Die Anämie beim geriatrischen Patienten - Österreichische ...
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Abschlussarbeit<br />
ÖÄK Diplomlehrgang<br />
Geriatrie<br />
Wissenschaftliche Leitung:<br />
Prof. Dr. Franz Böhmer<br />
Prim. Univ. Prof . Dr. Monika Lechleitner<br />
Rückfragen:<br />
<strong>Österreichische</strong> Akademie der Ärzte GmbH<br />
Weihburggasse 2/5<br />
A-1010 Wien<br />
Tel.: +43 1 512 63 83
<strong>Die</strong> <strong>Anämie</strong> <strong>beim</strong> <strong>geriatrischen</strong><br />
<strong>Patienten</strong><br />
Abschlussarbeit von Dr. Bernadette Stögerer<br />
Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 I
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung .................................................................................... 1<br />
2 Zielsetzung .................................................................................. 1<br />
3 Definition ..................................................................................... 1<br />
4 Prävalenz und Epidemiologie .................................................... 2<br />
5 Ursachen von <strong>Anämie</strong>n bei <strong>geriatrischen</strong> <strong>Patienten</strong> ................ 3<br />
5.1 Eisenmangelanämie ................................................................................ 4<br />
5.2 <strong>Anämie</strong> bei chronischen Entzündungen bzw. Erkrankungen<br />
(Anemia of Chronic Inflammation, ACI bzw. Anemia of Chronic<br />
Disease, ACD) .......................................................................................... 7<br />
5.3 <strong>Anämie</strong> bei renaler Insuffizienz .............................................................. 9<br />
5.4 <strong>Anämie</strong> bei Vitamin B12- und Folsäuremangel .................................. 11<br />
5.5 <strong>Anämie</strong> bei Myelodysplastischem Syndrom (MDS) ........................... 12<br />
5.6 <strong>Anämie</strong> bei Schilddrüsenerkrankungen .............................................. 12<br />
5.6 <strong>Anämie</strong> ungeklärter Ursache ................................................................ 13<br />
6 Zusammenfassung ................................................................... 14<br />
7 Literaturverzeichnis .................................................................. 15<br />
Anhang<br />
Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 II
1 Einleitung<br />
<strong>Die</strong> <strong>Anämie</strong> ist ein häufiges Problem der älteren Population, wird aber häufig als<br />
harmlos bzw. zum normalen Alterungsprozess gehörend eingestuft. Doch die<br />
<strong>Anämie</strong> im Alter ist weder „normal“ noch harmlos, sie kann vielmehr ein akutes oder<br />
chronisches medizinisches Problem darstellen bzw. ein Grund für die<br />
Verschlechterung des klinischen Zustandes von älteren, chronisch kranken<br />
Menschen sein [2,3]. <strong>Die</strong> <strong>Anämie</strong> <strong>beim</strong> <strong>geriatrischen</strong> <strong>Patienten</strong> kann aber auch einen<br />
wichtigen Hinweis auf eine ernsthafte und möglicherweise behandelbare Erkrankung<br />
darstellen [1, 2].<br />
Oft sind die typischen Symptome zu Beginn sehr unspezifisch und für den <strong>Patienten</strong><br />
subjektiv wenig belastend. Aber gerade ein chronischer Blutmangel kann im Alter<br />
weitreichende Konsequenzen haben, von verschieden kardiovaskulären<br />
Komplikationen bis hin zu einer verminderten Lebensqualität. Japanische Studien<br />
zeigten, dass bei einer unbehandelten <strong>Anämie</strong> die Fünf-Jahres-Überlebensrate mit<br />
der Höhe des Hämoglobinspiegels korreliert [2].<br />
Wird eine <strong>Anämie</strong> bei einem älteren Menschen festgestellt, macht dies eine genaue<br />
Anamnese, eine körperliche sowie eine Laboruntersuchung erforderlich [1].<br />
Nicht immer muss eine <strong>Anämie</strong> abgeklärt werden: Wenn sie zum Beispiel nur<br />
leichten Grades ist und/oder wenn sich die Ursache aufgrund der Anamnese und der<br />
Klinik ausreichend erklären lässt [10].<br />
2 Zielsetzung<br />
<strong>Die</strong>se Arbeit soll nicht nur einen kurzen Überblick, über <strong>Anämie</strong>formen, die im Alter<br />
gehäuft vorkommen, geben, sondern auch Unterstützung hinsichtlich der Abklärung<br />
bzw. der Therapie bieten. Der Schwerpunkt liegt hierbei in der Eisenmangelanämie,<br />
da sie die häufigste Form der Blutarmut bei <strong>geriatrischen</strong> <strong>Patienten</strong> darstellt.<br />
3 Definition<br />
<strong>Die</strong> World Health Organisation (WHO) spricht von einer <strong>Anämie</strong>, wenn die<br />
Hämoglobinkonzentration kleiner 12,0 g/dl bei Frauen und kleiner als 13,0 g/dl bei<br />
Männern ist [4]. <strong>Die</strong> Gültigkeit dieser Werte wurde jedoch in Frage gestellt, nachdem<br />
