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Braunschweigisches Jahrbuch 43.1962 - Digitale Bibliothek ...

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

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BRAUNSCHWEIGISCHES<br />

JAHRBUCH<br />

IM AUFTRAGE DES<br />

BRAU N SCHWEl G ISCHEN GE SCHICHTSVEREIN S<br />

HERAUSGEGEBEN VON<br />

HANS GOETTING<br />

Der ganzen Reihe<br />

BAND 43<br />

Gedruckt in der Waisenhaus-Buchdruckerei Braunschweig<br />

Po.tverlag.ort Wolfenbüttel<br />

1962<br />

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

Schriftleitung:<br />

Staatsarcbivrat Dr. Ham Goetting. Wolfenbüttel. Forstweg 2<br />

(Niedersäcbsiscbes Staatsarchiv)<br />

Zeitschriften -TauIchstelle :<br />

Regierungsrat i. R. Karl Mcyer. Wolfenbüttel, Wilhelm-Buscb-Str. 6<br />

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

Dem verdienstvollen Forscher auf dem Gebiet der Landeskunde und<br />

langjährigen Vorstandsmitglied des Braunschweigischen Geschichtsvereins<br />

Dr. Theodor Müller<br />

zum siebzigsten Geburtstag am 22. April 1962 gewidmet<br />

Inhalt<br />

Dr. Theodor Müller -<br />

Seite<br />

Schriftenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . .. S<br />

Die Korrespondenzmethode als Mittel zur Quellenkritik der<br />

Braunschweigischen Generallandesvermessung des 18. Jahrh~nderts.<br />

Mit .. Abbildungen und .. Tabellen.<br />

Von Dr. Johann Karl R i P P e I in Braunscnweig . • . . • . . . . • . . . • . . . ., 12<br />

Das Verwandtschaftsverhältnis der »schwäbischen« Edlen<br />

Ida von Elsdorf zum Kaiserbruder Ludolf IV. von Braunschweig<br />

(t 1038) und zu Papst Leo IX. (t 1054).<br />

Mit .. Stammtafeln.<br />

Von Hans D 0 b b e r tin in E1dagsen .•.............•••.••.•. .. 4<br />

Die Gestalt der Stadt Gandersheim.<br />

Zu ihrer topographischen Entwicklung.<br />

Mit 1 Plan und .. Abbildungen.<br />

Von Dr. Kurt Kr 0 n e nb erg in Bad Gandersheim •••.•.•••.•••••• 77<br />

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Die Hugenottengemeinde Braunschweig (11).<br />

Seite<br />

Von Wilhelm Be u I e Je e In Salzgitter-Tbiede ..........•.......•• 102<br />

Zur Geschichte der Braunschweiger Sektion der I. Internationale.<br />

Der Briefwechsel zwischen Leonhard von Bonhorst<br />

und lohann Philipp Becker.<br />

Mit S Abbildungen.<br />

Von Prof. Dr. Georg E c Je e r t In Braunsmweig •...••..........•.. 131<br />

Kleinere Beiträge<br />

Ein Altar des Hans Vredeman de Vries<br />

für die älteste Trinitatiskirche in Wolfenbüttel.<br />

Von Prof. Dr. August F i n k in Wolfenbüttel .•••.•....••..•..••. 173<br />

Der Unglücksschuß auf die Hofrätin Mencken<br />

und die Helmstedter Schützenbrüderschaft.<br />

Von Marta Ale hein Helmstedt .•.....•.••••..••.....•••. 177<br />

Bibliographie zur braunschweigischen Landesgeschichte 1961.<br />

Bearbeitet von Chrilta Neu man n In Wolfenbüttel ••••..•.•••••.•• 186<br />

Chronik des Braunschweigischen Geschichtsvereins<br />

vom Mai 1961 bis März 1962.<br />

Bearbeitet von Dr. Ric:hard Mo der h a c Je und Dr. Theodor M ü I I e r<br />

In Brauruc:hweig . • . • • • . • • • • . • • ••••••••.•..•••••••••• 200<br />

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DR. THEODOR MULLER<br />

Sdtriftenverzeidmis<br />

1924<br />

Die Teilung des Amtes Thedinghausen im Jahre 1681. In: Braunschweigi~ches<br />

Magazin, Bd 30, Nr 2, 1924, Sp. 17-21.<br />

1925<br />

Das Amt Thedinghausen. In: Görges-Spehr: Vaterländische Gesmichten und<br />

Denkwürdigkeiten der Lande Braunsmweig und Hannover, neu hrsg. von<br />

F. Fuhse, 3. Auf!, Bd 1, Braunschweig 1925, S. 441-449.<br />

1926<br />

Die Erwerbung des Amtes Thedinghausen durm Herzog RudoH August von<br />

Braunsmweig-Wolfenbüttel 1681. In: Braunschweigisdler Volkskalender Jg. 56,<br />

1926, S. 69-72.<br />

1928<br />

Das Amt Thedinghausen. Seine Geschimte und seine Entwicklung. Thedinghausen:<br />

Gutenberg-Werkstätte 1928, 408 5., 8 Kt. 8°.<br />

1929<br />

Die Verhandlungen über den Austausch der braunschweigischen und hannoversJlen<br />

Trennstücke 18IS-18B. In: Braunschweigische Heimat, Jg. 20, Nr 2,<br />

1929, S. 74-77.<br />

Das Amt Thedinghausen 1679-1929. In: Festschrift zur 250-Jahrfeier, Thedinghausen<br />

1929, S. 9-18.<br />

1930<br />

Bäuerliche Familienforschung. Ein Beitrag zur familiengeschichtlichen Quellenkunde<br />

Niedersachsens. Leipzig: Degener 1930, 17 S. 8°. (Festgaben des Braunschweiger<br />

genealogischen Abends, Nr 3.)<br />

1931<br />

Die geologischen und hydrologischen Verhältnisse des Untergrundes von Braunschweig.<br />

In: Braunschweigische Heimat, Jg. 22, Nr 1. 1931, S. 19-21.<br />

1932<br />

Braunsdlweig und die Reimsreform. In: Schulblatt für Braunsmweig und Anhalt,<br />

Jg. 45, 1/2, 1932, S. 13-18.<br />

5


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Schrifttum zur Landes- und Volkskunde. In: Wissenschaft und Unterricht, Nr 1, S. 22<br />

bis 24, Beilage zum Schul blatt für Braunschweig und Anhalt, Jg. 45, 1932.<br />

Ewald Banse und sein Werk. In: Wissenschaft und Unterricht, Nr 6, S. 121-125,<br />

Beilage zum Schulblatt für Braunschweig und Anhalt, Jg. 4~. 1932.<br />

1933<br />

Erdkunde. In: Kahnmeyer, Ludwig und Hermann Schulze: Realienbuch, Bielefeld<br />

und Leipzig 1933, 172 S.<br />

Ein Profil aus dem Unteren und Mittleren Keuper bei Schöningen in Braunschweig.<br />

In: 22. Jahresbericht des Vereins für Naturwissenschaft zu Braunschweig,<br />

1933, S. 26-30.<br />

Ewald Banse zum 50. Geburtstage. In: Braunschweigische Heimat, Jg. 24. Nr 2,<br />

1933, S. 43-46.<br />

Neue Bücher zur Heimatkunde. In: Wissenschaft und Unterricht. Nr 2, S. 39-40. Beilage<br />

zum Schulblatt für Braunschweig und Anhalt. Jg. 46. 1933.<br />

Der lehrer als Heimatforscher. In: Wissenschaft und Unterricht, Nr 5', S. 85-98,<br />

Beilage zum Schulblatt für Braunschweig und Anhalt, Jg. 46, 1933.<br />

Eldkundeunterricht. In: Wissenschaft und Unterricht, Nr 6, S. 138-140, Beilage zum<br />

Schulblatt für Braunschweig und Anhalt, Jg. 46, 1933.<br />

Eldkundeunterricht. Rassenkunde. In: Schulblatt für Braunschweig und Anhalt. Jg. 46.<br />

25. 1933. S. 481-482.<br />

1934<br />

Landschaft und Volkstum. In: Die Deutsche Schule. Jg. 38, 1934. S. 281-287.<br />

Müller, Th, u. Christian Eisenhuth: Neuer Atlas für Mittelschulen und verwandte<br />

Lehranstalten, Bielefeld. Leipzig: Velhagen & Klasing 1934, 83 Kt. S.<br />

4°. - 5. verb. Aufl. 1939.<br />

Völkerpsychologie und Wehrerziehung. In: Die Deutsche Schule. Jg. 38, 1934.<br />

S. 282-288.<br />

1935<br />

Erdkunde. Heimatkunde und Geopolitik als völkisches Bildungsgut. leipzig:<br />

Klinkhardt 193;, 96 S. 80. - 2. erw. Aufl. [u. d. T.:] Erdkunde und Heimatkunde<br />

als völkisches Bildungsgut. Leipzig: KIinkhardt 1941, 1275., gr. 80.<br />

Ganzheitliche Raumschaften als Unterrichtseinheiten für die Behandlung<br />

Deutschlands. In: Die Deutsche Schule, Jg. 39. 1935, S. 495-5'00.<br />

1936<br />

Deutsches Volk - Deutsche Heimat. In: Die Deutsche Schule. Jg. 40. 1936, S. 167-168.<br />

Die unterrichtliche Behandlung des Volkstums einer deutschen Landschaft.<br />

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gezeigt am Beispiele des Rheinlandes. In: Zeitschrift für Erdkunde. Jg. 4. 1936.<br />

5.402-409.<br />

Zur unterrichtlichen Behandlung Negerafrikas. In: Zeischrift für Erdkunde.<br />

Jg. 4. 1936. S. 817-822.<br />

1937<br />

Das maTine Paläozän und Eozän in Norddeutschland und Südskandinavien.<br />

Berlin: Borntraeger 1937. 120 S .• 2 Kt. S. 80.<br />

Das nördliche Harzvorland. In: Zeitschrift für Erdkunde. Jg. 5. 1937. S. 961 bis<br />

973.<br />

Zwischen Dorf und Stadt: Amt und Flecken Tbedinghausen. In: Niedersachsen.<br />

hrsg. von Ewald Banse. Leipzig 1937. S. 277-287.<br />

1938<br />

Bergbau und Industrie. In: Deutschland. hrsg. von Ewald Banse. Leipzig 1938.<br />

S. 169-175'.<br />

Der zeitgeschichtliche Hintergrund der Raabeschen Erzählung .. Zum wilden<br />

Mann". In: Mitteilungen für die Gesellschaft der Freunde Wilhelm Raabes.<br />

Jg. 28. Nr 3. 1938. S. 76-81.<br />

1941<br />

Bohlmann. R .• W. Kern u. Tb. Müller: Geschichte der Apotheken des Landes<br />

Braunsdtweig. Braunschweig: Vieweg 1941. 5'5' S. 8 0.<br />

1942<br />

Die Bergbaulandschaft am Nordrande des Kielcer Berglandes. In: Zeitschrift für<br />

Erdkunde. Jg. 10. 1942. S. 372-381. .<br />

Zur Methodik des Heimatkundeunterrichts. In: Die Deutsche Volksschule im<br />

Generalgouvernement. Jg. 1. 1942. S. 49-5'6.<br />

Bilder aus der Landeskunde des Generalgouvernements. In: Die Deutsche<br />

Volksschule im Generalgouvernement. Jg. 1. 1942. S. 145'-149.<br />

Krakau. Werden und Bild der Hauptstadt des Generalgouvernements. In: Die<br />

Deutsche Volksschule im Generalgouvernement. Jg. 1. 1942. S. 217-225'.<br />

Warschau. Vom Fischerdorf zur größten Stadt des Weichselraumes. In: Die<br />

Deutsme Volksschule im Generalgouvernement. Jg. 1. 1942. S. 244-249.<br />

Zur Geschichte der Eisenerzgewinnung im Kielcer Bergland. In: Das Generalgouvernement.<br />

Jg. 2. H. 4. 1942. S. 18-27.<br />

1943<br />

Lublin. In: Die Deutsme Volksschule im Generalgouvernement. Jg. 2. 1943.<br />

S.73-79.<br />

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Das Waldhufendorf als Denkmal der deutsmen mittelalterlimen Landnahme.<br />

In: Die Deutsme Volkssmule im Generalgouvernement. Jg. 2. 1943. S. 129<br />

bis 136.<br />

Burgenlandsmaften im Generalgouvernement.!. Die Burgen am Dunajec. II. Die<br />

Burgen des Krakauer Jurazuges. In: Die Deutsme Volksschule im Generalgouvernement.<br />

Jg. 2. 1943, S. 169-177. 218-225.<br />

Die Hohe Straße von Krakau nam Sandomir. In: Das Generalgouvernement.<br />

Jg. 3. H. 1. 1943. S. 12-2I.<br />

Tarnow. Werden und Entwicklung. In: Das Generalgouvernement. Jg. 3. H. 4.<br />

1943. S. 16-2I.<br />

Landeskunde des Generalgouvernements. Krakau : Burg-Ver!. 1943. 13 5 S .•<br />

1 PI., gr. 8 0.<br />

1944<br />

Die Weidlsel als SmiHahrtsweg in Vergangenheit und Gegenwart. In: Die<br />

Deutsme Volkssmule im Generalgouvernement. Jg. 3. 1944. S. 16-22. 63-65.<br />

Tschenstomau. In: Das Generalgouvernement. Jg. 4. H. 1. 1944. S. 28-36.<br />

1950<br />

Erdstruktur und Bodenschätze [des Kreises Gifhorn]. In: Kreiskalender Gifhorn­<br />

Isenhagen. 1950. S. 97-10l.<br />

Martin Bürgener. Tb. Müller [u. a.]: Die deutsmen Länder in ihrer naturräumlimen<br />

Groß gliederung. In: Geographismes Tasmenbum1950. S. 168-186.<br />

1951<br />

Die Deutsme Erdölwirtschaft. In: Geographisches Taschenbum1951/52. S. 261<br />

bis 265.<br />

Poser. Hans u. Tb. Müller: Studien an den asymmetrischen Tälern des Niederbayerismen<br />

Hügellandes. Göttingen: Vandenhoeck &: Ruprecht 1951. 32 S. =<br />

Nadlrlmten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Math.-Phys.<br />

Klasse. 1951. Nt 1.<br />

[Mitarbeiter] Vierzonenverwaltungskarte von Deutscllland mit naturräumlicher<br />

Gliederung. (Wiesbaden: Hess. Landesvermessungsamt 1951.)<br />

Landschaftspflege und Landschaftsgestaltung. In: Berichte zur deutschen Landeskunde.<br />

Bd 10. 1951. S. 64-66.<br />

1952<br />

Ostfälisclle Landeskunde. Braunschweig: Waisenhaus-Buchdr. u. VerI. 1952.<br />

532 S. So.<br />

8


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1953<br />

Heimatkarte Stadt- und Landkreis Braunschweig. Braunschweig-Rautheim:<br />

Stüwe [1953], 1 BI.<br />

Die "Alte Wik" bei Campen. In: <strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>. Bd 34. 195'3.<br />

S.145-141.<br />

Wirtschaftsfunktion und Sozial gefüge der Stadt Braunschweig in Vergangenheit<br />

und Gegenwart. In: <strong>Jahrbuch</strong> der Geographischen Gesellschaft zu Hann.over für<br />

das Jahr 1953, S. 130-149.<br />

Der Landkreis Goslar in seiner historisch-topographischen Zusammensetzung. [Referat.]<br />

In: <strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>. Bd 34. 1953. S. 157.<br />

Das nördliche Harzvorland. Eine kleine Heimatkunde. Braunschweig-Rautheim:<br />

Stüwe [1953], 16 S. 80. - 3. Auf!. [u. d. T.:] Zwischen Braunschweig und Harz.<br />

Das nördliche Harzvorland. Braunschweig-Rautheim: Stüwe 1957, 24 S ..<br />

1 Kt. 8°.<br />

1954<br />

Schiffahrt und flößerei auf der Schunter im 18. Jahrhundert. In: Forschungen<br />

zur braunschweigischen Geschichte und Sprachkunde. Braunschweig 1954, S. 135<br />

bis 159. (Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Geschichte. Bd 15.)<br />

Die ostfälische Landschaft im Werk Wilhelm Raabes. In: Mitteilungen der<br />

Raabe-GeseUschaft, Jg. 41, H. 3, 1954, S. 101-110.<br />

Ein alter Handelsplatz an der Schunter? In: <strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>, Bd 35,<br />

1954. S. 153-155.<br />

1955<br />

215 Jahre braunschweigisches Amt Thedinghausen. In: Heimatbote des Landkreises<br />

Braunschweig 195), S. 45-48.<br />

Die Schunter und das Schuntertal im 16. bis 18. Jahrhundert. In: Braunschweigi-sche<br />

Heimat, Jg. 41. H. 2. 1955, S. 50-57.<br />

Die Kultivierung der Moore im Schuntergebiet zwischen Helmstedt und Königslutter<br />

bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. In: Braunschweigische Heimat, Jg.<br />

41, H. 4, 1955, S. 107-110.<br />

Ostfalen. Eine landeskundliche Skizze. In: Berichte zur deutschen Landeskunde,<br />

Bd 15, 1955, S. 81-93.<br />

1956<br />

Asse - Elm - Lappwald. Eine kleine Heimatkunde. Braunschweig-Rautheim:<br />

Stüwe [1956}, 16 S., 1 Kt. 80.<br />

Die Kultivierung der Moore im Schuntergebiet zwischen He1mstedt und Königs-<br />

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lutter im 19. Jahrhundert. In: Braunsdtweigisdte Heimat. Jg. 42. H. 3. 1956.<br />

S.111-115.<br />

schaffendes Land. OIden­<br />

Das Land und seine Mensdten. In: Braunsdtweig -<br />

burg/Oldb. [1956]. S. 17-18.<br />

Geologisdte Geschichte - Pflanzenwelt - Tierwelt - Natursdtutz. In: Braunsdtweig<br />

- sdtaffendes Land. 01denburg/Oldb. [1956]. S. 46-47.<br />

Zur Gesdtidtte des Eisenerzbergbaues bei Neuwallmoden. In: Braunschweigisdtes<br />

<strong>Jahrbuch</strong>. Bd 31. 19%. S. 145-1H.<br />

1957<br />

Innerste-Bergland. In: Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutsdtlands.<br />

Hg. 4/5. Remagen 1957. S. 598-600.<br />

Braunsdtweig und Umgebung. Eine kleine Heimatkunde. Braunsdtweig-Rautheim:<br />

Stüwe [1957]. 24 S .• 1 Kt. 8°.<br />

Die Gesdtidtte der Geographie am Collegium Carolinum zu Braunsdtweig 1745<br />

bis 1834. In: <strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>. Bd 38. 1951. S. 75-94.<br />

Ein historisdter Atlas der Stadt Braunsdtweig. In: Braunsdtweigisdtes Jahrbudt.<br />

Bd 38, 1957, S. 150-154. 3 KtenbeiI.<br />

Dowesee und Bullenteidt. In: Der Freundeskreis des Gr. Waisenhauses Braunschweig.<br />

H. 21. 1957. S. 3-6.<br />

1958<br />

Die Kultivierung der Niederungen im Westteil des Kreises Braunschweig 1743<br />

bis 1832. In: Heimatbote des Landkreises Braunschweig 1958. S. 39-58.<br />

Der Wirtschaftsraum Braunschweig-Helmstedt. In: Geographisdte Rundschau.<br />

Jg. 10. Nr 2.1958. S. 41-49.<br />

Ewald Banse zum Gedächtnis. In: Der Freundeskreis des Gr. Waisenhauses<br />

Braunschweig, H. 22. 1958, S. 4-5.<br />

Der Harz. Eine kleine Heimatkunde. Braunschweig-Rautheim: Stüwe [1958].<br />

32 S .• 1 Kt. 80. - 3. Aufl. 1959.<br />

Wilhelm Raabe und der Eisenhahnknotenpunkt Börßum. In: Mitteilungen der<br />

Raabe-Gesellsdtaft. Jg. 45. H. 3.1958. S. 78-81.<br />

1959<br />

Ostfalenland. Eine Heimatkunde des landes zwischen Harz. Weser und Aller.<br />

Braunsdtweig-Rautheim: Stüwe 1959. 96 S. 80. - 2. Auf!. 1961.<br />

(Hoppe, Kar! und Tb. Müller:) Technisdte Hodtschule Carolo-Wilhelmina<br />

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Braunschweig. Kurzer Abriß ihrer Geschichte. (Braumroweig) 1959 (:Waisenhaus-Buchdr.),<br />

10 BI. 8 o.<br />

Nordöstliches Harzvorland und Bodeniederung; Nördliches Harzvorland;<br />

Niedersächsische Börden. In: Handbuch der naturräumlichen Gliederung<br />

Deutschlands, Lfg. 6, Remagen 1959, S. 765-782.<br />

Johann Christoph Harenbergs Tätigkeit als braunschweigischer GeneraIschulinspektor<br />

1736-1756. In: <strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>, Bd 40, 1959, S. 88<br />

bis 116.<br />

Zur Geschichte der Schiffahrt und Flößerei auf der Oker und ihren Nebenflüssen.<br />

[Referat.) In: <strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>, Bd 40, 1959, S. 167-168.<br />

1960<br />

Die Burg Thedinghausen. In: Heimatbote des Landkreises Braunschweig 1960,<br />

S. 5'6-63.<br />

Blaunschweiger Bürgerkultur zur Biedermeierzeit: Friedrich Konrad Griepenkerl.<br />

In: Der Freundeskreis des Gr. Waisenhauses Braunschweig, H. 28, 1960,<br />

S. 50-5'3.<br />

Wilhe1m Bode 1779-1854. In: Niedersächsische Lebensbilder, Bd 4, Hildesheim<br />

1960, S. 31-43.<br />

Zur Geschichte des Herzoglichen Kadetten-Institutes in Braunschweig. In:<br />

<strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>, Bd 41, 1960, S. 96-119.<br />

Vom Collegium Carolinum zur Technischen Hochschule. [Referat.] In: <strong>Braunschweigisches</strong><br />

<strong>Jahrbuch</strong>, Bd 41, 1960, S. 148-150.<br />

1961<br />

Die Schunterkorrektion 1816-1823. In: Heimatbote des Landkreises Braunschweig<br />

1961, S. 34-41.<br />

Bilanz zweier Jahrhunderte. Zur Geschichte des Bankhauses Gebrüder Löbbecke<br />

&. Co. (Braunschweig 1961: Westermann,) 124 S. 8 o.<br />

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Die Korrespondenzmethode als Mittel zur Quellenkritik<br />

der BraunschweigisdIen Generallandesvermessung<br />

des 18. Jahrhunderts<br />

Von<br />

Johann Kar! Rippel<br />

Die regelmäßig auftretende Nachbarschaft der Besitzparzellen geteilter oder aufgeteilter<br />

Höfe (Flurkorrespondenz) läßt sich mit Hilfe einer Flurtabelle (vgl. Tab. 1-3)<br />

statistisch erfassen und kann innerhalb bestimmter, durch mathematische Zusammenhänge<br />

gegebener Grenzen methodisch zunächst herangezogen werden, um das ältere aus<br />

dem Parzellengefüge sich ergebende Flurgefüge und die Lage der alten Höfe im Dorf zu<br />

rekonstruieren, ebenso aber auch zur Beantwortung der Frage, ob das Parzellengefüge<br />

der benutzten Flurkarten im Zuge einer Vennessung oder auch schon vorher verändert<br />

worden ist.<br />

Ich hatte Gelegenheit, über diese Probleme anläßlich des internationalen Symposiums<br />

zur Genese der agraren Kulturlandschaft in Vadstena/Schweden (August 1960) zusammenfassend<br />

zu berichten. Im Rahmen der Veröffentlichung der Vorträge konnte<br />

jedoch aus Raumgründen nur die Beschreibung der Korre5pondenzmethode publiziert<br />

und die Grenzen ihrer Anwendbarkeit zur Rekonstruktion älterer Flur- und Dorfverhältnisse<br />

kritisch herausgestellt werden '0).<br />

Der vorliegende Aufsatz behandelt den im Vortrag nur knapp zusammengefaßten<br />

zweiten Anwendungsbereich der Korrespondenzmethode. Die Methode liefert ein<br />

Beweismittel im Rahmen der Quellenkritik der Braunschweigischen Generallandesvermessung<br />

des 18. Jahrhunderts und kann auch die Anregung zu den Fragen geben, ob in<br />

älterer Zeit auch in anderen Gebieten mit weit unvollständigerer Quellenüberlieferung<br />

Verkoppelungen oder Zusammenlegungen stattgefunden haben und ob diese Eingriffe in<br />

das Parzellengefüge mit Hilfe der im Herzogtum Braunschweig bei reichhaltigem<br />

Quellenmaterial entwickelten und erprobten Korrespondenzmethode auch aus anderen<br />

Flurkarten bewiesen werden können.<br />

Für die Flurformenforschung bieten die physisch-geographischen Verhältnisse<br />

zusammen mit alten Flurkarten, Akten und Urkunden sowie - vor allem bei<br />

Wüstungen - mit Funden und fossilen Formen gleichbedeutende methodische<br />

Ansatzpunkte für die Auswertung. Quellenkritisch betrachtet ist das Material<br />

nach seiner Art jedoch verschieden aussagekräftig. Entweder sind Tatsachen<br />

überliefert oder ausgesprochen, die bereits als Ergebnis für sich sprechen,<br />

ooer das Material bedarf, wie z. B. Akten und Urkunden, einer Kritik, um die<br />

Gültigkeit zu fixieren und abzugrenzen. Alte FIurpläne gehören nur für den<br />

Zeitpunkt ihrer Aufnahme zur ersten Gruppe; zur Rekonstruktion zurückliegender<br />

Zustände verlangen sie eine Kritik im Hinblick auf die Fral!"e, ob sich<br />

die Flur kontinuierlich entwickelt hat oder ob das Parzellengefüge Eingriffe in<br />

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die Besitzstruktur erkennen läßt. Die Leistungsfähigkeit der von mir aus den<br />

Feldbeschreibungen der Braunschweigischen Generallandesvermessung zusammengestellten<br />

Flurtabellen - also "schematischer Flurkarten" - liegt unter<br />

anderem gerade darin, solche einmalig gesetzten Gefüge kenntlich zu machen.<br />

Allgemein bildet der in den VerkoppeIungskarten des 19. Jahrhunderts wiedergegebene<br />

"alte" Zustand den Ausgangspunkt der Untersuchungen. Im ehemaligen<br />

Herzogtum Braunschweig besteht hingegen die günstige Gelegenheit, um<br />

100 Jahre ältere Flurkarten zu verwenden, die noch nicht die starken Veränderungen<br />

der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts enthalten, die bei der Auswertung<br />

der üblichen Verkoppelungskarten hinderlich sind.<br />

Die Feldrisse (1 : 4000) der Braunschweigischen Generallandesvermessung<br />

entstanden von 1746-1784 unter der "Fürstlichen General-landes-Vermessungs-Kommission"<br />

zusammen mit ausführlichen Dorf-. Feld- und Wiesenbeschreibungen.<br />

Bekanntlich hatte die Vermessung u. a. den Zweck, "daß die<br />

Untertanen die zerstreut liegenden Äcker beieinander bekommen" (C. Gesenius<br />

1803, Beil. 1, S. 3) 2). In welchem Maße dieses Postulat jedoch durchgeführt<br />

wurde, darüber herrscht Unklarheit. Es ist also notwendig, zum Verständnis den<br />

Stand der Diskussion in der Literatur vorauszuschicken.<br />

Schon A. Meitzen (1895,1, 5.117; III, S. 65; Atlas zu Bd IlI. Anl. 19) 8).<br />

fußend auf C. Gesenius. benutzte die Feldrisse der Braunschweigischen Generallandesvermessung<br />

und beschreibt z. B. Wittmar (ostw. Wolfenbüttel) als verkoppelte<br />

Flur, in der "mehrere alte Gewanne zusammengeworfen, auch die<br />

Gewanngrenzen geändert worden" sind, "so daß sich die lage des früheren<br />

Besitzstandes nicht herstellen läßt". Seitdem erfuhr die Generallandesvermessung,<br />

was ihren historisch-geographischen Aussagewert betrifft, bis in die<br />

jüngste Gegenwart eine gegensätzliche Bewertung.<br />

K. Maßberg (1930, S. 9) 7) zitiert zwar die Arbeiten von C. Gesenius und<br />

A. Meitzen, geht jedoch mit der Begründung. daß die Ortschaften östlich und<br />

westlich Wolfenbüttel - u. a. Wittmar - seit dem 12. Jahrhundert grundherrlichen<br />

Streubesitz hatten, von der Annahme aus. daß damit eine durchgreifende<br />

Feldmarkänderung unmöglich gewesen sei. Durch diese Prämisse geblendet,<br />

verliert K. Maß berg den Blick zur kritischen Bewertung de,r geforderten<br />

Maßnahmen (vgl. C. Gesenius 1803. Beil. I) 2) für die Vermessung überhaupt<br />

und behauptet, die sehr umfangreichen Ackergewanne seien nicht das Ergebnis<br />

der Vermessung (K. Maßberg 1930, S. 12) 7). Er stützt seine Aussage auf einen<br />

Analogieschluß, indem er die Größe der Wannen in anderen braunschweigischen<br />

Landesteilen vergleichsweise heranzieht. Aber gerade solche Schlüsse sind wegen<br />

der unterschiedlichen Handhabung der Vermessung nicht statthaft. Wie noch zu<br />

zeigen ist, kann die Frage, ob verkoppelt wurde oder nicht, nur gemarkungsweise<br />

untersucht und beantwortet werden.<br />

K. Maß berg wäre sicher' zu anderen Ergebnissen gekommen und hätte die<br />

Feldrisse der Generallandesvermessung vorsichtiger beurteilt, wenn die Arbeit<br />

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von H. Voges (1937) 23), die sich speziell mit der Allgemeinen Landesvermessung<br />

und der ersten Verkoppelung im Lande Braunschweig im 18. Jahrhundert<br />

befaßt, damals schon zur Verfügung gestanden hätte. H. Voges verfolgt die<br />

Arbeit der Landesvermessungskommission allerdings nur einseitig an Hand der<br />

Akten des Geheimen Rates *) und behandelt im einzelnen auch nicht die Feldrisse,<br />

so daß er zwar das Ziel der Vermessung, nämlich die Neueinteilung der<br />

Wannen innerhalb des Ackerlandes und die Zusammenlegung der darin befindlichen<br />

Äcker gebührend hervorhebt, aber daraus keine geographischen Folgenmgen<br />

zieht, sondern überraschend feststellt, daß die Karten "für die Forschungen<br />

auf dem Gebiete der Siedlungs- und Agrargeschichte und der geschichtliChen<br />

Entwicklung des Landschaftsbildes benutzt" werden können, Forschungen, bei<br />

denen "der Blick weiter zurückreicht bis ins erste Jahrhundert unserer Zeitrechnung".<br />

Ganz unerwartet faßt H. Voges zusammen: "Gerade im Hinblick<br />

auf diese Forschung steht der Wert der Ergebnisse der Allgemeinen Landesvermessung<br />

weit über denen außerbraunschweigischer Landesvermessungen UI1.d<br />

wird richtig und in vollem Umfange erst in der Zukunft gewürdigt werden"<br />

(vgI. H. Voges 1937, S. HiSS) 23).<br />

Es wundert deshalb nicht, daß die jüngere Forschung, wie z. B. Th. Müller<br />

(1952, S. 166, 169, 176 f.) 12), auf H. Voges und K. Maßberg aufbaut. H. Pohlendt<br />

(1954, S. 185) 16) spricht zwar von der streng regulierten schematischen<br />

Wannenflur des Fleckens Hessen und wirft die Frage auf. ob die zahlreichen<br />

Feldwege erst eine Folge der Neuvermessung wären. Das Problem der Verkoppelung<br />

wird dagegen nicht berührt, ist ihm jedoch durchaus bekannt; denn<br />

H. Pohlendt schreibt in einer jüngeren Veröffentlichung (1951, S. 108) 17): die<br />

Braunschweigische Landesvermessung "hatte nicht immer eine Neuverteilung des<br />

Besitzes zur Folge", während U. Oberbeck-Jacobs (1957, S. 116) 14) ausdrücklich<br />

feststellt, daß "Gewanne geringfügig begradigt, Feldwege gerichtet und allzu<br />

zersprengt gelegene BesitzparzeIlen zusammengelegt" wurden und somit in den<br />

Flurformen keine "schwerwiegenden Veränderungen" eingetreten seien. Die Ansichten<br />

zu diesem Problem von R. Lüderßen (1881, S. 26 und 89-91) 6) und von<br />

H. J. Fr. von Schrader (1836, S. 3-53) 21) und die Festgabe für die Mitglieder<br />

der XX. Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe (1858, S. 252 f. und<br />

Karten) 24) finden in der jüngeren Literatur keine Berücksichtigung mehr, obwohl<br />

gerade von Schrader als Oberappellationsrat in Wolfenbüttel- noch quasi<br />

als Zeitgenosse der Landesvermessung - seinen Aufsatz als Jurist um 1800<br />

niederschrieb. Die Ausführungen von H. Voges bauen weitgehend auf dieser<br />

VeröffentlidlUng auf.<br />

*) Ihm sind die Geschäftsakten der Kommission aus unerfindlichen Gründen unbekannt<br />

geblieben (vgl. E. Pitz 1957, S. 147) 16), obwohl er seinerzeit Direktor des ehemaligen<br />

Landeshauptarchivs Wolfenbüttel war. Die Akten lagern seit ihrer Ablieferung<br />

unter L Alt Abt. 58. Seit August 1958 stehen sie, ,"on E. Pilz neu geordnet und mit<br />

einem neuen Findbuch versehen, besser aufgeschlüsselt zur Verfügung.<br />

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Erst die 1954 durch die Historische Kommission für Niedersachsen in Gang<br />

gebrachte Publikation der Feldrisse im Maßstab und Blattschnitt der Topographischen<br />

Karte1: 25 000 (vgl. KIeinau, H., Th. Penners und A. Vorthmann<br />

1956) S), durch die ein Werk geschaffen wird, welches der Fmschung Anregung<br />

bieten und dem auf geographischer Grundlage arbeitenden Historiker eine<br />

Arbeitskarte mit möglichst weit zurückreichender Situation höchster Genauigkeit<br />

-leider jedoch ohne Parzellengrenzen - bieten soll (vgl. 1956, S. 2) S),<br />

bramte die Diskussion um den Wert der Kartengrundlagen neu in fluß. H.<br />

Kleinau und Th. Penners (a. a. 0., S. 5/6) lösen sim vom Soll der Instruktion<br />

und erkennen im tatsächlichen Befund "vor allem eine Zusammenlegung der oft<br />

stark zersplitterten bäuerlimen Besitzteile und in Verbindung damit eine Rationalisierung<br />

der Wanneneinteilung", geben jedoch keine methodischen Hinweise<br />

zum Namweis der Veränderungen in den Fluren, die entweder einen "bereits<br />

älteren Zustand oder das Anfangsstadium der modernen Entwicklung zeigen",<br />

sondern überlasren es speziellen Nachforschungen festzustellen, "welchen Umfang<br />

ggf. die regulierenden Eingriffe hatten" *). E. Pitz (1957, S. 148) 15) fordert<br />

indessen im Hinblick auf die wissenschaftliche Bedeutung und unter Hinweis auf<br />

den hohen Wert der Gesmäftsakten der GeneraUandesvermessungskommission<br />

ausdrücklim die Prüfung des Quellenwertes der Risse und Beschreibungen. Die<br />

gt'ographisme Konsequenz des Postulats von E. Pitz ist die von mir bereits in<br />

meinem Vortrag in Vadstena angeregte Sehaffung einer gemeindeweisen Übersieht,<br />

für welme die Anwendung der Korrespondenzmethode ein zentrales<br />

Beweismittel darstellt.<br />

Kritik der Braunschweiglscl!en Generallandesvermessung<br />

Für das ehemalige Herzogtum Braunschweig liefert die günstige Quellenlage<br />

drei Ansatzpunkte zur kritischen Betramtung der Generallandesvermessung.<br />

Diese sind:<br />

1. der Wille des Gesetzgebers (Verordnungen, Instruktionen),<br />

2. das Ergebnis der Vermessung (Feldrisse im Maßstab 1 : 4000 sowie Dorf-,<br />

Feld- und Wiesenbeschreibungen),<br />

3. die Tätigkeit der Fürstlimen General-Landes-Vermessungs-Kommission<br />

(Gesmäftsakten und Protokolle der Vermessungsbeamten).<br />

Methodisch ist diese Gliederung zweckmäßig; denn die Möglidtkeit, einen<br />

Befund wemselseitig durm die Ergebnisse der anderen Beweismittel zu bestätigen,<br />

mamt die Aussagen der braunschweigischen Feldrisse weitgehend nachprüfbar<br />

und kann Verfahrensweisen für Gebiete liefern, in denen jedes Ergebnis<br />

allein nur aus Flurkarten zu gewinnen ist. Aus diesem Grunde werden auch die<br />

.) H. Klelnau (1961) ') weist in seiner sehr genauen Arbeit über Runstedt (Lkr.<br />

Helmstedt) auf umfangreiche Flurveränderungen im 18. Jahrhundert hin.<br />

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drei Komplexe, die eine von einander unabhängige Auswertung gestatten,<br />

einzeln dargestellt. Die Reihenfolge ergibt sich jedoch aus der Notwendigkeit,<br />

den vorliegenden Text zu entlasten, also dem Leser zunächst die Prinzipien der<br />

Vermessung an die Hand zu geben, mit Hilfe derer die Auswertung des karto~<br />

graphisch fixierten Parzellengefüges - das zentrale Anliegen dieser Unter~<br />

suchung - leichter zu verstehen ist.<br />

1. Zum Willen des Gesetzgebers (Instruktionen): Die "Instruction für die<br />

Sulxlelegatos bey Fürstlicher General-Landes-Vermessungs-Commission" vom<br />

28. November 1755 (abgedruckt bei C. Gesenius 1803, Beilage 1) 2) war vor<br />

allem für H. Voges (1937) 20), J. H. Fr. von Schrader (1836) 18) und R. Lüderßen<br />

(1S81) 6) der Ansatzpunkt für die Kritik dieser großartig durchgeführten Ver~<br />

messung. Außer R. Lüderßen geben sie den Inhalt der Paragraphen ausführlich<br />

wieder; aber keiner würdigt die zwingende juristische Logik und den Aufbau der<br />

Instruktion, deren Paragraphen die im einzelnen auszuführenden Tätigkeiten<br />

nacheinander lückenlos aufzählen. Das Werk ist aus einem Guß, und es zeigt<br />

das klare Ziel: eine einheitliche Durchführung zu erreichen und die nur zu zweit<br />

in einer Gemeinde arbeitenden Vollzugsbeamten der Beeinflussung durch die<br />

Bauern zu entziehen.<br />

Ein grober Überblick mag zunächst den Aufbau dieser Instruktion beleuch~<br />

ten. § 1 nennt unter den Zwecken der Vermessung vor allem, "daß die Unter~<br />

tanen die zerstreut liegenden Äcker bei einander bekommen, daß dadurch und<br />

durch Bezeichnung der gradlinigen Grenzen den Prozessen wegen der Grenzen,<br />

des Abpflügens etc. abgeholfen" werde. §§ 2-13 regeln allgemeine Dinge, wie<br />

obrigkeitliche Anweisung zur Durchführung der Vermessung, Gestellung von<br />

Quartier und Feuerung seitens der Gemeinde, Botendienste, Verbot von Bestechung,<br />

laufende Kontrolle der Meßgeräte, ProtokoIlführung, Beschwerdeführung<br />

und in § 6 die Aufsichtspflicht des Subdelegaten über den ihm zugeordneten<br />

Vermessungsingenieur. Eine AnLage zu diesem Paragraphen regelt in 30<br />

weiteren Abschnitten alle Tätigkeiten der Vermessungsbeamten. §§ 14-42 befassen<br />

sich mit dem eigentlichen Problem dieser Untersuchung, der Vermessung<br />

und Verteilung des Ackerlandes, bis § 51 werden die Wiesen, Weiden, Änger<br />

und Koppelweiden abgehandelt; §§ 52-60 enthalten zusammen mit drei An~<br />

lagen genaue Anweisungen zur Anfertigung der Dorf-, Feld- und Wiesenbeschreibungen.<br />

Da die Vermessungsbeamten (jeweils ein Jurist und ein Vermessungsingenieur)<br />

die speziellen Verhältnisse der ihnen übertragenen Ortschaften nicht<br />

kannten, wurde zur Vorbereitung jeder Vermessung zunächst eine Gemeindeversammlung<br />

einberufen, um zwei der Feldmark kundige Geschworene auszuwählen<br />

(§ 14). Ihre Lokalkenntnis solIte den Beamten für die Zeit der Ver~<br />

messungsarbeiten zur Verfügung stehen.<br />

Zu Beginn der eigentlichen Vermessungsarbeiten mußten sich die Vermes~<br />

sungsbeamten mit der ganzen Gemeinde in die Feldmark begeben und hierbei<br />

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"jedes Feld in gewisse Wannen" einteilen, die jeweils "einen Distrikt Ackers"<br />

von gleicher Güte umfaßten (§ 15). Die ZeIgengrenzen blieben von dieser Maßnahme<br />

zunächst unberührt, aber der Eingriff in das Wannengefüge war u. U. so<br />

einschneidend, daß den Bauern in § 16 ein Beschwerderecht eingeräumt und<br />

eine Frist von 2-3 Tagen gesetzt wurde, in der sie ihre Einwände gegen die<br />

Neueinteilung der Wannen vorbringen konnten. In §§ 17 und 18 wurde angeordnet,<br />

die Wannen parallel und nicht keilig einzurichten. Es war also notwendig,<br />

auch die Grenzen der Felder zu begradigen. Die Instruktion sagt hierüber<br />

zwar nichts, so daß die geforderte Begradigung der übergeordneten Feldmarkgrenzen<br />

(vgI. § 21 der Anlage A) analog als Beweis auch für die Begradigl1ng<br />

der Feldergrenzen herangezogen werden muß. Diese Feststellung ist<br />

deshalb bedeutungsvoll, weil das ZeIgengefüge aus fruchtfolgetechnischen<br />

Gründen durch die Generallandesvermessung nicht verändert, sondern - wo es<br />

fehlte - sogar erst eingeführt wurde und den Feldrissen den Habitus nur geringfügig<br />

durch Grenzbegradigungen regulierter Feldfluren gab. Diese Tatsache darf<br />

aber niemals zur Beweisführung gegen eine Veränderung des Parzellengefüges<br />

herangezogen werden, wie es K. Maßberg (1930, S. 10) 7) tut. In §§ 17 und 18<br />

wird weiterhin bestimmt, daß die Wannen nicht unter 30 Morgen haben dürften<br />

und auf Grund der Ernteerträge in bis zu 5 Klassen eingeteilt werden sollten,<br />

damit bei etwa erforderlichem Landtausch eine Wertskala gegeben sei.<br />

Erst nadt der Neueinteilung der Wannen durften sich die Vermessungsbeamten<br />

mit dem Landbesitz der Bauern befassen. Die Parzellen wurden nicht<br />

ausgemessen, sondern "die Länderei einer jeden Wanne (§ 19) nach der alten<br />

Lage Stück für Stück ... durchgegangen, alle [Besitzer) um den wahren Inhalt<br />

jeden Stücks, wie solches von alters her im Felde gelegen, ... genau befragt".<br />

Dieser Text war bislang falsch interpretiert worden, weil die Chronologie der<br />

durchzuführenden Tätigkeiten nicht berücksichtigt wurde. Gemeint sind nidlt<br />

die Parzellen der alten Wannen aus der Zeit vor Beginn der Vermessungsarbeiten,<br />

wie K. Maßberg (1930, S. 10) 7) annimmt, sondern es handelt sich um<br />

den Flächeninhalt und die wirkliche Lage der Besitzanteile jedes Bauern, also<br />

um unzerschnittene Äcker und um Stücke von Äckern, die nun infolge der neuen<br />

Wannengrenzen teils zerschnitten innerhalb einer neu eingeteilten Wanne<br />

liegen (vgI. Abb. 1). Auch die Eidesformel für die Geschworenen (§ 14 und<br />

Anlage B) unterscheidet zwischen einem Acker und einem Stück Land, also<br />

zwischen Besitzparzellen, die durch die Neueinteilung der Wannen unberührt<br />

blieben (Acker) und Teilst.ücken (Stück) zerschnittener Einheiten.<br />

Zur Gegenkontrolle der in § 19 verlangten Fixierung aller Besitzanteile in<br />

d'!r Ackerflur wurde außerdem jeder Bauer in der Wohnung aufgesucht und seine<br />

auf dem Felde angegebene Länderei nach der alten Lage nochmals "Stück für<br />

Stück" wiederholt (§ 20) und wiederum "Stück für Stück" unter jeder neu eingeteilten<br />

Wanne im Protokoll nieder~legt. Weiter wurden die Besitzanteile<br />

jedes Bauern wannenweise summiert und eine Tabelle angefertigt, aus der sich<br />

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punktiert:<br />

neue Wannengrenze<br />

schraffiert:<br />

überschießende Stücke<br />

zerschnittener Parzellen<br />

Abb. 1: Neueil1teilullg der Wal1l1el1grel1ul1 (schematisch)<br />

Die Generallandesvermessung erfaßte die einzelnen Äcker und Ackerstücke jedes Bauern<br />

innerhalb der neu abgesteckten Wannengrenzen.<br />

die Besitzfläche jedes Bauern in jeder Wanne, die Gesamtfläche jeder Wanne.<br />

der ganzen Ackerflur. und außerdem die gesamte Ackerfläche jedes Bauern in<br />

aUen Feldern ergaben (§ 20). Gleichzeitig mußte der Feldmesser jede Wanne<br />

vermessen, damit die von den Bauern angegebenen Flächen der wirklich<br />

vermessenen Wannenfläche gegenübergestellt werden konnten, und er hatte<br />

dann einen "einfachen Riß" (§ 23) anzufertigen, der nur die Grenzen der<br />

Wannen und Felder wiedergab. (Von diesen Rissen ist kein einziger überliefert.)<br />

Von entscheidender Wichtigkeit ist. daß die wannenweise Summierung der Länderei<br />

jedes Bauern bereits eine Zusammenlegung auf dem Papier darstellt, die<br />

dann Ausgangspunkt aller weiteren Arbeiten wurde. Die Feststellung der<br />

Parzellenflächen durch Befragung der Besitzer führte nicht nur zu einer bedeutenden<br />

Vereinfachung der Katastrierung, sondern war eine geniale Möglichkeit.<br />

eine Speztalvermessung der noch nicht durch Grenzsteine festgelegten und<br />

deshalb sehr unregelmäßigen Parzellenformen nach dem alten Flurzustand zu<br />

umgehen und von vorne herein die Lawine der um jeden Quadratmeter zu<br />

erwartenden Einsprüche auszuschalten.<br />

Erst wenn der .. einfache Riß", also die Neueinteilung der Ackerflur und die<br />

beigegebene Tabelle. die für jede Wanne die von den Bauern angegebene und<br />

dann vom Feldmesser wirklich festgestellte Fläche enthielt. von der Vermes-<br />

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sungskommission begutachtet worden war und sie sich mit der vorgeschlagenen<br />

Neueinteilung der Wannen einverstanden erklärt hatte, wurde die Verteilung<br />

der Besitzreihenfolge vorgenommen (§ 23). Doch soIlte nach § 2, noch vor Eintreffen<br />

des Bescheides versucht werden, daß diejenigen, die nur einen oder<br />

wenige Morgen in einer Wanne besaßen, in die Wannen tauschen solIten, in<br />

denen sie mehr Land hatten, um sich so besser arrondieren zu können. Dieser<br />

völlig freiwillige Akt, bei dem auch die Flurnachbarn mitzusprechen hatten,<br />

steht im Gegensatz zu der nach Eintreffen der "Verwilligung" innerhalb der<br />

Wannen vorzunehmenden Verteilung des Ackerlandes. Das Los sollte über die<br />

Reihenfolge der Interessenten entscheiden. Um Ungleichmäßigkeiten auszuschalten,<br />

mußte jedoch schon vor der Verlosung jeweils die Lage von ParzelIe<br />

Nr. 1 der betreffenden Wanne festgelegt werden. Bei der Verlosung selbst gab<br />

es verschiedene Einschränkungen: Wer Land an einem Weg oder Graben besaß,<br />

konnte durch die übrigen Interessenten vom Los ausgeschlossen werden (§ 27).<br />

Mit Hecken oder Gräben umgebene, gesondert gelegene Kämpe sollten nur vermessen<br />

und nicht mit in die Verteilung einbezogen werden (§ 28), ebenso<br />

ParzeIlen, die an einem Ende einer Wanne lagen und 10 oder mehr Morgen<br />

zählten (§ 29).<br />

Nicht nur die Zusammenfassung der Parzellen, die Verlosung der Besitzreihenfolge<br />

und der geforderte Landtausch konnte bei strikter Durchführung der<br />

Vermessung das Parzellengefüge ändern, sondern es führte auch die oftmals von<br />

Wanne zu Wanne unterschiedliche Differenz zwischen angegebener und gemessener<br />

Fläche bei einer zu groß geschätzten Wannenfläche (minus) zur Verlegung<br />

von Besitzanteilen in eine andere Wanne desselben Feldes mit einem<br />

"Flus" oder umgekehrt. Das Feld (Zelge) war jeweils die obere Einheit, in der<br />

ausgeglichen wurde (§ 33). Der Staat verfolgte dabei das Prinzip, die durch<br />

Messung sich ergebenden Überschüsse als "Überschußland" für spätere Verwendung<br />

in eigener Hand zu behalten (§ 38, vg1. auch § 36) und bei einem "Minus"<br />

jedem Bauern anteilig weniger Land zu geben (§ 32). Der erwähnte Landtausch<br />

und der Ausgleich der Besitzflächen zwischen Wannen mit "pius" und "minus"<br />

Hißt sich den Feldbeschreibungen entnehmen (vg1. Anlage D zu § 52).<br />

Die Instruktion setzt weiterhin fest, daß bei der Einteilung der Wannen auf<br />

eine gute Entwässerung zu achten ist (§ 31), woraus sich die flurgeographisch so<br />

Wichtige Tatsache ergibt, daß die ParzelIen in GefälIsrichtung angelegt werden<br />

solIten. Das Land der "kleinen Leute", die wegen der neuen großen Wannen nur<br />

sehr schmale Parzellen bekommen könnten, sollte entweder an einer Stelle der<br />

Flur konzentriert oder die Parzellen nur bis in die Hälfte der Wanne und somit<br />

doppelt breit gezogen werden (§ 39).<br />

Die vorstehend diskutierte Instruktion stammt aus dem lahre 1755, wurde<br />

also neun lahre nach Gründung der GeneralIandesvermessungskommission erlassen.<br />

K. Maßberg CI 930, S. 12) 7) sdlließt hieraus und ebemo aus der vorläufigen,<br />

die GeneralIandesvermessung betreffenden Verordnung von 1746<br />

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sowie der zugehörigen Instruktion, in denen keine Angaben über eine beabsichtigte<br />

Zusammenlegung von Ackerland enthalten sind, daß in den neun Jahren<br />

zuvor keine grundlegenden Veränderungen im Zuge der Vermessung stattgefunden<br />

hätten.<br />

H. J. Fr. von Schrader (1836, S. 10 21 ), vgl. auch H. Voges 1937, S. 26 23 ))<br />

stellten indessen fest, daß die Instruktion von 1755 trotz ihrer allgemeinen<br />

Wichtigkeit nicht auf dem üblichen Verordnungswege gedruckt veröffentlidlt,<br />

sondern den Beamten der Vermessungskommission nur abschriftlich weitergegeben<br />

wurde. Auch die Gründung der Vermessung;kommission im Jahre 1746<br />

drang nach H. Voges offenbar kaum in die Öffentlichkeit; die Landstände<br />

setzten ihre Teilnahme an diesem so wichtigen Unternehmen erst 1770 durch<br />

(H. Voges 1937, S. 21 23 ), vgl. auch H. J. Fr. von Schrader 1836, S. 7 21 )). Man<br />

darf daraus wohl schließen, daß das Vorhaben absichtlich nkht so genau publik<br />

gemacht wurde, weil man noch alle Erfahrungen sammeln und mit Widerständen<br />

rechnen mußte und deshalb die Landesvermessung nicht gleich zu Beginn<br />

der allgemeinen Kritik aussetzen wollte. Dieser "Verschleierungspolitik" dürfte<br />

auch K. Maßberg zum Opfer gefallen sein. Die von ihm herangezogenen Feldrisse<br />

und Feldbeschreibungen der Vogtei Groß Denkte geben keinerlei Gnmdlage,<br />

eine Neuordnung des Vermessungswesens im Jahre 1755 anzunehmen,<br />

sondern beweisen gerade das Gegenteil. Die Instruktion ven 1755 scheint viel<br />

eher die inzwischen übliche Praxis für den sdmellen und reibungslosen Fortgang<br />

der Arbeiten juristisch fixiert zu haben; denn, wenn K. Maßbergs Annahme zuträfe,<br />

müßten die vor 1755 vermessenen, vermeintlich unverkoppelten Feldfluren<br />

Wittmar (1752), Sottmar (1747), Klein Denkte (1747) und Mönchevahlberg<br />

(1748) ein auffällig anderes Wannen- und Parzellengefüge besitzen als Groß<br />

Denkte (1761), RemIingen (1764) oder Semmenstedt (1755). Inzwischen konnte<br />

H. Voges (1937, S. 21) 23) belegen, daß bereits 1747 auch eine Neuverteilung<br />

des Ackerlandes vorgenommen wurde. Einige Verordnungen sind ausdrücklich<br />

auf Befürchtungen der Bauern zurückzuführen, bei der Neuverteilung der Ackerstücke<br />

in der Feldmark benachteiligt zu werden (St. A. Wb. Sig Abt. 40 Nr. 6954<br />

vom 27.6.1747; Nr. 7236 vom 18.11. 1749). So versuchte man 1747, den umlaufenden<br />

Gerüchten entgegenzutreten und den Leuten "zu versichern, daß<br />

durch die Vermessung und Einteilung, wie die Erfahrung bei den vermessenen<br />

Dörfern zeiget, jeder verbessert werde". Es steht also fest, daß sich die Ziele der<br />

Vermessung seit dieser Zeit nicht mehr geändert haben.<br />

Die besprochene Instruktion von 1755 gibt also endgültig Aufschluß über das<br />

gesamte Vorhaben und die Reihenfolge der im einzelnen durchzuführenden<br />

Vermessungsarbeiten; doch bietet sie dem Historiker und Siedlungsgeographen<br />

nicht verbriefte Fakten bereits abgeschlossener Handlungen, sondern sie fixiert<br />

Maßnahmen, die erst getroffen werden sollen. Die wichtigsten Eingriffe in das<br />

Flurgefüge sind:<br />

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1. Neuordnung des Wannengcfüges durch Ziehung neuer Wannengrenzen,<br />

2. Zusammenlegung der BesitzparzeIlen jedes Bauern innerhalb jeder<br />

Wanne mit freiwilligem Austausch einzelner Besitzer in andere Wannen<br />

zwecks besserer Arrondierung ihrer Flächen,<br />

3. Verlosung der Besitzreihenfolge in jeder Wanne.<br />

Der Quellenwert der Instruktion von 1755 liegt in der Vermittlung der<br />

Kenntnis über das grundsätzliche Ziel der Vermessung. Völlig offen bleibt dagegen<br />

die Frage, ob die Generallandesvermessung im Sinne der Verordnungen<br />

und Instruktionen konsequent in allen braunschweigischen Gemeinden durchgeführt<br />

wurde oder bis hin zu der Möglichkeit, daß sich an dem alten Gefüge<br />

nidlts geändert hat, ein gleitender Übergang besteht, den wir erst fassen können,<br />

wenn es gelingt, die Feldrisse und Feldbeschreibungen entsprechend auszuwerten.<br />

2. Zum Ergebnis der Vermessung (Korrespondenzmethode) : Die Auswertung<br />

der Feld risse und Feldbeschreibungen trägt eine schwere Hypothek. Die Feldrisse<br />

zeigen nämlich das Flurbild nach Durchführung der Vermessung und verraten<br />

nicht den alten Zustand. Dagegen sind die Tabellen der Feldbeschreibungen<br />

grundsätzlich in der Form angelegt, daß in der Mitte die Besitzer in der Reihenfolge<br />

ihrer Parzellen untereinander aufgeführt sind; links davon steht die<br />

Flächensumme, die jedem "vor der Vermessung gehöret" und rechts, was er<br />

"nach der Vermessung bekommen" hat (vgl. Anlage D zu § 52 der Instr. von<br />

1755). Da instruktionsgemäß zu allererst die Wannen neu einzuteilen und erst<br />

dann die Bauern darüber zu befragen waren, wieviel land sie in jeder neu<br />

begrenzten Wanne besitzen, gilt für alle Feldbeschreibungen - ob eine Flur<br />

vel koppelt wurde oder nicht -, daß die Wannenflächen des neuen Zustandes<br />

auf der rechten Seite der Tabelle mit der des sogen. alten Zustandes auf der<br />

linken Seite identisch sind. In sehr vielen, wenn nicht in den meisten Fällen,<br />

sind auch die links und rechts angegebenen Summen gleich. Indessen wissen wir<br />

nicht, ob die Flächensummen der Besitzstücke nach der alten ParzelIierung in<br />

den einzelnen Wannen wirklich auf so guten Schätzungen beruhen oder ob die<br />

Vermessungsbeamten die erfragten Werte im Einvernehmen mit den Bauern<br />

und Geschworenen nach den gemessenen Wannenflächen rektifiziert haben, um<br />

von vorne herein die Durchführung der Zusammenlegung und landverteilung<br />

zu erleichtern. In einzelnen Wannen weicht die Flächensumme des alten Zustandes<br />

auffällig vom neuen Zustand ab. Es wurde von mir beobachtet, daß sich<br />

diese Abweichungen zusammen mit einer Nachbarwanne ausgleichen. Anscheinend<br />

wurde die gemeinsame Wannengrenze so durch die Parzellierun~ gezogen,<br />

daß die Flächen der Teilstücke falsdl geschätzt worden sind.<br />

Die Unkenntnis aII dieser Zusammenhänge täuschte nicht nur K. Maß berg<br />

die Identität des Zustandes vor und nach der Vermessung, also unverkoppelte<br />

Feldfluren, vor. M.an wertete die gradlinigen Wannen- und Parzellengrenzen<br />

lediglich als Begradigungen im Zuge der Vermessung. Andererseits darf man<br />

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auch die Argumentation nicht umkehren und bei recht geraden Wannen- und<br />

Parzellengrenzen und bei großen zusanunenhängenden Besitzfliidlen auf verkoppelte<br />

Fluren schließen. Gewiß, die Kombination solcher Merkmale kann mit<br />

Hilfe von Analogieschlüssen Hinweise geben. Die Physiognomie der Parzellenoder<br />

Gefügeform sollte zur Beweisführung m. E. aber nur als zusätzliches Argument<br />

herangezogen werden.<br />

Eine beweiskräftige Untersuchungsmethode liefert indessen die Tatsache,<br />

daß bei Hof teilungen nicht die Verteilul1g ganzer Parzellen, sondern die in der<br />

literatur schon oft erwähnte Läl1gsteilul1g jeder einzelnen Parzelle am häufigsten<br />

auftritt, so daß die Äcker ehemals zusammengehöriger Höfe nebeneinander<br />

liegen, wenn das Parzellengefüge nicht inzwischen durch äußeren Eingriff<br />

verändert worden ist. Herr Prof. Mortensen wies mich darauf hin, daß gerade<br />

die Längsteilung jeder Parzelle als das einfachste und gerechteste Prinzip der<br />

Besitzauseinandersetzung empfunden wurde. H. Pröve (1929) 18), A. Krenzlin<br />

(1931) 5), K. Mittelhäußer (1953) 9), W. Evers (1957) 1) u. a. rekonstruierten<br />

aus solchen Nachbarschaftsverhältnissen Ursprungshöfe und alte Flurkomplexe.<br />

Bei eigenen Untersuchungen am nordwestlichen Harzrand 19) versuchte ich, die<br />

in der Flur wiederholt auftretende Nachbarschaft systematisch auszuwerten,<br />

weil es nur auf diese Weise möglich ist, das Parzellengefüge, vor allem auch<br />

größerer Dörfer, übersichtlich und exakt zu ordnen und auf das ältere Dorf- und<br />

Flurbild zurückzuschließen.<br />

Grundlage für die Auswertung einer Fe1dflur ist die Flurtabelle (vgl. Tab.<br />

1-3), in der waagerecht die einzelnen Wannen und senkrecht die Höfe geordnet<br />

nach sozialen Gruppen erscheinen. Da die nebeneinander liegenden Besitzparzellen<br />

in der Feldbeschreibung für jede Wanne fortlaufend numeriert sind,<br />

lassen sie sich wannenweise den einzelnen Höfen leicht zuordnen. Die Auswertung<br />

der Flurtabelle besteht zunächst darin herauszufinden, ob die Ackerparzellen<br />

bestimmter Höfe, d. h. jeweils zwei aufeinander folgende Parzellennummern,<br />

in den einzelnen Wannen häufig benachbart, also Raarig auftreten<br />

(flurkorrespondenz) und diese Entsprechung anderen Höfen fehlt. Der Beweis<br />

von Hofteilungen ist das wichtigste Argument für die Tatsache, daß entweder<br />

die Lage und das Gefüge der ParzelIen durch die Vcrmes~ung nicht angetastet<br />

wurde, oder im Rahmen bestimmter Eingriffe, auf die noch zurückzukommen ist,<br />

wenigstens das Nachbarschaftsgefüge, also die Flurkorrespondenzen *), erhalten<br />

geblieben sind.<br />

*) H. Klebtau (1961, S. 31) ') unterzieht den Korrespondenzbegriff einer kritischen<br />

Betrachtung, hält ihn gegenüber "Nachbarlage" für nicht zutreffend und stellt ihm<br />

"Korrelat" und "Kongruenz" gegenüber. - Der Terminus "Korrespondenz" wurde von<br />

mir deshalb gewählt, weil der Ausdruck "Nachbarlage" zu allgemein ist; denn im streifig<br />

organisierten Flurverband liegen neben jeder Parzelle an den Längsseiten und eventuell<br />

auch an den Kopfenden andere Parzellen. Es kommt aber gerade darauf an, die zwischen<br />

ganz bestimmten Höfen immer wieder auftretende Nachbarlage der Ackerparzellen anzusprechen,<br />

also die fonmal belegte und deshalb venmutete historische Beziehung zu<br />

einem gemeinsamen Ursprungshof begrifflich zu erfassen. Solche Zusammenhänge .ind<br />

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Tab. I Ausschnitt der Fturfobe/le von f1ünchehot 1756 (Unverkoppe/te Feld/tur).<br />

Huf sozialp r'c"rfl W a n n e<br />

5 6 7 8 9 10<br />

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Tab. Z: Aus schnitt der F/urfubelle von LC/tler (Im 8arMberge 1756 (FeldllC/r zusammengelegt) .<br />

v ~ f e n tel d I. •____ . Süd e n tel d 1.. Wes ren f eid<br />

Wann.: wann~; wann.,'<br />

'fY! f~llg/,~ ~('f!!j<br />

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" 5 6 7 8970111213<br />

j7 Ac~/.ufe 7. 3 9 5 5 10 5 6 8 t 7 3<br />

7 81,0 7.6 1.'- ". 9 5 3 S J 7 1-<br />

31 · 18" (7) If) S Z 1.3 (J) 3.8 1,(10)<br />

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-- 2.~ ~~11O."" 2,t,. 2 __ ----<br />

Jnj.d.r Wanne frJrllaul.nde Numl!rierllng d.r Porulll!n. (..) Bl!sol7derl! Kämpl!. 18 6roßköt171!r (olll! ohn~ Flurkorr~spondl!nun)unddas Nordl!nteldwurdffl<br />

... r99~/assl!l7. 00 aUr Höft imm~r nur .. in~ Parz .. l1~ it Wannr brstfll!n und Flllrkorrtspondmztn ~ha/~f/ gtblitbl'fl sind, ist Hm"" ..;s out Zusammrnlrgung 9f'9tbl!n.<br />

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~!/J<br />

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rab.3: Flurfabelle von Va/zum 177//72 (Feld flur verkoppelt).<br />

Hot soziale Ac~rfl Wanne: W i n t • r I e I d Wann~: 5 0 mmerleld<br />

8 r aChlela<br />

Nr<br />

~'''r"eZ<br />

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Schule 5 11 S 13 13 9<br />

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Oeffum 19 15<br />

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Zur Kritik der Braunschweigischen Generallandt'svennessung genügt als<br />

Zeichen einer über längere Zeit ungestörten Flurentwicklung zunädlst der Nachweis<br />

von Flurkorrespondenzen und, wenn diese fehlen, die Feststellung ganz<br />

bestimmter ParzeUengefüge. Dabei interessiert nicht das Ergebnis des ersten<br />

Anwendungsbereiches der Korrespondenzmethode, der ältere Zustand in Flur<br />

und Dorf. wohl aber die kritische Bewertung, ob im Einzelfall noch von Flurkorrespondenz,<br />

also von Erhaltung des Parzellengefüges, gesprochen werden<br />

kann oder nicht. Mit diesen Zusammenhängen habe ich mich an anderer Stelle<br />

befaßt 20) und möchte zum Verständnis hier nur die wichtigsten Tatsachen<br />

wiederholen.<br />

Voraussetzung für die Anwendung der Korrespondenzmethode ist eine<br />

streifig organisierte Flur mit Gemengelage der Besitzparzellen. In einer solchen<br />

Flur liegen Doppelhöfe in jedem Falle mit aU ihren Parzellen in Wechsellage. Bei<br />

3 Höfen ergeben sich 6, bei 4 Höfen 24 (vgl. Tab. 4 a und b) u. s. f. verschiedene<br />

Kombinationsmöglichkeiten. Demnach beträgt die Zahl der möglichen Besitzanordnungen<br />

bei 1 2 3 4 ... n Höfen = n! (n-Fakultät) (vgl. Tab. 4 c). Solange<br />

die Stellung der übrigen Höfe (Elemente) variiert wird, liegen die Elemente 1<br />

und 2 als die beiden gedadlten Besitzparzellen der Höfe 1 und 2 benachbart. Es<br />

ergibt sich also eine mathematisch notwendige "Zwangskorrespondenz". Ihre<br />

Intensität steht in direkter Abhängigkeit von der Zahl der Höfe eines Dorfes<br />

und läßt sich nach der Formel 2 [(n-1)1] beredmen. Der relative Anteil der sich<br />

zwangsläufig wiederholenden Nachbarschaften an der Zahl der möglichen Kombinationen<br />

(vgl. Tab. 4 c) nimmt mit der Zahl der Höfe im Dorf ab. Bei 6 Höfen<br />

beträgt die Intensität der Zwangskorrespondenz 33,4 % , bei 10 Höfen 20 % und<br />

bei 20 Höfen noch 10 0 /0. Je mehr Höfe ein Dorf besitzt, umso aussagekräftiger<br />

ist all50 die zwischen zwei Höfen bestehende intensive Flurkorrespondenz. Da<br />

die meisten Dörfer unseres Gebietes im Sinne einer statistischen Auswertung<br />

jedoch nur eine relativ geringe Zahl bäuerlicher Betriebe besitzen, muß die Intensität<br />

der vorgefundenen Flurkorrespondenz zu der zu erwartenden Zwangskorrespondenz<br />

in Beziehung gesetzt werden, die sich aus der Zahl der Höfe,<br />

genauer aber aus der durchschnittlichen Zahl der Besitzer je Wanne ergibt.<br />

Damit liefern statistische Überlegungen die Grenze für die Beweiskraft der<br />

Korrespondenzmethode, wenn nicht bei einem Dorf mit relativ wenigen Höfen<br />

die im Einzelfall aufgefundene Flurkorrespondenz bei anderen Hofpaaren fehlt,<br />

nur retrospektiv zu ermitteln. Aus diesem Grunde kann auch der Terminus "Korrelat",<br />

der im vorliegenden Falle eine wechselseitig geforderte und bedingte Beziehung der<br />

