Handwerk verstehenden professionellen Offizier. Beide<br />

verschmolzen im Zweiten Weltkrieg, insbesondere an der<br />

Ostfront, zu einem Bild des Offiziers, das den in der NS-<br />

Weltanschauung behafteten Offiziers, der zum zeitversetzten<br />

Zwilling des Frontkämpfertypus des I. WK wird,<br />

als ‚Ideal’ erkannte.<br />

Die MR V (Nuklearisierung) führte vor dem Hintergrund<br />

der bipolaren Systemkonfrontation des Kalten Krieges in<br />

Europa und der innerdeutschen Grenze zum ‚karrierebewussten<br />

Gewalttechnokraten’, der über das Leitbild des<br />

Staatsbürgers in Uniform und die Innere Führung an die<br />

freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes<br />

gebunden wird. In der Realität wurde allerdings als<br />

‚Bild des Offiziers’ über lange Phasen der Geschichte der<br />

Bundeswehr eine Mischung aus den MR I-IV präferiert,<br />

was sich auch in der chronischen Frage nach dem ‚gültigen<br />

Erbe des deutschen Soldaten’, i.e. der Traditionsfrage,<br />

manifestierte.<br />

Mit der MR VI (Information und Molekularisierung) im<br />

Zuge der Globalisierung seit 1991 wurden, den Realitäten<br />

der neuen ‚Welt(un)ordnung’ geschuldet, ‚Transformation’<br />

und ‚Armee im Einsatz’ zum neuen Bundeswehr-<br />

Paradigma. Vor dem Hintergrund sich seit dem 20. Jahrhundert<br />

in immer kürzeren Abständen ereignenden und<br />

wechselseitig überlappenden MR und RMA und einer<br />

zunehmenden Komplexität von Herausforderungen, die<br />

sich für die Bundeswehr in einer zunehmenden Anzahl<br />

von Auslandseinsätzen niederschlagen, sehen sich Offiziere<br />

wie Soldaten mit einem Verlust der Gewissheiten<br />

konfrontiert und allein gelassen. Bilder des Offiziers und<br />

Anforderungsprofile scheinen gesprengt zu sein.<br />

Als kurze Summe ist festzuhalten: Der Wandel eines Berufsbildes<br />

ist mit Händen greifbar. Die zum Teil wechselseitigen<br />

Verflechtungen und gelegentliche Potenzierung<br />

von Militärischen Revolutionen und RMAs sowie die<br />

daraus folgenden Veränderungen des Kriegsbildes haben<br />

stets ein neues Anforderungsprofil für den Offizier<br />

geschaffen und Veränderungen am ‚Bild des Offiziers’<br />

verursacht, das einer von außen induzierten Dynamik unterlag.<br />

Die alten Bilder des Offiziers waren nach einer MR<br />

aus dem militärischen Raum heraus nicht mehr immer<br />

steuerbar. Versuche des Beharrens waren trotzdem gelegentlich<br />

so dominant, dass Armeen, wie die preußische<br />

1806, an den Folgen einer MR scheiterten. Aber auch die<br />

Veränderungen des Anforderungsprofils wurden stets an<br />

den sich gewohnheitsmäßig und des sich der vermeintlich<br />

zeitenthobenen Tradition seines (Berufs-) ‚Standes’<br />

bewussten am Bekannten, Alten orientierenden – eben<br />

konservativen – Offizier herangetragen. Die Verweigerung<br />

des geistigen Reflektierens, Mitdenkens und Weiterentwickelns<br />

notwendiger Anpassungsprozesse erwies sich<br />

als Katalysator des Nichtbestehens.<br />

IV. Grundlegung durch Bildung und Innere<br />

Führung<br />

Die erste tragfähige Grundlegung erfolgte vor zwei Jahrhunderten.<br />

Die Zielsetzungen der preußischen Heeresreform,<br />

die – neben den Erfordernissen einer adäquaten<br />

Begegnungen der Herausforderungen der Französischen<br />

Revolution – nur im Rahmen der Gesamtheit des Reformwerkes<br />

ihren tieferen Sinn erlangen, erfahren über<br />

den engen Zusammenhang von Tradition, Bildung und<br />

Legitimation soldatischen Dienens einen Anknüpfungspunkt<br />

für die Grundlegung eines ‚Bildes vom Offiziers’<br />

in der Transformation der Gegenwart. Die den Prozessen<br />

innewohnende, zielführende Konstante heißt:<br />

Horizonterweiterung durch Wissen, (Aus-) Bildung und<br />

Erziehung.<br />

65


Abschied vom Bild des Offiziers?<br />

Ohne je eine Katastrophe erlebt zu haben, befindet sch<br />

die Bundeswehr seit einigen Jahren in ihrem Transformationsprozess.<br />

Die Behauptung, er sei – wenn überhaupt<br />

– nur noch mit der Aufstellungsphase der Bundeswehr<br />

und der Preußischen Heeresreform vor 200 Jahren zu<br />

vergleichen, ist richtig. Beiden ‚Neugründungen’ gingen<br />

jedoch politische, militärische und moralische Katastrophen<br />

(1806 und 1945) voraus, nach denen grundsätzliche<br />

Neuorientierungen notwendig wurden. Neben den (sicherheits-)<br />

politischen Implikationen ging es bei beiden<br />

Neuanfängen auch um neue ‚Bilder vom Offizier’.<br />

Die preußischen Heeresreformer um Scharnhorst und<br />

<strong>Gneisenau</strong> erkannten nicht zuletzt in einem überalterten<br />

und geistig unflexiblen, alten Standestraditionen<br />

verpflichteten Offizierkorps einen der Hauptgründe für<br />

die vollkommene Niederlage gegen Napoleon. ‚Jena und<br />

Auerstedt’ wurde zur Chiffre eines gesamtstaatlichen und<br />

militärischen Modernisierungsdefizits. Die gebotenen<br />

Staats-, <strong>Gesellschaft</strong>s- und Bildungsreformen spiegelten<br />

sich auch in den Militärreformen wider. Die Neuregelung<br />

des (bürgerlichen) Zugangs zum Offizierberuf sowie die<br />

Notwendigkeit einer zeitadäquaten Bildung, lebenslanges<br />

Lernen in Form allgemeiner und militärfachlicher Weiterbildung<br />

wurden von Scharnhorst und <strong>Gneisenau</strong> bereits<br />

vor 200 Jahren eingefordert. Ihre Postulate dienen als<br />

Anknüpfungspunkte für das heutige Berufsverständnis<br />

als Offizier. Damals wie heute in der Transformation gilt,<br />

was <strong>Gneisenau</strong> im Juli 1808 formulierte: „Die neue Zeit<br />

braucht mehr als alte Titel und Pergamente, sie braucht<br />

frische Tat und Kraft.“<br />

Auch die Neukonzeption der Bundeswehr als Bündnisund<br />

Parlamentsarmee mit ihrem ‚Staatsbürger in Uniform’,<br />

der als freie Persönlichkeit und motivierter Soldat<br />

die ihm vom Grundgesetz eingeräumten bürgerlichen<br />

Freiheitsrechte verteidigt, war ein Erfolgsmodell. Die<br />

Innere Führung verband das soldatische Dienstethos mit<br />

dem Wertegefüge des Grundgesetzes. Ihr maßgeblicher<br />

spiritus rector, Wolf Graf von Baudissin, sah aus militärhistorischer,<br />

sicherheits- und verteidigungspolitischer<br />

Perspektive die Notwendigkeit, aus den beiden traditionsstiftenden<br />

und freiheitlich deutbaren Ereignissen, i.e. der<br />

preußischen Heeresreform und dem militärischen Widerstand<br />

gegen Hitler und das NS-Regime, die historischpolitische<br />

Quintessenz für die aufzustellende Bundeswehr<br />

zu ziehen.<br />

Seine ‚Beurteilung der Lage’, aus der die innere Notwendigkeit<br />

der Inneren Führung quasi ‚systemimmanent’<br />

folgte, sah wie folgt aus: Die politische, militärische<br />

und moralische Katastrophe (1933/39-1945) entließ die<br />

Deutschen unmittelbar in den bipolaren Systemantagonismus.<br />

In der latenten ideologischen Gefahr eines<br />

‚Weltbürgerkrieges‘ muss der Soldat der Bundeswehr<br />

um das ‚Wogegen?‘ und ‚Wofür?‘ wissen. Daher war das<br />

soldatische Selbstverständnis an das Wertegefüge des<br />

Grundgesetzes zu koppeln. Für den Offizier genauso wie<br />

für die jeweiligen Streitkräfte gilt das Postulat Baudissins:<br />

„Armeen können nur in Form sein, wenn sie die Strukturen<br />

des Ganzen widerspiegeln und wenn sie von dem<br />

gleichen Geist beseelt sind, der das Ganze trägt. Soldaten<br />

sind Kinder ihrer Zeit; Streitkräfte repräsentieren die<br />

gesellschaftlich-politischen Herrschaftsformen, deren Instrumente<br />

sie sind.“<br />

Der Eid des Soldaten der Bundeswehr, abgelegt auf<br />

das Freiheits-, Rechts- und Demokratieverständnis der<br />

Bundesrepublik Deutschland, wurde zur verpflichtenden<br />

Norm. Das wertgebundene soldatische Berufsverständnis<br />

des – seit den 1970er Jahren idealtypisch studierten<br />

– Offiziers, der die militärfachlichen und technischen<br />

Anforderungen des Dienstes genauso beherrscht wie er<br />

die Prinzipien der Inneren Führung verinnerlicht hat und<br />

seinen Soldaten als Vorbild vorlebt, bleibt die Grundkonstante<br />

des ‚Bildes vom Offizier’.<br />

Dieses wurde jedoch über lange Phasen der Geschichte<br />

der Bundeswehr von innen heraus in Frage gestellt,<br />

die Innere Führung als ‚Maske’ diskreditiert, die man<br />

nun abnehmen könne, da sie den Blick auf die harte<br />

Realität des immer gleich sich darstellenden Lebens des<br />

Soldaten verwehre. Bereits im Weißbuch 1970 wurde<br />

daraufhin unmissverständlich und apodiktisch überhöht<br />

– auch auf §8 SG hinweisend – formuliert: „Deswegen<br />

sind die Grundsätze der inneren (sic!) Führung keine<br />

66


‚Maske’, die man ablegen könnte, sondern ein Wesenskern<br />

der Bundeswehr. Wer sie ablehnt, taugt nicht zum<br />

Vorgesetzten unserer Soldaten.“ Eine Infragestellung<br />

der ‚Führungsphilosophie’ der bundesrepublikanischen<br />

Bürgerarmee konnte weder vom Parlament noch von der<br />

verantwortlichen Exekutive hingenommen werden. Mit<br />

dem Ausscheiden noch kriegsgedienter Soldaten, dem<br />

Nachrücken bundesrepublikanisch sozialisierter Offiziere<br />

in höchste Führungspositionen und der für eine Wehrpflichtarmee<br />

einer Republik alternativlose Akzeptanz der<br />

Inneren Führung und ihrem Leitbild des Staatsbürgers in<br />

Uniform war bei den unzähligen Versuchen der Kodifikation<br />

eines Bildes vom Offiziers die Stabilität verleihende<br />

Grundlegung stets der nicht diskutierbare Bezug auf den<br />

Wertekanon des Grundgesetzes die conditio sine qua non<br />

soldatischen Dienens.<br />

Das ‚klassische’ Bild des gebildeten Offiziers blieb in der<br />

Realität ein Ideal. Es ist der Offizier der Zeit <strong>Gneisenau</strong>s<br />

