24.11.2013 Aufrufe

Die Anämie beim geriatrischen Patienten - Österreichische ...

Die Anämie beim geriatrischen Patienten - Österreichische ...

Die Anämie beim geriatrischen Patienten - Österreichische ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Abschlussarbeit<br />

ÖÄK Diplomlehrgang<br />

Geriatrie<br />

Wissenschaftliche Leitung:<br />

Prof. Dr. Franz Böhmer<br />

Prim. Univ. Prof . Dr. Monika Lechleitner<br />

Rückfragen:<br />

<strong>Österreichische</strong> Akademie der Ärzte GmbH<br />

Weihburggasse 2/5<br />

A-1010 Wien<br />

Tel.: +43 1 512 63 83


<strong>Die</strong> <strong>Anämie</strong> <strong>beim</strong> <strong>geriatrischen</strong><br />

<strong>Patienten</strong><br />

Abschlussarbeit von Dr. Bernadette Stögerer<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 I


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung .................................................................................... 1<br />

2 Zielsetzung .................................................................................. 1<br />

3 Definition ..................................................................................... 1<br />

4 Prävalenz und Epidemiologie .................................................... 2<br />

5 Ursachen von <strong>Anämie</strong>n bei <strong>geriatrischen</strong> <strong>Patienten</strong> ................ 3<br />

5.1 Eisenmangelanämie ................................................................................ 4<br />

5.2 <strong>Anämie</strong> bei chronischen Entzündungen bzw. Erkrankungen<br />

(Anemia of Chronic Inflammation, ACI bzw. Anemia of Chronic<br />

Disease, ACD) .......................................................................................... 7<br />

5.3 <strong>Anämie</strong> bei renaler Insuffizienz .............................................................. 9<br />

5.4 <strong>Anämie</strong> bei Vitamin B12- und Folsäuremangel .................................. 11<br />

5.5 <strong>Anämie</strong> bei Myelodysplastischem Syndrom (MDS) ........................... 12<br />

5.6 <strong>Anämie</strong> bei Schilddrüsenerkrankungen .............................................. 12<br />

5.6 <strong>Anämie</strong> ungeklärter Ursache ................................................................ 13<br />

6 Zusammenfassung ................................................................... 14<br />

7 Literaturverzeichnis .................................................................. 15<br />

Anhang<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 II


1 Einleitung<br />

<strong>Die</strong> <strong>Anämie</strong> ist ein häufiges Problem der älteren Population, wird aber häufig als<br />

harmlos bzw. zum normalen Alterungsprozess gehörend eingestuft. Doch die<br />

<strong>Anämie</strong> im Alter ist weder „normal“ noch harmlos, sie kann vielmehr ein akutes oder<br />

chronisches medizinisches Problem darstellen bzw. ein Grund für die<br />

Verschlechterung des klinischen Zustandes von älteren, chronisch kranken<br />

Menschen sein [2,3]. <strong>Die</strong> <strong>Anämie</strong> <strong>beim</strong> <strong>geriatrischen</strong> <strong>Patienten</strong> kann aber auch einen<br />

wichtigen Hinweis auf eine ernsthafte und möglicherweise behandelbare Erkrankung<br />

darstellen [1, 2].<br />

Oft sind die typischen Symptome zu Beginn sehr unspezifisch und für den <strong>Patienten</strong><br />

subjektiv wenig belastend. Aber gerade ein chronischer Blutmangel kann im Alter<br />

weitreichende Konsequenzen haben, von verschieden kardiovaskulären<br />

Komplikationen bis hin zu einer verminderten Lebensqualität. Japanische Studien<br />

zeigten, dass bei einer unbehandelten <strong>Anämie</strong> die Fünf-Jahres-Überlebensrate mit<br />

der Höhe des Hämoglobinspiegels korreliert [2].<br />

Wird eine <strong>Anämie</strong> bei einem älteren Menschen festgestellt, macht dies eine genaue<br />

Anamnese, eine körperliche sowie eine Laboruntersuchung erforderlich [1].<br />

Nicht immer muss eine <strong>Anämie</strong> abgeklärt werden: Wenn sie zum Beispiel nur<br />

leichten Grades ist und/oder wenn sich die Ursache aufgrund der Anamnese und der<br />

Klinik ausreichend erklären lässt [10].<br />

2 Zielsetzung<br />

<strong>Die</strong>se Arbeit soll nicht nur einen kurzen Überblick, über <strong>Anämie</strong>formen, die im Alter<br />

gehäuft vorkommen, geben, sondern auch Unterstützung hinsichtlich der Abklärung<br />

bzw. der Therapie bieten. Der Schwerpunkt liegt hierbei in der Eisenmangelanämie,<br />

da sie die häufigste Form der Blutarmut bei <strong>geriatrischen</strong> <strong>Patienten</strong> darstellt.<br />

3 Definition<br />

<strong>Die</strong> World Health Organisation (WHO) spricht von einer <strong>Anämie</strong>, wenn die<br />

Hämoglobinkonzentration kleiner 12,0 g/dl bei Frauen und kleiner als 13,0 g/dl bei<br />

Männern ist [4]. <strong>Die</strong> Gültigkeit dieser Werte wurde jedoch in Frage gestellt, nachdem<br />

Publikationen der Woman Health and Aging studies (WHAS) gezeigt hatten, dass bei<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 1


Frauen ab 65 Jahren bereits ein Hämoglobinwert unter 13,5 g/dl mit einem erhöhten<br />

Mortalitätsrisiko und einer Funktionseinschränkung assoziiert ist [13].<br />

Auch die Zahl der Erythrozyten (red cell mass – RCM) und der Hämatokrit werden für<br />

die Beurteilung einer Blutarmut herangezogen.<br />

Normwerte [18] Frauen Männer<br />

Hämoglobin (g/dl): 12,0 – 16 13,0 - 17<br />

Hämatokrit (%): 38 – 44 42 – 50<br />

Erythrozyten (Mill/µl) 4,0 – 5,4 4,3 – 5,6<br />

Der Hämoglobingehalt und der Hämatokrit sind die entscheidenden Parameter für<br />

die <strong>Anämie</strong>-Diagnostik. <strong>Die</strong> Erythrozytenzahl korreliert nicht immer mit dem<br />