Hofpaare mit häufig auftretender Nachbarlage der BesitzparzeIIen ulltereinander zur<br />

Voraussetzung haben müßte, nicht angewendet werden. Den von H. KleiJ1au vorgeschlagenen<br />

Begriff nKongruenz" halte ich für zu eng, weil die durch ihn ausgedrückte<br />

Deckungsgleichheit der aus einer Parzelle hervorgegangenen Teilstücke nur im Idealfall<br />

zutrifft, und der Begriff von vorne herein alle Teilungen ausschließt, die nicht auf<br />

Halbierung der AusgangsfIiiche beruhen. Teilungen in ungleich große Flächen kamen<br />

vielfach vor und werden von H. MOTteJ1seJ1 (1946/47. S. 46) '0) sogar als ausgesprochen<br />

häufig erwähnt.<br />

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und sich außerdem durdl Nadlbarlage der Höfe im Dorf (Hofkorrespondenz)<br />

noch ein weiterer Beleg für die ehemalige Zusammengehörigkeit zweier Hofeinheiten<br />

erbringen läßt.<br />

Tab. 4. Kombinationsmöglichkeiten von 2 f bis 12 f mit Anzahl der mathematisch<br />

bedingten Nachbarschaften zweier Elemente nach der Fonnel 2 [(n-l) 1].<br />

a) 31 = 1 2 3 b)41 =4 1 2 3 1 4 2 3 1 2 4 3 1 2 3 4<br />

1 3 2 4 I 3 2 I 4 J 2 I 3 4 2 I 3 2 4<br />

2 1 3 4 2 1 3 2 4 I 3 2 1 4 3 2 1 3 4<br />

3 1 2 4 2 3 I 2 4 3 I 2 3 4 1 2 3 I 4<br />

3 2 1 4 3 1 2 3 4 1 2 3 1 4 2 3 1 2 4<br />

2 3 1 4 3 2 1 3 4 2 1 3 2 4 1 3 2 1 4<br />

c) Fakultät<br />

Zahl der moglichen<br />

Kombinationen<br />

Nachbarschaften derselben beiden Elemente<br />

absolut<br />

I<br />

in Ofo der möglichen<br />

Kombinatiunen<br />

21 2 2 100<br />

31 6 4 66.6<br />

41 24 12 50<br />

51 120 48 40<br />

61 720 240 33.4<br />

71 5040 1440 28.6<br />

81 40320 10080 25<br />

91 362880 80640 22.2<br />

101 3628800 725760 20<br />

111 39916800 7257600 18.2<br />

121 479001600 79833600 16,7<br />

Die Untersuchung der Flurtabellen ergab drei Gruppen:<br />

1. Feldfluren, in deren Wannen jeder Bauer jeweils mehrere Parzellen besitzt,<br />

2. Fe1dfluren, die teils aus Wannen bestehen, in denen jeder Bauer jeweils<br />

mehrere Parzellen, teil-s aber auch Wannen, in denen jeder Bauer nur eine<br />

Parzelle besitzt,<br />

3. Feldfluren, in deren Wannen ein Bauer nur in seltenen Fällen mehr als<br />

eine Parzelle besitzt.<br />

Flurkorrespondenzen treten in allen drei, jedoch am seltensten in der dritten<br />

Gruppe auf. Sie besitzen, gemessen am übrigen Parzellengefüge, einen ganz verschiedenen<br />

Aussagewert. Vergegenwärtigt man sich noch einmal den dreifach<br />

geforderten Eingriff in das Flurgefüge (1. Neubegrenzung der Wannen, 2. Zusammenlegung<br />

der BesitzparzelIen zu einer Fläche, 3. Bestimmung der Nachbarn<br />

durch das Los), so müssen sich, soweit die Maßnahmen nicht konsequent durchgeführt<br />

worden sind, Unterschiede in dem neu geschaffenen ParzelIengefüge<br />

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Numeriert und umrandet: Wanne 1-17<br />

Abb. 2: Feldriß MÜl1dtehof 1756 (spezialvwuessel1)<br />

Quelle: Braunschweigische Generallandesvermessung 1746-1784, Niedersächsisd1es<br />

Staatsarchiv Wo]fenbüttel.<br />

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S: Sommerfeld; W: Winterfeld; B: Brachfeld. Wannen umrandet<br />

Abb. 3: Fe/driß Va/zum 1764 (verkoppe/t)<br />

Quelle: Braunschweigische Generallandesvermessung 1746-1784, Niedersächsisches<br />

Staatsarchiv Wolfenbüttel.<br />

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ergeben. Wir können die genannten Eingriffe nicht schlechthin unter dem Begriff,<br />

Verkoppelung' zusammenfassen. Ich möchte diesen Terminus reservieren<br />

für den Tatbestand der völligen Lösung von traditionsmäßigen Bindungen, wie<br />

sie durdl Lage und Nachbarschaft gegeben sind. Das Los spielte im IS. Jahrhundert<br />

innerhalb der Wanne dieselbe Rolle, wie die Rationalität der Neueinteilung<br />

über die ganze Flur im 19. Jahrhundert. Dagegen möchte ich die Zusammenziehung<br />

der Besitzstücke eines Bauern ohne anschließende Verlosung<br />

der Besitzreihenfolge in der betreffenden Wanne wegen der Beibehaltung der<br />

hergebrachten Flurnachbarschaft ,Zusammenlegung' nennen.<br />

In Münchel10f hat die Vermessung in der Feldflur keine Veränderungen vorgenommen;<br />

denn in jeder Wanne treten meist sogar mehrfache Flurkorrespondenzen<br />

zwischen denselben Höfen auf. Gleichzeitig besitzen auch die nicht<br />

korrespondierenden Höfe in den einzelnen Wannen jeweils mehrere Parzellen<br />

(vgl. Tab. 1 und Abb. 2).<br />

Erfolgte dagegen, wie in Vo/zum (vgl. Tab. 3 und Abb. 3), in jeder Wanne<br />

die geforderte Zusammenlegung und Verlosung der Besitzparzellen (Verkoppelung),<br />

dann verblieben jedem Bauern in den Wannen. in denen er Besitz hatte,<br />

jeweils nur eine, in Sonderfällen (vgl. § 27 der Instr. von 1755) u. U. zwei<br />

BesitzparzeIIen. Das Los hat sämtliche Besitznachbarschaften und Flurkorrespondenzen<br />

beseitigt. Das neue Flurbild läßt auch keine Rückschlüsse mehr auf<br />

die ehemalige Beackerungsrichtung zu ').<br />

Dennoch bleibt die Aussagefähigkeit der Feldrisse verkoppelter Fluren in<br />

zwei Punkten erhalten: einmal wurden die Wannen nur innerhalb der Felder<br />

(ZeIgen) neu eingeteilt, so daß die Konturen der Felder - abgesehen von Grenzbegradigungen<br />

- erhalten geblieben sind. Auf diese Tatsache ist es zurückzuführen,<br />

daß von der Erhaltung des Großgefüges fälschlicherweise analog auch<br />

auf die Erhaltung des Kleingefüges der Wannen und Parzellen geschlossen<br />

worden ist. Zum anderen ist nur innerhalb der Wannen zusammengelegt und<br />

') Auch die Luftbildauswertung. die einzige Möglichkeit. das Flurgefüge aus der<br />

Zeit vor der Generallandesvermessung sichtbar zu machen, bietet größere Schwierigkeiten.<br />

als zu vermuten ist. H. Jäger (S. 17 H.) 25) untersuchte das Luftbild von Bessingen<br />

(Lkrs. Holzminden) und stellte eine durch die Verkoppelung des 19. Jahrhunderts überlagerte<br />

intensive Wölbackerstreifung fest. die sich in den Feldriß von 1759 einpassen<br />

läßt. wobei einzelne Wölbäcker Besitzstreifen bilden, oder auch mehrere Wölbäcker zu<br />

Besitzblöcken vereinigt sind. - Tatsächlich entspricht die Wölbackerstruktur in Bessingen<br />

weitgehend dem Besitzgefüge aus der Zeit vor der Vermessung. Die mehrere Wölbäcker<br />

umfassenden Besitzblöcke entstanden dageg~n erst 1759, als die Ausmärkerflächen ausgetauscht<br />

und den Bessinger Bauern in ihrer eigenen Feldflur durch teilweise Zusammenlegung<br />

statt 662 Morgen Ackerland 1009 Morgen zugewiesen wurden. Da die neue<br />

Besitzaufteilung an die alte Wölbackerstruktur anschließt. blieb physiognomisch der<br />

Habitus einer ungeregelten spezialvermessenen Feldflur erhalten. obwohl das Besitzgefüge<br />

in hohem Maße verändert worden ist. Flurkorrespondenzen treten in den zu<br />

Blöcken zusammengelegten Flurteilen auffällig zurück. - Weit größere Schwierigkeiten<br />

zeigen sich bei der Luftbildauswertung. wenn nicht nur die ParzelIierung. sondern auch<br />

die Wannengrenzen und die Beackerungsrichtung geändert worden sind,<br />

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gelost worden, so daß die Besitzflächen jedes Bauern zwar konzentriert wurden,<br />

die Lage der neuen Parzellen sich aber - abgesehen von einzelnen aus den<br />

Fcldbeschreibungen nachzuweisenden Landvertauschungen - nur innerhalb der<br />

Wannen verschoben hat. Entgegen der Verkoppelung des 19. Jahrhunderts, die<br />

den bäuerlichen Besitz ganz verschiedener Flurteile großflächig auf wenige<br />

Schläge zusammenzog, blieb die Gemeinschaft der Besitzer im 18. Jahrhundert<br />

von Wanne zu Wanne erhalten, so daß sich die Verteilung von Altackerland<br />

und Flurerweiterungen aus dem Anteil der jeweils dort begüterten sozialen<br />

Gruppen in groben Zügen ergibt; doch sind die Grenzen dieser Flächen nicht<br />

au~zumachen.<br />

Vorstehend wurden die beiden Extreme diskutiert: eine Feldflur, in der die<br />

Generallandesvermessung das ganze Parzellengefüge mit Hilfe einer Spezialvermessung<br />

lokaltopographisch genau übernommen hat (Münchehof), also<br />

keinerlei Veränderungen der Besitzflächen eingetreten sind, und eine andere<br />

Feldflur (Volzum), in der alle Wannen neu eingeteilt, die Besitzflächen jedes<br />

Bauern in jeder Wanne zusammengelegt und die Reihenfolge der Besitznachbarn<br />

obendrein durch das Los bestimmt worden ist. Diese beiden Extreme sind keine<br />

Sonderfälle, sondern stehen als Beispiele für eine große Gruppe von Siedlungen.<br />

Dieser Befund gibt zu erkennen, daß der Zweck der Vermessung nicht in<br />

allen Gemeinden erreicht worden ist. So sprkht schon das Supplement zur Instruktion<br />

von 1755 aus dem Jahre 1759 (vgl. C. Gesenius 1803, Beilage 1.<br />

5. 66 H.) von Mängeln, die aufgetret!.'n sind und beseitigt werden sollten. Es<br />

heißt, daß die Feldmarken zunächst gar nicht vermessen werden sollten, "auf<br />

wekhe(n) nicht wenigstens 2/S der Länderei verteilet werden kann". Die Vermessungsbeamten<br />

hatten außerdem zu berichten, ob die Verteilung der Feldmark,<br />

wenn nicht ganz, so "doch in einigen Wannen möglich sei". Die Flurtabellen<br />

bestätigen in zahlreichen Fällen die Übergänge zwischen den genannten<br />

Extremen. Sie zeigen nebeneinander Wannen, in denen jeder Bauer mehrere<br />

Parzellen besitzt und außerdem Flurkorrespondenzen auftreten, also völlig unverändert<br />

erhaltene Besitzflächen, gegenüber Wannen, in denen jedem Besitzer<br />

nur eine Parzelle gehört, in denen der Besitz also verkoppelt oder zusammengelegt<br />

worden ist. Im Einzelfall wird dieser Nachweis jedoch schwierig sein, da<br />

es unbekannt ist, welches Nachbarschaftsgefüge vor der Vermessung bestanden<br />

hat. Wenn die in den spezialvermessenen Wannen vorhandenen Flurkorrespondenzen<br />

in den Wannen mit zusammengezogenen BesitzfIächen fehlen und für<br />

jeden der sonst korrespondierenden Höfe nur eine Parzelle ausgewiesen wird.<br />

dann ist die Lage der Bauern im Felde durch das Los bestimmt worden. Der<br />

Tatbestand der Verkoppelung ist erfüllt; denn Verlosung der BeSitzreihenfolge<br />

ohne Zusammenlegung wäre sinnlos.<br />

In Lutter am Barenberge finden sich wiederum andere Verhältnisse. Unter<br />

insgesamt 406 Ackerparzellen kommen nur 23mal zwei und nur viermal drei<br />

Parzellen desselben Besitzers in einer Wanne vor. Ohne Anwendung der Korre-<br />

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spondenzmethode würde man auf eine verkoppelte Feldflur schließen. Doch 28<br />

Höfe - es sind ausschließlich Halbspänner und Halbkötner - besitzen F1urkorrespondenz<br />

in 127 von insgesamt 166 Parzellen. Abgesehen von einer Ausnahme<br />

entspricht der Flurkorrespondenz immer auch die Nachbarschaftslage der<br />

Hofgrundstücke (Hofkorrespondenz). Es kann gar keinem Zweifel unterliegen,<br />

daß die Hof teilungen schon längst vor der Vermessung durchgeführt worden<br />

sind (vgl. Tab. 2 und Abb. 4).<br />

Die Tatsache, daß in Lutter am Barenberge Flurkorrespondenzen auftreten,<br />

spricht nicht gegen die Korrespondenzmethode, sondern ermöglicht gerade den<br />

Beweis, daß hier unter Beibehaltung der ursprünglichen Besitzabfolge zusammengelegt<br />

worden ist. Man hat also nicht gelost, sondern der ersten Besitzparzelle<br />

unter Fortschiebung der übrigen Nachbarn die sonstigen in der Wanne<br />

befindlichen Flächen des betreffenden Besitzers angefügt und hat für jeden<br />

weiteren Nachbarn dasselbe Spiel wiederholt. Diese Praxis ergibt sich nicht nur<br />

aus der Flurtabelle von Lutter am Barenberge, sondern generell auch aus § 8<br />

des Supplements von 1759. Es heißt dort, daß "das Losen hin und wieder unterlassen<br />

werde und die Eigentümer in der Ordnung liegen bleiben wollen, welche<br />

sie vorhin im Felde gehabt haben". Auch die Instruktion von 1755 madlt in<br />

§ 23 und § 41 den Unterschied zwisdlen Verlosung (der Besitzabfolge) und<br />

Verteilung (der Besitzflächen). W'!nn die herkömmliche Besitzreihenfolge beibehalten<br />

worden ist, darf man annehmen, daß auch die Richtung der Beackerung<br />

übernommen wurde und damit auch die Neueinteilung der Wannen in Anlehnung<br />

an das ursprüngliche Parzellengefüge stattgefunden hat. Die Physiognomie<br />

des Parzellen- und Wannengefüges (vgl. Abb. 4), die nicht dem Bild verkoppelter<br />

Feldfluren entspricht, scheint diese Vermutung zu bestätigen *).<br />

Eine besondere Struktur des Nachbarschaftsgefüges konnte im Werder nordöstlich<br />

von WoHsburg jenseits des Aller-Urstromtales festgestellt werden. In<br />

\Varmenau kehrt in fast allen Wannen eine konstante Reihenfolge der zehn<br />

Bauernhöfe (8 Ackerleute, 2 Kötner) wieder. Diese "Riege" wiederholt sich in<br />

der ersten Wanne des Winterfeldes 12maI. so daß jeder Hof dort 12 Parzellen<br />

besitzt **). Dasselbe gilt für die zweite Wanne des Winterfeldes. Die zweite und<br />

dritte Wanne des Sommerfeldes bestehen dagegen aus je 20 Parzellen, die ebenfalls<br />

je zweimal die Riege wiederholen, jeJoch jeweils in anderer Besitzkombi-·<br />

nation. Während die konstante Wiederholung der Riege auf die Übernahme<br />

eines unveränderten Parzellengefüges hinweist, scheint die zweimalige Abfolge<br />

') In meiner Dissertation 19). in der ich die Korrespondenzmethode unter den spezieIlen<br />

Bedingungen der Landesvennessung im ganzen Herzogtum Braunschweig noch nicht<br />

geprüft hatte, blieben mir die dargestellten Zusammenhänge - wenn auch ohne Einfluß<br />

auf die Anwendbarkeit der Methode - noch verborgen.<br />

") Herrn stud. rer. nato W. Meibeyer. der mir freundlicherweise beim Herausschreiben<br />

der Flurtabellen behilflich war. verdanke ich den ersten Hinweis auf die<br />

mehrfache Wiederholung einer konstanten Abfolge der Höfe in Warmenau.<br />

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f:';;;;:::! fVrslliches Amtsgut in LuH~r<br />

b'g:,~ ad~/i9~r flofin<br />

~ii~;j Ackerhot des Amtmanns Cleve k:-:-:3 wird von Nal/en Ol/S bewirtschaftet<br />

I:':':':-~ sonstige A(l


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der Riege in veränderter Besitzkombination die Verlosung dieser Parzellen zu<br />

belegen. Nach der Flurkarte sind diese Parzellen breiter als die nicht verlosten<br />

Streifen der anderen Wannen.<br />

Ebenso tritt auch in Kästorf die Riege in mehreren Wannen häufig in konstanter<br />

Abfolge auf. Es gibt aber auch Wannen, in denen jeder Riegebauer nur<br />

eine Parzelle besitzt. Teilweise sind dann auch einzelne nicht zur Riege gehörige<br />

Parzellen mit eingesprengt. Die Besitzkombination ist in all diesen Wannen<br />

unterschiedlich und läßt die Verlosung nach erfolgter Zusammenlegung der<br />

Besitzflächen erkennen. Nur in einer Wanne wurde laut Flurtabelle zweimal<br />

gelost. Hier wiederholt sich die Riege in variierter Abfolge.<br />

In der Aur von Wendsmott fehlt die Wiederkehr einer konstanten Abfolge<br />

der Riegehöfe. Es gibt nur Wannen entweder mit einer Parzelle je Hof oder mit<br />

zwei, auch mal drei Parzellen je Hof. wobei jedoch die zweite Parzelle eines<br />

Hofes immer erst dann auftritt, wenn alle übrigen Höfe einmal berücksichtigt<br />

sind. Doch wiederholt sich die Riege nicht einfach in anderer Variation, sondern<br />

es fehlen manche Höfe, oder andere sind mehrmals berücksichtigt. Auf jeden<br />

Fall steckt hierin noch das Prinzip der Riege.<br />

Die konstante oder durch andere Kombinationen variierte Riege zeigt eine<br />

rhythmische Folge der Besitzer und steht im Gegensatz zur Besitzabfolge in den<br />

unverkoppelten Fluren vornehmlich der bergigen Teile des Herzogtums Braunschweig.<br />

Dort besteht nicht die Geschlossenheit der Riege mit einer Parzelle je<br />

Besitzer, sondern die Zweit- und Drittparzellen jedes Bauern in einer Wanne<br />

folgen ungeregelt und ohne Rücksicht auf die Erstparzellen der anderen Bauern.<br />

Es besteht also keine Rhythmik. Ohne Rhythmik bleibt die Korrespondenzmethode<br />

voll anwendbar. Bei rhythmisch konstanter Besitzfolge darf die Nachbarschaft<br />

der Besitzer nicht zur Rekonstruktion alter Hofeinheiten herangezogen<br />

und aus soldlen Beispielen eine "lückenlose Entwicklungskette vom Einzelhof<br />

über den Doppelhof zur Gruppensiedlung" gesucht werden, wie es K. Mittelhäußer<br />

(1953, S. 253)9) tut.<br />

Ich sehe das Problem in anderer Richtung und möchte die Zusammenhänge<br />

zur Diskussion stellen. Ausdrücklich warne ich aber vor einer Verallgemeinerung<br />

de~ Befundes, um die Ergebnisse nicht wieder in die Bahnen alter Vorstellungen<br />

geraten zu lassen. Die Rhythmik wurde nur beobachtet auf schlechten, zwischen<br />

Sand und Geschiebelehm wechselnden Böden, wie audl die Flurbeispiele von<br />

K. Mittelhäußer (1953) 9) und H. Pröve (1929) 18) aus der nordwestlichen und<br />

südwestlidlen Lüneburger Heide zeigen. Im Vorsfelder Werder erreidlt diese<br />

Art des Parzellengefüges m. W. ihre südlidle Grenze. Ohne auf die diffizile, von<br />

H. Pohlendt (1954, S. 190 f.) 16) für dieses Gebiet zuletzt angesdlnittene Diskussion<br />

der Feldsysteme eingehen zu wollen, kann jedodl ausgesagt werden, daß<br />

die vorgefundene rhythmische Besitzabfolge gebunden ist an ein Gebiet, dessen<br />

Ackerflächen - gleichgültig in welchem speziellen Turnus - jeweils mehrere<br />

Jahre nadleinander als Weide (Feld-Weidewirtschaft) genutzt wurden. Da die


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Ackerflächen wegen Unkrautgefahr und ebenso die Weide wegen Erleichterung<br />

der Hude geschlossene Komplexe umfassen mußten und die noch fehlende<br />

Markierung der Parzellengrenzen die Besitzrechte in den einige Jahre der<br />

privaten Bewirtschaftung und Behauptung entzogenen Flächen verblassen ließ,<br />

mußte notwendigerweise eine gewohnheitsrechtliche Sicherung vorhanden sein,<br />

die man immer wieder neu auf das umzubrechende Weideland übertragen<br />

konnte '). Die feststehende Riege löst dieses Problem auf einfache Weise, und<br />

die Wölbäcker konservieren das Parzellengefüge über die Zeit der Brache, so<br />

daß die Dorfgemeinschaft die einzelnen Wölbäcker ohne Schwierigkeiten wieder<br />

in Betrieb nehmen konnte. Hierzu ist die von G. Oberbeck (1957, S. 127) 13)<br />

im westlichen Nachbargebiet des Vorsfe1der Werders festgestellte Tatsache<br />

wichtig, daß kein Wölbacker besitzrechtlich unterteilt war, sondern jede Besitzparzelle<br />

überwiegend einen, aber nur selten zwei oder drei Wölbäcker umfaßte.<br />

Ebenso auffällig zeigen auch die Braunschweiger Feldrisse für die unverkoppelten<br />

Teile des Vorsfelder Werders gleichbreite Besitzparzellen, die G. Oberbeck<br />

(1957, S. 125) 13) auch bei den Flurwüstungen des Nachbargebietes gefunden<br />

hat. Besitzeinheit und gleiche Breite jedes Wölbackers halte ich für eine Voraussetzung<br />

für die gerechte Zuweisung


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nach Abschluß der Arbeiten durch Ablieferung der ProtokoIIe (sehr unvollständig<br />

überliefert) ansammelte. Zweitens handelt es sich um Eingaben, Gutachten,<br />

Beschwerden und dazu ergangene Anweisungen. Die zweite Aktengruppe<br />

häuft sich immer dann, wenn die Zwecke der Vermessung den Interessen der<br />

Bauern am meisten zuwider laufen. Es läßt sich aber erkennen, daß die Behörde<br />

mit wachsender Erfahrung den Wünschen der Gemeinden oftmals sehr schnell<br />

nachgegeben hat.<br />

Der für Münchelfof zuständige Amtmann stellte zwei Jahre nach erfolgter<br />

Vermessung 1758 (St. A. Wb., L Alt Abt. 58 Nr. 1886) fest, daß eine Verteilung<br />

der Länderei nicht ohne Schädigung der Bauern möglich sei. Im lahre 1763 forderte<br />

die Generallandesvermessungskommission, wenigstens die Besitzanteile<br />

in der 1., 2., 3.,4., 7. und 15. Wanne (vgl. Abb. 2) zu verlosen. Die Bauern<br />

machten indessen darauf aufmerksam, daß das land untersdliedlich oder gar<br />

nicht gemergelt oder gedüngt sei. Da alles Meierland außerdem der fürstlichen<br />

Kammer gehöre, sollte die Behörde verfügen; man könne im Falle der Verlosung<br />

dann natürlich seinen Verpflichtungen nicht nachkommen. Unverzüglich wurde<br />

deshalb bestimmt, "daß, wenn der (Vermessungsbeamte) ... die Verteilung<br />

nicht annehmlich machen kann, man es zur Vermeidung alles besorglichen<br />

Querulierens bei der zu suchenden Vertauschung belassen müsse". Da die Vermessung<br />

und die Anfertigung des Feldrisses bereits sieben lahre vorher abgeschlossen<br />

war, betrifft dieser Schriftverkehr nur einen neuen gesdleiterten Versuch,<br />

die bereits erfolgte Spezialvermessung zu annullieren und eine Verkoppelung<br />

durchzusetzen. Die Akten liefern also eine volle Bestätigung des aus der<br />

Flurtabelle gewonnenen Ergebnisses.<br />

Im südwestlichen Elm- und Assevorland befinden sich dagegen zahlreiche<br />

Gemeinden mit verkoppelten Feldfluren. Für Hachum ist z. B. 1751 (St. A. Wb.,<br />

I. Alt Abt. 58 Nr. 1591) die Verlosung der Parzellen bestätigt.<br />

In Groß Denkte wurde ebenfalls gelost. Schon 1747 (St. A. Wb., L Alt<br />

Abt. 58 Nr.1283) schrieb der Vermessungsbeamte, da man ihm untersagt<br />

habe, "mit der speziellen Vermessung derer hiesigen Ländereien fortzufahren,<br />

so habe (er) selben Befehl gehorsamst na:::hgeIebet". Das Vermessungsprotokoll<br />

(St. A. Wb., L Alt Abt. 58 Nr. 1280) liefert in Verbindung mit der Feldbeschreibung<br />

denselben Beweis. Die 8. Wanne des Winterfeldes z. B. zählte vor der<br />

Vermessung 30, nachher nur noch 12 Parzellen (= 58% Morgen) derselben<br />

Bauern. In der benachbarten 7. Wanne ist der Untersdlied nom krasser. 107<br />

Besitzstücke wurden zu 35 Parzellen (= 79 Morgen) zusammengelegt und ihre<br />

Reihenfolge ebenfalls durch das Los bestimmt. Der Flurplan von Groß Denkte<br />

überliefert also ein Parzellengefüge, welches erst durch die Vermessung entstanden<br />

ist. Rückschlüsse auf ältere Flurzustände sind nicht möglich, da keinerlei<br />

Anhaltspunkte über die Beackerungsrichtungen dieser Gefügestruktur gegeben<br />

sind. Aber das Vermessungsprotokoll, in dem aIIe Nachbarn wannenweise nacheinander<br />

nach ihrer alten Lage im Felde aufgeführt sind, erlaubt die Aufstellung<br />

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einer Flurtabelle für die Zeit vor der Vermessung, aus der Höfe mit Flurkorrespondenz<br />

und somit ein älterer Dorfzustand herausgearbeitet werden kann;<br />

denn in den Ortsdlaften hat die Vermessung wegen der Bebauung keine Veränderungen<br />

vornehmen können. Leider sind die Vermessungsprotokolle längst<br />

nicht für alle verkoppelten Fluren erhalten.<br />

Für Volzum geben die Akten so spärlich Auskunft, daß aus ihnen die Tatsache<br />

der Verkoppelung nicht nachgewiesen werden kann. Flurtabelle sowie<br />

Parzellen- und Flurgefüge zeigen jedoch eindeutig eine verkoppelte Feldflur.<br />

Für Lutter am Barenberge wird überliefert (St. A. Wb., L Alt Abt. 58 Nr.<br />

1846), das Ackerland der Bauern sei in schlechtem Zustand, weil es jedes Jahr<br />

beackert und nicht, wie beim Amtsgut, ein Brachjahr eingeschaltet würde. Aus<br />

diesem Grunde sollten die 238 ha der Amtsländerei (= 52 % der Feldflur von<br />

Lutter), die teils mit den Bauern im Gemenge lag, - abgesehen von einzelnen<br />

Vertauschungen - im Zuge der Vermessung nicht angetastet werden, sondern<br />

"bleiben, wo sie ist". Kurz darauf wird bestätigt, daß die Amtsländerei dort<br />

belassen worden sei, wo sie auch vorher gelegen habe. Neun Jahre nach der Verme~sung<br />

(1765) heißt es, die Länderei sei damals in der Weise verändert worden,<br />

daß die wenigsten Bauern - vor allem diejenigen mit wenig Ackerland - ihr<br />

Eigenland wiederbekommen hätten. Man könnte aus diesen Akten auf Spezialvermessung<br />

des Gutslandes und Neuverteilung des Bauernlandes schließen. Doch<br />

stehen Feldriß (vgl. Abb. 4) und Feldbeschreibung, die für alle, auch für die<br />

kleinen Höfe in allen Wannen nur eine, allenfalls zwei Parzellen zeigen, im<br />

Widerspruch zur Aussage der Akten. Die Sorge des Amtsgutes, im Zuge der<br />

Rationalisierung des Parzellengefüges andere Ländereien zugeteilt zu bekommen,<br />

wäre ganz unbegründet gewesen, wenn das Land schon vor der Vermessung<br />

so gut arrondiert gewesen wäre, wie es der Feldriß zeigt. Die Gleichmäßigkeit<br />

des Gefügeprinzips in der ganzen Feldflur zeigt also, daß auch das<br />

Amtsgut mit in die Neuordnung einbezogen worden ist. Der Widerspruch der<br />

Überlieferung könnte auf die Lückenhaftigkeit des Aktenmaterials zurückzuführen<br />

sein; doch besteht auch der Verdacht, daß man die Behörde über den<br />

wirklichen Verlauf der Vermessung nicht genau informiert hat. Eine Eingabe des<br />

in Lutter beschäftigten Vermessungsingenieurs um höheren Lohn scheint diese<br />

Vermutung zu bestätigen; denn er begründet sein Gesuch mit heftiger Kritik<br />

an den Maßnahmen seines Vorgesetzten, auf dessen Geheiß er nach der Vermessung<br />

der neu eingeteilten Wannen entgegen der Instruktion vor der Zusammenlegung<br />

und Verteilung des Ackerlandes eine entsprechend aufwendige<br />

Spezialvermessung durchführen und jede Wanne anschließend zweimal oder<br />

auch mehrfach verteilen mußte. Daß der Feldmesser nicht von Verlosung spricht,<br />

ist verständlich, weil sie nicht zu seinen Pflidtten gehört. Anlage A zur Instruktion<br />

von 175; nennt in § 19 unter den Aufgaben des Feldmessers die Verteilung<br />

und Anweisung


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zum Schluß seiner Eingabe den Subdelegaten in Schutz und bescheinigt ihm. er<br />

habe die Vermessung im Sinne der Instruktion durchgeführt und habe mit der<br />

eigenmächtig zwisdtengeschalteten Spezialvermessung eine endgültige Spezialvermessung<br />

der ganzen Feldmark verhindert. Hieraus ist auf jeden Fall die<br />

Schlußfolgerung möglich. daß die Vermessung der Feldflur von Lutter mit großen<br />

Schwierigkeiten verbunden war. vielleicht ist auch die Vermutung erlaubt. daß<br />

die Zusammenlegung unter Beibehaltung der Reihenfolge der Besitznachbam<br />

deshalb geschah. weil dieses tatsächlich das einzige Komprorniß war. eine<br />

Srezialvermessung zu verhindern. Diese Vermutung würde ohne Kenntnis der<br />

Ergebnisse aus der Flurtabelle sehr gewagt und ohne feste Grundla~e erscheinen.<br />

Es zeigt sich also. daß die Auswertung allein der Akten in diesem Falle zu einem<br />

lückenhaften wenn nicht gar falschen Ergebnis führt. aber die Auswertung von<br />

Feldriß und Flurtabelle auch ohne Aktenüberlieferung bereits ein eindeutiges<br />

Ergebnis zeitigt. welches durch den Inhalt der Akten eher noch erhärtet wird.<br />

Es wurde also in Lutter am Barenberge nach meiner eingangs gegebenen Definition<br />

zusammengelegt. aber nicht verkoppelt.<br />

Als letztes Beispiel soll Warmenau im Vorsfelder Werder diskutiert werden<br />

(St. A. Wb .• L Alt Abt. 58 Nr. 2280). Ende Januar 1759 baten die Ackerleute<br />

des Dorfes um Spezialvermessung ihrer Länderei. Wenige Tage nach der Eingabe<br />

forderte die Landesvermessungskommission vom zuständigen Amtmann<br />

einen Bericht über die Frage. ob die FeldRur von Warmenau verteilt werden<br />

könnte. Schon Ende Februar desselben Jahres gaben zwei Vertreter der Gemeinde<br />

zu Protokoll. daß von den 12 Wannen zwei verteilt werden könnten.<br />

Für die 1. Wanne (= 1. Wanne des Winterfeldes) ist belegt. daß in ihr zwei<br />

Verlosungen stattgefunden haben. Nach der Feldbeschreibung wiederholen sich<br />

die Höfe der Riege zweimal in verschiedener Reihenfolge. Die Überlieferung<br />

bestätigt also die Auswertung der Flurtabelle und beweist. daß diese Verlosung<br />

gleichzeitig mit der Vermessung durchgeführt worden ist. Auch in der 1. und 2.<br />

Wanne des Brachfeldes wiederholt sich die Riege in jeweils anderer Kombination<br />

der Besitzer. Es fehlt zwar die Bestätigung der Verlosung durch Aktenhinweis;<br />

aber die Analogie zur 1. Wanne des Winterfeldes ist so vollständig. daß sie in<br />

diesem FaIIe als Beweis genommen werden darf. Die zweimalige Verlosung in<br />

einer Wanne erscheint als das Komprorniß oder übergangsstadium zwischen der<br />

herkömmlichen Gewohnheit einer häufigen Abfolge der Riege. wobei jeder<br />

Wölbacker einer Besitzparzelle entspricht. und der Schaffung einheitlicher großer<br />

Parzellen (Verkoppelung). .<br />

Dasselbe Aktenbündel überliefert auch die Tatsache. daß die 7. bis 9. Wanne<br />

(= 1. bis 3. Wanne des Sommerfeldes) und die 11. Wanne (= 4. Wanne des<br />

Brachfeldes) in alter Lage bleiben sollten. In diesen. aber auch in den nicht genannten<br />

Wannen 2 und 3 des Winterfeldes wiederholt sich die Rie~e in konstanter<br />

Abfolge. Es ist also der Beweis erbracht. daß diese Kombination aus der<br />

Zeit vor der Vermessung stammt.<br />

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Es sei noch nachgetragen, daß die Feldfluren von Warmenau und Kästorf<br />

gleichzeitig von denselben Beamten vermessen worden sind. Auch das Gefügeprinzip<br />

in den Wannen entsprknt einander mit teils Verlosung (Verkoppelung)<br />

und teils Beibehaltung der ursprünglichen konstanten Riegekombination<br />

(5pezialvermessung). Die Böden bei.der Feldfluren bestehen aus Sand und<br />

Geschiebelehm; doch darf man diese Entsprechung nicht al;; Begründung für die<br />

Ähnlichkeit beider Gefügestrukturen nach der Vermessung heranziehen; denn<br />

dieselben Böden und eine ähnliche Sozialstruktur finden sich auch in Velstove,<br />

dessen Feldflur in allen Wannen verkoppelt worden ist. Jeder Bauer besitzt in<br />

jeder Wanne nur eine Parzelle, ohne daß sich die Reihenfolge der Nachbarn<br />

wiederholt. Dieses Ergebnis der Flurtabelle wird bestätigt durch das überlieferte<br />

Feldprotokoll, in dem die Parzellennachbarn wannenweise nach ihrer alten<br />

Reihenfolge noch jeweils mit mehreren Parzellen aufgeführt sind. Auch durch die<br />

Verteilung der Zwangskorrespondenzen wird die Verkoppelung bestätigt. Der<br />

Ort besteht aus 9 bäuerlichen Betrieben. Bildet man aus beliebigen Hofpaaren<br />

14 unterschiedliche Kombinationen, so zeigen 23,8 Ofo der Parzellen Zwangskorrespondenz.<br />

Statistisch sind in Velstove 22.2 Ofo Zwangskorrespondenzen zu<br />

erwarten (vgl. Tab. 4). Die gute Übereinstimmung hängt mit dem ehemaligen<br />

Riegegefüge zusammen, welches eine sehr gleichmäßige Verteilung der Besitzanteile<br />

aller Höfe über die ganze FeldRur zur Folge hatte. - Volzum erreicht<br />

dagegen wegen ungleicher Verteilung des Ackerlandes der einzelnen Höfe nur<br />

10 % von 20 % statistisch zu erwartender Zwangskorrespondenzen.<br />

Zusammenfassung.<br />

Die Generallandesvermessung des Herzogtums Braunschwcig bezweckte<br />

eine Zusammenziehung der Besitzflächen jedes Bauern in jeder Wanne zu einer<br />

FIitche. Dabei sollte die Reihenfolge der Besitznachbarn im Feld verlost werden.<br />

Trotz dieses Postulats setzte sich in der Literatur als herrschende Meinung die<br />

Ansicht durch, daß die Eingriffe in die Feld flur nicht grundsätzlkher Art gewesen<br />

seien. 50 wurde den Feldrissen ausdrücklich ein hervorragender Quellenwert für<br />

d:e Rekonstruktion älterer 5iedlungsverhältnisse zugesprochen. Indessen bahnt<br />

sich seit 1956 (H. Kleinau u. a. ] 956 3 ), E. Pitz 1957 15) und H. Kleinau 1961,<br />

bes. S. 33, Anm. 126 4 )) das Verlangen nach kritischer Bearbeitung der überlieferten<br />

Substanz an.<br />

In der Korrespondenzmethode ist ein Arbeitsmittel gegeben, welches zur<br />

Rekonstruktion älterer Siedlungsverhältnisse selbstverständlich nUr auf unverkoppelten<br />

Feldfluren aufbauen kann. Die Methode bietet außerdem die Möglichkeit,<br />

die unverändert gebliebenen, aJ.so "spezialvermessenen" Feldfluren zu<br />

trennen von Siedlungen, die zwischen teilweiser "Zusammenlegung" und vollständiger<br />

n Verkoppelung" des Ackerlandes alle Übergänge zeigen können.<br />

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Die Korrespondenzmethode basiert auf einer exakten Auswertung des<br />

Parzellengefüges. welches mit Hilfe einer Flurtabelle aus der FeI


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und dur


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Litera turverzel c1mis.<br />

1. Evcrs, W.: Grundfragen der Siedlungsgeographie und Kulturlandschaftsforschung im<br />

Hildesheimer Land. - Veröff. d. Wirtschaftswiss. Ges. z. Studium Nieders., N. F .•<br />

Reihe AL 64, Bremen-Horn 1957.<br />

2. Gesel1ius. c.: Das Meierrecht. Bd 2, Wolfenbüttel 1803. Beilage I, S. 1-75: Instruction<br />

für die Subdelegatos bey Fürstlidler General-Landes-Vemlessungs-Commission.<br />

3. Klcinau. H .• Th. Penners und A. Vorthmann: Historische Karte des Landes Braunschweig<br />

im 18. Jahrhundert. In: Niedersächsisches Jahrb. Bd 28.19,6. S. 1-14.<br />

4. Klcinllu. H.: Zur Geschichte der Höfe des Dorfes Runstedt (Lkr. Helmstedt). In:<br />

<strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>, Bd 42. 1961, S. 11-35.<br />

5. Krenzlin. A.: Die Kulturlandsrnaft des hannöverschen Wendlandes. Stuttgart B31.<br />

- Forsch. z. deutschen Landeskde. Bd 28. H. 4.<br />

6. Lüderßen. R.: Die Befreiung und Mobilisierung des Grundbesitzes im Herzogtum<br />

Braunschweig. Braunsrnweig 1881.<br />

7. Maßberg. K.: Die Dörfer der Vogtei Groß Denkte, ihre Flurverfassung und Dorfanlage.<br />

- Studien u. Vorarb. zum Hist. Atlas Niedersamsens, 12. Heft, Göttingen<br />

1930.<br />

8. Me/tzen. A.: Siedlung und Agrarwesen der Westgermanen und Ostgermanen. der<br />

Kelten. Römer. Finnen und Slawen. Bd 1-111 und Atlas zu Bd III. Berlin 1895.<br />

9. Mittell1äußer. K.: über Flur- und Siedlungsform in der nordwestlichen Lüneburger<br />

Heide. In: Jahrb. d. Geogr. Ges. zu Hannover f. d. Jahr 19;3, Hannover 1953.<br />

S. 236-253.<br />

10. Mortensen. H.: Fragen der nordwe5tdeutschen Siedlungs- und Flurforschung im<br />

Lidlte der Ostforschung. In: Nadu. d. Akad. d. Wiss. in Göttingen. Phil.-Hist.<br />

Kl. 1946/47. S. 37-59.<br />

11. Mortel1sel1. H.: Die Entstehung der Gewannflur. In: Zsdu. f. Agrargesch. u. Agrarsoz.<br />

Jahrg. 3. H. 1, 1955, S. 30--48.<br />

12. Müller. TL Ostfälische Landeskunde. Braunsdlweig 1952.<br />

13. Oberbeck. G.: Die mittelalterliche Kulturlandschaft des GebiEtes um Gifhorn unter<br />

besonderer Berücksichtigung der naturräumlirnen Gliederung. Hannover 1957. -<br />

Veröff. d. Wirtschaftswiss. Ges. z. Studium Nieders .• N. F .• Reihe AI. 66.<br />

H. Oberbeck-Jacobs. U.: Die Entwicklung der Kulturlandschaft nördlich und südlich<br />

der Lößgrenze im Raum um Braunschweig. Jahrb. d. Geogr. Ges. z. Hannover f. d.<br />

Jahre 1956 u. 1957. Hannover 1957.<br />

15. Pitz. E.: Die Historische Karte des Landes Braunschweig im 18. Jahrhundert. In:<br />

Braunschw. Jahrb., Bd 38. 1957, S. 141-149.<br />

16 Polllcl1dt. H.: Die Feldsysteme des Herzogtums Braumchweig im 18. Jahrhundert.<br />

In: Hans Mortensen zu ~einem 60. Geburtstag. Bremen 19H. - VerÖff. der<br />

Akademie f. Raumforschung u. Landesplanung, Abh. 28. S. 179-195.<br />

17. Pol1lel1dt. H.: Der Landkreis Helmstedt. Bremen 1957. - Die Landkreise in Niedersachsen,<br />

Bd H.<br />

18. Pröve, H.: Dorf und Gut im alten Herzogtum Lüneburg. Göttingen 1929. - Studien<br />

und Vorarb. z. Hist. Atlas v. Nieders .• H. 11.<br />

19. Rippe!, J. K.: Die Entwicklung der Kulturlandschaft am nordwestlichen Harzrand.<br />

Hannover 1958. - Veröff. d. Wirtschaftswiss. Ges. z. Studium Nieders., N. F .• Reihe<br />

AI. 69.<br />

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20. Rippel, J. K.: Eine statistische Methode zur Untersuchung von Flur- und Ortsentwicklung.<br />

In: Geografiska Annaler 1961, S. 252-263.<br />

21. Smrader, H. J. Fr. VOI1: Bemerkungen über die allgemeine Landesvermessung und<br />

Vertheilung des Oberschußlandes, in den Herzoglich Braunschweigischen Landen.<br />

In: Juristisches Magazin f. d. bürgerliche und Strafrecht. N. F. Bd 1, H. 3, S. 3-53.<br />

22. Tacke, E.: Die Entwicklung der Land$chaft im Solling. Oldenburg 1943. - Veröff.<br />

d. Wirtschaftswiss. Ges. z. Studium Nieders., Reihe Al, 13.<br />

23. Voges, H.: Die allgemeine Landesvermessung und die erste Verkoppelung im Lande<br />

Braunschweig im 18. Jahrhundert. In: Jahrb. d. Braunschw. GeschidltSvereins,<br />

2. Folge, Bd 9, 1937, S. 5-56.<br />

24. Festgabe für die Mitglieder der XX. V~rsammlung deutscher Land- und Forstwirthe.<br />

Die Landwirtschaft und das Forstwesen im Herzogthume Braunschweig. Braunschweig<br />

1858.<br />

25. Jäger, H.: Das Luftbild im Dienst der historischen Landeskunde. In: Das Luftbild in<br />

seiner landschaftlidlen Aussage. - Landeskundliche Luftbildauswertung im mitteleuropäischen<br />

Raum H. 3, 1960, S. 17-23 (Sdlriftenfolge des Inst. für Landeskunde<br />

in der Bundesanstalt für Landeskunde und Raumforschung Bad Godesberg).<br />

Ausgeliefert im April 1962.<br />

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Das Verwandtschaitsverhältnis<br />

der "schwäbischen" Edlen Ida von Elsdorf zum Kaiserbruder<br />

LudolfIV. von Braunschweig (t 1038) und zu Papst LeoIX.(t 1054)<br />

Von<br />

Hans Dobbertin<br />

I. Der Bericht Alberts VOll Stade (um 1240)<br />

1I. Die drei Stiefbrüder Kaiser Heinrichs lII.<br />

1Il. Namensvettern Ludolfs IV. von Braunschweig<br />

IV. Zur Herkunft Ludolfs IV. von Braunschweig<br />

V. Die Familie des Papstes Leo IX.<br />

VI. Die friesische Grafschaft bei Dokkum<br />

VII. Hamelner Bonifatiusgüter bei Kirchwahlingen<br />

VIII. Der Stader Markgraf Ekbert von Öhningen<br />

IX. ·.Die "sädlsische" Edle Ida von Birkendorf<br />

I.<br />

Das Bremer Domstift ließ sich 1145 durch König Konrad III. die "possessiones<br />

dominae Idae" und 1200 durch den deutschen König Philipp von<br />

Schwaben die "hereditas feminae Idae" bestätigen 1). Was es mit diesen Gütern<br />

der Frau Ida auf sich hatte, erfahren wir erst um 1240 aus den Annalen des<br />

Stader Priors Albert 2):<br />

Graf Eilmar 11. von Oldenburg - ein Sohn Eilmars 1. und der Richenza von<br />

Elsdorf - habe gegen den nordmärkischen Markgrafen Udo (111.) von Stade<br />

(f 1106) und dessen Sohn Heinrich (IV.) Ansprüche auf das Erbe seiner Großmutter<br />

Ida (von Elsdorf) erheben wollen, und zwar auf 300 Hufen in Twischensee<br />

(wüst bei KIein-Häuslingen), Otersen. Hülsen, Westen und Böhme (bei<br />

Kirchwahlingen an der Aller), in RoIfen. Schlieme und Riede (bei Thedinghausen)<br />

3) sowie auf Güter in Freiersen und Frankenbostel (bei Elsdorf), die<br />

1) K. F. 5 t u m p f - B ren t an o. Die Reichskanzler vornehmlich des 10 .• 11. u.<br />

12. Jh. (1865/1883) Nr. 3489; O. H. M a y. Die Regesten der Erzbischöfe von Bremen.<br />

Bd. I (1937) Nr. 684; Richard G. H u c k e. Die Grafen von Stade 90~1144, Genealogie.<br />

politische Stellung, Comitat und Allodialbesitz der sächsischen Udonen (Stade<br />

1956) S. 58.<br />

2) Annales Stadenses auctore Alberto z. J. 1112. in; M(onumenta) G(ermaniae<br />

Historiea). Scriptores rerum Germanicarum, Bd. XVI, hrsg. v. J. M. Lappenberg (1859)<br />

5.319 - fortan Ann. Stad. 1112.55. XVI 319; Huc ke aaO. 5.58 H. u. 178 ff.; ~ur<br />

jüngeren Geschichte einiger Güter Idas vgI. Heinrich Lau e. Alte Adelssitze und altadelige<br />

Geschlechter an der Unteraller (maschinenschr. Veröff .• Celle 1957/1961 H.).<br />

3) Erst 1679 kam Thedinghausen aus schwedischer Herrschaft ans Herzogtum Braunschweig;<br />

vgl. Theodor Müll e r, Das Amt Thedinghausen. seine Geschichte und Entwicklung<br />

(Thedinghausen 1928).


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dem Kloster Heeslingen 4) verpfändet waren. Vom Streit um diese Güter habe<br />

ihn aber der Stader Graf Friedrich (f 1135) abgehalten, der wn diese Zeit 1112<br />

vor dem Königsgericht in Rahmsdorf bemüht war, aus dem Dienst des nordmärkischen<br />

Markgrafen Rudolf I. von Stade 5) entlassen zu werden, aber durch<br />

den besagten Markgrafen Rudolf und durch den damaligen Sachsenherzog<br />

Lothar (von Süpplingenburg) nach Salzwedel entführt wurde, wo ihn ein kaiserliches<br />

Belagerungsheer befreite 6).<br />

Ida habe als eine aus Schwaben gebürtige Edelfrau in Elsdorf (bei Heeslingen)<br />

gewohnt und sei eine Bruderstochter Kaiser Heinrichs III. (f 1056)<br />

sowie eine Schwestertochter Papst Leos IX. (f 1054) gewesen 7). Markgraf<br />

Udo (I1.) von Stade (f 1082) - der Vater Udos (lII.) und Rudolfs (I.) - habe<br />

Idas Sohn, den Grafen Ekbert, in Wistedt bei EIsdorf getötet, obgleich er dessen<br />

Anverwandter war. Die dadurch ihres Leibeserben beraubte Ida sei nach Rom<br />

zu ihrem päpstlichen Oheim gepilgert, habe bei ihm Trost und Zuspruch gefunden<br />

und habe, nachdem sie in die Heimat zurückgekehrt war, ihre Stader Herrschaft<br />

diesem Markgrafen Udo (I1.) auf dem Erbwege überlassen.<br />

Dreimal sei Ida vermählt gewesen - zuerst mit Lippold, dem Sohn der<br />

Glismodis 8), dann (nacheinander) mit den beiden in Dithmarschen gefallenen<br />

Grafen Dedo und Etheler dem Weißen. Die aus der ersten Ehe stammende<br />

4) Das unter Otto dem Großen durch den kinderlosen Grafen Hed gegründete<br />

Kloster Heeslingen hei Zeven - Thietmari Merscburg,msis episcopi Chronicon. MG.<br />

SS. rer. Germ .• Nova Series IX. hrsg. v. Robert Holtzmann (1935. unveränderter Neudruck<br />

1955). Liber 11. cap. 42 (fortan Thietmar II. 42) - ist nicht zu verwechseln mit<br />

Hesslingen bei Wolfsburg. einer Besitzung der Grafen von Walbeck (Thietmar VlIl. 15).<br />

Das Namensregister bei R. Hol tz man n aaO. ist an dieser Stelle unzuverlässig (auch<br />

in R. Hol tz rn a n n s deutscher Ausgabe der Chronik Thietrnars; vgl. unten Anm. 77)<br />

und dementsprechend auch die TextsteIle bei Ruth Sc h ö I k 0 p f (geb. Goebel). Die<br />

sächsischen Grafen 919-1024. in: Stud. u. Vorarb. z. Hist. Atlas Niedersachsens<br />

(= Veröff. d. Hist. Komm. f. Niedersachsen. Reihe 11) Bd. 22 (1957) S. 82 Anm. 6.<br />

6) Der sächsische Annalist des 12. Jh. - Ann. Saxo 1087; S5. VI 724 - berichtet.<br />

daß Rudolfs I. Bruder. der Markgraf Lüder-Udo 111. (t 1106). seine Grafschaft Stade<br />

1187 dem Friedrich gab. der sie dann 40 Jahre lang besessen habe. Albert von Stade -<br />

Ann. Stad. 1112. 55. XVI 319 - erwähnt. daß Friedrichs Bruder Ulrich am Hofe Kaiser<br />

Heinrichs IV. aus der Dienstbarkeit dieses Markgrafen entlassen wurde und spricht von<br />

einer 60jährigen Amtszeit Friedrichs. der hochbetagt am 13.4. 1135 verstorben sei<br />

(Ann. Stad. 1135. SS. XVI 323).<br />

e) Belege bei Herbert W. V 0 g t. Das Herzogtum Lothars von Süpplingcnburg 1106<br />

bis 1125. in: Ou. u. Darst. z. Gesch. Niedersachsens. Bd. 57 (1959) S. 151 f.<br />

1) ulsta namque Ida nobilis femina de Suevia nata. in villa Elsthorpe manens. hercditatem<br />

habuit. que adhuc hereditas Idae dicitur. Hec fuit filia fratris imperatoris<br />

Heinrici lll.. filia quoque sororis Leonis pape qui et Bruno" (Ann. Stad. 1112. 5S.<br />

XVI 319).<br />

'<br />

Il) In Goslar tritt am 23. 3. 1052 als einer der heiden Erben des Bischofs Meinwerk<br />

(und seiner Schwester Glismodist) ein .Liutbold" auf - MG. Diplomata Regum et<br />

lmperatorum Germaniae. Urkunden Heinrichs lll .• Nr. 284 (fortan DH III 284). Ihn hält<br />

H u c k e aaO. S. 67 mit Redlt für den ersten der drei Gatten ldas von Elsdorf (vgl.<br />

unten Anm. 12).<br />

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Tochter Oda sei zunächst Nonne in "Rinthelen" ( = "Rinchelen·, Ringelheim?)<br />

gewesen 9), aber gegen Abtretung von Steddorf (bei Elsdorf) in den<br />

weltlichen Stand entlassen und einem "russischen König" zur Frau gegeben<br />

worden, dem sie einen Sohn .. Warteslav" geschenkt und nach dessen Tod sie in<br />

einer anderen Ehe in ihrer Heimat eine Tochter .. Aliarina" oder .. Akarina"<br />

- nämlich die spätere Mutter des 1130 ermordeten Grafen Burchard von Loeeum<br />

- geboren habe 10). Idas Sohn Burcnard sei Dompropst und erwählter Erzbischof<br />

von Trier geworden. Er hat - wie wir anderweitig erfahren 11) - 107;<br />

den Gatten seiner Schwester Oda in Kiew als Unterhändler Kaiser Heinrichs<br />

IV. besucht und entstammte wie die eingangs erwähnte Gräfin Riowfza<br />

von Oldenburg der dritten Ehe Idas.<br />

Der Bericht Alberts von Stade .. von der Ermordung des Sohnes der Ida<br />

durch den Markgrafen Udo von der Nordmark, von ihrer Reise Dach Rom, von<br />

dem christlichen Rate des Papstes, sie möge dem Mörder verzeihen, und endlich<br />

von dem heroischen EntschJ.uß, den Mörder an Sohnes statt anzunehmen", sieht<br />

für manchen kritischen Betrachter womöglich "sehr stark nach Erfindung oder<br />

wenigstens nach romanhafter Ausschmückung" aus 12), und mag den Eindruck<br />

erwecken, es sei "völlig vergebliche Mühe, auf Grund seiner Angaben die<br />

Abkunft der Ida bestimmen zu wollen" 13).<br />

Man hat daher neuerdings versucht, wenigsteIlS einen Teil seines Inhalts<br />

zu "retten" durch die Annahme, lda von Elsdorf sei zwar eine Schwestertochter<br />

8) Meinwerks Mutter ließ 1021 Hahausen dem Kloster .Ringelem" übertragen -<br />

DH Il 447; K. J an i e k e u. H. Ho 0 g ewe g. Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim<br />

und seiner Bischöfe (fortan UBHHild.) Bd. I. Nr. 66. In Rinteln (Weser) gab es<br />

damals noch kein Kloster. I<br />

10) Raissa Bio c h. Verwandtschaftliche Beziehungen des sächsischen Adels zum<br />

russischen Fürstenhaus im 11. Jh .• in: Festschr. f. A. Brackmann (1931). S. 183 ff. ermittelte<br />

den Svjatoslav 11. v. Kiew (t 1076) als den ersten Gatten und dessen jüngsten<br />

Sohn Jaroslav v. Kiew (t 1130) als den Sohn der Oda von Elsdorf; vgl. Wilhelm Karl<br />

Prinz v. I sen bur g, Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten (2. Auf!.<br />

hrsg. v. Frank Freytag v. Loringhoven. 1953 H.) Bd. H. Tafeln 89. 91 u. 93. He"<br />

Staatsarchivdirektor i. R. Dr. Erich W eis e (früher in Stade), dem hier für freundliche<br />

Beratung gedankt sei. glaubt den Namen der Mutter Burchards von Loccum aus dem<br />

russischen Mädchennamen Akulina. Akilina. lat. Aquilina entstellt. den auch Herr<br />

Dr. Pol I 0 c k - gemäß einer freundlichen Auskunft vom 4. 11. 1961 - im Slawischen<br />

Seminar der Universität Göttingen als einzigen ähnlichklir.genden nIssischen Vornamen<br />

festgestellt hat. Es erledigt sich damit der von H u c k e aaO. S. 66 f. unternommene<br />

Versuch. ihn irgendwie mit dem Vornamen des mit Bischof Meinwerk verwandten Grafen<br />

Otger von Kärnten in Verbindung zu bringen (vgl. unten Anm. 19).<br />

11) Lamperti mon. Herfeld. opera 1075. 55. rer. Germ. in uso schol. (ed. Holder­<br />

Egger) S. 202; BIo c h aaO. S. 190 H.<br />

11) Erich B ra n den bur g. Probleme um die Kaiserin Gisela. in: Berichte über die<br />

Verhandlungen der Sächsischen AkDdemie der Wissenschaften. Jg. 80. H.


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des Papstes Leo IX., aber keine Bruderstochter des Kaisers Heinrich III., sondern<br />

nur eine Nachkommin des mit Kaiser Otoos IlI. Schwester MathUde<br />

(t 1025) vermählten rheinischen Pfalzgrafen Ezzo Cf 1034) gewesen 14). Der<br />

seit 1045 regierende Sdlwabenherzog Otto 11. (f 1047) entstammte der Ehe<br />

Ezzos, ebenso die mit dem Polenkönig Mieszko II. (f 1034) vem1ählte Richenza<br />

(t 1063), welche übrigens den gleichen Vornamen getragen hat wie die jüngste<br />

Tochter Idas von Elsdorf und wie die Gemahlin des 1061 zum Herzog von<br />

Bayern erhobenen niedersächsischen Grafen Otto von Northeim (f 1083), und<br />

das lasse auf Verwandtschaft zwischen den "Ezzonen" und lda von Elsdorf<br />

schließen. Daher gipfelt diese genealogische Konstruktion in der Vermutung,<br />

Ida von ELsdorf und die mit Otto von Northeim vennählte Richenza seien<br />

Schwestern und somit womöglich Töchter des besagten ezzonischen Herzogs<br />

Otto II. von Schwaben gewesen. Auf diese Weise lasse sich vieIleicht auch die<br />

Behauptung des französischen Chronisten Alberich von Troisfontaines (um<br />

1240) bestätigen, wonach der - mit einer Enkelin Ottos von Northeim vermählte<br />

- Kaiser Lothar von Süpplingenburg vom Geschlecht des Herzogs<br />

Otto II. von Schwaben abstamme 15).<br />

Da diese weit her.geholte genealogische Konstruktion 16) in den jüngsten<br />

Untersuchungen über die Grafen von Stade und die Grafen von Northeim Anerkennung<br />

fand 17), obwohl ihr Urheber sie mittlerweile wieder faIlen gelassen<br />

H) Emil K i m p e .1, Ezzonen und Hezeliniden in der rheinischen Pfalzgrafschaft.<br />

in: Mitteilungen des Instituts für österreimisme Gesmimtsforsmung (= MIÖG), Erg.­<br />

Bd. 12 (1933) 5. 29 H.; zustimmend Albert K. H ö m b erg. Geschimte der Comitate<br />

des Werler Grafenhauses. in: Westfälische Zeitschrift Jg. 100 (1950) S. 33.<br />

15) '"Ottonem ducem Sueviae. de cujus linea descendit iIIe Lotharius dux 5axonum<br />

qui fuit imperator" (Alberici chron., MG. 55. XXIII 785). Am Beispiel der polnischen<br />

Königstochter Richza d. 1. (= Rica). die in erster Ehe mit König Alfons VII. von<br />

Kastilien (f 1157), in zweiter mit Graf Raimund v. Provence (f 1166). in dritter mit<br />

Graf Albert 11. von Everstein (njenseits Köln") vermählt war (MG. 55. XXIII 834).<br />

erweist sich. daß Alberich in genealogischen Dingen ziemlich zuverlässig unterrimtet<br />

war. Vgl. Hans 00 b b e r tin in: Armiv für schlesische Kirchengeschimte Bd. 15.<br />

(Hildesheim 1957) S, 1-4, Bd. 16 (1958) S. 315'-323. Bd. 17 (1959) S. 289-291 (im<br />

betreffenden Zitat muß es dort heißen: .. Ista sec und a Rikissa· statt •... secum<br />

Rikissa").<br />

16) Darüber, daß Alberich von der Abstammung Kaiser Lothars. nicht aber von jener<br />

seiner Gattin Richenza von Northeim spricht. ging K i m p e n aaO. großzügig hinweg.<br />

ohne zu erwägen. ob eine der Urgroßmütter Lothars - z. B. die Gattin Konrads von<br />

Haldensleben (vgl. die Stammtafel bei V 0 g t aaO.) - eine .. Ezzonin" gewesen sein<br />

mag.<br />

17) Aus einem der zahlreichen Schreibfehler in der .. Rosenfelder" (= Harsefelder)<br />

Klostermronik (vgl. unten Anm. 20) - die Gattin Ottos von Northeim wird versehentlich<br />

lda (statt Richenza-Rixa-Rica!) genannt - zieht H u c k e aaO. 5. 31 u. 59 H. den<br />

.naheliegenden Schluß. daß der Chronist ,Ida' irrtümlich für .Richenza' gesetzt hat, weil<br />

er die bei den Schwestern verwechselte". - Hierdurch glaubt Karl-Heinz L a n g e, Die<br />

Grafen von Northeim 950-1144. Politische Stellung. Genealogie und Herrsmaftsbereich,<br />

Beiträge zur Geschimte des sädlsischen Adels im Hochmittelalter (Dis5. Kiel 1958) Bd. 1,<br />

S. 4S - vgl. der s. Die Stellung der Grafen von Northeim in der Reimsgeschichte des<br />

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hat 18), erscheint eine Klärung der Fragen um die Herkunft ldas von Elsdorf<br />

aktuell und wünschenswert.<br />

Hierbei wird man bei aller gebotenen Vorsicht davon ausgehen dürfen, daß<br />

der Stader Prior Albert zwar recht spät über die Erbsdtaftsangelegenheit des<br />

Grafen Eilmar 11. von Oldenburg berichtet, daß er aber im allgemeinen keine<br />

schwerwiegenden Irrtümer begangen hat 19). Und da sein Bericht in jüngere<br />

Chroniken unwidersprochen aufgenommen worden ist 20), sollte man ihm nicht<br />

von vornherein eine "romanhafte Ausschmückung" oder gar eine "Erfindung"<br />

unterstellen.<br />

11.<br />

Die Forsdtung hat sich sehr bemüht, jenen der drei Stiefbrüder Kaiser Heilfr/dis<br />

1II. festzustellen, welcher - wenn man den Bericht Alberts von Stade als<br />

zuverlässig ansieht - der Vater Idas von ElsdOTf gewesen sein mag. Der sagenberühmte<br />

Sdiwabenherzog Ernst H. Cf 1030) war noch jung und unvermählt,<br />

als er sich letztmalig gegen seinen Stiefvater - den Kaiser Konrad II. - auflehnte<br />

und im Schwarzwald in einem Gefecht durch seine Häscher getötet wurde,<br />

und sein 1030 an seiner Stelle zwn neuen Schwabenherzog ernannter Bruder<br />

Hermann IV. Cf 1038) stand 1030 noch unter Vormundschaft des Bisdtofs War-<br />

11. u. frühen 12. Jh., in: NiedersädlSisches <strong>Jahrbuch</strong> für Landesgeschichte Bd. 33 (1961),<br />

S. 10 u. 13 f. - bereits ndie Schwesternschaft Idas (von Elsdorf) und Richenzas (der<br />

Gattin Ottos von Northeim) außer allen Zweifel gestellt". Er weist aber auch hin auf<br />

eine Nachricht - bei J. G. Leu c k f eId, Antiq. Northeim. 5. 233. f. -, wonach Otto<br />

ven Northeim die ndominam Rikensam gloriosam imperatricem. id est filiam imperatoris<br />

Heinricl 111. Bavariae Ducis cognomento c1audi", also tine Tochter des seit 1052<br />

persönlich in Bayern auch als Herzog regierenden Kaisers Heinrich 111. (0. zur Frau<br />

genommen haben soll.<br />

18) Emil K i m p e n. Zur Königsgenealogie der Karolinger- bis Stauferzeit. in: Zeitschrift<br />

für die Geschichte des Oberrheins, Jg. 103 NF 64 (Karlsruhe 1955) S. 89 f.:<br />

H u c k e aaO. 5. 61 Anm. 429.<br />

18) Zwei Beispiele: a) Die Mutter Burchards von Loccum wird zuerst richtig als<br />

Tochter Odas (von Elsdorf). hernach jedoch (versehentlich) als Tochter Idas (von Elsdorf)<br />

bezeichnet (Ann. Stad. 1112 55. XVI 319 f.). Aus diesem harmlosen Schreibfehler konstruiert<br />

H u c k e aaO. S. 67 Anm. 475 zwei Damen namens Akarina (Mutter und<br />

Tochter), deren Namen er zu (Ot)akarina erweitert. b) Richenza von Northeim (Ottos<br />

Enkelin I) gebar nach 15jähriger kinderloser Ehe dem Herzog (und späteren Kaiser)<br />

Lothar 1115 eine Tochter, berichtet der sächsische Annalist (Ann. Saxo 1115, SS. VI<br />

751). Dagegen meldet Albert von Stade die Eheschließung Lothars und der Richenza<br />

erst zum Jahre 1113 (MG. 5S. XVI 321). Vermutlich nahm er an, daß diese 1115 geborene<br />

einzige Tochter (Gertrud), die übrigens 1129 Heinrich den Löwen gebar, schon<br />

kurz nach der Eheschließung Lothars zur Welt gekommen sei.<br />

20) Hamburger Chronik 799-1559, in: Hamburgische Chroniken in niederdeutscher<br />

Sprache, hrsg. v. J. M. L a p p e n b erg (Hamburg 1861) S. 381; Chronicon Monasterii<br />

Rosenfeldensis seu Harsefeldensis, in :Monumenta inedita rerum Germanicarum praecipue<br />

Bremensium. hrsg. v. Joh. V 0 g t (Bremen 1740) - je eine Abschrift im Besitz des<br />

Stader Geschichtsvereins und der Landesbibliothek Hannover (17. Jh.): H u c k e aaO.<br />

5 67 Anm. 478. nicht identisch mit den Annales Rosenveldenses, MG. 55. XVI 99-104.<br />

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mann von Konstanz und starb nach kinderlos gebliebener Ehe 21). Dagegen hat<br />

der dritte Stiefbruder Kaiser Heinrichs III., Graf Ludolf IV. VOI1 Braul1schweig<br />

(t 1038), in einer nach 1031 geschlossenen Ehe 22) mit einer aus unbekanntem<br />

Geschlecht stammenden Gertrud (t 1077) zwei Söhne - Bruno VII. (t 1057)<br />

und Ekbert I. (t 1068) - gezeugt 23). Weil wir aber annehmen müssen, daß er<br />

erst in der zweiten Ehe der zuletzt mit Kaiser Konrad H. vermählten smwäbischen<br />

Herzogstochter Gisela (t 1043) - also erst nach dem Tode des am<br />

31. Mai 1015 auf einer Jagd tödlich verunglückten Schwabenherzogs Erl1st 1.<br />

(t 1015) - im Jahre 1016 geboren ist 24), wird auch er schwerlich als der leibliche<br />