Publikationen der Woman Health and Aging studies (WHAS) gezeigt hatten, dass bei<br />
Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 1
Frauen ab 65 Jahren bereits ein Hämoglobinwert unter 13,5 g/dl mit einem erhöhten<br />
Mortalitätsrisiko und einer Funktionseinschränkung assoziiert ist [13].<br />
Auch die Zahl der Erythrozyten (red cell mass – RCM) und der Hämatokrit werden für<br />
die Beurteilung einer Blutarmut herangezogen.<br />
Normwerte [18] Frauen Männer<br />
Hämoglobin (g/dl): 12,0 – 16 13,0 - 17<br />
Hämatokrit (%): 38 – 44 42 – 50<br />
Erythrozyten (Mill/µl) 4,0 – 5,4 4,3 – 5,6<br />
Der Hämoglobingehalt und der Hämatokrit sind die entscheidenden Parameter für<br />
die <strong>Anämie</strong>-Diagnostik. <strong>Die</strong> Erythrozytenzahl korreliert nicht immer mit dem<br />
Hämoglobin und ist daher kein empfindlicher Parameter [18].<br />
4 Prävalenz und Epidemiologie<br />
<strong>Die</strong> <strong>Anämie</strong> ist ein häufiges Problem bei <strong>Patienten</strong> über 65 Jahre. Bezugnehmend<br />
auf die National Health and Nutrition Examination Survey III (NHANES III) sind in den<br />
USA 9,5 % der <strong>geriatrischen</strong> Personen davon betroffen [13]. Häufiger wird dieses<br />
Krankheitsbild bei hospitalisierten und/oder bei den hochbetagten <strong>Patienten</strong><br />
gefunden (siehe Tab. 1). Im Gegensatz zur <strong>Anämie</strong> <strong>beim</strong> jüngeren Menschen ist die<br />
Blutarmut bei Älteren häufiger bei Männern als bei Frauen anzutreffen [5].<br />
Neben dem Geschlecht spielt auch die Ethnizität eine Rolle. So leiden schwarze<br />
ältere Menschen dreimal häufiger an einer <strong>Anämie</strong> als Weiße. <strong>Die</strong>sen Umstand kann<br />
man zum Teil durch das erhöhte Vorkommen von Thalassämien und strukturellen<br />
Hämoglobinopathien erklären (siehe Tab. 2) [6, 7].<br />
Zusätzlich kann man feststellen, dass die ältere Population sehr heterogen ist (siehe<br />
Tab. 1) [5].<br />
Tab. 1: Prevalence of anemia in persons 65 years and older [5]<br />
Age Population Prevalence<br />
> 65 Community-dwelling eldery, American 10, 6 %<br />
> 65 Community-dwelling eldery, Italian 11 %<br />
> 71 Community-dwelling 24 %<br />
> 65 Hospitalized 24 %<br />
> 65 nursing home 48 %<br />
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Tab. 2: Prevalence of persons age 65 and older who are anaemic, by race/ethnicity<br />
and sex [8, 9]<br />
5 Ursachen von <strong>Anämie</strong>n bei <strong>geriatrischen</strong> <strong>Patienten</strong><br />
<strong>Anämie</strong>n bei <strong>geriatrischen</strong> <strong>Patienten</strong> sind immer multifaktoriell [2]. Bezugnehmend<br />
auf die NHANES III Studie können aber drei Hauptursachen für die <strong>Anämie</strong> <strong>beim</strong><br />
älteren Menschen genannt werden (vgl. Tab. 4) [9, 5].<br />
-) <strong>Anämie</strong> aufgrund von Blutverlust bzw. Mangelernährung,<br />
-) <strong>Anämie</strong> assoziiert mit chronischen Erkrankungen/Entzündungen,<br />
-) <strong>Anämie</strong> bei chronischer Niereninsuffizienz<br />
Tab 4: Ursachen der <strong>Anämie</strong> im Alter<br />
Ursache: Prävalenz (%)<br />
Eisenmangel 15-23<br />
Chronische Erkrankung/Entzündung 15-35<br />
Chronische Nierenerkrankung 8<br />
Endokrinopathien 0-5<br />
Vitamin B12- oder Folsäuremangel 0-14<br />
Hämatologische Krankheiten 5<br />
Ungeklärte, idiopathische <strong>Anämie</strong> 17-45<br />
Selten tritt im Alter eine akute <strong>Anämie</strong> auf (z. B. durch Blutung oder Hämolyse).<br />
Meistens ist es ein langsam fortschreitender Prozess, der zu einer Blutarmut führt.<br />
Wichtig hierbei wäre es, die Hämoglobin-Werte vor einer etwaigen Hospitalisierung<br />
zu kennen, da bei älteren Personen bereits multiple Phlebotomien zu einer <strong>Anämie</strong><br />
führen können [5].<br />
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5.1 Eisenmangelanämie<br />
<strong>Die</strong> Diagnose eines Eisenmangels bei älteren Menschen spielt eine große Rolle, da<br />
sich die daraus resultierende <strong>Anämie</strong> leicht behandeln lässt. Darüber hinaus kann<br />
ein Eisenmangel Hinweis auf eine gastrointestinale Erkrankung sein [5].<br />
<strong>Die</strong> Bestimmung von Ferritin hat hierbei eine wichtige diagnostische Bedeutung, da<br />
der Eisenmangel die einzige Ursache für ein erniedrigtes Ferritin darstellt. Man muss<br />
aber bedenken, dass dieser Wert bei <strong>Patienten</strong> mit chronischer Entzündung,<br />
maligner oder Lebererkrankung normal bzw. falsch erhöht sein kann. Bei einem<br />
Ferritin-Wert von über 100 ng/ml kann aber auch bei vorliegender Entzündung ein<br />
Eisenmangel ausgeschlossen werden.<br />
Das Serumeisen hat wegen der starken tageszeitlichen Schwankungen bei der<br />
