Die Vögel der Stadt Pforzheim – Arten- und Biotopschutz - NABU ...
Die Vögel der Stadt Pforzheim – Arten- und Biotopschutz - NABU ...
Die Vögel der Stadt Pforzheim – Arten- und Biotopschutz - NABU ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Verlassene, kranke, verletzte <strong>und</strong> tote <strong>Vögel</strong><br />
Jahr für Jahr melden sich besorgte Bürger in <strong>der</strong> Geschäftsstelle des<br />
<strong>NABU</strong>, um Rat schläge einzuholen, wie die aus Mit leid auf genommenen<br />
<strong>und</strong> angeblich hilflo sen Jungvögel großzuziehen seien. Regel mä ßig<br />
müssen wir darauf hinweisen, dass fast alle Versuche, diese aus falsch<br />
ver standener Hilfsbereitschaft angenomme nen Tiere aufzupäppeln,<br />
scheitern müs sen. Fast immer überlagern dabei die zwi schen Mensch<br />
<strong>und</strong> Tier bestehenden emo tionalen Beziehungen die mit <strong>der</strong> Aufzucht<br />
verb<strong>und</strong>enen Probleme. Neben mangelndem Wissen über die<br />
verschiede nen Vogelarten <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Ernährungs gr<strong>und</strong>lagen fehlt es<br />
bei <strong>der</strong> Aufzucht an ge eigneten Plätzen, vor allem aber an <strong>der</strong> Zeit,<br />
Freilassung eines aufgepäppelten Mauerseglers<br />
diese <strong>Vögel</strong> r<strong>und</strong> um die Uhr zu betreuen. Kaum jemand macht sich Gedanken<br />
darüber, dass durch falsche o<strong>der</strong> wenig artgerechte Ernährung<br />
erhebliche Mangelerscheinungen auftreten können, so dass die <strong>Vögel</strong><br />
entwe<strong>der</strong> nicht mehr ausgewil<strong>der</strong>t werden können o<strong>der</strong> nach <strong>der</strong><br />
Auswil<strong>der</strong>ung geschwächt leichte Op fer von Beutegreifern werden. Zu<br />
fragen ist also, ob Hilfe überhaupt sinnvoll ist, wenn ein artgerechtes<br />
Leben in <strong>der</strong> Zu kunft nicht gewährleistet werden kann.<br />
Dennoch gibt es einige Faustregeln, die je <strong>der</strong> Vogelfre<strong>und</strong>, vor allem<br />
aber Kin<strong>der</strong>, beherzigen sollten, wenn sie angeblich verlassenen<br />
Jungvögeln helfen wollen.<br />
Jungvögel verlassen in aller Regel in befie<strong>der</strong>tem,<br />
aber nicht flugfähigem Zustand<br />
das Nest. Durch Bettelrufe machen sie<br />
sich den Eltern gegenüber, die meist in<br />
<strong>der</strong> Nähe sind, bemerkbar. Daher ist von<br />
einer vorschnellen Hilfeleistung dringend<br />
abzuraten. Wer wirklich sichergehen will,<br />
dass <strong>der</strong> Jungvogel verlassen <strong>und</strong> hilflos<br />
ist, sollte mindestens eine St<strong>und</strong>e aus angemessener<br />
Entfernung beobachten, ob<br />
die Altvögel nicht doch die Versorgung des<br />
Jungen weiter übernehmen.<br />
Auch Katzen als häufigste Beutegreifer unserer<br />
Jungvögel sowie Elstern <strong>und</strong> Rabenkrähen<br />
sind kein Gr<strong>und</strong>, diese Tiere bei sich<br />
aufzunehmen. Zum einen sorgen Fressfeinde<br />
dafür, dass eine Art nicht überhand nimmt,<br />
zum an<strong>der</strong>en ist die Re produktionsrate bei<br />
unseren Singvögeln so hoch, dass Verluste<br />
von etwa zwei Drit teln <strong>der</strong> Jungvögel im ers-<br />
