Oeverblick Broschüre Inklusion
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Günther Grashorn | Lebenshilfe im Landkreis Verden e.V.<br />
ze Lebenssituation. Das macht das Ganze einerseits reizvoll, andererseits<br />
aber natürlich auch aufwändig. Schwierigkeiten sehe ich<br />
darin, wenn wir derzeitig realistisch sind, setzen wir gerade die<br />
Möglichkeit zur Teilnahme in der Gemeinschaft um. Wenn man<br />
dann zurück blickt, ist das eine Zielvorgabe der Kultusministerkonferenz<br />
von 1 973 von Jacob Muth. Das wäre jedenfalls n Problem,<br />
dass man sagt, das sind die Zeitabläufe, die man berücksichtigen<br />
muss, dass dann schnell mal 1 0 oder 20 Jahre ins Land gehen. Insbesondere<br />
hier in Niedersachsen, wenn wir mal überlegen, 1 993,<br />
das ist 20 Jahre her, da haben wir im Schulgesetz die Integration<br />
eingeführt und entsprechend glaube ich aus diesem Erfahrungshintergrund,<br />
wird man damit rechnen müssen, dass diese Prozesse<br />
sehr lange dauern. Das ist für den Einzelnen unbefriedigend, den<br />
Betroffenen insbesondere und die Eltern. Aber ich glaube es ist realistisch,<br />
diese Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Und die große<br />
Schwierigkeit, die man natürlich immer hat: Wird die Gesellschaft<br />
bereit sein, die entsprechenden Ressourcen bereitstellen, damit<br />
diese Prozess auch in der entsprechenden Qualität laufen? Weil die<br />
<strong>Inklusion</strong> braucht Professionalität. Es wäre verheerend, die <strong>Inklusion</strong><br />
misszuverstehen als Pflichtmodell, wo diese Fachlichkeit abgebaut<br />
wird. Und ich glaube an dieser Diskussion beteiligen wir uns ja<br />
gerade, dass man da als Lebenshilfe aufpasst, dass nicht die Qualitäten<br />
abgebaut werden, die wir hier konkret in Verden in den letzten<br />
50 Jahren als Verein aufgebaut haben.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Wir von der Lebenshilfe sind ja ganz konkret schon vor 25 Jahren<br />
eingestiegen. Also vor 25 Jahren sind wir schon mit der <strong>Inklusion</strong><br />
gestartet, haben, das war die zentrale Grundlage der <strong>Inklusion</strong>, ein<br />
dezentrales Kindergarten- und Schulsystem aufzubauen, also Behinderte<br />
nicht an einem Standort zu versorgen. Das hat fast 20 Jahre<br />
gedauert im Schulbereich als auch im Kindergartenbereich, eine<br />
dezentrale Struktur in Verden aufzubauen. Die fachlichen Inhalte einer<br />
inklusiven methodischen Didaktik, sind nach meinem Dafürhalten<br />
immer noch nicht soweit entwickelt, dass man sagt, die sind<br />
schon fachlich auf einem hohen Niveau entwickelt. Es ist für mich<br />
immernoch unbefriedigend, sowohl in der Theorie, was von den<br />
Hochschulen auch geliefert wird, als auch, und das ist natürlich ein<br />
Riesenproblem, dass uns in den nächsten Jahren mit dem Fachkraftmangel,<br />
insbesondere Mitarbeiter fehlen, die das fachliche<br />
Know-How mitbringen und das muss man kritisch sagen, man hätte<br />
in den letzten 20 Jahren der Integration deutlich die Lehrpläne, die<br />
Prüfungsordnungen im schulischen Bereich, im Lehramt als auch<br />
bei Erziehern und Sozialpädagogen ändern müssen. Das ist meiner<br />
Meinung nach einer der größten Fehler, den wir in den kommenden<br />
20 Jahren auszubaden haben, weil uns bei der Umsetzung der <strong>Inklusion</strong><br />
eigentlich die entsprechenden Kollegen fehlen, die das<br />
fachliche Know-How mitbringen. Das zu kompensieren wird nicht<br />
ganz einfach sein.<br />
Das 50. Vereinsjubiläum der Lebenshilfe im Landkreis Verden zeigt<br />
auf, wie eine soziale Idee im gemeinschaftlichen Wirken der Betroffenen<br />
eine große Nachhaltigkeit erzielen kann.<br />
wir mal so ein schwieriges in Anführungszeichen auch komplexes<br />
Thema auf drei Sätze zusammenzufassen. Ich glaube aber und<br />
deshalb freue ich mich auch über das Gespräch, wir werden die<br />
ganzen Dinge, die ich ja eben auch kritisch angesprochen habe,<br />
nur lösen durch gemeinsamen Dialog. Also wenn ich eine Win-Win-<br />
Situation anstrebe, wo alle auch mit leben können, wo alle Perspektiven<br />
berücksichtigt sind, müssen wir miteinander reden. Und da<br />
möchte ich zum Schluss auch noch mal sagen, mir ist dann auch<br />
sehr wichtig, dass die Mitarbeiter die hier so was ermöglichen, das<br />
die am Schluss bei der <strong>Inklusion</strong> nicht die Verlierer sind. Die<br />
Schulassistenten, die Begleiter - da ist für mich noch ein Riesenhandlungsbedarf,<br />
was die Sozialabsicherung von den Mitarbeitern<br />
betrifft und auch die berufliche Perspektive. Es geht nicht an, dass<br />
wir das sozusagen, der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, in Anspruch<br />
nehmen für die <strong>Inklusion</strong> und hinterher nach ein, zwei Jahren<br />
oder hier vielleicht nach sieben Jahren sagen, hier das war's.<br />
Und das finde ich persönlich schäbig, da muss was anderes sozusagen<br />
geregelt werden. Damit da für denjenigen, der sich da engagiert,<br />
am Schluss auch die Rechnung aufgeht. Das will ich<br />
persönlich noch sagen. Da setze ich mich auch an anderen Orten<br />
auch wenn wir das hier in Verden nicht lösen können, also da bin<br />
ich sozusagen auf einigen parteipolitischen Schienen und auch in<br />
Verbänden derjenige, der das Thema immer besetzt. Weil das ist<br />
auch Ausdruck dessen, dass wir das auch nur gemeinsam lösen<br />
können. Deswegen ist vielleicht nochmal wichtig, auch für Justin,<br />
das ist eine Geschichte, wo man auch sagt, ich setze mich für den<br />
Betroffenen ein. Aber ich setze mich als Lebenshilfe-Leitung natürlich<br />
auch für die Mitarbeiter ein. Das finde ich auch richtig so. Weil<br />
ich glaube <strong>Inklusion</strong> muss so ein Wir-Gefühl haben, das ist ein solidarisches<br />
System. Und dann macht's mir wieder Hoffnung. Es geht<br />
auch darum, Hoffnung zu übermitteln, die nächsten 20 Jahre. Da in<br />
Schwung zu kommen und das gemeinsam durchzustehen und nicht<br />
sozusagen einige, die da am Schluss den Preis bezahlen. Das ist<br />
glaube ich die Lehre, die wir aus der Integrationsentwicklung und<br />
-bewegung ziehen müssen. Dass sich das nicht nochmal wieder<br />
wiederholt, dass dann am Schluss engagierte Mitarbeiter die Zeche<br />
zahlen und mit Burn-Out und ähnlichen Dingen dann draufzahlen.<br />
Das ist doch mal ein moralischer Appell! Ich danke für das Gespräch.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Ja, ich hab zu danken, ich hoffe, dass das auch 'n bisschen sagen<br />
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Överblick · Das Kulturmagazin<br />
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