Albvereinsblatt_2002-6.pdf
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TP<br />
In den Felsen und Steilhängen des Oberen Donautals und<br />
seiner Seitentäler zwischen Tuttlingen und Sigmaringen<br />
gibt es heute ein größeres Gamswildvorkommen. Anfang<br />
der 1960er Jahre wurden zunächst Einzeltiere beobachtet,<br />
später kleinere Rudel. Bei einer Zählaktion der Naturparkverwaltung<br />
zählte man im Jahr 1986 auf verschiedenen<br />
Felsköpfen 32 Tiere. Danach begann die planmäßige<br />
Bejagung des Bestandes, der heute auf ein Mehrfaches<br />
geschätzt wird und weiter anwächst. Die Gämsen<br />
sind aus den etwa 20 km entfernten Balinger Bergen<br />
zugewandert. Im Jahr 1958 waren dort von den Jägern<br />
fünf aus Österreich stammende Gämsen ausgesetzt<br />
worden. „Die Anwesenheit von Gamswild sollte die sprichwörtliche<br />
Monotonie von Fichten, Gras und Rehen auf der<br />
Alb unterbrechen“, berichtet der damalige Balinger<br />
Forstmeister Dr. Hans Haufe.<br />
Nicht nur die Jäger, sondern auch viele Wanderer freuen sich<br />
über das neu aufgetauchte Wild, das sie hier am hellen Tag<br />
beobachten können und sonst nur von den Alpen oder vom<br />
Zoo her kennen. Wenig Grund zur Freude sehen dagegen<br />
die Umwelt- und Naturschützer. Sie stellen fest: Die seltene<br />
und geschützte Flora und Fauna auf den Felsköpfen und<br />
Schutthängen des Donautals – darunter viele Arten der<br />
Roten Liste – leiden unter starkem Gamswildverbiss.<br />
Auf den flachgründigen Felsköpfen und im lockeren<br />
Felsschutt zerstören die Hufe der Gämsen die dünne<br />
Bodendecke, die sich hier in den letzten Jahrtausenden<br />
gebildet hat. Übrig bleibt oft nur nackter, vegetationsloser<br />
Fels und Steinschutt.<br />
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Die wildromantische Landschaft am Stiegelesfels –<br />
gegenüber die Ruine Kallenberg – steht unter Naturschutz<br />
und ist Heimat zahlreicher Gämsen.<br />
An den Plätzen, an denen sich die Tiere lagern,<br />
„eutrophieren“ (düngen) ihre Exkremente den Boden und<br />
bringen gerade die anspruchlosen, typischen Pflanzenarten<br />
zum Absterben.<br />
Die inzwischen heftig umstrittene Frage lautet daher: Hat<br />
diese Wildart auf der Schwäbischen Alb und speziell in<br />
den geschützten Biotopen des Oberen Donautals eine<br />
Daseinsberechtigung?<br />
Wo ist der natürliche<br />
Lebensraum der Gämsen?<br />
Gämsen haben ihr Hauptverbreitungsgebiet in den Alpen<br />
oberhalb der Waldgrenze. Die äußerst wachsamen Tiere<br />
sind vorzügliche Kletterer und Springer und hervorragend<br />
an das steile Gebirgsgelände angepasst. Ihre natürlichen<br />
Feinde sind dort Wolf, Bär und Adler und im Bergwald der<br />
Luchs. In der Vergangenheit wurde das Gamswild vor allem<br />
von den Jägern kurz gehalten. Das Wildbret ist<br />
schmackhaft. Die Gamskrucken (Hörner) und der Gamsbart<br />
(die Haare auf dem Widerrist) sind begehrte Jagdtrophäen.<br />
Die Jagd auf diese Tiere war in der Regel dem Adel<br />
vorbehalten. In Brehms Tierleben lesen wir: „Die<br />
Gemsenjagd gilt von jeher als ein Vergnügen, würdig des<br />
besten Mannes.“ Zur Reduzierung des Wildes trugen nicht<br />
zuletzt die Wilderer bei. Erinnert sei an den sagenhaften