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Vertrau - Rudolf Steiner Schule Aargau

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Schwerpunkt<br />

Spitzmarke<br />

WIE DAS WELTVERTRAUEN DER KINDER<br />

WÄHREND DER KLASSENLEHRERZEIT VERANLAGT UND GEFÖRDERT WERDEN KANN<br />

Im Schulalltag wirken wiederkehrende<br />

«Einzahlungen aufs Beziehungskonto» vertrauensbildend:<br />

Das Kind fühlt sich durch den<br />

Lehrer wahrgenommen, verstanden, geachtet<br />

und geliebt. Kleine Aufmerksamkeiten zeigen<br />

dem Kind, dass der Lehrer achtsam ist. Er ist<br />

verbindlich und hält Versprechen ein. Er gibt<br />

dem Kind durch eine klare und konsequente<br />

Führung Sicherheit. Er ist offen für Entwicklung<br />

und pflegt eine Gesprächskultur, die auch<br />

bei Konfliktsituationen lösungsorientiert zum<br />

Tragen kommt.<br />

Mit der Pflege des <strong>Vertrau</strong>ens wird ein<br />

fruchtbarer Boden gebildet, auf dem die Unterrichtsinhalte<br />

sich entfalten können. In den ersten<br />

Schuljahren ist der Klassenlehrer für das<br />

Kind der Vermittler der Welt. Er hilft dem Kind,<br />

sich in Zeit und Raum zu beheimaten. Er erzählt<br />

Geschichten oder gestaltet schöne Wandtafelzeichnungen<br />

und ist dabei schöpferisch<br />

mit den Inhalten verbunden. Er tritt dadurch<br />

als Persönlichkeit vor die Kinder, die der erlebten<br />

Autorität nachfolgen wollen. In der Klassenlehrerzeit<br />

begleitet die Lehrperson das<br />

Kind auf dem Weg der Nachfolge zu immer<br />

mehr Selbständigkeit. Grundvoraussetzung<br />

dafür ist, dass das Kind das <strong>Vertrau</strong>en in die<br />

Menschen und in die Welt nicht verliert.<br />

<strong>Vertrau</strong>ensbildung durch die<br />

Gestaltung des Unterrichts<br />

Der Klassenlehrer hat das Glück, die Kinder<br />

jeden Morgen im Hauptunterricht unterrichten<br />

zu dürfen. Er kann den Unterricht rhythmisch<br />

gestalten, in dem er die Kinder sinnvoll wechselnd<br />

im Wollen, Fühlen und Denken anspricht.<br />

Zwischen dem willentlichen Tun und<br />

dem Vorstellen baut der Lehrer für das Kind<br />

eine Brücke durch einen bildhaft künstlerischen<br />

Unterricht. In diesem Alter lebt das Kind<br />

aus den Kräften seiner Mitte, seinem seelischen<br />

Innenraum. Wiederholungen geben ihm<br />

inneren Halt und Orientierung. Es erlebt <strong>Vertrau</strong>en<br />

und Geborgenheit. Durch den Epochenunterricht<br />

kann der Klassenlehrer mit seinen<br />

Kindern für mehrere Wochen in ein Gebiet<br />

eintauchen und dieses von Tag zu Tag weiter<br />

entwickeln. Das Erleben des Jahreslaufs, das<br />

Feiern von Schulfesten und das Pflegen von<br />

Ritualen im Schulalltag helfen dem Kind, sich<br />

in der Zeit zu orientieren und zu beheimaten.<br />

<strong>Vertrau</strong>ensbildung durch die<br />

Unterrichtsinhalte<br />

Der Klassenlehrer vermittelt in den ersten<br />

Schuljahren ein altersgemäss sinniges Weltbild.<br />

Das Kind fühlt sich in dieser bildhaften<br />

Wahrheit wieder verbunden mit der geistigen<br />

Welt. Ein Beispiel aus dem Erzählstoff der<br />

zweiten Klasse soll dies veranschaulichen.<br />

leuchtet ewiges Licht. Und durch alle Räume tönt ein<br />

tausendstimmiger Chor, und das ist der Gesang der<br />