und Scharnhorsts, es ist der Offizier des militärischen<br />

Widerstandes, der weiß, wann Gehorsam spätestens zu<br />

verweigern ist, es ist der studierte, überzeugte Anhänger<br />

der Inneren Führung der 70er Jahre der Bundeswehrzeit<br />

– es ist der Offizier, der sich in seinem Selbstverständnis,<br />

fast ohne es zu ahnen, auf Werthaltungen und Ereignisse<br />

bezieht, die mit dem Traditionsverständnis der Bundeswehr<br />

korrespondieren, das wiederum nichts anderes reflektiert<br />

als die in die Vergangenheit projizierte Frage um<br />

die Akzeptanz der Inneren Führung.<br />

V. Die neuen Rahmenbedingungen und ihre<br />

Begegnung<br />

Der Zusammenbruch des ‘monolithischen’ Sowjetreiches<br />

löste neben den Umwälzungen auf (gesellschafts-) und<br />

wirtschaftspolitischem Terrain einen sicherheitspolitischen<br />

Paradigmenwechsel aus und hinterließ auch eine<br />

‘NATO ohne Feindbild’. Eine multi- bzw. apolare Welt<br />

trat an die Stelle des antagonistischen Bipolarismus. Der<br />

Kalte Krieg hatte historisch-politisches und ethnischreligiöses<br />

Konfliktpotential lediglich eingefroren. Das<br />

komplexe Verflechtungssystem im Rahmen des (west-)<br />

europäischen Integrationsprozesses fand ein spiegelbildlich<br />

verkehrtes Pendant in der Desintegration und Instabilität<br />

in der sicherheitspolitischen Peripherie Europas.<br />

Frieden in Europa bedeutet nicht Frieden für Europa.<br />

Neue und vielschichtige, in erster Linie außerkontinentale<br />

Bedrohungsszenarien ‘gordischer Komplexität’ ließen die<br />

erhoffte ‘Friedensdividende’ zur Fiktion werden. Nichts<br />

könnte sich für ‚den Westen’ als fataler erweisen als der<br />

‚Glaube’, der Rest der Welt würde sich im Laufe der Zeit<br />

westlichen ‚Wertecodes’ und Überzeugungen angleichen.<br />

Weltweiter, zwischen- und innerstaatlicher Friede ist kein<br />

Naturzustand; er muss organisiert werden.<br />

Der Paradigmenwechsel der Sicherheitspolitik mit den<br />

epochalen Einschnitten von 1989/91 und ‚9/11’ brachte<br />

gravierende Veränderungen für die Bundeswehr. In<br />

ihren Dimensionen wird sich die Transformation der<br />

Bundeswehr als schwierig erweisen. Ihre Notwendigkeit<br />

steht außer Frage. Es gilt nicht nur ein ‚Jena und Auerstedt’<br />

zu vermeiden, sondern die Bundeswehr in einem<br />

permanenten Anpassungsprozess ‚fit for future’ zu machen.<br />

Hier sind die militärischen Eliten als Analysten und<br />

Initialzünder genauso gefordert wie das Parlament als<br />

legitimations- und richtungsdeutendes Instrument und<br />

der einzelne Offizier im täglichen Dienst im Garnisonsstandort<br />

wie im Einsatz.<br />

Die Weiterführung einer – nun fiktiven – Baudissin’schen<br />

Lagebeurteilung könnte folgende sein: Die Bewährung der<br />

Bundeswehr im Kalten Krieg und in den ersten Einsätzen<br />

im Rahmen der internationalen Gemeinschaft unter<br />

verschiedenen Flaggen resp. ‚Hüten’ ist erfolgt. Ein hohes<br />

Maß an Unschärfe bei der konzisen Nennung neuer,<br />

komplexer Herausforderungen incl. einer ideologischen<br />

Überlagerung durch verschiedene Facetten des terroristischen<br />

Islamismus sowie die latente ideologische Gefahr<br />

eines ‚clash of civilizations‘ stellen eine existenzielle Herausforderung<br />

dar. Es bleibt die Frage nach der geistigen<br />

Verankerung des Offiziers. Es bleibt das Zurückgeworfensein<br />

auf die eigenen kognitiven und empathiegeleiteten<br />

Fähigkeiten. Es bleibt die Frage nach dem Wofür? Die<br />

Antwort ist schwierig und einfach zugleich. Die Ableitung<br />

der Quintessenz Baudissins indes bliebe wohl: Der Soldat<br />

der Bundeswehr muss um das ‚Wogegen?‘ und ‚Wofür?‘<br />

67


Abschied vom Bild des Offiziers?<br />

wissen – die ethische Rückbindung soldatischen Dienens<br />

an das Wertegefüge des Grundgesetzes.<br />

Gleichwohl werden sich die Themen- und Handlungsfelder<br />

der Inneren Führung weiterentwickeln müssen, da sie<br />

durch die parlamentarische Willensbildung, aktuelle und<br />

prognostizierte sicherheitspolitische Herausforderungen<br />

sowie den Wertewandel in der <strong>Gesellschaft</strong> auch einer<br />

externen Dynamik unterliegen. Solange niemand auch<br />

nur annähernd in der Lage ist, ein auch intellektuellen<br />

Ansprüchen genügendes Bild des Offiziers anzubieten,<br />

kann sich jeder, der mehr verspricht, als falscher Prophet<br />

erweisen resp. entpuppen.<br />

VI. Anforderungen an den Offizier<br />

Die Erweiterung des Sicherheitsbegriffes in der Gegenwart<br />

erweitert die zu bewältigenden Aufgaben: Schwerpunkte<br />

verschieben sich, Handlungsfelder bekommen<br />

neue Akzentuierungen, neue Herausforderungen kommen<br />

hinzu – allein dies zu erkennen und verinnerlichen<br />

verdeutlicht die intellektuelle Dimension: Transformation<br />

beginnt im Kopf. Hier steht der Offizier insbesondere als<br />

Ausbilder und Erzieher der ihm anvertrauten Soldaten<br />

in der Pflicht. Er hat ihnen den Wesensgehalt und die<br />

Zielsetzung soldatischen Dienens, die politischen und militärischen<br />

Implikationen des Einsatzes sowie die ethische<br />

Legitimation zu verdeutlichen.<br />

Um ihrem Auftrag gerecht werden zu können, brauchen<br />

die Offiziere kein neues ‚Bild des Offiziers’ – Grundgesetz<br />

und Soldatengesetzt gelten nach wie vor –, sie<br />

müssen vielmehr einem neuen dynamischen Anforderungsprofil<br />

gerecht werden, das die gesamte Palette der<br />

Qualifikationen in ihrer (Einsatz-)Relevanz abbildet.<br />

Hierfür muss ‚der Offizier’ nicht neu erfunden werden.<br />

Die ‚alten’, bewährten Kernfunktionen des Offiziers als<br />

Führer, Ausbilder und Erzieher bleiben erhalten – was<br />

sollte sie auch ersetzen? Aber der ‚Stolz’ der deutschen<br />

Militärgeschichte, die Aufrechterhaltung der Auftragstaktik,<br />

funktioniert nur bei einem hohen Bildungsniveau.<br />

Nur wer sich – insbesondere als Offizier – in Selbstdisziplin<br />

seinen Wissens- und Bildungshorizont verbreitert,<br />

wird mit den Freiräumen des Auftrages verantwortlich<br />