Diagnostik eine untergeordnete Rolle wie auch die übrigen Eisenparameter, z. B.<br />
Transferrin und Transferrinsättigung [10, 11, 12].<br />
Meistens ist die Eisenmangelanämie die Folge einer okkulten gastrointestinalen<br />
Blutung, hervorgerufen durch Magen- oder Duodenalulcerazionen, NSAR-Einnahme,<br />
Colonkarzinome bzw. Polypen, Magenkarzinome, Angiodysplasien oder entzündliche<br />
Darmerkrankungen. In einer Studie mit 100 <strong>Patienten</strong> mit Eisenmangelanämie hatten<br />
37 % eine obere gastrointestinale Blutung (peptisches Ulkus), und bei 26 % konnte<br />
eine Ursache im Colon gefunden werden [12]. Eine weitere Ursache kann eine<br />
mangelnde Eisenresorption bei z. B. Zustand nach Magenresektion sein oder eine<br />
chronische Gastritis (Typ A oder B) [18, 24].<br />
Symptome<br />
<strong>Die</strong> Symptome hängen davon ab, wie schnell sich die <strong>Anämie</strong> entwickelt, wie stark<br />
der Hämoglobinwert absinkt und ob Komorbiditäten vorhanden sind [1,5].<br />
Treten Symptome eines Eisenmangels noch vor Auftreten einer <strong>Anämie</strong> auf, spricht<br />
man von Sideropenie oder latentem Eisenmangel [18].<br />
1. Allgemeine <strong>Anämie</strong>symptome:<br />
-) Blässe der Haut und Schleimhäute<br />
-) Schwäche, Belastungsdyspnoe (verminderte Zahl von<br />
Sauerstoffträgern)<br />
-) evtl. Systolikum über dem Herzen durch Strömungsturbulenzen bei<br />
verminderter Viskosität und erhöhtem Herzzeitvolumen<br />
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-) Tachykardie (Kompensation des Sauerstoffmangels), Palpitationen<br />
-) Tinnitus, Depression<br />
2. Haut- und Schleimhautsymptome (siehe Bilder im Anhang):<br />
-) Rillenbildung und Brüchigkeit der Nägel, Hohlnägel, Haarausfall, Aphten der<br />
Mundschleimhaut, trockene Haut, Pruritus<br />
-) Plummer-Vinson-Syndrom: Sideropenische Schleimhautatrophie von Zunge,<br />
Oropharynx, Ösophagus mit Zungenbrennen und schmerzhafter Dysphagie<br />
-) Mundwinkelrhagaden<br />
3. evtl. unspezifische psychische oder neurologische Störungen:<br />
-) Kopfschmerzen<br />
-) Konzentrationsstörungen<br />
-) Restless legs<br />
-) Pica (abnorme Essgelüste auf z.B. Kalk, Erde) [18]<br />
Diagnostik:<br />
-) Anamnese/Klinik<br />
-) Labor: Hämoglobin, Erythrozytenzahl, Erythrozytenmorphologie (Anisozytose,<br />
Poikilozytose, Fragmentozyten, Sphärozyten), Retikulozyten, Blutausstrich,<br />
MCH/MCV, Thrombozyten, Ferritin, evtl. Eisen und Transferrin [5, 18]<br />
-) Klärung der Ursache: Stuhl auf Blut untersuchen (Hämoccult-Test®,<br />
endoskopische Magen-Darm-Diagnostik), Ausschluss einer Blutung im Bereich<br />
der Urogenitalorgane (urologische, gynäkologische Untersuchung), andere<br />
Blutungsquellen ausschließen (Zahnfleischbluten, Nasenbluten, große<br />
Hämatome…), Ausschluss einer Eisenresorptionsstörung – Durchführung eines<br />
Eisenresorptionstestes.<br />
Eisenresorptionstest: Messen des Serumeisens vor und 2 Stunden nach oraler Einnahme von 200<br />
mg Eisen(II): normal ist ein Ansteigen des Serumeisens auf mindestens das Doppelte des<br />
Ausgangswertes<br />
Behandlung Eisenmangelanämie<br />
Durch eine adäquate Behandlung der zugrunde liegenden Ursache sollte ein weiterer<br />
Eisenverlust verhindert werden [12]. <strong>Die</strong> Therapie sollte so lange fortgesetzt werden,<br />
bis die <strong>Anämie</strong> korrigiert und das Ferritin auf 100 ng/ml angestiegen ist, wobei<br />
höhere Ferritinwerte vor einem <strong>Anämie</strong>rückfall schützen [24].<br />
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<strong>Die</strong> Berechung des Eisenbedarfs mit Hilfe der Ganzoni-Formel ist in der Praxis nur<br />
schwer einsetzbar [25].<br />
Ganzoni-Formel: Körpergewicht x (Ziel-Hb – aktuelles Hb) x 2,4 + 500 (Eisenspeicher)<br />
<strong>Die</strong> Therapie kann peroral oder intravenös erfolgen. Da zweiwertige Eisenpräparate<br />
(z. B. Aktiferrin®, Ferretab®) schlecht resorbiert werden, müssen sie nüchtern<br />
eingenommen werden. Dreiwertige Produkte sind in Österreich nur für die<br />
parenterale Gabe zugelassen (z.B. Venofer®) [10].<br />
Bei der oralen Therapie werden nur 10% aufgenommen, der Rest wird über den<br />
Darm ausgeschieden. <strong>Die</strong> schwarze Stuhlverfärbung ist dafür ein Indiz. Durch die<br />
niedrige Bioverfügbarkeit kommt es zu hohen Eisenkonzentrationen im Darm was zu<br />
Dünndarmulzerationen, gastrointestinalen Nebenwirkungen (Bauchschmerzen,<br />
Obstipation) und bei langfristiger Eisensubstitution zu einer Veränderung der<br />
Darmflora führen kann, wodurch das Risiko für kolorektale Tumore zunimmt [24, 25].<br />
<strong>Die</strong> Regel lautet „Small is beautiful“. Also kleine Einzeldosis ohne speziellen<br />
galenischen Mantel, wie z. B. Aktiferrin ® [24]<br />
Bei älteren Menschen kann Eisen aufgrund z. B. einer Helicobacter-pylori-Infektion<br />