Vater ldas von Elsdorf und somit als der leibliche Großvater mütterlicherseits<br />

des in Wistedt ermordeten Grafen Ekbert gelten können.<br />

Als Urkundenzeuge ist "Liutolfus filius Gisele imperatricis" - wie Graf<br />

Ludolf IV. von Braunschweig im Weißenburger Nekrolog genannt wird 25) -<br />

erst am 1. Juli 1028 in einer in Magdeburg für das Kloster Corvey ausgestellten<br />

Urkunde sicher nachweisbar, und zwar hinter den Herzögen Bernhard<br />

(II. von Sachsen), Adelbero (von Kärnten) und Ernst (II. von Schwaben) als<br />

nLiutulfus comes privignus imperatoris" 26), also als Stiefsohl1 des Kaisers<br />

KOl1rad 11. Bischof Branthog von Halberstadt unterstellte 103l der Magnikirche,<br />

die durch zwei "liberi homines" - nämlich durch einen gewissen Hatheguard<br />

und dessen Gattin Atta - erbaut war, 11 Ortschaften (einschließlich<br />

Braunschweigr), und zwar geschah dies "Luidolfo comite ejusque principibus<br />

21) ,Georg D e h i 0, Hartwig von Stade, in: Bremisches <strong>Jahrbuch</strong> 6 (1672) S. 131.<br />

vermutete, Ernst 11. von Schwaben habe vielleicht eine uneheliche Tochter (=lda von<br />

Elsdorf) gehabt. K. E. H. Kr aus e, lda von Elsthorpe und ihre Sippe, in: Forschungen<br />

zur deutschen Geschichte 15 (1875) S. 639 H. wies diesen Gedanken zurück; denn<br />

Konrad Il. hatte zum Tode Ernsts 11. gesagt: .Bissige Hunde haben selten Nachkommen"<br />

- Die Werke Wipos, aus: MG. Sero rer. Germ. in uSllm scholarum, hrsg. v.<br />

Harry BreSlau (1915, unveränderter Neudruck 1956) eap. 28 5.47.<br />

22) 1. Ha e n seI man n, Urkundenbuch der Stadt Braunschweig (1861 H.) Bd. U,<br />

Nr. 1 (1031. Original), vgl. unten Anm. 27; H(einrich) B ö t t ger, Die Brunonen,<br />

Vorfahren und Nachkommen des Herzogs Ludolf von Sachsen 775-1117 USW. (Hannover<br />

1865) S. 489 Anm. 683. Obersichtshalber behalten wir Bö t t ger s Zählung der<br />

.Brunonen" bei, da bei V 0 g t aaO. S. 42 H. (bes. S. 47 oben) noch unklar geblieben<br />

ist, wer künftig .Bruno 1. (von Braunschweig)" heißen soll.<br />

23) Ann. Saxo 1038 U. 1057 S5. VI 682 U. 692; Böttger aaO. S. 498 H.<br />

24) "Haee Gisla et soror ejus Mechthildis fratresque ejus Rodulphus et Bernhardus<br />

nati erant in Westfalia de loeo, qui dicitur Werle. Gisla nupsit primum Ernesto filio<br />

Liuppoldi marchionis genuitque ilIi Hermannum dueem Suevorum. Duee Ernesto<br />

defuncto aeeepit eam uxorem eomes Bruno de Bruneswic peperitque i1Ii Liudolfum<br />

eomitem. Comite Brunone etiam defuneto duxit eam violenter Conradus cognatus suus<br />

genuitque ex ea, de quo loquimur, Henricum" (Ann. Saxo 1026 S5. VI 676); vgl. I senbur<br />

g 1,4 (wo als Todesdatum Ernsts I. versehentlich der 3. 5. 1015 - statt der 31. 5.<br />

1015 - angegeben ist).<br />

25) J. F. Bö h m e r, Fontes rerum Germanicarum (Stuttgart 1868) Bd. IV, S. 311 .<br />

••) DK Il 124 (1028), vgl. unten Anm. 59.<br />

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quam plurimis astantibus" 27), also in Gegenwart des noch unvermählten (I)<br />

Grafen LudoIf IV. und mehrerer seiner Fürsten. Die angeblich noch unter dem<br />

Bischof Godehard von Hildesheim (t 1038) gegründete Stiftskirche (St. Petri<br />

und St. Pauli) in der Burg Dankwarderode, an deren Stelle Heinrich der Löwe<br />

1112 den Neubau des Braunschweiger Doms (St. Johannis Baptistae und St. Blasii)<br />

zu errichten begann, stammt erst aus der Witwenzeit der 1077 in ihr<br />

begrabenen Gertrud und der Regierungszeit ihres Sohnes Ekbert I. 28).<br />

Von seinem leiblichen Vater - dem vor 1018 verstorbenen, offenbar mit<br />

Bischof Bernward von Hildesheim (t 1022) in Feindschaft lebenden Grafen<br />

Bruuo VI. 29) - hatte Ludolf IV. als "frater" Kaiser Heinrichs III. SO) und als<br />

"patruus" Kaiser Heinrichs IV. 31) eine auf seinen Sohn Ekbert 1. weitervererbte<br />

Grafschaft übernommen, die vom Kaiser zu Lehen ging und die dem<br />

Bischof Azelin von Hilde6heim 10'>1 durch Kaiser Heinrich III. sowie 1057<br />

durch dessen Sohn (König Heinrich IV.) bestätigt wurde. Sie umfaßte im Nordthüringgau,<br />

im Derlingau, im Ostfalengau, im Salzgau, im Gretingau und im<br />

Gau Mulbeze (in pagis Northduringen, Darlingen, Valen, SaIthga, Grethe,<br />

Mulbeze) die Pfarrbezirke Schöningen, Watenstedt, Schöppenstedt, Lucklum,<br />

Atzum, Gr. Stöckheim, Denstorf. Ringelheim, Beedenbostel, Hankensbüttel und<br />

Wienhausen 82).<br />

III.<br />

Manche Forscher haben noch immer nicht zur Genüge erkannt, daß dieser<br />

1038 "immatura morte", also verhältnismäßig jung verstorbene Stiefbruder<br />

Kaiser Heinrichs III. namens ludoIf einen älteren Namensvetter hatte, der<br />

bereits 1023 starb und von ihm in den Hildesheimer Annalen deutlich unter-<br />

21) VgI. oben Anm. 22. Man hätte sicherlich nicht nur Hatheguards Gattin Atta.<br />

sondern auch Ludolfs IV. Gattin Gertrud bei Beurkundung dieser geistlichen Stiftung<br />

genannt. wenn Ludolf IV. 1031 schon vermählt gewesen wäre.<br />

28) Bö t t ger aaO. S. 483 ff. V 0 g t aaO. S. 59 (Anm. 37-40) gibt versehentlich<br />

1030 als letztes Regierungsjahr des erst 1038 (und zwar einen Monat nach Ludolf IV.!)<br />

verstorbenen Bischofs Godehard an. D~r<br />

Steinsarkophag Gertruds (tl077) steht jetzt<br />

neben den (neuen) Steinsärgen Heinrichs des Löwen und der Mathilde von England<br />

in der neuen Gruft unter dem Grabmal Heinrichs und M:lthildes. Früher befand er<br />

sich weiter östlich in der Krypta. welche noch Bauteile der alten Stiftskirche des 11.<br />

Jh. enthält. (frd!. Hinweis von Prof. Dr. Dr. 5 pie s s - Braunschweig).<br />

29) Thietmar VIII, 24; vgl. unten Anm. 6~. In der Literatur wird er häufig mit jcncm<br />

Brun verwechselt. der 990 am Kampf gegen Boleslav von Böhmen teilnahm. im eigenen<br />

Hause 1014 durch einen gewissen Milo ermordet wurde und sicherlich identisch war mit<br />

Brun, dem Bruder des Meißner Markgrafen Günzelin von Kuckenburg (Thietmar IV. 11;<br />

VI, 53-55; Vll, 4-6).<br />

30) DH III 279 (1051) = UBHHild. I, 86 (1051).<br />

31) DH IV 22 (1057) = UBHHild. 1. 96 (1057).<br />

32) Vgl. hierzu das Halberstädter Archidiakonatsverzeichnis bei Bö t t ger a30.<br />

S. 160 H.<br />

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Stammtafel 1<br />

Zur Frage der Verwandtschaft der Kaiserin Gisela mit den Grafen von Werl<br />

Gerbergo T. d. Kg. KONRAD v. Burgund 997. 1000 •• comitlssac (In Werl)<br />

co q Bernhord Graf in Westfalen 980 'Hermann 11. Hz. v. Schwoben tlG03'<br />

Hermann, 978 Gral im Gau Angeron", i985 Friedensvermittler In Bayern bel<br />

Hz. Heinrich dem Zanker (Thletm. IV, 8), it995 b. Maraholt(in Westfaleni)<br />

,<br />

I I I I I ----,-<br />

I Hermann, S. d. Gfn. I Rudoll Graf I Bernhard 1023f 'Mathilde 'Bertold 'GISELA 'Hermann 111.<br />

Gerberga, GI. v. Werf t 12.7. (i) Graf v. Werl co erstmolig '992 t993 .99911043 Hz. v. Schwaben<br />

997 -10,24'" I I 1003 ... • t 1012 alupuer.<br />

Hein. I Kon. I Adel. I Bern. I Hermann d. J. Id<br />

0 co 'H e I nrl 'ch<br />

1 Ernst ' 11. I Hermann I IV. 'Ludoll I IV.<br />

rlch rad bart hard (1015)-52 GI. Gf.v.lauften '1014tl030 ·1015tI03B ·1016tlO3B<br />

101611 1024 1024 1024ff co Richenza (die 'N. (I. Sachsen) 1015 Hz. v. 1030 Hz. v. GI.v. Braun-<br />

I ! I I spätere Gattin I Schwaben Schwaben schweig<br />

I GI. Ollos v. 'SIeglried I I<br />

consobrinIHEINRICHSII.(lm2. Northeim) v Artl b I<br />

GradelJdurch Blutsverwandtschaft I . en urg hinterließen keine Kinder<br />

mit Hzn.Glselav. Bayern (tl006), Od W I<br />

einer Schwester der Kaiserin 0 v. er<br />

ADE LH EID (t999) und Stief.<br />

00 Udo I Lv/tode<br />

schwester der Gerberga t 1082 Mg .<br />

"HEINRICH 111.<br />

°1017 t 1056 König,<br />

Kaiser, Vatersbruder<br />

Idas v. Etsdorf<br />

(SS XVI 319f)<br />

• Hinterlie6 1003 einen gleichnamigen Sohn und drei Töchter •<br />

•• Kommt als Gotte Gerbergas - anstelle Bernhards - in Frage, wenn er nicht der 995 bei Maraholt gefallene Gral Hermann war, kann ober wohl eher der<br />

Schwiegervater oder ein Schwager Gerbergas gewesen sein.<br />

"'War ein consobrinus Kaiser Heinrichs 11. Im ersten Grade, da belder Mütter Stiefschwestern waren .<br />

•••• Leibliche Tochter Hermanns 11. von Schwaben, 1003 vermählt (als 12 jährigei) mit dem blutsverwandten Herzog Konrad v. Kärnten (t 1011), später mit dem gleichfalls<br />

blutsverwandten Herzog Friedrlch v. Oberiothrlngen (t 1026127), war vermutlich 1034 verstorben, kommt ober auch noch als Gattin Esichos von Bellenstedt<br />

und Muller Albrechts d. Ä. (des Großvaters Albrechts des Baren) In Frage (vgl. Ann Saxo 1026 u. 1082 SS VI 676 u. 7201).


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schieden wird 38). Als Nachfolger eines Grafen Rüdeger (997) war dieser ältere<br />

"Liudulfus comes" ~013 Komitatsinhaher im Gudingau (Gudinge) heim Gut<br />

* Ledi (wüst jenseits Gronau/Leine), welches damals durch den "miles" Gottfried<br />

- einen Sohn des "comes" Bardo - mit Zustimmung des Kaisers der<br />

Hildesheimer Kirche geschenkt wurde 34). Um 1022 35 ) gehörten zur "prefectura"<br />

dieses älteren (Grafen) Ludolf im Nordteil des Gaues Flenithi und in<br />

den nordwestlich daran angrenzenden Gauen Gudingau, Valathungau und<br />

Aringau (Guddingun, Valothungon, Aringon) die Dörfer Wrisbergholzen (Holthusen),<br />

Segeste (Segusti), Petze (Pezunsun), Sellenstedt (Scellenstide), Grafelde<br />

(GrafIon, Grafla), Elu (Aluzun, Aluzun), Boitzum (Beztem, Bizum), Esbeck<br />

(Ashize, Ashike), * Reinlevessen (Reinlevessun, Reinleveshem, = wüst bei<br />

Esheck zwischen Sehlde und Quanthof heim Gogerichtsplatz Mühlenhrink 36),<br />

11- Hossingessen (Hozingissen, Hozingesem, = wüst vor Salzhemmendorf 37),<br />

Alferde (Alacfurdi, Alecfurde), * Didersen (Thiederessen, Thiederessem, = Gr.<br />

und Kl. Dierssen, wüst bei Eldagsen am heutigen Wisentgehege 38), 11- Har-<br />

33) Annales Hildesheimenses, MG. Sero rer. Genn. in usum Scholarum, Bd. VIII,<br />

hrsg. v. G. W a i t z (1878, Neudruck 1947) S. 34 u. 43; B r a n den bur g a30. S. 15<br />

Anm. 1.<br />

SO) DO III 242 (997); DH 11 263 (1013) = UBHHild. 1. 57 (1013). Graf Rüdeger<br />

wird vor 993 zusammen mit einem Grafen Liudulf genannt (UBHHild. I, 35).<br />

36) UBHHild. I, 69 vgl. 67 (10221) = DH II 260 (hier, vom Urkunden text abweichend.<br />

willkürlich ins Jahr 1013 gesetztl); vgl. das echte Original DH II 479 (lou I)<br />

= UBHHild. I, 68 (10221) und die Stiftungsurkunde UBHHild. I, 62 (10191). Wegen<br />

Unkenntnis oder Nichtbeachtung einiger Wüstungen haben K. J a nie k e u. H.<br />

H 0 0 g ewe g (Register zum UBHHild.) sowie H. B r e ß lau und seine Mitarbeiter<br />

(Register zu den DDH ll) manche Ortschaften falsch lokalisiert.<br />

38) Den Quanthof mit 7 Hufen zu Sehlde, belegen auf dem Felde zu .Reinlevessen"<br />

(1733 "Reinser Busch" genannt!), 3 1 /2 Hufen zu Deilmissen, 3 Hufen zu Everdessen<br />

(wüst nördl. Eldagsen vor der Hallermühle). den Zehnten 2U Esbeck und 60 Zock Salz<br />

zu Salzhemmendorf verkaufte der Johanniterorden (aus Templerbesitz) 13 59 an den<br />

Edelherm von Homburg (Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen 1880,<br />

S. 109). - Papst Coelestin 1II. bestätigte am 27. 1. 1193 dem Hildesheimer Michaeliskloster<br />

u. a .• in Reinelevessen mansum unum et quedam iugera" (UBHHild. I. 492;<br />

Original, ebda.ll. N. 13). Diese "hove landes, als se belegen is in unde buten deme dorpe<br />

to Rentzer (1), ... by deme Esebeker weghe .. vp den Molenbrinck, dar me dat godinck<br />

plecht to sitten ... " wurde durch das Michaeliskloster am 20. 1. 1480 an den Bürgermeister<br />

der Stadt Elze verpfändet (Beverinsche <strong>Bibliothek</strong>, Hildesheim, Hs. 279, 15. Jh.,<br />

nach einem frdl. Hinweis von Herrn Mittdschulrcktor i. R. Wilhelm Ha r t man n,<br />

Hildesheim, auf Grund seiner Kartei der Wüstungen dieser Gegend).<br />

37) Graf Friedrich von Spiegelberg belehnte 1511 einen Hamelner Bürger u. a. mit<br />

1 Hufe Land vor dem Solte zu Hemmendorf unter dem Lauenstein, geheten zu Hossingessen<br />

(Spiegelb. Lehnbuch, früher im Staatsarchiv Marburg, nach einem frdl. Hinweis<br />

von Herrn Mittelschulrektor i. R. W. H art man n).<br />

38) Der Knappe Cord Rassche verpfändete um 1400 dem Bürgenneister der Stadt<br />

Münder "IlI hove landes vor Eldagessen, de II hove liggen to Lodberghen vnd I hove<br />

(to) Didersen", welche ehemals von den Grafen von Hallennund zu Lehen gingen<br />

(v. L e n t h e, Archiv f. Gesch. u. Verfass. d. Fürstenthums Lüneburg, Bd. 9, 1863,<br />

Lehnsregister, Nr. 943).<br />

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boldessen (Halacboldessun. Alacholdessem. = wüst am EIdagser Obergut 39).<br />

Thüste (Tiuguste. Thiuguste). Söder (Suthre. Suthere). * Harlessem (Harlissem.<br />

Harlissem. = wüst bei Itzum). Heersum (Hathericheshem. Haederichesem).<br />

Barfelde (Bereuilte. Berevelte). Betheln (Betenun. Betenem). WaIIenstedt<br />

(Wallenstide. WaIIenstide). * Megecingerode (Megecinroth. Megecingeroth.<br />

= wüst bei Wallenstedt) •• Ahghem (Achem. Adlem) und Rheden (Rethun.<br />

Rethen).<br />

Kurz nach dem Hildesheimer Dombrand vom 21. Januar 1013 stellte Kaiser<br />

Heinrich II. in der Pfalz WerIa (bei Schladen) eine Neufassung der vermutlich<br />

etwa 1007 angefertigten und wohl stark beschädigten Urkunde aus. durch<br />

welche Erzbischof Willigis von Mainz zugunsten des Bi-schofs Bernward von<br />

Hildesheim seinen Ansprüchen auf das Stift Gandersheim entsagte 40). In der<br />

angehängten Zeugenreihe (aus der Zeit um 10071) wird außer dem Herzog<br />

Hermann 111. von Schwaben. der ein leiblicher Bruder der späteren Kaiserin<br />

Gisela war und am 1. April 1012 als .. puer" starb 41). unter anderm auch ein<br />

.. liudulf comes" (vor einem .. Dodico comes") genannt. Die ältere Forschung<br />

zweifelte nicht daran. daß dieser vor 1013 als Urkundenzeuge auftretende<br />

Graf Ludolf identisch gewesen sein könne mit Kaiserin Giselas Sohn Ludolf IV.<br />

von Braunschweig. und sie folgerte daraus. daß dessen Vater Bruno VI. schon<br />

um 1007 oder noch früher verstorben sei 42). also nicht der zweite. sondern<br />

der erste der drei Gatten Giselas gewesen sein müsse 43). Den Gedanken. daß<br />

der 1023 verstorbene (Hildesheimer) Graf Ludolf 44) oder ein anderer Graf<br />

89) W. v. Ho den b erg. Calenberger UTkundenbuch VIII. Nr. 16 (Halboldessen).<br />

Nr.44 (HaTboIdessen). NT. 47 (Hareboldessen) usw.; Karten im Archivlager des Landeskulturamts<br />

Hannover (Hochbunker in limmer) zum Rezeß Springe Nr. 56.<br />

10) DH 11 255 (1013) = UBHHild. I. s; (1013); Konrad A I ger mi s sen in: Festschr.<br />

"Bernward und Godehard von Hildesheim. ihr Leben und Wirken" (Hildesheim<br />

1960) S. 36-39. Außer In dieser Urkunde wird Graf Dodico von Warburg (t 29. 8.<br />

1(20) seit 990 mehrfach erwähnt (DDO 1II 59 u. 357. DDH 11 47. 266. 407. 418. 430.<br />

n. s. T. 439 usw.). Er war vielleicht jener Graf liudolf. der zusammen mit dem im<br />

Aringau regierenden Grafen Rüdeger (DO III 242. vgl. oben Anm. 34) vor 993 in einer<br />

Zeugenreihe genannt wird (UBHHild. I. 35). sowie der 1006 und (n. s. T.) 1021 bezeugte<br />

Paderborner Graf liutolf (DDH 11 121 u. 440; H. A. Erhard. Westfälisches Urkundenbuch.<br />

1847 H .• Bd. I. Nr. 87.1 usw.); denn ebenso wie Kaiser Ottos I. Sohn Dudo<br />

(Thietmar 11. 5 u. 7 f.) kann Dodico von Warburg mit vollem Namen liudolf gehei~en<br />

haben.<br />

&1) Herim. Aug. chron. 1012. 55. V 119.<br />

12) Bö t t ger aaO. meint. Bruno VI. sei um 1003. jedenfalls aber vor 1008 gestorben.<br />

VgI. Paul R 0 c k roh r. Die letzten Brunonen (Diss. Halle 1885) 5. 10.<br />

13) Diese den Quellen widersprechende Meinung herrscht auch heute noch vielfach in<br />

der Forschung vor.<br />

14) Vgl. oben Anm. 33. Bö t t ger aaO. 5. 466 Anm. 638 verweist hierzu auf die<br />

Nekrologeintragung: "Aprilis X. Ks. Obiit Ludolphus comes. qui contulit allodium<br />

Doruerden" (Dörverden liegt inmitten des Streubesitzes der Ida von EIsdorfI). Leider<br />

konnte ich bisher nicht ermitteln. aus welchem Nekrolog B ö t t ger diese Eintragung<br />

entnommen hat.


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dieses Namens 45) um 1007 bei Schlichtung des erwähnten Gandersheimer<br />

Hoheitsstreits 46) zugegen gewesen sein mag, hat man erst ernsthaft erwogen,<br />

nachdem im Jahre 1900 im Dem zu Speier in Giselas Grab ein Bleitäfelchen<br />

gefunden wurde, dessen Inschrift beginnt: "Anno dominicae incarnatienis<br />

DCCCCXCVIIII. III. idus Novembris feliciter nata Gisila imperatrix •.. ", alS{)<br />

den 11. November 999 als den Geburtstag der Kaiserin Gisela bezeichnet 47)<br />

und S{)mit zugleich die im Bericht des sächsischen Annalisten mitgeteilte Reihenfolge<br />

der drei Ehen Giselas 48) bestätigt.<br />

Bereits als zwölf jähriges Mädchen wurde die aus dem Geschlecht der Grafen<br />

von Andechs-Meran stammende hl. Hedwig (t 1243) dem Herzog Heinrich dem<br />

Bärtigen ven Schlesien (t 1238) angetraut, und sie ist im Alter von 13 Jahren<br />

und 13 Wochen zum ersten Male schwanger, also mit etwa 14 Jahren zum<br />

ersten Male Mutter geworden 49). Solche Frühehen waren im Mittelalter gang<br />

und gäbe 50). Daher mag auch Gisela erst 12 Jahre alt gewesen sein, als ihr<br />

Bruder, Herrog Hermann m., 1012 starb und als der mit ihr vermählte Bamberger<br />

Markgrafensohn Ernst 1. als dessen NachfeIger Herrog von Schwaben<br />

45) In "Ringhelmi" tritt mit dem in Wallmoden, Haverlah und Hahausen (bei<br />

Ringelheim I) erbberechtigten Paderborner Bischof Meinwerk ein "Liudulf comes" mit<br />

zwei eigenen Rittern (Eil bracht und Tiada) und mit drei weiteren Grafen (Erpo, Benno<br />

und Ekkico) als Urkundenzeuge auf: Westf. UB I, Nr. 87,2, fehlerhaft zitiert in: Vita<br />

Meinwerci episcopi Patherbrunnensis. hrsg. v. F. Te n c k hof f (1921) cap. 36 S. 36<br />

(frdl. Hinweis von Herrn Universitätsprofessor Dr. Albert K. H ö mb erg, Raestrup<br />

über Münster). Wenn dies nicht der wohl schon um 1022 (DH 11 2601) unter Vonnundschaft<br />

im Derlingau regierende Ludolf IV. von Braunschweig war, dem wegen Unmündigkeit<br />

zwei Eideshelfer mitgegeben sein mög~n und zu dessen Komitat Ringelheim gehört<br />

hat (DH 1I1 279 u. DH IV 22), mag es sich entweder um den Grafen liudulf bei' Ledi<br />

(t 1023) oder um den Grafen Dodico von Warburg (t 1020) - vgl. oben Anm. 40 -<br />

gehandelt haben. Zu beachten ist ferner, daß ein gewisser .Nobilis" namens Liudolf.<br />

dessen Bruder Wicker hieß, mit seiner Gattin Suanehild aus "Welmithe" (Wall moden 7)<br />

zu Kriegsdiensten Ins Bistum Paderbom übergesiedelt ist (Vita Mcinwerci ed. T e n c k -<br />

hof E, cap. 70 S. 48).<br />

46) Vgl. oben Anm. 34.<br />

47) H. G rau e r t, Die Kaisergräber im Dom zu Speier, in: Sitzungsberichte der<br />

Münchener Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse (1900) S. 539 H.; H. J.<br />

R lee k e n b erg, Das Geburtsdatum der Kaiserin Gisela, in: Deutsches Archiv für<br />

Erforschung des Mittelalters 9 (1952) S. 535 H.<br />

48) Vgl. ohen Anm. 24 und den Bericht der um 1300 (etwa zur Zeit des Bischofs<br />

Siegfried 11. von Hildesheim) verfaßten Braunschweiger Reimchronik (MG. Deutsche<br />

Chroniken 11, S. 4760.<br />

49) Ioseph Go t t s c haI k, Das Geburtsjahr der hl. Hedwig, ein Beitrag zur<br />

Chronologie der schlesischen Pi asten im 13. Ih., in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte<br />

19 (1961) S. 26.<br />

GO) Beispielsweise heiratete Heinrich der Stolze 1128 die damals 13jährige Königstochter<br />

Gertrud von Süpplingenhurg, und der 1129 dieser Ehe entsprossene Heinrich der<br />

Löwe (vgl. oben Anm. 19) vermählte sich 1168 mit der 12jährigen englischen Königstochter<br />

Mathilde (t 1189).


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wurde 51). Gisela wird 1014 den seit 1015 unter Vonnundschaft des Erzbischofs<br />

Pop po von Trier als Herzog in Schwaben regierenden Ernst 11. 52 ) und lOH<br />

dessen leiblichen Bruder Hermann IV. geboren haben, und sie wird dann 1016<br />

in einer sehr kurzen Ehe mit Bruno VI. von Braunschweig dem Grafen Ludorf<br />

IV. das Leben geschenkt haben 53), bevor sie - nach gewaltsamer Eheschließung<br />

54) - dem Frankenherzog und späteren Kaiser Konrad 11. am 28. Oktober<br />

1017 den späteren Kaiser Heinrich III. gebar 5:1). Verbesserungsvorschläge<br />

für den Text der Bleitafelinschrift aus Gise1as Grab 56) sind, so scharfsinnig<br />

sie auch ersonnen sein mögen, daher überflüssig und verwirren nur.<br />

Wir gehen in unserer Untersuchung davon aus, daß das auf dem Bleitäfelchen<br />

überlieferte Geburtsdatum der Kaiserin Gisela, zumindest aber die<br />

vom sächsischen Annalisten mitgeteilte Reihenfolge der drei Ehen dieser<br />

Kaiserin richtig ist 57), sind also der Meinung, daß Graf Ludolf IV. 1028, als<br />

Gi) Annales Sangallenses maiores. MG. SS. I 82.<br />

G2) Thietmar VII, 16; Ann. Saxo 1015, S5. VI 668; vgl. Die Werke Wipos ed.<br />

B re ß 1 a u (vgl. oben Anm. 21) cap. 1 S. 10.<br />

53) Womöglich ist Ludolf IV. erst nach dem Tode seines Vaters Bruno VI. geboren,<br />

der vielleicht um lOH noch urkundlich nachweisbar ist: Als Zeugen des Bischofs Meinwerk<br />

von Paderbom erscheinen bei einer Übertragung von Erbgütern in uHeringi"<br />

(Ostharingen bei Ringelheim 7) um 1015 "Dodica comes" (von Warburg, t 1020),<br />

"Ymmid" (Vogt von Paderborn), " B run co m es" (von Braunschweig 7), "Benneca",<br />

"Reinhald" und "Acca" (Westf. UB I, Nr. 87, 23; vgl. Vita Meinwerci ed. Te n c k -<br />

hof f cap. 120, S. 61). In einer weiteren Urkunde über Güter im Komitat des Paderborn<br />

er Vogts Amelung werden 1015 an der Spitze der Zeugenreihe genannt: Dodica<br />

comes, B run, Amulung (Vogt von Paderborn!), Ecbehrt (wohl dessen Bruder, vgl.<br />

unten Anm. 64 u. 112), Vuikin (= Widikin comes!), Tamma (ebenfalls Graf) etc.<br />

(Westf. UB I, 86).<br />

64) Thietmar VII, 62; Ann. Saxo 1026 55. XVI 676. Die Unregelmäßigkeiten bei<br />

der Eheschließung Giselas mit Konrad (von Franken) veranlaßten 1024 den Mainzer<br />

Erzbischof Aribo, nur Konrad - der damals als Konrad II. zum Nachfolger des Kaisers<br />

Heinrich 11. gewählt war - zum König zu krönen und der Gisela die Krönung zu verweigern,<br />

so daß man Gisela nachträglim durch den Kölner Erzbischof Piligrim zur<br />

Königin krönen lassen mußte. Hierzu u. a. B r a n den bur g aaO. 5. 22 H. und<br />

Norbert Bis c hof f, Über die Chronologie der Kaiserin Gisela und die Verweigerung<br />

ihrer Krönung durch Aribo von Mainz, MlöG 58 (1950) 5. 285 ff.<br />

G5) Bertholdi annales 1056, 5S. V 270.<br />

G6) JG rau e r t aaO. erwog' statt "DCCCCXC. VlIIl. U (= 999) die Konjektur<br />

"DCCCCXXC. VlIIl." (= 989); R i eck e n b erg aaO. vermutet eine fehlerhaft abgeschriebene<br />

Vorlage mit dem Text: "DCCCCXC. IND(lCTlONE).llI. lD (VS) NOV<br />

(EMBRI5)".<br />

G7) B ra n den bur g aaO. 5. 16 ff. ~ies die Konjektur G rau e r t s zurück;<br />

ebenso Friedrich von Klo c k e, Die Grafen von Wer] und die Kaiserin Gisela, Untersuchungen<br />

zur Geschichte des 10. u. 11. Jh. mit einem Exkurs über Mittelalter-Genealogie,<br />

in: Westfäl. Zs. 98/99 (1949) I. 5.79 f. Später rechnete v. Klo c k e - in einem<br />

Vortrag vor der historischen Kommission in Werl am 4. 11. 1955 - jedoch mit einer<br />

Geburt der Kaiserin Gisela vor 999 (frdl. Hinweis von Herrn Professor Dr. H ö m -<br />

b erg). Bei Besprechung des Buches von R. 5 c h ö I k 0 p f (vgl. oben Anm. 4) in den<br />

Westfälisenen Forschungen 11 (1958) 5. 199 hat v. Klo c k e die Berechtigung der<br />

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er in Magdcburg erstmalig als Urkundenzeuge herangezogen wurde, erst<br />

12 Jahre alt war und daß er 1031 als noch unvennählter, 15jähriger Graf die<br />

Gründung und Ausstattung der Braunschweiger Magnipfarre genehmigt und<br />

gefördert hat 58).<br />

Bei der Pappenburg, die 1049 "in comitatu Brunonis" in der Nähe eines<br />

Allodialgutes des Sachsenherzogs Bernhard 11. lag 59), regierte um 1022 also<br />

Konjektur R i eck e n b erg sanerkannt (frd!. Hinweis von Herrn Studienassessor<br />

Paul Lei d i n ger. Ahlen. der z. Z. eine Dissertation über die Grafen von Werl verfaßt).<br />

schrieb jedoch im gleichen Zusammenhang: .. Den von Frau S c h. (5. 108) erneuerten<br />

Versuch. die Verbindung Giselas mit Bruno zur ersten Ehe der Frau zu erklären<br />

und die V.:rbindung mit dem österreichischen Markgrafensohne Ernst. der 1012 mit<br />

Giselas Hand das Herzogtum Schwaben erhielt. zu ihrer zweiten Ehe zu machen. halte<br />

ich nach wie vor nicht für richtig."<br />

08) Herr Professor Dr. H ö m b erg machte mich freundlicherweise aufmerksam auf<br />

den 1015 mit dem Rest eines geschlagenen magdeburgischen (I) Heeres bei Bautzen bis<br />

1017 in polnische Gefangenschaft geratenen .. jungen" Liudolf (Thietmar VII. 21 u. 65).<br />

Es war dies aber vielleicht jener Sohn. den die Kanonisse und spätere Magdeburger<br />

Äbtissin Mathilde (eine Tochter des bekannten Markgrafen Dietrich von der Nordmark<br />

und Schwester des Markgrafen Bernhard) dem Slawen Prebizlav (t 999) - einem Bruder<br />

des Geistlichen Liudolf (I) - als Gefangene des Befehlshabers Bolilut in Brandenburg<br />

geboren und nach ihrer Befreiung in Trauer aufgezogen hatte (Thietmar IV. 64).<br />

Am Königshof zu Merseburg. wo sich Kaiser Heinrich u. a. am 17. 4. 1015 (DH 11<br />

334. vgl. unten Anm. 59) und bei Verhandlungen mit dem Polenkönig. die zur Freilassung<br />

des .jungen Liudolf" führten (Thietmar VII. 65). aufhielt. finden wir gelegentlich<br />

u. a. den Herzog Bernhard. den Markgrafen Bernhard (also den Bruder der Magdeburger<br />

Äbtissin Mathildel). (Herzog Bernhards Bruder) Thiatmar. drei Grafen namens<br />

Thiedrich ... Liudulfus" (= Dodico von Warburg7). "item Liudolfus" (= Liudolf. Graf<br />

im Gudingau?) und sieben weitere Grafen, als dort Markgraf Bernhards Ritter Ekbert -<br />

vielleicht der gleichnamige Bruder des Paderborner Vogts Amelung ( s. 11. Anm. 112) -<br />

dem Bischof Meinwerk ein Gut verkaufte (Vita Meinwerci ed. Te n c k hof f. cap. 104<br />

S. 56).<br />

69) DH III 236 (1049) = UBHHild. I. 82 f. (1049). Ein gewisser .. miles" Brun hat<br />

mit Zustimmung seiner "heredis" und "neptis" Ida für das Seelenheil seines verstorbenen<br />

Bruders Thiadmar dem Paderborner Domstift Güter in .. Sutdesburch" (Gegenstück<br />

zur jenseits Wienhausen befindlichen Nordburg?), Betheln und Wallenstedt (bei<br />

der Poppenburg l) geschenkt, scheint dann Ida - entgegen den Gesetzen des Kirchenrechts<br />

- geehelicht zu haben und erhielt am 14. 9. 1024 auf dem Fürstentag zu Hersfeld<br />

(kurz nachdem der Gisela die Krönung verweigert war 1) eine Leibzucht für Ida zugesichert<br />

(Westf. UB I. Nr. 87.6 u. Nr. 107; Vita Meinwerci ed. Te n c k hof f. cap. 59<br />

S. 45 u. cap. 202 S. 118). Diesen Brun nennt die Vita Meinwerci einen .. comes". Ihn<br />

wird man am ehesten für den 1049 bei der Poppenburg nachweisbaren Komitatsinhaber<br />

Bruno halten dürfen. und er war womöglich auch der 1052 H. im Gau Flutwidde bei<br />

Wienhausen - als Nachfolger des Thammo (DH 11 260) - amtierende .. Bruno comes"<br />

(DDH 111 282 u. 326 = UBHHild. I. 87 f.); denn daß der damals als Graf in Friesland<br />

regierende Bruno VII. erst 1052 - nach Obertragung der vom Großvater Bruno VI. und<br />

vom Vater Ludolf IV. ererbten Komitate auf den Bischof Azelin von Hildesheimanstelle<br />

seines Bruders Ekbert I. im Gau Flutwidde regiert oder mitregiert hat (vgl.<br />

DH 1Il 279 u. DH IV 22), läßt sich wohl kaum annehmen. zumal er mindestens vorübergehend<br />

zusammen mit Ekbert I. in Friesland Münzen prägen ließ (vgl. unten<br />

Anm. 91). - Thiadmar mag jener .. Tamma advocatus de Hildinesheim" gewesen sein.<br />

der in einem unbekannten Jahr - vielleicht während der Reise Heinrichs 11. von Bonn<br />

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ein gewisser "Liudolfus" als Inhaber der d"rtigen "prefectura", bevor hier<br />

1068/69 ein Graf Friedrich (von Poppenburg?) mit seinem Sohn Konrad den<br />

Komitat in den Gauen Valathungau, Aringau und Gudingau innehatte 60).<br />

Dieser "LiudoIfus" braucht nicht identisch gewesen zu sein mit jenem "Liudolfus<br />

comes", zu dessen "prefectura" um 1022 nördlich Braunschweig * Biscopheshusun<br />

(wüst bei Meine), Wedesbüttel, Meine, Essenrode, Wasbüttel,<br />

Algesbüttel, Vord"rf. * Cnipenstide, FlechtorE. "Mutha" im Gretingau (Müden/<br />

Aller nördlkh der Okermündung) und "Mutha" im Gau Muthiwidde (die durch<br />

Bisch"f Bernward zum Schutz gegen die Slawen erbaute und auf dem Tauschwege<br />

gegen den Komitat im Ostfalengau an Kaiser Otto III. abgetretene<br />

Mundburg 61) jenseits Müden/Aller) gehört haben 62). Man beachte hierzu.<br />

(DH II 333 v. 25.2. 1015) nach Merseburg (DH 11 334 v. 17.4. 1015) - an einem<br />

21. März in Mühlhausen mit Bischof Meinwerk. mit mehreren Grafen. darunter einem<br />

Tancmar. einem Tamma (I) und einem Liudolf (1). mit Ministerialen sowie mit dem<br />

Paderbomer Dompropst und der Gandersheimer Äbtissin als Zeuge einer Güterstiftung<br />

des im Thilithigau begüterten Herzogs Bemhard 11. auftritt (Vita Meinwerci ed.<br />

Te n c k hof f, cap. 111 S. 58. vgl. unten Anm. 64). In die Zeit der Reise Heinrichs 11.<br />

von 1015 paßt auch die entweder 1015 (v gl. DH J[ 328 v. 15. 1. 1015!) oder 1024 in<br />

Mühlhausen ausgestellte Urkunde vom 25. März (Vita Meinwerci ed. Te n c k hof f.<br />

cap. 56 S. 44 H., hier ins Jahr 1024 gesetzt! Vgl. jedoch unten Anm. 81).<br />

60) DDH IV 206 u. 219 (1068/69) = UBHHild. I. 111 u. 113 (1068/69). Hierzu<br />

Wilhelm Ha r t man n in: Niedersächs. Jb. f. Landesgesch. 18 (1941) S. 149; vgl. ebd.<br />

26 (1954) S. 82 u. 115; H. D 0 b be r tin in: OhlumlKreis Peine, Chronik eines<br />

Dorfes der Freien vor dem Nordwalde, hrsg. v. Arthur R ü h man n (Ohlum 1961)<br />

S. 19-23. Ohlum (im 12. Jh. vorübergehend Sitz des Grafen Friedrich d. Ä. v. Poppenburg?)<br />

erwies sich durch gründliche Höfeforschung und Fluranalyse als eines jener (z. T.<br />

erweiterten) "Sackgassendörfer"• die - trotz der kritischen Bemerkungen von Hermann<br />

v. Bot h me r in: Niedersächs. Jb. f. Landesgesch. 30 (1958) S. 304 f. - durch Wilhelm<br />

E ver s typologisch bei Hildesheim eindeutig festgestellt worden sind.<br />

61) DH Il 259 (1013) = UBHHild. I. 54 (1013). Am .. Northwalt" des Ostfalengaus<br />

lagen in der Präfektur Tammos die ncomitia minor"


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daß in dem Güterverzeichnis anscheinend die vom Bischof belehnten Komitatsinhaber<br />

- im Gegensatz zu den vom Kaiser belehnten - nicht als "comites"<br />

bezeichnet werden 63) und daß die bei den Präfekturinhaber namens" Tammo"<br />

nicht identisch gewesen zu sein brauchen 64). Es ergibt sich also die Möglichkeit,<br />

daß der besagte "Liudolfus comes" bei Braunschweig ein anderer war als der in<br />

den Gauen Henithi, Gudingau, Valathungau und Aringau bei der Poppenburg<br />

regierende "Liudolfus", den wir 1013 als Komitatsinhaber im Gudingau bei<br />

x, Ledi nachweisen können und der mit dem 1023 verstorbenen Grafen Ludolf<br />

identisch gewesen sein wird. Infolgedessen kann um 1022 Graf Ludolf IV. von<br />

Braunschweig als sechsjähriger Knabe bereits ähnlkh wie seine Stiefbrüder<br />

Ernst II. und Hermann IV. unter Vormundschaft regiert haben 65). Otto II.<br />

wurde ja auch schon als Sech·sjähriger 961 zum König und als Zwölf jähriger 967<br />

zum Kaiser gekrönt.<br />

gehörte. und auf "Hebesheim" (Evessen) im gleichen Gau im Komitat .. Brunonis comitis<br />

filiique ejus Liudolfi" (DDO I 50 u. 306).<br />

63) Tammo im Ostteil des Ostfalengaus (= frater episcopi Bemuuardi. unten Anm.<br />

64), Liudolf im FIenithigau (usw.), Ekbert im Derlingau (bei der Asseburg. vgl. Anm.<br />

58, 61 u. 120) und Thammo (advocatu~ de Hildinesheim. vgl. Anm. 59 u. 64) im Gau<br />

FIutwidde werden im Güterverzeichnis (DH II 260) nicht als .Comites" bezeichnet, wohl<br />

aber die Grafen Udo (von Katlenburg), Hermann (von Reinhausen), Lüdeger (von<br />

Walbeck). "LiudoIfus comes" (= LudoIf IV. von Braunschweig?) und .Bemhardus<br />

comes" (bei DasseI, Höxter und bei der Homburg bis in den Südteil des Thilithigaus).<br />

Als Präfekturinhaber werden außerdem Herzog Bernhard 11. und Markgraf Bernhard<br />

aufgeführt. Hans-Ioachim Fr e y tag, Die Herrschaft der Billunger in Sachsen. in: Stud.<br />

u. Vorarb. z. Hist. Atlas Niedersachsem (= Veröff. d. Hist. Komm. f. Nds. 11) Bd. 22<br />

(1951) S. 33 möchte diesen Sachsenherzog gleichsetzen mit dem besagten "Bernhardus<br />

comes", den man jedoch am ehesten für den Grafen Bernhard-Benno-Bennica von Northeim<br />

(vgl. DH II 328 v. 15. 1. 10151) - den Vater Ottos von Northeim und Urgroßvater<br />

Siegfrieds (IV.) von Northeim-Boyneburg (und Homburg!) - halten kann. Vgl.<br />

hierzu K. H. La n ge in: Niedersächs. Ib. f. Landesgesch. 33 (1961) S. 8 f. u. 96 H.,<br />

der - im Anschluß an H ö mb erg aaO. S. 18 H. u. 75 - den seitens des Bischofs<br />

Meinwerk von Paderborn bzw. (um 1025-1033) seitens des Mainzer Erzbischofs Aribo<br />

mit dem Komitat des Dodico von Warburg (t 1020) belehnten Grafen Bem-Bemo­<br />

Bernhard und den gleichnamigen. 1033 und 1047 als Inhaber des gleidlen Komitats<br />

Dodicos nachweisbaren Grafen Benno (DDK II 190 u. 198; DH III 206) voneinander<br />

unterscheiden und einen davon als Grafen von Werl bezeichnen möchte.<br />

6') Als Zeugen des Bischofs Bernward von Hildesheim treten in Urkunden für das<br />

Michaeliskloster am 1. 11. 1019 • Thongmarus comes" und • Thiatmarus advocatus"<br />

(UBHHild. I, 62 vgI. 67) und um die gleiche Zeit • Tammo comes frater Bernuuardi<br />

episcopi" und. Tiemo advocatus· (UBHHild. I. 63) nacheinander als Zeugen auf (vgI.<br />

oben Anm. 59).<br />

811) Der Bruder des Schwabenherzogs Ernst 1. (t 1015), Erzbischof Poppo von Trier,<br />

regierte seit 1015 vormundschaftlich für Ernsts I. erst etwa einjährigen Sohn Ernst 1I.<br />

(t 1030). Bei Absetzung Ernsts 11. wurde 1030 der Bi5.:hof Warmann von Konstanz<br />

zum Vorrnund des zum neuen Schwaben herzog erhobenen Herrnann IV. ernannt (Die<br />

Werke Wipos, ed. B r e ß lau, cap. 1 S. 10 u. cap. 25 S. 44).<br />

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IV.<br />

Kaiser Otto III. schenkte 997 dem Stift Essen sein Eigengut Brüggen im<br />

Aringau im Komitat "Rodegeri comitis" nebst Zubehör in Hemmendorf. * Ledi<br />

und Banteln im Gudingau, und sein Nadlfolger Heinrich H. bestätigte am<br />

23. Februar 1003 in Nimwegen diesen Besitz im Beisein folgender Zeugen:<br />

"BruHo comes, aduocatus Ascericus, BruHo, villicus Frethebernus, Bezilinus,<br />

Eueruuinus. Ludol/us. Uuidekin, Hezel. Volkhardus, viri nobiles" 66). Der hier<br />

genannte Edle Ludolf wird mit dem 1013 bei * Ledi regierenden "Liudulf<br />

comes" gleichzusetzen sein. Vielleicht war "Bruno comes" jenC1" .. nepos"<br />

Ottos II. namens Bruno, der 976 den Zoll zu Passau für sein Eigentum hielt 67),<br />

und jener als "Markgraf" im Oker- und Allertal von Wolfenbüttel und Wolf.­<br />

burg bis zur Weser regierende "Strytfürst" Ottos lII., der - gemäß einer<br />

Halberstädter Weltchronik von 1483/1507 - 986 die Burg Hoghewort (bei<br />

Melverode), die Severlingborch (= Walle an der SchuntC1") und "dat Slot to<br />

Zelle" (= Altencelle, Hof Wallheinecke Nr. 16) erbaut und als Gatte der<br />

"Hedesovvida" (Hildesvit) von Mantua (aus Kroatien) einen seit 999 (!) mit<br />

"Gisela von Werle" vermählten. nach 13jähriger Regierungszeit verstorbenen<br />

und in Ringelheim begrabenen gleichnamigen Sohn Bruno ("den Dicken")<br />

hinterlassen haben soll 68).<br />

88) DO III 242 (997) u. DH II 39 (1003. Original). vgl. DH Il 263 (1013).<br />

81) DO II 138 (967). man beachte hierzu den Bruno in: MG. Deutsche Chroniken 11.<br />

S. 476 H. und den (mit zwei anderen Grafen) am 30. 12. 979 in Pöhlde bei Otto 11.<br />

auftretenden Grafen Bruno (DO II 209. Original). Graf Bluno von Arn~burg (t 97S)<br />

war dies nicht mehr (Thietmar lll, S; n. s. T. DH II 111 v. 1006.<br />

08) Sammlung etlicher noch nicht gedruckter alter Chroniken. hrsg. v. C. Ab e I<br />

(1732) S. 97 H.; Gottfried Kittel. Das alte CeIle. die Mutter der heutigen Stadt CeIle<br />

(2. Aufl., Celle 1929) S. 25 H.; Jürgen R i c k I e f s. Geschichte der Stadt Celle (Celle<br />

1961) S. 7 u. 11 H .• neugefaßter Sonderabdruck aus: Heim3tchronikcn der Städte und<br />

Kreise des Bundesgebietes. Bd. 22 (Köln 1959). Die "ingenua femina" Hildesvit. welche<br />

1013 mit ihrer Tochter Walburgis das von ihr g~gründete Kloster Heiningen unter den<br />

Schutz Heinrichs 11. stellte (DH \I 261). kann ~ falls Bruno IV. abwesend oder gar ganz<br />

oder teilweise enterbt war (vgl. unten Anm. 69) - ohne weiteres die Witwe des 1003<br />

urkundlich genannten "Bruno comes" (DH Il 39) und somit die spätere (zweite)<br />

Schwiegermutter der Gisela von Schwaben gewesen sein. da der 1003 genannte .. Bruno"<br />

(DH II 39) bis 1016 noch 13 Jahre lang regiert haben kann. falls er Giselas Gatte<br />

Bruno VI. gewesen sein sollte. - Die Stadt Celle wurde 1292 nördlich neben das schon<br />

1013 bezeugte nUuesterkiellu· (DH Il 256 = UBHHild. I. 51 vgJ. 40) verlegt. Ihr alter<br />

Platz. das fortan Altencelle genannte Dorf. wurde 1310 Sitz eines Kalands, dem Herzog<br />

Otto der Strenge zum Wiederaufbau der durch Brand zerstörten Burgkirche St. Petri<br />

(nicht identisch mit der als Pfarrkirche fortbestehenden Stadtkirche St. Gertrud I) das<br />

nantiquum castrum cum preurbio et Dedekenwerder" schenkte. Der Dedekenwerder<br />

wurde gegen ein Grundstück an der Wedcme in der neuen Stadt Celle 1359 vom Kaland<br />

an den Altenceller Lehnhof des Dietrich Sledde abgetreten. hinter dem er .. twischen<br />

der Alre unde deme hove" lag, war also identisch mit der Anhöhe der - wohl erst im<br />

15./16. Jh. als Obungsbastion der Celler Kanoniere erbauten (I) - Altenceller .. Nienburg"<br />

(südlich vom Hof Wallheinecke Nr. 16. dem Platz des Dantiquum castrum cum<br />

preurbio"O. Baltzer Feuerschütz hatte 1526 unter Herzog Ernst 1. den andem Alten-<br />

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Da audl anderweitig bezeugt wird. daß 1002 beim Tode Ottos BI. ein durch<br />

enge Blutsverwandtschaft mit den Ottonen thr


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herzogs Hermann 11. Ihm gebar sie "genug Töchter" 72). darunter die bereits<br />

1003 vermählte Mathilde. deren Sohn Kono gegen den späteren Kaiser Konrad<br />

11. 1024 als Thronbewerber auftrat 73). sowie die spätere Kaiserin Gisela<br />

(die Gattin Konrads 11.) - und einen gleichnamigen Sohn (Hermann III.) 74)<br />

sowie 992 den bereits 993 verstorbenen Bertold oder BertoH 75).<br />

Als "comitissa"schenkte Gerberga zusammen mit ihrem Sohn Hermann<br />

(von Werll) 997 dem Stift Mesdlede ein Gut im Lochtrupgau. und sie gründete<br />

drei Jahre später zusammen mit


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als Vettern Kaiser Heinrichs 11., bezeichnet. Diese interessante Verwandtschaftsangabe<br />

sollte man nicht zu eng ausdeuten 79).<br />

Kaiserin Gisela war also wirklich eine Schwester der Grafen von Werl.<br />

allerdings nur eine Stiefschwester der Grafen Rudolf und Bernhard 80) und des<br />

(vom sächsischen Annalisten nicht erwähnten!) älteren Grafen Hermann von<br />

Werl (997-1024). Mit dieser Einschränkung kann man den Beridlt des sächsischen<br />

Annalisten als über die Herkunft Giselas aus "Wer! in Westfalen" als<br />

zuverlässig ansehen. RudoIfs Sohn Hermann (d. J.) von Werl wird übrigens<br />

vermutlidl 1015 (oder 1024) erstmalig genannt 81) und war mit jener aus unbekanntem<br />

Geschlecht stammenden Ridlenza verheiratet, die ihm die später<br />

mit Udo 11. von Stade vermählte Oda von Werl gebar und die in zweiter Ehe<br />

die Gattin des 1061 zum Herzog von Bayern erhobenen Grafen Otto von Northeim<br />

geworden ist 82).<br />

An eine blutsmäßige Abstammung der Ida von Elsdorf von der schwäbischen<br />

Herzogstochter und späteren Kaiserin GiseIa können wir somit wohl nicht<br />

denken. Vielleicht war Ida aber eine leibliche T echter jener Gertrud (t 1077),<br />

die bald nach 1031 den Grafen ludoIf IV. von Braunschweig zum Manne nahm<br />

und seitdem wohl oft in Schwaben am Herzogshofe geweilt haben wird.<br />

19) Die Verwandtschaftsangabe der Quedlinburger Annalen ("consobrini imperatoris,<br />

filii Hermanni comitis') widerspricht jener des sächsischen Annalisten ("Herimanni,<br />

consobrini imperatoris, filii") keineswegs, wenn Graf Hermann d. A. von Wer!<br />

(997-1024) als Sohn der Gerberga von Burgund und Kaiser Heinrich H. als Sohn der<br />

Gisela von Burgund (einer Stiefschwester der Gerbergat) durch gemeinsame Abstammung<br />

vom König Konrad von Burgund "consobrini" ersten Grades gewesen sind; denn<br />

dann waren auch die Söhne dieses Grafen Hermann von Wer! "consobrini" Kaiser<br />

Heinrichs Il., allerdings nur im zweiten Grade {germanischer Zählung 0. AhnIich wird<br />

bald Graf Hugo von Egisheim, bald sein Sohn Papst Leo IX. als "consobrinus" Kaiser<br />

Konrads I!. bezeichnet (H u c k e aaO. S. 62 Anm. 440). - An dieser Stelle sei Herrn<br />

Werks archivar i. R. Dr. lonchim S t u d tm a n n (Peine) für frd!. Beratung in genealogischen<br />

Fragen gedankt.<br />

80) H ö m b erg aaO. hält nur den Grafen Hermann Cd. A.) von Wer! (997-1024)<br />

für einen Stiefbruder der Kaiserin Gisela. VgJ. jedoch hierzu v. Klo c kein: We~tfäJ.<br />

Forsch. 11 (1958) S. 204.<br />

81) Am 25. 3. 1024 (oder vielleicht richtiger 1015, vgJ. oben Anm. 59) treten beim<br />

Bischof Meinwerk in Mühlhausen und anschließend am 5. April (dem Osterfestt) in<br />

Goslar die Grafen "Herimannus de Wer!a", Ekkika von Asseln, Benno (v. Weri?),<br />

Tammo (v. Hildesheim, Bernwards Bruder?), "Herimannus minor" (v. Wer!, Rudolfs<br />

Sohn?), Lüdeger (v. Walbeck ?), Siegfried und Bernhard (Gebrüder v. Northeim? t) als<br />

Zeugen auf (Vita Meinwerci ed. Te n c k hof f, cap. 56 S. 44 f.). Man beachte den<br />

Magdeburger Feldzug gegen Polen i. 1. 1015 (Thietmar VII, 21)1<br />

82) Ann. Saxo 1026 u. 1082, SS. VI 676 u. 720 f. H ö m be r g aaO. S. 27 f. (v gl.<br />

oben Anm. 80) hält - wie schon Bö t t ger 3aO. - den 1006 und (nach seinem Tode)<br />

1021 urkundlich genannten Grafen nlilitolfllS" (DDH 11 121 u. 440) für jenen "Rodulphus"<br />

von Werl. den der sächsische Annalist (an zwei Stellen I) als einen Bruder der<br />

Kaiserin Gisela erwähnt. Im Essener Nekrolog ist jedoch zum 12. Juli vermerkt: "Obiit<br />

Rodolphus comes· - Essener Beiträge H. 20, S. 95: v. Klo c k e aaO. S. 96, S. 106.<br />

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Stammtafel 2<br />

Zur Frage der Verwandtschaft Idas von Elsdorf mit Kaiser Heinrich 111. und Papst leo IX.<br />

GI5ELA "999 t 1043 T. d. Hz. Hermann 11. v.<br />

Ekkehard<br />

Ekbert Graf<br />

) Heilwigis (T. d. Gf. Ludwig v. Dagsburg?) co 1 ~ Ek-<br />

Schwaben (t 1003) ao' Ernst I. t 1015 Hz. v. Schwaben (v. Asseln)<br />

bert v. Ohningen, Mgf. v. Stade. S. d. Gf. Kuno u.<br />

'8runa VI. Gf. v. Braunschweig 3KONRAD 11.<br />

d. Richlint (00 I 445), (einer neptis Ks. Ollos I.?)<br />

t 1039 1Hz. v' Franken), König, Kaiser I I<br />

P Hugo Gf. v. Eglshelm (Elsaß) 999. 1006.<br />

GOllschalk 0101018 Gertrud (55 111 95)<br />

I<br />

J<br />

I I I I J I I I<br />

'ErnsIll. tl030 'Hermann IV. 'Ludolf IV. 'HEINR CH 111. ~'Gerlrud tl077 'Bruno=Leo IX. IHugo (1040) 'Gerhard<br />

Hz.v.Schwaben tl038Hz.v. "1016tlO38 "1017tlO56 "1002tl054 tl049 (tl042)<br />

unvermählt Schwaben Gf. v. Braun- König, Kaiser Bischof von Toul Grafen v. Egishelm, pflanzen<br />

co Agnes v. Turin schwelg aoAgnes v. 1026, Papst 1049 dos Geschlecht fort<br />

CD Gerlrud Poltau<br />

tl0n +---------­<br />

I<br />

I<br />

(?StieftochterLudolfs IV.). Idav. Elsdorf-Blrkendorf<br />

Bruno VII. t 1057 b. Haus·Nelndorf<br />

Ekbert I. t 1068 Gf. I. Fri~sland, Mgf. v. Meißen<br />

"uml020,lebte noch 1085ao'Lippoid (weilt 1052 In<br />

Gf. i. Friesland<br />

Goslar) IDedo (t in Dithmarschen) 3 Etheler (t In<br />

ao Ermengard v. Susa (Wie. Otlos v. Schweinfurt)<br />

Dithmarschen)<br />

I<br />

I I I I<br />

'Oda Nonne i. ' Ekbert Gf. I. i" Burchard 1075 • Rlchenzo<br />

.Rinthelen. E!sdorf t(1052) Dompropst I. CD Egilmar I. Gf.<br />

CIO 'Fürst v. Kiew In Wistedt Trier IErwahlter i. Ostfriesland<br />

(Svlotoslov) 'N. v. Trier) (aidenburg)<br />

I 1091- 1108.<br />

• I<br />

,.Worte~'aw.<br />

..Akari~a.<br />

(Joroslav) tl130 (Akullno) ao N.<br />

(Gf. v. Loccum)<br />

I<br />

8urchard t 1130<br />

Gf. v. Loccum,<br />

Vogt v. Gandershelm,<br />

.comes<br />

Fresonumc<br />

J_. -, ,<br />

Christion Egllmar 11. Gertrud<br />

1108 1108 1108<br />

(55 XVI 319f)<br />

Ekbert 11. tl090 Im<br />

Gertrud tll'17<br />

Sei keto I, Gf. i. Friesland,<br />

CIO Dietrich 11. Gf. v.Katlen-<br />

Mgf. v. Meißen co Oda burg t 1085 'Heinrich d.F.<br />

v. Weimar (Hz.) Gf. v. Northelm t1101<br />

8 Heinrich v. Eilenburg<br />

Mgf. v. Melßen t1103<br />

I<br />

1 Dietrich 111. Gf. ·RICHE~ZA t1141 ~-~jn~Mgf.v.<br />

v. Katlenburg<br />

co LOTHAR (Hz.) Meißen t1123<br />

tll06<br />

t 1137 Kg. Ks.<br />

I<br />

Gertrud "1115 t 1143 (Mutter Heinrichs des Löwen)<br />

,


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V.<br />

Wir stehen somit vor der Frage, ob die Mutter der Ida von Elsdorf erst in<br />

zweiter Ehe mit dem Grafen Ludolf IV. von Braunschweig - also mit dem<br />

jüngsten der drei Stiefbrüder des Kaisers Heinrich III. - vermählt gewesen sein<br />

mag und ob somit Ludolfs IV. Gattin Gertrud (f 1077) smon um 1020 eine<br />

Tomter geboren haben kann 83).<br />

Bei Beantwortung dieser Frage müssen wir stets berücksimtigen, daß Idas<br />

Mutter - gemäß dem Berimt Alberts von Stade - eine Schwester (oder Stiefsdlwester!)<br />

des Papstes Leo IX. gewesen ist. Dieser Papst wurde am 21. Juni<br />

1002 im Elsaß unter dem Namen Bruno als Sohn des Grafen Hugo von Egisheim<br />

und der Heilwigis geboren. regierte seit 1026 als Bischof von Toul und<br />

nahm den Namen Leo an, als er 1049 zum Papst gewählt wurde 84). Seine<br />

beiden Brüder Gerhard und Hugo pflanzten das Gesmlemt fort 85).<br />

Ludolf IV. von Braunsmweig und seine Gattin Gertrud, die demnam eine<br />

Tochter (oder Stieftomterl) des 999 und 1006 namweisbaren Grafen Hugo von<br />

Egisheim 86) gewesen sein müßte, gaben ihren heiden Söhnen die Vornamen<br />

Bruno (VII.) und Ekbert (1.), von denen der erstere von Ludolfs IV. Ieiblimem<br />

Vater Bruno VI. von Braunschweig herrührt, und ihr Enkel Ekbert 11. von<br />

Braunsmweig (f 1090) erhielt wiederum denselben Vornamen wie Idas Sohn<br />

Ekbert von Elsdorf (f um 10,2). Das wird kein Zufall gewesen sein, sondern<br />

läßt vermuten, daß Ida von Elsdorf wirklim eine Schwester (oder Stiefschwester!)<br />

Brunos VII. (f 1057) und Ekberts I. von Braunsmweig (t 1068) gewesen ist.<br />

Da der Vorname Ekbert bei den Vorfahren Ludolfs IV. von Braunschweig nimt<br />

nachweisbar ist und auch nicht im uns bekannten Vornamengut der Grafen von<br />

Egisheim vorkommt 87), Hegt der Gedanke nahe, daß Ludolfs IV. Gattin Gertrud<br />

die leiblime Tochter irgendeines Grafen Ekbert unbekannter Herkunft und<br />

der Mutter des Papstes Leo IX. gewesen ist und daß auf diese Weise der Vor-<br />

83) Zum Todesdatum Gertruds vgl. Bö t t ger aaO. S. 490 u. S. 485 H. (Anm. 676<br />

a u. b).<br />

84) Wibert. Vita Leonis IX., in: Pontificum Romanorum Vitae, hrsg. v. J. W a t t e­<br />

r ich (1862). Liber I. S. 100 H.; Bö t t ger aaO. S. 466 Anm. 638; Franz Voll m e r.<br />

Die Etichonen. in: Stud. u. Vorarb. z. Gesch. d. großfränk. u. frühdeutschen Adels.<br />

hrsg. v. Gerd Tell e n b ach (= Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte.<br />

Bd. 4. 1957) S. 137 ff. (wo als Geburtsjahr Leos IX. versehentlich 1001 - statt 1002 -<br />

angegeben wird).<br />

86) Voll m e r aaO. S. 181 u. 183; Ernst K leb e I. Zur Abstammung der Hohenstaufen.<br />

in: Zs. f. d. Gesch. d. Oberrheins 102 NF 63 (1954) S. 174 Anm. 183 hält<br />

Heilwigis für eine Tochter des Grafen Ludwig von Dagsburg (966) und stützt sim dabei<br />

auf eine mittelalterliche überlieferung.<br />

86) Emil Kr ü ger. Zur Herkunft der Zähringer. Zs. f. d. Gl'sch. d. Oberrheins 46<br />

NF 7 (1892) Stammtafel IV (Verzweigung des Ediconenstammes). Es bleibe dahingestellt.<br />

wieweit seine Belege als richtig zugeordnet und als vollständig gelten dürfen.<br />

87) Vgl. Anm. 67. 69 u. 112. E. Kr ü ger aaO. nennt als Vornamengut der Grafen<br />

von Egisheim: Eberhard. Hugo. Gerhard. dann Bruno (= Leo IX.) und Heinrich.<br />

64


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name Ekbert auf ihre Nachkommen vererbt worden sein mag. Gertrud kamt<br />

unter diesen Voraussetzungen schon vor 1002 geboren sein, wie wir dies für<br />

die Mutter Idas von Elsdorf wohl voraussetzen müssen 88). Sie kann somit schon<br />

um 1020 die Mutter Idas von Elsdorf geworden sein, mag bald nach 1031 dem<br />

Grafen Ludolf IV. von Braunschweig die Söhne Bruno VII. und Ekbert II.<br />

geboren haben und wäre 1077 als verwitwete Gräfin von Braunschweig etwa im<br />

achtzigsten Lebensjahre gestorben 89).<br />

Möglicherweise war sie jene Gertrud, die als Tochter eines Grafen Ekbert<br />

1018 in Goslar von Gottschalk, dem Sohn des Grafen bzw. Befehlshabers Ekkehard<br />

(von Asseln ?), geschieden wurde 90). Auf diese Weise könnte Ida von Elsdorf<br />

einer geschiedenen Ehe entsprossen sein und dadurch mancherlei Ungemach<br />

erlitten haben wie Kaiser Ottos I. Stiefbruder Thankmar.<br />

VI.<br />

Suchen wir genauer nach jenem Grafen Ekbert, der gemäß diesen Oberlegungen<br />

der Vater der Mutter Idas von Elsdorf gewesen sein mag, so können<br />

wir nicht unbeachtet lassen, daß alle Söhne und Enkelkinder Ludolfs IV. von<br />

Braunschweig und der Gertrud bei Dokkurn in Friesland Grafenrechte innegehabt<br />

haben:<br />

Während Kaiser Konrad II. (f 1039) noch Münzen mit dem Namen<br />

f CONRAD IMPE(RATOR) und mit der Aufschrift f FRESONIA prägen ließ,<br />

also noch selbst in Friesland das zu den nRegalien« (Königs rechten) gehörende<br />

Münzrecht innegehabt hat, sind unter seinem Sohn Heinrich III. (f 1056)<br />

Münzen mit dem Namen HENRICVS REX bzw. HENRICVS IM(PERATOR)<br />

und dem zusätzlichen Namen BRVN (= Bruno VII. von Braunschweigl) in<br />

folgenden Münzstätten geprägt worden: DOCCVGGA (Dokkum), LIVNVERT<br />

(Leeuwarden), STA VER ON (Stavern), BODTISWER (Bolsward), MILDNVM<br />

(MidI um), DEKVVERT bzw. TIAKVART (wüst), GEROIEVVLAE (GarreIswer)<br />

und CIVNDER (Kiunder), und unter Heinrich IV. wurden eine Münze in<br />

SELHORN (Lage unbestimmt) ohne den Königsnamen mit den Namen BRVN<br />

und ECBERTVS (= Ekbert I. von Braunschweigl) und weitere Münzen mit dem<br />

Namen ECBERTVS (= Ekbert 1. bzw. Ekbert II. von Braunschweigl) in Dokkum,<br />

Leeuwarden, Stavern, Bolsward und MDINlSIM (Midlum? Winsum?)<br />

88) Die Möglimkeit. daß sim Idas Sohn Ekbert von ElsdorE 1052 noch nimt im<br />

waffenfähigen Alter befand. können wir wohl außer amt lassen.<br />

89) Vgl. oben Anm. 22 u. 83.<br />

90) Annales Hildesheimenses (1018. 55. III 32). ed. W a i t z. S. 32: Vita Meinwerci<br />

ed. Tenckhoff. cap. 164 5.86: Siegfried Hirsch u. Harry Breßlau.<br />

J ahrbümer des deutschen Reimes unter Heinrich 11.. Bd. 111. S. 111. Ernst von U s 1 a r -<br />

GI eich e n. Geschichte der Grafen von Winzenburg (Hannover 1895) S. 235 f. hält<br />

Ekkehards Sohn Gottsmalk für einen Grafen von Assel (bei Salzgitter-Limtenberg).<br />

Richtiger war Ekkehard wohl der Graf Ekkica von Asseln bei Paderborn.<br />

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geprägt 91). Diese friesischen Münzprägungen der Grafen Bruno VII., Ekbert J.<br />

und Ekbert 11. von Braunschweig stammen aus der Zeit nach der Vertreibung<br />

des Herzogs Gottfried von Niederlothringen, der sich - ebenso wie der flandrische<br />

