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1 11.Sonntag B 1.Lesung: Ez 17, 22-24 2.Lesung: 2 Kor 5,6-10 ...

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<strong>11.Sonntag</strong> B<br />

<strong>1.Lesung</strong>: <strong>Ez</strong> <strong>17</strong>, <strong>22</strong>-<strong>24</strong><br />

<strong>2.Lesung</strong>: 2 <strong>Kor</strong> 5,6-<strong>10</strong><br />

Evangelium: Mk 4, 26-34<br />

Predigt<br />

I<br />

Vor einer Woche noch war<br />

ich mit einer Gruppe in<br />

Irland. Am Strassenrand und<br />

in vielen Gärten wachsen<br />

Fuchsien, Sträucher mit<br />

wunderschönen roten<br />

Blumen, an den Zweigen<br />

hängend wie<br />

Christbaumschmuck. Man<br />

brauche nur ein kleines Stück eines Zweiges in den Boden zu stecken, mit der Zeit würde der Strauch<br />

zu wachsen beginnen.<br />

So sagte es die Reiseleiterin. Wie viele solcher Zweige in die Koffern gepackt wurden, weiss ich nicht.<br />

Aber vielleicht sehen wir es bald in einigen Gärten blühen.<br />

Von einem Zweig schreibt auch der Prophet <strong>Ez</strong>echiel. Es ist ein Zedernzweig, der auf einem Berg in<br />

den Boden gesteckt wird, Wurzel schlägt, zum grossen Baum wird.<br />

Es wächst. Wir brauchen das Wachsen nicht zu machen. Es wächst.<br />

<strong>Ez</strong>echiel verwendet dieses Bild für sein Volk, das im 6. Jhd. vor Christus nach Babel verschleppt<br />

wurde. Doch – das verschleppte Volk wird wieder aufblühen, wie eine Zeder.<br />

Die Zeder, die wächst, sie ist ein Zeichen der Hoffnung.<br />

Für die Kelten, damit auch für Kolumban oder unsern Bistumspartron, den hl. Gallus, war jede<br />

Pflanze ein Lebenszeichen Gottes.<br />

Dasselbe gilt auch für Jesus. Jesus erzählte nicht von Privatoffenbarungen, mystischen Erlebnissen<br />

oder Erscheinungen. Für ihn sind das Samenkorn des Weizens, das kleine Senfkorn Bilder, Vergleiche,<br />

dass Gottes Reich wächst, sogar über Nacht, wenn der Sämann schläft.<br />

Was, wenn nicht die Natur, ist das erste und Lebens-Zeichen Gottes?<br />

Gottes Schöpfung ist die erste Bibel Gottes. So sahen es die Kelten. Und dieses Lebens-Zeichen ist<br />

immer auch ein Hoffnungszeichen.<br />

Die Hoffnung ist grün.<br />

II<br />

Jetzt, wo viele schon ihre Ferien gebucht, ihre Ferienpläne geschmiedet haben, da stehen auf<br />

manchen Programmen auch die Besichtigungen von Museen und Kirchen. Man staunt über die<br />

Pracht alter Dome, Kathedralen und Paläste. Schweizer zerbrechen sich zudem den Kopf darüber,<br />

was das alles gekostet hat. Denn für den Schweizer steht der wahre Tabernakel in der Bank und nicht<br />

in der Kirche.<br />

1


In der Heimat der irischen Mönche und Glaubensboten, da stehen mitten im Grün – Ruinen, nichts<br />

als Ruinen.<br />

Seit dem 16. Jh. leisteten die protestantischen Engländer ganze Arbeit. Kirchen und Klöster wurden<br />

geschleift und in Trümmer gelegt, den Katholiken das Leben erschwert, wo immer es ging.<br />

Es ging aber nicht um die Konfession und den richtigen und den wahren Glauben. Es ging um die<br />

Macht. Machthaber zerschlagen mit Vorliebe die Symbole der Identität der eroberten Gebiete.<br />

Doch die Hoffnung ist grün.<br />

Mitten im Grün stehen die Ruinen. Doch inmitten dieser Ruinen wird etwas vom lebendigen Glauben<br />

spürbar, der die irischen Mönche antrieb, die klösterliche Geborgenheit zu verlassen, um sich auf den<br />

Weg zu machen, vertieft den Spuren Gottes nachzuspüren.<br />

Nach 1840 blühte auch die katholische Kirche wieder auf, nicht durch die Restauration der alten<br />