zusätzlich schlechter resorbiert werden [9].<br />
Ohne nachgewiesenen Eisenmangel sollte keine Substitution erfolgen, da der<br />
menschliche Körper über keine Regulationsmechanismen verfügt, das<br />
überschüssige Eisen auszuscheiden [9].<br />
Indikationen für eine i.v. Therapie [10, 12]:<br />
-) schlechte Verträglichkeit der peroralen Therapie<br />
-) schwere <strong>Anämie</strong><br />
-) anhaltender Verlust, der sich peroral nicht kompensieren lässt (z.B. bei CED)<br />
-) mangelnde Adhärenz<br />
-) <strong>Anämie</strong> bei chronischer Erkrankung<br />
-) enterale Eisenresorptionsstörung<br />
Zur parenteralen Gabe stehen zur Verfügung [14]:<br />
-) Venofer® mit 100 mg Eisen pro Ampulle<br />
(Kosten: 5 Ampullen ca. € 94,00), max. 200 mg 3mal wöchentlich<br />
-) Ferinject® mit 100 mg bzw. 500 mg Eisen pro Durchstechflasche<br />
Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 6
(Kosten: 5 DSF € 240,00 bzw. € 1.067,00), Gabe von bis zu 1000 mg Eisen in<br />
einer Kurzinfusion einmal pro Woche, bis zur kumulativen Gesamtdosis gemäß<br />
Tabelle (siehe Tab 5.)<br />
Tab. 5: Dosierungsschema, Ferinject [25]<br />
Hb (g/dl) KG < 70 kg KG > 70 kg<br />
≥ 10 1000 mg 1500 mg<br />
7 – 10 1500 mg 2000 mg<br />
Durch die parenterale Gabe von Eisen wird der Eisenmangel bzw. die <strong>Anämie</strong><br />
schneller und effektiver als durch die orale Substitution behoben (nahezu 100%ige<br />
Bioverfügbarkeit), die Therapie ist aber teuer und kann anaphylaktische Reaktionen<br />
und Thrombophlebitiden hervorrufen [15, 24]. Ob die Therapie erfolgreich ist, erkennt<br />
man an einem Ansteigen der Retikulozyten nach 3-4 Tagen und der<br />
Hämoglobinkonzentration von ca. 2 g/dl nach ca. 3-4 Wochen. Weiters kann man im<br />
Blutausstrich erkennen, dass die mikrozytären Erythrozyten zusehends durch<br />
normozytäre ersetzt werden. Zu bedenken ist, dass die i.v.-Eisengabe die<br />
Ferritinsynthese stimuliert, daher kann ein verwertbarer Ferritinwert frühestens 4<br />
Wochen nach der letzten Eiseninfusion gemessen werden (vorher falsch zu hohe<br />
Werte möglich) [10, 12, 24].<br />
5.2 <strong>Anämie</strong> bei chronischen Erkrankungen bzw. Entzündungen<br />
(ACI – Anemia of Chronic Inflammation, ACD – Anemia of Chronic<br />
Disease)<br />
Da ältere Menschen häufig unter multiplen chronischen Erkrankungen leiden, ist es<br />
nicht überraschend, dass die ACD die zweithäufigste Ursache der <strong>geriatrischen</strong><br />
<strong>Anämie</strong> ist.<br />
Komorbiditäten können indirekt zu einer ACD führen:<br />
-) NSAR´s bei Osteoarthritis gastrointestinale Blutung Eisenmangel<br />
-) arterielle Hypertonie renale Funktionseinschränkung <strong>Anämie</strong> bei chronischer<br />
Niereninsuffizienz [1].<br />
<strong>Die</strong> ACD ist eine Auschlussdiagnose, jedoch können Kombinationen von ACD und<br />
anderen <strong>Anämie</strong>n, z.B. Eisenmangelanämie, die Diagnosestellung erschweren [18].<br />
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<strong>Die</strong> ACD bzw. ACI kann mit Entzündungen jeglicher Art assoziiert sein (siehe Tab. 5)<br />
[13].<br />
Tab. 5: Morbiditäten, die mit ACD assoziiert sind<br />
1) Akute und chronische Infektion (viral, bakteriell, protozoal)<br />
2) Autoimmunerkrankungen (z.B. Rheumatoide Arthritis)<br />
3) Gewebeverletzungen (z.B. durch Operation, Trauma, Myokardinfarkt, Menstruation)<br />
4) Neoplasien<br />
5) Chronische Niereninsuffizienz<br />
Der Hauptmechanismus der zu einer ACI führt, ist eine beeinträchtigte Erythropoese<br />
durch inflammatorische Zytokine (TNF-alpha, Interleukin 1 und 6, Interferon gamma),<br />
die im Rahmen der Grunderkrankung vermehrt gebildet werden. Durch diese<br />
Zytokine wird der Eisenstoffwechsel, die Proliferation der roten Progenitorzellen und<br />
die Synthese von Erythropoetin (EPO) gestört sowie die Überlebenszeit der<br />
Erythrozyten verkürzt. In diesem Zusammenhang spielt Hepcidin eine wichtige Rolle<br />
(Hepcidin ist ein Typ II-Akute-Phase-Protein) [16, 18].<br />
Klinisch stehen meist die Symptome der Grunderkrankung im Vordergrund.<br />
Zusätzlich findet man allgemeine <strong>Anämie</strong>symptome (siehe 5.1), die durch die<br />
Grunderkrankung weniger deutlich erscheinen können [18].<br />
<strong>Die</strong> ACI ist eine hypoproliferative <strong>Anämie</strong> - gekennzeichnet durch niedriges<br />
Serumeisen, normalen bis erhöhten Speicherwerten (Ferritin) und ist meist<br />
normochrom und normozytär. Eine hypochrome und mikrozytäre Form ist aber<br />
möglich. Im Blutausstrich präsentiert sich eine Anisozytose und Poikilozytose, die<br />
Retikulozytenzahl ist normal bis vermindert. Laborchemisch erhöht sind die<br />
Blutsenkung, das CRP, Haptoglobin, Ferritin und Hepcidin. Der EPO-Spiegel kann<br />
