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Deutsche Lotsen im chinesischen Nebel - AHK

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<strong>Deutsche</strong> <strong>Lotsen</strong> <strong>im</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Nebel</strong> - Nachrichten Print - DIE WELT - Wirtschaft...<br />

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3/29/2011<br />

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DIE WELT<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Lotsen</strong> <strong>im</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Nebel</strong><br />

28.03.2011<br />

| Autor: Nina Trentmann<br />

BASF baut ein Werk für fast eine Milliarde Euro. Immer mehr Konzerne agieren in China vor Ort. Sie bewegen sich aber<br />

auf exotischem Terrain. Und brauchen dringend Hilfe<br />

Die deutschen China-Experten vermitteln den Kontakt zu Behörden, besorgen die Genehmigungen, helfen bei der Suche nach<br />

verlässlichen <strong>chinesischen</strong> Mitarbeitern<br />

Den Unternehmen ist oft gar nicht bewusst, wie sehr sich die Geschäftsanbahnung in China von der in Deutschland unterscheidet<br />

Es war die Liebe. Sie brachte Rudolf Reiet an einen Ort, mit dem der junge Mann vorher noch nie zu tun hatte: Chongqing, ein riesiger<br />

Verwaltungsbezirk mit über 30 Millionen Einwohnern <strong>im</strong> Westen Chinas. Millionen Menschen ziehen jedes Jahr in die aufstrebende Stadt,<br />

die sich das ehrgeizige Ziel gesetzt hat, in wenigen Jahren mit den glitzernden Küstenstädten in einer Liga zu spielen.<br />

Als er sich mit seiner China-Beratung selbstständig machte, wusste Reiet, dass er sich absetzen musste - von der Konkurrenz, die seit<br />

Jahren in Peking, Shanghai und Hongkong sitzt und die das Gros der deutschen Firmen, die in China arbeiten, berät. Reiets Frau und<br />

Partnerin Li kommt aus Chongqing. Die Chinesin und der <strong>Deutsche</strong> entschieden sich deshalb für die oft neblige Stadt am<br />

Dreischluchtendamm, in der die Regierung erst <strong>im</strong> vergangenen Jahr eine besonders geförderte Wirtschaftszone schuf. Seit knapp<br />

einem Jahr betreut ihre Caerus GmbH von Bonn aus deutsche Firmen, die sich dort niederlassen wollen: Sie vermitteln den Kontakt zu<br />

Behörden, besorgen die Genehmigungen, helfen bei der Suche nach verlässlichen <strong>chinesischen</strong> Mitarbeitern. "In China kannst du<br />

praktisch nichts machen, wenn du keine Kontakte hast", sagt Reiet.<br />

Es ist ein wachsendes Geschäft, in das der 28-Jährige nach dem Jura-Studium investierte: die Beratung deutscher Firmen, die in China<br />

arbeiten oder dies bald tun wollen. Erst vor drei Tagen unterstrich der milliardenschwere deutsche Chemieriese BASF diesen Trend. Der<br />

Konzern erhielt von der Regierung in Peking grünes Licht für den Bau eines Großanlagenkomplexes in Chongqing. BASF investiere rund<br />

860 Millionen Euro in das Vorhaben, kündigte der weltgrößte Chemiekonzern am Freitag an. Die Produktion soll 2014 beginnen. BASF<br />

betreibt in China 23 Tochterunternehmen und 16 Gemeinschaftsfirmen.<br />

Über 5300 deutsche Unternehmen sind bereits jetzt in China tätig. Bis Ende 2010 investierten die <strong>Deutsche</strong>n rund 17,2 Milliarden Euro in<br />

China, auch für dieses Jahr erwarten die Chinesen ein Wachstum der deutschen Investitionen. Anders als in den ersten Jahren des<br />

China-Booms setzen die deutschen Firmen zunehmend auf sorgfältige und intensive Vorbereitung. Über 15 000 Anfragen von deutschen<br />

Unternehmen gehen inzwischen pro Jahr bei der Auslandshandelskammer (<strong>AHK</strong>) in Peking ein.<br />