umgehen und erfolgreich bestehen können. Ressort<br />

übergreifende, vernetzte Sicherheitspolitik braucht auch<br />

Ressort übergreifend und vernetzt denkende und handelnde<br />

Offiziere.<br />

Der erste Traditionserlass von 1965 wies bereits auf diesen<br />

einfachen Sachverhalt hin: „Geistige Bildung gehört<br />

zum besten Erbe europäischen Soldatentums. Sie befreit<br />

den Soldaten zu geistiger und politischer Mündigkeit und<br />

befähigt ihn, der vielschichtigen Wirklichkeit gerecht zu<br />

werden, in der er handeln muß. Ohne Bildung bleibt<br />

Tüchtigkeit blind.“ Was vor mehr als 40 Jahren vor einer<br />

eindimensionalen Bedrohungslage galt, wird heute umso<br />

mehr zur Verpflichtung.<br />

Bildungs- und Erziehungsfragen beginnen bei der eigenen<br />

Person. Ein wissenschaftliches Studium erweitert zwar<br />

den individuellen Horizont. Es bleibt indes weitgehend<br />

wirkungslos, wenn das persönliche Engagement, auch<br />

nach Dienst, sich der lebenslangen Weiterbildung versagt.<br />

Das Mitverfolgen der Globalisierung in ihren verschiedenen<br />

Facetten und Auswirkungen (Technikentwicklung,<br />

säkulare und religiöse Weltanschauung, <strong>Gesellschaft</strong> und<br />

Wertewandel etc.) erlangen für eine Armee im Einsatz<br />

eine politische und militärische Relevanz.<br />

Die Offiziere noch mehr als die von ihnen geführten<br />

Soldaten werden in den Auslandseinsätzen als Repräsentanten<br />

und Indikatoren der Glaubwürdigkeit eines ‚westlichen’<br />

resp. europäischen Politikverständnisses wahrgenommen.<br />

Seitdem die Bundeswehr als Einsatzarmee<br />

firmiert, muss jedem Soldaten, insbesondere aber dem<br />

Offizier, klar sein, dass sein Beruf ein ausgesprochen<br />

politischer Beruf ist. Sein Handeln bestimmt maßgeblich<br />

den Erfolg der Missionen der Bundeswehr – (geduldete)<br />

Fehlhandlungen können insbesondere über nationale<br />

und internationale mediale Prozesse neben militärischen<br />

Verlusten innen- und außenpolitische Nachwirkungen<br />

zeitigen.<br />

68


Soldatisches Handeln hat deshalb als wesentliche Konstante<br />

und nicht zu diskutierendes Postulat das Menschenbild<br />

des Grundgesetzes als unverrückbaren Ausgangs-<br />

und Zielpunkt. Grundgesetz und Humanitäres<br />

Völkerrecht bilden die Grundlage für alle Einsätze der<br />

Bundeswehr. Auf der Basis einer einen möglichst breiten<br />

Horizont erahnenden geistigen Bildung, ohne Missachtung<br />

technischer Kenntnisse, versehen mit militärischer<br />

und sozialer Führungskompetenz, alleine kann der Offizier<br />

der Gegenwart Grund und sicheren Halt finden.<br />

Die dieser berufsethischen Konstante nachgeordneten<br />

Variablen leiten sich aus dem Gesamtauftrag und modernem<br />

Berufsverständnis des Offiziers, wie insgesamt aller<br />

Soldaten der Bundeswehr ab; sie bedingen sich hierbei<br />

wechselseitig: Erwerb und Sicherung militärischer und<br />

moderner technologischer Grundfertigkeiten bei physischer<br />

und psychischer Belastbarkeit bleiben genauso unabdingbar<br />

wie wirtschaftliches Handeln in Zeiten knapper<br />

Ressourcen; die Verwurzelung im Menschenbild des<br />

Grundgesetzes bedingt Interkulturelle Kompetenz, Empathievermögen<br />

und eine mitdenkende vorausschauende<br />

Lagebeurteilung; Englisch ist als (militärische) lingua franca<br />

keine Fremdsprache; soziale und methodische Kompetenzen<br />

in allen Ausbildungs- und Erziehungsfragen sowie<br />

das tägliche Vorleben eines TSK-übergreifenden Joint-,<br />

Combined- und Teamgedankens runden neben der der<br />

Lage angepassten Weiterentwicklung eventuell neuer<br />

Handlungsfelder die vielfältigen Herausforderungen für<br />

den Offizier ‚neuen Typs’ ab.<br />

Versteht er die Anforderungen des neuen Profils – intrinsisch<br />

motiviert, flexibel und beharrlich sowie am<br />

Leistungsideal orientiert – zu erfüllen, werden Berufszufriedenheit<br />

und Anerkennung automatisch folgen. Die<br />

Motti der Offizierschulen von Luftwaffe („Ich will“)<br />

und Heer („In Freiheit dienen“) geben für die Offiziere<br />

der Zukunft die Richtung vor – und nicht umsonst sieht<br />

sich die Führungsakademie der Bundeswehr als höchste<br />

Ausbildungseinrichtung auch weiterhin ihrem Motto verpflichtet:<br />

mens agitat molem (Der Geist bewegt die Materie),<br />

da Transformation und (Offizier-)Bilder im Kopf<br />

und nicht in den Gliedmaßen beginnen.<br />

Wie schwierig auch nur ein Umriss vom möglichen ‚Bild<br />

des Offiziers’ oder ein temporäres Anforderungsprofil<br />

zu skizzieren sind, wird in der Rede des Bundesministers<br />

der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, anlässlich des<br />

Festaktes zum 50-jährigen Bestehen des Zentrums Innere<br />

Führung am 30. November 2006 in Koblenz deutlich:<br />

„Haltlosigkeit, Werteverfall, Egoismus, die Abkehr von<br />

christlichen und humanistischen Idealen sind Phänomene,<br />

die in den letzten Jahren zugenommen haben (...) Auf<br />

die Vermittlung der Werte und Normen unserer freiheitlich-demokratischen<br />

Grundordnung müssen wir noch<br />

stärker als bisher Wert legen. Denn leider können wir ihre<br />

Kenntnis nicht mehr als selbstverständlich voraussetzen.“<br />

Diese Diagnose ist zutreffend. Sie hat eine militärische<br />

Relevanz, da sie für eine nachrückende Generation von<br />

Mannschaften, Unteroffizieren und Offizieren Gültigkeit<br />

besitzt. Daraus folgt eine erzieherische Verpflichtung.<br />

Der deutsche Minister schlug zunächst die nationale Therapie<br />

vor: „Geschichtliche Kenntnisse, das Wissen um<br />

die Entstehung von Werten und Normen, die Auseinandersetzung<br />

mit prägenden Gestalten der Geschichte, die<br />

Kenntnis von Symbolen gehört wesentlich zur soldatischen<br />

Erziehung. Eine Stärkung der politisch-historischen<br />

Bildung ist deshalb für mich eine wichtige Folgerung, um<br />

dem drohenden Verlust von Geschichtsbewußtsein entgegenzuwirken.“<br />

Sie ist indes parallel zu ergänzen durch die Herausbildung<br />

einer europäischen Identität. So könnte man zum<br />