noch im Normbereich liegen, der für <strong>Anämie</strong>n typische Anstieg der EPO-Produktion<br />
fehlt jedoch [17, 18].<br />
<strong>Die</strong> Therapie der Grunderkrankung stellt die beste Therapie der ACD dar. Ist die<br />
Grunderkrankung unheilbar, ist jene der ACD auch als palliativ anzusehen.<br />
Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 8
Symptomatische Therapie:<br />
-) Erythrozyten-Konzentrate<br />
-) parenterale Eisengabe bei Eisenmangel (perorale Eisengabe bringt keinen<br />
Erfolg, da Hepcidin die Aufnahme verhindert)<br />
-) Gabe von EPO (Erythropoetin) bzw. ESA (Erythropoese-stimulierende<br />
Wirkstoffe): bei Tumorpatienten unter Chemotherapie mit symptomatischer<br />
<strong>Anämie</strong> (Hb < 10 g/dl), vorher Ausschluss anderer <strong>Anämie</strong>ursachen,<br />
Ziel-Hb 12 g/dl (bei höheren Werten steigt die Letalität) [18]<br />
5.3 <strong>Anämie</strong> bei renaler Insuffizienz<br />
Im Alter nimmt die renale Funktion ab. Eine Studie in einem Altersheim zeigte, dass<br />
43 % der Bewohner eine chronische Nierenerkrankung mit einer Kreatinin-Clearance<br />
kleiner 60 ml/min hatten [19]. Eine chronische Niereninsuffizienz kann zu einer<br />
hyperregenerativen <strong>Anämie</strong> führen und stellt einen Risikofaktor für erhöhte Mortalität<br />
und verminderte Lebensqualität von Nierenpatienten dar [5, 18]. Jedoch kann diese<br />
<strong>Anämie</strong> übersehen werden, da eine Diskrepanz zwischen hochnormalem<br />
Serumkreatinin und verminderter Kreatinin-Clearance bei älteren und<br />
untergewichtigen <strong>Patienten</strong> besteht. [10].<br />
Als Hauptursache für die renale <strong>Anämie</strong> gilt ein Erythropoetin-Mangel durch<br />
verminderte Produktion infolge der Niereninsuffizienz. Begleitfaktoren können eine<br />
verkürzte Erythrozytenüberlebenszeit, ein Eisenmangel, eine inadäquate Dialyse,<br />
eine Aluminiumüberladung sowie eine Knochenmarkfibrose durch den<br />
Hyperparathyreotismus bzw. die myelotoxische Wirkung von harnpflichtigen<br />
Substanzen sein [10, 18].<br />
Neben den allgemeinen <strong>Anämie</strong>symptomen (siehe oben) kann auch eine Café-aulait-Farbe<br />
der Haut auffallen (anämische Blässe und Ablagerung von Urochromen).<br />
Im Labor findet man meist normochrome, normozytäre Erythrozyten, die Zahl der<br />
Retikulozyten ist vermindert und der EPO-Spiegel kann noch im Normbereich liegen<br />
(das für <strong>Anämie</strong>n typische Ansteigen des EPO-Spiegels fehlt jedoch) [18].<br />
Differentialdiagnostisch muss an die Eisenmangelanämie gedacht werden, welche<br />
bei <strong>Patienten</strong> mit Niereninsuffizienz auch gehäuft vorkommt (Blutverluste durch<br />
häufige Blutabnahmen, Hämodialyse und ev. gastrointestinale Blutungen).<br />
Dialysepatienten haben im Schnitt einen Blutverlust von ca. 2,5 l im Jahr – das<br />
entspricht etwa 1000 mg Eisen bei einem Hämoglobingehalt des Blutes von 12 g/dl.<br />
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Deshalb ist es wichtig, vor Therapiebeginn der renalen <strong>Anämie</strong> einen etwaigen<br />
Eisenmangel auszuschließen und bei Bedarf zu therapieren (Ziel-Wert des Serum-<br />
Ferritins > 200 bis max. 500 µg/l) [18, 20].<br />
Zur Therapie der renalen <strong>Anämie</strong> stehen Erythropoese-stimulierende Wirkstoffe<br />
(=ESA) zur Verfügung.<br />
ESA: Therapie und Dosierung [14, 18]<br />
-) Epoetin alfa HEXAL® 1000- 40000IE (Epoetin alfa): 50IE/kgKG dreimal<br />
wöchentlich in der Korrekturphase, 17-33IE/kgKG dreimal wöchentlich in der<br />
Erhaltungsphase bei nicht dialysepflichter Niereninsuffizienz<br />
-) Retacrit® 1000-40000IE (Epoetin zeta): 50IE/kgKG dreimal wöchentlich in der<br />
Korrekturphase, 17-33IE/kg/KG dreimal wöchentlich in der Erhaltungsphase bei<br />
nicht dialysepflichtiger Niereninsuffizienz<br />
-) Aranesp® 10-500µg (Darbepoetin alfa): 0,45µg/kgKG einmal wöchentlich in der<br />
Korrekturphase, in der Erhaltunsphase einmal pro Woche bzw. einmal alle 2<br />
Wochen<br />
-) NeoRecormon® 500-30000IE (Epoetin beta): 20IE/kgKG dreimal wöchentlich in<br />
der Korrekturphase, in der Erhaltungsphase je nach Hämoglobin (zw. 10-12 g/dl)<br />
-) Eporatio® 1000-30000IE (Epoetin theta): 20IE/kgKG dreimal wöchentlich in der<br />
Korrekturphase, in der Erhaltungsphase ein- bis dreimal wöchentlich<br />
Biosimilars sind biotechnologisch hergestellte Substanzen, die den Originalpräparaten ähnlich sind.<br />
Sie haben die gleiche Aminosäurenstruktur wie humanes Erythropoetin. Biosimilars für Erypoetin alfa<br />
sind: Abseamed®, Binokrit®, Epoetin alfa Hexal®, Silapo® und Retacrit®.<br />
Der Ziel-Hb sollte 12 g/dl nicht überschreiten, da bei höheren Werten das<br />
kardiovaskuläre und Mortalitätsrisiko ansteigt.<br />
Vor Therapiebeginn mit ESA sollte der Blutdruck gut eingestellt sein, da,<br />
