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I n t e r n a t i o n a l<br />

Eine neue Etappe<br />

14<br />

von Suphi Toprak (RIO, München)<br />

Die Welt befindet sich im fünften Jahr der kapitalistischen<br />

Krise. In diesen Jahren sind Massenaufstände in der arabischen<br />

Welt, Generalstreiks in Europa, imperialistische Kriege<br />

und weitere Krisenerscheinungen Teil des Alltags geworden.<br />

Wie überraschend für viele bürgerliche PolitkerInnen die Krise<br />

kam, so frappierend wollten sie zu Beginn des Jahres 2013<br />

die Krise für beendet erklären. Der Präsident der Europäischen<br />

Kommission Barroso hat selbstbewusst erklärt: „Die existenzielle<br />

Bedrohung für den Euro ist grundsätzlich überwunden“ 1 , und der<br />

deutsche Finanzminister Schäuble meinte: „In der Euro-Krise haben<br />

wir das Schlimmste hinter uns.“ 2 Doch zeigen die Entwicklungen<br />

der letzten Monate, sowohl auf der wirtschaftlichen Ebene<br />

(mit neuen Nachrichten über die Krise der Autoindustrie und<br />

vor allem der Fall des „Rettungspakets“ für Zypern), als auch auf<br />

der Ebene des <strong>Klasse</strong>nkampfes (mit beginnenden Kämpfen in<br />

den Kernsektoren der ArbeiterInnenklasse der Industrieländer),<br />

dass die Krise alles andere als vorbei ist.<br />

Wirtschaftliche Perspektiven<br />

Dieser Lage können sich auch bürgerliche WirtschaftswissenschaftlerInnen<br />

nicht verschließen. Damit einher geht auch eine<br />

teilweise Infragestellung der bisherigen deutschen Austeritätspolitik.<br />

Der Spiegel-Autor Wolfgang Münchau beispielsweise<br />

stellte die deutsche Politik der Aufwertung des Euro der Abwertungspolitik<br />

des Dollars und des Sterling gegenüber und<br />

meinte: „Die Folgen dieser Diskrepanz in der Geldpolitik zwischen<br />

EZB und fast allen anderen großen Notenbanken sind in den<br />

Märkten überhaupt noch nicht durchgesickert. Ich erwarte eine<br />

kräftige spekulative Aufwertung des Euro, die die Krise im Euro-<br />

Raum noch verschärfen wird.“ 3 Die ARD sieht die Lage ähnlich:<br />

„Die desaströse Lage in den Euro-Krisenstaaten dürfte sich in den<br />

kommenden Jahren noch weiter verschärfen. Schuld daran sind<br />

die massiven Sparbemühungen der Regierungen, welche zu einem<br />

Rückgang von Investitionen und Konsum führen dürften. Schleppende<br />

Umsetzungen von Strukturreformen stehen einer Erholung<br />

des Arbeitsmarktes insbesondere in Spanien entgegen. So weit, so<br />

desaströs das fundamentale Bild.“ 4 Hans-Werner Sinn meint in<br />

der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Spanien, Griechenland<br />

und Portugal müssen längerfristig im Vergleich zum Durchschnitt<br />

der Eurozone um etwa 30 Prozent billiger werden, um wieder wettbewerbsfähig<br />

zu werden, und selbst Frankreichs Preise müssen um<br />

20 Prozent gegenüber dem Durchschnitt fallen. […] Deutschlands<br />

Preise müssen umgekehrt um etwa 20 Prozent gegenüber dem<br />

Durchschnitt steigen.“ 5 Während er also zumindest eine Auflockerung<br />

der Sparpolitik in Deutschland befürwortet, sollen die<br />

anderen Länder der Eurozone weiter diszipliniert werden.<br />

Die Meinung, dass die Krise vorbei sei, ist der Tatsache ge-<br />

1. Ralf Streck: Barroso erklärt die Krise für beendet. http://www.heise.de/<br />

tp/artikel/38/38326/1.html<br />

2. Bild-Interview mit Finanzminister Wolfgang Schäuble. http://www.bild.<br />

de/politik/inland/wolfgang-schaeuble/interview-euro-krise-27877812.<br />

bild.html<br />

3. Wolfgang Münchau: Die Spur des Geldes: Wir werden uns mit Sehnsucht<br />

an 2012 erinnern. http://www.spiegel.de/wirtschaft/ausblick-<br />

2013-die-krise-kommt-nach-europa-zurueck-a-873829.html<br />

4. ARD: Die Euro-Krise ist vorbei! Wirklich? http://boerse.ard.de/meldungen/die-euro-krise-ist-vorbei-wirklich100.html<br />