Graf Dietrich - vorübergehend in Friesland festgesetzt hatte und durch<br />

ein Reichsheer gefangengenommen war 112). Adam von Bremen berichtet, daß<br />

Erzbischof Adalbert von Bremen die ehemals von Herzog Gottfried innegehabten<br />

Hoheitsrechte des Grafen Ekbert (von Braunschweig) im friesischen<br />

Five\gau und jene des Grafen Bernhard (von Werl) im friesischen Emsgau aufgekauft<br />

habe 93). Ekberts I. Sohn Ekbcrt 11. war bis 1088 Grafschaftsinhaber<br />

in Friesland, verfiel dann der Reichsacht und verlor 1089 seine friesischen<br />

Komitate an die Kirche zu Utrecht 94). Seine Erbschwester Gertrud (f 1117)<br />

- die Urgroßmutter Heinrichs des Löwen - aber veranlaßte 1099 den Kaiser<br />

Heinrich IV., diese Komitate ihrem Gemahl, dem Grafen Heinrich dem Fetten<br />

von Northeim, zu übertragen. Das nahm kein gutes Ende; denn als sich<br />

dieser Sohn Ottes von Northeim 1101 in Friesland huldigen lassen wo1lte, fiel<br />

er bei Norden einem Aufstand zum Opfer und wurde ermordet 96).<br />

Bemerkenswerterweise wird auch Akarinas Sohn Burchard von Loccum<br />

Ct 1130), also der Sohn einer Enkelin Idas von Elsdorf (I), al~ "comes Fresonum"<br />

bezeichnet 96). Das ist eine starke Stütze für die Glaubwürdigkeit des Berichts<br />

Alberts von Stade und läßt vermuten, daß Ida von Elsdorf sowie die Brüder<br />

Bruno VII. und Ekbert I. von Braunschweig leibliche Kinder einer friesischen<br />

oder in Friesland erbberechtigten Grafentochter waren.<br />

Bei Dokkum hat bekanntlich 754 der hl. Bonifatius den Märtyrertod gefunden.<br />

Es regierte dort zur Zeit des Normannenherzogs Gottfried (um 88 'i) ein<br />

Graf Gardol!, und später finden wir dort einen 921 bezeugten Grafen Rcglnbert,<br />

der dem Kloster Fulda einige Güter stiftete, sowie dessen 946 bezeugten Sohn<br />

Gerbert 97). Friesland war auch die Heimat der aus dänischem und friesischem<br />

01) Bö t t ger aaO. S. 478 ff., 500 ff., 508 H.<br />

V2) Ebd. 5. 498 H.; V 0 g t aaO. 5. 43 Anm. 31.<br />

V3) Adam von Bremen, Hamburgische Kirchengeschichte, MG. 55. rer. Germ. in usum<br />

scholarum) 3. Aufl., hrsg. v. B. Sc h m eid I e r (1917), Liber 1lI, cap. 45 5. 189;<br />

V 0 g t aaO. S. 43 Anm. 31.<br />

VI) K. H. La n ge in: Niedersächs. Jb. f. Landesgesch. 33 (1961) S. 87 Anm. 37 f.<br />

V') Ebd. S. 87 Anm. 39 f.<br />

96) Ann. Magdeburg. 1130, 55. XVI 183.<br />

87) Hugo J a e k e I, Die Grafen von Mittelfriesland (Gotha 1895) 5. 47 H.; C. F. J.<br />

D r 0 n k e, Trad. et antiq. Fuldenses (Fulda 1844) cap.7 Nr. 101 U. 103 (5.49);<br />

B. B u n t e, Ober den Güterbesitz der Klöster Fulda, Werden und Korvei in den altfriesischen<br />

Gebieten, in: Emder <strong>Jahrbuch</strong> 10 (1892) S. 11-28, vgl. S. 29-49 (frdl. Hinweis<br />

von Herrn Staatsarchivdirektor Dr. Richard D r ö ger e i t, Stade). J a e k e I a30.<br />

S. 70 H. hält die mit Ludolf IV. von Braunschweig vermählte Gertrud (t 1(77) für eine<br />

Tochter des gegen Ende des 10. Jh. von Köln aus mit Münzrecht ausgestatteten friesischen<br />

Grafen .Rednath" (= Reduath, Radbod 1), der wohl identisch war mit dem<br />

Grafen Radbod-Poppo (944-999), einem Sohn des Grafen Waltger (898-950); vgl.<br />

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Geschlecht stammenden Reinhildis, welche als Gattin des aus Wittekinds<br />

Geschlecht stammenden westfälischen Grafen Theoderüh die Mutter der seit<br />

909 mit dem Sachsenherzog und späteren deutschen König Heinrich I. vennählten<br />

Mathilde (f 968) UM somit die Großmutter mütterlicherseits des Kaisers<br />

Otto I. gewesen ist 98). Mathilde schenkte als Königinwitwe dem Kloster Pöhlde<br />

Güter in T ennard und Kollumerhorn 99), und Otto I. stiftete mit seiner Gattin<br />

Adelheid von Burgund (f 999) und seinem gleichnamigen "Mitkaiser" (Otto 11.)<br />

966 in Nimwegen dem Kölner Pantaleonskloster die holländische Insel" Urch"<br />

und die Hälfte des ihr gegenüber (bei Dokkum) befindlichen Gebietes, welches<br />

"anscheinend" ehemals dem Grafen Gardolf übertragen war und nun "in der<br />

Grafschaft des Grafen Ekbert" lag 100).<br />

VII.<br />

Auffallenderweise trug der 966 regierende friesische Graf Ekbert den<br />

gleichen Vornamen wie jener Graf Ekbert, der zusammen mit den Grafen<br />

Reidhard und Hennann 889 zur Zeit des Königs Arnulf (von Kärnten) im<br />

Wethigau (Huueitago) Komitatsinhaber in den Ortschaften Piringisamarca,<br />

Schidara, Ad(i)kenhusun und Muchohusun war 101) und den der König Arnulf<br />

DDO I 58 U. 124 U. DO II 101. Die ältere Forschung - so auch Bö t t ger aaO.<br />

5. 416 f. - hielt diese Gertrud für eine Tochter des 1003 in Holland gefallenen flandrischen<br />

Grafen Arnulf von Gent, der tatsächlich Töchter hinterlassen hat. Dagegen rechnet<br />

Herrnann B 0 lI n 0 w. Die Grafen von Werl (Diss. Greifswald 1930) S. 35 f. Anm. 36<br />

mit der Möglidlkeit. daß Ludolf IV. zweimal vermählt gewesen ist und daß infolgedessen<br />

n Gertrud eine Gräfin von Egisheim" (und die Stiefmutter der Ida Elsdorf) gewesen sein<br />

mag.<br />

88) Vita Mahthildis reginae 912, 55. IV 284 f.<br />

88) DO I 439 u. DO 11 259; J a e k e I aaO. S. 41 H., 64 H., 101 H.<br />

100) DO I 324 (966), vgl. unten Anm. 120. Der Wortlaut läßt WbhI darauf<br />

schließen. daß die Ausfertigung bis in die Zeit nach der Kaiserkrönung Ottos 11. (25. 12.<br />

967). also bis zu dessen Mündigwerdung hinausgezögert worden ist.<br />

101) DArn.60 (889. Original) in: MG. DipIomata regum Germaniae ex stirpe Karo­<br />

Iillorum, hrsg. v. Paul K ehr (1940); O. Pr e u ß u. A. F alk man n. Lippische<br />

Regesten (DetmoId 1860/1868) Bd. I. Nr. 4 5. 52; Arthur Sc h ö n i n g. Der Grundbesitz<br />

des Klosters Corvey im ehemaligen Lande Lippe (Detmold 1958 ff.) Bd. I. 5. 19 f.<br />

Von den vier Ortschaften läßt sich nur "Schidara" (= Altenschieder) sicher lokalisieren<br />

(frdl. Auskunft von Herrn 5taatsarchivdirektor Dr. Erich K i t t e I. Detmold) ... Piringisamarca"<br />

- nach P. K ehr aaO ... vielleicht" Pynnont, vgl. MOIitz 0 p per man n.<br />

Geschichte des Landkreises Hameln-Pyrrnont. in: Heimatchron. d. Städte u. Kreise d.<br />

Bundesgebietes 23 (1961) S. 163 u. 184 - mag das zusammen mit .. Schidirimarcu· zu<br />

den ältesten Gütern des Klosters Corvey gehörende nBurghusen" -n Burchusen", also<br />

Borkhausen bei BIomberg nahe der Domäne Schied er (Lipp. Regesten I, Nr. 26 u. 29)<br />

gewesen sein. - Das castrum nPetri mons"-.. Perrnu(n)t"-.Piremont"-.. Pyerremont"<br />

oberhalb .. Udistorp"-nOzendorf" (= Oesdorf) wurde erst um 1183/1184 zur Zeit des<br />

Papstes Ludus III. durch den nach Absetzung Heinrichs des Löwen zum Westfalenherzog<br />

erhobenen Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg im Komitat der Brüder Widekind<br />

und Volkwin von Schwalenberg auf dem Schellenberg erbaut. Vgl. Chr. U. G r u p e n.<br />

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892 mit insgesamt 66 Hufen "in Uvange· (wüst unter dem Klüt jenseits des<br />

Bonifatiusstifts Hameln an der Weser) "et Uisbecchae" (Fischbeck/Weser) im<br />

Gau Thilithi (Tilgidae, Tilithi), "in Chirihdorf seu in Steteheim" (Kirchdorf<br />

am Deister unterhalb der vermutlich karolingischen Heisterburg) im Marstemgau<br />

(Marstein, Marstheim), "in Uuersteti" (Wrestedt bei Ülzen) im Bardengau<br />

(Barthunga, Bardanga) und "in Alaringiu (Kirchwahlingen an der Aller unterhalb<br />

der Leinemündung) im Loingau (Lohinga, Lainga) belehnt hat 102). Dieser<br />

Hamelner Graf Ekbert gilt als Nachkomme der hl. Ida (t 838) und des mit ihr<br />

vermählten westfälischen Grafen und Herzogs Ekbert 103) und war gewiß ein<br />

Vorfahre der bei den vor 955 verstorbenen Brüder Richard und Aelfdehc, deren<br />

Vater Ricperht gleichfalls vor 955 gestorben ist und deren Mutter Helmburhc<br />

955 das Stift Fischbeck gegründet hat 104).<br />

Diese Beobachtungen gewinnen für unsere Untersuchung dadurch an Bedeutung,<br />

daß das Hamelner Bonifatiusstift von altersher im Bereich der eingangs<br />

erwähnten Erbgüter Idas von Elsdorf den "Zins auf der Heide" von etwa<br />

44 Hufen Landes in "Walige" (Kirchwahlingen), "Oldenwalige" (Altenwahlingen),<br />

"BordesIo" (Bosse), "EIten" (Eilte), "Hulsinge" (Hülsen), "Huslom"<br />

(Gr. und Kl. Häuslingen, früher urkdl. Groten- und Lütgen-Huslem), "Ellestorpe<br />

in parrochia Botzem" (Eilstorf bei Kirchboitzen) und ..Y ddesingen" (ldsingen<br />

bei Walsrode) besessen und dem jeweiligen Inhaber des Hamelner Schultheißenhofes<br />

(des jetzigen Redenhofes) zu Lehen gegeben hat 105). Man kann also ver-<br />

Origines Pyrmont. et Swalenberg. (Göttin gen 1740) 5. 18 - 25; v. Alte n in: Zs. d.<br />

Hist. Vereins f. Niedersachsen 1859, S. 51; H. D 0 b b e r tin in: Archiv f. schles.<br />

Kirchengesch. 15 (1957) S. 10 Anm. 18. Ob das Gut "Ostoph" (siel), welches 1152 durch<br />

das Kloster Corvey beansprucht, aber durch Papst Eugen III. dem Mainzer Erzbischof<br />

zuerkannt wurde (G r u p e n aaO. S. 21 f.), mit Oesdorf bei Pyrmont identisch war, ist<br />

sehr die Frage (frdl. Hinweis von Herrn Stadtarchivar Dr. RudolE Fe i g e, Hameln).<br />

102) DDArn. 102 u. 106 (892) = UBHHild. I. 20 u. 21 (892). Wolfgang Met z;<br />

Probleme der fränkischen Reichsgutforschung im sächsischen Stammesgebiet, in: Niederslichs.<br />

Ib. f. Landesgesch. 31 (1959) 5. 110 f. wagt es noch nicht, .Alaringi" zu lokalisieren.<br />

103) Sabine Kr ü ger, Studien zur sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Ih., in:<br />

Stud. u. Vorarb. z. Hist. Atlas Niedersachsens (= VeröH. d. Hist. Komm. f. Nds. 1I)<br />

Bd.19 (1950) 5.71; Hans-Walter Krumwiede, Das Stift Fischbeck an der Weser,<br />

Untersuchungen zur Frühgeschichte 955-1058, in: Stud. z. Kirchengesch. Niedersachsens.<br />

Bd. 9 (Göttingen 1955) S. 48 H.<br />

104) DO I 174 (955). Zu den Vermutungen über die Abstammung der Helmburhc<br />

und ihres Gatten Ricperht vgl. K rum wie d e aaO. S. 32 H.<br />

1(6) O. M ein a r d u s u. E. F i n k, Urkundenbuch des Stiftes und der Stadt<br />

Hameln (188711903) Bd. I. Nr. 547 u. 740, vgl. ebd. Nr. 22 (5. 17); Lau e aaO. H. 4<br />

(1961) S. 9 geht auf die jüngere Geschichte dieser Bonifatiusgüter nicht ein, verweist<br />

aber auf .viele Auszüge aus den Lehnsakten des Bonifatiusstiftes in Hameln" (aus dem<br />

Staatsarchiv Hannover) in der Sammlung des Herrn Ritterschaftssyndikus Gebhard von<br />

L e n t h e (Celle). Zur Entstehungsgeschichte des Hamelner Bonifatiusstifts vgl. neuerdings<br />

Rudolf Fe i g e, Geschichte der Stadt Hameln, in: Heimatchroniken der Städte u.<br />

Kreise d. Bundesgebietes, 23 (1961) 5. 10-18 mit literaturangaben S. 409- 414.<br />

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Sta m mtafel 3<br />

Zur Frage der Grafenrechte der Nachkommen ludolfs IV. von Braunschweig in Friesland<br />

Ekbert GI. Hz.<br />

... hl. Ida t838<br />

Oardolf 885<br />

GI. b. Ookkum<br />

dänlsdle u.<br />

Iriesisdle<br />

Vorfahren<br />

I<br />

I<br />

Reglnhllde<br />

00<br />

Widukind Hz. v. Westfalen<br />

00 Geva v. Dänemark T. Kg. SIEGFRIEDS<br />

I I I I<br />

Theoderidl 900. 909, Wlduklnd Immed Reginbern<br />

Gf. i. Westfalen<br />

Ekbert 889. 892.<br />

GI. b. Hameln<br />

Ricperht (tot 955)<br />

00 Helmburhc<br />

I. Fischbedt 955<br />

(00 I 174}<br />

I<br />

'--1<br />

Richlint 965 (OO<br />

I 445) 00 Kuno GI.<br />

v.Ohnlngen<br />

(946-973i)<br />

Reginbert 921<br />

GI. b. Ookkum<br />

Gerbert<br />

'<br />

946<br />

GI. b. Ookkum<br />

I<br />

I .1 11<br />

Ekbert Mgl. LUltpold Kuno Lutold<br />

Ric· Ael'.<br />

hardd dehc v. Stode 981 - (GI. I.<br />

(tot 955) i (966) GI. b.<br />

1023 GI. Schwa·<br />

Dokkum<br />

I. Ufgau ben)<br />

CD i Heilwigis ~<br />

1 I ............, I<br />

Söhneu. Töchter, Gertrud tl077 oo'Gott· Beren·<br />

In versdliedene schalk, s. d. GI. Ekkehard gar<br />

Gegenden oon.103J1LudaIIIV.tl038 tl027<br />

verstreut GI. v. Braunschwg. (*1016) var Rom<br />

S. d. Kaiserin GI SELA<br />

1<br />

'ido v. ~;;~~~·~:""····~~~~·~·~II. · Ekbert'l. t 1068<br />

Birkendorf t 1057 GI. b. Dokkum<br />

* um 1020 GI. b. Dokkum 00 Ermengard<br />

lebte nodll085<br />

MATHILOE t968 00 HEINRICH I. (Hz.) t936 Kg.<br />

I<br />

Frideruna<br />

I<br />

Bia<br />

I . 1<br />

OTTO I. (der Große) t973 König, Kaiser<br />

I<br />

00'EOITHAt946 "ADELHEIOt999<br />

'Ludolf t957 Hz. v.<br />

Sdlwaben 00 Ida t986<br />

I<br />

,---<br />

Mathilde<br />

'949 t 1011<br />

AbI. i. Essen<br />

11<br />

'OTTO 11. t983 Kg. Ks.<br />

00 THEOPHANU t991<br />

I<br />

-----, I \<br />

Otto I. OTTO 111. Mathi de<br />

t982 tlOO2 t1025<br />

Hz. v. Kg. ~s. 00 Erenlrled<br />

Sdlwa· (Ezzo) t 1034<br />

ben u.<br />

Pfalzgraf in<br />

Bayern<br />

Lothringen<br />

11 ---1<br />

RICHENZA t 1063 Otto 11. t 1047 Ludolf<br />

00 MIESKO 11. t 1034 Pfgl. 1045 Hz. v. t 1031<br />

König v. Polen Schwaben<br />

I<br />

I<br />

Amalrada<br />

Heinrldl t955 Hz. v. 8ayern ooJudith t987<br />

Heinridl d. Zänker t995 Hz. v. Bayern<br />

00 Glsela tl 006 T.Kg. KONRADSv.Burgund<br />

HEINRICH J tl024 Kg. K,.<br />

00 KUNIGUNOE t 1033<br />

I<br />

Hermann<br />

1037·56<br />

Erzbischol<br />

v. Köln


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muten. daß lda von Elsdorf ihre Güter in .. Twischensee. Otersen. Hülsen.<br />

Westen und Böhme vom Hamelner Grafen Ekbert (889/892) und somit womöglich<br />

gar vom westfälischen Grafen und Herzog Ekbert. der um 810 fränkischer<br />

Befehlshaber in Holstein gewesen ist und mit der hl. lda (t 838) vermählt war.<br />

durch unmittelbare Abstammung oder auf irgendeinem andern Wege durch<br />

Erbschaft erworben hatte. Außerdem mag der bei Dokkum - also bei der Stätte<br />

des Martyriums des hl. Bonifatius - 966 als Graf regierende Ekbert zu den<br />

unmittelbaren Vorfahren der lda von Elsdorf gehört haben. und er selbst oder<br />

ein gleichnamiger Sohn mag durch Otto III. zum Markgrafen bei Stade für die<br />

gesamte west-, ost- und nord friesische Nordseeküste erhoben sein. nachdem 994<br />

die Askomannen die Grafschaft Stade überfallen und verwüstet hatten.<br />

Der aus Ballenstedt am Harz stammende Albrecht der Bär (t 1170) wurde<br />

nach einer Burg. die er 1129 dem eingangs erwähnten Stader Markgrafengeschlecht<br />

im Kampf abgenommen hatte. 1134 .. marchio de Hiltagesburg"<br />

genannt und wird in Helmolds Sachsenchronik zweimal als .. marchio de Salzwedel"<br />

bezeichnet. führt aber in nicht weniger als sechs Königsurkunden den<br />

Titel .. marchio de Stade" 106). Dieser Titel muß sich also im Laufe des 11. und<br />

12. Jahrhunderts fest eingebürgert haben.<br />

VIII.<br />

Eine im 12. Jahrhundert interpolierte Urkunde Kaiser Ottas 1.. die als<br />

Ausstellungsort ehur. als Ausstellungsdatum den 26. Januar 965 nennt 107)<br />

und die inhaltlich unverdächtig ist 108). berichtet. daß ein gewisser Graf Kuno<br />

von Öhningen mit seiner Gattin Richlint und seinen vier Söhnen Ekbert. Lippold.<br />

Kuno und Leuthold das Stift Öhningen (am Rheinausfluß des Bodensees)<br />

100) Iohannes Sc h u I t z e. Nordmark und Altmark. in: Ib. f. d. Gesm. Mittel- u.<br />

Ostdeutschlands. Bd. 6 (1957) S. 85 Anm. 26 H. Hucke aaO. S. 27 -vgl. Schultze<br />

aaO. S. 98. bes. Anm. 90 - hält die von Albremt dem Bären b~herrsmte .marmia<br />

septentrionalis" irrtümlim für die "heutige Altmark zwismen Ohre und EIbe. deren<br />

Zentrum die Burg Salzwedel wurde". während sie in Wirklichkeit ein viel größeres<br />

Gebiet umfaßte. Es gibt aum keinerl~i Veranlassung, mit H u c k e aaO. S. 29 anzunehmen,<br />

es könne "nicht richtig" sein. daß der in der Historia Welforum und der Genealogia<br />

Welforum (vgl. unten Anm. 110 f.) genannte "Egebertus marmio de Stadin" ein<br />

Sohn des Grafen Kuno von Öhningen und der Richlint (DO I 445) war. und es liege<br />

vielleimt eine Verwemslung mit dem 1052 ermordeten Ekbert von Elsdorf (vgl. oben<br />

Anm. 2 u. 8) vor. - Bei dieser Gelegenheit sei Herrn Staatsarmivrat i. R. Professor<br />

Dr. Johannes 5 c h u I t z e (Berlin) für frdl. Auskünfte gedankt.<br />

107) DO I 445. Herim. Aug. mron. 965 55. V 115 berimtet, daß Otto I. am<br />

26. 1. 965 in Chur weilte. öhningen am Bodensee ist nicht zu verwemseIn mit Öhringen<br />

bei Smwäbisch-Hall. Vgl. Hansmartin D eck e r - Hau f f, Der Öhringer Stiftungsbrief.<br />

in: Württembergism-Franken (Beilage z. Zs. f. Württemberg. Landesgesm.), Bd.<br />

41 (1957) S. 17-51 u. Bd. 42 (1958) 5. 3-32, bes. 5. 27. ,<br />

108) Karl S c h mi d. Königtum, Adel und Klöster zwismen Bodensee und 5mwarzwald.<br />

in: Stud. u. Vorarb. z. Gesch. d. großfränk. u. frühdeutschen Adels (= Forsch. z.<br />

oberrhein. Landesgesm. Bd. 4. 1957) S. 240 u. 313 H.<br />

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gegründet habe. Dieselben Güter wie in dieser Urkunde sind auch in der<br />

Stauferzeit fast alle als Besitzungen des Stifts Öhningen nachweisbar 109).<br />

Aus der stauferzeitlichen Historia Welforum 110) erfahren wir über diesen<br />

Grafen und seine Familie bei Erläuterung der Verwandtschaft des Welfen<br />

RudoH II.:<br />

"Rudolf, der Bruder der oben Erwähnten, bekam eine Frau namens Ida von<br />

Öhningen, deren Vater Kuno ein hochadliger Graf, deren Mutter aber eine<br />

Tochter Kaiser Ottos des Großen namens Richlint war. Dieser Kuno zeugte<br />

jedoch vier Söhne - Ekbert, Leuthold, Kuno, Lippold - von denen der erstere,<br />

nämlich Ekbert, jene Mark empfing, die an den Grenzen Sachsens gegen die<br />

Dänen liegt und Stade heißt, und Söhne und Töchter, die in verschiedene Gegenden<br />

verstreut wurden, gezeugt hat. Es hatte derselbe Kuno aber auch vier<br />

Töchter, von denen eine jenem RudoH, die andere jemandem von Rheinfelden<br />

- einem Vorfahren der Zäh ringer -, die dritte einem König von Rügen, die<br />

vierte einem Grafen von Diessen angetraut wurde. Besagter RudoU zeugte<br />

aus seiner Ida zwei Söhne - Heinrich und Welf - und eine Tochter namens<br />

Richgarda. "<br />

Und aus der gleichaltrigen Genealogia Welforum 111) entnehmen wir:<br />

"Rudolf bekam eine Frau namens Ida von Öhningen, deren Vater Kuno<br />

ein hochadliger Graf. deren Mutter aber eine Tochter Kaiser Ottos des Großen<br />

war. Dieser Kuno aber zeugte vier Söhne - den Markgrafen Ekbert von Stade,<br />

lippold. Leuthold. Kuno - und vier Töchter, von denen eine jenem RudoU.<br />

die andere jemandem von Rheinfe1den - einem Vorfahren der Zähringer -.<br />

die dritte einem König von Rügen. die vierte einem Grafen von Andechs angetraut<br />

ist. Rudolf zeugte aus seiner Ida den Heinrich, der bei Lana auf der<br />

Jagd. von einem Fe1sstück durchbohrt. verschied. und den ersten des Namens<br />

Welf."<br />

109) Ebda.<br />

110) "Roudolfus frater superiorum accepit uxorem de Oningen ltham nomine cujus<br />

pater Chouno nobilissimus comes, mater vero ejus filia Otthonis Magni imperatoris<br />

fuit. Richlint nomine. Hic itaque Chouno quatuor filios progenuit. Eggebertum, Liutoldum,<br />

Chounonem. Leopaldum. Quorum primus, Eggebertus scilicet, marchiam illam.<br />

quae est in finibus Saxoniae versos Danos. Stad in nominatam, obtinuit et fiHos ac filias<br />

per diversas regiones disseminatas genuit. Habuit quoque idem Chouno quatuor filias,<br />

quarum una Roudolfi isti, aHa cuidam de Rinveldin parenti Zaringiorum, tertia re gi<br />

Rugiorum, quarta comiti de Diezon nupsit. Roudolfus praefatus ex sua Itha duos fiHos,<br />

Heinricum et Gwelfonem. et filiam Richgardam nomine progenuit." Historia Welforum,<br />

in: Sdlwäbische Chroniken der Stauferzeit. hrsg. v. Erich K ö n i g (1938) Bd. I. S. 12.<br />

111) Ruodolfus uxorem accepit de Oningen Itham nomine, cujus pater fuit Chuono<br />

nobilissimus comes, mater vero filia Ottonis Magni imperatoris roit. ls Chuono vero<br />

quatuor genuit filios. Egebertum marchionem de Stadin. Leopaldum. Liutoldum, Chuononem,<br />

et quatuor filias, quarum una isti Ruodolfi, aHa cuidam de Rinvelden parenti<br />

Zaringiorum, tertia regi Rugiorum. quarta comiti nupsit de Andhese. Ruodolfus ex sua<br />

genuit Heinricum. qui apud Lounum in venatione saxo percussus interiit, et Gwelfonum<br />

hujus nomine prim um (ebd. Anh. S. 76).<br />

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Der in der Historia Welforum und der Genealogia Welforum als "Markgraf<br />

von Stade" bezeichnete Öhninger Grafensohn Ekbert, welcher mehrere<br />

Kinder in versdliedenen Gebieten hinterlassen hat, wurde von der Forschung<br />

bereits mehrfach unter die vermutbaren Vorfahren der "aus Schwaben gebürtigen"<br />

Edelfrau Ida von Elsdorf eingereiht 112). AIJerdings ist die Zuverlässigkeit<br />

der Nachrichten über den Grafen Kuno von Öhningen und dessen acht<br />

Kinder noch keineswegs sicher verbürgt 118). Schwerlich war Kunos Gattin<br />

Richlint eine Tochter des Kaisers Otto I., weil davon weder in der gefälschten<br />

Öhninger Stiftungsurkunde noch in den echten zeitgenössischen QueIJen die<br />

Rede ist 114), sie wird auch keine Enkeltochter dieses Kaisers - aus der Ehe des<br />

ältesten Kaiserssohns Dudo = Ludolf (f 9;7) und der schwäbischen Herzogstochter<br />

Ida (f 986) - gewesen sein 115), da sie dann frühestens 948 geboren<br />

wäre 116) und somit im Alter von sechzehn Jahren 96; bereits Mutter von vier<br />

Söhnen (und wohl schon etwa ebensovielen Töchtern) gewesen sein müßte.<br />

112) Wilhelm Gis i, Der Ursprung des Hauses Rheinfelden, in: Anzei&er für schweizerische<br />

Geschichte, Jg. 18 NF (1887) S. 25 H. hielt den Ekbert von Öhningen für den<br />

Billunger (I) Ekbert den Einäugigen (t 994) - vg!. F re y tag aaO. S. 53 H. - und<br />

meinte in ihm den Vater Brunos VI. von Braunschwl"ig und damit Kaiserin Giselas<br />

(zweiten) Schwiegervater gefunden zu haben. Zuletzt hat Anse1m H ein r ich sen,<br />

Süddeutsche Adclsgeschlechter in Niedersachsen im 11. u. 12. Jh., in: Niedersächs. Jb.<br />

f. Landesgesch. 26 (1954) S. 40 f. diese ganz unhaltbare Velmutung wiederholt. Hierzu<br />

sei nochmals darauf aufmerksam gemacht. daß einige Pfarrbezirke, die 1051 und 1057<br />

(DH 1Il 279 u. DH IV 22) zum Komitat Brunos VI. Ludolfs IV. und Ekberts I. gerechnet<br />

wurden, sich um 1022 (DH II 260) in fremder Hand befanden: Denstorf gehörte zur<br />

Präfektur Tammos, Schöningen zu jener des Grafen Lüdeger (von Walbeck) und das<br />

Gebiet um die Asseburg zu jener Ekberts (eines vermutlichen Nachkommen Ekberts des<br />

Einäugigen. der mit dem gleichnamigen Bruder des Paderborner Vogts und Grafen<br />

Amelung identisch gewesen sein mag); vgl. F re y tag aaO.<br />

113) Frd\. Hinweis von Herrn Dr. Kar! Sc h m i d (Freiburg i. Br.). der sich eine<br />

weitere Aufklärung der genealogischen Probleme um die Grafen von Öhningen durch<br />

Auswertung zeitgenössischer Libri memoriales erhofft. Vgl. Karl Sc h m i d. Zur Problematik<br />

von Familie. Sippe und Geschlecht. Haus und Dynastie beim mittelalterlichen<br />

Adel, in: Zs. f. d. Gesch. d. Oberrheins 105 NF 66 (1957) S. 1-62; hierzu einschränkend<br />

v. Klo c kein: Westf. Forsch. 11 (1958) S. 197. Vielleicht gehörte zur<br />

F:;milie der Grafen von Öhningen (als letzter männlicher Sproß?) der 1027 als Jüngling<br />

vor Rom gefallene "Berengarius filius Liutoldi comitis de Alamannia" (Die Werke<br />

Wipos ed. B re ß lau. cap. 16 S. 36).<br />

114) Der am meisten berechtigte Thronanwärter war 1002 der Frankenherzog Otto<br />

(t 1004), dessen Mutter Liutgard eine leibliche Tochter Ottos des Großen (erster Ehe)<br />

gewesen war. Er verzichtete jedoch wegen seines hohen Alters zu Gunsten des Bayernherzogs<br />

Heinrich, der nach der Ermordung des aussichtsreichen Thronbewerbers Ekkehard<br />

von Meißen trotz der Kandidatur des Schwabenherzogs Hermann Il. 1002 in Mainz<br />

als Heinrich 11. zum neuen König gewählt wurde. Herzog Ottcs Sohn Heinrich von<br />

Franken war der Vater des späteren Kaisers Konrad n.<br />

116) H. D eck er. Hau f f in: Festschrift Weingarten 10;6-1956 (1956) S. 48<br />

Anm. 70; vgl. K leb e I aaO. S. 183. der Richlint ohne jeden Beweis für eine ~iIIegitime"<br />

bzw .• adoptierte" Tochter Ottos des Großen hält.<br />

116) Als einzige Kinder der 947 zwischen Ottos des Großen Sohn Liudolf und der<br />

schwäbischen Herzogstochter rda geschlossenen Ehe kennen wir die 949 geborene<br />

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Trotzdem mag etwas Wahres in der Nachricht, Richlint sei eine n Tochter<br />

Kaiser Ottos des Großen" gewesen, verborgen gein. Im Jahre 950 kämpfte<br />

nämlich in Worms in einem gerichtlichen Zweikampf der Sohn eines Grafen<br />

Gebhard namens Kuno um die Ehre einer "neptis" Ottos 1. gegen einen säch~<br />

sischen Grafen, dem er ein unerlaubtes Verhältnis zu ihr nachgesagt hatte 117).<br />

Und da in Schwaben im Ufgau bei Baden-Baden 940 ein Graf Gebhard, später<br />

seit 946 ein Graf Kuno und seit 981 der Sohn eines Grafen Kuno, welcher<br />

wiederum Kuno hieß, als Komitatsinhaber nachweisbar sind 118), hat man mit<br />

Recht erwogen, ob jener in Worms 950 kämpfende Graf Kuno mit dem schwä~<br />

bischen Grafen Kuno von Öhningen identisch gewesen sein mag und ob des<br />

letzteren Gattin Ricblint somit vielleicht nur eine Base oder Nichte Ottos I.<br />

war 119).<br />

Wir wollen hier noch einen Schritt weitergehen und die Frage zur Erör~<br />

terung stellen, ob der "Markgraf Ekbert von Stade" ein Stiefsohn Kunos Cd. Ä.)<br />

von Öhningen aus einer unerlaubten Verbindung der Richlint mit jenem säch~<br />

sischen Grafen gewesen sein kann, also um 950 geboren ist und somit unter<br />

Umständen mit dem 966 bezeugten friesischen Grafen Ekbert identisch war,<br />

Hierbei ist zu beachten, daß offenbar nur er - nicht aber eines seiner sieben<br />

Geschwister - die Mark Stade erhalten hat 120).<br />

IX.<br />

Kaiser Heinrich V. bestätigte 1125, daß einst der Schwabenherzog RudoH<br />

(von Rheinfelden), Graf Otto (von Dießen-Andechs?) und dessen Sohn Graf<br />

Äbtissin Mathilde von Essen (t lOH) und deren in Schwaben (und zeitweilig auch in<br />

Bayern) als Herzog regierenden Bruder Otto (f 982).<br />

u") R. K ö p k e u. E. D ü m m I e r, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Otto<br />

dem Großen (Leipzig 1876) S. 176; G. Schenk von Schweinsberg, Genealogische<br />

Studien zur Reichsgeschichte, in: Archiv f. hess. Gesch. NF 3 (1904) S. 372 ff.<br />

U8) Schenk von Schweinsberg aaO.; vgl. K. Schmid in: Forsch. z.<br />

Gesch. d. Oberrheins 4 (1957) S. 318 Anm. 25.<br />

119) Am ehesten wird man Richlint wohl dem Geschlecht der mit Graf Theoderich<br />

von Westfalen vermählten Reinlinde - also dem der Mutter der Königin Mathilde und<br />

Großmutter Kaiser Ottos des Großen mütterlicherseits - zurechnen dürfen, das ja aus<br />

Friesland bzw. aus Dänemark stammte.<br />

120) Als leiblicher Vater Ekberts von Ohningen käme unter diesen Umständen vor<br />

allem Ekbert der Einäugige (vgl. oben Anm. 112) in Frage, da er ein Sohn des mit einer<br />

Sdlwester der Königin Mathilde vermählten Wichmann I. (t 944) war und daher 1001<br />

(DO 11l 390) urkundlich als "nepos" Kaiser Ottos IlI. und als (verstorbener) Komitatsinhaber<br />

bei Königsdahlum bezeichnet wird (F r e y tag aaO. S. 54). Wichmann I. war<br />

ein Bruder des Sachsenherzogs Hermann Billung (f 973). - Bei Königsdahlum ist auch<br />

Ekberts des Einäugigen Sohn Wichmann 111. (t 1016), ein erbitterter Gegner des Grafen<br />

Balderich von Drenthe (des Stiefvaters Bischof Meinwerks von Paderbom), Komitatsinhaber<br />

gewesen. (F r e y tag aaO. S. 54 ff). - Die Möglichkeit, daß Ekbert der Einäugige<br />

der 966 bei Dokkum regierende Graf Ekbert war (DO I 324), sei hier wenigstens<br />

angedeutet.<br />

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Friedrich, der sächsische Graf Ekbert (von Braunschweig), "Ita de Saxonia et de<br />

Birctorf", (Edelherr) Toto von Wagenhausen und Vogt Hezelo von Reichenau<br />

ihren gemeinsamen Besitz am Gut zu Schluchsee (im Schwarzwald) dem Kloster<br />

St. Blasien (im Schwarzwald) geschenkt haben 121).<br />

Daß dies Gut aus dem Erbe der schwäbischen Grafen von Öhningen<br />

stammte, ergibt sich daraus, daß RudoH von Rheinfelden gemäß der Historia<br />

Welforum und der Genealogia Welforum von einer Schwester des Stad er Markgrafen<br />

Ekbert abstammte, und daraus, daß Wagenhausen unmittelbar bei<br />

Öhningen liegt 122). Bemerkenswert ist, daß auch Graf Ekbert 1. von Braunschweig<br />

bzw. dessen Sohn Ekbert 11. 123) zu dieser Öhninger Erbengemeinschaft<br />

gehörte. Daher hat man schon seit langem mit gutem Grund vermutet, daß die<br />

in der Bestätigungsurkunde hinter diesem sächsischen Grafen Ekbert genannte<br />

"sächsi.sche" Edelfrau Ida von Birkendorf identisch war mit der von Albert von<br />

Stade erwähnten "schwäbischen" Edelfrau lda von Elsdmf, zumal die Güterübertragung<br />

vermutlich erst um 1075 erfolgt ist 124), als letztere ihre Herrschaftsrechte<br />

bei EIsdorf bereits dem Markgrafen Udo 11. (von Stade) übertragen<br />

hatte. Im Jahre 1085 stiftete Ida von Birkendorf der cella St. Fides in Grafenhausen<br />

ein Gut in Birkendorf und der Kirdle zu Birkendorf ein Gut in Mettingen<br />

125).<br />

Rudolf von Rheinfelden war mit Kaiser Heinrichs IV. Schwester Adelheid<br />

vermählt. Im Gegensatz zu Otto von Northeim, der durch ein Ränkespiel bei<br />

Kaiser Heinrich IV. in Ungnade gefallen war und sich daher nach langem<br />

Zögern zum offenen Aufruhr genötigt sah 126), verfocht Rudolf zunächst<br />

weiterhin die Sache seines kaiserlimen Smwagers und geriet als Anführer eines<br />

kaiserlimen Heeres 1075 in der mörderischen Schlamt beim Kloster Homburg<br />

(an der Unstrut) sogar in einen gefährlimen Zweikampf mit dem nordmärkischen<br />

Markgrafen Udo 11. von Stade 127), der, wie gesagt, gemäß dem Bericht<br />

Alberts von Stade den Grafen Ekbert von Elsdorf in Wi>Stedt ermordet, aber<br />

trotzdem dessen Mutter Ida von Elsdorf beerbt hatte. Erst während der Canossareise<br />

des durch Papst Gregor VII. exkommunizierten Kaisers Heinrich IV. ließ<br />

sich Rudolf am 26. März 1077 zum Gegenkönig wählen. Seine Erbtochter Agnes<br />

121) Stumpf Nr. 3205; Sc h m i d aaO. S. 316 H.<br />

U2) Sc h m i d aaO. S. 240 H. weist auch auf staufischen Besitz in Öhningen hin.<br />

123) Daß noch Ekbert 1. (f 1068) an dieser Güterstiftung beteiligt war, ist kaum<br />

anzunehmen.<br />

124) Wahrscheinlich war Rudolfs Sieg und seine Errettung aus dem lebensgefährlichen<br />

Zweikampf gegen Udo 11. von Stade in der Schlacht bei Homburg (1075) der<br />

Anlaß zu dieser durch Heinrich V. bestätigten Güterstiftung für St. Blasien am Schwarzwald.<br />

125) Beleg bei 5 eh m i d aaO. S. 319 Anm. 27 f.<br />

128) Hierzu jetzt K. H. La n g ein: Niedersächs. Jb. f. Landesgesch. 33 (1961)<br />

S. 10-79.<br />

121) Vgl. unten Anm. 129.<br />

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Stammtafel 4<br />

Zur Frage der Verwandtschaft zwischen Udo 11. von Stade und Ekbert von Elsdorf<br />

Gebhard 940 Gf. I. Ufgau<br />

I<br />

Kuno 946-973 S. Gebhards 950<br />

=iGI. v.Ohnlngen 965(00 I «5) 00<br />

Ekbert 889. 892. GI. b. Hameln<br />

neptis d. Ks. Olio I. 950<br />

=i Ridllint 965 IDO I. 445)<br />

Ekbert (966)i<br />

lultpold<br />

(001324)<br />

Mgf. v. Stade<br />

ooiHeilwlgls<br />

1<br />

-1-···················· .<br />

Söhne<br />

Gertrud tl077<br />

und (i 010 1018)<br />

Tödlter<br />

00 Ludolf IV.<br />

tl038 GI. v.<br />

Braunsdlwelg<br />

1<br />

Toto· Y. Heielo<br />

Wogen- Vogt Y.<br />

hausen Reiche·<br />

Edler lIau<br />

(Stumpl3205)<br />

lido·<br />

o··'r<br />

Y. Elsdorf<br />

u. BIrkendorf<br />

Ekbert GI. I.<br />

Elsdarft(1052)<br />

cognatus Udos<br />

11. v. Stode<br />

Kuno 981 S. Lutold (GI. Ida . N. 00 GI. v. N. 00 ~ürst<br />

Kunos Gf. I. UI· i. Schwaben) 00 Rudoll 11. Rheinleiden v. Rügen<br />

gau 987-1023(i) i<br />

I<br />

~ I<br />

rl ----~--------I'<br />

Berengar t 1027 Heinrich WeilI. Adelheid Kuno t 1026<br />

vor Rom als t 1030 00 Udo I. GI. v. GI.i.Albllau<br />

.;"~";.. ',W El FE N l S.,'!'''' "h''"[''''"'<br />

"Bruno VII. • Ekbert I. tl068 Udo 11. tl0B2 RUDOLF tl0s0 Hz.<br />

t 1057 GI. i. GI. i. Friesland Mgl. i. d. Nord· v. Sdlwaben (Stumpl<br />

Friesland Mgf. v. Meißen mark 00 Oda v. 3205), Gegenkönig<br />

'" Ermengard v. Werl 1077 ooADELHEID, T.<br />

Susa I Ks. HEINRICHS 111.<br />

'I --------'IL---,I<br />

Ekbert 11. (Stumpl3205) Gertrud tll17 (5 TA DER) Agnes tll\1 "" Bertt<br />

1090 GI. i. Friesland, w' Heinrich d. F. hold 11. v. Zöhringen<br />

Mgl. v. Mei6en GI. v. Northeim Hz. v. Sdlwaben<br />

t 1101 b. Norden t 1111<br />

I<br />

N.oo(Friedrlch)<br />

GI. v. Diessen<br />

(1003-1025)<br />

Berthold OttoGI.<br />

1025 1018<br />

(Stumpl<br />

3205)<br />

I<br />

Frledrlch GI.<br />

(Stumpf 3205)<br />

( S TAU F E'R t )


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von Rheinfelden vermählte sich 1079 mit dem zum neuen Schwabenherzog<br />

erhobenen Grafen Berthold II. von Zähringen (t 1111) 128).<br />

Für unsere Untersuchung ist besonders wichtig, daß Udo II. von Stade ausdrücklich<br />

als "consobrinus", und zwar als Sohn einer "amita" Rudolfs von<br />

Rheinfelden bezeichnet wird 129.). Rudolfs Vater (Kuno) war demnach ein Bruder<br />

der Mutter Udos 11. von Stade, und es ergibt sich auf diese Weise, daß Udo II.<br />

von Stade und Ida von Elsdorf (und Birkendorfl) durch gemeinsame Abstammung<br />

von dem Grafen Kuno (d. Ä.) von Öhningen bzw. seiner Gattin Richlint<br />

etwa im zweiten Grade (germanischer Zählung) miteinander verwandt gewesen<br />

sind. Damit bestätigt sich zugleich die Angabe der Stader Annalen, daß Idas<br />

Sohn Ekbert ein "cognatus" Udos II. von Stade war.<br />

Es sei noch erwähnt, daß Ekbert II. von Braunschweig, der - wie seit 1067<br />

sein Vater Ekbert I. - als Markgraf in Meißen regiert hat, sich zwar 1073 am<br />

Aufstand Ottos von Northeim gegen den Kaiser beteiligte, in der Schlacht bei<br />

Homburg 1075 aber den Kampf des von Rudolf von Rheinfelden geführten<br />

kaiserlichen Heeres unterstützte. Man wird daher annehmen dürfen, daß die<br />

Stiftung des Gutes in Schluchsee zur Zeit der Feindschaft zwischen Rudolf von<br />

Rheinfelden und Udo II. von Stade einerseits und der Waffenbrüderschaft<br />

zwischen Rudolf von RheinfeIden und Ekbert II. von Braunschweig andrerseits<br />

erfolgt ist. Damals lebte noch Ekberts II. Großmutter Gertrud als Witwe in<br />

Braunschweig. Sie mag diese Stiftung veranlaßt oder zumindest befürwortet<br />

haben. Als sie am 21. Juli 1077 starb, war Rudolf von Rheinfelden bereits<br />

einige Monate Gegenkönig.<br />

Somit rundet sich das Bild, und wir dürfen abschließend sagen. daS der<br />

Behauptung Alberts von Stade. Ida von Elsdorf sei "eine aus Schwaben gebürtige<br />

Bruderstochter des Kaisers Heinrich III. sowie eine Schwesterntochter des<br />

Papstes Leo IX." gewesen, deren Sohn Ekbert in Wistedt durch seinen Anverwandten<br />

Udo von Stade getötet sei, keine Bedenken gegenüberstehen 130). Es<br />

ist nämlich in unser Ermessen gestellt, Ida von Elsdorf für eine Stieftochter des<br />

Kaiser(sticf)bruders Ludolf IV. von Braunschweig und für eine StIefschwesterntochter<br />

des besagten Papstes zu halten und anzunehmen, daß Ida von EIsdorf<br />

nach ihrer Romreise in das schwäbische Schwarzwalddorf Birkendorf übergesiedelt<br />

ist, welches zu den Erbgütern der Grafen von Öhningen gehört haben wird.<br />

128) VgI. Isenburg I. 4.<br />

129) Brunos Buch über den Sachsenkrieg. MG. Kritische Studien texte. hrsg. v. H. E.<br />

Lohmann (1937) cap. 45 S. 43 H.; Ann. Saxo 1056 55. VI 691; Ann. Stad. 1144<br />

S5. XVI 325; H u c k e aaO. S. 28 Anm. 184.<br />

130) Dieses Untersuchungsergebnis erspart uns wohl eine Auseinandersetzung mit<br />

dem von D eck e r - Hau f f in: Württ. Franken 42 (1958) S. 27 erwogenen Gedanken.<br />

daß Graf Poppo von Lauffen (1037) - ein Stiefbruder Kaiser Konrads 11. (7) -<br />

der leiblidIe Vater Idas \'on Elsdorf gewesen sein könnte.<br />

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Die Gestalt der Stadt Gandersheim<br />

Zu ihrer topographischen Entwicklung<br />

Von<br />

Kurt Kronenberg<br />

I. Das Stift<br />

Die romanische Stiftskirche ist Waluzeichen und Mittelpunkt der Stadt<br />

Gandersheim. Sie hat den Häusern, Straßen und Plätzen den Stempel aufgedrückt.<br />

Alle Bauten haben sich ihr angleichen und unterordnen, alle Straßen<br />

und P].ätze nach ihr ausrichten müssen; sie prägte selbst das Landschaftsbild.<br />

Ohne die Stiftskirche wäre Gandersheim nimt - Gandersheim.<br />

Am Anfang der Stadt Gandersheim steht die Gründung des Kanonissenstiftes<br />

im lahre S'2 1 ). In der Zeit von S,6 bis SSl wurde der erste Bau der<br />

Stiftskirche errichtet.<br />

Die Stiftskirche stand nie allein, sondern war von vielen Gebäuden umgeben,<br />

die dem außergottesdienstlichen Leben der Kanonissen dienten. Der<br />

Klosterplan von St. Gallen zeigte smon in karolingischer Zeit das Muster, wie<br />

die Bauten für eine geistliche Gemeinschaft um das Gotteshaus geordnet sein<br />

sollten. Es ergibt sich aus der Sache selbst, daß die Kanonissen außer Gottesdienst<br />

und Gebet Räume zum Essen und Sdllafen, zum Lernen und zur Erholung<br />

braumten, daß andere Menschen Unterkunft benötigten, die für sie sorgen und<br />

sie ernähren mußten.<br />

Dieses Stift sollte bald nom die Aufgabe übernehmen, weltliche Herrsdlaft<br />

auszuüben. Die Herkunft der ersten Äbtissinnen aus fürstlichem, ja königlichem<br />

und kaiserlichem Hause und die Klosterpolitik Ottos 1. führten zum kaiserlich<br />

freien weldimen Stift Gandersheim. Aus einer Zeit, da der Höhepunkt Gandersheimer<br />

Geschichte bereits überschritten war, aus dem Jahre 1196, nennt die<br />

Äbtissin als Bewohner des Stiftsbezirks: "Nos et familia nostra et officiati<br />

nostri, domine nostre cum canonicis et ministerialibus et famulis eorundem et<br />

officiati ecclesie. Item officiati conventus, campanarii, cocus communis, claviger<br />

granarü et scolares" 2). (= Wir und unsere persönlidlen Bedienten und unsere<br />

Beamten, die Kanonissen mit den Kanonikern und Rittern sowie deren Knappen<br />

und die Beamten des Stiftes. Auch die Beamten des Konventes, die Glöckner,<br />

der gemeinsame Kom, der Schließer des gemeinsamen Speichers und die<br />

Schüler.)<br />

1) Hans Go e t tin g. Die Anfänge des Reichsstiftes Gandersheim. in Brschw. Jb.<br />

31 (1950) S. 19 H.<br />

') Niedersächsisches Staatstarchiv Wolfenbüttel (künftig: Nds. StA Wb.) Hs VII B 2.<br />

Abdruck bei G 0 e t tin g. Die Anfänge der Stadt Gandersheim. in: Blätter für<br />

deutsche Landesgeschichte Jg. 88 (1951) S. 55 und Gand. Kreisbl. vom 1. 11. 1959.<br />

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Für alle diese Stiftsinsassen wurden viele Gebäude benötigt 3). Der Stiftsbezirk<br />

ist noch heute deutlich im Stadtbild zu erkennen (Abbildung 1). Im Osten<br />

wurden die Gebäude der alten Abtei nach dem großen Brand von 1597 im<br />

Renaissancestil wieder erbaut, nur die MichaeliskapeIle zeigt noch romanische<br />

Bauteile. Nach der Straße zeigen die Gebäude noch den einstigen festungsartigen<br />

Charakter. Im Norden läßt der Domänenhof die Grenze deutlich erkennen,<br />

vor allem in dem Hufeisen, das die Gebäude um den Fronhof noch heute<br />

im Westen bilden. Im Süden verrät die Häuserreihe des Wilhe1msplatzes den<br />

Verlauf des Stiftsbezirks, den man nach vorn ergänzen muß, die Moritzkirche<br />

noch einschließend.<br />

Dieser Bezirk war von einer Mauer umgeben. Schon Roswitha von Gandersheim<br />

spricht von Mauern (moenia), die Herzog Otto der Erlauchte (t 912)<br />

vollendete 4). Vor allem berichtet der Priester Eberhard in seiner niederdeutschen<br />

Reimchronik der Geschichte Gandersheims von 1216 5 ):<br />

"Heit de Here ein herlik Stichte anevan<br />

und uppe datsine Werk na eme möchte duren,<br />

darumme leit he werken eine Muren<br />

schöne unde weit umme dat Stichte ...<br />

Schon frühzeitig wird der Stiftsbezirk Burg genannt. Als Kaiser Otto II. 980<br />

dem Stift die ihm von seinen Vorgängern verliehenen Rechte bestätigte, nennt<br />

er dabei: "urbalem bannum, quem vulgariter Burgbann vocant" 6).<br />

Als Bischof Bernward von Hildesheim im Jahre 1001 Gandersheim<br />

besuchen wollte, verweigerten ihm die Kanonissen unter Führung der Kaisertochter<br />

Sophie den Zugang, indem sie ihre Ministerialen aufboten: "Diese<br />

erfüllten bewaffnet die Türme und Befestigungswerke im Umkreis der Kirche<br />

und setzten ihre Burg gegen einen einzigen Mann, ihren eigenen Bischof, in<br />

Verteidigungszustand" 7).<br />

Auch Bodenfunde bestätigten den Verlauf des "Murus urbanus", wie er in<br />

der Urkunde von 1188 genannt wird 8). Als 1956 das Haus Markt 8, der<br />

S) Kurt K r 0 n e n b erg, Kronenhaus und Kaisersaal. Gandersheimer Stiftsgebäude<br />

einst und jetzt. Bad Gandersheim 1960.<br />

') IJ-Irotsvithae opert ed. P. v. W in t e r f eid (Mou. Germ. 55. in uso schol. 1902)<br />

5.229.<br />

5) Die Gandersheimer Reimchronik des Priesters Eberhard, hrsg. v. ludwig WolfE<br />

(Altdt. Textbibliothek hrsg. v. G. Baesecke) 5.17 Vers 406<br />

8) Mon Germ. DO II Nr. 214 vom 980 März 12.<br />

7) Thankmar, MonGerm. SS IV p. 762.<br />

8) Nds. StA Wb. Urk Abt. 6 Nr. 28, siehe dazu Gerhard KalI e n: Das Gandersheimer<br />

Vogtweistum von 1188, in: Historiscne Aufsätze, Aloys Scnulte zum 70. Geb.<br />

gewidmet (Düsseldorf 1927) 5.169.<br />

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sogenannte Bracken, umgebaut wurde, .stieß man westlich vom Hofraum in der<br />

Tiefe auf ein festes starkes Mauerwerk. Es waren so viele starke Bruchsteine, daß<br />

man den ganzen Anbau damit errichten konnte. Die Stärke und der Umfang des<br />

Mauerwerks ließen auf ein Tor sdlließen 9). Bei der Anlage der Vollkanalisation<br />

bnd man auf dem Markt, vor dem Rathaus, ebenfalls erstaunlich starkes<br />

Mauerwerk, auch um die Osterzeit 1961 in der Reutergasse vor dem Pfarrhaus<br />

WilhelmspIatz 11. Audl hier waren es ziemlidl quadratische Bruchsteine von<br />

40 bis 60 cm Größe 10). Diese Fundstellen fügen sich gut in da.s Luftbild ein.<br />

das uns den Stiftsbezirk zeigt (Abb. 1).<br />

Noch einen Schutz hatte die Stiftsburg: die Gande. Betrachten wir auf dem<br />

Luftbild den Verlauf der Grenze im Norden (links im Bild). so fällt die merkwürdige<br />

Einbuchtung in der Mitte auf. Sie mußte für die Verteidigung ungünstig<br />

sein. Ich meine. daß hier einst die Gande entlang floß und diese Einbuchtung<br />

schuf. weil sie vom Norden her strömte 11). Noch lange nach der Verlegung<br />

des Flusses - im 16. Jahrhundert - war der Plan sumpfig und oft mit Wasser<br />

bedeckt. Die Anlieger klagten. daß sie häufig nicht in ihre Häuser und Scheunen<br />

kommen konnten 12). 1215 trug ein Ministeriale des Stiftes den Namen:<br />

Transaquam 13). später finden wir den Namen .. Over dem Beke" 14). ihr Hof<br />

wird von der Stiftsburg aus gesehen jenseits der Gande gelegen haben.<br />

Die Stiftsburg mißt in der Länge (Ost-We.st) 225 m. in der Breite (Nord-Süd)<br />

175 m.<br />

Wir wenden uns nun den Gebäuden des Stiftsbezirks zu. Die Urkunde von<br />

1107/10 15) erwähnt: .. Officinae. Refectorium. Dormitorium·. das Vogt weistum<br />

von 1188 16 ): .. Septa cIaustri. cymiterium. murus urbanus. domicilium<br />

ecclesiasticarum personarum. possessiones ministerialium". Die Urkunde von<br />

1196 17 ) nennt: "Curiae et domus ministerialium. granarium commune". In<br />

dieser Urkunde werden auch Schüler genannt. so daß es neben der Schule für<br />

Kanonissen und junge adlige Mädchen. von der uns Roswitha berichtet. auch<br />

9) Kr 0 ne n b erg, Der Bracken, in Gandersh. Kreisblatt vom 3 .• 15 .• 22 .• :29. X.<br />

5. XI. 1960.<br />

10) Kr 0 n e n b erg. Wie verlief die älteste Stadtbefestigung in Gandersheim? in<br />

Gandersh. Kreisblatt 15.4.1961.<br />

11) VgI. Eberhards Bemerkung a. a. O. Vers 414: dat he deH HameH VOH dem<br />

wateTe Heme, dat bi HOTdeH vlut delHe c10steTe Ha.<br />

12) Nds. StA Wb. L Alt Abt. 11 Gand. Fb. 1. 111 Nr. 56.<br />

"') Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 42.<br />

U) Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 223.<br />

16) Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 27, siehe dazu Hans Go e t tin g. Die Gandersheimer<br />

Originalsupplik an Papst Paschalis 11. als Quelle für eine unbekannte Legation Hildebrands<br />

nach Sachsen in: Nds. Jb. rur Landeögeschichte Jg.:21 (1949) S. 93 ff.<br />

16) Nds. StA Wb. Urk Abt. 6 Nr.28.<br />

17) Ebda. Hs VII B Nr. 2.<br />

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eine Knabenschule gegeben haben muS. in der Chorknaben für den kirchlichen<br />

Dienst ausgebildet wurden.<br />

Von den urkundlich genannten Gebäuden können wir noch räumlich folgende<br />

nachweisen:<br />

Die Abtei im Osten der Stiftskirche. die der Äbtissin und ihrer persönlichen<br />

Dienerschaft als Wohnung diente und zugleich ein eigener Wirtschaftshof<br />

war. Das Dormitorium im Norden der Stiftskirche. das sich mit romanischen<br />

Bauteilen in einem späteren Gebäude erhielt und 1936 abgerissen wurde.<br />

Säule. Kapitell und Bogen wurden sichergestellt und werden im Heimatmuseum<br />

aufbewahrt. 1429 wird es als Slaphus 18) erwähnt. war aber seinem Zweck<br />

schon entfremdet. Das Refektorium war in der Reformationszeit noch erhalten.<br />

ebenfalls nicht mehr als solches benutzt.<br />

Das Granarium commune der Urkunde von 1196 hieß später der Spiker.<br />

1449 als Speicher des Kapitels auf dem Fronhof bezeichnet 19), es stand westlich<br />

vom Schlafhaus. nach Norden in Verlängerung des Stiftskalkhauses. Das Kalkhaus<br />

wurde 1958 abgerissen. es verlief von der Nordwestecke der Stiftskirche<br />

nach Norden.<br />

Schlafhaus. Kalkhaus. Refektorium umschlossen den Kreuzgang. der im<br />

Norden der Kirche lag. Er war zweistöckig und hatte einen Zugang zum Westwerk<br />

der Kirche. wo noch heute seine Verbindung zu sehen ist. Er bestand aus<br />

zwei Armen im Westen und Norden und endete östlich am Abteigebäude. Er<br />

hatte zwei Eingänge von außen. einen zum Fronhof. den anderen zum<br />

Domänenhof.<br />

Eine Schreiberei wird 155' 5 erwähnt 20). Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig<br />

belehnte damals seinen Amtmann Samson Sturz mit diesem Haus. das<br />

.. auf der Ebtei steht bei Gebhard Struven Scheune".<br />

Das Stiftskapitel besaß in dem Kronenhaus ein Gebäude. das zu Sitzungen.<br />

Empfang von Gästen und Aufbewahrung von Urkunden verwendet wurde. Es<br />

wird 13 51 und 13 66 erstmalig genannt 21). lag südlich vor dem Eingangsportal<br />

der Stiftskirche. sein Aussehen ist uns in einem Stich bei Leuckfeld überliefert<br />

22). In diesem Haus war auch die Schule untergebracht.<br />

Auf dem heutigen Domänenhof standen die Kurien vieler Kanonissen.<br />

Die Pröpstin wohnte in einem Hause an der (heutigen) Burgstraße. Als das<br />

Amt erlosch. bezog die Dekanisse das Haus. dessen Ansicht uns ein Stich bei<br />

Leuckfeld (Abb. 2) zeigt.<br />

18) Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 360.<br />

19) Ebda. Urk Abt. 6 Nr.449.<br />

20) Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 868.<br />

21) Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 163 und 202.<br />

") Abbildung in Kr 0 n e n b erg. Kronenhaus lind Kaisersaal (Bad Gandersheim<br />

1960) 5.14.<br />

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Die Dekanisse hatte bis dahin in dem Hause vor dem Westwerk der Stiftskirche<br />

gewohnt, von 1589 an bezog es die jeweils älteste Kanonisse. 1741<br />

erbaute es die Kanonisse Magdalene Sybille neu 28). Da es den Blick auf die<br />

Stiftskirche verdeckte, wurde es 1958 abgerissen.<br />

Die früheste Erwähnung einer Stiftskurie ist das Jahr 1251 24). Damals<br />

übereignete der Kanoniker Johann von Wunstorf die Kurie, welche Gertrud<br />

von Ziegenberg bewohnte, dem Marienaltar. Vom 14. Jahrhundert ab fließen<br />

die Quellen für die Kurien der Kanonissen und Kanoniker so reichlich, daß<br />

wir die Geschichte vieler Häuser durch die Jahrhunderte verfolgen können. Ich<br />

hoHe, ein Häuserbuch darüber vorlegen zu können.<br />

Der Platz nördlich der Stiftskirche, der heutige Domänenhof. war völlig<br />

bebaut. Nur zwei schmale Gäßdlen führten zu den einzelnen Gebäudekomplexen<br />

(Höfen). Auf dem Stim bei Leuckfeld ist eines davon gut zu sehen (Abb. 2).<br />

Auch die Federzeichnung von 1580 (Abb. 3) zeigt die dichte Häuserfront, wenn<br />

auch die Stiftskirme um des klaren Bildes willen freigestellt ist. Erst im<br />

18. Jahrhundert wurde dieser Platz zur Domäne der Abtei gezogen, nach deren<br />

Aufhebung 1936 und Abbruch der Häuser und Stallungen entstand der heutige<br />

freie Platz.<br />

Aber schon in den ältesten Zeiten gehörte ein Wirtschaftshof zum Stift.<br />

Wir finden ihn im Fronhof. heute Teil des Domänenhofes im Westen. Hier<br />

stand der smon erwähnte Spiker und die Zehntscheune. Seine anfangs große<br />

Bedeutung wurde geringer, nachdem die Kanonissen das gemeinsame Leben<br />

aufgegeben hatten und jede ihren eigenen Hof hatte und sich selbst versorgte.<br />

Die Bezeichnung blieb. 1350 wird erstmalig die "Curie uppe deme Vronhove"<br />

erwähnt, die damals dem Kanoniker Heinrich von Sebexen gehörte 25), 1401<br />

lautet der Name Frowenhof 26) und seitdem finden wir beide Namen nebeneinander.<br />

Da man sim unter Fronhof nichts vorstellen konnte, vermutete man.<br />

daß hier die "Frauen" des Stiftes gewohnt hätten. Es handelt sich aber um den<br />

Hauptwirtschaftshof des Stiftes.<br />

Wir wenden uns nun dem Raum im Süden der Stiftskirche zu. Der heutige<br />

große freie Platz - seit 1856 nach Herzog Wilhelm von Braunschweig (t 1884)<br />

Wilhe1msplatz genannt - entstand durch Aufhebung des Stift,friedhofes im<br />

Jahre 1805 27 ). Er diente für die Insassen des Stiftes, während die Bürger der<br />

Stadt auf dem St.-Georgs-Friedhof begraben wurden.<br />

Aber es war nicht der älteste Friedhof des Stiftes, denn wir wissen aus<br />

Funden in den Höfen der Häuser Markt 8 und 9, daß ursprünglich hier die<br />

23) Karl 5 t ein a c k e r, Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig<br />

BJ. V (Wolfenb. 1910) S. 222.<br />

2&) Nds. StAWb. Urk Abt. 6 Nr. 63.<br />

") Ebda. Ulk Abt. 6 Nr.158.<br />

20) Ebda. Urk Abt. 6 Nr.262.<br />

27) G. L. B ra c k e bus eh in Gand. Wochenblatt 185$ Nr.58.<br />

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Begräbnisstätte war 28). Das muß freilich in sehr alter Zeit geschehen sein. denn<br />

die Häuser sind schon im frühen Mittelalter entstanden.<br />

Der Wilhelmsplatz war deshalb nach der Entstehung des Stiftes die Stelle.<br />

an der die Kurien der Ministerialen gelegen haben. Die Urkunden vermitteln<br />

uns vom 12. Jahrhundert an einen Einblick. wie groß deren Zahl war. In der<br />

Urkunde von 1188 werden 12 Ministerialen als Zeugen genannt. darunter ein<br />

Dapifer und ein Camerarius. und das war schon nach der Glanzzeit des Stiftes.<br />

Wieviele mögen es gewesen sein. als die Kai~rtochter Sophie (1002-1039)<br />

hier regierte? Bereits die Urkunde von 1196 verriet. daß viele Ministerialen<br />

nicht mehr in Gandersheim wohnten. sondern ihre Kurien vermieteten. Die<br />

Zahl sank deshalb stark ab. und es blieb allein die Häuserreihe im Süden des<br />

Wilhelmsplatzes.<br />

AIs sich nach Entstehung der ersten Marktsiedlung jm Westen des Stiftsbezirks<br />

die Notwendigkeit ergab. den alten Friedhof zu verlegen. benutzte<br />

man den von den Ministerialen aufgegebenen Platz im Süden der Kirche.<br />

Die Geschichte der Ritterkurien können wir vom Jahr 1398 eingehend verfolgen<br />

29). Ihre Bewohner sind die Ritter von Gandersheim - auch einfach<br />

vom Hofe. de Curia - genannt. weil sie den größten und günstigsten Hof<br />

hatten. von Oldershau~n. von Freden. von Roringen. von Stöckheim. Vom<br />

15. Jahrhundert ab kommen die Kanoniker in den Besitz der Kurien. zuerst die<br />

adligen: von Roringen. von Oldershausen. von Linde. schließlich die bürgerlimen<br />

Cod. Stein, Schnor und andere, im 16. Jahrhundert nimmt Herzog Heinrich<br />

d. J. sie für seine Beamten in Anspruch. für die Stapler. Hesse. Probst. im<br />

18. Jahrhundert beginnen die Bürger Besitz zu ergreifen.<br />

Schließlich suchen wir noch die Stätte. wo einst Gericht gehalten wurde.<br />

Nach dem Vogtweistum von 1188 hielt der Vogt dreimal jährlich Gericht - wo.<br />

wird nicht gesagt. Später war das Rathaus Sitz des herzoglichen Amtmannes,<br />

wenn er urteilte. wie es 1481 von dem Landdingtag im Fastelabend berichtet<br />

wird SO). Zwei Belege konnte ich finden für das alte Gericht auf der Stiftsfreiheit,<br />

beide handeln von städtischen Grundstücken. 1467 heißt es: "Dusse kop<br />

is geschein op des Munsters to Gandersem Kerkhove under der groten Eik jegen<br />

der schule" 31) und 1509 gesd13h ein Verkauf: "uppe deme munstere Kerckhove"<br />

32).<br />

28) Kr 0 n e n b erg, Die Toten des Bracken, in Gand. Kreisblatt 19.6.1956.<br />

2") K r 0 ne n b erg, Die Stiftsfreiheit und ihre Häuser, in Gand. Kreisblatt vom<br />

26.4. bis 4.7.1958 allwöchentlich.<br />

82<br />

30) Stadtbuch im Gandersheimer Heimatmuseum Blatt 200.<br />

S1) Ebda. BI. 157.<br />

32) Nds. StA Wb. Urk Abt. 41 Nr. 101.