Hämoglobin und ist daher kein empfindlicher Parameter [18].<br />

4 Prävalenz und Epidemiologie<br />

<strong>Die</strong> <strong>Anämie</strong> ist ein häufiges Problem bei <strong>Patienten</strong> über 65 Jahre. Bezugnehmend<br />

auf die National Health and Nutrition Examination Survey III (NHANES III) sind in den<br />

USA 9,5 % der <strong>geriatrischen</strong> Personen davon betroffen [13]. Häufiger wird dieses<br />

Krankheitsbild bei hospitalisierten und/oder bei den hochbetagten <strong>Patienten</strong><br />

gefunden (siehe Tab. 1). Im Gegensatz zur <strong>Anämie</strong> <strong>beim</strong> jüngeren Menschen ist die<br />

Blutarmut bei Älteren häufiger bei Männern als bei Frauen anzutreffen [5].<br />

Neben dem Geschlecht spielt auch die Ethnizität eine Rolle. So leiden schwarze<br />

ältere Menschen dreimal häufiger an einer <strong>Anämie</strong> als Weiße. <strong>Die</strong>sen Umstand kann<br />

man zum Teil durch das erhöhte Vorkommen von Thalassämien und strukturellen<br />

Hämoglobinopathien erklären (siehe Tab. 2) [6, 7].<br />

Zusätzlich kann man feststellen, dass die ältere Population sehr heterogen ist (siehe<br />

Tab. 1) [5].<br />

Tab. 1: Prevalence of anemia in persons 65 years and older [5]<br />

Age Population Prevalence<br />

> 65 Community-dwelling eldery, American 10, 6 %<br />

> 65 Community-dwelling eldery, Italian 11 %<br />

> 71 Community-dwelling 24 %<br />

> 65 Hospitalized 24 %<br />

> 65 nursing home 48 %<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 2


Tab. 2: Prevalence of persons age 65 and older who are anaemic, by race/ethnicity<br />

and sex [8, 9]<br />

5 Ursachen von <strong>Anämie</strong>n bei <strong>geriatrischen</strong> <strong>Patienten</strong><br />

<strong>Anämie</strong>n bei <strong>geriatrischen</strong> <strong>Patienten</strong> sind immer multifaktoriell [2]. Bezugnehmend<br />

auf die NHANES III Studie können aber drei Hauptursachen für die <strong>Anämie</strong> <strong>beim</strong><br />

älteren Menschen genannt werden (vgl. Tab. 4) [9, 5].<br />

-) <strong>Anämie</strong> aufgrund von Blutverlust bzw. Mangelernährung,<br />

-) <strong>Anämie</strong> assoziiert mit chronischen Erkrankungen/Entzündungen,<br />

-) <strong>Anämie</strong> bei chronischer Niereninsuffizienz<br />

Tab 4: Ursachen der <strong>Anämie</strong> im Alter<br />

Ursache: Prävalenz (%)<br />

Eisenmangel 15-23<br />

Chronische Erkrankung/Entzündung 15-35<br />

Chronische Nierenerkrankung 8<br />

Endokrinopathien 0-5<br />

Vitamin B12- oder Folsäuremangel 0-14<br />

Hämatologische Krankheiten 5<br />

Ungeklärte, idiopathische <strong>Anämie</strong> 17-45<br />

Selten tritt im Alter eine akute <strong>Anämie</strong> auf (z. B. durch Blutung oder Hämolyse).<br />

Meistens ist es ein langsam fortschreitender Prozess, der zu einer Blutarmut führt.<br />

Wichtig hierbei wäre es, die Hämoglobin-Werte vor einer etwaigen Hospitalisierung<br />

zu kennen, da bei älteren Personen bereits multiple Phlebotomien zu einer <strong>Anämie</strong><br />

führen können [5].<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 3


5.1 Eisenmangelanämie<br />

<strong>Die</strong> Diagnose eines Eisenmangels bei älteren Menschen spielt eine große Rolle, da<br />

sich die daraus resultierende <strong>Anämie</strong> leicht behandeln lässt. Darüber hinaus kann<br />

ein Eisenmangel Hinweis auf eine gastrointestinale Erkrankung sein [5].<br />

<strong>Die</strong> Bestimmung von Ferritin hat hierbei eine wichtige diagnostische Bedeutung, da<br />

der Eisenmangel die einzige Ursache für ein erniedrigtes Ferritin darstellt. Man muss<br />

aber bedenken, dass dieser Wert bei <strong>Patienten</strong> mit chronischer Entzündung,<br />

maligner oder Lebererkrankung normal bzw. falsch erhöht sein kann. Bei einem<br />

Ferritin-Wert von über 100 ng/ml kann aber auch bei vorliegender Entzündung ein<br />

Eisenmangel ausgeschlossen werden.<br />

Das Serumeisen hat wegen der starken tageszeitlichen Schwankungen bei der<br />

Diagnostik eine untergeordnete Rolle wie auch die übrigen Eisenparameter, z. B.<br />

Transferrin und Transferrinsättigung [10, 11, 12].<br />

Meistens ist die Eisenmangelanämie die Folge einer okkulten gastrointestinalen<br />

Blutung, hervorgerufen durch Magen- oder Duodenalulcerazionen, NSAR-Einnahme,<br />

Colonkarzinome bzw. Polypen, Magenkarzinome, Angiodysplasien oder entzündliche<br />

Darmerkrankungen. In einer Studie mit 100 <strong>Patienten</strong> mit Eisenmangelanämie hatten<br />