insbesonders bei höheren Dosen, sich eine vorbestehende arterielle Hypertonie<br />
verschlechtern kann.<br />
Eine <strong>Anämie</strong> kann auch bei einem relativen EPO-Mangel bestehen. Das bedeutet,<br />
dass die endokrine Funktion der Niere bei normaler Nierenfunktion beeinträchtigt ist,<br />
z. B. bei Diabetikern [21]. Auch eine ACE-Hemmer-Therapie kann die EPO-<br />
Produktion hemmen und zu einer EPO-Mangel-bedingten <strong>Anämie</strong> führen [1, 5].<br />
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5.4 <strong>Anämie</strong> bei Vitamin B12- und Folsäuremangel<br />
Bei älteren Menschen kann häufig ein Vitamin B12- und/oder Folsäuremangel<br />
festgestellt werden, jedoch liegt nur bei wenigen <strong>Anämie</strong>n die Ursache in einem<br />
solchen Mangel. Durch eine atrophe Magenschleimhaut (Perniziöse <strong>Anämie</strong> bei<br />
Autoimmungastritis mit Antikörperbildung gegen Parietalzellen und Intrinsic Factor),<br />
nach einer Magenresektion, bei intestinalen Erkrankungen mit Malabsorption, bei<br />
einer chronischen Helicobacter-pylori-Infektion sowie durch Medikamente (PPI bzw.<br />
Metformin-Langzeittherapie) wird die Resorption von Vitamin B12 beeinträchtigt [5,<br />
18]. <strong>Die</strong> häufigste Ursache für einen Folsäure-Mangel liegt in einer einseitigen<br />
Ernährung (z.B. bei Alkoholikern, älteren Menschen).<br />
Bei schwerem Vitamin B12-Mangel findet man neben allgemeinen<br />
<strong>Anämie</strong>symptomen (siehe oben) auch neurologische (Funikuläre Myelose mit<br />
Gangunsicherheit, Ataxie, Paresen) und gastrointestinale Symptome<br />
(Autoimmungastritis, atrophe Glossitis). Bei einem Folsäuremangel liegt nur eine<br />
megaloblastäre <strong>Anämie</strong> ohne funikuläre Myelose vor.<br />
Im Labor findet man makrozytäre (MCV = Mean corpuscular volume > 98 fl) und<br />
hyperchrome (MCH = Mean corpuscular hemoglobin > 34 pg) Erythrozyten bei<br />
normalem MCHC (= Mean corpuscular hemoglobin concentration). Häufig ist eine<br />
Leuko- und Thrombopenie anzutreffen. <strong>Die</strong> Retikulozyten sind vor der Vitamin B12-<br />
Therapie normal bis erniedrigt, nach Therapiebeginn erhöht. Eventuell kann als<br />
Zeichen einer ineffektiven Erythropoese mit Hämolyse der Eisenwert, das LDH und<br />
das indirekte Bilirubin erhöht sein [18]. Ein Vitamin B12-Mangel ist bei Werten unter<br />
150 pmol/l anzunehmen und sicher bei Werten unter 100 pmol/l [10].<br />
<strong>Die</strong> Therapie des Vitamin-B12-Mangels erfolgt parenteral (i.m., i.v.)<br />
Zur Therapie stehen zur Verfügung [14]<br />
-) Hepavit® 500 µg und 1000 µg: initial 1000 µg zwei- bis dreimal wöchentlich bis zur<br />
Normalisierung des Blutbildes, Erhaltungsdosis: 1000 µg alle 2 Monate<br />
-) Erycytol Depot® 1g: bei neurologischer Indikation 1 mg zwei- bis dreimal<br />
wöchentlich, Erhaltungsdosis: 0,5 mg alle 5-6 Wochen<br />
Da nach ca. vier Tagen die Zahl der Retikulozyten enorm steigt, sollten in dieser<br />
Phase nach Laborkontrolle Folsäure, Kalium und Eisen substituiert werden<br />
Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 11
(vermehrter Bedarf durch gesteigerte Erythropoese). Vorübergehend kann es zu<br />
einer Thrombozytose mit gesteigertem Thromboserisiko kommen [18].<br />
Bei einem Folsäuremangel steht mit Folsan®, um ein Beispiel zu nennen, ein<br />
perorales Produkt zur Verfügung (5 mg/Tag).<br />
5.5 <strong>Anämie</strong> bei Myelodysplastischem Syndrom (MDS)<br />
MDS betrifft häufig Menschen über 60 Jahre und umfasst eine heterogene Gruppe<br />
von Knochenmarkserkrankungen, die durch eine ineffektive und dysplastische<br />
Hämatopoese sowie eine periphere Zytopenie charakterisiert ist, wobei eine, zwei<br />
oder alle drei Zellreihen betroffen sein können [5, 10].<br />
<strong>Die</strong> Symptome entstehen infolge der Zytopenie: <strong>Anämie</strong>symptome (siehe 5.1),<br />
Infekte, evtl. Fieber und Blutungsneigung [18].<br />
Durch eine Jamshidi-Punktion kann die Diagnose gestellt werden. Das Knochenmark<br />
ist zellreich, weist dysplastische Zellen und einen erhöhten Blastenanteil auf [18]. Im<br />
Blutbild findet man neben einer Mono-, Bi-oder Panzytopenie meist auch eine<br />
hyperchrome oder normochrome <strong>Anämie</strong> (die MCH-Werte können durch allfällige<br />
Transfusionen oder bei einer Kombination mit Eisenmangel verfälscht sein) [10,18].<br />
Supportive Therapie [18]:<br />
-) Transfusionen mit leukozytendepletierten Erythrozytenkonzentraten<br />
-) Eisenchelate bei drohender und manifester sekundärer Siderose (z. B.: Exjade®)<br />
-) Transfusionen mit Thrombozytenkonzentraten bei schweren Blutungen<br />
-) Breitbandantibiotika nach Abnahme von Blutkulturen bei unklarem Fieber<br />
-) Gabe von Wachstumfsfaktoren der Hämatopoese (z.B. EPO und/oder<br />
Granulozyten-Colony stimulating factor = G-CSF)<br />
