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Verbotene Götter

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VERBOTENE GÖTTER<br />

Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her, als plötzlich unweit vor ihnen ein niedriges<br />

Gebäude aus dem Nebel auftauchte. Gespenstisch umspielten die weißen Dünste das alte<br />

Mauerwerk, dessen windschiefe Holztür unverschlossen trotz der Windstille leise knarrte, wie die<br />

salzzerfressenen Planken eines alten Schiffes.Die Gefährten merkten plötzlich, dass sie vollkommen<br />

allein auf der Straße standen. Eine unheimliche Stille hatte wie eine gigantische Spinne ihr Netz<br />

zwischen den Häusern gespannt. Ragnarok beschlich ein mulmiges Gefühl.<br />

„Das gefällt mir nicht“, sagte er leise. Wenn er wenigstens sein Schwert hätte. Ohne seine Waffe<br />

fühlte er sich stets schutzlos. Und verletzbar. Auch Vladimir schien sich unwohl zu fühlen. Mehrere<br />

Gestalten traten aus dem Nebel heran. Sie bildeten einen Kreis um die Gefährten.<br />

„Es ist unklug alleine auf den Straßen herumzulaufen! Wenn man nicht aufpasst, endet mach<br />

unversehens mit durchgeschnittener Kehle in einer dunklen Gasse.“<br />

„Wer seid ihr?“, fragte Ragnarok barsch. Eine der gestalten trat vor. Sie war vollkommen in eine<br />

schwarze Kutte gehüllt.<br />

„Vor allem sollte man besonders vorsichtig sein“, fuhr sie zu sprechen fort, „wenn man zuvor im<br />

hiesigen Gasthaus ein derartiges Gemetzel angerichtet hat!“<br />

„Verstehe“, sagte Vladimir betont gelassen. „Der Sauhaufen gehörte zu euch. Tja, Pech gehabt. Die<br />

haben sich mit den falschen Leuten angelegt. Wollt ihr dasselbe? Das könnt ihr gerne haben!“<br />

Mit diesen Worten zog er das Schwert, das sie in den Ruinen der Stadt gefunden hatten, aus seinem<br />

Gewand.Zum Glück achtete Vladimir die Gesetze ebenfalls nicht. Ein metallischer Singsang<br />

ertönte, als Vladimir die Klinge durch die Luft schwang.<br />

„Worauf wartet ihr? Hat euch etwa der Mut verlassen?“<br />

Tatsächlich zögerten die vermummten Gestalten. Mit einer solchen Reaktion hatten sie nicht<br />

gerechnet. Doch nur für den Bruchteil eines Augenblicks.<br />

„Das überlebt ihr nicht, Fremde“, zischte die Gestalt drohend. Die Hand, verhüllt von einem<br />

grausamen Panzerhandschuh, zog ihr Schwert. Auf der Klinge oberhalb des Griffs war ein<br />

Rabenkopf eingraviert.<br />

„Ihr hättet niemals herkommen dürfen!“<br />

Ragnarok und Vladimir standen Rücken an Rücken. Der Feind umringte sie mit gezogenen Waffen.<br />

„Du hast nicht zufällig noch ein Schwert irgendwo versteckt?“, raunte Ragnarok. Vladimir<br />

schüttelte den Kopf.<br />

„Du nimmst dir die Waffe von dem ersten mutigen Kerl, den ich niederstrecke“, antwortete er leise.<br />

„Das dürfte nicht lange dauern.“


„Das sind recht viele“, gab Ragnarok zu bedenken. Die Feinde zogen den Kreis immer enger und<br />

bildeten eine geschlossene Formation.<br />

„Sag mir jetzt nicht, dass du Angst hast!“<br />

„Unsinn!“, zischte Ragnarok. „Aber erinnerst du dich an die Runen? Zwergische Schrift. Ich habe<br />

mal gehört, dass die Zwerge manchmal Magie in ihren Waffen bannen, um sie stärker zu machen.<br />