37 % eine obere gastrointestinale Blutung (peptisches Ulkus), und bei 26 % konnte<br />

eine Ursache im Colon gefunden werden [12]. Eine weitere Ursache kann eine<br />

mangelnde Eisenresorption bei z. B. Zustand nach Magenresektion sein oder eine<br />

chronische Gastritis (Typ A oder B) [18, 24].<br />

Symptome<br />

<strong>Die</strong> Symptome hängen davon ab, wie schnell sich die <strong>Anämie</strong> entwickelt, wie stark<br />

der Hämoglobinwert absinkt und ob Komorbiditäten vorhanden sind [1,5].<br />

Treten Symptome eines Eisenmangels noch vor Auftreten einer <strong>Anämie</strong> auf, spricht<br />

man von Sideropenie oder latentem Eisenmangel [18].<br />

1. Allgemeine <strong>Anämie</strong>symptome:<br />

-) Blässe der Haut und Schleimhäute<br />

-) Schwäche, Belastungsdyspnoe (verminderte Zahl von<br />

Sauerstoffträgern)<br />

-) evtl. Systolikum über dem Herzen durch Strömungsturbulenzen bei<br />

verminderter Viskosität und erhöhtem Herzzeitvolumen<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 4


-) Tachykardie (Kompensation des Sauerstoffmangels), Palpitationen<br />

-) Tinnitus, Depression<br />

2. Haut- und Schleimhautsymptome (siehe Bilder im Anhang):<br />

-) Rillenbildung und Brüchigkeit der Nägel, Hohlnägel, Haarausfall, Aphten der<br />

Mundschleimhaut, trockene Haut, Pruritus<br />

-) Plummer-Vinson-Syndrom: Sideropenische Schleimhautatrophie von Zunge,<br />

Oropharynx, Ösophagus mit Zungenbrennen und schmerzhafter Dysphagie<br />

-) Mundwinkelrhagaden<br />

3. evtl. unspezifische psychische oder neurologische Störungen:<br />

-) Kopfschmerzen<br />

-) Konzentrationsstörungen<br />

-) Restless legs<br />

-) Pica (abnorme Essgelüste auf z.B. Kalk, Erde) [18]<br />

Diagnostik:<br />

-) Anamnese/Klinik<br />

-) Labor: Hämoglobin, Erythrozytenzahl, Erythrozytenmorphologie (Anisozytose,<br />

Poikilozytose, Fragmentozyten, Sphärozyten), Retikulozyten, Blutausstrich,<br />

MCH/MCV, Thrombozyten, Ferritin, evtl. Eisen und Transferrin [5, 18]<br />

-) Klärung der Ursache: Stuhl auf Blut untersuchen (Hämoccult-Test®,<br />

endoskopische Magen-Darm-Diagnostik), Ausschluss einer Blutung im Bereich<br />

der Urogenitalorgane (urologische, gynäkologische Untersuchung), andere<br />

Blutungsquellen ausschließen (Zahnfleischbluten, Nasenbluten, große<br />

Hämatome…), Ausschluss einer Eisenresorptionsstörung – Durchführung eines<br />

Eisenresorptionstestes.<br />

Eisenresorptionstest: Messen des Serumeisens vor und 2 Stunden nach oraler Einnahme von 200<br />

mg Eisen(II): normal ist ein Ansteigen des Serumeisens auf mindestens das Doppelte des<br />

Ausgangswertes<br />

Behandlung Eisenmangelanämie<br />

Durch eine adäquate Behandlung der zugrunde liegenden Ursache sollte ein weiterer<br />

Eisenverlust verhindert werden [12]. <strong>Die</strong> Therapie sollte so lange fortgesetzt werden,<br />

bis die <strong>Anämie</strong> korrigiert und das Ferritin auf 100 ng/ml angestiegen ist, wobei<br />

höhere Ferritinwerte vor einem <strong>Anämie</strong>rückfall schützen [24].<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 5


<strong>Die</strong> Berechung des Eisenbedarfs mit Hilfe der Ganzoni-Formel ist in der Praxis nur<br />

schwer einsetzbar [25].<br />

Ganzoni-Formel: Körpergewicht x (Ziel-Hb – aktuelles Hb) x 2,4 + 500 (Eisenspeicher)<br />

<strong>Die</strong> Therapie kann peroral oder intravenös erfolgen. Da zweiwertige Eisenpräparate<br />

(z. B. Aktiferrin®, Ferretab®) schlecht resorbiert werden, müssen sie nüchtern<br />

eingenommen werden. Dreiwertige Produkte sind in Österreich nur für die<br />

parenterale Gabe zugelassen (z.B. Venofer®) [10].<br />

Bei der oralen Therapie werden nur 10% aufgenommen, der Rest wird über den<br />

Darm ausgeschieden. <strong>Die</strong> schwarze Stuhlverfärbung ist dafür ein Indiz. Durch die<br />

niedrige Bioverfügbarkeit kommt es zu hohen Eisenkonzentrationen im Darm was zu<br />

Dünndarmulzerationen, gastrointestinalen Nebenwirkungen (Bauchschmerzen,<br />

Obstipation) und bei langfristiger Eisensubstitution zu einer Veränderung der<br />

Darmflora führen kann, wodurch das Risiko für kolorektale Tumore zunimmt [24, 25].<br />

<strong>Die</strong> Regel lautet „Small is beautiful“. Also kleine Einzeldosis ohne speziellen<br />

galenischen Mantel, wie z. B. Aktiferrin ® [24]<br />

Bei älteren Menschen kann Eisen aufgrund z. B. einer Helicobacter-pylori-Infektion<br />

zusätzlich schlechter resorbiert werden [9].<br />

Ohne nachgewiesenen Eisenmangel sollte keine Substitution erfolgen, da der<br />

menschliche Körper über keine Regulationsmechanismen verfügt, das<br />

überschüssige Eisen auszuscheiden [9].<br />

Indikationen für eine i.v. Therapie [10, 12]:<br />

-) schlechte Verträglichkeit der peroralen Therapie<br />

-) schwere <strong>Anämie</strong><br />

-) anhaltender Verlust, der sich peroral nicht kompensieren lässt (z.B. bei CED)<br />

