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Stadtmagazin Neue Szene Augsburg 2012-07

Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info immer auch unter www.neue-szene.de

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16 Tag&Nacht<br />

AUGSBURGS<br />

<br />

Geistreiche Blicke auf eine verkannte Stadt<br />

von Professor Dr. August Spätzle<br />

Oft sitzt man entspannt am heimischen Mahagonitisch,<br />

schaut an die Wand, oder in den Kamin, schaut der freundlichen<br />

Katze beim Katzesein zu, schaut auch den Wein und findet ihn löblich, schaut<br />

sich überhaupt dauernd um und denkt sich: Ach, ist das wieder schön hier,<br />

huch, ist das entspannt hier ist, unglaublich, wie alles so schön und so entspannend<br />

ist aber ... warum zum Teufel bin ich nicht entspannt! Es ist doch<br />

alles so wunderbar, der Tisch ist aus schönem Tropenholz und was juckt mich<br />

der Regenwald, die Wand ist sowieso egal, der Kamin kann mich mal und die<br />

Katze soll bloß ruhig sein. Irgendetwas ist also, irgendetwas sorgt dafür, dass<br />

man nicht entspannt ist, dass man sich wie eine kleine, gestresste, in die Ecke<br />

gedrängte Maus vorkommt. Wem hat man es zu verdanken? Wer hat soviel<br />

Macht, aus vitalen, geistreichen, ja sagen wir ruhig genialen Zeitgenossen<br />

Wracks zu machen? Die Bü-ro-kra-tie, die uns in der Mangel hat und den Schlaf<br />

und die Lebensfreude raubt.<br />

Eben jene tiefe und ehrliche und natürlich hilflose Empfindung spricht aus<br />

dem Werk „Akte essen Seele auf“. Im Zentrum der Fotografie sieht man einen<br />

Mann mit ordentlichem Haarschnitt, der dennoch sympathisch wirkt, in oder<br />

auf einem Dachboden sitzen. Auf dem Tisch vor ihm liegen verstaubte Aktenordner<br />

und sein Körper ist bedeckt mit bunten Notizzetteln, wie gebannt, nein,<br />

wie paralysiert starrt er vor sich hin, wie eben jene kleine machtlose Maus, die<br />

tief im Innern spürt, dass da etwas ist, was größer ist als sie, etwas, das sie<br />

beherrschen kann und es ja auch tut, etwas, das sie vernichten kann und es<br />

ja auch tu-hen wi-hird!<br />

Die Angst des Menschen vor der Bürokratie. Kein altes Thema, nein, eher ein<br />

neues. Früher fürchtete man wilde Tiere (nein, es kommt kein Wortspiel bezüglich<br />

des Amtsschimmels), man fürchtete den Feind, den Säbelhieb des Reiters,<br />

die Klinge des Stoßtrupplers, das Gift der gekränkten Hausfrau, den Zorn der<br />

Könige. Heute fürchtet man namenlose Bürokraten, die in ihren namenlosen<br />

Büros sitzen und namenlose Gesetze ausführen, die auf namenlose Menschen<br />

angewandt werden und namenlosen Verdruss auslösten. Die Miete, der Antrag,<br />

der Bescheid, die Rechnung, die Mahnung, die Grenzübertrittsbescheinigung,<br />

der Antragsvorlaufbereitstellungsantrag, die Urkundenbeurkundungserlaubnisbescheinigung,<br />

auf Widerruf versteht sich. Oder die Spesenquittungen, die ein<br />

international wirklich sehr renommierter Professor aus lässlicher Unachtsamkeit<br />

vergaß, und deren<br />

Fehlen ihn zur fluchtartigen<br />

Abreise aus einer<br />

undankbaren und<br />

dummen osteuropäischen<br />

Bananenrepublik<br />

ohne jede Lebensart<br />

zwang. All das, all der<br />

Unrat, all der Müll, all<br />

der Dreck, der an uns<br />

klebt, all das, was wir<br />

vergessen, aufschieben,<br />

was wir begehren<br />

und nicht bekommen,<br />

was wir befürchten<br />

und natürlich gleich<br />

bekommen. All das<br />

macht uns zu bloßen<br />

Akten-An- und Akten-<br />

Abheftungsobjekten.<br />

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Allgäu Open Air<br />

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