Beispiel als Projekt die Etablierung einer europäischen<br />

(Sommer-) Akademie für Offizieranwärter und junge<br />

Offiziere forcieren, die eine Fortführung auf anderen<br />

Dienstgradebenen erlauben könnte – sie sind es, die das<br />

kommende Europa mit Leben ausfüllen –, einen Katalog<br />

von Geschichte und Traditionen europäischer Staaten<br />

und ihrer Streitkräfte erarbeiten oder andere Vorarbeiten<br />

für ein europäisches Werte- und Geschichtsverständnis<br />

69


Abschied vom Bild des Offiziers?<br />

betreiben sowie die Integration von Philosophie-, Ethikoder<br />

Religionsseminaren in den jeweiligen Ausbildungsgängen<br />

(verpflichtend) einführen. Dies eröffnet nicht nur<br />

den Zugang zur eigenen nationalen, internationalen oder<br />

europäischen Geschichte, sondern ermöglicht auch die<br />

Sensibilisierung für die interkulturelle Kompetenz.<br />

Es war schon immer der Vorteil einer umfassenden historisch-politischen<br />

resp. humanistischen Bildung, sie nicht<br />

nur zweckfrei zu sehen, sondern in ihr ein Ressourcenpotential<br />

zu erblicken, das horizonterweiternd Handlungssicherheit<br />

und Zusatzoptionen ermöglicht. Dies muss sich<br />

am ‚Geist’ der Inneren Führung – sie hat enormes ‚europäisches’<br />

Potential – orientieren und diese widerspiegeln.<br />

Das dem Offizierberuf Eigene, i.e. das Entscheiden und<br />

verantwortliche Befehlen, verlangt insbesondere in Zeiten<br />

des Verlustes der Gewissheiten sowie zunehmender<br />

Komplexität in den Einsatzszenarien einen klaren inneren<br />

ethischen Kompass, wie der Generalinspekteur der<br />

Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan, in seiner<br />

Rede am Zentrum Innere Führung am 2. September 2005<br />

forderte: „Wir brauchen Soldaten, insbesondere Offiziere,<br />

die die Dimension der Ethik und Moral des Berufes<br />

erfassen und weitervermitteln können.“<br />

70


AUTOREN<br />

Unsere Autoren:<br />

Brigadegeneral Robert Bergmann, Jahrgang 1949, verheiratet, drei Kinder.<br />

1969 Eintritt in die Bundeswehr bei Ausbildungskompanie 5/1 in Braunschweig, 1970-74 Gruppenführer,<br />

Zugführer und Vorgeschobener Beobachter/Batterieoffizier bei Panzerartilleriebataillon 25 in Braunschweig,<br />

1974-76 S 2 Offizier bei Panzerartilleriebataillon 25 in Braunschweig, 1977-81 Batteriechef bei 4./ und 5./<br />

Panzerartilleriebataillon 25 in Braunschweig, 1981-83 Teilnehmer am 24. Generalstabslehrgang in Hamburg,<br />

1983-85 G 2 Stabsoffizier im Stab 10. Panzerdivision in Sigmaringen, 1985-86 Teilnehmer am Generalstabslehrgang<br />

des Spanischen Heeres in Madrid, 1986-89 G 4 Planungsstabsoffizier bei NATO HQ CENTRAL,<br />

ARMY GROUP in Heidelberg, 1989-90 Kommandeur Feldartilleriebataillon 71 in Dülmen, 1990-92 G 1 Stabsoffizier<br />

des Stabes 3. Panzerdivision in Buxtehude, 1992-94 Sprecher des Generalinspekteurs der Bundeswehr<br />

im BMVg-Pressestab in Bonn, 1994-95 Kommandeur Artillerieregiment 7 in Dülmen, 1996 Militärischer<br />

Berater des hohen Repräsentanten in Sarajewo, 1997-98 Kommandeur Akademie der Bw für Information<br />

und Kommunikation in Strausberg, 1998-2000 Gruppenleiter im Bundeskanzleramt in Bonn / Berlin, 2000-02<br />

Kommandeur Panzergrenadierbrigade 19 „Münsterland“ in Ahlen [dabei von 12/2000 bis 6/2001 Chef des<br />

Stabes Multinationale Division-SE (SFOR) in Mostar], 2002-04 Kommandeur Panzerbrigade 21 „Lipperland“<br />

in Augustdorf [dabei von 06/2003 bis 11/2003 Kommandeur Multinationale Brigade (SW) KOSOVO in Prizren],<br />

2004-06 Kommandeur Zentrum Innere Führung in Koblenz, seit Juni 2006 Stabsabteilungsleiter I im<br />

Führungsstab der Streitkräfte, BMVg, Bonn.<br />

Dr. Eberhard Birk, Major d.R., Jahrgang 1967, verheiratet, 4 Kinder.<br />

1987–1993 Soldat auf Zeit, 1993–1997 Studium der Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität<br />

Augsburg, Stipendiat der deutschen Studenten- und Graduiertenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung<br />

e.V., 1999 Promotion zum Dr. phil., 1998–2000 Lehrbeauftragter an der Philosophischen Fakultät an der<br />

Universität Augsburg, seit 2000 Dozent für Militärgeschichte und Politische Bildung an der Offizierschule der<br />

Luftwaffe in Fürstenfeldbruck; Herausgeber der <strong>Gneisenau</strong> Blätter seit 2004.<br />

Veröffentlichungen (Auswahl):<br />

Monographien: Der Funktionswandel der Westeuropäischen Union (WEU) im europäischen Integrationsprozess<br />

(=Spektrum Politikwissenschaft Bd. 9), Würzburg 1999; Militärgeschichtliche Skizzen zur Frühen<br />

Neuzeit. Anmerkungen zu einer Phänomenologie der bewaffneten Macht im 17. und 18. Jahrhundert, Hamburg<br />

2005; Militärische Tradition. Beiträge aus politikwissenschaftlicher und militärhistorischer Perspektive,<br />

Hamburg 2006.<br />

Aufsätze: Einigkeit und Recht und Freiheit. Gedanken und Vorüberlegungen für den Traditionsbegriff einer<br />

Bundeswehr mit europäischer Perspektive, in: Militärgeschichte 4/2001 (11. Jg.), S. 64–72; Aspekte einer<br />

militärischen Tradition für Europa, in: Österreichische Militärische Zeitschrift (ÖMZ) 2/2004, S. 131–140; Anmerkungen<br />

zum Traditionsverständnis der Bundeswehr, in: Deutschland-Archiv. Zeitschrift für das vereinigte<br />

Deutschland 2/2004, S. 282–289; Lange und kurze Wege nach Höchstädt, in: Jahrbuch des Historischen<br />

Vereins Dillingen 2004 (105. Jahrgang), S. 241–268; Das Traditionsverständnis der Bundeswehr und seine<br />

Umsetzung an der Offizierschule der Luftwaffe, in: Ulrich vom Hagen/Björn Kilian (Hg.), Perspektiven der<br />

Inneren Führung. Zur gesellschaftlichen Integration der Bundeswehr, Berlin 2005, S. 57–75 (=Wissenschaft<br />

& Politik Bd. 2); Alexander der Große und seine ‚Grand Strategy‘, in: Österreichische Militärische Zeitschrift<br />

(ÖMZ) 5/2005, S. 635–642; Napoleon und <strong>Gneisenau</strong> . Anmerkungen zu ihrer Aktualität vor dem Hintergrund<br />

des Irakkrieges, in: Österreichische Militärische Zeitschrift (ÖMZ) 1/2006; Hannibal und sein strategisches<br />

Scheitern. Vom brillanten Eröffnungszug zum konzeptlosen Ende, in: Österreichische Militärische Zeitschrift<br />