-) mangelnde Adhärenz<br />

-) <strong>Anämie</strong> bei chronischer Erkrankung<br />

-) enterale Eisenresorptionsstörung<br />

Zur parenteralen Gabe stehen zur Verfügung [14]:<br />

-) Venofer® mit 100 mg Eisen pro Ampulle<br />

(Kosten: 5 Ampullen ca. € 94,00), max. 200 mg 3mal wöchentlich<br />

-) Ferinject® mit 100 mg bzw. 500 mg Eisen pro Durchstechflasche<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 6


(Kosten: 5 DSF € 240,00 bzw. € 1.067,00), Gabe von bis zu 1000 mg Eisen in<br />

einer Kurzinfusion einmal pro Woche, bis zur kumulativen Gesamtdosis gemäß<br />

Tabelle (siehe Tab 5.)<br />

Tab. 5: Dosierungsschema, Ferinject [25]<br />

Hb (g/dl) KG < 70 kg KG > 70 kg<br />

≥ 10 1000 mg 1500 mg<br />

7 – 10 1500 mg 2000 mg<br />

Durch die parenterale Gabe von Eisen wird der Eisenmangel bzw. die <strong>Anämie</strong><br />

schneller und effektiver als durch die orale Substitution behoben (nahezu 100%ige<br />

Bioverfügbarkeit), die Therapie ist aber teuer und kann anaphylaktische Reaktionen<br />

und Thrombophlebitiden hervorrufen [15, 24]. Ob die Therapie erfolgreich ist, erkennt<br />

man an einem Ansteigen der Retikulozyten nach 3-4 Tagen und der<br />

Hämoglobinkonzentration von ca. 2 g/dl nach ca. 3-4 Wochen. Weiters kann man im<br />

Blutausstrich erkennen, dass die mikrozytären Erythrozyten zusehends durch<br />

normozytäre ersetzt werden. Zu bedenken ist, dass die i.v.-Eisengabe die<br />

Ferritinsynthese stimuliert, daher kann ein verwertbarer Ferritinwert frühestens 4<br />

Wochen nach der letzten Eiseninfusion gemessen werden (vorher falsch zu hohe<br />

Werte möglich) [10, 12, 24].<br />

5.2 <strong>Anämie</strong> bei chronischen Erkrankungen bzw. Entzündungen<br />

(ACI – Anemia of Chronic Inflammation, ACD – Anemia of Chronic<br />

Disease)<br />

Da ältere Menschen häufig unter multiplen chronischen Erkrankungen leiden, ist es<br />

nicht überraschend, dass die ACD die zweithäufigste Ursache der <strong>geriatrischen</strong><br />

<strong>Anämie</strong> ist.<br />

Komorbiditäten können indirekt zu einer ACD führen:<br />

-) NSAR´s bei Osteoarthritis gastrointestinale Blutung Eisenmangel<br />

-) arterielle Hypertonie renale Funktionseinschränkung <strong>Anämie</strong> bei chronischer<br />

Niereninsuffizienz [1].<br />

<strong>Die</strong> ACD ist eine Auschlussdiagnose, jedoch können Kombinationen von ACD und<br />

anderen <strong>Anämie</strong>n, z.B. Eisenmangelanämie, die Diagnosestellung erschweren [18].<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 7


<strong>Die</strong> ACD bzw. ACI kann mit Entzündungen jeglicher Art assoziiert sein (siehe Tab. 5)<br />

[13].<br />

Tab. 5: Morbiditäten, die mit ACD assoziiert sind<br />

1) Akute und chronische Infektion (viral, bakteriell, protozoal)<br />

2) Autoimmunerkrankungen (z.B. Rheumatoide Arthritis)<br />

3) Gewebeverletzungen (z.B. durch Operation, Trauma, Myokardinfarkt, Menstruation)<br />

4) Neoplasien<br />

5) Chronische Niereninsuffizienz<br />

Der Hauptmechanismus der zu einer ACI führt, ist eine beeinträchtigte Erythropoese<br />

durch inflammatorische Zytokine (TNF-alpha, Interleukin 1 und 6, Interferon gamma),<br />

die im Rahmen der Grunderkrankung vermehrt gebildet werden. Durch diese<br />

Zytokine wird der Eisenstoffwechsel, die Proliferation der roten Progenitorzellen und<br />

die Synthese von Erythropoetin (EPO) gestört sowie die Überlebenszeit der<br />

Erythrozyten verkürzt. In diesem Zusammenhang spielt Hepcidin eine wichtige Rolle<br />

(Hepcidin ist ein Typ II-Akute-Phase-Protein) [16, 18].<br />

Klinisch stehen meist die Symptome der Grunderkrankung im Vordergrund.<br />

Zusätzlich findet man allgemeine <strong>Anämie</strong>symptome (siehe 5.1), die durch die<br />

Grunderkrankung weniger deutlich erscheinen können [18].<br />

<strong>Die</strong> ACI ist eine hypoproliferative <strong>Anämie</strong> - gekennzeichnet durch niedriges<br />

Serumeisen, normalen bis erhöhten Speicherwerten (Ferritin) und ist meist<br />

normochrom und normozytär. Eine hypochrome und mikrozytäre Form ist aber<br />

möglich. Im Blutausstrich präsentiert sich eine Anisozytose und Poikilozytose, die<br />

Retikulozytenzahl ist normal bis vermindert. Laborchemisch erhöht sind die<br />

Blutsenkung, das CRP, Haptoglobin, Ferritin und Hepcidin. Der EPO-Spiegel kann<br />

noch im Normbereich liegen, der für <strong>Anämie</strong>n typische Anstieg der EPO-Produktion<br />

fehlt jedoch [17, 18].<br />

<strong>Die</strong> Therapie der Grunderkrankung stellt die beste Therapie der ACD dar. Ist die<br />

Grunderkrankung unheilbar, ist jene der ACD auch als palliativ anzusehen.<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 8