5. Hans-Werner Sinn: Die Eurokrise ist noch nicht gelöst. http://www.faz.<br />

net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/gastbeitrag-die-eurokrise-ist-noch-nicht-geloest-12042126.html.<br />

schuldet, dass eine neuerliche Kapitalbewegung in die Krisenländer<br />

stattfand: „Fast 100 Milliarden Euro sind zwischen September<br />

und Dezember in die überschuldeten Staaten Griechenland,<br />

Irland, Portugal, Italien und Spanien geflossen“. 6 Dieser Kapitalfluss<br />

in die Krisenländer führt zur Aufteilung dieser Länder<br />

unter deutschen und französischen Firmen. Der französische<br />

Präsident Hollande sagte beispielsweise bei seinem Besuch in<br />

Griechenland am 20. Februar: „Ich bin hier, um französische Unternehmen<br />

zu mobilisieren, in Griechenland zu investieren.“ Die<br />

durch die Sparpolitik der imperialistischen Mächte gestörten<br />

Bereiche stehen dabei gerade im Fokus: „Französische Firmen<br />

könnten bei Wasserunternehmen, Elektrizität und in anderen<br />

Branchen qualitativ hochwertige Dienstleistungen anbieten.“ 7<br />

Die von den deutschen Medien unterstützte Auflockerung der<br />

Sparpolitik heißt also letztendlich, Sicher heiten für InvestorInnen<br />

zur Verfügung zu stellen, damit die Aufteilung der kriselnden<br />

Ländern voranschreiten kann.<br />

Autoindustrie als Schlachtfeld der Krise<br />

Die Auflockerung der Sparpolitik geschieht zur Zeit ohne Abwertung<br />

des Euro, was eben klar zeigt, dass die Aufteilung<br />

der Krisenländer für Deutschland und Frankreich wirtschaftlich<br />

bedeutender ist, als der Export mit abgewertetem Euro<br />

in die „Schwellenländer“. Die Folgen davon trägt gerade die<br />

Automobil industrie. Autohersteller, die sich vor der Krise im<br />

europäischen Raum stark machten, haben Schwierigkeiten<br />

wegen der schwachen Nachfrage auf dem europäischen Kontinent<br />

und wegen des starken Euros auf den anderen Kontinenten,<br />

ihre Produkte abzusetzen. Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer<br />

von der Universität Duisburg-Essen sagt: „Die Industrie in<br />

Europa driftet stark auseinander. Die Unternehmen, die ihre Autos<br />

überwiegend in Europa verkaufen, haben wegen der Rezession in<br />

Südeuropa große Probleme. Und deshalb sind alle, die außerhalb<br />

Europas aktiv sind – etwa die deutschen Premiumhersteller, aber<br />

auch VW – besser aufgestellt. In Europa sitzt man in der Klemme.“ 8<br />

Eine neue Stufe der Krise zeigt sich also in der Autoindustrie,<br />

einem Kernsektor der ArbeiterInnenklasse, in dem die Spannung<br />

zwischen wirtschaftlichen Zwängen und Widerständen der ArbeiterInnen<br />

deutlich wird. Dudenhöfer sagt auch: „Normal werden<br />

15 Millionen Fahrzeuge in Europa verkauft, derzeit kommen wir<br />

auf 11,5 Millionen. Es fehlen dreieinhalb Millionen Fahrzeuge – das<br />

sind zehn Autowerke, die derzeit stillstehen, weil sie nicht gebraucht<br />

werden.“ Die Beschäftigten von Peugeot-Citroën protestierten<br />

kürzlich gegen die geplante Schließung ihres Werkes in Paris<br />

– und besetzten kurzerhand die Zentrale des Metall-Arbeitgeberverbands.<br />

Die Dynamik des Konkurrenzdrucks zwischen den<br />

Autounternehmen und die Wut der von Entlassung bedrohten<br />

Belegschaften könnte zu einem Kampf führen, bei dem die organisierten<br />

ArbeiterInnen die Forderung der Verstaatlichungen der<br />

Betriebe unter ArbeiterInnenkontrolle aufgreifen könnten.<br />

Bei der wirtschaftlichen Unterwerfung der Krisenländer geht<br />

es um Sektoren wie Dienstleistungen, Strom, Wasser, das Gesundheitssystem<br />

etc., in welchen für die InvestorInnen relative<br />

6. Jannis Brühl: Spekulanten fassen Vertrauen in Europa. http://www.<br />

sueddeutsche.de/wirtschaft/milliarden-geldstrom-in-krisenstaatenspekulanten-fassen-vertrauen-in-europa-1.1585833<br />

7. Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Hollande in Griechenland: „Die<br />

Euro-Krise ist vorüber!“ http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.<br />

de/2013/02/20/hollande-in-griechenland-die-euro-krise-ist-vorueber/<br />

comment-page-1/<br />

8. Hans-Jürgen Maurus: Ein Riss geht durch Europas Autoindustrie. http://<br />

www.tagesschau.de/wirtschaft/autosalon-genf-absatzprobleme104.html

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