Ruinen, sondern durch einen Neuaufbau.<br />

Auch der hl. Gallus versuchte vor 1400 Jahren die Menschen mit Worten, mit seinem Vorbild, mit<br />

seiner Überzeugungs-kraft zu gewinnen, hauchte in unserer Region einer beinahe abgestorbenen<br />

Kirche neues Leben ein, aber erst nachdem er mit der Götzenzertrümmerung in Tuggen gescheitert<br />

war. Auch Gallus musste lernen: es lässt sich nicht machen, das Reich Gottes. Man muss es wachsen<br />

lassen.<br />

Die Hoffnung ist grün.<br />

Nicht umsonst spricht die hl. Hildegard von Bingen von der ‚Viriditas‘, der‚Grünkraft‘, die alles<br />

durchzieht, alles am Leben hält, immer wieder neues Leben treibt.<br />

III<br />

„Was wir brauchen sind ein paar verrückte Leute: seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht<br />

haben.“ So schrieb der irische Schriftsteller Georg Bernhard Shaw im vorletzten Jahrhundert.<br />

Die irischen Mönche, welche ihr beschaulich frommes Klosterleben hinter sich liessen, waren so<br />

verrückte Leute. Sie liessen sich buchstäblich ver-rücken, liessen das beschauliche Klosterleben hinter<br />

sich und zogen aus, um noch tiefer Gott auf die Spur zu kommen.<br />

Für mich ist das ein Hinweis: weder ein Kloster noch die Kirche als Gesamtes ist ein Garant dafür,<br />

dass wir uns im Glauben weiterentwickeln. Die Kirche ist nicht mehr als ein Gefäss. Doch bei jedem<br />

Gefäss ist der Inhalt wichtig. Und der Inhalt, den die Kirche bergen und weitergeben sollte, ist der<br />

unergründliche und geheimnisvolle Gott.<br />

Es braucht so etwas wie ein Verrückt-sein nach Gott, eine verrückte Sehnsucht nach Gott, ein Drang<br />

nach dieser Urkraft des Lebens, die uns hilft, dass wir uns geistig weiterbewegen.<br />

Das Leben steht nicht still. Es bewegt sich vorwärts. Kirche sein heisst nicht, Ruinen restaurieren und<br />

Althergebrachtes konservieren. Die Vergangenheit kann nicht der Weg in die Zukunft sein.<br />

Kirche sein heisst, wie Jesus daran glauben, darauf vertrauen, davon erzählen: es wächst. Das Reich<br />

Gottes wächst, wie ein Samenkorn, wie ein Senfkorn, das Reich der Wahrheit, der Einheit, der Güte,<br />

Gerechtigkeit, Schönheit und Liebe.<br />

Gerade unter ganz frommen Menschen ist ja die Meinung weit verbreitet: alles zerfällt, alles ist<br />

verderblicher Abfall von einer einst gloriosen Vergangenheit. Da wird dann gejammert, getrauert,<br />

2


eklagt und angeklagt – nichts ist mehr, wie es früher war. Und es wird nach Schuldigen gesucht, die<br />

für den Niedergang verantwortlich sind.<br />

Wie die irischen Mönche sind wir immer mit Christus unterwegs. Das Leben steht nicht still. Wir<br />

können es auch nicht in einem Idealzustand konservieren.<br />

Davon schreibt auch Paulus im 2 <strong>Kor</strong>.<br />

Wir leben gewissermassen in der Fremde. Die endgültige Heimat ist in Gott. Erst wenn unser Leben<br />

hier auf Erden ruiniert ist, sind wir bei Gott angelangt.<br />

Dieser lebendige Gott, zu dem wir unterwegs sind, ist die Lebenskraft, die ‚Grünkraft‘ aus der heraus<br />

wir unser Leben anpacken können.<br />

Auf diese Lebenskraft Gottes verweist uns immer wieder Jesus, gerade auch mit seinen Gleichnissen<br />

vom Wachsen. Es ist diese treibende Lebenskraft, die uns am Leben erhält, die uns vorwärts treibt<br />

und vorwärts bringt. Es ist diese Lebenskraft, die aus den Ruinen neues Leben spriessen lässt.<br />

Die Hoffnung ist grün. Darum gibt es keinen Grund, schwarz zu sehen.<br />

Erich Guntli<br />

3

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