-) keine Steroide, keine NSAR<br />
-) Pneumokokken-Impfung<br />
Auf die spezifische Therapie des MDS wird hier nicht näher eingegangen.<br />
5.6 <strong>Anämie</strong> bei Schilddrüsenerkrankungen<br />
Durch eine Schilddrüsenunterfunktion nimmt die Zahl der roten Blutkörperchen ab,<br />
was zu einer normozytären <strong>Anämie</strong>, seltener auch zu einer Makrozytose ohne<br />
<strong>Anämie</strong> führen kann [10]. Mit einer perniziösen <strong>Anämie</strong> kann sowohl ein Hyper- , als<br />
auch ein Hypothyreoidismus assoziiert sein [22].<br />
Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 12
Bei den meisten <strong>Patienten</strong> mit Schilddrüsen-Dysfunktionen liegt jedoch keine <strong>Anämie</strong><br />
vor [22].<br />
Wie thyroidale Störungen mit <strong>Anämie</strong> zusammenhängen, ist nicht bekannt. Man weiß<br />
aber, dass mit dem Grad der Dysfunktion, die Wahrscheinlichkeit einer <strong>Anämie</strong><br />
zunimmt [10].<br />
5.7 <strong>Anämie</strong> ungeklärter Ursache<br />
Ging man früher davon aus, dass eine <strong>Anämie</strong> im Alter immer mit einer<br />
Grunderkrankung einhergeht, zeigen nun diverse Studien, dass bei 15-45 % aller<br />
<strong>Anämie</strong>n im Alter keine Ursache gefunden werden kann [10].<br />
<strong>Die</strong> Abnahme von Muskelmasse (z.B. Sarkopenie bei älteren Menschen) könnte zu<br />
Veränderungen der Erythrozytenzahl und der Sauerstoffverwertung führen und<br />
möglicherweise auch die Eryhtropoetin-Produktion beeinflussen. Ebenso relevant für<br />
die Entwicklung einer ungeklärten <strong>Anämie</strong> bei älteren <strong>Patienten</strong> könnten<br />
Veränderungen bzw. eine Abnahme der Stammzellen sein [9].<br />
Hinter einer ungeklärten <strong>Anämie</strong> kann auch ein okkultes myelodysplastisches<br />
Syndrom stecken. Guralnik et al konnten nachweisen, dass 17% aller <strong>Patienten</strong> mit<br />
einer ungeklärten <strong>Anämie</strong> hämatologische Auffälligkeiten hatten, welche auf ein MDS<br />
deuteten [10, 23].<br />
Weiters konnte gezeigt werden, dass sich die unerklärte <strong>Anämie</strong> klar von der ACD<br />
unterscheidet. Bei 27 % der Heimbewohner war das CRP erhöht, wohingegen dieser<br />
Befund nur bei 9 % der <strong>Patienten</strong> mit ungeklärter <strong>Anämie</strong> zu finden war [10, 23].<br />
Drei weitere Aspekte müssen in Zusammenhang einer ungeklärten <strong>Anämie</strong><br />
berücksichtigt werden:<br />
-) ein veränderter Östrogen- bzw. Testosteron-Spiegel im Alter,<br />
-) Polypharmazie (inkl. Alkohol): viele Medikamente können die Erythropoese<br />
negativ beeinflussen,<br />
-) Auflistung aller signifikanten Erkrankungen, welche nicht typischerweise mit einer<br />
Entzündung assoziiert sind, z.B. Hypothyreoidismus; [4]<br />
Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 13
6 Zusammenfassung<br />
<strong>Anämie</strong> im Alter ist eine häufige und häufig unterschätzte Erkrankung, die aber<br />
weitreichende Folgen bzw. Konsequenzen haben kann, wie z. B. eine erhöhte<br />
Morbidität und Mortalität, verminderte Lebensqualität und erhöhte Sturzneigung.<br />
Nach Definition der WHO spricht man von einer <strong>Anämie</strong>, wenn die Hb-Konzentration<br />
kleiner 12 g/dl bei Frauen und kleiner 13 g/dl bei Männern ist. Nach der NHANES III<br />
Studie findet man bei 9,5 % der <strong>geriatrischen</strong> Personen in den USA eine <strong>Anämie</strong>,<br />
wobei Männer häufiger als Frauen betroffen sind.<br />
<strong>Die</strong> häufigsten Ursachen einer <strong>Anämie</strong> im Alter sind ein Eisenmangel, eine<br />
chronische Erkrankung bzw. Entzündung sowie eine chronische Niereninsuffizienz.<br />
Da sich eine Eisenmangelanämie leicht behandeln lässt, ist es wichtig, einen<br />
Eisenmangel im Alter zu diagnostizieren. Schwieriger ist dies bei der <strong>Anämie</strong> bei<br />
chronischen Erkrankungen. Hier handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose, und<br />
die Therapie der Grunderkrankung stellt die beste Therapie der ACD dar.<br />
Im Alter nimmt die renale Funktion ab, womit sich auch das häufige Vorkommen<br />
einer renalen <strong>Anämie</strong> im Alter erklärt. Zur Therapie stehen Erythropoesestimulierende<br />
Wirkstoffe zur Verfügung.<br />
Obwohl bei älteren Menschen häufig ein Vitamin-B12- und/oder Folsäuremangel<br />
festgestellt werden kann, liegt nur bei wenigen <strong>Anämie</strong>n die Ursache in einem<br />
solchen Mangel. Während ein Vitamin-B12-Mangel parenteral substituiert wird, kann<br />
die Gabe von Folsäure auch peroral erfolgen.<br />
Das Myelodysplastische Syndrom ist selten für eine <strong>Anämie</strong> im Alter verantwortlich,<br />
bei 15-44% aller <strong>Anämie</strong>n kann überhaupt keine Ursache gefunden werden.<br />
