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BJV Report 4 / 2013 - Bayerischer Journalisten Verband

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Medienszene<br />

Wir im <strong>BJV</strong><br />

Den US-Geheimdiensten<br />

auf die Füße treten<br />

Der Bayerische Datenschutzbeauftragte<br />

Thomas Petri zur heimlichen Überwachung durch<br />

die NSA und deutsche Behörden<br />

Von Maria Goblirsch und Thomas Mrazek<br />

Der amerikanische und der britische Geheimdienst<br />

haben Unmengen von Daten deutscher<br />

Bürger und Unternehmen abgeschöpft. Herr<br />

Petri, wie fühlen Sie sich dabei?<br />

Es überrascht mich nicht wirklich, dass<br />

so etwas stattfindet. Aber vom Ausmaß der<br />

Datenerfassung bin ich schon betroffen. Man<br />

muss dazu wissen, dass auch der Bundesnachrichtendienst<br />

(BND) vergleichbare Methoden<br />

anwendet, um die Kommunikation in oder aus<br />

kritischen Staaten zu erfassen – aber eben nur<br />

bei diesen und auf Grundlage der Gesetze. Was<br />

jetzt den Aufschrei hervorgerufen hat, ist die<br />

Tatsache, dass die USA und die Briten uns als<br />

befreundeten Staat in einer solchen Dimension<br />

ausforschen. Das hat enttäuscht. Aber wer enttäuscht<br />

ist, hat sich auch täuschen lassen.<br />

Welche Datenmengen haben die Geheimdienste<br />

nach Ihrer Einschätzung in Deutschland<br />

gesammelt?<br />

Wenn der BND seine Möglichkeiten komplett<br />

ausschöpfen würde, käme man auf rund<br />

20 Prozent der gesamten Kommunikation mit<br />

dem Ausland. Wir schätzen, dass er tatsächlich<br />

etwa fünf Prozent erfasst. Da sprechen<br />

wir immer noch von Millionen Kommunikationsvorgängen<br />

im Jahr. Vergleichen wir das<br />

mit der NSA-Affäre, haben wir genau das umgekehrte<br />

Verhältnis: Die amerikanischen und<br />

britischen Geheimdienste haben mindestens<br />

80 Prozent der deutschen Kommunikation<br />

ausgeforscht. Das war in dieser Größenordnung<br />

eine böse Überraschung.<br />

Müssen wir davon ausgehen, dass auch bayerische<br />

Sicherheitsbehörden mit im Spiel waren,<br />

unsere Kommunikation ausspioniert und<br />

Daten an die NSA weitergeleitet haben?<br />

Ich habe derzeit keine konkreten Anhaltspunkte<br />

dafür, dass die bayerischen Sicherheitsbehörden<br />

unser Recht brechen, um mit<br />

den amerikanischen und britischen Diensten<br />

zusammenarbeiten zu können. Was man sich<br />

aber schon einmal genauer ansehen muss, ist<br />

die Usance unter den Diensten, nicht danach<br />

zu fragen, woher diese Daten und Informationen<br />

kommen.<br />

Was nutzt uns dann noch das Recht auf informationelle<br />

Selbstbestimmung, wenn es über<br />

Umwege doch ausgehebelt wird?<br />

Das ist ein Grund, warum wir dringend einen<br />

europäischen Datenschutz-Rahmen und<br />

gemeinsame Mindest-Standards im Bereich<br />

Inneres und Justiz brauchen. Damit unser hohes<br />

Datenschutz-Niveau nicht über den Umweg<br />

befreundeter Geheimdienste nach unten<br />

gedrückt werden kann. Sonst bräuchte ich ja,<br />

salopp ausgedrückt, nur die Briten anrufen<br />

und sagen: Hört uns mal ab, oder könnt Ihr<br />

uns diese oder jene Information besorgen?<br />

Das darf nicht sein, dass wir hier in Deutschland<br />

bestimmte Erhebungsmethoden aus<br />

rechtsstaatlichen Gründen verbieten, dann<br />

aber Daten und Informationen über Staaten<br />

mit niedrigeren Schranken einholen.<br />

Auch eine europäische Datenschutz-Richtli-<br />

nie nutzt wenig, wenn die NSA die Daten absaugt.<br />

Dann müssen die Europäer zu ihren Überzeugungen<br />

stehen und einfordern, dass die<br />

USA diese auch respektieren. Und wenn die<br />

Amerikaner das nicht tun, muss man halt<br />

Konsequenzen ziehen. Es kann nicht sein,<br />

dass ein Mitglied der Bundesregierung in die<br />

USA fliegt, seine Vorstellungen schildert, sich<br />

die der USA anhört und das war es. Wenn das<br />

die Konsequenz von Prism und Tempora sein<br />

soll, dann wäre das äußerst dürftig. Und damit<br />

würde auch die Bundesregierung ihrem<br />

grundrechtlichen Schutzauftrag nicht gerecht.<br />

Entsprechendes gilt für die EU. Es gibt Hebel,<br />

die wir bewegen können und mit denen wir<br />

Druck auf die USA ausüben können. Wenn<br />

der Schutz unseres Privatlebens und unserer<br />

Daten wirklich zentrale grundrechtliche Wer-<br />

26 <strong>BJV</strong>report 4/<strong>2013</strong>

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