Die Muster- knaben - Rondo
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Blind gehört<br />
Folkert Uhde<br />
Vom Fernsehtechniker zum Festspielleiter.<br />
Was Uhde am besten kann: mit Ideen zur Tat<br />
schreiten. Von Arnt Cobbers<br />
Saxofon. Ist das eine Erfindung der Firma Universal?<br />
Ah, „Timeless“ – die Platte habe ich nie<br />
gehört. Einige Leute werden sich das wegen<br />
Philip Glass gekauft haben und wurden dann<br />
mit Merula konfrontiert. Das hat seine Berechtigung.<br />
Meist finde ich den Mix der<br />
Instrumentarien problematisch. Merula muss<br />
mitteltönig gespielt werden, mit sehr tiefen<br />
Terzen. Das funktioniert aber nicht bei Philip<br />
Glass, da braucht es enharmonische Verwechslungen.<br />
Ich finde, man verliert beim<br />
Kompromiss zu viel vom Kern dieser Musik.<br />
Reubke<br />
Der 94. Psalm<br />
Er war elf Jahre lang Manager und<br />
Dramaturg der Akademie für Alte<br />
Musik Berlin, war Partner einer<br />
Künstleragentur und gründete 2006<br />
gemeinsam mit Jochen Sandig das RADIAL-<br />
SYSTEM V, den innovativen Konzert- und<br />
Veranstaltungsort in Berlin. Aus dem Tagesgeschäft<br />
hat sich Folkert Uhde nun zurückgezogen,<br />
um sich ganz aufs Entwickeln<br />
und Umsetzen neuer Programme und<br />
Konzeptionen zu konzentrieren. Seit diesem<br />
Jahr ist der 48-Jährige, der zuerst Radio- und<br />
Fernsehtechniker gelernt und dann Musikwissenschaft<br />
und Barockgeige studiert hat,<br />
künstlerischer Leiter der Internationalen<br />
Orgelwoche Nürnberg.<br />
Purcell<br />
Dido und Aeneas<br />
Pudwell, Harvey, Le Concert Spirituel,<br />
Niquet; 2000, Glossa/Note 1<br />
Ich kann diese Ouvertüre nicht<br />
hören, ohne das von Sasha Waltz<br />
erfundene Wasserbecken in<br />
meinem Kopf zu sehen und das<br />
Plätschern des Wassers zu hören. Das war ja<br />
meine erste Zusammenarbeit mit Sasha Waltz<br />
und Jochen Sandig … Interpreten-Raten ist<br />
mein Hobby, aber von Purcell gibt es so unglaublich<br />
viele Aufnahmen. Erstaunlicherweise<br />
wird nur bei relativ wenigen<br />
Ensembles die Idee eines eigenen Stils, eines<br />
eigenen Klanges, eines eigenen Umgangs mit<br />
dem Repertoire erkennbar. (Wir hören in<br />
mehrere Sätze hinein.) Hier kann ich nichts<br />
Spezifisches identifizieren. Ich denke, es sind<br />
englische Musiker, die Sänger sind jedenfalls<br />
Muttersprachler … Eine gute Aufnahme muss<br />
mich klanglich anspringen, ich muss in den<br />
ersten fünf Sekunden gebannt sein. Sie muss<br />
eine Mischung von sehr gutem Raumklang,<br />
der zum Repertoire passt, und klanglicher<br />
Plastizität sein. Der Rest ist Geschmack. Das<br />
hier reißt mich nicht vom Hocker. Es ist, „wie<br />
12<br />
man das so macht“, es ist ok …<br />
Ich war so lange der Akademie für<br />
Alte Musik Berlin als Bratscher und<br />
Manager verbunden, das prägt schon sehr.<br />
Überraschenderweise gibt es inzwischen eine<br />
ganze Reihe Aufnahmen, die mir bekannt vorkommen,<br />
die aber nicht von der Akademie<br />
sind. Bestimmte Aufnahmen waren stilbildend,<br />
auch generell die Art und Weise, mit<br />
Musik umzugehen, da ist manches kaum vom<br />
