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Gespräche mit Eltern in Gegenwart von Kindern

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Nicht nur zwischen Tür und Angel: <strong>Gespräche</strong> <strong>mit</strong> <strong>Eltern</strong><br />

<strong>Gespräche</strong> <strong>mit</strong> <strong>Eltern</strong> <strong>in</strong> <strong>Gegenwart</strong><br />

<strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern?<br />

Ziele:<br />

• Bewusst den passenden Rahmen für e<strong>in</strong> Gespräch<br />

<strong>mit</strong> <strong>Eltern</strong> herstellen lernen<br />

• E<strong>in</strong>fühlung und Verständnis für die Perspektive des<br />

K<strong>in</strong>des entwickeln<br />

Übung:<br />

Die Referent<strong>in</strong> kündigt e<strong>in</strong>e kurze Demonstration an<br />

und bittet drei Teilnehmer<strong>in</strong>nen, sich zur Verfügung zu<br />

stellen. Es sollen die Rolle der Tagesmutter, der Mutter<br />

des Tagesk<strong>in</strong>des sowie die Rolle des Tagesk<strong>in</strong>des besetzt<br />

werden. Jede der drei Darsteller<strong>in</strong>nen bekommt<br />

e<strong>in</strong>e Rollenkarte, auf der beschrieben ist, was sie sagen<br />

bzw. wie sie sich verhalten soll. Die Referent<strong>in</strong> stellt die<br />

drei Personen zu e<strong>in</strong>er Gesprächsszene (z. B. an der<br />

Haustür) auf: Mutter und Tagesmutter stehen sich gegenüber.<br />

Das K<strong>in</strong>d kniet neben der Mutter und hält sich<br />

an deren Be<strong>in</strong> fest.<br />

Nun spielen die Rollenspieler<strong>in</strong>nen den auf den Rollenkarten<br />

beschriebenen kurzen Wortwechsel und halten<br />

dann <strong>in</strong>ne.<br />

Die Referent<strong>in</strong> richtet an die Darsteller<strong>in</strong> des K<strong>in</strong>des die<br />

Fragen:<br />

1. Wie fühlen Sie sich <strong>in</strong> der Rolle als K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dieser Situation?<br />

Wie wirkt das auf Sie?<br />

2. Was hätten Sie sich als K<strong>in</strong>d lieber gewünscht?<br />

Die Darsteller<strong>in</strong>nen werden <strong>mit</strong> Dank aus ihren Rollen<br />

entlassen. Es schließt sich e<strong>in</strong>e Diskussion <strong>in</strong> der Gruppe<br />

an.<br />

Diskussion:<br />

<strong>Gespräche</strong> <strong>in</strong> <strong>Gegenwart</strong> <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dern kommen zustande,<br />

wenn e<strong>in</strong> <strong>Eltern</strong>teil das Tagesk<strong>in</strong>d zur Tagesmutter<br />

br<strong>in</strong>gt oder <strong>von</strong> der Tagesmutter abholen<br />

kommt. Es können jedoch auch Zufallsbegegnungen<br />

außerhalb der Tagespflege, z. B. auf dem Markt oder im<br />

Schwimmbad, se<strong>in</strong>. Für das K<strong>in</strong>d bedeutet dies e<strong>in</strong> Aufe<strong>in</strong>andertreffen<br />

zweier verschiedener Lebenswelten, <strong>in</strong><br />

denen es jeweils unterschiedliche Verhaltensmuster<br />

und Regeln gibt. Jede dieser Lebenswelten ist für sich<br />

Demonstration<br />

genommen e<strong>in</strong> „e<strong>in</strong>gespieltes System“. Wenn jedoch<br />

diese e<strong>in</strong>gespielten Systeme aufe<strong>in</strong>andertreffen, dann<br />

ergeben sich daraus irritierende Situationen, weil nicht<br />

mehr e<strong>in</strong>deutig ist, welche Regeln und Verhaltensmuster<br />

gerade gelten. Tagesmütter erleben immer wieder<br />

solche Momente, wenn K<strong>in</strong>der sich nach der Ankunft<br />

e<strong>in</strong>es <strong>Eltern</strong>teils plötzlich anders verhalten: provozierender,<br />

aggressiver oder auch we<strong>in</strong>erlicher. Die Mutter<br />

wird stürmisch begrüßt und vere<strong>in</strong>nahmt – gleichzeitig<br />

zählt auf e<strong>in</strong>mal die Tagesmutter nichts mehr. Oder<br />

das K<strong>in</strong>d möchte noch nicht gehen und ignoriert die<br />

Aufforderungen der Mutter, sich die Jacke anzuziehen.<br />

Häufig verhalten K<strong>in</strong>der sich ihren <strong>Eltern</strong> gegenüber<br />

emotional fordernd nach e<strong>in</strong>em langen Tag <strong>in</strong> der Tagespflege,<br />

als ob sie sich der Sicherheit und Belastbarkeit<br />

dieser Beziehung wieder vergewissern müssten.<br />

Gerade die Abholsituation ist für das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> sensibler<br />