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H. Der Wik<br />

Als die Stiftskirche und die Stiftsgebäude im Tal der Gande gebaut wurden,<br />

war der Ort keineswegs so einsam und unwirtlich, wie es uns die Gründungslegende<br />

glauben machen will. Schon die Hügelgräber auf den Höhen rundum<br />

Gandersheim berichten von einer vorgeschichtlichen Besiedlung 83).<br />

Roswitha selbst gibt uns zwei Hinweise: Einmal erzählt sie bei der Lichtervision<br />

von den Hirten, sie hätten in einer "parvula villa" gewohnt und sodann<br />

von Herzog Ludolf, daß er eine kleine Kirche in der Nähe besaß, womit sie die<br />

Klosterkirche von Brunshausen meinte 34).<br />

Das dritte Zeugnis verschwieg sie, bewußt oder unbewußt - den Wik von<br />

Gandersheim. Seine Bedeutung für die Frühgeschichte Gandersheims, seine<br />

Gründung und Entwicklung ist von Hans Goetting entdeckt, klar und überzeugend<br />

dargestellt worden 35). Die Ausführungen Goettings können hier nur<br />

dankbar übernommen und eingebaut werden, hinzuzufügen ist ihnen nichts.<br />

Ohne die Wikforschung ist die Gestalt der Stadt Gandersheim nicht zu verstehen.<br />

Die Lage der einzigen Pfarrkirche der mittelalterlichen Stadt<br />

- St. Georg - außerhalb der Stadtmauern muß unverständlich bleiben und zu<br />

seltsamen Deutungen Anlaß geben, wenn man die Ergebnisse der Wikforschung<br />

nicht kennt.<br />

Herzog Ludolf hatte mannigfache Gründe, das Familienstift an die heutige<br />

Stelle zu bauen. Er hatte in der Nähe einen Edelhof. Südludolfshausen, das wir<br />

nordwestlich der Georgskirche vermuten können. Wichtiger war der Handelsplatz,<br />

an dem reisende Kaufleute zusammenkamen, um Waren zu verkaufen<br />

oder zu tauschen. Hier im Tal der Gande trafen sich die großen Fernstraßen<br />

Vom Rhein zur EIbe - Westostrichtung - und von Frankfurt-Fulda nach Hildesheim<br />

- Südnordrichtung. Schließlich war hier der Ort eines aus heidnischer<br />

Zeit stammenden Heiligtums. Darauf deutet die Lage und Gestalt des Hügels,<br />

auf dem die St.-Georgs-Kirche liegt und noch heute schön und eindrucksvoll ein<br />

Blickfang ist; darauf die Nähe einer Salzquelle und schließlich die Reste eines<br />

Urnenfeldes, die man 1 S 62 unterhalb des Hügels beim Bau der St.-Georgs­<br />

Straße fand 36).<br />

Die St.-Georgs-Kirche bestand bereits in der Frühzeit des Stiftes und wird<br />

in ausgesprochenem Gegensatz zur Stiftskirche in der Zeit Kaiser Ottos II.<br />

33) F. Ni q u e t. Grundzüge der Vor- und Frühgeschichte des Kreises Gandersheim,<br />

in: Der Landkreis Gandersheim Bd. I, Bad Gandersheim 1958, S. 30 ff.<br />

S4) Hrotsvit, Primordia coenobii Gandeshemensis. s. Anm.4. Vers 105 (S.232)<br />

und Vers 188 (5.234).<br />

35) H. Go e t tin g. Die Anfänge der Stadt Gandersheim. s. Anm. 2. S. 39 ff,<br />

ferner ders .• Der Gandersheimer Kaufmannswik und die Entstehung der Stadt Gandersheim.<br />

in: Jubiläumsnummer des Gandersheimer Kreisblattes vom 1. 11. 1959.<br />

36) Hans P fe i f e r. Die St. Georgskirche in Gandersheim. in: Die Denkmalspflege<br />

Il. Jg. (1900) Nr. 10.<br />

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(973-983) .erwähnt. Eberhard berichtet in seiner Reimchronik 87), daß der<br />

Kaiser nach Gandersheim kam und - um die Äbtissin Gerberga für die Taten<br />

ihres Bruders Heinrich des Zänkers zu strafen - nicht in der Stiftskirche. sondern<br />

in der St.-Georgs-Kirche zum Gottesdienst ging. Vor allem aber hat Goetting<br />

deutlich gemacht, daß St. Georg der Patron der reisenden Kaufleute war<br />

und daß auch andere Wikorte Kirchen mit seinem Patrozinium hatten. Für Gandersheim<br />

hat er an Hand der Urkunde von 1196 nachgewiesen, daß die St.­<br />

Georgs-Kirche den Kaufleuten zugewiesen war. die ihren Handel im Umherziehen<br />

ausübten.<br />

Dies geschah zu einer Zeit, da die Kaufleute ihre Waren schon nicht mehr<br />

auf dem alten Wik feilboten. Die konservative Kraft. die kirchlichen Parochialabgrenzungen<br />

innewohnt. zeigt ~ich hier mit großer Deutlichkeit. Die einmal<br />

für den Wik, für die wandernden Kaufleute bestimmte Pfarrkirche blieb Pfarrkirche.<br />

selbst als der Markt sich verlagert hatte. als eine Marktkirche gebaut<br />

war, ja als die Stadtmauer die Kirche von der Stadt ausschloß. Die neue Marktkirche<br />

- St. Moritz gewidmet - blieb zeit ihres Bestehens Filialkirche von<br />

St. Georg. Erst die Reformation und der fürstliche Absolutismus Herzog Heinrichs<br />

des Jüngeren nahm der alten Kirche die Parochialrechte. doch wußten sich<br />

die Bürger noch 1676 für diese Kirche verantwortlich und ließen sie herrichten<br />

und ausmalen 38). obwohl seit mehr als hundert Jahren kein Gottesdienst mehr<br />

in ihr gehalten wurde.<br />

Der alte Flurname" Wik" hat sich bis in unsere Zeit erhalten. Urkundlich<br />

taucht er 1442 erstmalig auf. Die Lage eines Hauses wird beschrieben "ausgangs<br />

des Georgentores in acie vici" 89). 1472 heißt es von einer Gasse "die von der<br />

Wyck herunterläuft" 40) und 1491 erfolgt die Belehnung mit einem Gartenbleek<br />

"an der Wyck genannt" 41). AIs Flurbezeichnung steht er in der Karte der<br />

Stadtvermessung von 1768 42 ). Heute ist Wiek amtlicher Straßenname für den<br />

Weg. der von der St.-Gcorgs-Kirche hinauf zum Altersheim St.-Georgshöhe<br />

führt.<br />

Ehe aber der Markt seinen endgültigen Platz in Gandersheim fand. wird<br />

eine Zwischenlösung stattgefunden haben. Die Anlage des Steinweges, sein<br />

Verlauf und seine Breite sprechen dafür. daß sich hier ein Straßenmarkt<br />

befand 43). Sein Name deutet auf die wichtigste Straße der Stadt hin und auf die<br />

älteste. Bei den Kanalisationsarbeiten 1961 wurden hier mittelalterliche Plattenkanäle<br />

gefunden. die Platten in Größe von 60 x 60 cm zeigten - im Gegen-<br />

37) S. Anm. 5. Verse 1719 H.<br />

SS) S. S t ein ac k e r. a. a. O. Seite 194.<br />

39) Nds. StA Wb. Urk Abt. 6 NT. 412.<br />

40) Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 570.<br />

41) Ebda. Hs VII B Nr. 14 Blatt 52 R.<br />

42) Ebda. F(eldriß) 208.<br />

U) Goetting a. a. O. S. 48, Anm. 35.<br />

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satz zu anderen Straßen - Fund in der alten Gasse 1958 -, wo die Platten<br />

40 cm maßen. Das aufblühende Stift ließ wohl den Kaufleuten ein näheres<br />

Heranrücken an das Stift wünschenswert erscheinen, auch fand sich hier ausreichend<br />

Raum für das Feilbieten der Waren.<br />

III. Der Markt<br />

Das Jahr 990 bringt das große Privileg Kaiser Ottos IlI.44), wonach die<br />

Äbtissin das Recht erhält "eigene und fremde Kaufleute und Käufer zum<br />

Markte zuzulassen und von ihnen den Marktzoll zu erheben". Nun tritt der<br />

Marktplatz, das forum an Stelle des bisherigen Straßenmarktes. Seine Gestalt<br />

und seine Lage wird vom Stiftsbezirk geprägt. Er wäre nichts ohne die Stiftskirche<br />

und die sie umgebenden Stiftsgebäude. Es kommt zu einem städtebaulichen<br />

Zusammenklang zwischen Marktplatz und Stiftskirche, indem der<br />

Markt an der west-östlichen Bewegungsrichtung des Kirchenschiffes teilnimmt.<br />

Wie eine breite Feststraße führt der Marktplatz auf das Domportal zu.<br />

Aber der Marktplatz schließt sich nicht einfach an die Stiftsburg an - wie<br />

der Straßenmarkt es tat. Er bricht unmittelbar in den Stiftbezirk ein. "Da<br />

reicht die Welt des Bürgers mit seinen Fachwerkgiebeln bis dicht an die monumentale<br />

Front des Domes" 45).<br />

Indem der Marktplatz sich langsam verschiebt und in den Stiftsbezirk hineinwächst,<br />

wird seine Ge!;talt bestimmt. Sie ist kein Rechteck, sondern setzt<br />

sich aus einem Quadrat im Westen und einem schmalen Rechteck im Osten<br />

zusammen. Der Marktplatz in Gandersheim entsteht auf Grund der räumlichen<br />

Bedingungen, die das Stift vorschreibt, er ist gewachsen, nicht konstruiert.<br />

Die Mauern der Stiftsburg müssen an dieser Stelle werst weichen. Äbtissin<br />

und Kapitel haben keinen Grund, sich gegen den Marktplatz abzugrenzen, denn<br />

es ist ihr Markt. Das Stift ist Gründer. Man kann sagen, der Stiftsbezirk<br />

erweitert sich um den Marktplatz. Richtiger müßte man wohl Marktsiedlung<br />

sagen, denn es geht nicht nur um einen Platz, sondern um Gebäude und Wohnungen.<br />

Eine planvolle Ordnung ist am Werk. "Der Markt war das Privileg<br />

des Grundherrn, ihm zinsten die Brot- und Fleischscharren, die Brauhäuser und<br />

Weinhäuser; sein Vogt schlichtete im Marktgericht die Händel, ordnete Maß<br />

und Gewicht. Die Gerichtslaube, die Urzelle des Rathauses, steht deshalb am<br />

Markt" 46). Noch war der Bürgerstand unfrei und dem Grundherrn hörig.<br />

Am Markt wachsen die neuen städtischen Gebäude empor: Rathaus, Marktkirche,<br />

Brot- und Aeischscharren.<br />

&4) Mon Germ. DO 1II Nr. 66 .<br />

• 5) G r u be r, Die Gestalt der deutschen Stadt, München 1952, S. 36 und S. 39.<br />

t8) Ebenda S. 34.<br />

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Das Rathaus wird urkundlich sehr spät erwähnt 47), doch war es früher<br />

vorhanden. Es steckt - mindestens in seinen Grundmauern - im Westteil des<br />

heutigen Rathauses, lag also außerhalb des Stiftsbezirks.<br />

Die Marktkirche finden wir heute wieder im Rathaus, sie bildet den Ostteil.<br />

Ihr Turm mit alten Glocken und das gotische Kirchenschiff ist noch erhalten,<br />

obwohl man nach der Einfügung ins Rathaus um H80 einen Renaissancemantel<br />

herumlegte, um ihm das Aussehen eines weltlichen Gebäudes zU geben.<br />

Die früheste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1378 48 ). Damals<br />

verkauften Äbtissin und Kapitel dem Rat der Stadt "eine Stätte behuf der<br />

Marktkerken, die zu der Freiheit gehört". Damals mag die gotische Kirche<br />

gebaut worden sein. Trotzdem handelte es sich nicht um einen Neubau, sondern<br />

um eine Erweiterung. Das Moritzpatrozinium der Marktkirche weist auf<br />

ottonische Zeit zurück 49); der erste Bau mag sehr klein gewesen sein und<br />

wird außerhalb der Stiftsfreihcit gestanden haben.<br />

Der Brotscharren - 1456 erstmalig erwähnt - lag an "dem Orde des Markedes",<br />

zwischen den Häusern Markt 7 und 8. Ein kleines Gebäude stand hier<br />

noch bis 1956, als der Bracken (Markt 8) umgebaut wurde. Er befand sich auf<br />

Stiftsboden und die Stadt mußte bis zur Aufhebung des Stiftes einen Zins dafür<br />

an das Kapitel zahlen 50). Der Fleischscharren befand sich auf Stadtgebiet.<br />

H48 erstmalig erwähnt als "an der Marktkirchen" 51).<br />

In den Marktbezirk ragten einige Häuser des Stiftes hinein: es sind außer dem<br />

Brotscharren der Bracken (Markt 8) 52) und das Rickesche Haus (Markt 9) 5!J).<br />

Um diese beiden Fremdkörper hat die Stadt Jahrhunderte gerungen und doch<br />

nicht gesiegt; das Stift konnte sein Recht behaupten. Wenn der Bracken 1499<br />

das Weinhaus genannt wird 54), deutet diese Bezeichnung auf einen öffentlichen<br />

Getränkeausschank, lästig für die Stadt, weil der Ratskeller gegenüber lag.<br />

Noch 1556 finden wir den Namen für eine Familie: Hans Köler alias Weinschenk<br />

bewohnt ein Stiftshaus 55).<br />

Schließlich entstanden am Marktplatz noch Gasthäuser, 1764 das "Weiße<br />

Roß", in der Stadtvermessung 1768 als eines der vier Gasthäuser der Stadt<br />

genannt, dem später "Zur Ecke" folgte.<br />

47) Stadtbuch im Gand. Heimatmuseum BI. 2 R. Urk. von 1469.<br />

4") Nds. StA Wb. Urk Abt. 41 N r. 11.<br />

49) Go e t tin g, Die Anfänge .. s. S. H. Anm. 35.<br />

&0) Kämmereirechnungen der Stadt im Heimatmuseum. 1597 und 1643 ff.<br />

It) Nds. StAWb. Urk Abt. 6 Nr. 833.<br />

&2) S. Anm. 9.<br />

13) Kr 0 n e n b erg, Erbaut Anno Domini 15 52, Geschichte eines alten Bürgerhauses.<br />

in Gand. Kreisblatt 13.,20 .• 27. VIII. 17. IX. 1960.<br />

") Nds. StAWb. Hs VII B Nr. 17 BI. 72.<br />

'0) Ebda. L Alt Abt. 11 Fb. 1, VII Nr.23 BI. 115.<br />

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Das Wahrzeimen des Marktplatzes war der "Markt- oder Fismstein U ,<br />

1601 genannt, als ein Kind hier ausgesetzt worden war 56), und 1607, wo von<br />

einem jungen Mann berimtet wird, er habe "auf dem Markte dem Fismstein,<br />

der wohl undenklim Jahre ungesmlagen gestanden, 16 Smrarnmen darein<br />

gehauen" 57).<br />

Die Marktsiedlung wurde in den Mauerring einbezogen, der nun erweitert<br />

werden mußte. Mangels jedes urkundlimen Namweises sind wir auf Rücksmlüsse<br />

und Bodenfunde angewiesen. Die starken Grundmauern, die 1961 bei<br />

der Anlage der VoIIkanalisation auf dem Grundstück Wilhelmsplatz 7<br />

(Druckerei und Verlag Hertel) zwismen Vor- und Hinterhaus auf dem Hof<br />

gefunden wurden und zwar in einer Tiefe von 3 Metern, könnten nom dem<br />

ersten Mauerring angehört haben - im meine, daß auch der zweite Mauerring<br />

hier nicht anders verlief. Das Mauerwerk aber, das im gleichen Jahr in<br />

der Reutergasse in Höhe der Wilhelmsburg gefunden wurde, muß zur zweiten<br />

Stadtmauer gehören. Mühe 58) berichtet ferner: "Ebenfalls ein solcher Mauerrest<br />

dieses älteren Befestigungsringes wurde nach Brackebusch 1880 bei Neubau<br />

des Hauses ass. Nr. 37 (Moritzstraße 2;, Glaserei) beseitigt, er lag also im<br />

Zuge der Stadtmauer".<br />

Die Stärke des Mauerwerks spricht dafür, daß an dieser Stelle ein Stadttor<br />

gelegen hat, das 13; 2 genannte Holenstratertor 59), das seinen Namen von der<br />

Hohlengasse (= Oldegasse = Alte Gasse) trug, die hier mündet. Mühe hat P.S<br />

an den westlimen Ausgang der Alten Gasse gezeichnet, was mir unwahrschein­<br />

Ha, erscheint, weil so nahe neben dem Georgentor kein zweites gelegen haben<br />

wird. Am Ende der Alten Gasse stand ein Turm, 1;;1 der Pulverturm<br />

genannt 60), der auf dem Merianstim gut zu sehen ist. Nam den Funden bei<br />

der Kanalisation 19;8 ging die Stadtmauer durch die Alte Gasse hindurch,<br />

was aber die Anlage eines Tores nicht ausschließt. Aber ein zweiter Grund<br />

spricht gegen ein Tor an dieser Stelle. Nach der Urkunde von IH2 lagen vor<br />

dem Tor zwei Höfe des Dietrim von Staßfurt. Sie können nimt im Westen<br />

vor der Alten Gasse bzw. vor der Stadtmauer gelegen haben, weil hier das<br />

Flußgebiet der Gande ist. Wie sumpfig das Gelände hier ist, zeigte sich beim<br />

Bau des Finanzamtes 195'6 und des Gesundheitsamtes 195'9. Es werden deshalb<br />

&6) Kämmereirechnungen im Heimatmuseum 1597 H.<br />

5") Ratsprotokolle im Heimatmuseum 1599-1608.<br />

58) Adolf M ü h e, Gesch. d. Stadt Bad Gandersheim (Bad Gandcrsheim 1950), S. 29.<br />

&9) Nds. StAWb. Urk Abt. 6 Nr.167.<br />

80) Stadtbuch im Heimatmuseum Bl. 29: Dat pulver/wss in der holeH Gatzen an<br />

der Stadtmurr.<br />

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die Höfe sein, die später mit der Lagebezeichnung: "Vor dem Galgentorerscheinen<br />

61).<br />

Zur Marktsiedlung gehörten also außer dem Marktplatz: der untere Teil<br />

der heutigen Moritzstraße bis zur Einmündung der Alten Gasse, diese selbst,<br />

der Steinweg und sehr wahrscheinlich auch Bader- und Hennebergstraße.<br />

1206 - im Jahr, da Papst Innozenz 111. dem Stift das große Exemtionsprivileg<br />

erteilte- war diese Entwicklung abgeschlossen. Das Stift befand sich<br />

auf der Höhe der Macht.<br />

Um diese Stifts- und Marktsiedlung lagen Höfe, Gärten und Mühlen. Es<br />

waren die Höfe vor dem Holenstratertor 1352, vor dem Galgentor 1390, der<br />

kleine Dieckhof 1491 62 ), der Spitalshof 1428 63 ) und vor aIlem die noch heute<br />

erhaltene Bezeichnung der "Hohen Höfen" 64) - urkundlich erst 1420 erwähntberichten<br />

uns von einer engen Besiedlung. Eine Mühle - im Osten der Stadt<br />

gelegen - wird 1159 erwähnt, sie wurde später in die Nähe der St.-Georgs­<br />

Kirche verlegt, das Stift besaß die Hagenmühle, das Kloster St. Marien die<br />

Borbergmühle und die Stadt die Lohmühle. Das war genug. Herzog Otto versprach<br />

deshalb 1430 der Stadt, daß keine neue Mühle mehr genehmigt werden<br />

sollte 65).<br />

IV. Die Burg<br />

In dem handschriftlichen Katalog der Äbtissinnen, der sich in Abschriften<br />

des 16. und 17. Jahrhunderts erhalten hat 66), wird bei der Äbtissin Bertha n.<br />

(1223-1251) vermerkt: "Unter dieser Äbtissin haben die Herzöge von Braunschweig<br />

erstlich ein Haus allhier angefangen zu besitzen". Das Jahr 1259 schien<br />

den Höhepunkt der Stiftsmacht zu bringen, denn es gelang der Äbtissin, die<br />

Vogtei an sich zu bringen 67), aber -schon war der Umschwung im Gange. Aus<br />

der Stiftsstadt wurde eine Landstadt. Das Bestreben der Herzöge von Braunschweig,<br />

ihre Landesherrschaft auch über das Stiftsgebiet zu erstrecken, traf<br />

sich mit dem Bestreben der Bürger, von der Herrschaft der Äbtissin als Grundherrin<br />

frei zu werden. Die Verwirklichung dieses gemeinsamen Zieles veränderte<br />

abermals die Gestalt Gandersheims.<br />

Urkundlich wird die herzogliche Burg erstmalig 1347 als Slot erwähnt, 1350<br />

als Hus und 1360 als Borg to Gandersem 68). Die Herzöge besitzen sie als<br />

81) Nds. StA Wb. Urk Abt. 14 Nr. 64: Cord von Gandersheim versetzt 1390 zwei<br />

Kothöfe vor dem Galgentor.<br />

82) Ebda. Urk Abt. 14 Nr. 84.<br />

83) Ebda. Hs VII B Nr. 13 Bl. 133, 138. 155.<br />

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Abb. l.<br />

Der S t i f t sb e z i r k um 1920 (F lu gaufn ahme) (B lick von Westen nach O sten)<br />

Abb.2. Ausschnitt aus dem Kupferstich in Leuckfeld: Antiquitates Gandersheimenses 1709<br />

(B lick von Norden. 2 - Abtei. 7 - Dekanei.<br />

8 - Haus der Kanonisse Sophie Elconore von Braul1sdnveig-Bevern)<br />

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-,<br />

I 1 "- ," • j<br />

Abb. 3. Alls S c h n i t t allS e i 11 e r Fe der z e i ch 11 LI 11 g<br />

die der Amtmann Johatll1es ScharH 1580 dem Herzog einreichte<br />

(Nds. StA. Wb. L Al t 26 Nr. 1169) . (B lick vo n Westen)<br />

o<br />

Abb.4.<br />

Kupferstich der Stadt Gandersheim von Konrad BU ll o<br />

in der 1654 von Matthäus Me ria n herausgegebenen Topographie<br />

der Herzogtüm er Braullschweig-Llineburg (13 1kk von No rd en)<br />

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Lehen der Äbtissin 69). Der heutige Bau stammt aus der Zeit Herzog Heinrichs<br />

des Jüngeren von 1530. wie die Inschrift am ehemaligen Turmtor - Nachtigallenturm<br />

genannt - noch heute ausweist 70). Sie war als Wasserburg vöIlig<br />

von der Gande umspült. Eine Zeichnung von 15 80 71 ) zeigt uns die Gebäudeanlage.<br />

die trotz einiger Umbauten noch heute erhalten ist. Danach standen die<br />

Schloßgebäude im Viereck um einen Innenhof. davor lagen das Amtshaus. der<br />

Marstall und die Wirtschaftsgebäude.<br />

Neben der Burg führte eine zweite Brücke und ein zweites Tor über die<br />

Gande zur Straße. Herzog Otto von Braunschweig. genannt Codes. bewilligte<br />

1395 der Stadt. daß das Tor zugemauert und die Brücke abgerissen wurde 72).<br />

Mühe 73) legt das Tor an den Ausgang der heutigen Hennebergstraße. dem im<br />

zustimmen möchte.<br />

Infolge. des Burgbaues wird die Gande erstmalig nach Norden verlegt worden<br />

sein. ·um sie zum Schutz verwenden zu können. Steinacker meint 74). "daß<br />

die Burgfreiheit (1416 erwähnt) 75) - der heutige Plangarten - die Stätte der<br />

älteren Burg gewesen ist und also das Gelände der jetzigen Burg und ihres<br />

jetzigen Wirtschaftshofes fast gänzlich außerhalb der alten Stadtmauer (die<br />

dann hier mehr eine Burgmauer gewesen wäre) .gelegen hat".<br />

Ich meine dagegen. daß die alte Burg an der heutigen Stelle stand. denn der<br />

heutige Plangarten war einst bebaut. Es wird berichtet: "Es hat auch Herzog<br />

Heinrich der Jüngere an die zehn Bürger auf die Abtei gewiesen und daselbst<br />

bauen lassen. welche ihre Häuser wegen der damals neugebauten Burg haben<br />

müssen abbrechen" 76). Heinrich ließ also den bis zu dieser Zeit mit Bürgerhäusern<br />

bebauten Plangarten freilegen. wn die Burg besser verteidigen zu können.<br />

Deshalb verschwindet aum am Anfang des 16. Jahrhunderts die vorher<br />

mehrfach genannte Burgstraße 77) (die heutige Burgstraße erhielt ihren Namen<br />

erst im 19. Jahrhundert).<br />

1424 und 1433 wird der herzogliche Marstall genannt 78).<br />

Unter dem Schutz der Burg entstanden der Hagen und die Neustadt. Ein<br />

Hagen deutet immer auf eine planmäßige Besiedlung durch einen Grundherrn.<br />

e9) Der s .• außerdem H are n b erg, Historica ecclcsiae Gandershemensis cathedralis<br />

ac collegiatae diplomatica (Hannover 1734) S. 350.<br />

70) S t ein ac k e r a. a. O. S. 203.<br />

71) Nds. StA Wb. L Alt Abt. 26 Nr.1169.<br />

72) Ebda. Urk 41 Nr.19.<br />

73) M ü h e a. a. O. 5.31.<br />

74) 5 t ein a c k e r a. a. O. 5.207.<br />

16) Nds. StA Wb. Urk Abt. 41 Nr. 20.<br />

16) Ebda. L Alt Abt. 11 Gand. Fb. 1. 1Il NT. 56.<br />

71) 1432.34 und 41 in: Ebda. Hs VII B Nr. l3 BI. 152 R, 162. 180.<br />

18) Ebda. BI. 120 und 158 R, s. auch Urk Ab:. 6 Nr. 335.<br />

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Auch das Hagentor wird nun gebaut. Aber das gehört bereits ins nächste<br />

Kapitel.<br />

V. Die Stadt<br />

Die urkundlichen Quellen für die Topographie Gandersheim fließen in<br />

dem Augenblick reicher, als der dritte Mauerring vollendet wurde. Die erste<br />

Urkunde über die Errichtung eines Stadttores ist zugleich die letzte, denn mit<br />

diesem Tor war die Stadtmauer vollendet. Sie stammt aus dem Jahre 1334 und<br />

ist ein Zeugnis für den Sieg der nun selbständigen Stadt 79).<br />

Zwischen 1206 und 1334 gelang es den Bürgern, sich aus dem Abhängigkeitsverhältnis<br />

der Äbtissin zu befreien. Aus den Hörigen des Stiftes wurden<br />

freie Bürger: Stadtluft macht frei. 1329 war der Rat stark genug, die Freilassung<br />

vieler Bürger durchzusetzen, die rechtlich noch Stiftshörige waren und<br />

ohne formelle Freilassung bereits längere Zeit in der Stadt wohnten 80). Indem<br />

der Herzog diese Urkunde beglaubigte 81), verrät er seine Mitwirkung. Das<br />

Siegel der Stadt zeigt den Helm des Herzogs und nur klein die Lilie der<br />

Äbtissin 82).<br />

Der dritte Mauerzug prägte endgültig die Gestalt Gandersheims. Er erwies<br />

sich als notwendig, weil drei neue Stadtteile einbezogen werden mußten: Neustadt.<br />

Hagen und eine Ansiedlung im Süden. Während Neustadt und Hagen<br />

durch den Bau der herzoglichen Burg entstanden, hatte die Einbeziehung des<br />

Südteils der Stadt einen anderen Grund. Mühe 83) führt aus, daß die Einwohner<br />

der Ortschaft Rickelshausen - das 1936 als Dreilinden wieder erstandinfolge<br />

der Fehden und Kriegszüge ihre Höfe verließen und sich in der Stadt<br />

ansiedelten.<br />

Von diesem Mauerzug sind noch erhebliche Teile erhalten, im Süden<br />

zwischen Moritzstraße und Bismarckstraße - mit der heutigen Straßenbezeichnung:<br />

An der Stadtmauer -, im Norden zwischen Bader- und Hennebergstraße<br />

und am Beginn der Bismarckstraße, wo neben dem Hotel Prinz Wilhe1m ein<br />

Teil des alten Marientores zu sehen ist. In dem steilen Wall, der sich von hier<br />

zur Petristraße zieht, erkennen wir den Stadtwall. Bei den Arbeiten für die<br />

Kanalisation 195'8-61 wurden die Fundamente der Stadtmauer in der Alten<br />

Gasse und auf dem Steinweg sichtbar. Zwischen Steinweg und Alte Gasse können<br />

wir noch wie einst den Wächterstieg entlanggehen.<br />

Der dritte Mauerzug war auch notwendig geworden, wenn die Sicherheit<br />

der selbständigen Stadt gewährleistet sein sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt<br />

79) Ebda. Urk Abt. 41 hinter Nr. 4.<br />

80) Ebda. Urk Abt. 41 Nr.2. s. dazu Go e t tin g. Zum Rechtsproblem der entlaufenen<br />

Liten. in: Brschw. Ib. 32 (1951) S. lOS H.<br />

81) Ebda. Urk Abt. 41 Nr. 3.<br />

82) Siegel an Urk Abt. 41 Nr.6.<br />

83) M ü h e a. a. O. S.32.<br />

90


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waren Stiftsburg und Marktsiedlung nur zusammen zu verteidigen. Erst wenn<br />

die Stadt einen eigenen Mauerzug erhielt, war ihre Selbständigkeit - auch<br />

gegen die Äbtissin - gesichert. Erst der Bau des Marientores schuf diese Voraussetzung.<br />

Aber er ging zugleich darüber hinaus, denn nun lag der Stiftsbezirk<br />

innerhalb der Stadtmauer und war vom guten Willen der Bürger abhängig.<br />

Tatsächlich verdanken wir die Überlieferung der Urkunde von 1334 dem Vorfall,<br />

daß die Stadt im Papenkrieg 1454 Gegnern des Stiftes einen Einfall ermöglichte<br />

84). Ja, es kam soweit, daß der Äbtissin Gertrud von Regenstein (1504<br />

bis 1531) die Tore gesperrt wurden und sie nicht mehr ins Stift gelangen<br />

konnte 85).<br />

Was die Äbtissin Judith von Schwalenberg 1334 veranlaßte, die Zustimmung<br />

des Torbaues zu geben, wissen wir nicht. Wir können nur vermuten, daß<br />

sie sich bereden ließ, Geld brauchte oder daß der Herzog sie dazu bestimmte.<br />

Diesem Mauerring wurde später das Neue Dorf vorgelegt, das nach Mühes<br />

Ansicht 86) durch Zuzug der Einwohner des verlassenen Dorfes Abbatisconrod<br />

- bei Schachtenbeck gelegen - entstanden war. Schon 1273 erstmalig genannt<br />

87), blieb das Neue Dorf rechtlich außerhalb der Stadtgemeinde. 1433<br />

gestattete der Konvent des Marienklosters den Bau eines Grabens hinter dem<br />

Kloster 88). Er wird 1444 als der Neuendorfer Graben bezeichnet. Bei ihm stand<br />

auch ein Bergfried. Herzog Heinrich der Jüngere verstärkte die Befestigung an<br />

dieser Stelle. 1520 heißt es, daß "ein Teil der Marienkirche und des Klosterhofes<br />

zur Befestigung der Stadt Gandersheim genommen worden sind 89).<br />

Nachdem das Holenstratertor und das Tor neben der Burg verschwunden<br />

waren, wurde die Stadtmauer durch vier Tore unterbrochen und geschützt. 1345<br />

wird erstmalig das Hagentor genannt. Bertold de Angulo hatte ein Haus<br />

gebaut auf einer area "intra valvas indaginis Gandersem" 90). Das Tor bestand<br />

also aus zwei Toren, die die gesamte Neustadt einschlossen; allerdings zählte<br />

sie auf jeder Straßenseite nur acht Grundstücke. Das innere Tor stand unmittelbar<br />

neben der Burg (s. Merianstich), mit ihr durch eine Mauer verbunden. Noch<br />

1783 heißt es: "Von den Hagen Tbor oder Thurrn gehet eine starke Mauer bis<br />

unmittelbar an die Ecke des Amtshauses und durchschneidet den Amtsgraben"<br />

91).<br />

M) Nds. StAWb. Urk Abt. 6 Nr.467.<br />

8lI) Ha re n be rg a. a. O. S.9,O.<br />

86) M ü he a. a. O. S. 24.<br />

81) Nds. StA Wb. Urk Abt. 6 Nr. 82.<br />

118) Ebda. Urk Abt. 14 Nr. 82 und Abt. 41 Nr. 34.<br />

89) Ebda. Urk Abt. 14 Nr.191.<br />

80) Ebda. Urk Abt. H Nr.7.<br />

81) Acta iudicialia betr. die Wasserleitung aus dem in der Neustadt befindlichen<br />

Wallgraben in den Amtsgraben, im Gand. Heimatmuseum.<br />

91


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Auch der Hagen war in den Mauerring einbezogen. Das zeigt die Skizze<br />

von 15'80. Mehrfach finden wir auch die Angabe: "Haus und Hof gelegen vor<br />

dem Hagen bei der Mauer" (1483) 92) oder "Vorm Hagen an der Stadtmauer<br />

(1643) 93). 1609 wurde der sehr eingeebnete Wall wieder instand gesetzt ... Uf<br />

des Rates zu Gandersheims Bitte ist zu dem WaJIgebäude für dem Hagenthor<br />

verehret und nicht aus Pflicht gegeben worden 5 Gulden Munz", schrieb das<br />

Stiftskapitel 94).<br />

Das neue Galgentor wird 13 50 erstmalig genannt 95). Es war das wuchtigste<br />

T


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Es muß also ein doppelter Turm gewesen sein. Nach Merian und Leuckfeld<br />

war es ein runder Turm. 1647 heißt er abgekürzt: Königstunn 100). Mühe verzeichnet<br />

den Namen Königsturm noch 1855.<br />

Dann folgte der Turm "hinter Abt Sd1ünemanns Kinder Hause, bewohnet<br />

Re!. Andres Wäd1ter". Mühe kennt ihn als Katzentunn. Schließlich: "Tunn in<br />

der Stubenstraße, bewohnet der Wächter, hinfüro Re!. Hans Lindemanns" .<br />

Die Wasserversorgung der Stadt erfolgte durch Brunnen, von denen heute<br />

noch "Smellers Brunnen" vor dem Hagen am Ausgang der Petristraße fließt.<br />

Sie waren teilweise mit einem "Steinernen Schling" versehen, wie uns von dem<br />

Brunnen in der Galgenstraße 1692 überliefert ist 101). Sehr früh baute man<br />

eine hölzerne Wasserleitung, von der Teile im Heimatmuseum aufbewahrt<br />

werden, weitere Stücke wurden 1958 in der alten Gasse gefunden. 1433 wird<br />

berichtet, daß die Stadt eine Wasserleitung von dem Hofe des Hans von Roringen<br />

- heute Barfüßerkloster 7 und 10 - über die Freiheit nach dem Markt<br />

baute 102). In dem Amtsberkht von 1580 heißt es: "Im Smeilschen Sicke vor dem<br />

Marientor ist aum ein Springk, daraus wird das Wasser uff Herzog Wilhelmsburg<br />

in den Roren geleitet". Aum die Abtei erhielt dadurch ihr Wasser, denn<br />

am jetzigen Haus WilheImsplatz 4/5 (Doktorhof genannt) war eine Abzweigung<br />

nach der Abtei und der Wilhelmsburg.<br />

VI. Die Straßen<br />

Innerhalb der durch Mauern, Tore und Türme geschützten Stadt entwickelten<br />

sich die Straßen und Gassen. Es wurde nam einem Plan gebaut.<br />

Herzog Otto von Braunschweig erließ 1416 108) genaue Baubestimmungen für<br />

Mauern, Straßen und die Anordnung der Häuser. Wie die Häuser in der Straße<br />

stehen, wie Tore und Türen, wie die Fenster angelegt werden sollten, wird<br />

im einzelnen vorgesmrieben. In einer Urkunde von 15 3 7 finden wir das so<br />

gesagt: "also itzund tho Gandershem to buwende de gebruk is" 104).<br />

Wir müssen den Stadtplanem und Baumeistern unsere Homachtung bezeugen.<br />

Es ist vorbildlich, wie sie unter den naturgegebenen und durch die geschichtliche<br />

Entwicklung vorgegebenen Umständen ein so smönes und zugleich den<br />

Ansprüchen des Alltags entsprechendes Stadtbild smufen, ist meisterhaft. Man<br />

beachte, wie die Straßen auf den Markt münden und - stets davon abgesetzt -<br />

weiterführen; wie der Steinweg vor dem Frauenhaus zum Heiligen Geist<br />

(Nr. 19 ass. 90) nach remts einbiegt; wie die Moritzstraße sich nam Einmündung<br />

der Alten Gasse verbreitert, wie "Vor dem Hagen" das östlime Haus<br />

100) Nds. StA Wb. Hs VII B 36 Vol. 6 BI. 61 R.<br />

101) Akte im Heimatmuseum.<br />

10') Ha ren b erg a. a. o. S. 889.<br />

lOS) Nds. StA Wb. Urk Abt. 41 Nr. 20.<br />

1(4) Ebda. Hs VII B 28 BI. 106 R.<br />

93<br />

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(Buchhandlung Franziskus) vorgestellt ist - stets anmutig und niemals langweilig.<br />

Bedenken wir die Enge der Stadt, den gegebenen Stiftsbezirk, den Verlauf<br />

der heiden sich kreuzenden Heerstraßen und die Gande - so überrascht,<br />

wie immer wieder kleine Plätze und Winkel (am Eingang der Bader- ebenso<br />

wie der Henneberg- und der Moritzstraße) geschaffen wurden.<br />

Man pflegte auch die Wege, wie schon 1389 berichtet wird 105), pflasterte<br />

Zugänge zu den Gebäuden 106), schuf eine steinerne Brücke über die Gande<br />

(13 ,7) 107).<br />

Das Schoßbuch 1)72-1582 bringt in seinem letzten Jahrgang 1582 erstmalig<br />

eine Aufgliederung der Straßen, die wir dahin nur aus einzelnen Urkunden<br />

erschließen können. Das Schoßbuch von 1590-1608 lOB) führt diese<br />

Gliederung fort und ermöglicht einen klaren Überblick. Der Stiftsbezirk fehlt<br />

darin. Die Straßen sind:<br />

Galgenstraße (heute Moritzstraße) 1434 erstmalig (Urk. 41, 35),<br />

Olde Gasse (Alte Gasse) 1467 (Stadtbuch BI. 1)7), vielfach auch Hohle Gasse<br />

genannt,<br />

Großer Steinweg und Kleiner Steinweg - heute Steinweg,<br />

Stubenstraße (Baderstraße) 1454 (Urk. 41, 47),<br />

PEerdetränke (Hennebergstraße) 1480 (Urk. 41, 70). Die von Steinacker und<br />

Mühe erwähnte Jahreszahl 1383 ist irrtümlich, die Urkunde 41 Nr.12<br />

stammt von 1483.<br />

Mühlenstraße (heute Burgstraße) 1433 (Hs. VII B 13 BI. 15 8),<br />

Rimpaul (Stadtwall) erstmalig im Schoßbuch, 1582,<br />

Plan - wie heute - erstmalig im Schoßbuch, 159"<br />

Neue Stadt - wie heute Neustadt,<br />

Vorm Hagen - wie heute, 1399 (Urk. 6, 256),<br />

Neues Dorf - heute Bismarckstraße - 1273 (Urk. 6, 82).<br />

Die Häuser des Marktes sind nicht erwähnt, sie gehörten entweder dem<br />

Stift (Nr. 8 und 9), oder rechnen zur Galgenstraße (Nr. 1-3), zum Steinweg<br />

(Nr.4 und 5) oder zur Mühlenstraße (Nr. 6).<br />

Verschwunden sinJ in dieser Zeit bereits folgende Straßen:<br />

Die alte Burgstraße (1432, 34 und 41 - VII B 13 BI. 152 R, 162, 180), sie verschwand<br />

durch Erweiterung der Burg - heute Plangarten,<br />

Die Horengasse (1402 - Urk. 6, 264), die Worstmekerstraße (1454 - Urk. 6,<br />

468),<br />

94<br />

1(11) Ebda. Urk Abt. 41 Nr. 15.<br />

1(8) Fabrikregister von 1578 im Pfarrardliv der Stiftskirchengemeinde.<br />

10'7) Nds. StA Wb. Urk Abt. 6 Nr. 180.<br />

10") Im Heimatmuseum.


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Im Rosenhagen (1520 - Urk. 14, 189); zugleich wird für ihn bezeugt, daß er<br />

nun Stubenstr


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Es handelt sich durchweg um Fachwerkhäuser. die teilweise sehr reich ver~<br />

ziert sind und viele Figuren haben. Am Bracken ist besonders der steinerne<br />

Unterbau bemerkenswert. Alte Toreinfahrten und Dälen sind erhalten in den<br />

Häusern Steinweg 36 (ass. 112). 37 (ass. 113).<br />

Jede mittelalterliche Stadt hatte bestimmte Häuser. die nicht fehlen durften.<br />

Zu den gesundheitlich notwendigen Einrichtungen gehörte die Badstube. der<br />

Stoven. Sie wurde von der Stadt unterhalten und vom Rat beaufsichtigt. Er<br />

verpachtete sie an den Bader oder Stover. Der erste uns erhaltene Pachtvertrag<br />

stammt von 1520. wobei vermerkt wurde. daß der Stoven neu gebaut war 110).<br />

1425 wird ein Haus beschrieben .. gelegen up den lütken Steinen bei der<br />

Bürgerbadstube" 111). 1439 genauer: .. gelegen vor dem Georgentor auf den lüt~<br />

ken Steinen zwischen Henning Gasth


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Der Abdecker und Scharfrichter wohnte in einem Hause vor dem Georgentor<br />

auf dem kleinen Steinweg, ass. Nr. 95 und 96.<br />

Vor dem Georgstor lag das "Frauenhaus zum Heiligen Geist", eine Stiftung<br />

für bedürftige Frauen, 1238 bei einem Gesundbrunnen von der Äbtissin<br />

Bertha 11. gegründet, nachdem bereits 1210 Papst Innozenz III. eine Untersuchung<br />

über die Wunderheilungen angeordnet hatte. Es diente zunächst als<br />

Hospital und besaß eine Kapelle, diente im Mittelalter den "Beginen" und<br />

erfüllt noch heute seinen Zweck. Das heutige Haus ist ein Fachwerkbau aus<br />

dem Jahre 1762 116 ).<br />

Auch vor dem Moritztor lag ein Armenhaus, das 10 Insassen Wohnung<br />

gewährte und verschwunden ist 117).<br />

Noch weiter von der Stadt hatte man ein Siechenhaus gegründet, nämlich<br />

2 km entfernt, kurz vor dem Rittergut Rimmerode. Es wird 1506 erstmalig<br />

erwähnt und erfüllte seinen Zweck - zuletzt als Armenhaus - bis ins 19. J ahrhundert,<br />

wurde dann an das Rittergut verkauft, das eine Schäferei einrichtete,<br />

wonach es seinen Namen heute trägt. Der jetzige Bau stammt aus dem 18. Jahrhundert,<br />

doch sind die Fundamente aus dem elften Jahrhundert 118).<br />

VIII. Die Stiftsfreiheit<br />

Wir haben miterlebt, wie der Stiftsbezirk seine schützende Mauer aufgab,<br />

ja von der Stadtmauer in die Mitte genommen wurde. Die alte Mauer war teils<br />

weggefallen, wie am Markt, teils wurde sie durch Häuser ersetzt, wie wir am<br />

Plan und Hagen sowie in der Burgstraße deutlich sehen können, wo Häuser-.<br />

inseln in Hufeisenform entstanden sind. Selten wird dieser Vorgang urkundlich<br />

greifbar wie 1491, wo die Äbtissin verlehnt : "van unse Ebtei hove de stede<br />

van einem orte ... wente an unse Muren tegen de borchstraten" 119).<br />

Wie wenig zunächst Stifts- und Stadtgrenzen unterschieden waren, hat um<br />

Hans Goetting an Hand der Urkunde von 1196 deutlich gemacht. Er sagt: "Die<br />

Pfarrgrenzen waren nicht lokaler Art. Durch sie wurden vielmehr die Personalverbände<br />

der Stiftsleute, die dem Hofrecht unterstanden, und der Kaufleute<br />

voneinander geschieden". Deshalb konnte das Stift die eigenen Mauern zunächst<br />

fallen lassen.<br />

Das änderte sich, als die Stadt sich vom Stift freimachte. Jetzt gewann der<br />

alte Stiftsbezirk (murus urbanus von 1188) neue Bedeutung. Es taucht neu der<br />

Begriff: "Stiftsfreiheit" als Ortsbezeichnung auf.<br />

116) Kr 0 n e n b erg, Das Frauenhaus zum Heiligen Geist, Bad Gandersheim 1955,<br />

Sonderdruck aus Gandersheimer Kreisblatt.<br />

117) B r a c k e bus c h in Gander5h. Wochenblatt ISS; Nr. 57.<br />

UR) Kr 0 ne n b erg, Hospital. Siechenhaus und Badstube, in Gandersh. Kreisblatt<br />

11. 3. 1961, ferner Hans-Günther G r i e p, Südniedersachsen, eine medizinische Topographie,<br />

Hameln 1961, S. 42.<br />

119) Nds. StA Wb. Hs VII B 14 BI. 55.<br />

97<br />

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1378 wird erstmalig von einer Stätte gespromen, die zu der Freiheit<br />

gehört 120), 1398 wird Gerhard von Gandersheims Kurie genannt: "gelegen<br />

auf der Stiftsfreiheit . .. nach dem Münster zu" 121), 1418: Haus und Hof<br />

der von Oldershausen "gelegen up de Freiheit to Gandersem" 122)' und nun in<br />

zahlreichen Urkunden. Als der Priester Werner Raphon 1481 dem Marienkloster<br />

eine Bücherei schenkt, bestimmt er, sie solle bei Ausbrum eines Krieges<br />

oder einer Fehde in die Stadt Gandersheim auf die Freiheit gebracht werden 123).<br />

Die remtlime Bedeutung der hier liegenden Häuser bestand nun darin,<br />

daß der Rat der Stadt ebenso wie der herzogliche Amtmann kein Steuer-,<br />

kein Straf- und kein Baurecht hatten. In den schwierigen Zeiten des Dreißigjährigen<br />

Krieges mit seinen vielen Lasten entbrannte heftiger Kampf darum,<br />

daß der Rat hier den Soldaten keine Quartiere anweisen konnte. Stadt und<br />

Stift eiferten darin, die Verhältnisse der Häuser darzulegen, so daß wir tiefe<br />

Einblicke in deren Geschichte und ihre Besitzer erhalten 124).<br />

Zur Stiftsfreiheit gehörten der heutige Wilhelmsplatz, der Domänenhof und<br />

der Fronhof, ferner die Häuser Markt 8 und 9. Der Bezirk deckt sim also im<br />

wesentlimen mit der alten Stiftsburg. Trotz vieler Übergriffe und Kämpfe gelang<br />

es dem Stift, seine Rechte zu wahren.<br />

Den schwersten Einbrum erzielte der Rat im Papenkrieg von 1452-68, wo<br />

er gegenüber der Abtei auf Stiftsgebiet die sogenannte Tummelburg erbaute<br />

(heute Tummelburg 1). Trotz Verhängung des Bannes und obwohl der Rat sich<br />

verpflimtete, den neuen Bau abzureißen, blieb das Gebäude bis 1821 bestehen,<br />

wurde von der Stadt als Smreiberei, als MädchenschuJe und als Wohnung<br />

benutzt 125).<br />

Herzog Wilhelm der Jüngere von Braunschweig-Lüneburg begann ferner auf<br />

der Stiftfreiheit mit dem Bau der WilheJmsburg als Witwensitz für die Herzogin<br />

Elisabeth (t 1521), die dann aber doch nicht hier wohnte, vielmehr erst ihre<br />

Schwiegertochter Herzogin Katharina, die hier als Witwe lebte. Später war das<br />

Haus lange im Besitz der Familie von Brünig, wurde 1756 Stadtbrauhaus und in<br />

der alten Art 1872 neu gebaut.<br />

Der Herzog gründete auch das Barfüßerkloster 126), das den ganzen Südteil<br />

der Stiftsfreiheit einnahm, noch heute im Stadtbild gut erkennbar ist, obwohl<br />

die Kirche im 16. Jahrhundert abgerissen wurde, die Klostergebäude umgebaut<br />

120) Ebda. Urk Abt. 41 Nr. 11.<br />

121) Ebda. Urk Abt. 6 Nr.254.<br />

122) Ebda. Urk Abt. 6 Nr.313.<br />

123) Ebda. Urk Abt. 14 Nr. 127.<br />

124) S. oben Anm.29.<br />

12&) 5 t ein ac k e r a. a. O. S.214.<br />

126) Kr 0 n e n b erg, Die Bettelmönche von Gandersheim, in Gandersh. Kreisblatt<br />

3.8., 8.8. und 10.8.1957.<br />

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wurden und schließlich 1834 abbrannten. Von der Kirche haben wir eine flüchtige<br />

Skizze, die mit der Abbildung im Plan von 15'80 übereinstimmt.<br />

Die Einbrüche des Herzogs und der Stadt wurden im 18. Jahrhundert wettgemacht.<br />

Als in der Zeit des Absolutismus Töchter und Enkelinnen Braunschweiger<br />

Herzöge Äbtissinnen wurden, gelang es ihnen dank ihrer guten<br />

Beziehungen zum Hofe, viele der verlorengegangenen Gebäude wieder zu erwerben<br />

und den Domänenhof abzurunden. Jetzt entstand die Domäne.<br />

IX. Die heutige Stadt<br />

Am 27. März 1580 reichte der Amtmann Johann ScharH von Gandersheim<br />

dem Herzog einen "Abryss und Vertzaychnuss des Amptes Gandersheim" ein,<br />

dem eine Karte beigefügt war 127). Abbildung 3 zeigt uns daraus die Stadt<br />

Gandersheim in einem Ausschnitt. Die Zeichnung ist erstaunlich genau. Da sie<br />

vor dem großen Brand vom 22. 11. 1580 entstand, sehen wir das mittelalterliche<br />

Stadtbild.<br />

Der Mauerring mit den vier Stadttoren ist noch vollständig erhalten, von<br />

den Wehrtürmen ist der Hohe Turm an der rechten Ecke der Stadtmauer und<br />

der Königsturm links von der Georgsmühle eingezeichnet. Die Burg hat ihren<br />

eigenen Ausgang über die Gande.<br />

Moritzkirche und Rathaus sind noch getrennte Gebäude, die Kirche des<br />

Barfüßerklosters ist noch erhalten, ebenso das Marienkloster. Der Domänenhof<br />

ist mit Gebäuden gegen die Burgstraße abgegrenzt.<br />

Den großen Brand von 15'80, dem Südteil und Westteil der Stadt zum Opfer<br />

fielen, benutzte der Rat, die dichtbebaute Innenstadt aufzulockern.<br />

Die Kellergasse entstand 128). Die Stiftskurie des Kanonikers Georg Jakobi<br />

reichte bis an die Marktkirche. 1584 erwarb die Stadt einen Teil, um "ihren<br />

Brandschaden soviel als möglich künftiger Zeit zu verhindern" 129).<br />

Die Reutergasse 180) verband neu den Wilhelmsplatz mit der Moritzstraße.<br />

Hier grenzte die Wilhelmsburg unmittelbar an den Hof der Familie von Stöckheim.<br />

Von diesem wurde ein Teil abgetrennt. "Diese Stelle ist vom Capitel dem<br />

Rate zur Erweiterung der Gassen cediret" 181).<br />

Schließlich wurden die verbliebenen Bauteile der Marktkirche und des Rathauses<br />

zu einem Bau vereinigt; der heutige sehr eigenwillige Rathausbau entstand,<br />

durch die große Freitreppe und die Balustrade gefällig, sonst nur in<br />

Einzelteilen künstlerisch befriedigend.<br />

127) Nds. StAWb. L Alt Abt. 26 Nr. 1169.<br />

128) Nach dem Ratskeller genannt.<br />

129) Nds. StA Wb. L Alt Abt. 11 Gand. Fb. 1, VIII Nr. 23.<br />

130) Nach dem um 1768 hier wohnenden Bäckenneister Friedrich Reuter genannt.<br />

131) Wie Anm. 3, BI. 72.<br />

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Beim Betrachten des Stadtplanes stellen wir fest, wie wenig sich im Stadtkern<br />

geändert hat. Die späteren Brände von 1597,1660,1755 132 ) hatten keine<br />

Auswirkungen auf die Gestaltung der Straßen; die Häuser wurden neugebaut -<br />

das war alles.<br />

Um diese Zeit beginnt die Reformation sich auszuwirken, die nach einem<br />

Anlauf von 1542-47 endgültig 1568 durchgeführt wurde. Die Kirche des BarfüßerkIosters<br />

zerfällt, Merian zeigt nur noch das Dach, Leuckfeld nicht mehr.<br />

Die Gebäude wurden zu Wohnungen für die Kirchenbediensteten umgebaut.<br />

Nach dem Brande von 1834 entstanden die jetzigen Häuser, deren Anordnung<br />

noch immer die alte Fonn erkennen läßt.<br />

Auch die Gebäude des Marienklosters wurden abgetragen. Der Merianstich<br />

zeigt noch eine stattliche Kirche, die bei Leuckfeld fehlt. Nach den Kirchenrechnungen<br />

der St.-Georgs-Kirche 133) wurden in den Jahren 1615-17 die<br />

Umfassungsmauern des Georgsfriedhofes mit den Steinen des Klosters neugebaut.<br />

Noch heute sehen wir hier Steine mit Weihekreuzen in ihr eingemauert.<br />

Vom alten Kloster kündet nur noch ein gewaltiger Stall und der Straßenname<br />

Marienkloster. Bei Bauten in den Hinterhöfen der Häuser Bismarckstraße 37-42<br />

fand man Gebeine vom alten Klosterfriedhof und Münzen des 14. und 15. Jahrhunderts.<br />

Die Peterskapelle vor dem Neuendorf verschwindet so völlig, daß wir wedert -,:. ~<br />

ihre genaue Lage noch etwas von ihrem Bau wissen. ;:= ~<br />

-,-j -;:;<br />

Da das Stift auch nach der Reformation fortbestand, blieben seine Gebäudel _.: ~<br />

trotz aller Eingriffe und gewisser Verluste im wesentlichen bestehen. Im Gegen-I ~:~ . ~<br />

teil, es gelang, viele Häuser im 18. Jahrhundert zurückzuerwerben. An Neu-j w,-,><br />

bauten entstand 1726 das westliche Abteigebäude mit dem Kaisersaal, den die<br />

Äbtissin Elisabeth Ernestine Antonie schuf.<br />

Die Stadtbefestigung wurde im 18. Jahrhundert unnötig. Man begann mit<br />

dem Abriß der Tore und Stadtmauern. Als erstes Tor wurde 1755 das Georgentor<br />

abgerissen, es folgten Hagen- und Marientor, zuletzt das Moritztor, einst<br />

Galgentor genannt 184).<br />

Die allgemeine Landaufnahme von 1768 135 ) mit ihrem Verzeichnis aller<br />

Häuser und Grundstücke sowie der ersten topographisch genauen Karte zeigt<br />

den Zustand, der bereits seit hundert Jahren bestand und noch fast hundert<br />

Jahre bleiben sollte, ja im Kern noch heute vorliegt. Danach hatte Gandersheim<br />

330 Häuser und eine Einwohnerzahl von 1698 Personen.<br />

132) B r a c k e bus c h in Gandersh. Wochenblatt 185> Nr.57.<br />

133) Im Pfarrarchiv der Stifts kirchen gemeinde.<br />

134) B ra C k e bus eh in Gandersh. Wochenblatt 1855 Nr.63 und 74.<br />

135) Nds. StA Wb. F 208; ich benutzte eine beglaubigte Abschrift von 1799 im<br />

Gandersh. Heimatmuseum.<br />

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Nam der Gründung des zweiten Deutsmen Reimes 1871 wums aum Gandersheim<br />

über seinen mittelalterlimen Stadtring hinaus. Es dehnte sim nam<br />

allen vier Himmelsrichtungen. die ihm durm die alten Straßenführungen vorgezeichnet<br />

waren.<br />

Zunächst erfolgte die Ausdehnung nam Norden. im Tal der Gande nam<br />

Brunshausen-Hildesheim. Hier wurde 1878 das Herzog-LudoH-Bad gebaut.<br />

dessen Gebäude zwar wieder abgerissen. aber in diesem Jahrhundert in anderer<br />

Form für den Badebetrieb wiedererrimtet wurden. 1932 erhielt die Stadt das<br />

Remt. sim Bad Gandersheim zu nennen. Nun entstanden hier Kurhaus. Badehaus.<br />

Wandelhalle. Kurpark und viele Fremdenheime.<br />

Da sich nam dem zweiten Weltkrieg die Berliner GeseIIsmaft: .. Auer-Glaswerke"<br />

anbaute. entstand hier ein nun selbständiges Werk mit vielen Werkswohnungen.<br />

so daß die Hildesheimer Straße bis Brunshausen vollständig<br />

bebaut ist.<br />

Die zweite Ausdehnung gesmah nam Osten. wo das ehemalige Neue Dorf.<br />

nun Bismarckstraße genannt. sim bis zum Dorf Wresmerode erweiterte. Hier<br />

entstand 1878 das Gymnasium. Das nördlim ansmließende Gelände mit den<br />

alten Flurbezeichnungen Graseweg. In den Gründen. Hinter der Münze wurden<br />

zwischen den beiden Weltkriegen im Landhausstil bebaut. Hier entstand 1929<br />

die Volks- und Mitte!sdlUle.<br />

Zu Beginn des Jahrhunderts begann die Stadt sim nach Westen über die<br />

St.-Georgs-Kirche zu er&trecken. Größeren Umfang nahm die Bebauung hier<br />

an. als das Gebiet des Salzberges. der Salzwiese und Gandestraße durm ein<br />

Heimstättenwerk 1936 ersmlossen wurde. Seit 1950 entstand anschließend:<br />

.. Unter der Clustrift" ein weiteres großes Wohnviertel. dessen Bebauung noch<br />

nidlt beendet ist.<br />

Nam Süden. vor dem alten Moritztor. wurde die Neue Straße zu Beginn des<br />

Jahrhunderts gebaut. Hier lag seit 1856 der Bahnhof der Eisenbahnstrecke<br />

Braunschweig-Kreiensen und Hildesheim-Kreiensen. Dann zogen sich die<br />

Häuser den Berg empor. zuerst an der Northeimer Straße und schließlim<br />

daneben an den Hohen Höfen. Hier wurden Straßen nam Gandersheimer<br />

Heimatforschern wie Brackebusch und AdoIf Mühe genannt.<br />

Der sichtbarste Eingriff in das Landschaftsbild war 1936 der Bau der<br />

Motorsportschule auf dem kleinen Osterberg. der heutigen ZoIIschule. und 1961<br />

der Bau des Evangelischen Krankenhauses auf der Dämmheide des Hagenberges.<br />

Die Befürchtungen. daß das alte. ein Jahrtausend von den Türmen der Stiftskirche<br />

beherrschte Stadt- und Landschaftsbild durch diese Neubauten gestört<br />

werden würde. bewahrheitete sich nicht. Die Stiftskirche ist nach wie vor Mitte<br />

des Bildes. Aber das sie umgebende Städtchen ist nun nicht mehr klein und<br />

verschI.afen. von alter Bedeutung träumend. sondern es ist Mittelpunkt eines<br />

Landkreises mit vielen Behörden und Geschäften. es ist ein moderner Kurort.<br />

dem Neuen zugewandt. sich seiner großen Vergangenheit bewußt.<br />

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Die Hugenottengemeinde Braunsmweig (II)<br />

Von<br />

Wilhelm Beuleke<br />

I. Die Pfarrer der Braunsdtweiger Hugenotten.<br />

Bei der Darstellung des inneren Lebens der Braunschweiger Hugenottengemeinde<br />

beginnen wir mit den Ptarrern, wenn auch die reformierte, anders<br />

als die lutherische Kirche, niemals vorwiegend eine Pastorenkirche gewesen ist.<br />

Abgesehen von Daniel de H a y e / H ase 0) aus Bremen, der als cand. theo1.<br />

die Braunschweiger Reformierten seit September 1704 provisorisch bediente,<br />

war Hermann Reinhold P au I i der erste ordentliche reformierte Pfarrer Braunschweigs<br />

überhaupt, der, leicht pietistisch eingestellt, weit über den engen<br />

Rahmen seiner kleinen Gemeinde hinaUs wirkte. Wie seine Berufung von<br />

Reformierten deutscher und französischer Zunge gemeinsam in die Wege<br />

geleitet worden war, so pastorierte er anfangs auch die Braunschweiger reformierte<br />

Gesamtgemeinde **). Nach allem, was wir von seiner Herkunft<br />

und seinem Werdegang wissen, war er der rechte Mann am rechten Ort<br />

und schien geradezu vorherbestimmt, innerhalb der reformierten Gesamtgemeinde<br />

den innigen Konnex zwischen den deutschen und französischen Elementen<br />

herzustellen und die nationalen Verschiedenheiten auszugleichen. Nach<br />

seinem ganzen Herkommen sowie dem Zeitalter und der Gesellschaftsschicht,<br />

der er zugehörte. entsprechend. muß er des Französischen so weit mächtig<br />

gewesen sein, daß er jederzeit in der Lage war, nach kürzerer Vorbereitungszeit<br />

kleinere Ansprachen halten zu können, wenn auch nicht anzunehmen ist,<br />

daß er das Französische grammatisch und stilistisch völlig beherrschte und seine<br />

Aussprache ganz akzent frei war. H. R. Pauli wurde am 28. 11. 1682 in Marburg/Lahn<br />

geboren, und zwar als Sohn des Pfarrers und Theologieprofessors<br />

Reinhold P. ***) und der ihm am 26. VI. 1666 37 angetrauten Marie EIis. Toussaint,<br />

Hil1weis: Die hochgestellten Zahlen im Text weisen auf die Nummern des Quellenund<br />

Schrifttumverzeichnisses in Teill hin (Braunschw. Jahrb. Bd. 43 (1961) S. 100).<br />

*) Er traf am 20. IX. 1704 in Braunschweig ein; sein Vater Kornelius de H. war<br />

Professor zu St. Martini in Bremen 18.<br />

0') Nachdem es seit 170S ~~i--I~J.Q.rJ!lier~Gemeinden in Braunschweig gab. eine<br />

deutsch- und eine französisch-reformierte. die sich 1811 zur evgl.-reform. Gemeinde<br />

vereinigten. waren Pastor Paulis Nachfolger im deutsch-reformierten Pfarramt während<br />

des 18. Jahrhunderts: a) Gottfried Jüngst von 1725-39. der wahrscheinlich mit Pastor<br />

Pauli verwandt war und nach Bremen (zurück-?) ging. b) G. F. Kirchhoff von 1740-82.<br />

der als 70jähriger in Braunschweig starb. und c) schließlich Joh. Friedr. Petr!. der. 1751<br />

zu Hoym in Anhalt geboren. seit Okt.1772 in Bernburg und seit Nov. 1782 in Braunschweig<br />

wirkte. wo er am 24.1. 1830 starb.<br />

"') Reinhold Pauli stammte aus Danzig und hatte seit 1656 das .Gymnasium<br />

ilIustre" in Bremen besucht. vgl. Friedr. Pr ü s e r. Das Bremer Gymnasium ilIustre in<br />

seinen landschaftlichen und personellen Beziehungen (Brern. lahrb. 45 - 47. 1957-<br />

1961). _..<br />

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der 1648 geborenenen Tomter des Heidelberger Kirmenrats und Theologieprofessors<br />

Daniel T. (15'90-1655) aus Montbeliard i. d. Freigrafsmaft Burgund<br />

55. Wenn es rimtig ist. daß die Sprame der Mutter die Sprame der Kinderstube<br />

ist. dann hat H. R. Pauli das Französisme und dessen Tonfall gleichsam<br />

mit der Muttermilch eingesogen. Aum in den Freundes- und Universitätskreisen<br />

seines Vaters dürfte er viel Französism vernommen haben. Als er 1702 Hofprediger<br />

der Fürstin Elis. Charlotte in Nassau-Smaumburg wurde. mußte er<br />

zwangsläufig Französisdl parlieren. einmal in den Hofkreisen und zum anderen<br />

mit den in das Ländchen. nach Holzappel i. d. Esterau u. a. O. eingeströmten<br />

Waldensern sowie deren Pfarrern.<br />

In einem Smreiben vom 30. IV. 1705 18 wenden sim Philippe Le Bade.<br />

Isaac Crayen. Samuel Heurteaux. Franc;ois Fillecy (1). Maximilien Bemapre<br />

und Ludwig Spitta zusammen mit Landbaumeister Hermann Korb. lohann<br />

Kraul sen. und jun.. Dietrich Conradi. Hermann Meyer, Albert Giffenich.<br />

Henrim VogeIsang. Georg Hegeler und anderen Deutschreformierten an Prof.<br />

Tilemann *) in Marburg mit der Bitte um seine Unterstützung. Pastor Pauli<br />

zur Übernahme des ref. Pfarramts und zur Übersiedlung in die Hauptstadt des<br />

Landes zwischen Harz und Heide zu bewegen. Diese vereinten Bemühungen<br />

hatten Erfolg. denn Pastor Pauli **) traf am 10. VI. 1705 in Braunsmweig ein<br />

und hielt am H. VI. seine Antrittspredigt. 1724 ging er nach Frankenthal/<br />

Pfalz und 1728 nach Halle/S .• wo er am 5. II. 1750 das Zeitliche segnete. Mit<br />

Pastor Pauli hatten die Braunsmweiger Reformierten eine überaus Elückliche<br />

Wahl getroHen. ja die überhaupt bestmögliche Lösung gefÜiiIen.-Ging-auCb<br />

damals Konfession vor Nation. stand dem reformierten Deutsmen der Reformierte<br />

fremder Nationalität näher als der katholische Landsmann und wogekehrt.<br />

so gab es zwischen den deutsmen und französischen Elementen innerhalb<br />

der reformierten Gesamtgemeinde, bedingt durch die verschiedenen Lebensgewohnheiten,<br />

Sprachen und nationalen Temperamente, Spannungen und<br />

Differenzen genug. die des Ausgleichs bedurften. Bindeglied zwisdlen den heiden<br />

Nationen der Braunschweiger Reformierten zu sein, dazu war Pastor Pauli<br />

geradezu prädestiniert, er war nicht nur Deutscher, sondern seiner Abstam-<br />

*) Philipp Joh. Tilemann gen. Schend


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mung nach auch Franzose, denn mütterlicherseits floS in seinen Adern bestes<br />

hugenottisches Blut, in seiner eigenen Natur hatten beide Nationen ihre innigste<br />

Verschmelzung gefunden.<br />

Pastor Pauli stammte aus Marburg. Zweifelsohne waren ihm die beiden<br />

dortigen Theologieprofessoren Tilemann und Gautier als Kollegen seines Vaters<br />

persönlich bekannt, vielleicht war des Letztgenannten Sohn Thomas sein Spielgefährte<br />

gewesen, da derselbe mit ihm etwa gleichaltrig war. Wenn nicht alle<br />

Zeichen trügen, kam Pfarrer Thomas Gau ti erd. J. auf Anregung und Empfehlung<br />

von seiten Paulis und vielleicht ebenfalls durch Vermittlung von<br />

Professor Tilemann, der eine direkte Verbindung zum Ohr des regierenden<br />

Herzogs besessen haben muS, nach Braunschweig. Thomas Gautier war gebürtig<br />

aus Die im Dauphine. Sein gleichnamiger Vater Thomas Gautier d. Ä. stammte<br />

aus Villaret-en-Pragelas, gelegen an der wichtigen MilitärstraSe Brianc;:on­<br />