Original zu unterscheiden. Ich habe schon eine<br />
sehr präzise Vorstellung von vielen Stücken,<br />
aber ich lasse mich auch gern überraschen.<br />
Was ich allerdings nicht ertragen kann, sind<br />
Intonationsschwächen, vor allem, wenn ich<br />
merke, die Musiker haben das Intonationssystem<br />
nicht begriffen. Es gibt eine unglaubliche<br />
Standardisierung in der Alten Musik,<br />
dabei gibt es aus meiner Sicht noch viele<br />
offene Fragen, gerade was die Besetzungen angeht.<br />
Es gibt Musiker, die sich damit im Detail<br />
auseinandersetzen, dass man eine Corelli-<br />
Sonate nicht auf der gleichen Geige mit den<br />
gleichen Saiten spielen sollte wie eine Bach-<br />
Sonate. Aber es gibt einen Mainstream, dass<br />
man zum Beispiel alles auf dem Stimmton<br />
415 Hz spielt, was historisch Unsinn ist. Man<br />
meint vieles zu wissen, was man aber doch<br />
nicht weiß … Das ist Hervé Niquet? Den schätze<br />
ich sehr für französisches Repertoire. Ich finde,<br />
es müsste französischer klingen. Interessant,<br />
dass die Franzosen es sehr „englisch“ spielen.<br />
Glass<br />
The Windcatcher/Merula:<br />
La Lusignola<br />
„Timeless“, Lautten Compagney; 2008,<br />
dhm/Sony<br />
Das eine ist italienisch, 17. Jahrhundert,<br />
aber das andere kenne<br />
ich nicht. Was spielt da überhaupt,<br />
ein Zink und ein Marimbafon?<br />
(wir hören in andere Stücke – im Wechsel<br />
Merula und Glass – hinein) Das ist doch ein<br />
Christoph Schoener an der Ladegast-Orgel,<br />
Schwerin; 1992, Mitra<br />
In Orgelmusik arbeite ich mich<br />
gerade intensiv ein, da kenne ich<br />
mich noch nicht gut aus – obwohl<br />
ich mit Orgelmusik groß geworden<br />
bin. Ich habe im Kirchenchor gesungen,<br />
und die Kantorin bei uns in Wilhelmshaven<br />
war eine herausragende Organistin und<br />
Improvisatorin. <strong>Die</strong> Internationale Orgelwoche<br />
Nürnberg ist ja längst ein Festival vor<br />
allem auch für geistliche Musik, der Orgelpart<br />
wird vom Orgelwettbewerb geprägt, der einen<br />
eigenen künstlerischen Leiter hat. Ist das<br />
Reubke? Ein tolles Stück. Und eine schöne<br />
Aufnahme, die spricht mich klanglich sofort<br />
an. Ich habe hobbymäßig in jungen Jahren<br />
viel Aufnahmeleitung gemacht und war<br />
später bei sehr vielen CD-Produktionen<br />
dabei, oft mit dem ehemaligen Cheftonmeister<br />
der VEB Deutsche Schallplatte,<br />
Eberhard Geiger. Der hat interpretatorisch<br />
viel Einfluss genommen,<br />
von ihm habe ich viel gelernt.<br />
Misirlou<br />
traditionell / Dick Dale,<br />
„Fiction“<br />
Quatuor Ebène; 2009,<br />
Virgin Classics/EMI<br />
Das ist nett und hat<br />
seine Berechtigung,<br />
aber interessiert mich<br />
nicht. Auch zu Popsongs<br />
gehört ein bestimmter<br />
Klang. Wenn man sie für Streichquartett<br />
arrangiert, ist diese<br />
Aura, die manche Aufnahmen<br />
haben und die ich toll finde,<br />
verschwunden. Wenn Bands<br />
Klassik- und Jazzelemente in ihre Musik<br />
einweben und wenn da Neues entsteht, finde<br />
ich das interessant. Aber sogenanntes „Crossover“<br />
finde ich fürchterlich.<br />
Foto: André Rival