(ÖMZ) 6/2006, S. 675–684; Die Schlacht bei Leuthen am 5. Dezember 1757. Eine multiperspektivische Annäherung,<br />

in: ÖMZ 1/2008 (i.E). Zur Zeit Vorbereitung einer Studie zum Thema: Strategische Phänomenologie<br />

und operativer Logos.<br />

71


AUTOREN<br />

Dr. Bernhard Chiari, Oberstleutnant d.Res., Jahrgang 1965, verheiratet, zwei Kinder.<br />

1984-1986 Soldat auf Zeit (Panzeraufklärer), 1986-1992 Studium der Osteuropäischen Geschichte, Germanistik<br />

und Politikwissenschaften an der Universität Frankfurt am Main, 1992-1997 Assistent am Lehrstuhl<br />

Osteuropäische Geschichte, Universität Frankfurt am Main, 1997 Promotion an der Universität Tübingen zum<br />

Thema „Deutsche Besatzungsherrschaft in Weißrußland 1941-1944“, 1998 Freiberufliche Tätigkeit am Germanischen<br />

Nationalmuseum, Nürnberg. Auslandseinsatz SFOR, 1999 Bearbeiter eines Forschungsprojektes<br />

der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Universität Erlangen, seit 2000 Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Militärgeschichtlichen Forschungsamt, bis Oktober 2003 Wiss. Assistent des Leiters Abteilung<br />

Forschung, seit Dezember 2003 Pressestabsoffizier des MGFA, seit Januar 2005 Leiter Modul Einsatzunterstützung.<br />

Mitglied im Redaktionskollegium der Belarusian Historical Review/Belaruski Histarychny Ahljad.<br />

Lehrbeauftragter an der Universität Potsdam und Freien Universität Berlin.<br />

Veröffentlichungen (Auswahl):<br />

Wegweiser zur Geschichte Afghanistan (Hg.), 2. überarbeitete und erweiterte Aufl., Paderborn u.a. 2007;<br />

Von der Escort Navy zur Expeditionary Navy: Der deutsche Marineeinsatz am Horn von Afrika, in: Wegweiser<br />

zur Geschichte Horn von Afrika, hrsg. von Dieter H. Kollmer, Paderborn u.a. 2007, S. 127-140; Wegweiser zur<br />

Geschichte Naher Osten (hrsg. gem. mit Dieter H. Kollmer), Paderborn 2007; Wegweiser zur Geschichte Kosovo,<br />

hrsg. mit Agilolf Keßelring, Paderborn u.a. 2006, Wegweiser zur Geschichte Demokratische Republik<br />

Kongo (hrsg. gem. mit Dieter H. Kollmer), Paderborn 2006; Grenzen deutscher Herrschaft. Voraussetzungen<br />

und Folgen der Besatzung in der Sowjetunion, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd 9/2,<br />

München 2005, S. 877-976; Zwischen Hoffnung und Hunger. Die sowjetische Zivilbevölkerung unter deutscher<br />

Besatzung, in: Christian Hartmann/Johannes Hürter/Ulrike Jureit (Hrsg.), Verbrechen der Wehrmacht.<br />

Bilanz einer Debatte, München 2005, S. 145-154; Volkskrieg und Heldenstädte: Zum Mythos des Großen<br />

Vaterländischen Krieges in Weißrußland, in: Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen. Begleitbände<br />

zur Ausstellung des Deutschen Historischen Museums, hrsg. von Monika Flacke, Berlin 2004, Bd. 2,<br />

S. 737-756 (gem. mit Robert Maier); Die polnische Heimatarmee. Geschichte und Mythos der Armia Krajowa<br />

seit dem Zweiten Weltkrieg (Hg.), München 2003; Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts, hrsg. mit<br />

Matthias Rogg und Wolfgang Schmidt, München 2003; Militärgeschichte: Erkenntnisgewinn und Praxis, in:<br />

Benjamin Ziemann (Hg.), Perspektiven der Historischen Friedensforschung. Frieden und Krieg (= Beiträge<br />

zur Historischen Friedensforschung, Band 1), Essen 2002, S. 286-302; Alltag hinter der Front. Besatzung,<br />

Kollaboration und Widerstand in Weißrußland 1941-1944, Düsseldorf 1998.<br />

MinR Peter Dreist, Oberstleutnant d.R., Jahrgang 1954, verheiratet, zwei Kinder.<br />

Abitur 1973 in Düsseldorf, Soldat auf Zeit 1973-75 (Panzerjägertruppe), 17 Wehrübungen.<br />

Studium der Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln; Erstes Staatsexamen: 1983, zweites Staatsexamen:<br />

1986. Eintritt als Rechtsberater in den höheren nichttechnischen Dienst der Bundeswehr: 1987.<br />

Verwendungen als Rechtsberater (RB) und Wehrdisziplinaranwalt (WDA) im Heeresamt in Köln und im Wehrbereichskommando<br />

III in Düsseldorf, als Rechtslehrer (RL) an der Offiziersschule des Heeres in Hannover,<br />

als RB im Zentrum für Verfikationsaufgaben der Bundeswehr in Geilenkirchen und für die Deutschen Militärischen<br />

Vertreter beim NATO-Hauptquartier SHAPE, Belgien, beim Militärkommitee der NATO und der WEU<br />

in Brüssel, Belgien und beim HQ AFCENT in Brunssum, Niederlande, als RB und WDA im Führungsstab des<br />

Heeres im BMVg in Bonn, als Referent für Auslandseinsatzrecht in der Rechtsabteilung des BMVg in Bonn,<br />

als Leiter des Einsatzführungszentrums der Territorialen Wehrverwaltung im Bundesamt für Wehrverwaltung<br />

in Bonn, als Leitender und Dienstaufsichtsführender RB und WDA im Luftwaffenführungskommando in Köln<br />

und als stv. Leiter (RB und WDA) des neu geschaffenen Rechtsberaterzentrums der Luftwaffe in Köln. Seit<br />

März 2006 Referatsleiter (RB und WDA des Inspekteurs der Luftwaffe) im BMVg in Bonn.<br />

72


Publikationen (Auswahl):<br />

Auslandseinsätze der Bundeswehr ohne Grenzen?, BWV 1994, S. 125 ff.; Das Gebot der Stunde: Streitkräfteöffnung<br />

für Frauen, in: Armin A. Steinkamm (Hrsg.), Frauen im militärischen Waffendienst, Schriftenreihe<br />

Wehrdienst und <strong>Gesellschaft</strong>, Band 6, Nomos-Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2001, S. 315 ff. = NZWehrr<br />

2000, S. 65 ff.; Rechtliche Aspekte des KFOR-Einsatzes, NZWehrr 2001, S. 1 ff.; Humanitäre Intervention –<br />

Zur Rechtmäßigkeit der NATO-Operation ALLIED FORCE, in: Walter Kolbow, Heinrich Quaden (Hrsg.), Krieg<br />

und Frieden auf dem Balkan, Makedonien am Scheideweg?, Schriftenreihe Demokratie, Sicherheit und<br />

Frieden, Band 141, Nomos-Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 1. Auflage 2001, S. 83 ff.; Streitkräftefremde<br />

Aufgaben im Kosovo, NZWehrr 2002, S. 45 ff.; Offene Rechtsfragen des Einsatzes bewaffneter deutscher<br />

Streitkräfte – Zwischenbilanz und Problemaufriss, NZWehrr 2002, S. 133 ff. = UBWV 6/2003, S. 201 ff.;<br />

Prüfschema: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland, NZWehrr 2003, S. 152 ff.; Terroristenbekämpfung<br />

als Streitkräfteauftrag – zu den verfassungsrechtlichen Grenzen polizeilichen Handelns der<br />

Bundeswehr im Innern, Der Kriminalist 2003, S. 349 ff. = NZWehrr 2004, S. 89 ff.; Der Bundestag zwischen<br />

„Vorratsbeschluss“ und Rückholrecht: Plädoyer für ein wirkungsvolles Parlamentsbeteiligungsgesetz, KritV<br />

Heft 2004, S. 79 ff.; Wehrverwaltung im Auslandseinsatz – die Aufgabenwahrnehmung, UBWV 2004, S. 281<br />

ff.; Berufsarmee statt Wehrpflicht und zudem Einführung einer Allgemeinen Dienstpflicht?, BWV 2004, S. 150<br />

ff., S. 169 ff., S. 193 ff.; Wehrverwaltung im Auslandseinsatz – die Einsatzsteuerung, UBWV 2004, S. 441 ff.;<br />