Pinerolo; seine Geburtsheimat ist das Pragelas im Val Cluson in den piemontesischen<br />

Waldensertälem, das heute zur italienischen Provinz Turin gehört,<br />

jedoch von 1631-1713 einen Teil des Dauphine und damit Frankreichs bildete.<br />

Bereits 1665' wird Thomas Gautier d. Ä. als Waldenserpfarrer von FenestrelIeen-Pragelas<br />

genannt 54<br />

und wurde später Theologieprofessor in Die im<br />

Dauphine. also an einer der acht protestantischen Universitäten Frankreichs.<br />

Er war Sohn eines Notars und wanderte nach dem Widerruf des Edikts von<br />

Nantes im Oktober 1685' über Genf und Zürich. wo er über ein Jahr verweilte.<br />

nach Hessen ein. 1687 lieS er sich end!!Ültig in Marburg nieder, pastorierte<br />

die dortigen Hugenotten. lehrte an der Universität reformierte Theologie und<br />

starb ebendort am 27. V. 1709. etwa 71 1 /4 Jahre alt 12. Seine Gattin Franc;:oise<br />

Elisabeth Segaud aus GrenobIe im Dauphine starb in Marburg am 3. JII. 1736 '1<br />

und ist vermutlich eine Tochter des Advokaten PieITe Segaud und der Marie<br />

Brusson. die beide ebenfalls im Marburger Refuge das Zeitliche segneten. Marie,<br />

die Schwester von Thomas Gautier d. J .• vermählte sich am 10. XII. 1704 zu<br />

Marburg 12 mit Pierre Chandon, einem der Hugenottenpfarrer von Frankfurt<br />

am Main. Thomas Gautier d. J. wurde im August 169; in Marburg als stud. phi!.<br />

immatrikuliert. 1703 seinem Vater als Hilfsprediger beigegeben. am 1. I. 170,<br />

Sprachlehrer an der Universität und ging nach dem 26. VII. 170; nach Braunschweig.<br />

Sein Wirken in der Okermetropole wird durch zwei Daten dokumentiert:<br />

am 1. X. 170; begibt er sich zusammen mit Pastor Pauli nach WoIfenbüttel<br />

zur Vereidigun!o!18 und anfangs Dezember 1705' vertritt er seinen Kollegen<br />

Pauli bei einer Taufe 18. Von Thomas Gautier d. J. liegt überhaupt nichts<br />

Handschriftliches vor, wie er es auch versäumte. ein Presbyterium durch Urwahl<br />

seitens der Familienhäupter bilden zu lassen und kirchliche Register über vollzogene<br />

Taufen. Trauungen und Beisetzungen zu führen. Am 25'. XI. 170; vermählte<br />

er sich in WoIfenbüttel 19 mit Jeanne Varnier, die, wenn nicht alles<br />

täuscht, der bekannten Kasseler Familie entstammt und damit wahrscheinlich<br />

aus Frignicourt in der Champagne gebürtig ist. Wir kennen den Grund, wes-<br />

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halb Thomas Gautier d. J. so restlos versagte: Er wurde geisteskrank und<br />

endete unglücklich im Irrenhaus zu Haina in Hessen 57.<br />

Kann für den Zeitraum von 1705-08 von einem geordneten kirchlichen<br />

Leben bei den Braunschweiger Hugenotten nicht gespr


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X<br />

in Hannover wirkend. verstarb er dort am 10. I. 1760 5 . Er ist der Verfasser<br />

der "Bibliotheque curieuse de livres difficiles a trouver" 36. Er war zweimal<br />

verheiratet. seit 1730 mit Amelie Valescure. einer Tochter des Kasseler Kaufmanns<br />

Durand Valescure. und in zweiter Ehe mit Elisabeth Combre. der Witwe<br />

des Gesandtschaftssekretärs Jeremie Henri Laurent. Sein Vater David Clement<br />

d. Ä. stammte aus Villaret-en-Pragelas in den piemontesischen Waldensertälern.<br />

wanderte 1685 im Anschluß an die Aufhebung des Edikts von Nantes<br />

über Genf und Schaffhausen nach Hessen ein. amtierte seit 1686 in Hofgeismac.<br />

pastorierte fast 40 Jahre lang die hugenottischen Religionsflüchtlinge in<br />

H{)fgeismar. Karlsdorf. Schöneberg. Kelze. Hombressen und Grebenstein als<br />

ein wahrer Patriarch und gilt als der Vater der Hugenotten- und Waldenserkolonien<br />

im nördlichsten Kurhessen. Er starb in Hofgeismar am 29. I. 1725<br />

als Achtzigjähriger und war ebenfalls zweimal vermählt: in erster Ehe seit dem<br />

2. VI. 1680 54 mit Marguerite Pastre aus Mentoulles-en-Pragelas. die am<br />

22. VIII. 1685 54 in Mentoulles beigesetzt wurde. 31 Jahre alt. und in zweiter<br />

Ehe verheiratete er sich in Hofgeismar am 1. VIII. 1700 13 mit der erheblich<br />

jüngeren Susanne Mary aus Metz in Lothringen. die ihren Gatten fast ein<br />

Vierteljahrhundert überlebte und am 3. X. 1749 in Hofgeismar verstarb. etwa<br />

7'5 Jahre alt 13.<br />

David Clements d. J. Nachfolger in Hofgeismar und Braunschweig war<br />

Daniel Are hin a r d aus Genf in der Schweiz. Sein Vater Andre Archinard<br />

stammte aus dem Dauphine und wurde 1702 Bürger der Republik Genf. wo er<br />

jedoch schon früher als .. habitant" *) gewohnt haben kann. Am 8. IX. 1700<br />

in der schönen Stadt am Lac Hman geboren. amtierte Danicl Archinard seit<br />

1733 in Schwabach bei Nürnberg. seit 1736 in Wolfhagen/Hessen. seit 1740<br />

in Hofgeismar und seit Ende 1744 in Braunschweig. wo er am 29. XII. 1755 16<br />

sein Leben beschloß und am 1. I. 1756 58 begraben wurde. Seine Gattin Marie 58<br />

de Bomier folgte ihm bald nach und wurde am 30. VII. 1756 58 beigesetzt.<br />

und zwar wie ihr Gatte in der Bartholomäuskirche. Wenn nicht alle Zeichen<br />

trügen, ist sie eine Tochter des Schwabacher Koloniedirektors Philippe de Bornier<br />

aus Montpellier im Languedoc und dessen Gemahlin Marg. de Savin aus<br />

St. Cartonningue (7) in den Cevennen 15.<br />

Je näher wir der Gegenwart kommen. desto weniger wissen wir von da<br />

Braunschweiger Hugenottenkolonie und deren Pfarrern. Das ist typisch und<br />

David element d. J. erstmals in Braunschweig am 14. IX. 1735 1 , und zwar den Lorenz<br />

Breistroff aus Wolfenbüttel mit Elisabeth Munier aus Kassel, der Tochter des Pierre M.<br />

und der Elisabeth Benoit.<br />

') In Genf unterschied man früher zwischen 1. den citoyens. den alten regimentsfähigen<br />

Familien, 2. den bourgeois. den Eingebiirgerten, darunter zahlreiche Röfugies,<br />

3. den natlfs, den in Genf geborenen Nachkommen nicht eingebürgerter Bewohner.<br />

4. den habltants. den gegen eine Geldgebühr in der Stadt geduldeten Ansässigen. und<br />

schließlich 5. den sujets. den Bewohnern der wenigen der Stadt Genf untertänigen<br />

Ortschaften.<br />

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zeugt von den überall im Refuge wirksam gewordenen Assimilationstendenzen<br />

und Auflösungserscheinungen. Von Pfarrer Mo u r i e r ist lediglich bekannt 16,<br />

daß er in Kopenhagen geboren wurde, in Genf und Lausanne studierte und in<br />

der waadtländischen Hauptstadt ordiniert wurde. 1756 zog er in der Okermetropole<br />

auf, ging 1763 nach Stockholm, blieb dort etwa 7-8 Jahre und zog<br />

sich anschließend nach Kopenhagen zurück, wo er sein Leben beschlossen haben<br />

dürfte ').<br />

') Wir sind in der glücklichen Lage, diese teils dürftigen. teils falschen Daten. die<br />

dem .Abrege historique" J6 des Kirchenältesten janvier entnommen sind, durch nähere<br />

Details zu ergänzen bzw. durch exakte Angaben richtigzustellen. Wir verdanken dies<br />

Herrn Pfarrer Dr. Ernst Mengil1 von der Deutschreformierten Gemeinde in Kopenhagen,<br />

der unsere Bemühungen um KlarsteIlung liebenswürdigerweise dadurch unterstützte,<br />

daß er uns das Werk von Ellen Mour/er: Slaegten Mourier. I. Kopenhagen 1928. zur<br />

Einsichtnahme überließ. Die in dieser Fußnote vorkommende Anmerkungshochzahl 62<br />

bezieht sich auf das l1enannte Werk von ElIen Mourier. - Demnach handelt es sich bei<br />

dem Braunschweiger Pfarrer Mourier überraschend nicht um Fr~deric MOlse Mourier,<br />

,. in Kopenhagen am 4. XI. 1727 und ebenda t am 21. VIII. 1786, der in Genf und<br />

Lausanne studierte. 1753 in Amsterdam Pastor wurde. seit 1754 in der dinischen<br />

Hauptstadt wirkte und seit dem 23. XI. 1757 00 war mit Marg. Sus. le Sage de Fontenay<br />

aus Kopenhagen, der Tochter des dänismen Admirals Gaspard Frederic le Sage de<br />

Fontenay. - Der Braunschweiger Pfarrer Mourier ist vielmehr personengleich mit<br />

dessen jüngerem Bruder CharIes Henr/ Mourier, der am 6. X. 1732 zu Kopenhagen 82*<br />

wurde und am 4. XII. 1815 in Frederiksberg starb, in Halle und Genf studierte, wo er<br />

1754 ordiniert wurde. Seit 17% in Braunschweig amtierend. ging er anschließend nach<br />

Stockholm. wo er am 17. XI. 1763 82 eintraf. Am 16. VI. 1771 62 trat er aus Gesundheitsgründen<br />

von seinem Amt zurück und ging nach Korenhagen. wo er später als<br />

Lehrer des Kronprinzen Frederik und der Prinzessin Louise Augusta wirkte; seit dem<br />

8. V. 1763 82 00 mit lsidore Henriette Charlo aus Kopenhagen, die dort am 7. XII. 1740<br />

,. war und am 14. IV. 1820 in Frederiksberg starb, Tochter des Uhrmamers Pierre<br />

Charlo - Sein Vater Jean Ferdinand Mouricr erblickte am 11. XI. 1692 zu Rolle im<br />

Waadtland das Limt der Welt. studierte in Genf und Lausanne und ging im Oktober<br />

1721 82 nam Kopenhagen. wo er als Pfarrer der do(tigen Hugenottengemeinde am<br />

28. VIII. 1754 starb; seit dem 22. X. 1722 00 mit Anne Henriette Mazar, ,. am 2. X.<br />

1703 zu Kopenhagen und t ebenda am 27. V. 1757. Tomter d~s Pagcnhofmeisters und<br />

Spramlehrers Franr,:ois M. - Sein Großvater MOlse Mourier wurde 1660 im Vivarais ..<br />

und wanderte nach der Aufhebung des Edikts von Nantcs aus. lebte seit 1688 in Rolle<br />

als Gastwirt und Zuckerbäcker und starb 1741 in Genf; ro seit 1683 mit Mari~ Lauvie<br />

aus dem Vivarais. t 1736, Tochter d.!s Jean Louis Lovie und der Judith Munier aus<br />

PrivaslVivarais 82. - Zusammen mit seinem Großvater wanderten aus sein Großonkel<br />

Etienne Mour/er, der Marineoffizier wurde und im Dienste Englands 1710/11 im<br />

Spanischen Erbfolgekrieg fiel. sowie sein Großonkel Pierre Mourier, alle drei Söhne des<br />

Salpetersieders Simon Pierre Mourier und der Eve Gre, reg. Magdeburg 1699 30 als<br />

Junggeselle, * 1671 zu Le Pouzin/Vivarais [Dep. Ardeche, Arr. Privas. Kt. Chomerac].<br />

Strumpffabrikant in Magdeburg, wo er 1716 starb; seit dem 30. V. 1702 2 00 mit<br />

Jeanne Peirot aus La Suchcre im Kirchspiel Le Chambon [-sur-Lignon] in der Diözese<br />

Le Puy im Velay [Dep. Haute-Loire, Arr. Le Puy, Kt. Tence], Tochter des Claude P .•<br />

Wollfakturist, und der Anne Charreiron. - Sein Magdeburger Großonkel weilte als<br />

Strumpffabrikant oft auf den Braunschweiger Messen. Ob Pfarrer CharIes Henri<br />

Mourier gewußt oder auch nur geahnt hat. daß sein Großonkel Pierre 50 Jahre vorher<br />

in der Bartholomäuskirme den Predigten von Pfarrer Roy lausmte. seine Gebete sprach<br />

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und am Abendmahl teilnahm. also in ebenderselben Kirche. in der er selbst von 1756-63<br />

seine gottesdienstlichen Funktionen als Gemeindepfarrer verrichtete 1 Es ist zu bezweifeln.<br />

vielleicht galt sein Magdeburger Großonkd für die Familie als verschollen.­<br />

Gregoire Mourier ging mit seinen drei Vettern MOIse. Etienne und Pierre nicht ins Exil.<br />

sondern blieb der angestammten Heimat im Vivarais treu. allerdings unter Preisgabe<br />

seines reformierten Bekenntnisses. Derselbe wurde bestenfalls nach außen hin katholisch.<br />

um der Familie Vermögen und Liegenschaften zu erhalten; vielleicht heiratete er<br />

später eine Alt-Katholikin. so daß die in der alten Heimat seither geborenen Nachkommen<br />

als gute Katholiken gelten und von der protestantischen Vergangenheit ihrer<br />

Ahnen wahrscheinlich nichts wissen; möglidJerweise aber war Gregoire M. religiös<br />

indifferent und eine berechnende Natur. dann liegt der Schluß nahe. daß seinerseits die<br />

Abschwörung der .erreurs de Calvin" einzig zu dem Zweck erfolgte. das Erbe seiner<br />

geflohenen protestantischen Verwandten anzutreten. - In diesem Hin und Her scharfer<br />

Glaubensgegensätze und schwankender Lebensumstände wird die ganze Tragik und<br />

Problematik des Lebens der französischen Protestanten von anno 1685 offenbar. die in<br />

unerhörte Gewissenskonflikte hineingestellt wurden. denen sich schwächere Charaktere<br />

nicht gewachsen zeigten. Drei junge Leut.? die hier stellvertretend stehen für tausend<br />

und aber tausend andere in gleicher Lage. kehren der Heimat den Rücken und wandern<br />

aus Gewissensgründen aus. um in der Fremde wie die englischen Pilgerväter .to worship<br />

God in the way they thought right". sicherlich in der stillen Hoffnung auf eine zukünftige<br />

Änderung der politischen Konjunkturen und auf eine damit verbundene Rückkehr<br />

oder Rückrufung in ..Ia belle France". Wie oft mag dieser Stoßseufzer bei Verschnaufpausen<br />

auf gefahrvollen Fluchtwegen und im sicheren Exil beim Zusammentreffen mit<br />

Landsleuten von den lippen geflossen sein I<br />

Der eine der drei Brüder - MOlse - siedelt sich in der relativ heimatnahen.<br />

glaubens- und sprach verwandten Welschschweiz an. um später - bei der aJlgemein<br />

erhofften Rückkehr- eine günstige Absprungbasis zu besitzen. Er hat es am leichtesten.<br />

er hat als Gastwirt und Zuckerbäcker einen gängigen Beruf. denn getrunken und gegessen<br />

wird immer. auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten. Der zweite - Etienne - tritt<br />

in die Dienste Englands. wird Seemann und trägt sein Teil dazu bei. daß die protestantischen<br />

Mächte gestärkt. damit das Refuge und die Zufluchtsorte seiner Glaubensgenossen<br />

gewährleistet bleiben. Der dritte schließlich - Pierre - zählt als Strumpffabrikant<br />

zu den Wirtschaftpionieren und ist als Unternehmer auf ökonomischem<br />

Neuland von den wechselnden Zeitläuften in hohem Maße abhängig; er folgt dem Ruf<br />

des Großen Kurfürsten und läßt sich im femen Magdeburg nieder. wo er sich mit einer<br />

Landsmännin vermählt. aber in Bezug auf seine Kinder Unglück hat. denn vier Söhne<br />

sterben von 1707-17 rasch hintereinander. so daß seine Familie in Norddeutschland<br />

keine Wurzeln zu schlagen vermochte.<br />

Die Lebensgeschichte der Sippe Mourier vermag repräsentativ zu stehen für die<br />

lebensschicksale .zahlloser anderer:: ,Hugenotten familien. und ihre Lebensumstände umschließen<br />

alle jene Elemente. die als die bezeichnenden Merkmale der Refugies überhaupt<br />

gelten: die vorwiegend südfranzösische Herkunft der Auswanderer von 1685. die<br />

alttestamentlichen Vornamen. die Vorherrschaft der Textilberufe. die Spaltung der<br />

Familie in einen auswandernden protestantischen und in einen in der alten Heimat verbleibenden<br />

rekatholisierten Zweig. die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen der<br />

Aufnahmeländer. die mit dafür verantwortlich zeichnen. ob die Familien blühen oder<br />

aussterben. das Auseinanderreißen der Familien durch das Seßhaftwerden in den Protestantischen<br />

Zielländern : in der Schweiz. in England und in den mit ihm seit 1689 in<br />

Personalunion verbundenen Niederlanden. in Kurbrandenburg und anderen do!utschen<br />

Territorien. in Dänemark und schließlich in Übersee. Eine einzige Sippe nur. in derem<br />

Auf und Ab sich aber die Lebensschicksale einer ganzen Generation von reformierten<br />

Auswanderern französischer Nationalität widerspiegeln. zwar nur eine Familie. deren<br />

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Isa a c d e C hau f e pie wirkte seit 1764 als _k~~~!_Jillgel1ottenl'fa~r~.!.<br />

in Braunschweig, nachdem er bis dahin Hilfspfarrer in Hamburg gewesen war.<br />

Auf Bitte des Presbyteriums versah er das Predigtamt vertretungsweise in der<br />

Februarmesse 1764, wurde anschließend zum Pfarrer gewählt und blieb bis zu<br />

seinem Tode in der Stadt Heinrichs des Löwen. Er war dreimal verheiratet, in<br />

1. Ehe mit Marie Naemi Charton, beerdigt Brschwg. 22. VI. 1776 58 , ca.<br />

37 Jahre alt, seit dem 21. III. 1777 17 mit Marie Elis. Roux, f Brschwg. 7. XII.<br />

1797 1 , 68 Jahre alt 58, und in 3. Ehe mit Eleon. Louise Prohat seit dem 10. IV.<br />

1798 1 , der Witwe des Kaufmanns Joh. Jacob Hubert, den sie am 2;. XI.<br />

1768 58 geehelicht hatte. Angesichts seines schlechten Gesundheitszustandes<br />

schlossen die Braunschweiger deutsch- und französisch-reformierten Gemeinden<br />

am 29. III. 1811 einen Vereinigungsvertrag 34, dessen Abschluß Isaac de<br />

Chaufepie *) nur kurze Zeit überlebte, da er am 20. IV. 1811 an der Wassersucht<br />

starb, 7; Jahre alt 1, nachdem seine Gemeinde faktisch vor ihm gestorben<br />

war.<br />

Nachdem Pfarrer Daniel Roy am 17. VI. 1708 seine Antrittspredigt in<br />

Braunschweig gehalten, wurde unmittelbar darauf zur Konstituierung eines<br />

Presbyteriums geschritten. Das ~ntscheidende_ Kriterium der Gründung einer<br />

französisch-reformierten Kirchengemeinde besteht nämlich nicht in der Schenkung<br />

einer Kirche oder Bereitstellung eines Betsaals seitens eines Fürsten oder<br />

Senats zur Abhaltung des Gottesdienstes, ferner nicht in der Anerkennung des<br />

Rechts zu taufen oder zu trauen und weiterhin nicht in der Duldung der Führung<br />

eigener kirchlicher Register über vollzogene Taufen, Trauungen und Beisc.'tzungen<br />

"); eine hugenottische Kirchengemeinde wird vielmehr dadurch<br />

gegründet. daß ~n "con~s!Q..ire" konstituiert wird "seIon les regles de la disci-<br />

Aufstieg und Niedergang jedoch als Modellfall für das Schicksal der Refugit:s überhaupt<br />

zu stehen vennag. Da beim großen Durchsc!-infttder-Ciibildetei1aasVerstandnis für die<br />

Hugenottenfrage weithin abhanden gekommen ist und da die Familie Mourier den<br />

Typus einer echten Refugiefamilie verkörpert. ist zur Gewinnung eines tieferen Einblicks<br />

eingehend auf ihr Schicksal eingegangen und etwas weiter ausgeholt worden.<br />

damit dem Leser. dem die Geschichte der Hugenotten ferner steht. 3m Beispiel einer<br />

Familie die Problematik der RCEugies und damit schließlich die aller flüchtlingsbewegungen<br />

offenbar wird .<br />

•) Isaac de Chaufepie, einer berühmten hugenottischen Pastoren familie des Poitou<br />

entstammend. wurde - It. freundlichem Hinweis von Herrn Karl-Egbert Schultze in<br />

Hnmburg. dem auch an dieser Stelle für seine Bemühungen herzlich gedankt sei - 3m<br />

24. 11. 1737 in Hamburg als Sohn des Altonaer Hugenottenpfarrers Samuel Simon de<br />

Chaufepie und seiner Gattin Susanne Deshons geboren; sein Vater Samuel Simon de<br />

Chaufepie war ebenfalls Pastorensohn. wurde 1690 zu Leeuwarden in Holl.-Friesland<br />

geboren und wirkte von 1727 bis zu seinem Tode im lahre 1762 in Hbg.-Altona .<br />

•') Die kirchlichen Register der ehemaligen französisch - refonnierten Gemeinde<br />

Braunschweig liegen für die Trauungen von 1710-1735 und von 1791-1810 vor, reichen<br />

für die Taufen von 1708-1735 bzw. von 1787-1810 und umfassen bei den Todesfällen<br />

und Beisetzungen den Zeitraum von 1708-1735 bzw. von 1787-1811. während die<br />

deutsch-refonnierten Kirchenbücher seit 1704 vorliegen.<br />

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pline ecclesiastique" 16, mit anderen Worten, daß ein Presbyterium von der<br />

Hausväterversammlung in Urwahl erkoren, von der Kanzel dreimal abgekündigt<br />

und, nachdem keinerlei Widerspruch aus der Mitte der Gemeinde laut geworden<br />

ist, sodann im GottesJienst vor versammelter Gemeinde feierlich installiert<br />

wird, das sich späterhin - auf Vorschlag des Presbyteriums hin - unverbrüchli.:h<br />

durch Kooptation ergänzt.<br />

Bis zu Pfarrer Roys Ankunft hatten zwei hervorragende und bereits 1692<br />

in der Stadt Heinrichs des Löwen ansässige Gemeindeglieder, Pier re Jacquemin<br />

und Pierre Menard, dieser ein gutsituierter Strumpffabrikant aus Nimes im<br />

Languedoc, jener als herzoglicher Kammerdiener und Perückenmacher ein einflußreicher<br />

Mann, der jahrzehntelang die Armengelder ") ("deniers des pauvres")<br />

getreulich abrechnete, sich verantwortungsbewußt der Geschicke und<br />

Interessen der Hugenottengemeinde angenommen und provisorisch "par un eHet<br />

de Ieur pü:te" die Funktionen von Kirchenältesten ("andens") wahrgenommen,<br />

ohne jedoch vorschriftsgemäß installiert zu sein. In der Vormittagspredigt des<br />

1. VII. 1708 lud Pfarrer Roy alle Familienhäupter ein, sich am Nachmittag desselben<br />

Tages noch einmal im Betsaal des "Grauen Hofes" zur Nominierung<br />

und Wahl von zwei Kirchenältesten einzufinden. Nunmehr wurden seitens der<br />

Familienväter mittels Stinunzettel die heiden angesehenen Kolonieangehörigen<br />

EHe Valette ") und Pierre Jacquemin mit Stimmenmehrheit ("a la pluralite des<br />

voix") zu ~irch.~n~!!estel!.Zewä~l!:.! am 26. VII., 23. IX. und 7. X. 1708 von der<br />

Kanzel abgekündigt ***), am 4. XI. 1708 im Gottesdienst feierlich in ihr Amt<br />

eingeführt und damit nach hugenottischer Auffassung !:~cj1tsgü!!ig in?!~meJ:t.<br />

Das wirkliche GründungsJatum der Hugenottengemeinde Braul15chweig ist also<br />

der 4. November 1708.<br />

---------<br />

') Wie bereits einmal betont, geht die Höhe des sonntäglichen ("Klingelbeutel"-)<br />

Kirchenopfers, das von den Kirchenältesten nach Schluß der Gottesdienste an der<br />

Kirchentür eingesammelt wurde. aus den Akten nicht hervor. da darüber keine Belege<br />

vorliegen. Wie hoch die freiwilligen Kirchenbeist:uern seitens der Familienhäupter<br />

waren. die jährlich auf Grund eigener Selbsteinschätzung - "seIon pouvoir et<br />

faculte" - einkamen. bleibt ebenfalls im dunkeln. Lediglich zweimal wird der Schleier<br />

etwas gelüftet: in der Zeit vom 21.11. 1720 bis zum 7. X. 1720. also für einen Zeitraum<br />

von etwa 7 1 /2 Monaten. belief sich das Kirchenopfer auf 48 Reichstaler 18 und für 1759<br />

wird die Jahreseinnahme aus der .. bourse des pauvres" mit 99 Reichstalern und 12<br />

Gutengroschen angegeben 56. Diese !(irchenol:'.t~.r waren milde Gaben. einmal zugunsten<br />

der Gemeindearmen, zumal der verschämten Armen. und andererseits wurden dem<br />

ArmenfoIids--· die·Zehrpfennige und P1ssadcn entnommen. die der Untcrstü!zung .von<br />

.durchreis~nden Glaubensgenossen dienten. - Der erwähnte uKlingelbeutel". mit dessen<br />

Hilfe die ··son-ntäglichen Kirchenopfer eingesammelt wurden, war aus schwarzem Samt<br />

und eine Schenkung des herzoglichen Kammerdieners Philippe Le Bacle vom 23_ VL<br />

1709 18 •<br />

") EHe Valette, Handschuhmadler aus Bedarieux im Languedoc, erwarb 1715 für<br />

400 Taler ein Wohnhaus in der GördeHngerstraße, die Gemeinde bewilligte ihm dazu<br />

ein Darlehen zu 50/0 p. a. 16 •<br />

•") Und zwar in wechselnder alphabetischer Reihenfolge. damit bei den hitzigen<br />

Franzosen betreffs der Rangordnung keine Streitigkeiten aufkamen.<br />

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H. Vom iJmeren Leben der Braunsdtweiger Hugenottengemeinde.<br />

Ohne Pr':.sbyt~ri.~~_~e}~e refo~ier~ Gemeind_~J Denn das Presbyterium ist<br />

Seele und Herz der reformierten Kirchengemein


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convenables" befanden, "pour s'approcher salutairement de la table du<br />

Seigneur" 16.<br />

Nach dem Besuch des Vorbereitungsgottesdienstes am Vorabend konnte der<br />

für würdig Befundene darauf sich dem Tisch des Herrn nähern, um dort die<br />

Tröstungen und Gnaden zu empfangen, die Gott seinen Getreuen und Gläubigen<br />

gewährt ("pour y recevoir les consolations et les graces qu'il accorde a ses<br />

fideles" 16).<br />

Nach vorher eingeholter herzoglicher Zustimmung traten die beiden reformierten<br />

Braunschweiger Ge~eilide~- im Jah-re -1708 dem niedersächsischen<br />

~.Qi!.b:erl:>~!:lft bei, der Konföderation der reformierten Kirchen Niedersachsens,<br />

zuallererst deshalb, um einer Forderung der Kirchenordnung Calvins<br />

Genüge zu tun. Der Synodalverband verdankt seine Entstehung einmal dem<br />

begreiflichen Wunsch nach engerem Kontakt untereinander, um den Gefahren<br />

der Vereinsamung und Erstarrung zu entgehen, zum anderem dem Bedürfnis,<br />

sich gegenseitig Hilfe und Beistand zu leisten. Weiterhin war der Synodalverband<br />

die einheitliche Spitze, der in Kirchensachen gesetzgebende Körper,<br />

und die reformierte "Oberbehörde", die gegebenenfalls beim Landesherrn zugunsten<br />

der bedrohten "liberte de la religion" intervenierte, falls eine Beeinträchtigung<br />

der reformierten Eigentümlichkeiten in Lehre, Kultus und Verfassung<br />

zu befürchten war. Außerdem war der Synodalverband letzte brüderliche<br />

Schlichtungs- und Entscheidungsinstanz bei allen jenen Streitigkeiten, die die<br />

örtlichen Presbyterien nicht beizulegen vermochten, war eine Garantie für die<br />

Aufrechterhaltung der Reinheit von Lehre und Sitten *) und schuf der Pfarrwitwen-<br />

und Waisenkasse eine breitere Grundlage.<br />

Pfarrer Daniel Roys ständige Mahnungen nach Ansammlung eines Kirchenfonds<br />

und Presbyter Pierre Jacquemins vorbildliche Verwaltung der nach und<br />

werben von Arbeitskräften, entzweit waren 10. - Die Kirchellzucht wurde in drei Stufen<br />

wirksam: der erste Grad war die Zellsur im engeren Sinne, angewandt bei Vorliegen<br />

eines öffentlichen Ärgernisses und bei Anzeige vor dem Presbyterium, der Beschuldigte<br />

wurde von einem Ältesten persönlich zum Erscheinen aufgefordert und vor versammeltem<br />

Presbyterium ihm sein Fehltritt brüderlich ernst vorgehalten; meistens wurde<br />

ehrlich bereut und Besserung gelobt, Rückfälle ereigneten sich selten. Der zweite Grad<br />

bestand in der Suspellsfoll: wer auf die dritte Ladung nicht erschien, wurde suspendiert,<br />

d. h. zeitweilig vom Tisch des Herrn zurückgewiesen. Der dritte Grad war die Exh.JHI­<br />

I1l1mihatfoll, d. h. Ausschluß vom Abendmahl oder aus der Gemeinde. - Anschließend<br />

folge der Wortlaut über eine am 24. IX. 1712 in Braunschweig vollzogene Zensur:<br />

nApres les prieres de prcparation a Ia communion, la Compagnie - [d. i. das Presbyterium]<br />

- etait assemblee. Vi n s 0 n - [d. i. der Weißgerber Henri Vinson aus dem<br />

Vivarais] - ayant ete appele a ete grievement censure a cause de l'irregularite de sa<br />

conduite et du scandale qu'i1 a donne en s'abandonnant si souvent a la boisson. J1 a<br />

et': fortement exhorte a prendre mieux garde a lui, arenoncer a ce vice et a donner<br />

des preuves de sa repentance, par une bonne et sainte vie, la Compagnie s' est cru indispensablement<br />

obligee de le suspendre de la communion" ... 16.<br />

') .Les synodes servent beaucoup a entretenir la purete de la doctrine et des<br />

moeurs; aussi iI est dangereux que chaque eglise particuliere se gouverne par ses propres<br />

lumilhes" 10.<br />

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nach einkommenden Kirchengelder, die er auf Grund seiner höfischen Ver~<br />

bindungen vorteilhaft bei den Landständen und bei der hzgl. Finanzkammer zu<br />

placieren wußte, führten endlich im November 1734 16 zum Erwerb eines geräu~<br />

migen, durch die Nähe der Bartholomäuskirche günstig in der Kannengießer~<br />

straße gelegenen Pfarrhauses, und zwar auf den Namen von Jacques Meirar~<br />

gues ') und gegen Erlegung von etwa 500 Talern.<br />

Als bei den reformierten Gemeinden im Sommer 1749 von Herzog Karl 1.<br />

ein geeignetes Gelände von über einem Morgen Größe, günstig vor dem Hohen<br />

Tore gelegen, zur Anlegun&. eines eigenen F!iedh~.f~~ geschenkt wurde, war<br />

die v"IIe Selbständigkeit der heiden reformierten Gemeinden endgültig gesichert<br />

und damit die letzten Kollisionsmöglichkeiten mit der lutherischen Geistlichkeit<br />

wegen der Stol~ und Leichengebühren aus der Welt geschafft.<br />

Die in die braunschweig-wolfenbüttelschen Lande einwandernden Refugies<br />

kamen in eine ihnen völlig fremde Umwelt. Einmal mußten sie sich einer alteingesessenen<br />

Bevölkerung anpassen, die vielfach ein schwer verständliches<br />

Platt sprach, in ihrem Wesen eine völlig anders geartete Lebensart darsteIlte<br />

und den Hugen"tten fremden Essens~ und Trinkgewohnheiten huldigte, und<br />

andererseits mußten sie sich auf Auseinandersetzungen mit den lutherischen<br />

Wortführern gefaßt machen, denen allerdings infolge der herrschenden milden<br />

calixtinischen Richtung die größte Schärfe von vornherein genommen war.<br />

Immerhin wirkte das Auftauchen des Calvinismus als der anderen Komponente<br />

der Reformation irgendwie störend und beunruhigend, da die Lutheraner bislang<br />

als die AIleinverkörperung des Reformationsgedankens gegolten hatten,<br />

und zweifellos gingen die nun anhebenden Querelen von der lutherischen<br />

Geistlichkeit aus, die bisher das Feld allein beherrschte1.Ind diese Position nicht<br />

kampflos räumen wollte.<br />

Beide reformierte Gemeinden waren und blieben piasporagemeinden mit<br />

ausgeprägt regem inneren Qe_m,,!ndeleben, die Hugenotten dazu eine nach Zahl<br />

hoffnungslos unterlegene nationale Minderheit ohne jede Aussicht auf Rückkehr<br />

in das Mutterland. Zwangsläufig mußten sich die Refugies der Umwelt<br />

anzupassen versuchen. Bei diesem Einschme1zungsverfahren und Assimilationsvorgang<br />

leisteten die Deutschreformierten den Hugenotten wichtige Schrittmacherdienste,<br />

denn die reformierten Deutschen waren einerseits der französischen<br />

Calvinisten Glaubensgenossen, andererseits jedoch mit den lutherischen<br />

Deutschen eines Blutes und einer Sprache. Man .'!:ll


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lich in getrennten gottesdienstlichen Feiern und durch Anführung einer Stelle<br />

der Heiligen Schrift biblisch verbrämt *).<br />

Wäre man sich beiderseits über die wirklichen Standpunkte und Lehrmeinungen<br />

völlig im klaren gewesen, wäre man bis zu den letzten Quellen vorgestoßen<br />

und hätte man sich nicht auf die Lektüre gehässiger Streit- und<br />

Schmähschriften - und damit auf die Anhörung vorgefaßter Meinungen -­<br />

beschränkt, dann hätte es überhaupt nicht zu Auseinandersetzungen kommen<br />

brauchen. Denn der Unterschied zwischen den kirchen lutJ~eri·sch~n·und reformierten<br />

Bekenntnisses·ist····ein- doppelter, der einmal in der 1~.r~ und zum<br />

anderen in der Verfassung begründet liegt 38. Während die Lutheraner größtes<br />

Gewicht auf dieLehrdifferenz legten und die Unterschiede in der Verfassung<br />

mehr als Sache menschlichen Ermessens behandelten, hatten sich die Reformierten<br />

Frankreichs unter dem Einfluß des berühmten theologischen Dreigestirns<br />

der protestantischen Universität Saumur **) in der Lehre den Lutheranern<br />

in der milden melanchthonischen Fassung mehr und mehr konformiert<br />

und genähert und die Unterschiede in der Lehrmeinung damit als unbedeutend<br />

eingestuft .~**), während hinwiederum die Reformierten das Hauptgewicht auf<br />

die Presbyterialverfassung legten und die damit eng verwachsene Kirchenzucht<br />

als ein auf der Heiligen Schrift beruhendes göttliches Recht - d. h. ein von Zeit<br />

und Ort menschlicher Rechtsetzung unabhängiges Recht - besonders hochhielten<br />

und die Grundlagen der Verfassung als durch die Heilige Schrift normiert<br />

und damit als integrierenden Bestandteil ihres Bekenntnisses hinstellten.<br />

Wie so oft im Leben, redeten Lutheraner und Calvinisten in Braunschweig in<br />

gewissem Sinne aneinander vorbei.<br />

~ Die von den I.utherisch-orthodoxen Heißspornen vorausgesagte Verwirrung<br />

der Gemüter, die schäbige Proselytenmacherei, d. h. das aufdringliche Werben<br />

') Pfarrer Roy sagte am Vorsonntag in seiner Ankündigung u. a.: "Mes freres,<br />

comme I'Ecriture sainte nous enseigne que nous devons etre en pleurs avec ceux qui<br />

sont en pleurs, et en joye avec ceux qui sont en joye, il est convenable de joindre un<br />

jubile, qui est cch:bre le dimanche prochain dans tout ce pays po ur la Reformation en<br />

Allemagne, de joindre nos actions de gdices aDieu avec les eglises qui sont eclairees<br />

de la lumiere de son evangile" 18.<br />

") Das ist einmal Moyse .h..m.rra.m. geb. Bourgueil In Anjou 1596. t Saumur 1664.<br />

der Vertreter der milden Prädestinationslehre, zum anderen Louis Capl'.el. geb. 1>85 zu<br />

St. Elier (1) bei Sedan, t Saumur 1658, der eigentliche Begründer der alttestamentlichen<br />

T('xtkritik, und ferner Josue La Place. geb. 1606, t Saumur 1655, berühmt als Dogmatiker.<br />

"') Auf eine Anfrage seitens französischer Lutheraner reagierte die reformierte<br />

Nationalsynode von Charenton im Jahre 1631 großzügig und weitherzig und entschied<br />

deren Gesuch in wahrhaft evangelischem Geist dahin, daß den frnnzösischen Lutheranern<br />

nicht nur das Recht zustehe, ihre Ehen in reformierten Kirchen einsegnen und<br />

ihre Kinder bei den Reformierten taufen zu lassen, sondern die Nationalsynode hielt<br />

es sogar für Rechtens. den Lutheranern ihren Anspruch auf Teilnahme am Abendmahl<br />

in refonnierten Gemeinden ohne jegliche Abschwörung ihres lutherischen Sonderglaubens<br />

zuzugestehen ,....<br />

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für eine religiöse Gemeinschaft und die gegenseitigen Abwerbungen, der durch<br />

die Aufnahme der Refugies bevorstehende Unfriede traten mitnichten ein. Ganz<br />

im Gegenteil wurden die scharfen Kanteü-ko-ntessiom;iIer Enge durch-die aus<br />

eigener Anschauung gewonnene bessere Einsicht widerlegt. Der ursprünglich<br />

harmlos-gute Sinn der alteingesessenen lutherischen Bevölkerung, das täglich<br />

vor Augen stehende Vorbild, das die reformierten Gemeinden in ihrem stillen<br />

Wirken boten, waren auf die Dauer stärker als die Argumente der orthodoxen<br />

Haarspalter. Da die Unterschiede der beiden reformatorischen Kirchen nicht so<br />

sehr auf verschiedenen Lehrmeinungen, sondern mehr in der Verfassung und<br />

Organisation der Kirchen liegen, trat die feindliche GrundeinsteIlung der Lutheraner<br />

infolge der in Niedersachsen herrschenden milderen calixtinischen Richtung<br />

nur abgeschwächt in Erscheinung, um 1700 z. B. vorzüglich vertreten durch<br />

Abt Molanus von Lokkum und Abt Fabricius von Königslutter.<br />

Die Mahnungen der regierenden Herzöge zu weisem Maßhalten, zur<br />

Zurückhaltung und Besonnenheit in dogmatischen Dingen, zu milden Kanzelpolemiken,<br />

zur Unterlassung von gehässigen Streitgesprächen und zum einmütigen<br />

Zusammenhalten der beiden evangelischen Bekenntnisse fielen in<br />

Niedersachsen auf fruchtbaren Boden, und der Hugenotten eigene versöhnliche<br />

Grundstimmung kam dieser Entwicklung noch entgegen. Sie sahen im Lutheraner<br />

zuerst den Evangelischen, in allen ihren Schriftstücken findet man kein<br />

böses Wort gegen sie, von ihnen ist niemals anders die Rede als von "Messieurs<br />

nos freres Lutheriens", während die Deutschreformierten verständlicherweise<br />

kürzer und vertraulicher als "nos freres Allemands" 16 bezeichnet werden.<br />

Nachdem die reformierten Gemeinden gegründet, ihre korporative Selbständigkeit<br />

Tatsache geworden und damit ihre öffentliche Anerkennung gefunden,<br />

äußerte sich bei den unbelehrbaren Ultras und orthodoxen Lutheranern der<br />

alte Stachel gegen den Calvinismus mehr in boshaften Sticheleien nörgelnder<br />

Eifersucht und in bürokratischen Schikanen, z. B. gelegentlich von Mischheiraten,<br />

im Hinblick auf Parochialhandlungen, auf die Forderung nach Erstattung<br />

von Stol- und Leichengebühren, im Hervorkehren des Standpunkts eines<br />

landesherrlichen Episkopats und in Versuchen, die Reformierten die Annehmlichkeiten<br />

kirchenregimentlicher Bevormundung kosten zu lassen, bis ein Machtwort<br />

des regierenden Herzogs auch hier den Schlußstrich setzte, denn durch<br />

einige Gemeindeangehörige, die dem Landesherrn nahestanden, stand ihnen<br />

eine direkte Verbindung zum Ohr des jeweiligen Herzogs zur Verfügung. so<br />

daß sie jederzeit den Einflüsterungen interessierter Elemente oder der falschen<br />

Unterrichtung durch Vortragende entweder Paroli zu bieten oder die "Giftpfeile"<br />

zu entschärfen vermochten.<br />

Als besonderes Ruhmesblatt in der Geschichte der Refugies gilt ihre Kirch~<br />

zucht; sie ist in der Tat eine der Quellen, aus der die protestantische Sittsamkeit<br />

hervorwuchs. Auch in den niedersächsischen Hugenottenkolonien wurde die<br />

Kirchenzucht streng, unnachsichtig und ohne Ansehen der Person geübt, zumal<br />

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bei Untreue gegenüber der Kirche und dem angestammten Bekenntnis sowie<br />

bei sittlichen Verfehlungen. Die Betroffenen, seien es nun offen Zugebende oder<br />

überführte und auf frischer Tat Ertappte, mußten reumütig vor dem Presbyterium<br />

ihren Fehltritt bekennen, wurden ernstlich ermahnt und mußten die<br />

Wiederzulassung zum Abendmahl erbitten. Jeder Zuziehende hatte sich durch<br />

ein kirchliches Führungsattest seiner vorigen Heimatgemeinde auszuweisen.<br />

Wer unter der Zensur eines Presbyteriums stand, war automatisch von der Teilnahme<br />

am Abendmahl ausgeschlossen. Die Atteste sicherten zugleich die Durchführung<br />

der Kirchenzucht bei sittlichen Verfehlungen. Die Zuzügler wurden<br />

erst dann rehabilitiert, wenn sie vor dem Presbyterium aufridüige Reue bewiesen<br />

und Besserung gelobt hatten. Erst nachdem sie sich unter die Gesetze der<br />

Kirchengemeinschaft gebeugt, wurden sie zur Abendmahlsgemeinschaft zugelassen<br />

und 90 seelisch wieder aufgerichtet.<br />

Sicherlich hatte die Ungebundenheit des Lebens in den ersten Jahren des<br />

Refuge und die Leichtlebigkeit des französischen Charakters ihre Spuren in den<br />

einzelnen Kolonien hinterlassen, obwohl "Hugenott" nicht identisch ist mit<br />

"Franzose" und hugenottische Lebensführung keineswegs der populären Vorstellung<br />

vom französischen Wesen entspricht. Aber diese Schatten *) wurden<br />

mehr als kompensiert durch die tiefe seelische Verankerung--der religiösen<br />

Überz.eugl!ngen, für die die Refugies in die VerballDung gegangen waren. Die<br />

Festigkeit und Dauerhaftigkeit dieser überzeugungen sicherten der kirchlichen<br />

Strafgewalt der Presbyterien die unbedingte Beachtung und Anerkennung,<br />

denn der Ausschließung vom Tisch des Herrn widerstanden selbst die verstocktesten<br />

Gemüter nur in seltenen Fällen. Von der Abendmahlsgemeinschaft ausgeschlossen<br />

zu sein, das bedeutete für die Hugenotten den Ausschluß von dem<br />

Kreis der Auserwählten und der von Gott zum ewigen HeiL Voraus.bestimmten.<br />

Immer wieder muß daran erinnert werden, daß der Hugenotten Bekennermut,<br />

ihre Opferbereitschaft, ihre rege Kirchlichkeit, ihr gewissenhafter Kirchenbesuch,<br />

ihre strenge Kirchenzucht ohne Ansehen der Person, ihr praktisches<br />

') Eine wahre Landplage des Refuge bildeten die sog. "francs-coureurs" und<br />

"coureurs - d'cglise". Unter "fr..~!1.sä:f()!!.r~u.~" versteht man jene Refugies, die ruhelos<br />

von Ort ZU Ort zogen, Darlehen zur Gründung einer Existenz beantragten und erhielten<br />

und, sobald diese aufgebraucht oder die Steuerfreijahre abgelaufen waren, zum Wanderstabe<br />

griffen, um anderwärts das Spiel von neuem zu beginnen. - Als .. ~o.ureu.rsd'eglise"<br />

gelten jene gerissenen Passadejäger, die auf die Mildtätigkeit d~r PreSbyterien<br />

und auf die Zehrpfennige der Armenkassen spekulierten. Die Gewöhnung an die<br />

Unterstützungen, das Absinken zu gewerbsmäßigen Bettlern, das elende Leben auf<br />

Landstraßen und in Schenken, die Abstumpfung der Gewissen durch tägliche Berührung<br />

mit Vagabunden und straffällig gewordenen Personen wirkten je länger je mehr demoralisierend,<br />

indem die eigene Selbstachtung ausgehöhlt und die Tatkraft gelähmt wurde.<br />

J:: größer der zeitliche Abstand vom Revokationsjahr 1685 wurde, desto durchsichtiger<br />

und verdä.:htiger wurden die Auswanderungsmotive, und so ist es zu verstehen, daß<br />

die üblichen Führungszeugnisse je länger je mehr zu förmlichen und mit Signalement<br />

versehenen Reisepässen wurden, die die kirchlichen Gemeinden zu ihrer eigenen und<br />

fremden Sicherheit schufen.<br />

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Christentum, das vor allem in ihrer Liebestätigkeit gegenüber eigenem und<br />

fremdem Leid sichtbar wurde, über jeden Zweifel erhaben sind. Die refonnierte<br />

Diakonie offenbarte sich vorwiegend in ihrer werktätigen Armenpflege und<br />

wurde alles andere denn etwa als eine persönliche Last empfunden.<br />

III. Die Schule der französisch-reformierten Gemeinde.<br />

Wie sich der Pfarrer um eine rege Beteiligung der Gemeinde an den gottesdienstlichen<br />

Veranstaltungen bemühte und dies u. a. durch fleißige Hausbesuche<br />

zu erreichen trachtete, wie die Kranken von ihm am Krankenbett aufgesucht<br />

und getröstet wurden, so kümmerte sich das Presbyterium ebenfalls um den<br />

Nachwuchs, um die Jugend der Kolonie. Wie dies im einzelnen geschah und<br />

mit welchen Mitteln die Eltern angehalten wurden, für regelmäßigen Schulbesuch<br />

ihrer Sprößlinge zu sorgen, wissen wir nicht, da aus den Akten eigentlich<br />

nur die Namen der Lehrer sowie deren stli~4!gU


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die Kolonielehrer entweder haupt- oder nebenberuflich Handwerker, entweder<br />

zeichneten sie sich nun durch eine angeborene pädagogische Ader aus, oder das<br />

Schulmeisteramt wurde als zusätzliche Einnahmequelle betrachtet. Eine päd­<br />

Egogische .. Ausbildungha.tten, die Lehrkräfte keinesfalls genossen, es blieb alles<br />

mehr oder weniger dem Zufall überlassen, nach MÖglichkeit zog man solche<br />

Kräfte heran, die sich durch ein natürliches Lehrgeschick auszeichneten, jedoch<br />

war das Angebot nicht groß. Die Elementarschulen bildeten ein wesentliches<br />

Anliegen der reformierten Kirchenverfil;sung. Dadäs Schulmeisteramt mit dem<br />

des Lektors und Kantors gekoppelt war, dürfte es sich bei der Kolonieschule<br />

nach dem hugenottischen Grundsatz "L'ecole est la pepiniere [Pflanzstätte] de<br />

l't!glise" um eine Zubringereinrichtung für die Kirche gehandelt haben. Die<br />

Lehrer werden, wenn es hoch kommt, die drei Kulturtechniken vermittelt<br />

haben, und zwar nach Lernschulart bei starker Beanspruchung und Strapazierung<br />

des Gedächtnisses. Wie Disziplinschwierigkeiten gemeistert wurden, erhellt aus<br />

den Akten ebenfalls nicht, vermutlich huldigte man dem "abgekürzten Verfahren",<br />

d. h. dem Gebraudl des Stockes. Maßnahmen zur Auflockerung des starren<br />

Unterrichtsschemas nach durchdachten, methodisch-didaktischen Prinzipien<br />

durmzuführen, wäre bestimmt einer Überforderung der Lehrkräfte gleichgekommen.<br />

Zur Ehre der Lehrer wollen wir annehmen, daß wenigstens allgemein<br />

anerkannte pädagogische Grundüberlegungen bei der Planung und<br />

Durchführung des Unterrichts Pate gestanden haben, z. B. Beherzigung von<br />

Prinzipien wie Vom Nahen zum Femen und vom Leichten zum Schweren,<br />

Anschauung als Grundlage jedes BildungsprozeSöes, Kindertümlichkeit, Einstieg<br />

in ein Problem unter Berücksichtigung der kindlichen Interessensphäre usw.<br />

Über das Vorhanderuein einer Kolonieschule der Braunschweiger Hugenottengemeinde<br />

erfahren wir erstmals etwas in einer Aktennotiz vom 8. XI. 1717 16 •<br />

Der Lehrer Gedeon Benoit *) wird darin ermahnt, sich nicht ohne genehmigten<br />

Urlaub auf Reisen zu begeben, sich betreffs Erhöhung seines Jahressalärs von<br />

20 Talern an den Dienstweg über das Presbyterium zu halten und nicht direkt<br />

den Landesfürsten um Erhöhung seiner Gage anzugehen. Mit seinen Leistungen<br />

und Fähigkeiten als Vorsänger in der Kirche scheint es etwas gehapert zu haben,<br />

und es wurde ihm bedeutet, die Kirche benötige dringender eines Kantors denn<br />

eines Vorlesers.<br />

Sein Amtsnachfolger war sein gIeidmamiger Sohn GeJeon Benoit jun., der<br />

jedoch bereits gegen Ende September 1722 aus Gesundheitsgründen um seinen<br />

Abschied einkommt. Das Presbyterium ermuntert ihn zum Ausharren, bis<br />

Ersatz gefunden ist, "jusqu'it ce que la providence nous fournit l'occasion de<br />

la remplir par quelqu'un qui fut capable de conduire le chant des psaumes" 16.<br />

*) Gedeon Benoit, ursprünglich Bierbrauer und aus Bemeuil - sur - Aisne in der<br />

Picardie gebürtig 10, um 1697 in Kassel ansässig 60 und seit 1709 in Braunschweig. wo<br />

er am 13. IV. 1722 das Zeitliche segnete 1; seine Gattin ludith Malherbe überlebte ihn<br />

um mehr als ein Jahrzehnt und starb am S. J. 1733 1 in der Okerrnetropole.<br />

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Wann Gedeon Benoit jun. nun endgültig demissionierte und Nazaire<br />

Chamereau *) ihn ablöste, ist zeitlich nicht genau festzulegen. Gesehen vom<br />

ursprünglichen Beruf her war letzterer als Buchdrucker und -händler bestimmt<br />

besser zum Lehrer geC'ignet als seine heiden Vorgänger, dcnn er hatte mindestens<br />

schon viele Bücher in der Hand gehabt und vielleicht sogar einige davon<br />

gelesen. Aber erneut ist man mit den Leistungen des Vorsängers, der den<br />

Psalmengesang in der Kirche zu leiten hatte, nicht zufrieden. Am 24. IV.<br />

1726 16 bittet er um seine Entlassuni! und reist noch am gleichen Tage über<br />

Celle ab, bis wohin man ihm das Fuhrwerk zum Transport seiner Habseligkeiten,<br />

seiner schwangeren Frau und seiner vier Kinder bezahlt, einen Reichstaler<br />

hat er außerdem als Zehrgeld mit auf den Weg bekommen 16.<br />

Anfangs Mai 1726 stellt sich Claude Franr;ois Bouchet de Chaligny **)<br />

dem Presbyterium mit gutem Führungszeugnis und Lehrbefähigungsnachweis<br />

vor. Seinem Einstellungs.antrag wird entsprodlcn mit der Auflage, "de faire Ies<br />

prieres", d. h. Lesegottesdienst zu halten, falls der Pfarrer infolge Krankheit<br />

verhindert sein sollte. Jedoch am 24. XI. 1726 hat er sich bereits "französisch"<br />

empfohlen, d. h. ist ohne Reisepapiere, ohne Urlaub und ohne Zeugnis abgereist,<br />

und zwar über Wolfenbüttel, wo er nicht eingelassen wurde und mit<br />

seiner Familie auBerhalb der Stadtmauern im Freien übernachten mußte. Über<br />

Halberstadt geht es sodann weiter nach Magd ebu rg, wo er 1727 in den Roten<br />

Krebsstraße wohnt und sich schlecht und redlt als Privatlehrer durchschlägt.<br />

Brieflich bittet er um Ausstellung und Übersendung eines "passeport" und kirchlichen<br />

Attests "de bon chretien et fidele reforme". Selbst bei Zubilligung mildernder<br />

Umstände war das Presbyterium damit entschieden überfordert und<br />

handelte entsprechend, indem protokollarisch festgelegt wurde, ihm keinerlei<br />

Zeugnis auszustellen, da der Bittsteller "ne pouvant etre considere que comme<br />

deserteur qui a viole ses engagements" 16. Brieflich hatte er sich auch über die<br />

Gründe seiner plötzlichen Abreise ausgesprochen, das Einkommen sei nicht ausreichend<br />

gewesen - darin hatte er recht -, er vertrage kein Bier und habe<br />

wegen seiner Vorliebe für Branntwein die Vorwürfe des Pfarrers nicht mehr<br />

ertragen können.<br />

Seit dem 1. VIII. 1728 fungiert Jacob Dumont *) als Lehrer, Lektor und<br />

Kantor bei der Hugenottengemeinde. Im März 1732 bittet er das Presbyterium<br />

') Nazaire Chamereau, gebürtig aus Villeneuve in Burgund und seit Dez. 1718 in<br />

Braunschweig ansässig, läßt im Mai 1726 in Hamburg ein Kind taufen • und reist anschließend<br />

nach London oder Amsterdam weiter 16; seine Gattin Franc;oise Dupuy<br />

stammte aus Creey-en-Brie.<br />

U) Cbude Fran


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dringend um Aufbesserung seiner Bezüge und ihm gelingt endlich deren Aufstockung.<br />

Außer den 20 Talern aus der herzoglichen Privatschatulle erhält er<br />

fortan je 5 Taler von den Kirchenältesten und aus der Gemeindearmenkasse.<br />

insgesamt also 30 Taler p. a. Seit dem 7. XI. 1740 ist er Lehrer und Kantor der<br />

deutsch-reformierten Gemeinde. aber die schulischen Belange der letzteren Gemeinde<br />

werden seit dem 12. VII. 1747 durch den Schreib- und Rechenmeister<br />

Johann Kaspar Katenkamp *) aus Bremen allein wahrgenommen. Als Katenkamp<br />

1751 zum Erscheinen vor dem lutherischen Konsistorialrat Bütemeister<br />

aufgefordert wird 18. legt das deutsch-reformierte Presbyterium Verwahrung<br />

dagegen ein. indem es erklärt. lediglich der reformierte Pfarrer und das Presbyterium<br />

habe in Sachen der Gemeindeschule Inspektionsbefugnisse. Da weiterhin<br />

in den Akten der reformierten Gemeindeschule nicht mehr gedacht wird.<br />

schließen auch wir die Akten über die Geschichte der hugenottischen Kolonieschule.<br />

IV. Berühmte Mitglieder der Braunschweiger Hugenottengemeinde.<br />

Insbesondere vier Persönlichkeiten. zwar nicht von internationalem Rang<br />

und überzeitlicher Bedeutung. immerhin aber von ausgezeichnetem Ruf. Stand<br />

und Ansehen sind es. die im ausgehenden 18. Jahrhundert die Zierde und Stütze<br />

der Braunschweiger Hugenottengemeinde bildeten und deren gleichzeitige Mitgliedschaft<br />

der französisch-reformierten Kirchengemeinde zur besonderen Ehre<br />

gereicht: einmal der Porträtist Ludolf Lafontaine, zum anderen der Arzt und<br />

Diplomat Daniel de Supe~iif;:-f;~~7d~ri~gswissenschaftler Jacob EIeazar<br />

Mauvillon -ünd sChließlich-der braunschweigische Premierminister )ean Baptiste<br />

Feronce von Rothenkreutz.<br />

---_._-------<br />

Ludolf La fon t ai ne. vermutlich ein Enkel des unter der Nr. 804<br />

genannten Jacques (de) la Fontaine 32. wurde 1704 in Celle geboren und starb<br />

in der Hauptstadt des Landes zwischen Harz und Heide im Mai 1774 an der<br />

"Auszehrung" 45. Nach langjährigem Aufenthalt in Frankreich und nach ausgedehnten<br />

Reisen durch England. Holland. Italien und der Schweiz trat er bald<br />

nach 1735 als Hofmaler in die Dienste des Herzogs Karl I. von Braunschweig­<br />

Wolfenbüttel, seines Gönners und Mäzens. der ihn allezeit protegierte und sein<br />

Maltalent nach besten Kräften förderte. u. a. durch Vermittlung langfristiger<br />

Aufträge für die Fürstenberger Porzellanmanufaktur. Als weitgereister Mann<br />

sprach er außer seiner deutschen Muttersprache noch fließend holländisch, englisch.<br />

französisch und italienisch. In erster Ehe verheiratet mit einer reichen<br />

Engländerin. die er in Leipzig infolge Unglücksfalles verlor. vermählte er süh<br />

in Hannover am 13. VI. 1741 47 in dritter Ehe mit Louise Wilhelmine de<br />

Francheville, einer Tochter des hannover9Chen Hofchirurgen Pierre de Franche-<br />

*) lohann Kaspar Katenkamp vermählte sich im Januar 1752 in Braunschweig mit<br />

Rache! Elisabeth Grandam aus Magdeburg. die am 8. IX. 1777. ca. 57 1 12 J. alt. in der<br />

Stadt Heinrichs des Löwen aus dieser Zeitlichkeit abberufen wurde 17.<br />

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ville aus Nettancourt in der Champagne 5. Vermutlich beruht auf dieser Verbindung<br />

die Familientradition, nach der die Lafontaine ursprünglich La Fontaine<br />

de Villefranche geheißen und ihre Güter in der Nähe von Lyon gelegen haben<br />

sollen *). Als 1754 die hzgl. Residenz von W olfenbüttel nach Braunschweig<br />

verlegt wurde. ließ auch Ludolf Lafontaine U) sich endgültig in der Stadt Heinrichs<br />

des Löwen nieder. heiratete in fünfter Ehe die Hof jungfer Sophie Elisabeth<br />

Thorbrügge und gründete auf den Ölschlägern einen neuen Hausstand. Alle<br />

zeitgenössischen Stimmen nennen ihn einmütig einen edlen und aufrechten<br />

Mann. Daß er dazu ein treues Mitglied und langjähriger Kirchenältester seiner<br />

französisch-reformierten Kirchengemeinde war. ist bei einem Hugenotten etwas<br />

ganz Selbstverständliches. Es wurde bereits betont, daß Herzog Karl I. ihm ein<br />

sorgenfreies Schaffen ermöglichte. Ludolf Lafontaine war in erster Linie Porträtund<br />

Miniaturmaler und lieferte für die Fürstenberger Porzellanmanufaktur<br />

eine Menge Entwürfe. Von seinen Originalgemälden sind nur noch wenige<br />

sicher nachweisbar; viele Kupferstecher fertigten nach seinen Vorlagen Stiche.<br />

so z. B. der Pariser Guy de Marcenay vom Herzog Kar! 1. von Braunschweig­<br />

Wolfenbüttcl.<br />

Daniel de S u per viII e stammt aus Rotterdam. wo er am 2. geboren<br />

und am 5. XII. 1696 getauft wurde und zwar als Sohn ***) des Jacques 56. eines<br />

Kaufmanns aus Anjou 29. und der Margarete Vetteheuke; Rotterdam ist zugleich<br />

sein Sterbe()rt. wo er im November 1773 aus dieser Zeitlichkeit abberufen<br />

wurde. während sein Leichnam in der französischen Kirche zu leiden seine letzte<br />

Ruhestätte fand. Er war zweimal verheiratet 56. seit dem 26. IV. 1722 mit<br />

Catherine Elisabeth Le Cointe und seit dem 13. V. 1770 mit Marie Marthe Le<br />

Cointe. Über seine Jugend und Studienjahre wissen wir nichts. 1722 ging er<br />

als Arzt der Hugenottenkolonie nach Stettin und wurde 1739 Mitglied der<br />

Sozietät der Wissenschaften in Berlin. Seit 1740 stand er als Leibarzt, Geheimrat<br />

und Direktor der Bergwerke im Dienst des Markgrafen von Brandenburg­<br />

Bayreuth und gilt als eigentlicher Gründer der Universität Erlangen, deren<br />

erster Kanzler er war und der er seine umfangreiche <strong>Bibliothek</strong> sowie seine Sammlung<br />

physikalischer, chirurgischer und anatomischer Instrumente vermadlte.<br />

Seit 1749 in Braunschweig ansässig und am Hof der Herzogin Philippine Charlotte<br />

') Außer Villefrandle-sur-Saone im Lyonnais zählt man in Frankreich noch 15<br />

weitere gleichnamige Orte Villefranche mit anderen kleinen geographischen Zusätzen<br />

und zwar über 10 verschiedene Provinzen verteilt. Aus diesem Hinweis geht klar die<br />

ganze Haltlosigkeit solch unverbürgter Familienüberlieferungen hervor I<br />

.') Petrus Benedikt Lafontaine aus Leipzig. der als 15jähriger am 30. VIII. 1759.<br />

und Georg Franz Lafontaine. der am 1. IX. 1763 als 18jähriger in der Braunschweiger<br />

Deutsch-Reformierten Gemeinde das Glaubensbekenntnis ablegt 17, sind Söhne des<br />

Ludolf Lafontaine aus seiner dritten Ehe.<br />

''') Nach anderer Version ~3 soll Daniel de Superville sein Vater sein. der, \!eboren<br />

1657 zu Saum ur/ Anjou, seit 1677 in Genf Theologie studierte, 1683 Pfarrer zu -Loudun<br />

im Poitou wurde und 1685 infolge des Widerrufs des Edikts von Nantes nachRotterdam<br />

auswanderte, wo er am 9. VI. 1728 t sein soll.<br />

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weilend, der Schwester der Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth und Gemahlin<br />

Herzog Karls I., wurde er rasch zum Mittelpunkt des schöngeistigen<br />

Kreises um die Fürstin. Den regierenden Herz.og ermunterte er zur Gründung<br />

des Kunst- und Naturalienkabinetts, des späteren herzoglichen Museums, die<br />

Hugenottengemeinde Braunschweig aber erkor ihn zum Kirchenältesten 56. Im<br />

Jahre 1761 kehrte er nach Holland zurück und nahm als Gesandter die diplomatischen<br />

Interessen des Markgrafen von Brandcnburg-Bayreuth im Haag<br />

wahr.<br />

Jacob Eleazar Mau viIIon *), der bekannte Militärschriftsteller und<br />

Mitarbeiter des Grafen von Mirabeau, wurde in Leipzig am 8. 1II. geboren, am<br />

18. III. 1743 4 getauft und starb in Braunschweig am 11. 1.1794 21 • Seit 1771<br />

Lehrer der Militärwissenschaften am Kasseler Carolinum, trat er gegen Ende<br />

1784 in braunschweigische Dienste und wurde Lehrer der Taktik am Collegium<br />

Carolinum in der Stadt Heinrichs des Löwen, der Urzelle der heutigen T echnischen<br />

Hochschule. In den Jahren 1786 und 1787 weilte Graf von Mirabeau<br />

zweimal in der Okermetropole, traf dort mit Mauvillon zusammen und gewann<br />

ihn als Mitarbeiter. J. E. Mauvilloll lieferte wertvolles Material zu der 1788<br />

erschienenen "Monarchie prussienne sous Frederic le Grand", für den Abschnitt<br />

über die Taktik der preußischen Infanterie zeichnet Mauvillon allein verantwortlidl.<br />

Der geistig, moralisch und wirtsmaftlich gesunden Atmosphäre der Leipziger<br />

Hugenottenkolonie entstammt Jean Baptiste F e r 0 n c e von Rot h e n -<br />

k r e u t z **). Gerade das Leipziger Refuge rekrutierte sich aus wohlhabenden<br />

Textilfabrikanten und versierten Messekaufleuten mit weitreichenden internationalen<br />

Geschäftsverbindungen, wo der alteingesessenen lutherischen Bevöl-<br />

') Sein Vater Eleazar Mauvillon, geboren am 15. VlI. 1712 zu Tarascon i. d. Provence<br />

'., lebte seit mindestens 1740 in Leipzig und fungierte dort seit 1743 als Universitätssprachmeister,<br />

ging 17;8 nach Braunschweig und wirkte seit 1759 als Professor<br />

der französischen Sprache am Collegium Carolinum. wo er an einem Schlaganfall am<br />

24. IV. 1779 58 verschied. ca. 67 1. alt, und nicht. wie es in den Nachschlagewerken<br />

heißt. im Mai 1779. Er war zweimal verheiratet: in erster Ehe seit dem 25. IX. 1740'<br />

mit Marie Bonne de Montaut 2US Magdeburg. Tochter des Scipion aus Villeneuve-de­<br />

Berg im Vivarais. der sein Leben als Vizedirektor der französisdlen Kolonie von Magdeburg<br />

beschloß, und der Elis. de Portus' 2 ; in zweiter Ehe vermählte er sich am<br />

27. XII. 1763 in Hannover 20 mit Friederike Magdalcne Schlagern, die am 3. IX. 1769<br />

bei den Deutschreformierten als Patin auftritt ", von Dez. 1764 bis März 1776 lassen<br />

sie 6 Kinder taufen. zwei Söhne und vier Töchter 6~. - 1. E. Mauvi1lons Sohn. der<br />

preußisme Oberst Friedrich Wilhelm von Mauvillon, wurde am 30. IV. 1774 geboren<br />

und starb als der Letzte seines Stammes am 29. VII. 1851 zu C1eve; auch er war vielfach<br />

literarisch tätig und trat namentlich als verantwortlicher Redakteur der "Militärischen<br />

Blätter" hervor.<br />

*') Sein Vater Piere Feronce. Tuchkaufmann in Leipzig und von 1716-34 mehrmals<br />

al. Kirchenältester der Gemeinde genannt", starb in Berlin am 12. IX. 1736, während<br />

seine Mutter Marguerite Marin dem Gatten in Leipzig schon am 29. IV. 1732. 461.<br />

alt, im Tod vorausgegangen war 4. beide sind sehr wahrscheinlich gebürtige Genfer.<br />

