Ausgabe A
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MEDIZIN<br />
Lidfehlstellungen<br />
Entropium und Ektropium zählen zu den häufigsten<br />
Lidfehlstellungen. Sowohl eine Einwärtskippung der<br />
Lidkante beim Entropium als auch eine Auswärtskippung<br />
beim Ektropium können zur Beeinträchtigung der<br />
Augenoberfläche führen. Beide Fehlstellungen treten<br />
auch kongenital auf, häufiger jedoch erworben im Rahmen<br />
involutiver Alterungsprozesse oder infolge von<br />
Entzündung, Trauma oder vorangegangener Lidchirurgie<br />
(1).<br />
Lidfehlstellungen lassen sich dauerhaft nur durch<br />
chirurgische Eingriffe korrigieren. Das adäquate Operationsverfahren<br />
wird nach sorgfältiger klinisch-ophthalmologischer<br />
Untersuchung und Analyse der vorliegenden<br />
Pathologie ausgewählt.<br />
Ein involutives Unterlidentropium mit Liderschlaffung<br />
kann durch horizontale Lidstraffung, vorzugsweise<br />
eine temporale Lidbändchenplastik, kombiniert mit einer<br />
Straffung der Unterlidretraktoren, korrigiert werden<br />
(2, 3). Die Rezidivquote wird hierbei mit < 4 Prozent<br />
angegeben (4). Bei einem durch Verkürzung der hinteren<br />
Lidlamelle verursachten Oberlid-Narbenentropium<br />
erfolgt die Korrektur durch eine Reposition der vorderen<br />
gegenüber der hinteren Lidlamelle (5) oder, in ausgeprägten<br />
Fällen, durch Bindehautersatz mittels eines<br />
freien Gaumen- oder Mundschleimhauttransplantats.<br />
Eine horizontale Lidstraffung ist auch beim Ektropium<br />
involutiver Genese zielführend. Häufig liegt das<br />
Ektropium nasal und bewirkt eine Eversio des Tränenpünktchens,<br />
sodass Patienten trotz frei spülbarer Tränenwege<br />
über Epiphora klagen. Hier hilft eine zusätzliche<br />
Punktumplastik mit invertierenden Nähten. Anders<br />
ist das Vorgehen beim narbenbedingten Ektropium, bei<br />
dem sämtliche Narben exzidiert werden müssen und<br />
fehlende Haut durch Lappenplastiken oder freie Hauttransplantate<br />
ersetzt wird.<br />
a<br />
Abbildung 1: a) 3-jähriges Mädchen mit schwerer beidseitiger kongenitaler Ptosis, rechtsseitigem<br />
Innenschielen und Amblyopie. Auffallend die ausgeprägte Kopfzwangshaltung,<br />
die es dem Kind überhaupt erst ermöglicht, unter den hängenden Lidern herauszuschauen;<br />
b) Z. n. Ptosiskorrektur mittels beidseitiger Frontalissuspension mit alloplastischem Fadenmaterial<br />
(wegen des noch sehr kurzen Oberschenkels wurde auf die Verwendung autologer<br />
Faszie verzichtet)<br />
b<br />
riost fixierte Tarsus die notwendige Stabilität der Lider.<br />
Die Lidöffnung erfolgt durch den M. levator, der mit<br />
seiner aufgefächerten bindegewebigen Aponeurose in<br />
das Oberlid einstrahlt, der Lidschluss durch den als<br />
Ringmuskel angelegten und durch Äste des N. facialis<br />
innervierten M. orbicularis.<br />
Ptosis und Lidretraktion<br />
Die Ptosis ist eine Lidfehlstellung, bei der das gesamte<br />
Oberlid herabhängt. Sie kann kongenital oder erworben<br />
sein, wobei involutive Veränderungen im fortgeschrittenen<br />
Lebensalter oder nach langjährigem Tragen von<br />
Kontaktlinsen weitaus häufiger auftreten als myogene<br />
oder neurogene Ptosen. Differenzialdiagnostisch wegweisend<br />
für die einfache involutive Ptosis ist das typische<br />
klinische Bild mit hoher Lidfurche bei guter Levatorfunktion.<br />
Abhängig von ihrem Schweregrad führt eine<br />
Ptosis zu funktionellen Gesichtsfeldeinschränkungen<br />
und verursacht neben einer Kopfzwangshaltung<br />
(Abbildung 1a) im Säuglings- und Kleinkindesalter bei<br />
Beeinträchtigung der Sehachse Amblyopie, das heißt<br />
eine irreversible Sehschwäche (6).<br />
Die Behandlung der Ptosis erfolgt generell chirurgisch<br />
und bewirkt bei der schweren Ptosis die visuelle<br />
Rehabilitation. Der Operationszeitpunkt ist elektiv, bei<br />
der schweren, kongenitalen Ptosis im Säuglings- und<br />
Kleinkindesalter muss wegen des Amblyopierisikos<br />
frühzeitig operiert werden.<br />
Die Operationsverfahren richten sich nach Art und<br />
Ausprägungsgrad der Ptosis; Wahl der Operationsmethode<br />
und Erfolgsaussichten hängen von der Levatorfunktion<br />
ab. Unterschieden wird zwischen direkten<br />
(zum Beispiel Levatorresektion) und indirekten Operationsverfahren<br />
(Frontalissuspension) (7). Bei ausreichender<br />
Levatorfunktion werden direkte Verfahren gewählt,<br />
wegen der besseren Übersicht und der Option<br />
zur kombinierten Hautresektion überwiegend transkutan<br />
und seltener transkonjunktival (1). Wegen der besseren<br />
intraoperativen Adjustierungsmöglichkeit erfolgt<br />
der Eingriff möglichst in Lokalanästhesie, tarsusresezierende<br />
Verfahren sollten vermieden werden.<br />
Bei schwerer Ptosis mit schlechter Levatorfunktion<br />
und fehlendem Bellschen Phänomen, zum Beispiel bei<br />
neurogenen Ptosen, kommt eine Frontalissuspension<br />
zur Anwendung. Ihr Prinzip besteht in der Schaffung<br />
einer mechanischen Verbindung zwischen Stirnhebermuskel<br />
und Oberlid, wofür alloplastische Materialien<br />
oder autologe Faszia lata verwendet werden (Abbildung<br />
1b).<br />
Die Erfolgsquoten bei involutiver Ptosis sind ausgezeichnet<br />
und liegen über 80 Prozent, bei kongenitaler<br />
Ptosis meist etwas niedriger (7). Typische Komplikationen<br />
der Ptosischirurgie sind Über- oder Unterkorrektur,<br />
Asymmetrie, Konturunregelmäßigkeiten und Lidschluss -<br />
insuffizienz.<br />
Das Gegenteil einer Ptosis findet sich bei der Oberlidretraktion,<br />
bei der ein relativer Hochstand des Oberlids<br />
besteht. Häufigste Ursache hierfür ist eine Fibrose<br />
des Levatorkomplexes bei endokriner Orbitopathie im<br />
Rahmen eines Morbus Basedow. Eine Lidretraktion hat<br />
sowohl funktionelle (Hornhautbenetzung, Epiphora,<br />
142 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 9 | 5. März 2010