AWACS-Einsatz ohne Parlamentsbeschluss? – Aktuelle Fragestellungen zur Zulässigkeit von Einsätzen bewaffneter<br />

Streitkräfte unter besonderer Berücksichtigung der NATO-AWACS-Einsätze in den USA 2001 und<br />

in der Türkei 2003, ZaöRV 2004, S. 1001 ff.; Einsatz der Bundeswehr im Innern – Das Luftsicherheitsgesetz<br />

als Anlass zum verfassungsrechtlichen Nachdenken, in: „Sicherheit statt Freiheit? Staatliche Handlungsspielräume<br />

in extremen Gefährdungslagen“ – Tagungsband der Fachschaft Jura des Cusanuswerkes anlässlich<br />

der Tagung vom 29.10. – 01.11.2004 in Burg Rothenfels, Verlag Duncker & Humblodt, Berlin 2005, S. 77 ff.;<br />

50 Jahr Bundeswehr – Rahmenbedingungen für Einsätze im Ausland im Spannungsfeld zwischen Politik und<br />

Recht, BWV 2005, S. 29 ff.; S. 49 ff.; Bundeswehreinsatz als Wahrnehmung materieller Polizeiaufgaben ohne<br />

Grundgesetzänderung? UBWV 2006, S. 93 ff.; Bundeswehreinsatz für die WM 2006 als Verfassungsfrage,<br />

NZWehrr 2006, S. 45; Rules of Engagement in multinationalen Operationen – ausgewählte Grundsatzfragen,<br />

NZWehrr 2007, S. 45 ff.; S. 99 ff. und S. 146 ff..<br />

Dr. Franz Josef Jung, Jahrgang 1949, verheiratet, 3 Kinder.<br />

Nach dem Abitur leistete er seinen Wehrdienst bei den Flusspionieren mit Verwendungen in Niederlahnstein<br />

und Lorch am Rhein ab und nahm an der Offizierausbildung in Münster und Rendsburg teil. Anschließend<br />

studierte er Jura in Mainz und promovierte 1978 zum Dr. jur. Von 1972 bis 1987 war Franz Josef Jung Kreistagsabgeordneter<br />

des Rheingau-Taunus-Kreises. Seit 1976 arbeitet er als Rechtsanwalt in Eltville, seit 1983<br />

ist er ebenfalls als Notar tätig. 1983 wurde Franz Josef Jung als Mitglied in den hessischen Landtag gewählt,<br />

von 1987 bis 1999 war er in der Funktion als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion<br />

tätig. 1999 bis 2000 war er hessischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der<br />

Staatskanzlei. Von 2003 bis 2005 nahm er die Funktion des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Hessischen<br />

Landtag wahr. Seit dem 22. November 2005 ist Franz Josef Jung Verteidigungsminister der Bundesrepublik<br />

Deutschland.<br />

73


AUTOREN<br />

Peter Krug, Jahrgang 1943, verheiratet, drei Kinder.<br />

1963 – 1969 Studium der ev. Theologie in Marburg, Tübingen und Bonn; 1969 – 1972 Vikar und Hilfsprediger<br />

in Hüffelsheim und Sobernheim; 1972 – 1977 in Duisburg-Wanheimerort Pfarrer im 3. Bezirk, Synodalbeauftragter<br />

für Jugendarbeit im Kirchenkreis Duisburg-Süd, Internationale Jugendbegegnungen in Polen und<br />

Israel (Arbeitseinsätze) und Moskau/Leningrad; 1977 – 1995 Pfarrer im 1. Bezirk in Alt-Saarbrücken, Synodalbeauftragter<br />

für Konfirmandenarbeit (bis 1980), nebenamtlicher Religionsunterricht (1969 – 1980); 1980<br />

– 1995 Superintendent des Kirchenkreises Saarbrücken, Planung und Organisation der Kreiskirchentage<br />

1986, 1988 und 1990, Gründung und Begleitung der Partnerschaft mit dem bapt. Kirchenkreis Goma/Zaire<br />

seit 1986, Gründung der ACK Saarbrücken (mit Gaststatus der Synagogengemeinde) seit 1991, Vorsitz bis<br />

1994, Planung des Projektes City-Kirche (Eröffnung 1995), Mitglied im Aufsichtsrat des Diak. Werkes an der<br />

Saar (1985 – 1995 Vorsitz), Mitglied im Verwaltungsrat Ev. Stift St. Arnual (1987 – 1995 Vorsitz), Ev. Vertreter<br />

in der Landesanstalt für Rundfunkwesen Saarbrücken (1987 – 1995), Mitglied im Kuratorium der Diakonie-<br />

Anstalten Bad Kreuznach (1991 – 1997), Mitarbeit auf landeskirchlicher Ebene; 1985 – 1993 Mitglied im<br />

Ständigen Kirchenordnungsausschuss (1989 stv. Vorsitz, 1991 – 1993 Vorsitz), Mitarbeit in verschiedenen<br />

Kommissionen der Landeskirche, z. B. Theologische Prüfungen, Arbeitslosigkeit, Entflechtung des Präsesamtes<br />

(Vorsitz), Lebensordnung (Vorsitz), Struktur des pfarramtl. Dienstes im Kontext des gesamten Mitarbeitergefüges<br />

(Vorsitz),Perspektivkommission, Öffentlichkeitsarbeit; 1992 – 1998 Mitarbeit auf EKU-Ebene,<br />

Rechtsausschuss, 1993 – 1997 Lebensordnung (Vorsitz), 1994 – 1998 Synode; 1993 – 1995 Nebenamtliches<br />

Mitglied der Kirchenleitung der Ev. Kirche im Rheinland; 1995 – 1998 in Düsseldorf Kirchenrat, Beauftragter<br />

der rheinischen, westfälischen und lippischen Kirche bei Landtag und Landesregierung NRW; seit 1. Mai<br />

1998 Bischof der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg (Oldb.); seit 23. September 2003 Militärbischof.<br />

Prof. Dr. Loretana de Libero, Jahrgang 1965.<br />

Historisches Seminar, Universität Potsdam. Seit 1996 Lehrtätigkeit an den Universitäten Göttingen, Hamburg,<br />

Kiel, Oldenburg und Potsdam. 2000-2004 Oberassistentin an der Universität der Bundeswehr Hamburg.<br />

2005 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sozialwissenschaftlichen Institut Strausberg, seit 2006 Wissenschaftlerin<br />

am Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam. Forschungsschwerpunkte: Alte Geschichte<br />

(Archaisches und Klassisches Griechenland, Römische Republik); Staats- und Verfassungsgeschichte,<br />

Eliten- und Stereotypenforschung, Militärische Erinnerungskultur.<br />

Veröffentlichung mit militärhistorischem Bezug:<br />

Tradition in Zeiten der Transformation. Zum Traditionsverständnis der Bundeswehr im frühen 21. Jahrhundert,<br />

Paderborn 2006; Antike Wege in den Krieg, in: Bernd Wegner (Hg.), Wie Kriege entstehen. Zum historischen<br />

Hintergrund von Staatenkonflikten (=Krieg in der Geschichte Band 4), Paderborn, 2. Aufl. 2003, S. 25-44;<br />

Lügen, Krieg und der Halbmond von Cannae, in: Antike Welt 34,4, 2003, S. 421-422; Mit eiserner Hand ins<br />

Amt? Kriegsversehrte Aristokraten zwischen Recht und Religion, Ausgrenzung und Integration, in: Res publica<br />

reperta. Zur Verfassung und <strong>Gesellschaft</strong> der römischen Republik und des frühen Prinzipats. Festschrift<br />

für Jochen Bleicken zum 75. Geburtstag, hrsg. v. J. Spielvogel. Stuttgart 2002, S. 172-191; Vernichtung oder<br />

Vertrag? Bemerkungen zum Kriegsende in der Antike, in: Bernd Wegner (Hg.), Wie Kriege enden. Wege<br />

aus dem Krieg von der Antike bis zur Gegenwart (=Krieg in der Geschichte Band 14), Paderborn 2002, S.<br />

3-23.<br />

Reinhold Robbe, Jahrgang 1954.<br />

1960 bis 1970 Hauptschule, 1970 bis 1973 Berufsbildende Schule. 1973 Kaufmannsgehilfenprüfung bei<br />

der IHK Hannover. 1975 bis 1976 Zivildienst. 1974 bis 1975 Verlagskaufmann, Zeitung „Rheiderland“, 1976<br />

bis 1986 Verwaltungsmitarbeiter und Betriebsratsvorsitzender der Lebenshilfe Leer, 1986 bis 1994 Pressesprecher<br />

und Geschäftsführer beim SPD-Bezirk Weser/Ems. Vizepräsident der Deutsch-Israelischen <strong>Gesellschaft</strong>;<br />