ten Lebensjahr ausgeglichen werden können, die Art als sol che also<br />
nicht gefährdet ist.<br />
Es macht ferner wenig Sinn, befie<strong>der</strong>te Jungvögel, die bereits von sich aus<br />
das Nest verlassen haben, wie<strong>der</strong> ins Nest, so fern es bekannt ist, zurück zu<br />
versetzen. <strong>Die</strong> Erfahrung lehrt, dass sie sofort erneut das Nest verlassen.<br />
Jungvögel, die sich in Straßengräben verirrt haben o<strong>der</strong> gar in Schächte<br />
gefallen sind, sollten wir schnel ls tens aufgreifen <strong>und</strong> in möglichst deckungs<br />
sicherem Gelände in <strong>der</strong> Nähe wie <strong>der</strong> aussetzen. Manchmal<br />
werden Jung vö gel noch nach St<strong>und</strong>en von den El tern wei ter versorgt.<br />
Echte Hilfe ist nur dann wirklich notwen dig, wenn die Tiere unbefie<strong>der</strong>t,<br />
krank, verletzt o<strong>der</strong> nachweislich verlassen sind. <strong>Die</strong> Aufnahme solcher<br />
Tiere ist ausdrück lich durch die Naturschutzgesetzgebung gedeckt. So<br />
heißt es im § 45,5 BNatSchG: „Es ist zulässig, verletzte, hilflose o<strong>der</strong> kran ke<br />
<strong>Vögel</strong> aufzunehmen, um sie ge s<strong>und</strong> zu pflegen. <strong>Die</strong> Tiere sind unverzüg lich<br />
in die Freiheit zu entlassen, sobald sie sich selbständig erhalten können“.<br />
Im Gegensatz zu befie<strong>der</strong>ten Jungvögeln müssen nackte Tiere sofort<br />
wie<strong>der</strong> ins Nest, falls bekannt, zurückversetzt wer den. Da <strong>der</strong> menschliche<br />
Geruch nicht wahrgenommen wird, werden die Nest linge von<br />
den Eltern relativ schnell wie<strong>der</strong> versorgt. In allen an<strong>der</strong>en Fällen ist<br />
erste Hilfe angesagt, die optimal nur von einem Tierarzt, einer Vogelpflegesta<br />
tion o<strong>der</strong> Men schen mit sehr viel Erfah rung er bracht werden<br />
kann. Bei schweren Ver let zungen, die man im Zweifelsfall vom<br />
Tier arzt bestätigen lassen kann, ist, auch wenn es schwer fällt, eine<br />
schnelle Erlö sung unausweichlich.<br />
<strong>Die</strong> menschliche Aufzucht von jungen Sing vögeln ist, wie eingangs<br />
erwähnt, mit vielen Risiken verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> kann kein vollwertiger Elternersatz<br />
sein. Neben ei nem vernünftigen Ersatznest, das aus ei nem Korb<br />
mit ausgelegten Papiertüchern bestehen kann, ist eine ausreichende<br />
Wär mequelle (Infrarotlampe) erfor<strong>der</strong>lich. Für die Fütterung zählen eine<br />
stumpfe Pin zette, eine Einwegspritze für Flüssig keitsnahrung <strong>und</strong> eine<br />
Pipette für die Was serversorgung zur Gr<strong>und</strong>ausstattung.<br />
Ganz entscheidend aber ist die richtige Fut terwahl, da bei einseitiger<br />
o<strong>der</strong> unge eigneter Nahrung Gefie<strong>der</strong>schäden, Ver krümmung <strong>der</strong><br />
Gliedmaßen o<strong>der</strong> Wachs tumshemmungen eintreten können. So wohl<br />
bei Insektenfressern als auch bei Drosseln, Staren <strong>und</strong> Körnerfressern<br />
ist zur erfolgreichen Aufzucht ein vielseitiger Speisezettel mit ausreichend<br />
Aminosäu ren, Mineralstoffen <strong>und</strong> Spurenelementen erfor<strong>der</strong>lich.<br />
1 Aufgezogener junger Waldkauz<br />
98<br />
99