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Klaus Heer Wonne Worte - Rowohlt Theaterverlag

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sie das. Rita fühlt sich dabei immer vollkommen angenommen und geborgen;<br />

Erich sagt, selbst wenn sie zerstritten seien, überkomme ihn eine<br />

zuverlässige Beißhemmung und mache ihn weich bis ganz innen. Das<br />

wetterfeste Ritual dauert zwischen 5 und 10 Minuten; geredet wird dabei<br />

nicht.<br />

Ein Bijou von<br />

einem Ritual!<br />

Gute Paar-<br />

Rituale sind<br />

patentwürdig.<br />

Was ein Ritual<br />

von hohler<br />

Routine unterscheidet:<br />

Man möchte es<br />

keinesfalls<br />

missen.<br />

➜ Myrtha & Rolf (18 Jahre zusammenlebend) schlafen seit eh und je<br />

in ihren eigenen Zimmern; am Morgen schlüpft Rolf immer ins Bett seiner<br />

Partnerin (die gewöhnlich eine Stunde später aufsteht als er) und legt<br />

sich sacht mit seinem ganzen Gewicht auf sie, beide sind nackt. So verharren<br />

sie fast eine Viertelstunde. Myrtha genießt verschlafen die 74 Kilos,<br />

Rolf den weichen Körper unter sich. Sex wird nie draus, Wörter sind<br />

ebenso überflüssig.<br />

➜ Edith & Werner (22 Jahre verheiratet, schlafen seit über 10 Jahren<br />

nicht mehr im gleichen Zimmer) haben ein eigenwilliges Morgenritual<br />

entwickelt – ohne je darüber oder währenddessen zu reden. Werner<br />

weckt seine Frau, indem er um 6.45 Uhr in ihr Zimmer kommt und das<br />

Fenster schließt. Dann bereitet er in der Küche das Frühstück. Punkt 7.00<br />

Uhr bringt er das Tablett mit Kaffee und geschmiertem Brot ins Badezimmer,<br />

geht zurück in Ediths Zimmer, wo sie sich inzwischen verschlafen<br />

aufgerichtet und auf die Bettkante gesetzt hat. Er umfasst sie, zieht sie zu<br />

sich hoch, umschlingt sie mit seinen starken Armen und schleift sie zärtlich<br />

zum Badezimmer – er rückwärts, sie vorwärts, Brust an Brust, ihren<br />

Kopf an seine Schulter gelehnt. Vor dem Spiegel stellt er sie ab und lässt<br />

sie allein für Toilette und Frühstück. Um 7.30 Uhr verlassen sie gemeinsam<br />

das Haus. Einen Verlust oder Zerfall dieses Rituals können sich<br />

beide nicht vorstellen.<br />

➜ Monika & Reto (9 Jahre verheiratet) verabschieden sich am Morgen<br />

immer mit einer speziellen Umarmung: Nach ihrem Abschiedskuss langen<br />

sie einander mit ihrer rechten Hand an den Rücken und fahren langsam<br />

der Wirbelsäule entlang hinauf und hinunter. Erst als sie nach dem Sinn<br />

dieser Geste gefragt werden, wird ihnen klar, dass sie sich gegenseitig<br />

den Rücken stärken wollen für den Tag, der kommt.<br />

➜ Henriette & Roland (13 Jahre verheiratet) umarmen sich jedes Mal,<br />

wenn sie sich am Abend wiedersehen, unabhängig davon, wie turbulent<br />

es mit den Kindern rundherum zugeht. Vor zwei, drei Jahren haben sie<br />

entdeckt, dass sie der Begrüßungsroutine entgehen können, indem sie<br />

ihrer Umarmung eine kleine Überlänge zugeben – immer einen Atemzug<br />

länger, als zu erwarten wäre! In dem Augenblick werden sie sich be-<br />

18<br />

Klima & Intimität

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