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Romantisch? Oh, Schreck!

„André ist ja so romantisch.“ wollte meine Freundin Julie meinen Freund lobend bewundern. Mir verzog es das Gesicht. Ich hielt André für ganz normal, aber meinen Vater hielt ich ja auch für ganz normal. „Du bist ein romantischer Spinner.“, das hatte ich noch im Ohr aus den Streitigkeiten meiner Eltern damals vor ihrer Trennung. Vielleicht war André ja auch ein romantischer Spinner, und ich konnte es nur nicht erkennen. Ich kannte nur die wundervollen Tage meiner Kindheit, als meine Eltern sich noch liebten, und dann diese widerliche Zeit der Trennung. Sollte unsere Liebe auch demnächst daran zerbrechen, dass ich Andrés unerträgliche, romantische Spinnerei erkennen würde und nicht mehr ertragen könnte. In Panik sah ich mich, denn meine Eltern schwiegen. Germanistik studierte ich. Da gab's für die Romantik einen breiten Raum. Ich belegte ein Seminar zur Romantik, vielleicht würde ich ja da mehr über André und unsere Liebe erfahren.

„André ist ja so romantisch.“ wollte meine Freundin Julie meinen Freund lobend bewundern. Mir verzog es das Gesicht. Ich hielt André für ganz normal, aber meinen Vater hielt ich ja auch für ganz normal. „Du bist ein romantischer Spinner.“, das hatte ich noch im Ohr aus den Streitigkeiten meiner Eltern damals vor ihrer Trennung. Vielleicht war André ja auch ein romantischer Spinner, und ich konnte es nur nicht erkennen. Ich kannte nur die wundervollen Tage meiner Kindheit, als meine Eltern sich noch liebten, und dann diese widerliche Zeit der Trennung. Sollte unsere Liebe auch demnächst daran zerbrechen, dass ich Andrés unerträgliche, romantische Spinnerei erkennen würde und nicht mehr ertragen könnte. In Panik sah ich mich, denn meine Eltern schwiegen. Germanistik studierte ich. Da gab's für die Romantik einen breiten Raum. Ich belegte ein Seminar zur Romantik, vielleicht würde ich ja da mehr über André und unsere Liebe erfahren.

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dazu. „Na, du hast ja deine Sünden gar nicht gebeichtet, nicht deine Schuldigkeit<br />

bekannt, nicht um Vergebung gebeten, und Buße hast du auch noch nicht<br />

getan. Wie soll man denn da eine Absolution erteilen? Deine Tochter hat in ihrer<br />

ganzen Heiligkeit erkannt, dass gar keine Schuld vorliegt, sondern nur eine<br />

absolute Dämlichkeit. Nick auch wenn du's jetzt noch nicht so empfinden<br />

kannst, das ist doch verständlich, aber du weißt, dass eine andere Sichtweise,<br />

mit der du leben kannst, möglich ist und dass es nicht mehr ein unerfüllbarer<br />

Wunschtraum bleibt. Du musst dich kümmern, dass es dazu kommt. Eine Perspektive<br />

hast du aber doch schon wenigstens.“ erläuterte ich zum Absolutionsempfinden.<br />

Nick war äußert gut gelaunt und wir sollten unbedingt noch auf<br />

einen Kaffee bleiben, was üblicherweise nicht geschah. Auch Nick umarmte<br />

mich zum Abschied innig und strich mir lächelnd mit der Hand über die Wange.<br />

Den ganzen Sonntagnachmittag verbrachten wir damit, weiter über die Gespräche<br />

mit Anne und Nick zu diskutieren. 'A little bit proud' waren wir schon,<br />

dass es uns gelungen war, beide zu der Einsicht zu bewegen, dass sie die Käfige<br />

ihrer Selbstvorwürfe öffnen könnten. Wie sie dies tun und sich in der neuen<br />

Freiheit bewegen würden, konnte man nicht abschätzen. Am unverständlichsten<br />

blieb mir jedoch, wieso ich plötzlich nach zehn Jahren so brennendes Interesse<br />

entwickelte, die Residuen des Ehekonfliktes meiner Eltern, die beide noch<br />

massiv in ihrer Psyche mitschleppten, einer Lösung zuzuführen. Ausgangspunkt<br />

war die Angst gewesen, dass sich zwischen André und mir ähnliche Konflikte<br />

wie bei meinen Eltern entwickeln könnten. Daran dachte ich jetzt gar<br />

nicht mehr. Wie sollte es in der Liebe zwischen zwei so erfahrenen Ehetherapeuten<br />

wie uns denn zu einer Krisenentwicklung kommen können?<br />

Fontana<br />

Ich verfasste fleißig Reportagen und Berichte. Frau Gutmann fand meinen Stil<br />

sehr angenehm und interessant, aber für News und Informationen sei er zu literarisch,<br />

poetisch. Das wüssten Leser und Hörer gar nicht zu schätzen. Wenn<br />

ich mal Essays verfassen dürfte, sei das schon angebracht. Ich musste mich<br />

noch viel stärker auf journalistische Gedankengänge einlassen. Aber war das<br />

denn die Sprache, die ich liebte? Sollte das deutsche Hochsprache sein? Nein,<br />

eindeutig nicht. Nur war es die mediale Ebene, auf der Kommunikation funktionieren<br />

konnte. Mit medienwissenschaftlichen Gesichtspunkten sollte ich mich<br />

vielleicht auch ein wenig mehr beschäftigen, damit ich Journalistische Schreibe<br />

sinnvoll einordnen konnte und sie nicht mit der Sprache in der Literatur verglich.<br />

Aber es gab ja mehrere berühmte, sprachlich wundervolle Schriftsteller,<br />

die Journalisten gewesen waren. Selbst Fontane hatte nicht nur mal einen Artikel<br />

veröffentlicht, sonder vollständig bei Zeitungen gearbeitet. Also musste<br />

Journalismus doch nicht zwangsläufig mit Schmalspur Deutsch verbunden sein.<br />

Die Fontana unserer Tage wollte ich werden, nur Fontane hatte in meinem Alter<br />

schon mehrere Romane und Gedichte verfasst, und das als Apotheker. Ich hatte<br />

bislang noch nichts zu Wege gebracht. Gedichte wollte ich vorerst mal nicht<br />

schreiben, aber das ich meine literarische Kreativität hatte verkümmern lassen,<br />

und ich das keinesfalls weiter so dahin schludern lassen wollte, stand absolut<br />

<strong>Romantisch</strong>? <strong>Oh</strong>, <strong>Schreck</strong>! – Seite 25 von 31

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