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kerung unter stillschweigender Duldung durch den Landesherrn von seiten der<br />

wettbewerbserfahrenen hugenottischen Fabrikanten unter Anwendung der<br />

modernen Wirtschaftsweisen des Manufaktursystems und des Verlagsverfahrens<br />

und unter Zuhilfenahme fortschrittlicher. rationeller Betriebsformen wie Arbeitsteilung<br />

und Akkordarbeit gegen Stücklohn die Vorteile eines rein auf<br />

Erwerb und wirtschaftliche Expansion abzielenden kapitalistischen Unternehmertums<br />

vorexerziert wurden. Hier in Leipzig. dem klassischen Exerzierfeld<br />

der um 1700 modernen Wirtschaftsweisen, wo die calvinistische Bekenntnistreue<br />

sidl täglich neu bewähren mußte in den Auseinandersetzungen mit der<br />

lutherischen Orthodoxie und wo die von den Refugil~s praktizierten Methoden<br />

des Wirtschaftens sich dem zünftig orientierten und in überholten Vorstellungen<br />

befangenen Gewerbe überlegen zeigen mußten, hier in Leipzig wurde Jean<br />

Baptiste Feronce am 23. X. geboren und am 24. X. 1723 als jüngstes von<br />

7 Kindern getauft 4. Schon um 1730 wurde er nach Genf gebracht und dort<br />

erzogen, um den echten Geist des Calvinismus an der Quelle einzuatmen. Nach<br />

dem Studium der Jurisprudenz in Jena, Halle und Göttingen ging er anschließend<br />

auf die damals übliche europäische Kavaliertour, die ihn nach Holland<br />

und Frankreich führte. 1747 machte er sich auf den Weg nach dem Haag, um<br />

dort den erhofften Eintritt in den diplomatischen Dienst zu finden. Genau wie<br />

die Messekaufleute auf ihren Geschäftsreisen nach Holland berührte er dabei<br />

die Stadt Heinrichs des Löwen, wo er das Glück hatte, vom braunschweigischen<br />

Minister von Cramm dem regierenden Herzog Kar! 1. vorgestellt zu werden, der<br />

volkswirtschaftlichen Vorschlägen gegenüber stets ein, manchmal sogar zu<br />

offenes Ohr hatte. Jean Baptiste Feronce hat in der Unterredung vielleicht<br />

derartige Probleme angeschnitten, wir wissen es nicht. Genug, der Herzog nahm<br />

ihn mit offenen Armen auf und übernahm ihn am 29. IV. 1748 als Legationssekretär<br />

in den braunschweigischen Staatsdienst.<br />

Ferdinand von Braunschweig, ein Bruder des regierenden Herzogs, hielt im<br />

Siebenjährigen Krieg Preußens Rücken nach Westen durch die Siege von Minden<br />

und Krefeld, von Vellinghausen, WilheImsthaI und Lutterberg hei. 1758<br />

standen 12000 Mann unter den braunschweigischen Fahnen, ein angesichts der<br />

wirtschaftlichen Kräfte des Landes viel zu starkes Truppenkorps. Feronces<br />

diplomatische Gewandtheit sicherte dem Lande die englischen Subsidiengelder,<br />

und dieser Erfolg hinwiederum brachte ihm persönlich Amt und Titel eines<br />

Gehei~n Legationsrates ein. und zugleich wurde er unter dem Namen von<br />

Rothenkreutz in den Reichsadelsstand erhoben.<br />

1762 ging Jean Baptiste Feronce von Rothenkreutz als bevollmächtigter<br />

Minister Karls 1. nach England und löste glücklich die ihm getötellte Aufgabe,<br />

aus dem damaligen Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand - dem späteren<br />

unglücklichen Feldherrn von Valmy und Jena-Auerstädt - und der Prinzessin<br />

Auguste Friederike von England ein Paar zu machen. Damit knüpfte er die<br />

Familienbande zwischen England und Braunschweig fester und sorgte dadurch<br />

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für ein leimteres Fließe~ der englischen Subsidien, allerdings mamte er damit<br />

das Herzogshaus den englismen Wünschen nam Truppengestellung für den<br />

amerikanismen Kolonialkrieg ebenfalls geneigter. Nach der Blamage von<br />

Hastenbeck (1757) wurde das Land von der Besatzungsmacht wie eine Zitrone<br />

ausgepreßt, die Smuldenlast wurde unerträglim, der Staatsbankerott stand vor<br />

der Tür. Als das Herzogtum 1763 nimt die geringste Entsmädigung erhielt,<br />

mußten neue Steuern eingeführt werden - darunter die verhaßte, weil sozial<br />

ungeremte Bürgersteuer, auch Neger- oder Kopfsteuer genannt -, schlechtes<br />

Geld wurde geprägt, das Lottospiel eingeführt, aber alle Maßnahmen fruchteten<br />

als Linderungsmittel nicht. Da wurde auf Veranlassung des Erbprinzen Kar!<br />

Wilhe1m Ferdinand Jean Baptiste Feronce am 1. VIII. 1773 zum Geheimen Rat<br />

und braunsmweigischen Finanzminister ernannt. Damit war der Geist des<br />

Refuge berufen und in die Schranken gefordert, d. h. der Geist industrielle-r<br />

Betriebsamkeit, persönlicher Initiative und kraftvoller Selbsthilfe, der Geist<br />

freier Selbstverwaltung, aufbauenden Sparsinns und nümternen Wirtschaftens,<br />

der mit möglimst geringem Aufwand an Kraft den möglichst größten Effekt zu<br />

er:zielen strebt.<br />

Der neue Finanzminister übernahm eine drückende Smuldenlast von<br />

12 000 000 Talern. Unpopuläre Maßnahmen mußten in Kauf genommen werden,<br />

denn es gibt keine smmerzlosen Finanzreformen. Als Sofortmaßnahmen<br />

smlug er vor: Einsparungen bei der Landesverwaltung, Einsmränkung des Hofstaates,<br />

Vereinfachung der Hofhaltung, Zinsfußsenkung für die Staatssmulden<br />

und Herabsetzung der Truppenstärke, um nur die wimtigsten zu nennen. Innerhalb<br />

von 7 Iahren gelang es dem Finan:zminister, die Staatssmuld durch rigorose<br />

Sparmaßnahmen von 12 000 000 auf 5 000000 Taler herabzudrücken,<br />

zweifellos ein außerordentlicher Erfolg!<br />

Indessen auch in Feronces "Ministerschaft" befindet sim ein dunkler<br />

Punkt, weswegen ihn die einen als genialen Finanzmann, die anderen jedom als<br />

skrupellosen Seelenverkäufer bezeichnen. In seinen Finan:zoperationen fehlte<br />

das eigentlim smöpferisme Element. So mußten unerwartete Ereignisse unerwartete<br />

Einnahmequellen eröffnen, um den Enderfolg simerzustellen. Und dieser<br />

Zufall kam der braunschweigischen Finan:zmisere zu Hilfe, indem England<br />

infolge des amerikanismen Unabhängigkeitskrieges Truppen benötigte. Hessen­<br />

Kassel. Hessen-Hanau, Waldeck, Anhalt, Brandenburg-Ansbach und Braunsmweig-Wolfenbüttel<br />

stellten England die gewünsmten Mietstruppen zur Verfügung.<br />

Seit dem 9. 1. 1776 stellte Braunsmweig-Wolfenbüttel England insgesamt<br />

5723 Mann zur Verfügung, wovon 2708 im Herbst 1783 in die Heimat<br />

zurückkehrten, während 3015 Mann jenseits des großen Teimes blieben, die<br />

entweder gefallen oder gestorben oder als Kolonisten dort ansässig geworden<br />

waren. Im ganzen zahlte England von 1776-1785 etwa 6000000 Mark Subsidien,<br />

die restlos zur Smuldentilgung verwendet wurden, so daß das Herzogtum<br />

Braunschweig-Wolfenbüttel um 1800 wieder als Musterstaat galt. Zur Ent-<br />

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Iastung des Finanzministers sei festgestellt, daß die Braunschweiger "freiwillig"<br />

dienten und daß die, die die Heimat wiedersahen, eine lebenslängliche Gnooenpension<br />

erhielten.<br />

Menschen zu verkaufen bzw. zu vermieten, widerspricht dem Geist des<br />

Refuge; denn wie die Refugies dem Verkauf ihrer Seelen sich durch ihre Auswanderung<br />

widersetzten, so gilt unser Protest dem Schacher mit "Soldatenmaterial".<br />

Trotzdem wäre es ungerecht, mit heutigen Maßstäben zu rechnen,<br />

denn solche Betrachtungsweise wäre unhistorisch. Jeder ist in etwas ein Kind<br />

der Anschauungen seiner Zeit, auch Jean Baptiste FCronce. Das bedeutet keine<br />

Verteidi'gung jener Maßnahmen, Gerechtigkeit soll aber auch ihm widerfahren.<br />

Daß die Opfer, d. i. Blut und Schweiß der Soldaten, nicht umsonst gebracht,<br />

sondern zur Grundlage des Wiederaufstiegs ihres Heimatlandes geworden sind,<br />

diese Tatsache verleiht seinem Lebenswerk den versöhnenden Ausklang, denn<br />

er tat in einer außerordentlichen Notlage sein Äußerstes und Menschenmöglichstes.<br />

An äußeren Anerkennungen hat es ihm nicht gefehlt, er wurde Ritter des<br />

Danebrogordens; und als Premierminister von Praun 1783 seinen Abschied<br />

nahm, wurde Jean Baptiste Feronee von Rothenkreutz Präsident des Kriegsund<br />

FinanzkoIIegiums, d. h. Premienninister. Fast erblindet zog er sich nach<br />

fast 12jähriger Ministerpräsidentschaft von den Staatsgeschäften zurück. Ende<br />

August 1775 erscheint er in der deutsch-reformierten Gemeinde als Pate 17.<br />

Ob er in der französisch-refonnierten Gemeinde jemals das Amt eines Kinnenältesten<br />

bekleidet hat, wissen wir nicht, da deren Kinnenbücher von 1736-1786<br />

ine!. fehlen.<br />

Vennählt war Jean Baptiste Feronce von Rothenkreutz mit Johanne $ophie<br />

von Lüttichau, die Ehe blieb kinderlos. Er selbst starb in seinem Haus vor dem<br />

Braunschweiger Magnitor am 19. VII. 1799, der ihn betreffende Eintrag im<br />

Kirchenbuch der ehemaligen französisch-refonnierten Kirchengemeinde lautet<br />

wie folgt: "Le 13 Julliet est dceedc Son Exeellenee Monsieur Jean Baptiste de<br />

FCronee de Rotenereuz, en son vivant Conseiller Prive, Chevalier de l'Ordre de<br />

Danebrock, age de 76 ans, mort d'une crampe dans La poitrine, il a ete entern~<br />

le 19 Julliet dans notre tglise St. Barthelemy, Madame Son Epouse ayant fait<br />

faire deux eaveaux, un pour le deffunt, et l'autre pour EIle, voulant y etre<br />

inhumee, Madame de Feronce a payce 100 Eeus, dont 50 ont etes remis a<br />

nos freres AIIemands, et a sa mort promettant d'en faire payer eneore Ia somme<br />

de 100 Eeus" 1.<br />

Er sowohl als seine Gemahlin, die ihn um 15 Jahre überlebte, ruhen an der<br />

Nordseite in der Bartholomäuskirche in der Schützenstraße *).<br />

') Ihr Grabdenkmal ebenso wie diejenigen der Pfarrer Roy und Archinard sind<br />

leider - It. freundlichem Hinweis von Herrn Plarrer Frielinghaus - beim Brande der<br />

Bartholomäuskirche im 2. Weltkrieg völlig zerfallen.<br />

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V. Alplwbetisches Namenverzeichnis der Braunschweiger Hugenotten<br />

und der mit i1men versippten Familien.<br />

1m Ifachstehellden Verzeidmis sind alle Namen olme Fragezeichen aufgefüHrt,<br />

selbst die, fUr deren richtige Wiedergabe keine ul1bedingte Gewähr geleistet werden<br />

k~nn.<br />

Das Namel1verzeidtl1is entHält die Familiennamen jel1er Personelf, die für kürzere<br />

oder lälfgere Zelt zum festelf Stamm der Brau",schweiger HI~gelfottengemeilfde :ähltelf<br />

und deren Namelf Ilf delf frz.-ref. Kirchelfregisterlf, Presbyterialprotokollelf ulfd sonstigen<br />

KirchelfClkten vorkommel1; aus den entsprechelfden dtsch.-ref. Quellen ferner die<br />

Namen Jener Personen, die irgelfdwie mit den Braunschweiger Hugenottenfamilien<br />

versippt sind, also speziell die ilf Betracht kommeuden deutschen Familiennamflf, zumal<br />

eine Familientradlliol1 lIicht nur über die väterlich - l11änl1lidle Llllie zu laufen<br />

braucht ulfd überdies malfcher .welsche" Nall1e eingedeutscht worden ist "). Nicht<br />

erfaßt worden silfd Hll1gegen die Namen Jel1er Taufpaten und Trauzeugen, die, vielfach<br />

auswärts wohnend, lediglich anläßlich von Familienfeiern oder aus alfderen Gründen<br />

il1 Braul1sdtweig eine kurze Gastrolle gaben oder gar sich durch andere dabei vertreten<br />

ließen.<br />

Abraham Barre Bicot Boyer<br />

Aiguillonne Bassatiau Bigot de Bramerel<br />

Albert Bastidon Vilandry Brandes<br />

Aldefeldt Baulot Blamboy BreistorH<br />

Alegre Bavon Blume BreistroH<br />

Archinard Beaugere Boden Breklin<br />

Arene Bechon BohJmann Bn:sann<br />

Arn Beck Boje Bressand<br />

Arnd Behme Bonnard Brez<br />

Arnaud Behrens Bonnaud Brlan<br />

Arnoult Bellement Bonnay Broa<br />

Aubanel Benoit Bonne Broan<br />

Aubaret Berge Bonneville Brouet<br />

Aubert Bergsma Bontou Bruguiere<br />

Aubery Bernapre Borel Brunel<br />

Avemann Bernardin Bormann Buckfisch<br />

Bemastre Bouchet de Buet<br />

Bämedingen Bertet Chaligny Busset<br />

Bain Berthe Boucoiran Buwars<br />

Banse Berthe Bouffard<br />

BarchfeId Bertrand Bouillon CaHarel<br />

Bare Besson Bourguignon Cande<br />

Bargfeld Besuchet Bouton Carbounelle<br />

Baron Bethge Bouvar earon<br />

------<br />

') Diese Entstellungen beruhen auf falscher Ausspradle. auf dem Bestreben, die<br />

fremden Namen für die deutsche Aussprache mundgerecht zu machen und äußern sich<br />

demgemäß. da man lediglich nach Klang und Gehör schrieb. auch in der Schreibweise.<br />

126


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http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />

Carre Damien de I'Hopital du Cros<br />

Carrier Danicl Delion Dufour<br />

Carriere d'Arbremont Delmas Duiring<br />

Cartier d'Argilau Delogne Dumas<br />

Caussaoel Darrest de Loire Dumenil<br />

Cazal Davois Delolme du Mesnil<br />

Chalmas de Armand de Delonne Dumont<br />

Chamereau Brion de Lux Duncker<br />

Chapuis de Beck de Lynden Duplan<br />

Ch:ueau de Bigot de Lynder du Plessis<br />

Charlot de Boisnoy de Montaut Dupre<br />

Charpentier de Bomier de Monthreby du Puy<br />

Charreiron Debus de Paravicini Durade<br />

Chartier de Carpenter Depenna Duroy<br />

Charton de Chamborand de Pierre du Ti!<br />

ChStelain de Ch:unbre de Portus<br />

Chauvin de Chapeau rouge de Quinchamp Ebeling<br />

Chazelon de Chaufepil~ de Renouard de Ebruy<br />

Cheny de Constant- Viville Eckbrett<br />

Claude Rebecque de Rocheville Eguillonne<br />

Clavel de Daehne des Arts Eikoppen<br />

Clement de Damm de Savin Endrisch<br />

Clement Dederings Desca Erhardt<br />

Coing de Foissin de Schuylenbourgh Escoffier<br />

Coition de France de Bommenede Eymeyout<br />

Cola de Fiancheville Desfarges<br />

Cole de Gallatin Deshons Failbrd<br />

Colla de Gaudard Desset Fatin<br />

Co 10mb Degrange de Superville Fauche<br />

Combre de Gual ti.:ri de Villard FaucheT<br />

Comte de Hargues Dewar Fauchet<br />

Conradi de HerzeeIe Dewille Faucheur<br />

Cormier de Heyde de Zilitz Favier<br />

Comier de Hoevelake Didier Favreall<br />

Cotyon de Jeanvre Dietherichs Fehnhallsen<br />

Couderc de la Coste di Gattinara Feist<br />

Coulas de la Fontaine Digom Feronce<br />

Courbes de la Marche Docagne FCronce von<br />

Courier de Lamare Dougnon Rothenkreutz<br />

Courtavaux de la Mare Donchers Ferrand<br />

Crayen de Lang Donjon Ferre<br />

Crochet de la Porte Douilhac Ferret<br />

Crouzet de la Potterie Drege Ferrier<br />

Cuerland de Larrey Dreyer Fischer<br />

de la Vie Dubois Flitsch<br />

Dachtewillen de la Willeon du Bos du Thil Fcntenilles<br />

d'Alen,on de Leuwenigh du Claye Forestier<br />

127


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http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />

Fomerau Guilleau Iulion Libot<br />

Fosscherer Guillot Lievin-Crayen<br />

Foumaise Guiot Katenkamp Lindner<br />

Foumier Guiraud Kielburger Lizet<br />

Francken Guyot Kirchner Lombard<br />

Frantz Klemann Lovie<br />

Freund Hackmann Koelsche Loyal<br />

Freydt Hagandus Koerner Lüders<br />

Friese Halbout Kolckman Lüers<br />

Froment Harms Kramer Luya<br />

Fromont Harnier Krumholz Lyllien<br />

Frowein Hassieur Kulenkamp<br />

Heim Küncklen Magniet<br />

Gabain Hein Mahner<br />

Garagnon Heine Labry Mainadier<br />

Garelle Heinecke Lafontaine Malein<br />

Garrel Hencke Lagarde Malherbe<br />

Gaspard Hensch Lagrange Malin<br />

Gaspardi Hertzer Laloe MaJlein<br />

Gaspardy Heurteaux Lamade Mambrii<br />

Gautier Hofmann Lambelet Mambry<br />

Geelwinck Holle Lampe Manchens<br />

Geneves Homann Lamuret Manitzen<br />

Geoffre Horray Langkopff Marckwordt<br />

Gervais Horzysky Latelle Mareonnet<br />

Gille Hubert La relle Marin<br />

Gillot Hundt Laue Maroud<br />

Girard de Hupais Laurenson MaTTou<br />

Villard Hupay Laurent Martin<br />

Gleizette Hupe Lauvie Martini<br />

Glisette Huray Le Bade Mary<br />

Gloria Huteuroux Le Blond Massebiau<br />

Goffre I'Echau Mathieu<br />

Gomeret IIIaire le Clere Matignon<br />

Gonsal le Cointe Matthieu<br />

Goulon Jaequemin le Couvreur Maueo<br />

Gourand Jahn Leibrock Maulin<br />

Graff Jean Lelievre Mauvillon<br />

Grandam Jewers Lembeck May<br />

Gras Jodry le Sage de Fontenay Mazar<br />

Gn! Jonas Letier Mearur<br />

Griollet Jonquet Levelie Medieus<br />

Grisal Jordan Lhuilier Meinadier<br />

Grison Jubert Liautier Meirargues<br />

Grotewohl Jüngst Libau Mejan<br />

Gualticri Jürgens Libo Melot<br />

Guerin luiJIon Liboi"n Mely<br />

128


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Membruy Paland Recolin Sauenel<br />

Menard Pannicken Reger Sd1UltZ<br />

Merkiors Paquct Reinhardt Schuster<br />

Merlat Pascal Reumann Schwartz<br />

Meß Pascalis Revessat Schweickhardt<br />

Metcalf Paschet ag Ribbentrop Sechehaye<br />

Meunier Pastre Riche Seeliger<br />

Meyer Patchetag Ricourt Segaud<br />

Michaud Patron Rignol Selen<br />

Mieg Pauli Robin Seliger<br />

Minding Payan Robinet Selliger<br />

Mitan Pecart Rochellois Septsols<br />

Moesan Peirot Röttiger Serre<br />

Molinier PeIet Roger Serva<br />

Mondfeldt Peltier Rogge Sessena<br />

Monge Pemajon Roland Sidelaer<br />

Monier Perrenet Rollin Simon<br />

Monnier Perrin Roquette Soli ger<br />

Moreaux Philippy Rostokin Solliger<br />

Moret Picart Rousses Soulicr<br />

Mourier Pi«!lat Rousset SpeI tz<br />

Mülleng Pochet Rouvilliore Spitta<br />

Müller Ponc:et Roux Stackenschneider<br />

Müllern Ponnaz Roy Stautmeister<br />

Munier Pons Royer Steche<br />

Murier Porret Royere Steinacker<br />

Musnier Pouchet Ruhen Stercki<br />

Poulet<br />

Stoevesandt<br />

Naundorf Prekelin Sabole Stoltzen<br />

Naveau Prevost-Thomas Sabourin Stutmeister<br />

Neumeier Proha Sacken Sujol<br />

Neyron Prohat Saint Paul Sylvestre<br />

Niehus Prohat dit eoHn Salaire<br />

Niemeyer Pruesse SaHn Tassine<br />

Noe Sauermilch Tastreau<br />

Noe Quemer Sau vage Teharge<br />

Noi"er Quiriny Savane Teschemacher<br />

Nolda Savary Tesset<br />

Nouvel Rabinel Schackmein Teule<br />

Novel Rabinelle Schenkel Texier<br />

Nusbaum Rademans Scherwi Theule<br />

Randon Schlagern Thiede<br />

Obert Raufet Schleicher Thorbrügge<br />

Oelzen Raulin Schmidt Tourte<br />

Ollier Ravelle Schönhardt Tourteaux<br />

Ollive Recklam Schoffen Toussaint<br />

Reclam Schrader T rautfeders<br />

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T rukenbrott Viand von Lüttichau Weidemann<br />

Trutvetter Villaret VOll Malortie Weinand<br />

TuHet Vimielle VOll Marconnay Weinanzen<br />

Vinc;on von Münchhausen Wcitsm<br />

Valescure Vinson von Poitke Wetzel von Brassigny<br />

Valette Viseur von Rotzmann<br />

Weyler<br />

Vallette Vogelers von Stamford<br />

Wilcken<br />

van T eisterband Voigtländers von Thounfeldt<br />

dit Bildcrdyk VoJmann von und zu Groß<br />

Wildt<br />

Varnier von Adelebsen von Urrye Wilenbrock<br />

Verger von Bigot Vuile Winzen<br />

Vernons von der Eichen Witte<br />

Vernous von HerzeeJe Weber Würtz<br />

Vetnau von J axtheim Wegler<br />

Vetteheuke von Kamecke Wehagen Zuerfeldt<br />

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Zur Gesdlidlte der Braunschweiger Sektion<br />

der I. Internationale<br />

Der Briefwechsel zwischen Leonhard von Bonhorst<br />

und J 0 h an n Phi li p p Be c k er.<br />

Mit 5 Abbildungen<br />

Von<br />

GeorgEckert<br />

Seit der Verfolgung der französischen Sektionen der Internationalen<br />

Arbeiter-Assoziation durch die Regierung des II. Kaiserreichs, vor allem aber<br />

seit den erschütternden Tagen der Kommune von Paris gewannnen die 1. A. A.<br />

und ihr Generalrat im Bewußtsein von Freund und Feind ein Gewicht, das in<br />

krassem Mißverhältnis zu der realen Situation und den Möglichkeiten dieser<br />

ersten internationalen Vereinigung der Arbeiterbewegung stand. Vor dem Pariser<br />

Gericht erklärte der Staatsanwalt am 8. Juni 1870, kurz vor Ausbruch des<br />

deutsch-französischen Krieges, die Internationale zähle 811 000 eingeschriebene<br />

Mitglieder. davon 433 000 in Frankreich. HO 000 in Deutschland, 100000 in<br />

Österreich-Ungarn und 80 000 in Großbritannien. Ein so angesehenes und<br />

wohlinformiertes Organ wie die Lond"ner n Times" schätzte den Anhang der<br />

I. A. A. im Juni 1871, wenige Tage nach der blutigen Maiwoche, auf 2.5 Millionen.<br />

Andere woHten sogar von 5 Millionen Parteigängern und einem Kampffonds<br />

von 100 Millionen Goldmark wissenl<br />

Die neue re Forschung hat diese phantasievollen DarsteIIungen auf das<br />

rechte Maß zurückgeführt. Vor allem Morgan und BraunthaI haben die finanzielle<br />

Bedrängnis und zahlerunäßige Schwäche der Internationale an eindrucks~<br />

voIIen Beispielen dargelegt 1). So zählten die Sektionen in Berlin, Stuttgart und<br />

Köln Anfang 1866 nicht mehr als sechs, neun bzw. siebzehn Mitglieder. Auch<br />

nach dem Eisenacher Kongreß im August 1869. auf dem sich die neugegründete<br />

Sozialdemokratische Arbeiterpartei mit der Internationale im "Rahmen der<br />

Vereinsgesetze" solidarisch erklärte, dürften nur relativ wenige Parteigenossen<br />

der 1. A. A. als Einzelmitglieder beigetreten sein. Bebel machte sich daher keiner<br />

Untertreibung schuldig. als er im Leipziger Hochverratsprozeß die im Deutschen<br />

Reich organisierten Mitglieder der I. A. A. auf rund tausend schätzte 2).<br />

Bei der Bewertung dieser Zahlen dürfen aIIerdings zwei Gesichtspunkte<br />

nicht außer acht gelassen werden: Bei den Einzelmitgliedern handelte es sich<br />

fast durchweg um besonders überzeugte, idealistische und opferwillige Anhänger<br />

der Arbeiterbewegung, unter ihnen so faszinierende Persönlichkeiten wie<br />

1) J uHus B rau n t haI. Geschichte der Intemationole. Bd. 1. Hannover 1961;<br />

R. P. Mo r ga n, The German Sodal Democrats and the First International 1864-<br />

1872 (MS).<br />

2) Der Hochverraths-Prozeß wider Liebknecht. Bebe!. Hepner vor dem Schwurgericht<br />

zu Leipzig vom 11. bis 26. März 1872. Berlin 1894. S. 214 ~zit. Hochverratsprozeß).<br />

131


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Bebel und Liebknecht, die Tausende und aber Tausende von Arbeitern in ihren<br />

Bann zu ziehen wußten. Die politische und moralische Kraft der Internationale<br />

beruhte zudem weniger auf dem Wirken ihrer Einzelmitglieder, als auf der<br />

Verbindung zu den Gewerkschaften, Genossenschaften und Arbeiterparteien,<br />

die sich zwar aus finanzieIlen oder vereinsrechtlichen Gründen vielfach auf eine<br />

lockere Kooperation beschränken mußten, ·für den Generalrat aber als Brücke<br />

zu der Masse der Arbeiterschaft von entscheidender Bedeutung waren. Mit<br />

vollem Recht unterstreicht BraunthaI in diesem Zusammenhang die Bedeutung<br />

der Streikkämpfe der Iahre 1867/70 für den Masseneinfluß der 1. A. A.: "Nicht<br />

selten kam es zu spontanen Massenanschlüssen an die Internationale im Feuer<br />

schwerer Gewerkschaftskämpfe ... Der Generalrat intervenierte in der Tat in<br />

zahllosen Streiks, die durch ausländische Streikbrecher bedroht waren ... Diese<br />

Akte hilfreicher Solidarität trugen den Ruhm der Internationale in tausende<br />

Arbeiterfamilien. Die meisten der streikenden Arbeiter hatten wohl zum<br />

erstenmal in Streikversammlungen und aus Zeitungsberichten vom Dasein eines<br />

Bruderbundes der Arbeiter erfahren, aer die Macht besaß, durch Aktionen in<br />

Frankreich, Holland und Belgien Kämpfe aer Arbeiter in Manchester, Edinburg<br />

und London zu unterstützen. .. Das Ansehen der Internationale wuchs<br />

ins Legendäre, als bekannt wurde, daß es ihr da und dort gelungen war, Kämpfe<br />

der Arbeiter durch ihr Eingreifen zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen M 3).<br />

Ein sicheres Urteil über den Einfluß der Internationale wird sich allerdings<br />

erst nach einer Darstellung der Geschichte der wichtigeren Sektionen und Zweigorganisationen<br />

fällen lassen, eine Aufgabe, deren lösung sorgfältige Einzelstudien<br />

voraussetzt. Die Erforschung der lokalen Gruppen im östlichen Niedersachsen<br />

- Braunschweig, Celle, Hannover, Hildesheim und Wolfenbüttcl - ist.<br />

nicht zuletzt infolge der schwierigen Quellenlage, über erste Ansätze kaum<br />

hinausgelangt. Auch von ihren führenden Persönlichkeiten, Wilhelm Bracke,<br />

Dr. Kirchner, Dr. Kugelmann, Samuel Spier und, bi5 :zu einem gewissen Grade,<br />

Leonhard von Bonhorst haben bislang nur Bracke und Kugelmann als Vertrauensleute<br />

und Briefpartner von Marx und Engels stärkere Beachtung<br />

gefunden 4).<br />

3) Braunthai a. a. O. S. 127 f. S. auch Julius B rau n t hai, Die Stärke der Ersten<br />

Internationale - Legende und Wirklichkeit. International Review of Social History<br />

1960. S. 249 f.<br />

') Die Briefe von Marx an Kugelmann wurden wiederholt herausgegeben. S. neuerdings<br />

Bert An d r e a s, Briefe und Dokumente der Familit Marx aus den Jahren 1862<br />

bis 1873 •.• In: Archiv f. Sozialgeschichte, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, 2. Bd.<br />

1962, S. 167 H. Die Briefe von Marx und Engels an Bracke in: Karl M a rx / Friedrich<br />

Eng eis, Briefe an A. Bebel. W. liebknecht, K. Kautsky und Andere. T'!ill. 1870 bis<br />

1886. Hrsg. vom Marx-Engels-Lenin-Institut Moskau. Moskau-Lellingrad 1933 (zit.:<br />

Briefe an Bebel u. a.); Georg Eck e r t, Aus den Anfängen der Braunschweiger<br />

Arbeiterbewegung. Unveröffentliche Bracke-Briefe, Braunschweig 195;; Der ~., Wilhelm<br />

Bracke, Niedersächsische Lebensbilder, Bd. 4, Hildesheim 1960; Der 5., Die Flugschriften<br />

der lassalleanischen Gemeinde in Braunsdlweig, Archiv für Sozialgeschicnte.<br />

2. Bd. 1962, S. 295 H.<br />

132


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In der Entwicklung der Braunschweig-Wolfenbütteler Organisation, über<br />

die wir dank der regen publizistischen Tätigkeit von Wilhelm Bracke und der<br />

ihm verbundenen Intellektuellen noch am besten unterrichtet sind, lassen sidl<br />

drei Phasen unterscheiden: die Periode zwischen der Gründung der beiden<br />

"Sektionen" im Sommer 1867 bis zum Bruch der Braunschweiger Mitgliedschaft<br />

des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins mit J. B. von Schweitzer im Sommer<br />

1869, das Jahr zwischen dem Eisenacher Gründungskongreß der Sozialdemokratischen<br />

Arbeiterpartei im August 1869 bis zur Verhaftung des Braunschweiger<br />

Ausschusses im September 1870 und schließlich die Zeit nach dem<br />

Braunschweiger Sozialistenprozeß von 1871, in der Bracke und der Kreis um<br />

seinen Verlag wesentlich zur marxistischen Ideologiebildung und zur Durchsetzung<br />

der Ziele und Vorstellungen des marxistischen Flügels der Internationale<br />

in Deutschland beigetragen haben.<br />

Die Braunschweiger Gemeinde des ADAV begann sich spätestens im Winter<br />

1866/67 mit den Schriften und Ideen der Internationale vertraut zu machen.<br />

In einer vom 29. Januar 1867 datierten Flugschrift, die anläßlich der ersten Wahl<br />

zum Norddeutschen Reichstag im Wahlkreis Braunschweig-Blankenburg verbreitet<br />

wurde, veröffentlichte Bracke einen Passus, der skh z. T. wörtlich an<br />

die Inaugural-Adresse der 1. A. A. von Karl Marx anlehnte 6). In den gleichen<br />

Monaten dürften die Braunschweiger Lassalleaner die Verbindung zu dem<br />

Leiter der deutschen Sektionen der Internationale, dem Achtundvierziger<br />

Johann Philipp Becker in Genf. aufgenommen haben. Jedenfalls meldete der<br />

"Vorbote", das von Becker veröffentlichte "Zentralorgan der Sektionsgruppe<br />

deutscher Sprache der Internationalen Arbeiterassociation" im Mai: "Zum<br />

Schlusse können wir noch die Gründung einer Sektion in Braunschweig und<br />

einer solchen in Murten (Schweiz) anzeigen. U In der gleichen Nummer quittierte<br />

Becker die ersten "Thr. 5" von der "Sektion Braunschweig" 6).<br />

Die Generalversammlung des ADAV, die am 19./20. Mai 1867 in der<br />

Hauptstadt des Herzogtums zusammentrat und J. B. v. Schweitzer zum Präsidenten<br />

wählte, unterstrich die Annäherung der Lassalleaner an die Internationale:<br />

"Da die Lage der Arbeiterclasse in allen modernen Culturländern<br />

6) G. Eck e r t, Die Flugschriften ... S. 31,: "Als de~ Schatzkanzler Gladstone am<br />

7. April 1864 verkündete, daß die Gesammtsumme des englischen Handels seit 1843 um<br />

das Dreifache gestiegen sei, da war er trotzdem und trotz des immer gestiegenen<br />

Nationalreichthums von ganz England, beredt über ,Armuth'. ,Denkt', rief er, ,an die,<br />

welche am Abgrunde des Elends schweben, an nicht gestiegene Löhne, an das Menschenleben<br />

in neun Fällen von zehn. ein bloßer Kampf um die Existenz I' Und im englischen<br />

Blaubuche von 1863 findet sich der genaueste Beweis, daß der Auswurf des Verbrechens,<br />

daß die Galeerensclaven Englands viel weniger abgeblackt und viel besser genährt<br />

werden. als selbst die Ackerbauer Englands und Schottlands, ganz zu geschweigen &rer,<br />

die noch tief unter diesen stehen. und die doch arbeiten, wie es Menschen nur möglich<br />

ist. z. B. unter einer langen Reihe, die Nähterinnen I"<br />

8) Der Vorbote Mai 1867. Bei den "Sektionen" handelte es sich in diesem Fall nicht<br />

um eigentliche Vereine, sondern um Gruppen von Einzelmitgliedern.<br />

133


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der Hauptsache nach dieselbe ist", hieß es in dem neuen Programm, "und nachhaltig<br />

nicht in einem einzelnen Lande zum Besseren umgewandelt werden kann,<br />

so erkennt der Allg. deutsch. Arb.-Verein die Gemeinsamkeit der Arbeiterinteressen<br />

in allen Cu/tur/ändern" 7). Es muß dahingestellt bleiben, ob die gastgebende<br />

Braunschweiger Gemeinae das Zustandekommen gerade dieses Programmpunktes<br />

maßgebend beeinflußt hat.<br />

In der Einladung zum Arbeitertag, der wenige Wochen danach am 21. Juli<br />

in Braunschweig zusammentrat, bekannten sich Bracke und seine Freunde zum<br />

erstenmal zu der Losung des Kommunistischen Manifestes und der Inauguraladresse:<br />

"Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!" "Zeigt", heißt es an gleicher<br />

Stelle, "daß auch der deutsche Arbeiter begriffen hat, daß die Arbeiterfrage<br />

auf der Tagesordnung steht, daß er nicht gesonnen ist. sie ohne seine<br />

Mitwirkung. vielleicht von seinen eigenen Feinden. lösen zu lassen, und daß er.<br />

der deutsche Arbeiter, hinter seinen französischen. englischen. amerikanischen<br />

Brüdern nicht zurückstehen will" 8).<br />

Der "Braunschweiger Arbeitertag" delegierte schließlich den bekannten<br />

Hildesheimer Sozialdemokraten Dr. Emil Kirchner, der in Braunschweig 342<br />

Mitglieder der Weber- und Arbeitervereine von AIfeld, Großlobke, Hameln,<br />

Hildesheim und Sarstedt vertrat. zum zweiten Kongreß der 1. A. A.,


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der "Grevebroschüre": "L'Association Internationale des Travailleurs et la<br />

Greve Genevoise" 10).<br />

In den folgenden Monaten wirkte Dr. Kirchner, der der I. A. A. als Einzelmitglied<br />

beigetreten war, mit größter Aufopferung für die internationale Verbindung<br />

der Arbeiterschaft. "Immer mehr erwacht unter den Arbeitern das<br />

Gefühl der Zusammengehörigkeit", schrieb er am 20. Mai, nach dem Sieg der<br />

Streikenden in Genf 11), an J. Ph. Becker 12). "Am nächsten Sonntag halte ich<br />

große Weberversammlung in Sarstedt ab, wo 12 Vereine ihre Vertreter schicken;<br />

die Mittheilung über die Genfer Greve wird dort großen Jubel erregen; denn<br />

auch diese Weber haben im Strike vor 1'/2 Jahren den Sieg davon getragen, der<br />

uns damals unsägliche Opfer kostete, da wir von nirgendsher Hilfe hatten. Über<br />

Berg und ThaI möchte ich Ihnen und den Genfer Freunden die Hand entgegenstrecken<br />

für die Opfer, die Sie der Sache des Arboeiterstandes gebracht.<br />

Vorwärts! laßt uns vorwärts streben,<br />

Wie es Männern ziemt der Zeit,<br />

Daß zur Wahrheit werd' im Leben:<br />

Freiheit, Recht und Menschlichkeit!"<br />

10) Am 20. Mai schrieb Kirchner an Becker: "Ich vertheile sie [die Broschüren) gratis<br />

an Vereine u. füge ein Schreiben [bei), worin ich um Verbreitung bitte. Noch ein pa a r<br />

Ex e m p I are der S tat u t e n wären mir erwiinscht. Am Montag war Versammlung<br />

der hannover. Arbeiterbildungs-Vereine in Hannover, ich reißte hin u. habe dort<br />

die Broschüren an die Vertreter mehrerer Vereine abgegeben; dieselben waren sehr<br />

erfreut darüber und hoffe ich auf Erfolg." Der Allgemeine Arbeitertag (18.119. Mai) in<br />

Hannover wurde zunädlst von der Polizei aufgelöst, weil die Redner, unter ihnen<br />

Dr. Kirchner, .die Grenzen des Erlaubten überschritten". HAZ vom 18., 19. und 20. 5.<br />

1868.<br />

Dr. Emil Kirchner war Anfang der sechziger Jahre als Lehrer an die städt. Gewerbeschule<br />

berufen worden. Da er wegen seiner politischen Tätigkeit 1865 aus dem Dienst<br />

ausscheiden mußte, gründete er eine private Schule für Maschinen-, Mühlenbauer und<br />

Müller. Politisch entwickelte er sich von Schulze-Delitzsch über Lassalle zum Anhänger<br />

d",r Sozialdemokratischen Arbeiter - Partei, deren Hildesheimer Ortsgruppe er Ende<br />

November 1869 ins Leben rief. S. HAZ vom 30. 11. 1869 sowie J. Ge bau e r, Geschichte<br />

der Stadt Hildesheim, Bd. 2, Hildesheim u. Leipzig 1924. S. 455. Bei der Broschüre handelt<br />

es sich um die Schrift von Becker "Die Internationale Arbeiterassociathm und die<br />

Arbeitseinstellung in Genf im Frühjahr 1868", deren Ertrag "zu Gunsten der Greve"<br />

bestimmt war. (N ach einer freundlichen Auskunft VOll Bert Andrcas).<br />

11) S. hierzu Marx an Engels vom 11. 4. 1868: .Aus der heutigen Times (telegraphische<br />

Depesche) wirst Du sehn, daß wir in Genf vollen Sieg errungen, Arbeitszeit<br />

von 12 auf 11 Stunden herabgesetzt, Arbeitslohn um 10 % erhöht. Die Sache ging so<br />

zu. Kaum warst Du fort, so traf hier Deputierter von Genf ein. Dies fact, daß die<br />

Arbeiter Gesandten nach London. zu dem schrecklichen Vehm~ericht. geschickt, entschied,<br />

wie früher im strike der Bronuarbeiter zu Paris. Die masters glauben an die<br />

Londoner Macht und Kriegskasse. Dies sollte den Arbeitern in England und auf dem<br />

Kontinent zeigen, welche Macht sie in uns besäßen, wenn sie wirklich die gehörigen<br />

Mittel ete. zur Disposition stellten.'<br />

12) Die Originale der Briefe von Dr. Kirchner an 1. Ph. Becker befinden sich im lISG<br />

Amsterdam.<br />

135


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Im Laufe des Jahres 1868 gewann die Internationale inbeiden miteinander<br />

rivalisierenden Gruppen der organisierten deutsmen Arbeitersmaft, bei den<br />

Lassalleanern und bei den Anhängern von Bebel und Liebknecht, :zusehends<br />

an Einfluß und Interesse. Bereits im Juli hatte J. B. von Schweitzer, der das<br />

Prestige der Internationale seiner eigenen Organisation dienstbar zu machen<br />

suchte, Karl Marx zur bevorstehenden Generalversammlung des ADAV in<br />

Hamburg eingeladen. Marx antwortete am 18. August in konziliantem Ton,<br />

erklärte sich aber angesichts der Vorbereitung des Kongresses der Internationale<br />

in Brüssel außerstande, Deutschland zu besuchen. "Die Einladung", schrieb er<br />

Engels, "ist von Schweitzer als Präsident und von über 20 Arbeitern aus<br />

Deutschlands diversen Gauen (Vorstandsmitgliedern) unterschrieben. Ich mußte<br />

in meiner Antwort auf letztere Rücksicht nehmen ... " 13). Auf der GeneralversammLung,<br />

auf der Wilhelm Bracke über das Werk von Karl Marx referierte,<br />

wurde die Stellung zur Internationale ausführlich erörtert, wobei sich die Delegierten<br />

aus Niedersachsen für ein engeres Zusammengehen beider Organisationen<br />

aussprachen. Dr. Kirchner hatte bereits am 3. August in diesem Sinne<br />

J. Ph. Becker berichtet: " ... Als ich in Hamburg p. für die internationale<br />

Assoe. sprach, fand ich viel Verdächtigung unter den Lassalleanern; doch hat<br />

sich seitdem viel in der Stimmung geändert. Meine hannovr. Freunde (Lassalleaner)<br />

belehrte ich über die Strebungen der intern. AsSOC., auch in Braunschweig,<br />

Hildesheim p. klären sich die Ansichten, so daß ich hoHe mit meinem<br />

Antrag auf Ansmluß des aUgem. Arbeiter-Vereins an die international. A9Soc.<br />

auf dem Arbeiter-Vereins[tagJ in Hamburg durchzudringen, indem ich einen<br />

hierauf bezügl. Antrag einbringen werde. Wie ich dieser Tage durch Freunde<br />

erfuhr, scheint auch Dr. Schweitzer nimt mehr abgeneigt zu sein. Davon<br />

später ... "<br />

Tatsädllich wurde in Hamburg nach einem Referat von Kar! Hirsch "die<br />

Übereinstimmung mit den Gesichtspunkten der Internationalen Arbeiterassoziation<br />

in einer besonderen Resolution zum Ausdruck gebracht" 14). Im<br />

Geiste dieser Beschlüsse bekannten sich im September die "Gemeinden des<br />

allgemeinen deutschen Arbeitervereins in Hildesheim, W oIfenbütteI. Braunschweigund<br />

Hannover" mit Glückwünschen und Zustimmungsadressen an den<br />

Brüsseler Kongreß zu den Ideen der 1. A. A. 15).<br />

Wenige Tage danach faßte auch der runfte deutsme Arbeitervereinstag in<br />

Nürnberg auf Initiative von Bebe! und Liebknecht den für die künftige Entwicklung<br />

der deutschen Arbeiterbewegung so folgenschweren Beschluß, sich mit<br />

der Internationale solidarisch zu erklären: "In Erwägung", hieß es in dem<br />

neuen Programm, "daß alle auf die ökonomische Befreiung der Arbeiter gerich-<br />

13) Marx an Engels vom 26. 8. 1868. Der Text des Antwortschreibens von Marx an<br />

Schweitzer in Social-Demokrat vom 28. 8. 1868.<br />

11) M a y e r, Schweitzer S. 230.<br />

10) Der Vorbote. September 1868.<br />

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teten Anstrengungen bisher an dem Mangel der Solidarität zwischen den vielfachen<br />

Zweigen der Arbeit jeden Landes und dem Nichtvorhandensein eines<br />

brüderlichen Bandes der Einheit zwischen den arbeitenden Klassen der verschiedenen<br />

Länder gescheitert sind; daß die Befreiung der Arbeit weder ein<br />

lokales noch nationales, sondern ein soziales Problem ist, das alle Länder umfaßt,<br />

in denen es moderne Gesellschaften gibt, und dessen Lösung von der<br />

praktischen und theoretischen Mitwirkung der vorgeschrittensten Länder<br />

abhängt, beschließt der fünfte deutsche Arbeitervereinstag seinen Anschluß an<br />

die Bestrebungen der Internationalen Arbeiterassoziation" 16). Am Nürnberger<br />

Vereinstag nahm als Vertrete-r des Hildesheimer Webervereins Dr. Kirchner<br />

tei\., der sich als Lassalleaner entschieden für die Annahme des Programms<br />

erklärte. Nach eindringlichen Worten für die Leiden der Arbeiterschaft forderte<br />

er ihre "allgemeine Organisierung". "Auf diesem Boden", erklärte er, "hören<br />

die kleinen Skrupel auf, da fühlt und erkennt der Arbeiterstand seine Macht<br />

und da ist mit einer gemeinsamen Organisation das Arbeitervolk ein Löwe,<br />

dessen Tatzen nidlt mehr gefesselt sind, der sie zu gebrauchen weiß" 17). "Kirchner",<br />

schreibt Bebel in seinen Erinnerungen. "war sozusagen die erste Schwalbe,<br />

die es wagte, aus dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein zu uns herüherzufliegen.<br />

Das war in den Augen J. B. von Schweitzers ein Verbrechen. Kirchner<br />

wurde nadlher auch als Vertrauensmann gewählt" 18).<br />

Der Abwehrkampf der Baseler Seidenfärber und Bandweber, die wegen ihrer<br />

Zugehörigkeit zur Internationale von den Unternehmern ausgesperrt worden<br />

waren, hatte im März des folgenden Jahres eine neue große Solidaritätsaktion<br />

zur Folge. Aus Niedersachsen, wo in den Arbeitervereinen eifrig gesammelt<br />

wurde, gingen nach dem "ersten Verzeichniß der für die Grevisten in Basel eingegangenen<br />

Liebesgaben" folgende Spenden ein 19):<br />

Vom Central-Comite in Genf aus Braunschweig und Magdeburg 81,40 fr.;<br />

von Dr. Kugelmann in Hannover 3,65 fr.; von Cigarrenarbeitern aus Hannover<br />

17 fr.; von Wolfenbeutel (I) 9,80 fr.; vom deutschen Arbeiter-Verein in Magdeburg<br />

63,75 fr.; vom deutschen Arbeiter-Verein in Hannover 37,50 Er.; von Conrad<br />

Meyer in Achim 14,69 fr.; von Gossauer in Lüneburg 11,51 fr.<br />

18) August Beb e 1, Aus meinem Leben I, 193. S. auch Hochverratsprozeß S. 915 f.<br />

17) Demokratisches Womenblatt (zit. DW) 1868. Zitiert nam Wiederabdruck in<br />

Homverratsprozeß S. 758 H. Hier aum der Prot~st der Sonderbündler, die sich gegen<br />

das neue Programm und damit audl gegen den Ansmluß an die I. A. A. aussprachen.<br />

Aus dem heutigen Niedersamsen gehörten hierzu folgende Vereine: Celle (Reuter),<br />

Eldagsen, Elze, Goslar (Lüttich), Hameln, Hannover Stadt und Gauverband (Engelking<br />

und Reuter), Harburg, Lüneburg, Nienburg, Oldenburg, Osnabrück (Smelle), Osterode,<br />

Peine. Nach Ansicht der Herausgeber von .Homverratsprozeß" waren die Vereine in<br />

Elze, Nienburg und Osterode schon vorher ausgeschieden.<br />

18) Beb e 1. Aus meinem Leben I. 191.<br />

19) Zit, nach B rau n t haI, Geschichte der Internationale, S. 130.<br />

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Während der Streiktage wandten sich die Wolfenbüttder Lassalleane-r mit<br />

folgendem Schreiben an J. Ph. Decker 20), das als eines der frühesten Dokumente<br />

der Wolfenbütteler Arbeiterbewegung im Wortlaut wiedergegeben werden soll:<br />

n Wolfenbüttel d. 12. Januar 1869<br />

Herrn Joh. Phi!. Becker, Präsident der internationalen<br />

Arbeiter-Association<br />

Genf.<br />

Die hiesigen Mitglieder des allgem. deutsch. Arbeiter-Vereins haben durch<br />

den Vorboten und Soc. Democrat Nachricht von der Arbeitseinstellung der<br />

Seidenfärber in Basel erhalten; dieselben haben mich beauftragt, einliegende<br />

2 fI. 20 gr., welche von denselben zur Unterstützung der Baseler Färber gesammelt,<br />

an Sie mit der Bitte zu senden, dieselben zu genannten Zwecke verwenden<br />

zu wollen.<br />

Möge die Arbeitseinstellung mit einem Siege der Arbeiter endigen.<br />

Mit social-democratischem Gruß und HandschIag<br />

S. Schömers, Fabrik-Aufseher. U<br />

In der ersten Hälfte des Jahres 1869 wurde das politische Leben der Braunschweiger<br />

Arbeiterbewegung mehr und mehr von den Wirren und Spannungen<br />

im ADAV bestimmt, bis schließlidl der "Staatsstrekh" des Präsidenten den<br />

offenen Bruch zwischen Schweitzer und seinen zahlreichen Kritikern zur Folge<br />

hatte. Am 22. Juni verbündeten sich die opponierenden Lassalleaner, unter<br />

ihnen Bracke und Spier, mit den Führern der "Partei Marx" in Deutschland,<br />

Bebel und Liebknecht. Im August gründeten sie in Eisenach die Sozialdemokratische<br />

Arbeiterpartei, die Vorläuferin der heutigen S. P. D. Am Ende<br />

des Kongress.es, zu dessem Gelingen Bracke wesentlich beigetragen hatte, wählten<br />

die Delegierten Braunschweig-Wolfenbüttel zum ersten Vorort der Partei.<br />

Bracke und seine Freunde im "Ausschuß der socialdemokratischen Arbeiterpartei"<br />

trugen damit bis zu ihrer Verhaftung im September 1870 entscheidende<br />

Verantwortung für die Entwicklung und politische Haltung der gesamten Partei.<br />

Diese neue Aufgabe, mit ihrer Verknüpfung von nationalen und lokalen<br />

Pflichten und Funktionen, bestimmte nicht zuletzt das Verhältnis zur Internationale<br />

21). Der Eisenacher Kongreß hatte sich eindeutig zu ihren "Bestrebun-<br />

20) Das Original befindet sich im IISG Amsterdam.<br />

21) In den dramatis::hen Wochen vor dem Eisenacher Kongreß versuchten die beiden<br />

rivalisierenden Fraktionen, die Internationale für sich zu gewinnen. Unmittelbar nach<br />

dem Ausscheiden der Oppositon aus dem ADAV erklärte sich J. Ph. Becker im Namen<br />

der deutschen Sektionen gegen Schweitzer, den er sdlon zuvor in Briefen an Bonhorst<br />

u. a. bekämpft hatte. Kurz darauf behauptete liebknecht. der Londoner Generalrat<br />

nähme gegen den ADA V Partei. Schweitzer, der in die Verteidigung gedrängt war, vermied<br />

dagegen jeden offenen Bruch mit der I. A. A. und begnügte sich damit. Becker und<br />

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gen" bekannt und erklärt, die neue Partei betrachte sich, "soweit es die Vereinsgesetze<br />

gestatten", als Zweig der 1. A. A. Da ein kollektiver Anschluß aus<br />

rechtlichen Gründen unmöglich war, wurden die Anhänger aufgefordert, die<br />

Einzelmitgliedschaft zu erwerben. In Braunschweig-Wolfenbüttel hatten die<br />

führenden Funktionäre, vor allem Bracke, Spier und der neugewählte Parteisekretär<br />

Leonhard von Bonhorst, diesen Weg gewählt. Ihr engerer Kreis. vor<br />

allem der "Ausschuß", vermied es dabei sorgsam. durch die Konstituierung<br />

einer Sektion gegen das Vereinsrecht zu verstoßen, bildete jedoch eine Gesinnungs-<br />

und Willensgemeinschaft. die einer Sektion in der Tat so gut wie gleichzusetzen<br />

war.<br />

Aus dieser zweiten Phase der Geschichte der Braunschweiger "Sektion"<br />

stammen elf Briefe des Partei sekretärs an J. Ph. Becker in Genf, der Entwurf<br />

eines Rechenschaftsberichtes an den Generalrat in London sowie eine eidesstattliche<br />

Erklärung von Karl Marx 22), die im folgenden als ein kleiner Beitrag<br />

zur Geschichte der I. A. A. ill Niedersachsen vorgelegt werden. Die Briefe<br />

befinden sich im Nachlaß von J. Ph. Becker, den das Internationale Institut<br />

für Sozialgeschichte in Amsterdam betreut. Seinem Direktor, Herrn Professor<br />

Dr. Rüter. und dem Leiter der deutsdlen Abteilung. Herrn Blumenberg, bin ich<br />

für die Veröffentlkhungsgenehmigung zu großem Dank verpflichtet. Die übrigen<br />

Dokumente befinden sich im Niedersächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttel,<br />

das "kleine Häuflein" seiner Getreuen anzugreifen. Der ADAV und der "Social­<br />

Demokrat". erklärte er in mehreren Leitartikeln. hätten sich jederzeit für die internationale<br />

Verbundenheit der Arbeiterklasse eingesetzt; zwischen den lass alle an ischen<br />

Organisationsprinzipien und der Idee der internationalen Kooperation bestände kein<br />

grundsätzlicher Widerspruch. Im übrigen. drohte Schweitzer. sähe er sich unter Umständen<br />

gezwungen. den "Schwindel" zu enthüllen. der mit der Internationale häufig<br />

betrieben würde.<br />

Marx und Engels waren über diese Verwicklung der I. A. A. in die Wirren der<br />

deutschen Partei wenig erbaut .• Übrigens hatte der alte Esel Becker nicht nötig. offiziell<br />

die .Internationale· in diesen Auflösungsprozeß der Lassallekirche einzumischen".<br />

schrieb Marx am 17. Juni nach Manchester. Nicht minder scharf kritisierten sie die Erklärung<br />

von Liebknecht. den sie öffentlich zu desavouieren drohten. "Ich hatte ihm<br />

geschrieben". beridlletc Marx am 22. Juli Engels. "daß ich persönlich mich diesem<br />

Skandal ... femhalte. um so mehr. als ich ebenso dezidiert gegen die Lassalleclique als<br />

gegen die Volkspartei." Eben~o negativ reagierte Marx auf einen Versuch vC'n Wilhelm<br />

Bracke. die I. A. A. durch Vermittlung von Dr. Kugelmann um finanzielle Hilfe anzugehen.<br />

Die Opposition im ADA V. schrieb er an Engels. verteidige ja doch nur den<br />

"wahren" gegen den" unwahren" Lassalleanismus f "Sein Bracke wirft Ja dem Schweitzer<br />

vor". heißt es am 24. Juli. "daß er Lassalles Staatskredittheorie für bloßes Agitationsmittel<br />

erklärt hat und nicht an die Panacea glaubt". "Die Geschichte mit Bracke ist auch<br />

gut". stimmte ihm Engels zu. "Diese Lassalleknechte schreien immer nach Geld und nur<br />

Geld. Meiner Ansicht nach wäre es sehr unratsam von seiten der I. A. A .• den Deutschen<br />

aue h nur ein e n P f e n ni g zu schicken. ehe sie selbst beständige Beiträge eine<br />

Zeitlang eingezahlt."<br />

22) Ein kurzer Auszug aus dem Bericht an den Generalrat und die Erklärung von<br />

KarI Marx in W. B r a c k e: Der Braunschweiger Ausschuß der socialdemokratischen<br />

Arbeiter-Partei in Lötzen und vor dem Gericht. Braunschweig 1872 S. 151 f. und 15~ f.<br />

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dessem Direktor, Herrn Dr. Kleinau, ich ebenso verbunden bin wie seinem<br />

Mitarbeiter, Herrn Dr. Goetting.<br />

*<br />

Leonhard von Bonhorst, der vom August 1869 bis zum Juli 1870 als erster<br />

hauptamtlicher Sekretär der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Braunschweig<br />

tätig war, entstammte einer in Nassau beheimateten Adelsfamilie.<br />

Sein Vater, ein ehemaliger Offizier, lebte in den für seinen Sohn entscheidenden<br />

Jugendjahren als Rechnungsrat der nassauischen Finanzverwaltung und später<br />

als Pensionär in Wiesbaden. Leonhard von Bonhorst wurde am 20. Juni 1840<br />

in Caub am Rhein geboren, wo er katholisch getauft und gefirmt wurde. Nach<br />

seiner Zeugenaussage im Leipziger Hochverratsprozeß bekannte er sich später<br />

zur deutschkatholischen Bewegung, die manche Berührungspunkte zur sozialen<br />

Demokratie aufzuweisen hatte 23). Bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr im<br />

Elternhaus erzogen, besuchte er von 1858 bis 1860 das Realgymnasium zu<br />

Wiesbaden, um danach zwei Jahre am Polytechnikum, der heutigen Technischen<br />

Hochschule, in KarIsruhe zu studieren. Die Jahre 1862 bis 186, verbrachte er<br />

erneut im Kreise seiner Familie in Wiesbaden, wo er im Frühjahr 186, eine<br />

Maschinenagentur eröffnete. Wie aus dem Aufdruck seiner Briefbogen hervorgeht,<br />

handelte Bonhorst vor allem mit Nähmaschinen, daneben aber auch mit<br />

Graphit-Schmelztiegeln, Pottasche, Steingutröhren und Federmatratzen. Im<br />

Dezember 1868 mußte er sein Geschäft liquidieren, da ihn sein Eintreten für<br />

die Arbeiterbewegung, vor allem aber eine Bürgschaft für eine Arbeitergenossenschaft,<br />

an den Rand des finanziellen Ruins gebracht hatten 24). Nach einem<br />

weiteren Jahr, das er bei seinen Eltern verbrachte, rief ihn der Eisenacher Kongreß<br />

.an seine neue Wirkungsstätte in Braunschweig-Wolfenbüttel.<br />

Bonhorst hat sich nach seiner eigenen Aussage vor dem Braunschweiger<br />

Untersuchungsrichter bereits mit 2'i Jahren den Problemen der Arbeiterbewegung<br />

zugewandt. Nach der Lektüre verschiedener "Gelegenheitsschriften"<br />

von Schulze-Delitzsch, Max Wirth u. a. bewegte ihn die Frage, wie man die<br />

"wirtschaftliche Lage des Arbeiterstandes" verbessern könne. "In Folge dessen",<br />

erklärte er .am gleichen Ort, "errichtete ich im Herbst 6, in Wiesbaden<br />

einen Consumverein und betheiligte mich an dem wenige Monate später von<br />

dortigen Arbeitern errichteten Arbeiter-Bildungs-Verein. In ersterm hatte ich<br />

die Buchführung, in dem letztem ertheilte ich unentgeltlichen Unterricht, hielt<br />

Vorträge über wissenschaftliche Gegenstände pp. Das Jahr 1866 brachte jedoch<br />

in dem Verlauf seiner Ereignisse und der Nachwirkungen eine Spaltung in den<br />

Elementen des Arbeiter-Bildungs-Vereins hervor." Diese Aussage scheint für<br />

den Charakter und die Ideale des jungen Bonhorst kennzeichnend: sie offen-<br />

23) Hochverratsprozeß S. 528.<br />

24) S. die Aussagen vor dem Untersuchungsrichter. Niedersächs. Staats archiv Wolfenbüttel.<br />

L Neu Abt. 38 A. Fb. 2 Nr. 36 VII; Bonhorst


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bart seine Spontaneität, seinen Tatendrang, sein nicht selten unrealistisches<br />

Streben, erkannte Ziele so rasch wie möglich in die Wirklichkeit umzusetzen,<br />

vor allem aber seine Überzeugung und Hoffnung, die "soziale Frage" durch<br />

vermehrte Bildung, genossenschaftliche Kooperation und menschliche Solidarität<br />

zu lösen.<br />

Das Studium der nationalökonomischen Literatur führte ihn bald zu Ferdinand<br />

Lassalle, dessen Lehre ihm "besonders anziehend und anregend" erschien.<br />

Im Herbst 1867, als er sich um die Verbindung zur lassalleanischen Bewegung<br />

bemühte, kam er mit der von der Gräfin Hatzfeldt protegierten Splittergruppe<br />

unter Försterling und ihrem Vizepräsidenten Mende in Kontakt. Mende, glücklich,<br />

am Mittelrhein Fuß zu fassen, ernannte ihn sogleich zum Bevollmächtigten<br />

für Wiesbaden und Umgegend. Bonhorst nahm unter der Bedingung an, daß<br />

seine Wahl von den Mitgliedern bestätigt werde. "Die zu dem Behufe von mir<br />

berufene Versammlung", erklärte er vor dem Richter, "entschied jedoch für<br />

einen Anschluß an diejenige Fraction des allgemeinen deutschen Arbeitervereins,<br />

welche unter dem Präsidium Schweitzer in Berlin stand und schlug mich<br />

zum Bevollmächtigten für Wiesbaden vor."<br />

Bereits einige Monate zuvor, im Frühjahr 1867. hatte Bonhorst die Verbindung<br />

zur Internationale aufgenommen. "Heute zum erstenmal kam mir der<br />

Complex der Nummern des Vorboten von 1866 in die Hände", schrieb er am<br />

18. Mai an ]. Ph. Decker. "Bürger Habich hat sie mir geliehen. U Die Lektüre<br />

habe eine derartige Übereinstimmung mit den eigenen Überzeugungen ergeben,<br />

daß er es als "eine Schande" erachten müsse, "mit Ihnen nicht sogleich in<br />

Correspondenz zu treten". Die Arbeiterbewegung am Mittelrhein sei zu neuem<br />

Leben erwacht, ihm selber habe man dabei die "Ausarbeitung des Agitationsmaterials"<br />

übertragen. "Die Sache verhält sich in großen Umrissen so", berichtete<br />

er weiter: "Am vorigen Sonntag war in Biebrich am Rhein ein Arbeitertag,<br />

zu dem wir in Gemeinschaft mit den Mainzern (welche leider ein wenig bummelig<br />

sind) circa 12-14 Arbeiter- und 93 Turnvereine eingeladen hatten. Von<br />

allen erschienen Vertreter der Arbeiter-Vereine Offenbach, Hanau, Frankfurt<br />

a. M.., Oppenheim, Mainz, Biebrich (neu gegründet), Wiesbaden, Limburg a. d.<br />

Lahn (Turnverein), sonst Niemand. Nach Aufklärung über Zweck der Arbeiter­<br />

Bildungs-Vereine, wurde eine Adresse (v. Hyronimi in Mainz) an die franz.<br />

Arbeiter verlesen und angenommen. Dann wurde Wiesbaden zum provisor.<br />

Vorort des ,Mittelrheinischen Arbeiterbundes' erwählt und der Wiesbadener<br />

Anzeiger zum Vereinsorgan erhoben."<br />

Es käme nun darauf an, fuhr Bonhorst fort, die Lage der Arbeiter durch<br />

genossenschaftliche Organisation, vor allem durch die Gründung einer "Centralkasse"<br />

des Mittelrheinischen Arbeiterbundes zu verbessern. Es empfehle sich,<br />

zunächst mit einer Genossenschaft zu beginnen, um später, sobald die finanzieHe<br />

Grundlage gesichert sei. weitere Assoziationen, wenn möglich mit einem<br />

"gewissen großartigen Arbeitstheilungssystem", ins Leben zu rufen. Mit der<br />

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Zuversicht eines gläubigen, von seiner Mission völlig erfüllten Menschen<br />

stellte Bonhorst eine erste gewiß recht optimistische Rechnung auf: "Gesetzt<br />

ich gewinne nur 500 Mann unseres Bundes für aen Gedanken. Jeder gibt<br />

wöchentlich, auch wenn es ihm sauer fällt, dreißig Kreutzer, macht pr. Mt.<br />

fl. 1000, in 5' Mt. schon 5000 fl. Damit läßt sich schon sehr viel machen. Haben<br />

Sie in diesem Punkte Erfahrungen gemacht, so wollen Sie mir sclbe umgehend<br />

mittheilen. Ueberhaupt wird ein reger geistiger Verkehr (bei dem ich Ihnen<br />

jedoch Vorsicht anrathe) für uns höchst ersprießlich sein" 25).<br />

In seinem nächsten Schreiben 26) bekannte sich BOMorst zu einer alle Völker<br />

umfassenden "Erdenrepublik" und zur Aufhebung des Staates als höchstem<br />

Ziel menschlicher Entwicklung: Sein Ziel sei die" völlig anarchische Staatsform<br />

oder vielmehr Staatsnichtform", "derart daß jedes menschliche Wesen so von<br />

Staatsform und Gesetzmäßigkeit durchdrungen ist (was die sublimste Menschwerdung<br />

durch Bildung vorstellt). daß Staat und Gesetz. jetzt noch abgesonderte<br />

Form, in dem Individuum verschwinden, d. h. unsichtbar und unfühlbar latent<br />

werden". Um das erste Nahziel, die Republik, zu verwirklichen, gelte es das<br />

Volk, vor allem aber die Bauern zu gewinnen 27). Man müsse sich dabei aller<br />

denkbaren Mittel bedienen: .. a) Presse. b) Versammlungen. c) Productionsund<br />

Vertriebsassociationen". Um einen ersten Anfang zu machen, habe er den<br />

Arbeitervereinen am Mittelrhein die Gründung eines eigenen Organs. "Bauer<br />

und Arbeiter", empfohlen und einen Aufruf an die Bauern vorbereitet.<br />

2~) In dem Prozeßbericht von W. B r a c k e ... Der Braunschweiger Ausschuß der<br />

socialdemokratischen Arbeiter-Partei in Lötzen und vor dem Gericht" (Braunschweig<br />

1872). S. 154 f .• findet sich eine kurze Inhaltsangabe von zwei Antwortbriefen. die<br />

Becker am 29. 5. und 18. 6. 1867 an Bonhorst gerichtet hat. In dem ersten Brief heißt<br />

es danach u. a.: "Bei Allem. was wir thun, organisiren und gründen. dürfen wir nun<br />

und nimmer aus den Augen verlieren. daß ohne Eroberung der politischen Gewalt durch<br />

die Arbeiterclasse, was mit Herstellung völliger Freiheit und Aufhebung aller Classenunterschiede<br />

gleichbedeutend ist. an keine wesentliche Veränderung unserer Zustände.<br />

geschweige an eine Lösung der Frage gedacht werden kann. -<br />

Weil die Organisation der Genossenschaften ihrer Natur gemäß eine republikanisdle<br />

sein muß. bietet sie zugleich eine praktisch republikanische Erziehungsanstalt und<br />

befähigt zur Gründung des allein erlö!cnden Volksstaats. Ohne gedachten Vorbehalt<br />

kann der Arbeiterelasse nach unausbleiblicher Enttäuschung kein Hoffnungsstern mehr<br />

leuchten. müssen Verzweiflung und Demoralisation eintreten. Vor Allem ist der<br />

Arbeiterclasse das Bewußtsein unüberwindlichen Kraftbesitzes. Alles überwältigender<br />

Machtstellung beizubringen. Dies kann aber nicht durch lokale und provinziale. sondern<br />

nur durch in te rn a t ion ale Wirksamkeit geschehen." Im 2. Brief bespricht Becker<br />

"am Schlusse das einzuschlagende Verfahren, um einen Anschluß an die Internationale<br />

zu Stande zu bringen".<br />

28) Bonhorst an Becker vom 9. 6. 1867.<br />

27) Marx und Engels kritisierten die Las.aUeaner wegen ihrer mangelnden Bereitschaft.<br />

die Landbevölkerung. insbesondere die Gutsarbeiter. in die politisdle Bewegung<br />

hineinzuziehen. Das Beispiel von Bonhorst zeigt. daß ihr Urteil nicht generell zutrifft.<br />

Auch im Braunschweigischen waren die Lassalleaner nicht ohne Erfolg bemüht. die<br />

ärmeren Bauern für sich zu gewinnen. S. z. B. Eck e r t. Die Flugschriften ...• S. 305 f.<br />

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Der Bauernstand, heißt es in dem Entwurf seiner Adresse, sei nicht allein<br />

auf Grund seiner großen Zahl, sondern vor allem dank seiner Leistung für die<br />

Gesellschaft berufen, eine wichtige Rolle in der Nation zu spielen. Zunächst<br />

müßten sich die Bauern jedoch die Bildung erwerben, die man ihnen bislang<br />

vorenthalten habe. Sie müßten nicht allein "so viel zu lernen erstreben" wie<br />

möglich, sondern vor allem selbständig denken, "selber überlegen, ob das was<br />

man thuen will, auch recht ist, ob man es später vor seinem eigenen Verstand<br />

und Gewissen auch vertheidigen könne". "Ihr laßt in allen Dingen, die Staat,<br />

Kirche oder Gemeinde angehen", heißt es weiter, "noch viel zu viel Andere<br />

für Euch denken." Nähme es unter diesen Umständen wunder, daß man die<br />

Bauern immer wieder als "Stimmvieh" mißbrauche? Jedermann sei im Stande<br />

zu erkennen, "was wahr, recht und gut ist". "Und Ihr", wendet sich Bonhorst<br />

an die Bauern, "solltet nicht gleich stark mit einem ersten Minister in Euch<br />

fühlen, was Wahr und Recht ist, weil Ihr uns für die Zucht ven Pflanzen und<br />

Thieren sorgt? Reißt die Augen weit auf, Ihr Bauern, und schaut um Euch, daß<br />

Ihr Euere eigentlichen Lenker in der Ferne auch erkennt, die Euch an Bändern<br />

zu gängeln glauben. Zieht aber auch dann Euer Messer und zerschneidet<br />

unbarmherzig diese Bänder, auf daß Ihr beweist: Ihr könnt auch auf eigenen<br />

Füßen .stehen, - Ihr habt keine Lenker nötrug, die Euch im Grunde ihres Herzens<br />

denn doch verhöhnen und - verachten, weil Ihr Euch von ihnen, in Euerer<br />

angeborenen Gutmüthigkeit nach ihrem Belieben lenken und leiten ließet. Das<br />

müßt Ihr, das SlCid Ihr Euerer Ehre, Euerer Selbständigkeit schuldig. Zwar ist es<br />

ein mühevoller, ein langwieriger Weg, aber es ist der einzige, der Euch aus den<br />

Irrgängen ven widerstrebenden Ansichten, aus Euerer durchschnittlich recht<br />

bitterschlechten Lage herausführen kann." Um dieses Ziel zu erreichen, müsse<br />

sich die Bauernschaft vereinigen, müsse der einzelne Landmann seine Isolierung<br />

überwinden. Es genüge nicht, .sich auf "Märkten, Kirchweihen und Holzversteigerungen"<br />

zu treffen. Man mÜ.5se vielmehr einen "regelmäßig wiederkehrenden<br />

Verkehr der Bauern untereinander" schaffen. "Etwa so: die Bauern ven<br />

Nassau, Hessen etc. bilden einen Verein, den ,Mittelrheinischen Bauernverein<br />

oder Bauernbund' , der in jedem Ort, wenn er auch noch se klein ist, seine<br />

Abtheilung hat. Die auf 4-6 Stunden in der Runde liegenden Abtheilungen<br />

kommen alle Sonntag Morgen oder Mittag an einem vorher bestimmten Ort<br />

zusammen und berathschlagen über Alles, was auf ihr Leben Bezug haben kann,<br />

besprechen die pelitische Lage und ihre Stellung im Staate. Alle Jahr ein oder<br />

zweimal kommen dann alle Bauern die zu dem Bunde gehören und abkommen<br />

können, an einem bestimmten Ort zusammen." "Se steht's, Ihr Bauern'", fährt<br />

Bonhorst fort. "Wollt Ihr die UebeIstände, die Euch drücken, weg haben, dann<br />

müßt Ihr zusammengehen und Euch über dieselben besprechen. Jeder muß seine<br />

Erfahrungen mittheilen und muß sich die seiner Collegen mittheilen lassen.<br />

Dann werden auch die Männer der Wissenschaft nicht säumen, wenn Ihr den<br />

Wunsch aussprecht, Euch die Resultate ihrer Forschungen zu Eurem Nutz und<br />

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Frommen mitzutheilen, ohne aber auf Euere Entschlüsse unbedingt bestimmend<br />

einwirken zu wollen. Dann wird es ein reger Verkehr werden und rasch wird<br />

es sich zeigen, daß die wenige Zeit, welche Ihr auf die regelmäßigen Versammlungen<br />

alle Sonntag verwendet, sich tausend und abertausendfach rentiren wird.<br />

Euere Stimme wird Geltung erlangen und die drückenden Uebelstände werden<br />

wie Spreu vor dem Winde verfliegen. - Also der ,Mittelrheinische Bauernbund'<br />

mit dem Wahlspruch: ,Glekhe Pflichten, gleiche Rechte'."<br />

Vornehmstes Ziel sei es aber, "die Bauern und Arbeiter zu einem gemeinsamen<br />

Bund zu vereinen". Habe die Gründung Erfolg, könnten beide, Arbeiter<br />

und Bauern, genossenschaftliche Betriebe errichten: "Compostfabriken, Mühlen,<br />

Ackerbauwerkzeugfabriken und andererseits große Fruchtmagazine, Verkaufshallen<br />

etc." . Wenn alle bereit wären, ihr eigenes Interesse mit der Existenz des<br />

Bundes zu verknüpfen, werde sich auch "die Erkenntniß der Freiheitsgesetze" ,<br />

also die Demokratie, "unumstößlich stabilisierenu. Der Weg sei schwer, man<br />

werde mit dem Mißtrauen der Bauern und der Regierung zu kämpfen haben.<br />

"Die Befürchtungen vor der Entwickelung des s. Standes" 28), schloß Bonhorst,<br />

müßten daher "durch die eigene Gesetzgebung und deren strenge Handhabung,<br />

sowie stetig fortschreitende Belehrungen unter der Hand gehoben werden".<br />

Er hoffe, appellierte Bonhorst an Becker, daß die Internatkmale ihren Beistand<br />

nicht versagen werde. Es bestände dafür Aussicht, daß sich der Mittelrheinische<br />

Arbeiterbund auf seiner nächsten Tagung in Mainz mit der I. A. A. vereinigen<br />

werde.<br />

Wenige Wochen danach hatte Bonhorst über Rückschläge zu berichten 29).<br />

Der Wiesbadener Anzeiger habe sich unter dem Druck der "Bourgeoisie" von<br />

dem Bund gelöst. Er selbst sei persönlichen Pressionen ausgesetzt - "Vater,<br />

Mutter, Freund und Feind, alle, alle mäkeln, warnen sie und rathen ab". Aber<br />

auch dieser Kelch werde vorübergehen. "Es kann ja kein Ohngefähr, kein Wahn,<br />

kein Traum sein", bekennt Bonhorst mit dem Pathos einer fast religiösen Überzeugung,<br />

"was des Mannes Brust so wonnesüß durchzieht, jenes Gefühl nach<br />

der Heimath der Menschlichkeit, die wir uns nur auf den Schultern unserer<br />

übermächtig großen Arbeiterkreise aufbauen werden." "Merkwürdig", heißt es<br />

im nächsten Brief, "wie man zweifelt und prüft bis man von dem Sodaldemokratismus<br />

erfaßt ist, - wie es momento Licht schafft und klarsehen<br />

läßt" SO). "SO stehen wir denn", fährt er fort, "wie einst Lassalle in Grenz-<br />

28) Als ,,5. Stand" bezeichnet Bonhorst an gleicher Stelle das "Geldproletariat".<br />

28) Bonhorst an Becker vom 9. 7. 1867.<br />

80) Bonhorst an Becker vom 31. 1. 1868. Die Bekehrungserlebnisse vieler früher<br />

Sozialisten erinnern in ihrer Ausdrucksform und Gefühlsintensität an Zeugnisse religiöser<br />

Erweckungsbewegungen. S. z. B. die eine Generation nach Bonhorst verfaGte<br />

Sdbstdarstellung von Hendrik deM an über seine erste Begegnung mit dem Marxismus:<br />

"Bei der ersten Berührung mit dem Marxismus war es mir zumute, als ob mir ein<br />

Weltbild offenbart würde. das die Lösung für alle quälenden Probleme bot ... Daraus<br />

ergab sich ein solches Gefühl der Sicherheit und der Kraft, daß der dadurch gesteigerte<br />

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Abb. 1. L e 0 n h a r cl. von Bon h 0 r s t<br />

Ausschnitt aus einem Gruppenbild, das die Lötzener Gefangenen<br />

von Ketten ll1llgeben zeigt.<br />

Abb. 2. Die B rau 11 s c h w e i ger Tu r n hall e a l1l Pet r i tor.<br />

Schauplatz der sozialdemokratischen Volksversammlung vom 16. Juli 1870.<br />

Nach dem Originalphoto im Stadtarchi v Braunschweig.