Waffen, die Feuer speien oder Blitze werfen.“<br />

Vladimir betrachtete flüchtig die Klinge. Ein Versuch war es wert. Schlimmer konnte es ohnehin<br />

nicht werden. Wie auf ein Zeichen hin stürmten urplötzlich alle vermummten Gestalten gleichzeitig<br />

auf die beiden zu.<br />

„Swengwar!“, donnerte Vladimirs Stimme mächtig über die Straße. Die Waffe in seiner Hand tat<br />

einen gewaltigen Ruck. Ein rasender Blitz aus Metall und das nächste, was Vladimir und Ragnarok<br />

sahen, waren die aufgeschlitzten Leiber ihrer Feinde. Die Waffe hatte, ohne das er etwas dazu getan<br />

hatte, einen perfekten Rundumschlag ausgeführt. In weniger als einer Sekunde. Und die Feinde<br />

wurden hingeschlachtet, wie Vieh. Alle waren auf der Stelle Tod. Blut glänzte an der Klinge des<br />

Schwertes und rann in Strömen aus den zerfetzten Körpern am Boden.<br />

„Bei den Neun Höllen!“, rief Vladimir mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Freude in der Stimme.<br />

„Das kam gerade zur rechten Zeit!“<br />

„Verschwinden wir von hier“, zischte Ragnarok. „Wenn uns jemand sieht, landen wir im Kerker.“<br />

Vladimir nickte. Unachtsam stiegen sie über die zerstörten Leichen und wollten ihren Weg gerade<br />

fortsetzten, als hinter ihnen eine laute Stimme ertönte.<br />

„Keinen Schritt weiter, Fremde! Ihr seid verhaftet! Lasst das Schwert fallen!“<br />

Vladimirs Hand, die das Schwert nach wie vor fest umklammert hielt, zuckte. Aber Ragnarok legte<br />

ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.<br />

„Nicht jetzt, mein Freund. Nicht hier.“<br />

[...]<br />

Sigma wurde in den Verhörraum geführt, dort ließ man ihn warten, ohne ihn über den Grund auf zu<br />

erklären. Aber er war guter Dinge. Er spürte, dass all dies auf Geheiß seines Schutzpatrons geschah.<br />

Er brauchte sich keine Sorgen zu machen. Allerdings wunderte es ihn, dass die Forstmenschen<br />

derart feindselig auf den Frostfürsten reagierten.<br />

„Denk doch mal nach, Dummkopf!“, schimpfte Cassiopeia gereizt.<br />

„Der Winter hält an. Die heiligen Mauern liegen tief begraben unter den Eingeweiden der Stadt.<br />

Und längst verhallte, ungehörte Worte fallen mit einem Male auf fruchtbaren Grund.“<br />

Bevor Sigma nachfragen konnte, was diese rätselhaften Worte bedeuten sollten, flog die Tür auf<br />

und eine hochgewachsene, hagere Gestalt trat, flankiert von nicht weniger als acht bewaffneten<br />

Wachen, in die Verhörkammer.


Aha, dachte Sigma grimmig, es geht los. Jetzt nur nicht klein beigeben. Er setzte sich aufrecht auf<br />

seine Pritsche und blickte dem Fremden geradewegs ins Gesicht. In der fahlen, weichen Haut traten<br />

die wässrigen, blassen Augen glotzend hervor, wie die eines toten Fisches. Die spärliche, schwarze<br />

Haarpracht lag elegant gekämmt über dem knochigen Schädel. Der Mund war nicht mehr als ein<br />

blass-roter Strich und am Kinn sprießten ein paar spärliche Haare, die mit aller Kraft den Anspruch<br />

erhoben, ein Bart zu sein. Etliche goldene Ringe mit verschiedenen Sigeln blinkten an den<br />

schlanken, knochigen Fingern der gefalteten Hände. Er blickte Sigma durchdringend an, als Suche<br />

er etwas in den Zügen des jungen Klerikers.<br />

„Ich bin Magistrat Remus“, stellte er sich schließlich vor. Seine Stimme klang oberflächlich und<br />

triefte vor Verachtung.<br />

„Du wirst der Ketzerei und Teufelsanbetung beschuldigt. Was hast du dazu zu sagen?“<br />