Symptomatische Therapie:<br />

-) Erythrozyten-Konzentrate<br />

-) parenterale Eisengabe bei Eisenmangel (perorale Eisengabe bringt keinen<br />

Erfolg, da Hepcidin die Aufnahme verhindert)<br />

-) Gabe von EPO (Erythropoetin) bzw. ESA (Erythropoese-stimulierende<br />

Wirkstoffe): bei Tumorpatienten unter Chemotherapie mit symptomatischer<br />

<strong>Anämie</strong> (Hb < 10 g/dl), vorher Ausschluss anderer <strong>Anämie</strong>ursachen,<br />

Ziel-Hb 12 g/dl (bei höheren Werten steigt die Letalität) [18]<br />

5.3 <strong>Anämie</strong> bei renaler Insuffizienz<br />

Im Alter nimmt die renale Funktion ab. Eine Studie in einem Altersheim zeigte, dass<br />

43 % der Bewohner eine chronische Nierenerkrankung mit einer Kreatinin-Clearance<br />

kleiner 60 ml/min hatten [19]. Eine chronische Niereninsuffizienz kann zu einer<br />

hyperregenerativen <strong>Anämie</strong> führen und stellt einen Risikofaktor für erhöhte Mortalität<br />

und verminderte Lebensqualität von Nierenpatienten dar [5, 18]. Jedoch kann diese<br />

<strong>Anämie</strong> übersehen werden, da eine Diskrepanz zwischen hochnormalem<br />

Serumkreatinin und verminderter Kreatinin-Clearance bei älteren und<br />

untergewichtigen <strong>Patienten</strong> besteht. [10].<br />

Als Hauptursache für die renale <strong>Anämie</strong> gilt ein Erythropoetin-Mangel durch<br />

verminderte Produktion infolge der Niereninsuffizienz. Begleitfaktoren können eine<br />

verkürzte Erythrozytenüberlebenszeit, ein Eisenmangel, eine inadäquate Dialyse,<br />

eine Aluminiumüberladung sowie eine Knochenmarkfibrose durch den<br />

Hyperparathyreotismus bzw. die myelotoxische Wirkung von harnpflichtigen<br />

Substanzen sein [10, 18].<br />

Neben den allgemeinen <strong>Anämie</strong>symptomen (siehe oben) kann auch eine Café-aulait-Farbe<br />

der Haut auffallen (anämische Blässe und Ablagerung von Urochromen).<br />

Im Labor findet man meist normochrome, normozytäre Erythrozyten, die Zahl der<br />

Retikulozyten ist vermindert und der EPO-Spiegel kann noch im Normbereich liegen<br />

(das für <strong>Anämie</strong>n typische Ansteigen des EPO-Spiegels fehlt jedoch) [18].<br />

Differentialdiagnostisch muss an die Eisenmangelanämie gedacht werden, welche<br />

bei <strong>Patienten</strong> mit Niereninsuffizienz auch gehäuft vorkommt (Blutverluste durch<br />

häufige Blutabnahmen, Hämodialyse und ev. gastrointestinale Blutungen).<br />

Dialysepatienten haben im Schnitt einen Blutverlust von ca. 2,5 l im Jahr – das<br />

entspricht etwa 1000 mg Eisen bei einem Hämoglobingehalt des Blutes von 12 g/dl.<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 9


Deshalb ist es wichtig, vor Therapiebeginn der renalen <strong>Anämie</strong> einen etwaigen<br />

Eisenmangel auszuschließen und bei Bedarf zu therapieren (Ziel-Wert des Serum-<br />

Ferritins > 200 bis max. 500 µg/l) [18, 20].<br />

Zur Therapie der renalen <strong>Anämie</strong> stehen Erythropoese-stimulierende Wirkstoffe<br />

(=ESA) zur Verfügung.<br />

ESA: Therapie und Dosierung [14, 18]<br />

-) Epoetin alfa HEXAL® 1000- 40000IE (Epoetin alfa): 50IE/kgKG dreimal<br />

wöchentlich in der Korrekturphase, 17-33IE/kgKG dreimal wöchentlich in der<br />

Erhaltungsphase bei nicht dialysepflichter Niereninsuffizienz<br />

-) Retacrit® 1000-40000IE (Epoetin zeta): 50IE/kgKG dreimal wöchentlich in der<br />

Korrekturphase, 17-33IE/kg/KG dreimal wöchentlich in der Erhaltungsphase bei<br />

nicht dialysepflichtiger Niereninsuffizienz<br />

-) Aranesp® 10-500µg (Darbepoetin alfa): 0,45µg/kgKG einmal wöchentlich in der<br />

Korrekturphase, in der Erhaltunsphase einmal pro Woche bzw. einmal alle 2<br />

Wochen<br />

-) NeoRecormon® 500-30000IE (Epoetin beta): 20IE/kgKG dreimal wöchentlich in<br />

der Korrekturphase, in der Erhaltungsphase je nach Hämoglobin (zw. 10-12 g/dl)<br />

-) Eporatio® 1000-30000IE (Epoetin theta): 20IE/kgKG dreimal wöchentlich in der<br />

Korrekturphase, in der Erhaltungsphase ein- bis dreimal wöchentlich<br />

Biosimilars sind biotechnologisch hergestellte Substanzen, die den Originalpräparaten ähnlich sind.<br />

Sie haben die gleiche Aminosäurenstruktur wie humanes Erythropoetin. Biosimilars für Erypoetin alfa<br />

sind: Abseamed®, Binokrit®, Epoetin alfa Hexal®, Silapo® und Retacrit®.<br />

Der Ziel-Hb sollte 12 g/dl nicht überschreiten, da bei höheren Werten das<br />

kardiovaskuläre und Mortalitätsrisiko ansteigt.<br />

Vor Therapiebeginn mit ESA sollte der Blutdruck gut eingestellt sein, da,<br />

insbesonders bei höheren Dosen, sich eine vorbestehende arterielle Hypertonie<br />

verschlechtern kann.<br />

Eine <strong>Anämie</strong> kann auch bei einem relativen EPO-Mangel bestehen. Das bedeutet,<br />

dass die endokrine Funktion der Niere bei normaler Nierenfunktion beeinträchtigt ist,<br />

z. B. bei Diabetikern [21]. Auch eine ACE-Hemmer-Therapie kann die EPO-<br />

Produktion hemmen und zu einer EPO-Mangel-bedingten <strong>Anämie</strong> führen [1, 5].<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 10