Vizepräsident der Deutschen Atlantischen <strong>Gesellschaft</strong> 1970 Eintritt in die SPD, seit 1972 Mitglied im<br />

74


Ortsvereinsvorstand, 1979 bis 1987 stellvertretender Unterbezirksvorsitzender und bis Mai 2005 Vorsitzender<br />

des SPD-Ortsvereins Bunde, stellvertretender Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Leer, bis Mai 2005<br />

Schatzmeister des SPD-Bezirks Weser/Ems 1976 bis 1991 Mitglied des Gemeinde- und Samtgemeinderates<br />

Bunde, 1980 bis 1991 Fraktionsvorsitzender. Mitglied des Bundestages von 1994 bis 12. Mai 2005, Vorsitz<br />

im Verteidigungsausschuß von November 2002 bis Mai 2005. Am 14. April 2005 mit 307 gegen 276 Stimmen<br />

bei 15 Enthaltungen und einer ungültigen Stimme zum Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages<br />

gewählt. Vereidigung und Amtsübernahme am 12. Mai 2005.<br />

General Wolfgang Schneiderhan, Jahrgang 1946, verheiratet, 5 Kinder.<br />

04. April 1966 Diensteintritt in die Bundeswehr in Dornstadt bei Ulm, anschl. Ausbildung zum Panzeroffizier,<br />

1972-74 Hauptamtlicher Jugendoffizier der 10. Panzerdivision in Sigmaringen, 1974-77 Kompaniechef im<br />

Panzerbataillon 293 in Stetten am Kalten Markt, 1977-79 20. Generalstabslehrgang (Heer) an der Führungsakademie<br />

in Hamburg, 1979-81 Referent im Führungsstab der Streitkräfte (Bereich Militärisches Nachrichtenwesen),<br />

1981-83 G3 der Heimatschutzbrigade 55 in Böblingen, 1983-86 G3-Stabsoffizier im NATO-<br />

Hauptquartier Europa-Mitte in Brunsum (Niederlande), 1986-88 Kommandeur Panzerbataillon 53 in Stetten<br />

am Kalten Markt, 1988-90 Chef des Stabes 4. Panzergrenadierdivision in Regensburg, 1990-92 Stabsoffizier<br />

Rüstungskontrolle im NATO-Hauptquartier in Brüssel, 1992-94 Fachbereichsleiter Führungslehre Heer an der<br />

Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, 1994-97 Kommandeur der Panzerbrigade 39 „Thüringen“<br />

in Erfurt, 1997-99 Stabsabteilungsleiter „Bundeswehr-Planung“ im Führungsstab der Streitkräfte im BMVg,<br />

1999-2000 Stabsabteilungsleiter „Militärpolitik und Führung“ im Führungsstab der Streitkräfte im BMVg,<br />

2000-02 Leiter Planungsstab im BMVg, seit 2002 Generalinspekteur der Bundeswehr.<br />

Orden und Ehrenzeichen:<br />

Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, Ehrenkreuz der Bundeswehr<br />

in Gold, Großkreuz des Militärverdienstordens des Haschemitischen Königreichs Jordanien, Adlerkreuz<br />

1. Klasse der Republik Estland, Großoffizier des Kronenordens des Königreichs Belgien, Komturkreuz des<br />

Ordens der Ehrenlegion der Französischen Republik, Komturkreuz des Ordens Legion of Merit der Vereinigten<br />

Staaten von Amerika, Verdienstkreuz 1. Klasse der Verteidigungsministers der Tschechischen Republik,<br />

Großoffizierkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik, Orden der Ehre – Offizierskreuz am Band<br />

der Hellenischen Republik, Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.<br />

Brigadegeneral Dipl. Ing. Gerhard Schulz, Jahrgang 1950, verheiratet, drei Kinder.<br />

1970 Eintritt in die Luftwaffe, Ausbildung zum Offizier, 1973-76 Studium der Elektrotechnik an der Universität<br />

der Bundeswehr in Neubiberg, anschl. Ausbildung als Feuerleitoffizier HAWK an der Raketenschule der<br />

Luftwaffe in Fort Bliss, Texas, 1978-83 Feuerleitoffizier im Flugabwehrraketenbataillon in Eckernförde, dann<br />

Erkundungsoffizier und S3, 1983-85 Teilnahme am 28. Generalstabslehrgang der Luftwaffe an der Führungsakademie<br />

der Bundeswehr in Hamburg, 1985-87 Batteriechef des 4. FlaRakBtl in Manching, anschl. Einsatz<br />

beim Luftwaffenamt als Leiter der Arbeitsgruppe „Erweiterte Luftverteidigung“, 1988-90 Grundsatzreferent<br />

für Luftverteidigungsplanungen im Bundesministerium der Verteidigung, Fü L VI 3, 1990-93 Bearbeiter<br />

„Konzeptionelle Verteidigungsgrundlagen“ in der „Plans and Policy Division“ im HQ SHAPE, Belgien, anschl.<br />

Bearbeiter „Nationale und NATO-Verteidigungsplanungen“ im BMVg Fü S VI, 1994-95 Verwendung im<br />

Planungsstab des BMVg, 1996-97 Lehrgangsleiter des 40. Generalstabslehrgangs der Luftwaffe an der Führungsakademie<br />

der Bundeswehr, 1997-2000 Verwendung als Branchchief „Operational Planning“ im IMS,<br />

NATO HQ in Brüssel: Konzeptionelle Grundlagenarbeit für Einsatz und NATO Krisenmanagementübungen,<br />

Mitwirkung bei den Operationsplanungen für den Kosovoeinsatz der Bundeswehr, 2000-01 Stellvertreter<br />

Kommandeur und Chef des Stabes der 1. Luftwaffendivision in Karlsruhe, 2001-2005 Referatsleiter im BMVg<br />

Fü S V 1, seit 28. April 2005 Kommandeur der Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck.<br />

75


AUTOREN<br />

Javier Solana, Jahrgang 1942, verheiratet, zwei Kinder.<br />

Doktor der Physik – Stipendien an mehreren amerikanischen Universitäten. Professor für Festkörperphysik<br />

an der Universidad Complutense in Madrid; Verfasser von über dreißig Publikationen in diesem Bereich.<br />

Mitglied der spanischen Gruppe des Club of Rome.<br />

Eintritt in die Spanische Sozialistische Partei; seit 1977 Parlamentsabgeordneter. Minister aller spanischen<br />

Regierungen zwischen 1982 und 1995 ohne Unterbrechung: Dezember 1982 – Juli 1988: Minister für Kultur<br />

(gleichzeitig, von Juli 1985 bis Juli 1988, Regierungssprecher); Juli 1988 – Juli 1992: Minister für Bildung und<br />

Wissenschaft; Juli 1992 – Dezember 1995: Minister für auswärtige Angelegenheiten.<br />

Dezember 1995 – Oktober 1999: Generalsekretär der NATO. Seit 18. Oktober 1999: Generalsekretär des<br />

Rates der Europäischen Union, Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Seit dem<br />

25. November 1999: Generalsekretär der WEU; im Juli 2004 für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren zum<br />

Generalsekretär des Rates der EU und zum Hohen Vertreter der EU für die GASP ernannt. Am Tag des Inkrafttretens<br />

des Vertrags über eine Verfassung für Europa soll Javier Solana zum Hohen Repräsentanten der<br />

EU für Außenpolitik ernannt werden.<br />

Horst Steinberg, Jahrgang 1944, verheiratet, zwei Kinder.<br />

1964 – 1967 Maschinenbaustudium an der Fachhochschule in München mit Fachrichtung Flugzeugbau, Abschluss<br />

als Dipl. Ing. (FH); 1967 – 1968 Entwicklungsring Süd (später MBB), Entwicklungsingenieur; 1970 –<br />

1971 Berufsbegleitende Ausbildung zum Berufspiloten Kl. II mit Instrumentenflugberechtigung; 1968 – 1974<br />

Wehrübungen bei der Luftwaffe (OL der Reserve); 1968 – 1988 Dornier Werke München (Bereich Marketing,<br />