Mit seiner Spezialisierung auf Chongqing ist Reiet einer der ersten Berater, die für nur einen Standort ihre Dienste anbieten. "Hier können<br />

wir uns gut profilieren", sagt Reiet. Der Westen des Landes ist bislang bei deutschen Unternehmen nicht sonderlich beliebt - <strong>im</strong> Vergleich<br />

zum Perlfluss-Delta <strong>im</strong> Osten ist er infrastrukturell unterentwickelt. Noch fehlt die kaufkräftige Mittelschicht, die in Shanghai und Peking<br />

deutsche Autos und Konsumgüter kauft. Die "Go West"-Strategie, mit der Chinas Regierung seit zehn Jahren die noch weniger<br />

entwickelten Städte voranbringen will, hat nur bedingt Erfolg: "Dem Plan folgen bislang nur wenige deutsche Unternehmen", sagt Titus<br />

von dem Bongart, Leiter des German Business Center China bei der Unternehmensberatung Ernst & Young.<br />

Anders als <strong>im</strong> <strong>chinesischen</strong> Westen ist der Markteintritt für die deutschen Firmen an der Küste nicht mehr das beherrschende Thema,<br />

sagt von dem Bongart. Diese Einschätzung teilt auch die Konkurrenz: "Viele Firmen sagen, sie wollen ihre komplette<br />

Wertschöpfungskette nach China verlegen", sagt Daniel Berger von Europe Asia Consulting. Seine Firma ist seit 1992 in China ansässig,<br />

derzeit mit etwa 50 Mitarbeitern in Peking. Auch bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO, die in China 35 Büros unterhält und 5000<br />

Mitarbeiter hat, beobachten die Berater eine Intensivierung des deutschen Engagements in China: "Das konzentriert sich eher auf<br />

Umstrukturierungen vorhandener chinesischer Tochtergesellschaften als auf Neueinstiege", sagt Standortleiter Gebhard Zemke. Die<br />

<strong>Deutsche</strong>n verspürten inzwischen in fast allen Branchen zunehmende Konkurrenz durch chinesische Mitbewerber. "Die Chinesen werden<br />

ernster genommen", sagt Daniel Berger von Europe Asia Consulting. "Die Vorbereitung <strong>im</strong> Vorfeld ist deutlich professioneller geworden,<br />

auch die Etats sind größer." Die deutsche Außenhandelskammer in Peking hat eine ähnliche Beobachtung gemacht: "Die Unternehmen<br />

sind besser informiert. Wir bekommen viel speziellere Anfragen, zum Beispiel nach verlässlichen Geschäftspartnern in der<br />

Halbleiterindustrie oder nach Steuerberatung für kleinere und mittlere Unternehmen", sagt Florian Kessler von der <strong>AHK</strong> in Peking.<br />

Von dem Bongart, der seit 13 Jahren in China lebt, sagt: "In den Zentralen vieler Firmen hat China inzwischen einen großen Stellenwert."<br />

Das "Vor-Ort-Sein" sei enorm wichtig, um deutsche Firmen passend zu beraten. "Sie brauchen eine Präsenz vor Ort, um die Firmen<br />

vernünftig zu beraten. Das n<strong>im</strong>mt Ihnen doch sonst keiner ab, dass Sie allein von München aus eine Firmengründung in China betreuen",<br />

sagt Daniel Berger von Europe Asia Consulting. Neben den größeren Consulting-Firmen gebe es <strong>im</strong>mer noch viele deutsche Berater, die<br />

allein in China tätig sind. "Diese One-Man-Shows sind durchaus ein Trend", so Berger.