Sigma war sich ziemlich sicher, dass Remus es nicht wirklich interessierte. Der sah ihn<br />

vermutlich schon am Galgen baumeln. Oder schlimmer: unten in der Arena mit der wilden Bestie.<br />

„Ich bin mir keiner Schuld bewusst“, antwortete er mit fester Stimme.<br />

„Willst du etwa leugnen, dass du zu dem Tyrann Thalos betest, dem verbotenen Gott?“<br />

Ohne seine Antwort abzuwarten fuhr er gebieterisch fort.<br />

„Dein Glaube beleidigt den unseren! Das dulden wir nicht in unserer Stadt! Aufrührer sind hier<br />

nicht gern gesehen, vor allem nicht in diesen Zeiten! Du hättest besser daran getan, einen großen<br />

Bogen um unsere Mauern zu machen!“<br />

Unverhohlener Hass bohrte sich in seinen Blick, den er Sigma zuwarf.<br />

„Was willst du in Gronheim? Suchst du nach den alten Heiligtümern?“<br />

Sigma horchte auf. Sie wussten davon. Das konnte nur bedeuten, dass sie auch danach suchten.<br />

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht“, antwortete er kalt. „Meine Angelegenheiten sind meine<br />

Sache.“<br />

Der Magistrat bebte vor Zorn.<br />

„Hör mir zu, hör gut zu. Ich werde die Antworten aus dir herausschneiden, wenn es nötig ist. Bist<br />

du gekommen, um sein Werk zu vollenden?“<br />

Sigma blickte dem Frostmenschen fest in die Augen. Ein wahnsinniges Funkeln trat ihm ins<br />

Gesicht.<br />

„So ist es“, flüsterte er. „Der Fürst der Kälte wird sich erheben. Und alle seine Feinde werden<br />

fallen. Ihr seid die ersten. Ich kann es sehen. Gronheim steht in Flammen. Es brennt lichterloh. Und<br />

ihr seid alle Tod. Die Straßen sind schwer von Leichen. Das Blut fließt in Strömen durch die<br />

Gassen. Es gibt kein Morgen mehr für euch!“<br />

Furcht trat in die Augen des Magistraten. Ungeahnte Todesangst. Er wich einige Schritte zurück.<br />

Taumelte gegen die Wand. Die Wachen waren wie versteinert. Sigma lachte kalt.


„Oh, ihr wisst es, nicht wahr? Ihr wisst,was euch bevor steht. Der Preis für den Verrat, den ihr an<br />

Thalos verübt habt.Ihr habt euch von ihm abgewandt. Erbärmliche Feiglinge seid ihr. Glaubt ihr<br />

tatsächlich, ihr könntet seinen Willen verhindern? Ihr seid nur Staub im Universum. Und bald<br />

kommt der Sturm und fegt euch einfach hinfort. Und nichts wird mehr bleiben von euch, eurer<br />

Stadt, eurem Volk.“<br />

„Tötet ihn“, stammelte der Magistrat mit kaltem Schweiß auf der Stirn. Helle Panik stand ihm ins<br />

Gesicht geschrieben.<br />

„Tötet ihn!“ Seine Stimme wurde schrill, überschlug sich und brach ab. Doch die Wachen rührten<br />

sich nicht.<br />

„Es ist zu spät.“<br />

Ohne dass ihn jemand aufhielt, erhob sich Sigma und trat zur Tür. Bevor er hinaus trat, wandte er<br />

noch einmal den Kopf zu Remus.<br />

„Bete zu deinem Gott. Es ist vielleicht deine letzte Nacht.“

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