Vertrieb, Kundendienst und Luftfahrtprojekte, Vertriebsassistent, Vertriebsleiter, Bereichsleiter); 1989 – 1992<br />

DASA – Dornier Aviation North America Inc. und Dornier Aviation Marketing Services Inc., Washington DC,<br />

USA; Geschäftsführer; 1992 – 1996 DASA – Fokker Aircraft BV, Amsterdam, Holland (Geschäftsbereich<br />

Marketing und Vertrieb; Bereichsleiter); 1996 – heute HMS Management GmbH, Landsberg; Eigentümer und<br />

Geschäftsführer (Industrieberatung im Bereich Luftfahrt- und Investitionsprojekte, Schwerpunkt Übernahme-<br />

und Restrukturierungsprojekte, Zeitmanagement); 1998 – 2000 Rational North America Inc., Chicago,<br />

USA; Geschäftsführer; 2003 – 2007 RUAG Aerospace Services, Oberpfaffenhofen; Geschäftsführer; RUAG<br />

Aerospace Deutschland, Oberpfaffenhofen; Vorsitzender der Geschäftsführung.<br />

76


Bisher erschienene Bände der <strong>Gneisenau</strong> Blätter<br />

Band 1<br />

Die humanitäre Intervention als ultima ratio zur Beendigung<br />

oder Verhinderung von Men s chenrechtsverletzungen<br />

2001<br />

mit Beiträgen von:<br />

Peter Fonk, Otfried Höffe, Hans Küng, Claire Marienfeld-Czesla,<br />

Dagmar Schipanski und Rupert Scholz<br />

Band 2<br />

Aspekte einer europäischen Identität<br />

2004<br />

mit Beiträgen von:<br />

Eberhard Birk, Markus Ferber, Walter Kolbow, Lothar Rühl, Theo<br />

Stammen, Agata Szyszko und Theo Waigel<br />

Band 3<br />

Militärische Tradition<br />

2004<br />

mit Beiträgen von:<br />

Eberhard Birk, Heinz Marzi, Harald Potempa,<br />

Karl H. Schreiner, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg und<br />

John Zimmermann<br />

77


Bisher erschienene Bände der <strong>Gneisenau</strong> Blätter<br />

Band 4<br />

Revolution – Reform – Transformation<br />

2006<br />

mit Beiträgen von:<br />

Oliver Becker, Eberhard Birk, Karl Feldmeyer, Johann Heitzmann,<br />

Walter Mixa, August Pradetto, Wolfgang Schneiderhan, Karl H.<br />

Schreiner, Theo Stammen und Klaus-Peter Stieglitz<br />

Band 5<br />

Erziehung und Streitkräfte<br />

2007<br />

mit Beiträgen von:<br />

Eberhard Birk, Angelika Dörfler-Dierken, Thomas Goppel,<br />

Winfried Gräber, Margot Käßmann, Karl Lehmann,<br />

Hans-Hubertus Mack, Eva Matthes, Ulrike Merten und<br />

René Ségur-Cabanac<br />

78


Zweick der <strong>Gesellschaft</strong><br />

<strong>Gneisenau</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

Zweck der <strong>Gesellschaft</strong><br />

Die Förderung von Wissenschaft und Forschung, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur, Völkerverständigung,<br />

des Sports, die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens der<br />

Bundesrepublik Deutschland sowie Maßnahmen der Soldaten- und Reservistenbetreuung.<br />

Verwirklichung durch:<br />

– Förderung des Dialoges zwischen Industrie und Luftwaffe;<br />

– Organisation und Durchführung wissenschaftlicher Vorträge und Vortragsreihen im Rahmen<br />

der (sicherheits-) politischen Bildung und ihre Dokumentation für die Öffentlichkeit/ Allgemeinheit;<br />

– Herausgabe einer wissenschaftlichen Schriftenreihe und eigenen Publikationen in Form der<br />

sog. „<strong>Gneisenau</strong> Blätter“;<br />

– Organisation und Durchführung von Informations- u. Vortagsveranstaltungen zur Förderung<br />

von Wissenschaft und Forschung;<br />

– Einrichtung von Wettbewerben und Vergabe von Preisen im Bereich von Wissenschaft und<br />

Forschung, Kunst und Kultur, mit Organisationen, Schulen und Vereinen der Region;<br />

– Förderung des Sports durch entsprechende sportliche Veranstaltungen mit Organisationen,<br />

Schulen und Vereinen der Stadt und des Landkreises Fürstenfeldbruck sowie europäischen<br />

Luftwaffenakademien;<br />

– Unterstützung internationaler Beziehungen und Austauschprogramme der Offizierschule der<br />

Luftwaffe (OSLw) auf kulturellem und sportlichem Gebiet;<br />

– Förderung der Begegnung zwischen Deutschen und Ausländern;<br />

– Förderung des Natur- u. Landschaftsschutzes durch aktive Teilnahme oder sonstige Unterstützung<br />

von Umweltschutz- u. Umweltaktionstagen.<br />

Gründe für Ihre Mitgliedschaft<br />

Die <strong>Gneisenau</strong> <strong>Gesellschaft</strong> der OSLw lebt wie jeder andere Verein von der Unterstützung seiner<br />

Mitglieder. Unser gemeinnütziger Verein bietet:<br />

– Sie treffen hochrangige Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Militär.<br />

– Sie treffen und fördern zukünftige Entscheidungsträger der Luftwaffe, sowie befreundeter<br />

Streitkräfte.<br />

– Sie erhalten Zutritt zu interessanten Veranstaltungen und Diskussionen.<br />

– Sie fördern den Leistungswillen der Jugend durch die Vergabe von Bestpreisen, Ausrichtung<br />

von Wettbewerben und Unterstützung von Sportveranstaltungen.<br />

Werden Sie Mitglied und unterstützen Sie uns. Kontaktieren Sie uns direkt oder über die Inter netseite.<br />

Präsident:<br />

Brigadegeneral Gerhard Schulz<br />

Offizierschule der Luftwaffe<br />

Kommandeur<br />

Postfach 12 64 A/S<br />

82242 Fürstenfeldbruck<br />

Tel. 08141-5360-1100<br />

Fax 08141-5360-2920<br />

gerhard2schulz@bundeswehr.org<br />

1. Vorstand:<br />

Horst Steinberg<br />

President<br />

HMS management gmbh<br />

Adlerstraße 11<br />

86899 Landsberg<br />

Tel. 08191-941391<br />

Fax 08191-941392<br />

hs@hmsmanagement.com<br />

2. Vorstand:<br />

Generalmajor Thomas Gericke<br />

Kommandeur<br />

Kommando 1. Luftwaffendivision<br />

Postfach 12 64 LD<br />

82242 Fürstenfeldbruck<br />

Tel. 08141-5360-4001<br />

Fax 08141-5360-4099<br />

thomasjoachimgericke@bundeswehr.org<br />

Schriftführer:<br />

Oberstleutnant Wolfgang Saier<br />

Offizierschule der Luftwaffe<br />

Leiter Schulstab<br />

Postfach 12 64 A/S<br />

82242 Fürstenfeldbruck<br />

Tel. 08141-5360-1130<br />

Fax 08141-5360-2920<br />

wolfgangsaier@bundswehr.org<br />

Schatzmeister:<br />

Hauptmann Markus Neumayer<br />

Offizierschule der Luftwaffe<br />

Ordonnanzoffizier<br />

Postfach 12 64 A/S<br />

82242 Fürstenfeldbruck<br />

Tel. 08141-5360-1101<br />

Fax 08141-5360-2920<br />

markusneumayer@bundswehr.org<br />

www.<strong>Gneisenau</strong>-<strong>Gesellschaft</strong>.de<br />

post@<strong>Gneisenau</strong>-<strong>Gesellschaft</strong>.de<br />

Sparkasse Fürstenfeldbruck · Konto-Nr. 1340603 · BLZ 700 530 70<br />

79


IMPRESSUM<br />

Herausgeber:<br />

Adresse:<br />

<strong>Gneisenau</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> zur Förderung<br />

der Offizierschule der<br />

Luftwaffe e.V.<br />

im Auftrag des Vorstands<br />

Dr. Eberhard Birk<br />

Offizierschule der Luftwaffe<br />

Postfach 12 64 A/S<br />

82242 Fürstenfeldbruck<br />

Tel.: (0 81 41) 53 60-11 00<br />

Fax: (0 81 41) 53 60-29 20<br />

Heftpreis: € 15,–<br />

© <strong>Gneisenau</strong>-<strong>Gesellschaft</strong><br />

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