<strong>Die</strong> Weltbevölkerung wird immer älter, und so werden wir auch immer häufiger mit<br />
der <strong>Anämie</strong> des <strong>geriatrischen</strong> <strong>Patienten</strong> konfrontiert sein. Wir können nicht alle<br />
Ursachen für die <strong>Anämie</strong> beheben, aber wir können die Symptome behandeln und<br />
somit mehr Lebensqualität für ältere Menschen erreichen. Denn wie sagt ein<br />
Sprichwort:<br />
„Ein frohes Herz und gesundes Blut ist besser als viel Geld und Gut."<br />
Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 14
7 Literaturnachweis:<br />
1) Artz A: Anemia in Elderly persons, MD 06/2011<br />
2) Wirnsberger G: Altersanämie: Aspekte und neue Erkenntnisse in der<br />
<strong>Anämie</strong>therapie, Geriatrie-Praxis, 04/2007<br />
3) World Health Organisation: Worldwide Prevalence of Anemia 1993-2005: WHO<br />
Global Database on Anemia. Edited by Bruno de Benoist, Erin McLean, Ines<br />
Egli and Mary Cogswell<br />
4) Guralnik JM, Ershler WB, Schreir SL, Picozzi VJ: Anemia in the Elderly: A<br />
public health crisis in hematology; Hematology Am Soc Hematol Educ.<br />
Program. 2005; 528-32<br />
5) Huber A: <strong>Anämie</strong> im Alter, Der informierte Arzt, 10/2011<br />
6) Weiss GM, Goodnough LT: Anemia of chronic disease, N Engl J Med 2005; 352<br />
(10): 1011-23<br />
7) M. Tettamati et al: Prevalence, incidence and types of mild anemia in the<br />
eldery: the “Health and Anemia” population-based study, Haemtologia 11/2010<br />
8) NHANES III, Phases I and II, 1988-1994;<br />
9) Guralnik J et al: Anemia in the Eldery: A Public Health Crisis in Hematology,<br />
American Society of Hematology, Education Program Book<br />
10) Merlo CM: Diagnostik und Therapie der <strong>Anämie</strong> in der Praxis, Praxis 2009; 98:<br />
191-199<br />
11) Joosten: Strategies for the laboratory diagnosis of some common causes of<br />
anaemia in eldery patients, Gerontology 2004; 50: 49-56<br />
12) Mukhopadhyay D.: Iron deficiency anaemia in older people: investigation,<br />
management and treatment, Age and Ageing 2002: 31: 87-91<br />
13) Balducci L. et al: Anemia in the Elderly, 2007<br />
14) MEDIS online<br />
15) Goddard et al: Guidelines for the management of iron deficiency anaemia, GUT<br />
2000<br />
16) Artz A.: Anemia in Eldery Persons, emedicie.medscape.com, 2011<br />
17) Means RT, Jr, Krantz SB: Progress in Understanding the Pathogenesis of the<br />
Anemia of Chronic Disease, Blood 1992; 80(7): 1639-47<br />
18) Herold et al: Innere Medizin, 2012<br />
19) Robinson B, Artz AS, Culleton B, et al: Prevalence of anemia in the nursing<br />
home: contribution of chronic kidney disease, J Am Geriatr. Soc. 2007;55(10):<br />
1566-70<br />
20) Vijil J: Anemia in the Elderly with CKD, American Society of Nephrology –<br />
Geriatric Nephrology Curriculum, Chapter 15<br />
21) Thomas MC, Cooper ME, Tsalamandris C et al: Anemia with impaired<br />
Erythropoietin Response in Diabetic Patients, Arch Intern Med 2005; 165(4):<br />
466-469<br />
22) Nightingale S., Vitek PJ, Hemsworth RL: The haematology of hyperthyroidism,<br />
Q J Med 1978;47(185): 35-47<br />
23) Guralnik JM, Eisenstaedt RS, Ferric L et al: Prevalence of anemia in persons 65<br />
years and older in the United States: evidence for a high rate of unexplained<br />
anemia, Blood 2004;104(8): 2263-8<br />
24) Evstatiev R, Kulnigg-Deutsch S, Gasche C: Eisenmangel: Gastroenterologen<br />
sind gefragt!, Gastro & Hepa 01/2012, 19-21<br />
25) Gasche A, Gasche C: <strong>Die</strong> injizierte Eisenersatztherapie, Universum Innere<br />
Medizin 01/2011, 24-25<br />
Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 15
8 Anhang:<br />
Hohlnagel:<br />
Zungenatrophie<br />
http://dermis.net/bilder/CD046/100px/img0027.jpg<br />
Rillenbildung der Nägel<br />
Mundwinkelrhagaden<br />
http://imageshack.us/photo/myimages/210/lffelnagelkoilonychieli1.jpg/<br />
http://imageshack.us/photo/myimages/158/lffelnagelkoilonychie1ir7.jpg/<br />
http://dermis.net/bilder/CD071/550px/img0041.jpg<br />
Bild Deckblatt:<br />
Eisenmangelanämie: Erythrozyten klein und blass<br />
http://www.apotheken-umschau.de/multimedia/291/250/135/5820751889.jpg<br />
Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 16
Blutausstrich bei normalem Blutbild:<br />
http://www.kgu.de/zmorph/histopatho/histo4/pub/data/bg/s001_e.jpg<br />
Blutausstrich bei Eisenmangelanämie: Mikrozyten, Anulozyten, Poikilozyten,<br />
zigarrenförmige Ovalozyten:<br />
http://www.onkodin.de/zms/content/e8/e7248/e7249/e7250/0101.jpg<br />
Blutausstrich bei megaloblastärer <strong>Anämie</strong>: Ausgeprägter Größenunterschied<br />
(Anisozytose) und unterschiedliche Gestalt (Poikilozytose) der Erythrozyten (Pfeile)<br />
http://www.onkodin.de/zms/content/e8/e12933/e12934/e12939/0102.jpg<br />
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