5.4 <strong>Anämie</strong> bei Vitamin B12- und Folsäuremangel<br />

Bei älteren Menschen kann häufig ein Vitamin B12- und/oder Folsäuremangel<br />

festgestellt werden, jedoch liegt nur bei wenigen <strong>Anämie</strong>n die Ursache in einem<br />

solchen Mangel. Durch eine atrophe Magenschleimhaut (Perniziöse <strong>Anämie</strong> bei<br />

Autoimmungastritis mit Antikörperbildung gegen Parietalzellen und Intrinsic Factor),<br />

nach einer Magenresektion, bei intestinalen Erkrankungen mit Malabsorption, bei<br />

einer chronischen Helicobacter-pylori-Infektion sowie durch Medikamente (PPI bzw.<br />

Metformin-Langzeittherapie) wird die Resorption von Vitamin B12 beeinträchtigt [5,<br />

18]. <strong>Die</strong> häufigste Ursache für einen Folsäure-Mangel liegt in einer einseitigen<br />

Ernährung (z.B. bei Alkoholikern, älteren Menschen).<br />

Bei schwerem Vitamin B12-Mangel findet man neben allgemeinen<br />

<strong>Anämie</strong>symptomen (siehe oben) auch neurologische (Funikuläre Myelose mit<br />

Gangunsicherheit, Ataxie, Paresen) und gastrointestinale Symptome<br />

(Autoimmungastritis, atrophe Glossitis). Bei einem Folsäuremangel liegt nur eine<br />

megaloblastäre <strong>Anämie</strong> ohne funikuläre Myelose vor.<br />

Im Labor findet man makrozytäre (MCV = Mean corpuscular volume > 98 fl) und<br />

hyperchrome (MCH = Mean corpuscular hemoglobin > 34 pg) Erythrozyten bei<br />

normalem MCHC (= Mean corpuscular hemoglobin concentration). Häufig ist eine<br />

Leuko- und Thrombopenie anzutreffen. <strong>Die</strong> Retikulozyten sind vor der Vitamin B12-<br />

Therapie normal bis erniedrigt, nach Therapiebeginn erhöht. Eventuell kann als<br />

Zeichen einer ineffektiven Erythropoese mit Hämolyse der Eisenwert, das LDH und<br />

das indirekte Bilirubin erhöht sein [18]. Ein Vitamin B12-Mangel ist bei Werten unter<br />

150 pmol/l anzunehmen und sicher bei Werten unter 100 pmol/l [10].<br />

<strong>Die</strong> Therapie des Vitamin-B12-Mangels erfolgt parenteral (i.m., i.v.)<br />

Zur Therapie stehen zur Verfügung [14]<br />

-) Hepavit® 500 µg und 1000 µg: initial 1000 µg zwei- bis dreimal wöchentlich bis zur<br />

Normalisierung des Blutbildes, Erhaltungsdosis: 1000 µg alle 2 Monate<br />

-) Erycytol Depot® 1g: bei neurologischer Indikation 1 mg zwei- bis dreimal<br />

wöchentlich, Erhaltungsdosis: 0,5 mg alle 5-6 Wochen<br />

Da nach ca. vier Tagen die Zahl der Retikulozyten enorm steigt, sollten in dieser<br />

Phase nach Laborkontrolle Folsäure, Kalium und Eisen substituiert werden<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 11


(vermehrter Bedarf durch gesteigerte Erythropoese). Vorübergehend kann es zu<br />

einer Thrombozytose mit gesteigertem Thromboserisiko kommen [18].<br />

Bei einem Folsäuremangel steht mit Folsan®, um ein Beispiel zu nennen, ein<br />

perorales Produkt zur Verfügung (5 mg/Tag).<br />

5.5 <strong>Anämie</strong> bei Myelodysplastischem Syndrom (MDS)<br />

MDS betrifft häufig Menschen über 60 Jahre und umfasst eine heterogene Gruppe<br />

von Knochenmarkserkrankungen, die durch eine ineffektive und dysplastische<br />

Hämatopoese sowie eine periphere Zytopenie charakterisiert ist, wobei eine, zwei<br />

oder alle drei Zellreihen betroffen sein können [5, 10].<br />

<strong>Die</strong> Symptome entstehen infolge der Zytopenie: <strong>Anämie</strong>symptome (siehe 5.1),<br />

Infekte, evtl. Fieber und Blutungsneigung [18].<br />

Durch eine Jamshidi-Punktion kann die Diagnose gestellt werden. Das Knochenmark<br />

ist zellreich, weist dysplastische Zellen und einen erhöhten Blastenanteil auf [18]. Im<br />

Blutbild findet man neben einer Mono-, Bi-oder Panzytopenie meist auch eine<br />

hyperchrome oder normochrome <strong>Anämie</strong> (die MCH-Werte können durch allfällige<br />

Transfusionen oder bei einer Kombination mit Eisenmangel verfälscht sein) [10,18].<br />

Supportive Therapie [18]:<br />

-) Transfusionen mit leukozytendepletierten Erythrozytenkonzentraten<br />

-) Eisenchelate bei drohender und manifester sekundärer Siderose (z. B.: Exjade®)<br />

