Klaus Heer Wonne Worte - Rowohlt Theaterverlag

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in Ihrem Kopf, die Sie zu matter Passivität, verzweifelter Erwartung oder vertrotzter Resignation verleiten? Wie entdecken Sie, was Sie persönlich zur Gestaltung der Paar-Atmosphäre beitragen und wie Sie Ihren Beitrag optimieren könnten? Ich will Ihnen keine haltlosen Hoffnungen machen. Mir ist nicht entgangen, dass Mann und Frau bisweilen zu zweit Stimmungen produzieren, die sie beide schwer plagen und würgen und in starre Hilflosigkeit zwängen. Leider gelingt es manchmal auch mit sorgfältiger und engagierter professioneller Begleitung lange nicht, nur ansatzweise oder gar nicht, dass sich die beiden von ihren Vorstellungen darüber lösen können, wie ihr hartnäckiger Beziehungsmief entstanden ist, was ihn in Gang hält und wie ihm beizukommen wäre. Also ist keine Lösung in Sicht. «Nicht die Dinge selbst beunruhigen uns, sondern die Meinungen, die wir über die Dinge haben.» Epiktet (50–138 n. Chr.) Wortlose Allwetter-Rituale Keine Lösung, wirklich? Ein paar Paare haben mir erzählt, wie sie sich gelöst haben von der merkwürdigen Idee, dass man eigentlich nur bei schönem Wetter etwas tun könne fürs schöne Wetter – was man dann bekanntlich auch nicht tut, weil man es lieber «genießen» will, wenn’s schon mal da ist. Bei mieser Stimmung, so denken viele Leute, bleibt eigentlich nicht viel anderes übrig, als abzuwarten, bis «es» wieder besser wird. Nicht so meine Informanten-Paare. Sie berichten von Ritualen, die jederzeit zur Verfügung stehen. Allen diesen Gewohnheiten ist gemeinsam, dass sie Allwetterprogramme sind, selbsterfunden und wohltuend wortlos. Margarethe Schindler: Heute schon geküsst? – Paare brauchen Rituale. Freiburg: Herder 1997 ➜ Rita & Erich (29 Jahre verheiratet, Typ streitbares Paar) treffen sich jeden Abend vor dem Einschlafen auf Erichs Seite des Doppelbettes; er nimmt Rita in seinen linken Arm, sie schmiegt sich an ihn und bettet ihren Kopf in die Mulde zwischen Erichs Schulter und Hals: «Müldeln» nennen Rituale erleichtern und schmücken meist die Übergänge im Leben, die großen und die kleinen. Wortlose Allwetter-Rituale 17
sie das. Rita fühlt sich dabei immer vollkommen angenommen und geborgen; Erich sagt, selbst wenn sie zerstritten seien, überkomme ihn eine zuverlässige Beißhemmung und mache ihn weich bis ganz innen. Das wetterfeste Ritual dauert zwischen 5 und 10 Minuten; geredet wird dabei nicht. Ein Bijou von einem Ritual! Gute Paar- Rituale sind patentwürdig. Was ein Ritual von hohler Routine unterscheidet: Man möchte es keinesfalls missen. ➜ Myrtha & Rolf (18 Jahre zusammenlebend) schlafen seit eh und je in ihren eigenen Zimmern; am Morgen schlüpft Rolf immer ins Bett seiner Partnerin (die gewöhnlich eine Stunde später aufsteht als er) und legt sich sacht mit seinem ganzen Gewicht auf sie, beide sind nackt. So verharren sie fast eine Viertelstunde. Myrtha genießt verschlafen die 74 Kilos, Rolf den weichen Körper unter sich. Sex wird nie draus, Wörter sind ebenso überflüssig. ➜ Edith & Werner (22 Jahre verheiratet, schlafen seit über 10 Jahren nicht mehr im gleichen Zimmer) haben ein eigenwilliges Morgenritual entwickelt – ohne je darüber oder währenddessen zu reden. Werner weckt seine Frau, indem er um 6.45 Uhr in ihr Zimmer kommt und das Fenster schließt. Dann bereitet er in der Küche das Frühstück. Punkt 7.00 Uhr bringt er das Tablett mit Kaffee und geschmiertem Brot ins Badezimmer, geht zurück in Ediths Zimmer, wo sie sich inzwischen verschlafen aufgerichtet und auf die Bettkante gesetzt hat. Er umfasst sie, zieht sie zu sich hoch, umschlingt sie mit seinen starken Armen und schleift sie zärtlich zum Badezimmer – er rückwärts, sie vorwärts, Brust an Brust, ihren Kopf an seine Schulter gelehnt. Vor dem Spiegel stellt er sie ab und lässt sie allein für Toilette und Frühstück. Um 7.30 Uhr verlassen sie gemeinsam das Haus. Einen Verlust oder Zerfall dieses Rituals können sich beide nicht vorstellen. ➜ Monika & Reto (9 Jahre verheiratet) verabschieden sich am Morgen immer mit einer speziellen Umarmung: Nach ihrem Abschiedskuss langen sie einander mit ihrer rechten Hand an den Rücken und fahren langsam der Wirbelsäule entlang hinauf und hinunter. Erst als sie nach dem Sinn dieser Geste gefragt werden, wird ihnen klar, dass sie sich gegenseitig den Rücken stärken wollen für den Tag, der kommt. ➜ Henriette & Roland (13 Jahre verheiratet) umarmen sich jedes Mal, wenn sie sich am Abend wiedersehen, unabhängig davon, wie turbulent es mit den Kindern rundherum zugeht. Vor zwei, drei Jahren haben sie entdeckt, dass sie der Begrüßungsroutine entgehen können, indem sie ihrer Umarmung eine kleine Überlänge zugeben – immer einen Atemzug länger, als zu erwarten wäre! In dem Augenblick werden sie sich be- 18 Klima & Intimität
Seite 1 und 2: Leseprobe aus: Klaus Heer Wonne Wor
Seite 3 und 4: Ablehnung klimagerecht auffangen 22
Seite 5 und 6: Bereits ein einziges Gespräch übe
Seite 7: Versuchsweise für ein paar Wochen

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