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Noch berät Rudolf Reiet seine Kunden von Bonn aus. Vier Mitarbeiter hat das Büro in der ehemaligen Bundeshauptstadt, zwei Chinesen<br />

arbeiten in Chongqing für Caerus. Rund ein Viertel des Jahres verbringt Reiet in China, seine Geschäftspartnerin Li ist noch öfter dort.<br />

Die Leistungen reichen von interkulturellem Training, wo die <strong>Deutsche</strong>n lernen, wie sie zum Beispiel das ständige Schnalzen ihres<br />

<strong>chinesischen</strong> Gegenübers zu deuten haben, über Sprachkurse bis zur Geschäftsansiedlung in Chongqing. "Das Einzel-Coaching ist<br />

enorm wichtig", sagt Reiet. Seine Klienten seien es gewöhnt, in Verhandlungen sehr verbindlich aufzutreten - "Doch damit kommt man in<br />

China nicht weit", sagt der Caerus-Chef.<br />

In den Sitzungen vor der Abreise versucht Reiet, seine Kunden auf den Kulturschock vorzubereiten - eine abgegriffene, aber <strong>im</strong>mer noch<br />

passende Bezeichnung für das, was auf Europäer wartet, die zum ersten Mal in China arbeiten: "Sie essen dort andere Sachen, sie<br />

trinken anders, sie verhandeln anders. Das muss man wissen, und zwar vorher", sagt Reiet. Seinen Kunden sei oftmals nicht bewusst,<br />

wie sehr sich die Geschäftsanbahnung in China von der in Deutschland unterscheide: "Hier kannst du irgendwo anrufen und von deinem<br />

Produkt erzählen, Kalt-Akquise machen. Das ist in China ein Ding der Unmöglichkeit." Ein Fehler, den eher kleine und mittelständische<br />

Unternehmen häufig machen, so seine Erfahrung.<br />

Reiet profitiert mit seiner Firma in vielen Fällen vom wachsenden Umweltbewusstsein der Chinesen. "In den Ministerien wird die<br />

Problematik durchaus gesehen." Deshalb hat die Verwaltung der Wirtschaftszone in Chongqing großes Interesse daran, nachhaltig<br />

arbeitende Firmen anzusiedeln. Das ungezügelte Wachstum ohne Rücksicht auf Verluste soll dem aktuellen Fünf-Jahres-Plan zufolge<br />

denn auch der Vergangenheit angehören: Bis 2015 muss der Energieaufwand für jeden erwirtschafteten Yuan um 17 Prozent sinken.<br />

Reiet hat sich deshalb auf Umwelttechnik spezialisiert. Derzeit arbeitet er unter anderem für eine Firma, die in Chongqing<br />

Müllvergasungsanlagen bauen will, ohne dass giftige Abgase entstehen. "Die Giftstoffe werden in dieser Anlage in einer glasartigen<br />

Schlacke eingeschlossen. Als ,Abfallprodukt' entsteht Koks, das in Kohlekraftwerken verfeuert werden kann", erklärt Reiet.<br />

Die Kontaktaufnahme zu den <strong>chinesischen</strong> Behörden erledigt meist seine Partnerin. "Sie hat als Chinesin natürlich einen ganz anderen<br />

Draht zu den Beamten", sagt Reiet. Ein deutscher Handelsregisterauszug allein schaffe noch nicht das Vertrauen, das es braucht, um<br />

schnell an Baugenehmigung, Zulassungen und Fördermittel zu kommen. "Wir wissen, welche Formulare an welches Referat gerichtet<br />

werden müssen. Das ist für Ausländer sehr schwer zu durchschauen." Viele Informationen in China seien nur über indirekte Kanäle wie<br />

Vier-Augen-Gespräche zu bekommen.<br />

Immer wieder erzählt er seinen Kunden, dass sie für ein Investment in China Geduld mitbringen müssen. "Die Vertragsanbahnung dauert<br />

drei oder vier Mal so lange wie in Deutschland. Vertrauen spielt dort eine deutlich größere Rolle", sagt er. Reiet übt mit seinen Kunden<br />

auf Wunsch Tischmanieren und Umgangsformen. "Ich bereite sie dann auch schon mal auf die Speisekarte vor", sagt Reiet und lacht. "In<br />

Chongqing gibt es nämlich bislang kein halbwegs gutes westliches Essen." Pizza und Pasta: absolute Fehlanzeige. Aber das Essen mit<br />

Messer und Gabel, das sei inzwischen total angesagt - <strong>im</strong>merhin.

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