-) Transfusionen mit Thrombozytenkonzentraten bei schweren Blutungen<br />

-) Breitbandantibiotika nach Abnahme von Blutkulturen bei unklarem Fieber<br />

-) Gabe von Wachstumfsfaktoren der Hämatopoese (z.B. EPO und/oder<br />

Granulozyten-Colony stimulating factor = G-CSF)<br />

-) keine Steroide, keine NSAR<br />

-) Pneumokokken-Impfung<br />

Auf die spezifische Therapie des MDS wird hier nicht näher eingegangen.<br />

5.6 <strong>Anämie</strong> bei Schilddrüsenerkrankungen<br />

Durch eine Schilddrüsenunterfunktion nimmt die Zahl der roten Blutkörperchen ab,<br />

was zu einer normozytären <strong>Anämie</strong>, seltener auch zu einer Makrozytose ohne<br />

<strong>Anämie</strong> führen kann [10]. Mit einer perniziösen <strong>Anämie</strong> kann sowohl ein Hyper- , als<br />

auch ein Hypothyreoidismus assoziiert sein [22].<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 12


Bei den meisten <strong>Patienten</strong> mit Schilddrüsen-Dysfunktionen liegt jedoch keine <strong>Anämie</strong><br />

vor [22].<br />

Wie thyroidale Störungen mit <strong>Anämie</strong> zusammenhängen, ist nicht bekannt. Man weiß<br />

aber, dass mit dem Grad der Dysfunktion, die Wahrscheinlichkeit einer <strong>Anämie</strong><br />

zunimmt [10].<br />

5.7 <strong>Anämie</strong> ungeklärter Ursache<br />

Ging man früher davon aus, dass eine <strong>Anämie</strong> im Alter immer mit einer<br />

Grunderkrankung einhergeht, zeigen nun diverse Studien, dass bei 15-45 % aller<br />

<strong>Anämie</strong>n im Alter keine Ursache gefunden werden kann [10].<br />

<strong>Die</strong> Abnahme von Muskelmasse (z.B. Sarkopenie bei älteren Menschen) könnte zu<br />

Veränderungen der Erythrozytenzahl und der Sauerstoffverwertung führen und<br />

möglicherweise auch die Eryhtropoetin-Produktion beeinflussen. Ebenso relevant für<br />

die Entwicklung einer ungeklärten <strong>Anämie</strong> bei älteren <strong>Patienten</strong> könnten<br />

Veränderungen bzw. eine Abnahme der Stammzellen sein [9].<br />

Hinter einer ungeklärten <strong>Anämie</strong> kann auch ein okkultes myelodysplastisches<br />

Syndrom stecken. Guralnik et al konnten nachweisen, dass 17% aller <strong>Patienten</strong> mit<br />

einer ungeklärten <strong>Anämie</strong> hämatologische Auffälligkeiten hatten, welche auf ein MDS<br />

deuteten [10, 23].<br />

Weiters konnte gezeigt werden, dass sich die unerklärte <strong>Anämie</strong> klar von der ACD<br />

unterscheidet. Bei 27 % der Heimbewohner war das CRP erhöht, wohingegen dieser<br />

Befund nur bei 9 % der <strong>Patienten</strong> mit ungeklärter <strong>Anämie</strong> zu finden war [10, 23].<br />

Drei weitere Aspekte müssen in Zusammenhang einer ungeklärten <strong>Anämie</strong><br />

berücksichtigt werden:<br />

-) ein veränderter Östrogen- bzw. Testosteron-Spiegel im Alter,<br />

-) Polypharmazie (inkl. Alkohol): viele Medikamente können die Erythropoese<br />

negativ beeinflussen,<br />

-) Auflistung aller signifikanten Erkrankungen, welche nicht typischerweise mit einer<br />

Entzündung assoziiert sind, z.B. Hypothyreoidismus; [4]<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 13


6 Zusammenfassung<br />

<strong>Anämie</strong> im Alter ist eine häufige und häufig unterschätzte Erkrankung, die aber<br />

weitreichende Folgen bzw. Konsequenzen haben kann, wie z. B. eine erhöhte<br />

Morbidität und Mortalität, verminderte Lebensqualität und erhöhte Sturzneigung.<br />

Nach Definition der WHO spricht man von einer <strong>Anämie</strong>, wenn die Hb-Konzentration<br />

kleiner 12 g/dl bei Frauen und kleiner 13 g/dl bei Männern ist. Nach der NHANES III<br />

Studie findet man bei 9,5 % der <strong>geriatrischen</strong> Personen in den USA eine <strong>Anämie</strong>,<br />

wobei Männer häufiger als Frauen betroffen sind.<br />

<strong>Die</strong> häufigsten Ursachen einer <strong>Anämie</strong> im Alter sind ein Eisenmangel, eine<br />

chronische Erkrankung bzw. Entzündung sowie eine chronische Niereninsuffizienz.<br />

Da sich eine Eisenmangelanämie leicht behandeln lässt, ist es wichtig, einen<br />

Eisenmangel im Alter zu diagnostizieren. Schwieriger ist dies bei der <strong>Anämie</strong> bei<br />

chronischen Erkrankungen. Hier handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose, und<br />

die Therapie der Grunderkrankung stellt die beste Therapie der ACD dar.<br />

Im Alter nimmt die renale Funktion ab, womit sich auch das häufige Vorkommen<br />

einer renalen <strong>Anämie</strong> im Alter erklärt. Zur Therapie stehen Erythropoesestimulierende<br />

Wirkstoffe zur Verfügung.<br />

Obwohl bei älteren Menschen häufig ein Vitamin-B12- und/oder Folsäuremangel<br />

festgestellt werden kann, liegt nur bei wenigen <strong>Anämie</strong>n die Ursache in einem<br />

solchen Mangel. Während ein Vitamin-B12-Mangel parenteral substituiert wird, kann<br />

die Gabe von Folsäure auch peroral erfolgen.<br />

Das Myelodysplastische Syndrom ist selten für eine <strong>Anämie</strong> im Alter verantwortlich,<br />

bei 15-44% aller <strong>Anämie</strong>n kann überhaupt keine Ursache gefunden werden.<br />