seligen Geister. Und das Licht dort oben ist so gewaltig,<br />

wie in unserer Welt nur die Sonne.<br />

Von der Erde aus sehen wir bloss die Aussenseite<br />

des Himmelsbodens. Der ist auf der Innenseite so<br />

glatt und blank, dass Gottvater sich auf einen langen<br />

Stock stützen muss, wenn er über ihn schreitet. So<br />

sind während seiner Jahrtausende langer Wanderung<br />

in der Diele Löcher entstanden.<br />

Das sind die Sterne.<br />

In dieser Legende, wie auch bei Pflanzenund<br />

Tierlegenden, erlebt das Kind die Welt als<br />

beseelt. Dabei wird ein <strong>Vertrau</strong>en in die Welt<br />

veranlagt.<br />

Im 9./10. Lebensjahr findet ein Umbruch im<br />

Seelenleben des Kindes statt. Das Kind lernt,<br />

sich von seiner Umgebung zu unterscheiden<br />

und sich selbst in der Welt zu sehen. Dieses<br />

neue Lebensgefühl wird im Unterricht aufgegriffen.<br />

Ein Beispiel aus der vierten Klasse soll<br />

dies verdeutlichen.<br />

Durch den Heimatkundeunterricht hilft der<br />

Lehrer dem Kind, in eine bewusste Beziehung<br />

zur räumlichen Welt zu kommen. Wir beobachten<br />

den Sonnenlauf und lernen die Himmelsrichtungen<br />

im Klassenzimmer, auf dem Schulhof<br />

und auf einer Wanderung rund um den<br />

Staufberg zu erkennen. Das Kind zeichnet aus<br />

dem Erleben eine erste Karte. Wir besteigen<br />

den Esterliturm und nehmen unsere Umgebung<br />

von einem erhöhten Standpunkt wahr.<br />

Auf dem Flösserweg von Laufenburg nach Stilli<br />

wird eine weitere Umgebung des Kindes erwandert.<br />

Es lernt die Flösserei kennen, ein<br />

wichtiges Gewerbe vor 150 Jahren, und erlebt<br />

in einer Seilerei, wie mit einfachsten mechanischen<br />

Vorrichtungen wie von Zauberhand Seile<br />

entstehen. Das Kind kann sich dadurch auf<br />

eine neue Weise mit der Welt verbinden und<br />

ein Weltinteresse entwickeln.<br />

Ausblick<br />

Im zweiten Lebensjahrsiebt erkundet das<br />

Kind mit dem Klassenlehrer «durch das Morgentor<br />

des Schönen» (Schiller) die Welt. Das<br />

Grundvertrauen der ersten Lebensjahre wird<br />

vertieft und erweitert. Verlässlichkeit und <strong>Vertrau</strong>en,<br />

die in der Kindheit erfahren werden,<br />

bilden im Jugendalter einen tragenden Boden,<br />

wenn äussere Brücken abgebrochen werden.<br />

Wenn das <strong>Vertrau</strong>en in den Lebensraum, in die<br />

Lebensrhythmen und in die Beziehungen zu<br />

den Mitmenschen trägt, kann auch die Beziehung<br />

zu sich selbst wachsen.<br />

Joseph Hess<br />

n<br />

Die Sterne<br />

(eine norwegische Natursage; erzählt von Dan Lindholm)<br />

Weisst du, wie die Sterne entstanden? Uns erzählte<br />

einmal ein alter Mann: Hoch oben über der<br />

Welt der Menschen wölbt sich der Himmel. Dort<br />

Quellen:<br />

• <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong>, Jugendkurs, GA 217<br />

• Peter Selg<br />

Ich bin anders als du – Vom Selbst- und Welterleben des Kindes in<br />

der Mitte der Kindheit, Verlag des Ita Wegman Instituts<br />

4 <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Aargau</strong> Mitteilungen Weihnachten 2013<br />

Mitteilungen Weihnachten 2013 <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Aargau</strong> 5

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