Übergang – für die Erwachsenen übrigens auch: Die <strong>Eltern</strong><br />

wechseln aus ihren beruflichen Rollen <strong>in</strong>s Familienleben,<br />

auch für die Tagesmutter beg<strong>in</strong>nt, wenn die<br />

Tagesk<strong>in</strong>der gehen, der private Teil des Tages. Dies ist<br />

ke<strong>in</strong>e gute Gelegenheit für die Erwachsenen, e<strong>in</strong> Gespräch<br />

<strong>mit</strong>e<strong>in</strong>ander anzufangen, bei dem <strong>in</strong> Ruhe e<strong>in</strong>ige<br />

D<strong>in</strong>ge besprochen werden sollen. K<strong>in</strong>der spüren,<br />

dass sie aus dem Gespräch ausgeschlossen s<strong>in</strong>d, und<br />

neigen umso eher dazu, die Aufmerksamkeit der Erwachsenen<br />

auf sich zu ziehen. Falls es heikle Punkte zu<br />

besprechen gibt, kann e<strong>in</strong>e negative Stimmung entstehen,<br />

die das K<strong>in</strong>d zusätzlich verunsichert und belastet.<br />

Diese Gesprächssituation ist also sehr störungsanfällig<br />

und sollte nach Möglichkeit <strong>von</strong> vornhere<strong>in</strong><br />

vermieden werden. Hier eignet sich e<strong>in</strong> Telefonat oder<br />

e<strong>in</strong>e Extra-Verabredung ohne K<strong>in</strong>der besser.<br />

In der dargestellten Szene wurde <strong>in</strong> <strong>Gegenwart</strong> des<br />

K<strong>in</strong>des über das K<strong>in</strong>d gesprochen. Mit dieser Situation<br />

sollten Tagesmutter und <strong>Eltern</strong> sensibel umgehen. Sofern<br />

es um lobende oder bestärkende Aussagen über<br />

K<strong>in</strong>der geht, ist dagegen wenig e<strong>in</strong>zuwenden. Das K<strong>in</strong>d<br />

erfährt dadurch positive Zuwendung. Generell ist jedoch<br />

zu beachten, dass niemand gern die Erfahrung<br />

macht, dass über den eigenen Kopf h<strong>in</strong>weg geredet<br />

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© Weiß/Stemp<strong>in</strong>ski/Schumann/Keimeleder: DJI-Curriculum „Qualifizierung <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagespflege“, Kallmeyer 2008 (2. Auflage)


wird. So wie man es Erwachsenen nicht zumutet, dass<br />

<strong>in</strong> ihrer <strong>Gegenwart</strong> über sie gesprochen wird, ohne<br />

dass sie das Gespräch <strong>mit</strong>gestalten und ihre eigene<br />

Perspektive e<strong>in</strong>fließen lassen können, ebenso wenig<br />

sollte man K<strong>in</strong>dern diese Erfahrung zumuten. Besonders<br />

wenn es um negative Mitteilungen geht, fühlt sich<br />

e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d schnell <strong>in</strong> unangenehmer Weise bloßgestellt.<br />

Wenn es sich schon nicht vermeiden lässt, dass ungünstige<br />

D<strong>in</strong>ge über das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der <strong>Gegenwart</strong> des<br />

K<strong>in</strong>des besprochen werden, so ist es wichtig, dem K<strong>in</strong>d<br />

durch Blickkontakt, durch Auf-den-Arm- oder Auf-den-<br />

Schoß-Nehmen zu signalisieren, dass es geachtet und<br />

geliebt wird und dazugehört.<br />

Die Kursteilnehmer<strong>in</strong>nen können angeregt werden,<br />

sich <strong>in</strong> das K<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuversetzen und aus diesem<br />

Blickw<strong>in</strong>kel zu beschreiben, was sie sich <strong>in</strong> der Rolle des<br />

K<strong>in</strong>des wünschen, z. B.:<br />

• „Ich will andere K<strong>in</strong>der nicht als Vorbild h<strong>in</strong>gestellt<br />

bekommen.“<br />

• „Ich will, dass die Tagesmutter vertrauliche D<strong>in</strong>ge<br />

und Negatives <strong>von</strong> mir nicht me<strong>in</strong>en <strong>Eltern</strong> erzählt.“<br />

• „Ich will nicht, dass beim Abholen alles erzählt wird,<br />

was ich tagsüber angestellt habe.“<br />

Wie hätte das dargestellte Gespräch konstruktiver verlaufen<br />

können?<br />

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Nicht nur zwischen Tür und Angel: <strong>Gespräche</strong> <strong>mit</strong> <strong>Eltern</strong><br />