<strong>Die</strong> Weltbevölkerung wird immer älter, und so werden wir auch immer häufiger mit<br />

der <strong>Anämie</strong> des <strong>geriatrischen</strong> <strong>Patienten</strong> konfrontiert sein. Wir können nicht alle<br />

Ursachen für die <strong>Anämie</strong> beheben, aber wir können die Symptome behandeln und<br />

somit mehr Lebensqualität für ältere Menschen erreichen. Denn wie sagt ein<br />

Sprichwort:<br />

„Ein frohes Herz und gesundes Blut ist besser als viel Geld und Gut."<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 14


7 Literaturnachweis:<br />

1) Artz A: Anemia in Elderly persons, MD 06/2011<br />

2) Wirnsberger G: Altersanämie: Aspekte und neue Erkenntnisse in der<br />

<strong>Anämie</strong>therapie, Geriatrie-Praxis, 04/2007<br />

3) World Health Organisation: Worldwide Prevalence of Anemia 1993-2005: WHO<br />

Global Database on Anemia. Edited by Bruno de Benoist, Erin McLean, Ines<br />

Egli and Mary Cogswell<br />

4) Guralnik JM, Ershler WB, Schreir SL, Picozzi VJ: Anemia in the Elderly: A<br />

public health crisis in hematology; Hematology Am Soc Hematol Educ.<br />

Program. 2005; 528-32<br />

5) Huber A: <strong>Anämie</strong> im Alter, Der informierte Arzt, 10/2011<br />

6) Weiss GM, Goodnough LT: Anemia of chronic disease, N Engl J Med 2005; 352<br />

(10): 1011-23<br />

7) M. Tettamati et al: Prevalence, incidence and types of mild anemia in the<br />

eldery: the “Health and Anemia” population-based study, Haemtologia 11/2010<br />

8) NHANES III, Phases I and II, 1988-1994;<br />

9) Guralnik J et al: Anemia in the Eldery: A Public Health Crisis in Hematology,<br />

American Society of Hematology, Education Program Book<br />

10) Merlo CM: Diagnostik und Therapie der <strong>Anämie</strong> in der Praxis, Praxis 2009; 98:<br />

191-199<br />

11) Joosten: Strategies for the laboratory diagnosis of some common causes of<br />

anaemia in eldery patients, Gerontology 2004; 50: 49-56<br />

12) Mukhopadhyay D.: Iron deficiency anaemia in older people: investigation,<br />

management and treatment, Age and Ageing 2002: 31: 87-91<br />

13) Balducci L. et al: Anemia in the Elderly, 2007<br />

14) MEDIS online<br />

15) Goddard et al: Guidelines for the management of iron deficiency anaemia, GUT<br />

2000<br />

16) Artz A.: Anemia in Eldery Persons, emedicie.medscape.com, 2011<br />

17) Means RT, Jr, Krantz SB: Progress in Understanding the Pathogenesis of the<br />

Anemia of Chronic Disease, Blood 1992; 80(7): 1639-47<br />

18) Herold et al: Innere Medizin, 2012<br />

19) Robinson B, Artz AS, Culleton B, et al: Prevalence of anemia in the nursing<br />

home: contribution of chronic kidney disease, J Am Geriatr. Soc. 2007;55(10):<br />

1566-70<br />

20) Vijil J: Anemia in the Elderly with CKD, American Society of Nephrology –<br />

Geriatric Nephrology Curriculum, Chapter 15<br />

21) Thomas MC, Cooper ME, Tsalamandris C et al: Anemia with impaired<br />

Erythropoietin Response in Diabetic Patients, Arch Intern Med 2005; 165(4):<br />

466-469<br />

22) Nightingale S., Vitek PJ, Hemsworth RL: The haematology of hyperthyroidism,<br />

Q J Med 1978;47(185): 35-47<br />

23) Guralnik JM, Eisenstaedt RS, Ferric L et al: Prevalence of anemia in persons 65<br />

years and older in the United States: evidence for a high rate of unexplained<br />

anemia, Blood 2004;104(8): 2263-8<br />

24) Evstatiev R, Kulnigg-Deutsch S, Gasche C: Eisenmangel: Gastroenterologen<br />

sind gefragt!, Gastro & Hepa 01/2012, 19-21<br />

25) Gasche A, Gasche C: <strong>Die</strong> injizierte Eisenersatztherapie, Universum Innere<br />

Medizin 01/2011, 24-25<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 15


8 Anhang:<br />

Hohlnagel:<br />

Zungenatrophie<br />

http://dermis.net/bilder/CD046/100px/img0027.jpg<br />

Rillenbildung der Nägel<br />

Mundwinkelrhagaden<br />

http://imageshack.us/photo/myimages/210/lffelnagelkoilonychieli1.jpg/<br />

http://imageshack.us/photo/myimages/158/lffelnagelkoilonychie1ir7.jpg/<br />

http://dermis.net/bilder/CD071/550px/img0041.jpg<br />

Bild Deckblatt:<br />

Eisenmangelanämie: Erythrozyten klein und blass<br />

http://www.apotheken-umschau.de/multimedia/291/250/135/5820751889.jpg<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 16


Blutausstrich bei normalem Blutbild:<br />

http://www.kgu.de/zmorph/histopatho/histo4/pub/data/bg/s001_e.jpg<br />

Blutausstrich bei Eisenmangelanämie: Mikrozyten, Anulozyten, Poikilozyten,<br />

zigarrenförmige Ovalozyten:<br />

http://www.onkodin.de/zms/content/e8/e7248/e7249/e7250/0101.jpg<br />

Blutausstrich bei megaloblastärer <strong>Anämie</strong>: Ausgeprägter Größenunterschied<br />

(Anisozytose) und unterschiedliche Gestalt (Poikilozytose) der Erythrozyten (Pfeile)<br />

http://www.onkodin.de/zms/content/e8/e12933/e12934/e12939/0102.jpg<br />

Dr. Bernadette Stögerer 2011/2012 17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!