Literatur<br />

Blume, Ute/Gerszonowicz, Evel<strong>in</strong>e: Vom Tür-und-Angel-Gespräch bis zum <strong>Eltern</strong>abend. Anregungen zur <strong>Eltern</strong>arbeit. Pädagogische<br />

Materialien zur Tagespflege. Hg. Senatsverwaltung für Frauen, Jugend und Familie, Heft 2, 1990, S. 30 f.<br />

Erler, Gisela: Tagesmütter und Pflegek<strong>in</strong>der – E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Erziehungsgefüge, <strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium für Familie, Senioren, Frauen<br />

und Jugend (Hg.): K<strong>in</strong>derbetreuung <strong>in</strong> Tagespflege. Tagesmütter-Handbuch, Stuttgart, Berl<strong>in</strong>, Köln S. 269–299 (besonders Abschnitt<br />

2: Br<strong>in</strong>gen und Abholen als Grenzsituation, S. 271–276)<br />

Wimmer, Birgit: Zwischen Nähe und Distanz. Anforderungen an <strong>Eltern</strong>gespräche. In: ZeT Zeitschrift für Tagesmütter und -väter<br />

6/1999, S. 24–26<br />

© Weiß/Stemp<strong>in</strong>ski/Schumann/Keimeleder: DJI-Curriculum „Qualifizierung <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagespflege“, Kallmeyer 2008 (2. Auflage)<br />

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Fallbeispiele:<br />

Welche Form der Kommunikation <strong>mit</strong><br />

<strong>Eltern</strong> ist geeignet?<br />

Frau K., die Mutter des Tagesk<strong>in</strong>des, erwähnt<br />

beim Abholen ihrer Tochter <strong>von</strong> der Tagespflege,<br />

dass sie andere Ernährungsvorstellungen<br />

als die Tagesmutter hat und dass<br />

sie dies gern mal besprechen würde, am<br />

liebsten sofort. Wie geht Frau B., die Tagesmutter,<br />

am besten darauf e<strong>in</strong>?<br />

Für den kommenden Donnerstag ist e<strong>in</strong> Besuch<br />

im Zoo geplant. Br<strong>in</strong>g- und Abholzeiten<br />

müssen besprochen werden. Außerdem<br />

s<strong>in</strong>d verschiedene D<strong>in</strong>ge <strong>mit</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Wie<br />

teilt die Tagesmutter dies den <strong>Eltern</strong> <strong>mit</strong>?<br />

Das Tagesk<strong>in</strong>d Jan (6 Monate) hat <strong>Eltern</strong>, die<br />

jeden neuen Erziehungsratgeber lesen und<br />

ke<strong>in</strong>e Gelegenheit auslassen wollen, das<br />

K<strong>in</strong>d zu fördern. Tagesmutter D. f<strong>in</strong>det das<br />

übertrieben. Neulich wurde sie <strong>von</strong> Jans Vater<br />

gefragt, welche F<strong>in</strong>gerspiele, Lieder und<br />

gymnastische Übungen sie denn <strong>mit</strong> dem<br />

Kle<strong>in</strong>en macht. Soll sie den <strong>Eltern</strong> <strong>mit</strong>teilen,<br />

dass sie deren Ehrgeiz unangemessen f<strong>in</strong>det?<br />

Das Tagesk<strong>in</strong>d Angelika (2,5 Jahre) kommt<br />

seit e<strong>in</strong>em Jahr regelmäßig gerne zur Tagesmutter,<br />

deren eigene K<strong>in</strong>der bereits <strong>in</strong> die<br />

Schule gehen. Seit zwei Wochen muss Angelika<br />

sich die Tagesmutter <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em anderen<br />

Tagesk<strong>in</strong>d teilen. Sie reagiert höchst<br />

eifersüchtig. Sollte die Tagesmutter Frau P.<br />

dies <strong>mit</strong> den <strong>Eltern</strong> besprechen?<br />

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Nicht nur zwischen Tür und Angel: <strong>Gespräche</strong> <strong>mit</strong> <strong>Eltern</strong><br />

Frau G. hat festgestellt, dass sie schwanger<br />

ist. Nun möchte sie ihre Tagesmutter-Tätigkeit<br />

beenden, um mehr Zeit für ihre eigene<br />

Familie zu haben. Wie kündigt sie dies den<br />

<strong>Eltern</strong> ihrer beiden Tagesk<strong>in</strong>der an?<br />

Es ist Anfang Dezember. Die Tagesmutter,<br />

Frau H., hat den Wunsch, <strong>mit</strong> den <strong>Eltern</strong> ihrer<br />

Tagesk<strong>in</strong>der die Urlaubszeiten für das<br />

kommende Jahr abzusprechen. Was ist zu<br />

tun?<br />

© Weiß/Stemp<strong>in</strong>ski/Schumann/Keimeleder: DJI-Curriculum „Qualifizierung <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagespflege“, Kallmeyer 2008 (2. Auflage)<br />

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