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Abb.3. (z u S. J 60)


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Europa 31) SO wir hier ganz einsam und verlassen da. - und meine Arbeirer<br />

blicken scheu um sich; verlieren sich zum Theil wieder, - zum Theil aber auch<br />

hängen sie mir mit einer Treue an, die wahrhaft bewundernswerth ist. Gerade<br />

die letzteren Beispiele sind denn auch die, welche meiner Seele stets neue Nahrung<br />

zuführen. - denn ich lerne von ihnen. wie sie an mir" 32).<br />

Ein Jahr später, am 4. August 1868, verteidigte Bonhorst J. B. von<br />

Schweitzer gegen den Vorwurf, er sei kein würdiger Nachfolger Ferdinand<br />

Lassalles. "lch frage Sie auf Ehre und Gewissen", appellierte er an den "Bürger<br />

Becker", "wo finden Sie. bei welcher Partei, bei welchem Agitator, ein so<br />

consequentes, energisches Vorgehen auf der von Lassalle vorgezeichneten Bahn."<br />

Auf der bevorstehenden Generalversammlung in Hamburg werde die Wiesbadener<br />

Gemeinde "den Antrag auf Anschluß an die Intern. Arb. Assoc. "<br />

stellen. "Sollte dieser Antrag durchgehen", fährt er in seiner Verteidigung fort.<br />

"und Sie unseren Praesidenten immer noch für einen wenig würdigen Nachfolger<br />

Lassalles halten, 50 müßten Sie auch consequent uns die Aufnahme<br />

bestreiten. - weil ja doch nur solche Leute der Internationalen angehören können.<br />

welche die Prinzipien der Socialdemokratie im Sinne Lassalles, d. h. des<br />

einzig wahren und richtigen anerkennen und würdig vertreten. Glauben Sie<br />

denn. daß wir Tausende der Schweitzerschen Partei nicht auf unserer Hut seien.<br />

nicht in das Lager der Reaction zu treiben? Aber bedenken Sie", versucht er<br />

Becker zu überzeugen, "daß sich eine weite Ebene von einem Berg betrachtet<br />

noch belebt ansieht, während sie, steht man mitten dIin. zum Ertödten langweilig<br />

istl Sie müßten mitten in unserer Partei stehen, um das energische und<br />

richtige Vorgehen Schweitzers treu der Natur beurtheilen zu wollen. Wir haben<br />

hier keine Schweizer Verhältnisse, die uns eine solche unbeschränkte Regsamkeit<br />

gestatten."<br />

Im Februar und März 1869 unternahm Bonhorst in Gemeinschaft mit den<br />

Lassalleanern Kölsch und Haustein aus Mainz und Offenbach eine sechseinhalb-<br />

Tonus wie ein beständiger leichter Rauschzustand wirkte ... All die Ziele. für die seit<br />

Rousseau und seinen romantischen Nachfolgern Generationen von hochherzigen Menschen<br />

geschwännt hatten - die Befreiung von aller Zwangsherrschaft. die Brüderlichkeit<br />

aller Menschen. der Glaube an die Zukunft der Menschheit. das Selbstopfer für die<br />

Enterbten. die Vernunft im Dienste der Freiheit - all diese Ziele. die von der heuchlerischen<br />

Bourgeoisie des 19. Jahrhunderts entheiligt worden waren. entstiegen den nebelhaften<br />

Regionen der Romantik und erhielten eine neue Weihe im Lichtglanz der triumphierenden<br />

Wissenschaft." (Gegen den Strom. Memoiren eines europäischen Sozialisten.<br />

Stuttgart 1953. S. 59 H.)<br />

31) Mit der Charakterisierung der altpreußischen Provinzen als einer Grenz- und<br />

Obergangszone zwischen Kerneuropa und dem noch "barbarischen" Machtbereich des<br />

Zaren. folgt Bonhorst den Denkvorstellungen und Traditionen der revolutionären<br />

Demokratie von 1848/49.<br />

32) In der Zuwendung der demokratischen Intelligentsia zum Volk. zum "Niedervolk"<br />

(Friedrich Heer). verschmelzen der Glaube an den naturhaft guten Menschen. der<br />

Entwicklungs- und Erziehungsoptimismus der Aufklärung. mit der aus christlichschwännerischen<br />

Quellen gespeisten Erwartung auf das "Heil aus dem Volke".


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wömige Agitationsreise durch Süddeutschland, auf der er in zahlreimen, z. T.<br />

stürmism verLaufenen Volksversammlungen das Wort ergriff 33). Obwohl sim<br />

Bonhorst nom mit Leidenschaft für Smweitzer und den ADAV verwandte,<br />

smien er bereits von inneren Zweifeln bewegt zu sein. So smrieb er am 10. Februar,<br />

offenbar mit Wissen seiner Reisegefährten, aus Freiburg an J. Ph. Becker:<br />

"Obwohl nicht in officiellem Charakter (da unsere reaktionären Gesetze solches<br />

nicht zulassen) können wir es doch nicht übers Herz bringen, wir müssen einmal<br />

mit Euch zusammentreffen. Deshalb werden wir mit dem nächsten Sonntag in<br />

Basel eintreffen und Bürger Frey aufsuchen. Dorten können wir uns besprechen,<br />

wenn (am liebsten Sie) oder ein (anderes) Mitgl. der Internationalen nach Basel<br />

kommen wollte. Wir freuen uns unendlich auf ein ~olmes Rendezvous und verspremen<br />

uns sehr viel für unsere Generalvers. davon. Mit Gruß und Handschlag<br />

für die süddeutschen Agitatoren I. A. 1. v. Bonhorst. Alles geheim zu halten."<br />

Es ist leider nicht bekannt, ob diese Begegnung zustande kam, und ob es<br />

Becker gelang, das bereits aufkeimende Mißtrauen der hessischen Lassalleaner<br />

gegen ihren Präsidenten zu verstärken.<br />

Nach der Generalversammlung von Barmen-ElberfeId, vor allem aber nach<br />

dem "Staatsstreich" brach auch Bonhorst mit dem so lange verehrten Führer<br />

der Partei. Als Schweitzer sich nimt scheute, seinem einstigen Gefolgsmann<br />

die in SüddeutschLand bezogenen Reisespesen vorzuhalten, reagierte Bonhorst<br />

mit begreiflicher Empörung. Neben anderen Gruppen protestierte auch die<br />

Wiesbadener Gemeinde gegen die Verunglimpfung eines Mannes, der "mit<br />

~anzer Hingabe und mit größtem Eifer für die Partei focht, so daß seine ganze<br />

Existenz dadurch zu Grunde ging" 34). In einem Schreiben von grundsätzlicher<br />

Bedeutung erklärte sich auch der Führer der Freiburger lassalleaner, Rüdy, mit<br />

Bonhorst solidarisch 35). Es gehe, erklärte er, um die Verhinderung von Führerkult<br />

und Diktaturbestrebungen innerhalb der demokratischen Arbeiterbewegung,<br />

um die Überwindung des bonapartistischen "Arbeitercäsarismus" und<br />

"Dalai-Lamathums" des Herrn von Schweitzer.<br />

Mit zahlreichen anderen Lassalleanern, unter ihnen Bracke, Kirchner, Spier,<br />

und dem Leiter der deutschen Sektionen der Internationale, J. Ph. Becker,<br />

unterzeichnete auch Bonhorst den Aufruf zum Eisenacher Kongreß. Gleichzeitig<br />

stellte er sich Bracke für die Agitation unter den Parteifreunden von einst zur<br />

Verfügung. Neben seiner Wiesbadener Anhängerschaft gewann er eine der<br />

wichtigsten Bastionen des ADAV, die RonsdO'rfer Gemeinde, vor der Lassalle<br />

seine letzte große Rede gehalten hatte 86). Am 8. Juli sprach Bonhorst mit<br />

33) Bonhorst sprach u. a. in Heidelberg, Freiburg i. Br., Fürth und Nümberg. S .<br />

• Demokratisches Wochenblatt" (zit. DW) vom 13. 2., 20. 2., 13. 3. und 20. 3. 1869.<br />

34) S. die Erklärung von Bonhorst im DW vom 3. 7. 1869.<br />

36) DW vom 10. 7. 1869. M a y e r, Schweitzer S. 320.<br />

36) S. auch M a y e r. Schweitzer S. 377: " ... das ihnen durch die Erinnerung an<br />

ihren Stifter so teure Ronsdorf wurde damals durch die Geschicklichkeit von Bonhorsts<br />

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Bracke, Ehlers, Kirchner und Spier zu tausend Braunschweiger Arbeitern, die<br />

Schweitzer die Gefolgschaft aufgekündigt hatten. "Am Schluß der Versammlung",<br />

hieß es im Demokratischen Wochenblatt, "brachte Herr von Bonhorst<br />

ein dreifaches Hoch auf die Ronsdorfer Arbeiter, Lassalle's alte Garde, unter<br />

begeisterter Zustimmung der Versammlung aus; auch das vorher von demselben<br />

angestimmte Hoch auf den Congreß riß die Versammlung zu jubelnder Begeisterung<br />

hin" 37).<br />

Nach Eisenach wählte der Ausschuß Bonhorst zum Schriftführer und ersten<br />

hauptamtlichen Sekretär. Er übersiedelte kurz darauf nach Braunschweig, wo<br />

er in seiner Privatwohnung, Wendenstraße 30, auch das Parteibüro betrieb.<br />

Sein Gehalt betrug zunächst 35 Reichstaler im Monat, mußte aber später<br />

angesichts der ständigen Finanzmisere noch gesenkt werden. Als die Parteiarbeit<br />

kurz nach Ausbruch des deutsch-französischen Krieges mehr und mehr<br />

zum Erliegen kam, trat Bonhorst in das Privatgeschäft von Bracke ein 38), in<br />

dem er bis zur Verhaftung des Ausschusses am 9. September 1870 tätig war.<br />

Mit Bonhorst gewann die Braunschweiger Sozialdemokratie einen ebenso<br />

idealistischen und opferbereiten wie phantasiebegabten und dank seines Tätigkeitsdranges<br />

schwierigen und eigenwilligen Parteigenossen. "Bonhorst" , schrieb<br />

BIos in seinen Erinnerungen 39), "war eine blonde Hünengestalt mit energischen<br />

Zügen und mächtiger Stimme; er erinnerte an die alten Germanen. Ein geistvoller,<br />

hinreißender Redner, hat er der Sozialdemokratie viele Anhänger zugeführt.<br />

Sein feuriges Wesen stand ihm sehr gut."<br />

Bonhorst war kaum in Braunschweig eingetroffen, als das Ringen der<br />

beiden deutschen Fraktionen um die Internationale in ein neues Stadium trat.<br />

Anfang September hatte sich der Baseler Kongreß der I. A. A., auf dem der<br />

Braunschweiger Ausschuß durch Samuel Spier vertreten war, nach heftiger Diskussion<br />

für den Gemeinbesitz an Grund und Boden ausgesprochen. Bebel und<br />

Liebknecht waren über diesen Ausgang wenig glücklich, mußte er doch den<br />

offenen Bruch zwischen der Sozialdemokratie und der demokratischen Volkspartei,<br />

die endgültige Trennung von proletarischer und bürgerlicher Demokratie<br />

zur Folge haben. "Ich selbst bin Kommunist", verteidigte Liebknecht seine<br />

Bedenken gegenüber Bracke, "also prinzipiell mit dem Beschlusse einverstanden,<br />

bedaure aber aus praktischen Gründen, daß er in dieser Form gefaßt<br />

zu einer Zitadelle der Bebel-Liebknechtsdlen Richtung." S. ferner die Reiseabredmung<br />

in DW vorn 14. 8. 1869. Bonhorst erhielt danadl für die Zeit vorn 4. Juli bis zum<br />

10. August rund 41 Taler sowie 1 1 /2 Taler Zehrgeld pro Tag.<br />

37) DW vorn 24. 7. 1869.<br />

88) S. die Aussage vor dem Untersuchungsrichter. Nieders. Staats archiv WoIfenbüttel,<br />

L Neu Abt. 38 A. Fb. 2. Nr. 36 VII.<br />

89) Wilhelm BIo 5, Denkwürdigkeiten eines Sozialdemokraten. 1. Bd. S. 129. Nach<br />

dem "Signalement" in den Geridttsakten war Bonhorst ,,72 1 /, ZoU" groß, seine Stirne<br />

»hoch", die Haare, Augenbrauen und der VoIIbart nlichtblond".<br />

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worden. Die Grundeigenthumsfrage kann den Bauern nur nach und nach klar<br />

gemacht werden. Die Franzosen wußten, was sie thaten, als sie auf dem Baseler<br />

Kongreß gegen die Abstimmung protestirten. Wir brauchen die Bauern nicht,<br />

um Revolution zu machen, aber keine Revolution kann sich halten, wenn die<br />

Bauern dagegen sind" 40).<br />

Schweitzer erfaßte sogleich die Chance, Liebknechts schwankende, zögernde<br />

Haltung gegen die "Eisenacher" auszuspielen und ihre Führer als "Sendboten<br />

und Werkzeuge der deutschen bürgerlichen Demokratie" zu verdächtigen. Die<br />

Opposition gegen die Baseler Beschlüsse, erklärte er, sei ein Verrat an der<br />

größten Gruppe des deutschen Proletariats, den ländlichen Arbeitern, deren<br />

Interessen niemand von denen ihrer städtischen Kollegen trennen dürfe. In der<br />

Hoffnung, Bracke und die ehemaligen Lassalleaner im Braunschweiger Ausschuß<br />

gegen Liebknecht aufzubringen, verhöhnte er sie als" vollkommene Strohpuppen",<br />

die es nicht wagen dürften, gegen die "wirklichen Führer der Partei"<br />

auch nur "zu mucksen". Bebel und Liebknecht aber befänden sich in "Abhängigkeit<br />

von Kapitalisten wie ,Löb Sonnemann' und ,Aron Ladendorf' sowie von<br />

den Geldern des Hietzinger Hofes". "Eure Brüder, die ländlichen Arbeiter.<br />

gebt Ihr auf, wo die Grundbesitzer nicht zu erschreckenlf", rief er seinen einstigen<br />

Gefolgsleuten zu. "Wißt Ihr denn nicht, daß dies das Reaktionärste ist,<br />

was geschehen kann? ... Wißt ihr nicht, daß diejenige Partei, welche nicht den<br />

Mut ihres vollen Prinzips hat, von Anfang an tot ist?" 41).<br />

Bracke und seine Braunschweiger Freunde, an denen der Angriff nicht spurlos<br />

vorüberging, beauftragten Bonhorst mit der Erwiderung. Am 27. und<br />

40) Hochverratsprozeß S. 196. Im Oktober schrieb Liebknecht im gleichen Sinne an<br />

Bonhorst: •... in dem projektirten Manifest des Ausschusses wird das Endziel unserer<br />

Partei so unmotivirt hingestelIt. daß es nur erschrecken würde. wie auch die Baseler<br />

Beschlüsse durch ihre Unmotivirtheit erschreckten. Wartet noch ein wenig. dann sind<br />

die Leutchen schon im Stande, bis Basel zu marschiren. Aber jetzt noch nicht. Muthen<br />

wir es ihnen jetzt zu. so werden uns nur die besten Fußgänger nachkommen. die andern<br />

bleiben zurück. - Mein Wunsch ist. nicht vorzeitig mit der süddeutschen Volkspartei<br />

in Krakehl zu gerathen. Von Gera nach Nürnberg und von Nürnberg nach Eisenach ist<br />

schon ein rascher Vormarsch. Wir werden auch nach Basel kommen. aber jetzt ist es<br />

noch nicht möglich ... U (Hochverratsprozeß S. 195 f.)<br />

Zum Baseler Kongreß s. auch die Begrüßungsadresse "erlassen von H. Ehlers.<br />

Bonhorst, W. Bracke jr. und F. Neidel in Braunschweig. sowie Namens des Lokalvereins<br />

zu Braunschweig und desjenigen zu Wolfenbüttel" in DW vom 11. 9. 1869. Der Braunschweiger<br />

Ausschuß stellte in Basel folgende Anträge: ,,1. Der Congreß wolle besdlließen.<br />

daß für Mitglieder der sozial-demokratischen Arbeiterpartei und nur für<br />

solche, deutsche Mitgliedskarten zu 1 Sgr. jährlich ausgegeben werden; 2. der Congreß<br />

wolle auf die Zeit zwischen Weihnacht und Neujahr nach einem mitteldeutschen Orte<br />

einen Al1gemeinen Internationalen Congreß der Gewerkschaften berufen, zur Regelung<br />

der Gewerkschaftsangelegenheiten Deutschlands. sov.ie zur Herstellung eines Cartel1-<br />

vertrages zwischen den einzelnen Gewerkschaften. sowohl innerhalb als außerhalb der<br />

verschiedenen Länder. d. h. aller Länder untereinander. Bonhorst. • S. hierzu auch<br />

M a y e r, Schweitzer S. 34I.<br />

U) Zit. nach M a y e r, Schweitzer S. 346 H.<br />

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30. Oktober erschien darauf im "Volksstaat" seine Artikelfolge: "Der famose<br />

Diktator und eine der Braunschweiger ,Strohpuppen' im Lichte der Baseler<br />

Beschlüsse" 42). Schweitz.er, erklärte Bonhorst in äußerst scharfem Ton, werde<br />

von der 1. A. A. der Mitgliedschaft für unwürdig erachtet und habe an dem<br />

Zustandekommen der Baseler Beschlüsse keinerlei Anteil. Der ADAV und sein<br />

Organ hätten die "prinzipielle Besprechung unserer bäuerlichen Verhältnisse"<br />

auch früher "ganz außer Acht gelas·sen". Dagegen hätten die drei Vertreter der<br />

Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Basel trotz taktischer Bedenken für die<br />

Resolution gestimmt, da ihnen "die Heiligkeit der Theorie" mehr bedeute "als<br />

die praktischen Nützlichkeitsgründe" . Bei einer längeren Dauer der Diskussion<br />

hätte man sich voraussichtlich auf "ein Uebergangskompromiß zu Gunsten der<br />

deutschen Gruppe" geeinigt und dabei auf die im Vergleich zu England<br />

"embryonenhaften Zustände" der Agrarstruktur in Deutschland Rücksicht<br />

genommen. Die deutsdle Sozialdemokratie handele ebenso wie die Internationale,<br />

"welche nie sagt: ,Der Bien muß', sondern welche es dem freien Forschen<br />

und der gegenseitigen Belehrung überläßt, ihre Mitglieder nach und nach<br />

auf die Höhe der Anschauung unserer Zeit zu erheben". Besonders behutsam<br />

müsse man aber mit dem deutschen Bauern diskutieren, "welcher gerade in dem<br />

jetzigen Uebergangsstadium, während dessen er das Großkapital mit Schlangenwindungen<br />

auf sich zusteuern und immer mehr und mehr seiner Brüder von<br />

Haus und Hof treiben sieht, um so viel mißtrauischer geworden ist gegen Alles,<br />

was sich mit seiner Lage beschäftigt". "Doch naht auch bei uns die Zeit", heißt<br />

es weiter, "wo durch überhand nehmende Subhastationen einerseits und durch<br />

die Konzentration des Bodens in wenigen Händen andererseits, der gewaltsam<br />

von seiner Scholle getrennte Bauer uns gewissermaßen von selbst in die Arme<br />

fällt, und das gediegendste und empfänglichste Material für die kommende<br />

soziale Revolution bildet" 43).<br />

Für die Entscheidungen der I. A. A. seien im übrigen die britisdlen Verhältnisse,<br />

"als die in ökonomischer Beziehung entwickeltsten" entscheidend<br />

gewesen. "Da aber in England", fährt Bonhorst fort, "die Frage des Grund und<br />

Bodens so liegt, daß es dem Pächter einerlei sein kann, an wen er seine Pacht<br />

zahlt und ob derselbe Grundrente oder Staats steuer oder wie sonst genannt<br />

werde, da der ländliche Arbeiter, zum großen Theil durch Maschinenbetrieb<br />

verdrängt, wo er sich noch findet, das größte Interesse daran haben muß, die<br />

35 000 großen Güter, in die das Königreich seiner Oberfläche nadl zerfällt,<br />

expropriirt, d. h. in die Hand der Allgemeinheit übergehen zu sehen, so ist es<br />

ganz natürlich, daß die Internationale diesem Druck von Innen in Basel Luft<br />

verschaffen mußte.<br />

In Frankreich, wo Napoleon 1., um seiner Dynastie die festmöglichste Stütze<br />

zu geben, die von der Republik angebahnte Parzellirung und Vertheilung dee<br />

l2) "Volksstaat" vom 27. und 30. 10. 1869.<br />

U) Die Stelle wurde von der Staatsanwaltschaft im Leipziger Hochverratsprozeß als<br />

Belastungsmaterial herangezogen. Hochverratsprozeß S. 367 H.<br />

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Staats-, Kirchen- und Adelsgüter durchführte, gerieth der auf diese Weise<br />

begründete kleine Bauernstand, eben weil er ... dem Andringen auswärtiger<br />

Konkurrenz nicht widerstehen konnte, nach und nach in die Polypenarme des<br />

großen Kapitals, so daß, wie Marx sagt, ,seine Parzelle nicht mehr im sog.<br />

Vaterland, sondern eigentlich im Hypothekenbuch liegt' 44).<br />

Auch diesem Parzellenbauer müßte es im höchsten Grade erwünscht sein,<br />

wenn er, an SteIle des ... Kapitalisten, den Staat, die Gesammtheit zum reellen<br />

Hypothekengläubiger bekäme ... Eine nach der nächsten Umwälzung in Frankreich<br />

vorzunehmende Expropriation des Grund und Bodens für die Gesammtheit<br />

wird also bei Klarlegung der Frage die überwiegende Mehrheit der Nation auf<br />

ihrer Seite haben ... ".<br />

In einem Schreiben an Marx scheint sich Bonhorst der gleichen Argumente<br />

bedient zu haben. Engels, der den Brief Marx am 1. November zurücksandte,<br />

äußerte sich hierzu recht wohlwollend: "Der Beschluß von wegen des Grundeigentums<br />

hat wahre Wunder gewirkt. Zum erstenmal, seit Lassalle seine<br />

Agitation begann, zwingt er die Kerls in Deutschland zu denken, was bisher<br />

für ganz überflüssig galt. Das sieht man aus dem Brief von Bonhorst deutlich.<br />

Der Brief gefällt mir auch sonst nicht übel. trotz der Schöntuerei und Halbbildung<br />

ist ein gewisser gesunder Volkshumor drin, und mit der Hypothek hat<br />

er doch gleich den rechten Fleck getroffen. Die Leute vergessen übrigens, auch<br />

außer der Hauptsache mit dem großen Grundeigentum, daß es verschiedene<br />

Sorten Bauern gibt: 1. den Pachtbauer, dem es gleichgültig ist, ob der Boden<br />

dem Staat oder dem großen Besitzer gehört; 2. den Eigentümer, erstens den<br />

großen Bauer. gegen dessen reaktionäre Existenz der Taglöhner und Knecht<br />

aufzustacheln ist, zweitens den Mittelbauern, der auch reaktionär sein wird<br />

und der nicht sehr zahlreich ist, und drittens den verschuldeten Kleinbauer, der<br />

mit der Hypothek zu fassen ist ..• " 45).<br />

") Karl M a r x, Der achtzehnte Brumaire des LOUis Bonaparte: n ••• Die Parzelle<br />

liegt nicht mehr im sogenannten Vaterland. sondern im Hypothekenbuch." Bonhorst<br />

hat vermutlich die zweite, 1869 in Hamburg erschienene Auflage benutzt, (5. Marx an<br />

Engels vom 12.2.1870: n Wilhelms Freunde - Bonhorst und Bracke. bei ihrem Besuch<br />

in Hannover, sahen die neue Ausgabe und erzählten mir. sie seien mit Meißner über<br />

Ausgabe einer wohlfeileren Volksausgabe übereingekommen .." Die Erwähnung der<br />

45 Centimes-Steuer und ihrer Bedeutung für die Haltung der französischen Bauern in<br />

der Revolution von 1848 macht es wahrscheinlich. daß Bonhorst auch die damals in<br />

Deutschland noch sehr seltene Schrift von Karl Marx: .. Die Klassenkämpfe in Frankreich<br />

1848 bis 1850" gekannt hat, - es sei denn, daß Marx die Steuer bei der Aussprache<br />

in Hannover erwähnt hat.<br />

45) Marx an Engels vom 30.10. und Engels an Marx vom 1. 11. 1869. Ganz ähnliche<br />

Gedanken hat Eng eIs im Vorwort zur zweiten. 1870 erschienenen Auflage des<br />

"Deutschen Bauernkrieges" entwickelt.<br />

Ober Bonhorst urteilte Marx einige Monate später wesentlich kritischer. So schrieb<br />

er am 4. 12. 1869 an Engels: "Einliegend auch ein Brief von Bracke. Ich habe nichts<br />

gegen Bonhorst. hatte nur dem Kugelmann gesagt. daß ich ihn für eine etwas katilinarische<br />

Existenz halte.· Kugelmann hab::: dies in übertriebener Form nach Braunschweig<br />

HO


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Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen um die Baseler Beschlüsse<br />

hatten Bonhorst, Brad


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Als Bonhorst am 23. Dezember aus der Haft entlassen wurde, hatte im<br />

Waldenburger Kohlenrevier der größte und politisch folgenschwerste Streik des<br />

Winters 1869/70 begonnen. Die Bergarbeiter, Anhänger der liberalen Gewerkvereine<br />

v{)n Hirsch und Duncker, hatten Mitte Dezember die Arbeit niedergelegt<br />

und den Beistand ihrer ArbeiterkoIIegen erbeten. Der Braunschweiger<br />

Ausschuß erklärte sich sogleich in leidenschaftlimen Aufrufen an die Partei,<br />

an die Streikenden und alle Mitglieder der Internationale mit den Waldenburgern<br />

solidarisch 51). Die Entschlossenheit der deutschen Arbeiter und die m{)ralische<br />

Hilfe der I. A. A. würden den Arbeitskampf entsmeiden: "Wir glauben<br />

Eum verspremen zu dürfen", erklärten die Braunschweiger, "daß Eure Brüder<br />

in England, in Frankreich, in Belgien, in Italien, in der Schweiz, ja selbst in<br />

Spanien ... Euch ihre Bruderhand mit Freuden reimen werden. Der Internationale<br />

Arbeiterbund hat schon iiO manmen großen Strike siegreich und glorreim<br />

durmgeführt, er wird auch Eum seine mämtige Hülfe gewähren." Zur<br />

wachsenden Enttäuschung der Partei war jedom von der erhofften Unterstützung<br />

der ausländismen Sektionen zunächst wenig zu verspüren. In einer Erklärung<br />

im "Volksstaat" 52) entschuldigte Spier das Versagen der Internationale mit der<br />

"Hauptschwierigkeit der internationalen Einigung, der Sprachverschiedenheit" .<br />

Um die Hilfe der 1. A. A. zu besmleunigen, habe er sich nun an ihre führenden<br />

Persönlimkeiten gewandt, unter ihnen Jung (London), Hins (BTÜssel), HeB<br />

(Paris), Bruhin (Basel) und den "aItehTWÜrdigen" J. Ph. HecXer in Genf. "Ich<br />

wende mim an Sie in Samen der Waldenburger" , heißt es in dem Smreiben an<br />

Moses Heß. "Der Streik kann sim nimt halten, wenn er nimt vom Ausland<br />

unterstützt wird ... Die deutsmen Arbeiter haben seiner Zeit bei den bedeutenden<br />

Arbeitseinstellungen der Gruppen der Internationale in Basel und Genf<br />

allerorten ihre Pflimt getan, sie hoffen das gleiche jetzt aum von ihren Brüdern<br />

in den uns benachbarten Ländern ... " 58).<br />

Bereits in der übernächsten Nummer, am 22. Januar, konnte der" Volksstaat"<br />

eine Solidaritätserklärung des "Centralkomites der Sekti{)nsgruppe<br />

Deutscher Sprache" veröffentlimen. Am gIeid!en Tag quittierte die Redaktion<br />

&1) "An die strikenden Arbeiter im Waldenburger Kohlendistrikt" ; "An die Mitglieder<br />

der Internationalen Arbeiterassoziation" ; .An die Parteigenossen" .• Der Volksstaat"<br />

Nr. 23 vom 18. 12. 1869.<br />

62) S pie r: "Der Waldenburger Strike und die Mitglieder der Internationalen<br />

Arbeiterassoziation im Ausland" (Wo]fenbüttel, 11. Januar). "Der Volksstaat" Nr.5<br />

vom 15. 1. 1870. Am 17. 12. 1869 hatte Bebel Bracke zu bedenken gegeben: "Es wäre<br />

besser gewesen, wenn Ihr den Waldenburgern nicht so große Unterstützung seitens der<br />

Internationalen Arbeiter-Assoziation in Aussicht gestellt hättet. Die Organisation der<br />

Internationale ist noch lange nicht so weit, um materiell erheblich wirken zu können·.<br />

Hochverratsprozeß S. 509 f.<br />

63) Samuel Spier an Hess, Wolfenbüttel, 11. Januar 1870. Moses Heß Briefwechsel.<br />

Hrsg. von Edmund S i I b ern e r. Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der deut­<br />

Ichen und österreichischen Arbeiterbewegung. Hrsg. vom Internationaal Instituut<br />

voor Sociale Geschiedenis Amsterdam. 's-Gravenhage 1959. S.595.<br />

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eine erste namhafte Spende von 300 fr., die die Sektion Neapel überwiesen<br />

hatte. Zugleich veröffentlichte das Parteiorgan Zuschriften von Jung und Hins.<br />

In Lüttich, erklärte darin der bekannte belgische Sozialistenführer, habe sich<br />

eine Versammlung von 4000 Kohlenarbeitern mit ihren Kollegen in Schlesien<br />

solidarisch erklärt und Geldsammlungen beschlossen. Selbst in Madrid, hieß es<br />

in der gleichen Nummer, habe das Organ der Sektion der 1. A. A. "La Solidaridad"<br />

den Aufruf der Braunschweiger verbreitet. Auch in den folgenden<br />

Nummern konnte der "Volk~staat" immer wieder über Zustimmungserklärungen<br />

und Spenden berichten, die allerdings kaum mehr als symbolischen Wert<br />

besaßen.<br />

Während der Streikkampf die Organisation und Finanzkraft der jungen<br />

Partei aufs äußerste in Anspruch nahm, versuchte Bonhorst, dem Einfluß<br />

Schweitzers im rheinisd!en Industrierevier entgegenzuwirken. Anfang Februar<br />

begab er sich auf eine "Reise nach Essen, Eschweiler, Ronsdorf, Solingen, Köln<br />

und Barmen", auf der er in Eschweiler "wegen mangelnder Legitimation" vorübergehend<br />

verhaftet wurde 54).<br />

Kurz darauf entwickelte sich, wie Bonhorst am 15. Februar nach Genf<br />

berichtete, "ein kleiner Gegensatz in Mitten unseres Aussd!ußes". Bracke, Spier<br />

und ihre Freunde mißbilligten die Eigenwilligkeit des Sekretärs, der Privat- und<br />

Parteikorrespondenz niemals scharf auseinandergehalten und mit der Gründung<br />

einer "Centralstelle für Production, Consumtion und Vermittlung" Grundprinzipien<br />

der Partei verletzt hatte. Man halte ihn nun für "einen Überläufer<br />

in das Lager des Herrn Schulze-Delitzsch", klagte Bonhorst dem alten Freund<br />

und versicherte zugleich, alle seine Arbeit ziele "nur auf eine rein communistische<br />

Unternehmung" ab. Nach offener Aussprache traf der Ausschuß eine<br />

Übereinkunft, die am 16. Februar im "Volksstaat" veröffentlicht wurde 55).<br />

Um "jedes einseitige Vorgehen eines einzelnen Ausschußmitgliedes zu<br />

111) "Volksstaat" vom 5.2.1870. S. auch den "Reisebericht von L. Bonhorst" in<br />

• Volksstaat" vom 2.3., 9.3., 12.3. und 16.3.1870. Nach" Volksstaat" vom 26.2.<br />

1870 sprach Bonhorst am 5.2. in Solingen "über die Unzulänglichkeit des allgemeinen<br />

gleichen Wahlrechts und die Nothwendigkeit der direkten Gesetzgebung durch das<br />

Volk". Engels, der über Liebknecht verärgert war, schrieb in diesem Zusammenhang am<br />

29. April an Marx: .Dem Wilhelm lLiebknechtl hab' ich in aller Freundschaft verschiedenes<br />

auseinandergesetzt sowohl über sein früheres Verhalten wie auch über sein<br />

jetziges im Reichstag. Der Bonhorst ist in Eschweiler verhaftet worden wegen mangelnder<br />

Legitimationspapiere, nachdem das Paßabschaffungsgesetz doch vom Reichstag<br />

gemacht, und Monsieur Liebknecht läßt sich diese Gelegenheit entgehn, die Regierung<br />

wegen einer flagranten lIIegalität zu int~rpellieren und sie zum Geständnis zu zwingen,<br />

daß solche Gesetze für Arbeiter gar nicht gelten sollen. lind dabei erwarten die Esel, die<br />

Arbeiter sollen sie wieder wählen. Ich habe übrigens auch dem Bracke, der mich um<br />

Geld für die ,Partei' anging, gescb.rieben, wie wichtig es sei, daß sie überall Arbeiterkandidaten<br />

aufstellen und durchsetzen. Der Wilhlelm) ist imstande zu sagen, das sei gar<br />

nicht nötig. N<br />

116) Der Beschluß spielte im Braunschweiger und Leipziger Sozialistenprozeß eine<br />

wesentliche Rolle. S. z. B. Hochverratsprozeß S. 516 f.<br />

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verhindern", heißt es darin, habe man beschlossen, daß "alle vom Parteiaus~<br />

schuß ausgehenden Briefe, Erklärungen, Bekanntmachungen usw. die Unter~<br />

sc:hrift von wenigstens zwei Ausschußmitgliedern tragen" müßten. Man habe<br />

sic:h zudem verpflkhtet, "bei allem öffentlic:hen Auftreten .•. nur nac:h gegen~<br />

seitiger Verständigung und in gegenseitigem Einverständniß zu handeln". Die<br />

vom Sekretariat geplante "Erric:htung einer allgemeinen ,Centralstelle für Pro~<br />

duktion, Consumtion und Vermittlung' " wmie "entsc:hieden mißbilligt". "Das<br />

in Eisenac:h aufgestellte Programm", heißt es weiter, "enthält klar und bündig<br />

unser Ziel. Dies Ziel ist nur zu erreic:hen durc:h rastlose Agitation für unsere<br />

Prinzipien! Diese rastlose Arbeit ist die glorreic:he Aufgabe der Arbeiterpartei:<br />

sie hat nur diese eine I"<br />

In den letzten Märztagen besuc:hte Bonhorst die Industriegemeinden des<br />

Südharzes und das Gebiet der Goldenen Aue. In Wieda erläuterte er den Mit~<br />

gliedern des sozialdemokratisc:hen Arbeitervereins das Eisenac:her Programm;<br />

in Frankenhausen referierte er über "Produktiv-Assoziationen" und die Trennung<br />

von Kirc:he und Staat; in St. Andreasberg kritisierte er schließlich "die<br />

3jährige Dienstzeit und die übeln Folgen des Militarismus", eine Rede, die die<br />

Göttinger Staatsanwaltschaft veranlaßte, Anklage zu erheben. Im April erklärte<br />

Bonhorst in Schöningen einer stark besuc:hten Volksversammlung das Parteiprogramm<br />

und die Bedeutung des allgemeinen gleic:hen Wahlrec:hts, das nadl<br />

ihm, .. von der Majorität des Arbeiterstandes ric:htig in Anwendung gebracht,<br />

alle anderen, die privilegirten Klassen, vor die Messersc:hneide stelle, entweder<br />

den Forderungen der wahren Näc:hstenliebe, in dem thatsächlic:hen Zugeständniß<br />

der Gleic:hberec:htigung aUer Mensc:hen gipfelnd, gerec:ht zu werden, oder<br />

muthwillig die Revolution, die gewaltthätige, heraufzubesc:hwören" 56).<br />

116) S. die Berichte im "Volksstaat" vom 9.4.,16.4 .. 23. 4. und 30.4.1870. In Schöningen<br />

zählte die Partei danach 115 Mitglieder, die 19 Exemplare des "Volksstaat"<br />

bezogen. S. auch die Aussage von Bonhorst vor dem Leipziger Gericht (Hochverratsprozeß<br />

S. 531 f.): "Ohne unser Vorgehen würden wir z. B. noch nicht im Besitz des allgemeinen<br />

direkten Wahlrechts sein, so verstümmelt es auch vorliegt in dem Reichstagswahlgesetz.<br />

Unsere Aufgabe ist, durch ruhige aber energische Agitation die Aufklärung<br />

über soziale und politische Verhältnisse im Volke zu verbreiten und so nach und nach<br />

die Verhältnisse in unserem Sinne umzugestalten. Ob das Endziel der Partei. der sozialistische<br />

Volksstaat, schließlich ohne Gewalt erreicht werden kann, das läßt sich durchaus<br />

nicht vorher bestimmen und hängt ganz und gar von den Gegnern der Bewegung ab.<br />

Die Bewegung wird sich mit eiserner Nothwendigkeit entwickeln. keine Macht der Erde<br />

wird im Stande sein, sie zu unterdrücken, weil sie in den Verhältnissen wurzelt. Hat<br />

die Bewegung Gelegenheit. sich in den Bahnen der Reform zu entwickeln, dann wird sie<br />

friedlich die Umgestaltung der bestehenden Verhältnisse vollziehen; wirft man ihr<br />

Gewalt entgegen. dann wird es wohl zur Empörung kommen. Ich hoffe auf die friedliche<br />

Entwicklung und glaube. daß die Angeklagten [Bebei, Hepner, Liebknecht] dieselben<br />

Ansichten hierüber haben. Unsere Aufgabe ist, das Volk aufzuklären und zu<br />

bilden; je gebildeter das Volk ist. um so leichter und friedlicher wird es sein Ziel<br />

erreichen. U<br />

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Obgleich die Partei von den eigenen Sorgen und Nöten fast überwältigt<br />

wurde, versuchte der Braunschweiger Ausschuß, die Werbung für die Internationale<br />

zu verstärken. "Bei Eccarius bestellte ich schon lange 3000 Internationale<br />

Mitgliedsbrten", mahnte Bracke am 17. März in London. Marx<br />

erwiderte nach einer Woche: "Ich habe Ihnen gestern 3000 cards of membership<br />

unter Adresse von Bonhorst zugeschickt" 57). "Ich habe Ihnen", heißt es<br />

weiter, "über die inneren Vorgänge der ,Internationalen' nicht uninteressante<br />

Mittheilungen zu machen. Sie werden Ihnen auf indirectem Wege zukommen<br />

... " Vier Tage später, am 28. März, sandte Marx die "Konfidentielle<br />

Mittheilung" über den Kampf des Generalrats mit den Bakunisten an Dr. Kugelmann,<br />

den er bat, das wichtige Dokument in Braunschweig persönlich zu übergeben<br />

58). Zugleich erbat Marx den Bericht "über den Stand der Bewegung",<br />

den jedes Nationalkomitee alle drei Monate dem Generalrat vorzulegen habe.<br />

"lndem ich Ihnen dieses ins Gedächtniß rufe", fährt Marx fort, "bitte ich, bei<br />

solchem Berichte zu erwägen, daß er 11!d!t für das Publikum geschrieben ist<br />

und daher die Thatsachen ohne Schminke, ganz sachgetreu darzulegen hat."<br />

"Der vierteljährliche Bericht über den Stand unserer Partei", versicherte der<br />

Ausschuß am 9. Mai, "erfolgt in der nächsten Zeit." Es handelt sich offenbar<br />

um den ersten und einzigen Bericht dieser Art, dessen Entwurf im Niedersächsischen<br />

Staatsarchiv Wolfenbüttel erhalten geblieben ist 59). Marx bestätigte<br />

den Eingang am 2. August mit folgenden Worten: "Zunächst meinen Dank für<br />

den ausführlichen Bericht über die Arbeiterpartei in Deutschlandl Ich habe ihn<br />

dem Generalrath .sofort mitgetheilt. U<br />

Marx war an der verstärkten Aktivität des Braunschweiger Ausschusses um<br />

so mehr gelegen, als die Spaltung der mmanischen Föderation auf dem Kongreß<br />

zu La Chaux-de-Fonds im April und die Konstituierung der bakunistischen<br />

"Jura föderation" den Zwiespalt in der 1. A. A. hatte offenkundig werden<br />

lassen. Die Verfolgung der französischen Sektionen nach dem Attentat vom<br />

51) Eck e r t, Unveröffentlichte Bracke-Briefe. S. 8 ff. Der Braunschweiger Ausschuß<br />

kündigte am 9. April im nVolksstaat" an: .Wegen Mitgliedskarten der Internationalen<br />

Arbeiter-Assoziation wolle man sich an Bonhorst. Braunschweig, Wendenstraße<br />

30 wenden. - Die Verzögerung war durch eine ernstliche Krankheit des Herrn<br />

Karl Marx verursacht." Bracke bezeichnete diese Ankündigung im Leipziger Prozeß<br />

(Hochverratsprozeß 5.519) als .. Eigenmächtigkeit" von Bonhorst. Die Karten wurden<br />

nach. Bracke .an viele Orte versandt, nach München, Dresden, Leipzig, Magdeburg<br />

usw.<br />

58) In seinem Begleitbrief an Kugelmann schreibt Marx u. a.: .Am besten lieferst<br />

~u nam. D~rchlesung persönlich die Sache aus und bringst nochmals in Erinnerung, daß<br />

diese Mitteilung konfidentiell, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist."<br />

59) Es scheint so gut wie sicher, daß es sich um den gleichen Bericht handelt.<br />

S. W. B r a c k e. Der Braunschweiger Ausschuß ... S. 154: Briefe an Bebel u. a ..... .<br />

S. 486 ff. und Eck e r t, Unveröffentlichte Bracke-Briefe S. 10 f. Bracke hatte bereits<br />

am 23. März einen ausführlichen Kassenbericht eingereicht. dessen Exaktheit Engels<br />

in seinem Antwortschreiben vom 28. 4. 1870 lobend hervt'fhob. S. Briefe an Bebel<br />

u. a. S. 486 H.<br />

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30. April mamte die Einberufung des nächsten Kongresses der I. A. A. nach<br />

Paris, wo Marx mit einer stärkeren Beteiligung der bakunistismen Fraktion zu<br />

rechnen hatte, so gut wie unmöglich. "Der Pariser plot", schrieb Marx auf·<br />

atmend nach Manchester, "macht dem schon weit gereiften Plan, den Kongreß<br />

in Paris abzuhalten und bei der Gelegenheit auch den Generalrat dahin zu ver·<br />

legen, ein Ende mit Schrecken" 60). Aus der gleichen Sorge forderte der Braun·<br />

smweiger Ausschuß, durch die "Konfidentielle Mitteilung" alarmiert, die Ver·<br />

legung des Kongresses auf deutschen Boden: "Da die politischen Verhältniße<br />

Frankreichs wahrsmeinIich nicht zulaßen werden, daß der Congreß unserer<br />

Internationalen Arbeiterassociation in diesem Jahr zu Paris stattfinden kann",<br />

heißt es in ihrem Antrag, "beeilen wir uns, dem verehrlichen Generalrath<br />

vorzuschlagen, in diesem Jahr den Congreß in Deutschland abzuhalten und<br />

schlagen zu dem Ende als Sitz desselben Mainz, Darmstadt oder Mannheim<br />

vor ... " 61).<br />

Marx stimmte dem Antrag freudig zu. "Die Verlegung des Kongresses nach<br />

Mainz", berichtete er dem Freund in Manchester "gestern unanimously voted.<br />

wird den Bakunin tanzen machen!" 62). Wenige Wochen danach erzwang der<br />

Ausbruch des deutsch·französischen Krieges die Vertagung des Kongresses, der<br />

erst kurz vor dem Niedergang der Internationale 1872 zustande kam.<br />

Inmitten der Kämpfe um die Internationale trat in Stuttgart der 2. Kongreß<br />

der Sozialdemokratismen Arbeiterpartei (4.-7. Juni) zusammen. Aus Braun·<br />

schweig.WoIfenbüttel waren drei Delegierte erschienen. Bonhorst. Ehlers und<br />

Spier, von denen der erstere 368 Parteigenossen aus Helrnstedt, Königslutter,<br />

Magdeburg, Mühlheim a. Rh., Oelsnitz, Schöningen und Solingen vertrat. Dc!n<br />

Höhepunkt des Parteitages bildete das Referat von August Bebel über die<br />

"Grund· und Bodenfrage", mit dem sich die Partei erneut zu den Baseler<br />

Beschlüssen der I. A. A. bekannte. Die "ökonomisme Entwicklung der moder·<br />

nen Gesellschaft". betonte Bebel in der von ihm eingebrachten Entschließung,<br />

mache es zu einer "gesellschaftlichen Nothwendigkeit", "das Ackerland in<br />

gemeinschaftliches Eigenthum zu verwandeI.n und den Boden von Staatswegen<br />

an Ackerbaugenossenschaften zu verpadtten". "Um die vernünftige und wissen·<br />

scnaftliche Ausbeutung des Grund und Bodens zu ermöglichen", heißt es weiter,<br />

"hat der Staat die Pflicht, durch Errichtung entsprechender Bildungsanstalten die<br />

nöthigen Kenntnisse unter der ackerbautreibenden Bevölkerung zu verbreiten."<br />

Eine lebhafte Diskussion lösten die von Bebel aufgestellten Nahziele aus:<br />

"Als Uebergangsstadium von der Privatbewirthschaftung des Ackerlandes zur<br />

genossenschaftlichen Bewirthschaftung fordert der Kongreß, mit den Staats·<br />

domänen, Chatullengütern, Fideikommissen. Kirchengütern, Gemeindelände·<br />

reien, Bergwerken, Eisenbahnen etc. zu beginnen. und erklärt sich deshalb<br />

00) Marx an Engels vom 7. 5. 1870.<br />

01) Eck e r t, Unveröffentlidlte Bracke-Briefe S. 10 ff.<br />

62) Marx an Engels vom 18.5.1870.<br />

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gegen jede Verwandlung des oben angeführten Staats- und Gemeinbesitzes in<br />

Privatbesitz." Während liebknecht, Weerth und York Bedenken anmeldeten,<br />

verteidigte Bonhorst mit Erfolg den Kampf gegen jede Privatisierung der<br />

Domänen. "Die herrschende Klasse im Staate", erklärte er, "dränge zur kapitalistischen<br />

Produktionsweise und wolle dieser auch die Staatsgüter zuweisen.<br />

Dagegen müsse man mit allen Mitteln sich wehren." Der Kampf der Sozialdemokratie,<br />

fuhr er fort, diene der" Verbesserung der materiellen Lage der<br />

weitaus großen Mehrzahl des Volks" und werde daher "nothwendig auch<br />

geistige Fortschritte" zur Folge haben 63).<br />

In den letzten Stunden des Parteitages behandelten die Delegierten einen<br />

Antrag von J. Ph. Bed


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deutschen Volkes nach nationaler Einigung ist berechtigt; haben sich die Deutschen<br />

bei der augenblicklichen gemeinsamen Gefahr wie ein Mann zusammengeschaart,<br />

so wird der gemeinsame Kampf das Band fester und fester schließen,<br />

und vielleicht ersteht aus den großen Wirren von heute zu unserer Aller Freude<br />

in nächster Zukunft der deutsche Staat." "Unsere Aufgabe ist es", heißt es<br />

weiter, "bei der Geburt dieses, so hoffen wir, ganz Deutschland umfassenden<br />

Staates bestimmend mitzuwirken, damit, wenn es möglich ist, nicht der<br />

dynastische Staat, sondern der social-demokratische Volksstaat ins Dasein<br />

tritt ... " Die deutschen Arbeiter dürften dabei nie vergessen, "daß unsere französischen<br />

Nachbarn, daß alle Völker der Erde unsere Brüder sind, mit denen<br />

gleiches Loos und gleiches Streben uns einen. Und wenn auch jetzt, von unserrn<br />

Segen und unsern Wünschen begleitet, die deutschen Krieger hinausziehen müssen<br />

zum Kampf gegen die Söldnerschaaren des französischen Kaisers, so darf<br />

dennoch nie der Haß unser Herz erfüllen gegen die französischen Arbeiter,<br />

gegen die französische Nation." Mit ihnen gemeinsam werde man unter der<br />

"roten Fahne des Proletariats" den Kampf "für die heiligen Principien der<br />

Demokratie und des Socialismus" erneuern. "Es lebe Deutschland!", schließt<br />

der Aufruf 65), "Es lebe der internatienale Kampf des Proletariats!"<br />

In einem Brief an Geib beklagte Bracke den Konflikt mit liebknemt und<br />

die Unklarheit im Verhältnis zur Nation 66). Er könne sich nicht vorstellen,<br />

6~) Marx schrieb daraufhin am 2. August an den Braunschweiger Ausschuß: .. Freunde/<br />

... Den auf dem Braunschweiger Meeting erlassenen Aufruf ... habe ich - wie<br />

Ihr aus dem vom mir vorige Woche zugeschickten Manifeste des Generalrats ersehen<br />

haben werdet - stellenweise diesem Manifest einverleibt". In der .. Ersten Adresse des<br />

Generalrats über den Deutsch-Französischen Krieg" begrüßt Marx zunächst die Antikriegsdemonstrationen<br />

der Pariser Arbeiter, um danach auf Deutschland überzugehen:<br />

" ... Die Stimme der französischen Arbeiter ist zurückgehallt aus Deutschland. Eine<br />

Arbeitermassenversammlung in Braunschweig hat am 16. Juli sich mit dem Pariser<br />

Manifest vollständig einverstanden erklärt, jeden Gedanken eines nationalen Gegensatzes<br />

gegen Frankreich von sich gewiesen und Beschlüsse gefaßt, worin es heißt: ,Wir<br />

sind Gegner aller Kriege, aber vor allem dynastischer Kriege ... Mit tiefem Kummer<br />

und Schmerz sehn wir uns hinein genötigt in einen Verteidigungskrieg als in ein unvermeidliches<br />

Übel; aber gleichzeitig rufen wir die gesamte denkende Arbeiterklasse auf,<br />

die Wiederholung eines solch ungeheuren sozialen Unglücks unmöglich zu machen, indem<br />

sie für die Völker selbst die Macht verlangt, üb~r Krieg und Frieden zu entscheiden<br />

und sie so zu Herren ihrer eignen Geschicke zu machen".<br />

Bonhorst hatte im Juli einen wesentlich radikaleren Aufruf "An die deutschen und<br />

französischen Arbeiter in Stadt und Land" entworfen, der vom Ausschuß nicht gebilligt<br />

wurde. Der Krieg, erklärte Bonhorst, sei ein Complot gegen die Republik, gegen .die<br />

junge Saat der Freiheit in Spanien". "Aufl Aufl Ihr zwei großen Völker I·, schließt die<br />

Proklamation, .Reicht Euch die Händel Ihr rüstigen Gewerbeleute, laßt Eure Werkzeuge<br />

ruhen I Du biederer Bauersmann, lehne Deine Sense an den Baum I Du braver Bruder im<br />

Soldatenrocke, mache ,Gewehr bei Fuß' mit Chassepot und Zündnadel, und hilf uns jenen<br />

Wenigen in die Ohren gellen: Kein Krieg mehr, wenn nicht den let:z: t e n für Freiheit,<br />

Gleichheit, Brüderlichkeit I" S. Briefe an Bebel u. a. S. 489 und W. Bracke, Der<br />

Braunschweiger Ausschuß ... S. 3 f. und 156.<br />

158<br />

86) Bracke an Geib v. 29. 7. 1870. In W. Bracke. Der Braunschw. Ausschuß •.. 5. 5.


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erklärte Bracke, "daß Jemand seines berechtigten internationalen Standpunktes<br />

halber den nationalen verleugnen will". "Ist das Uebermaß an Nationalgefühl",<br />

fährt er fort, "wie das Uebermaß von engerer Vaterlandsliebe (Particularismu~)<br />

zu tadeln, so ist"s ein Gleiches mit dem Uebermaße von Kosmopolitismus. AIIe<br />

drei Dinge sind berechtigt und es muß eben die nöthige Harmonie zwischen<br />

ihnen hergestellt werden. Der internationale Gedanke kann doch nur verwirklicht<br />

werden zwischen den einzelnen Nationen ... "<br />

Als das 2. Kaiserreich mit der Katastrophe von Sedan zusammenbrach,<br />

waren in der Partei alle Zweifel überwunden. Die drohende Annexion von<br />

Elsaß-Lothringen, schrieb Marx dem Braunschweiger Ausschuß, sei "das<br />

probateste Mittel, diesen Krieg in eine europäische Institutüm zu verwandeln"<br />

67). "Es ist in der That das sicherste Mittel, den Militärdespotismus in<br />

dem verjüngten Deutschland zu verewigen als eine Nothwendigkeit zur Behauptung<br />

eines westlichen Polens - des Elsaß und Lothringen. Es ist das unfehlbarste<br />

Mittel, den kommenden Frieden in einen bloßen Waffenstillstand zu<br />

verwandeln. •. DeutsdUand und Frankreich durch wechselseitige Selbstzerfleischung<br />

zu ruiniren. " "Nehmen sie Elsaß und Lothringen", warnte Marx<br />

die Deutschen, "so wird Frankreich mit Rußland Deutschland bekriegen. Es ist<br />

überflüssig, die unheilvollen Folgen zu deuten. Schließen sie einen ehrenvollen<br />

Frieden mit Frankreich. so wird jener Krieg Europa von der moskowitischen<br />

Dictatur emancipiren, Preußen in Deutschland aufgehen machen, dem westlichen<br />

Continent friedliche Entwickelung erlauben, endlich der russischen<br />

soeialen Revolution... zum Durchbruch helfen ..." "Dieser Krieg hat den<br />

Schwerpunkt der kontinentalen Arbeiterbewegung von Frankreich nach<br />

Deutschland verlegt", mahnte Marx seine Parteifreunde in Braunschweig.<br />

"Damit haftet größere Verantwortlichkeit auf der deutschen Arbeiterklasse."<br />

Der Brief von Marx war kaum eingetroffen. als sich der Ausschuß zu<br />

raschem Handeln entschloß. "Morgen schicken wir einen Aufruf an Dich ab, der<br />

jedenfalls in das nächste Blatt muß", schrieb Bonh


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Anhang<br />

I. Leonhard von Bonhorsl an Johann Philtpp Becker<br />

Briefe aus der Braunsdlwelger Zelt<br />

218 (763) 5.10.69.<br />

Lieber Becker I<br />

Sei so gut und sende den steno graphischen Congreßbericht (Baseler) 88) sofort nach<br />

seinem Erscheinen in circa 12-15 Expl. an uns ein. Den Betrag werden wir Dir gleich<br />

nach Empfang einsenden.<br />

Mit vielen Grüßen<br />

Dein Bonhorst.<br />

Stempel: Ausschuss der Socialdemokratischen Arbeiterpartei<br />

65 (Vgl. Abb. 3)<br />

(Briefbogen der Partei)<br />

Braunschweig, den 11. Januar 1870<br />

Lieber Beker I<br />

Aus Beiliegendem wirst Du sehen, wo der Haas im Pfeffer liegt. - Wir werden die<br />

Sache vom Ausschuß wegen energisch betreiben und wollen es schon in die Reihe bringen.<br />

- Wenn die Genossenschaft nur mit einem blauen Auge davon kommt 170) Schreibe<br />

mir um geh end Deine Meinung über das Ganze-denn bei allen solchen Dingen ist<br />

es sehr gut, alle Ansichten zu hören.<br />

Mit Klein 71) wollen wir bald fertig werden.<br />

Viel, viel Arbeit. 0 Magdeburg, du schöne Stadt I 7.)<br />

Dein Bonhorst.<br />

Schweizer is ei dauter Mannl Hel<br />

(Briefbogen der Partei)<br />

139 Braunschweig, den 25/26. Januar 1870<br />

Lieber Becker I<br />

Nächste Woche gehe ich nach Solingen. Hast Du also noch einen Auftrag, dann<br />

theile ihn mir umgehend bis zum 29. Abends mit (30. Morgens 6 Uhr reise ich ab).<br />

Nun noch zwei Fragen:<br />

1. Wie steht es mit Euerem Anschluß an die socialdemokr. Arb. Partei?<br />

88) • Verhandlungen des IV. Congresses des intemationalen Arbeiterbundes in<br />

Basel.· Basel 1869.<br />

70) Es handelt sich vermutlich um die von Fritzsche gegründete Genossenschaft der<br />

Tabak- und Zigarrenarbeiter, für die Bracke finanzielle Bürgschaft geleistet hatte. S.<br />

Eck er t, Unveröffentliche Bracke-Briefe S. 7.<br />

71) Kar! Klein, Arbeiterführer in Solingen.<br />

72) Bonhorst hatte durch die Haft in Magdeburg viele Wochen Arbeitszeit verloren.<br />

160


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Abb. 4 (zu S. 166)


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2. Wird das Centralcomite Deutscher Sprache nicht aufgelöst zu Gunsten der Partei. -<br />

so daß wir unmittelbar mit dem Generalrath in Verbindung kommen7<br />

Oder was habt Ihr sonst vor7 Gib mir doch hierüber genügenden Aufschluß. indem ich<br />

nächstens dem Ausschuß referiren muß. 73)<br />

Sollte jedoch Deine Antwort (bezgl. Solingens) dadurch verzögert werden. so mache<br />

lieber 2 Briefe. damit ich bis Samstag Mittag nöthige Auskunft habe -<br />

Wie immer Dein Bonhorst.<br />

14S (H8)<br />

Lieber Becker I<br />

Braunschweig den 28. 1.70.<br />

Sei so gut und gebe uns umgehend an wie theuer Du uns soo St. Vorbote excl. Porto<br />

berechnen würdest. Hiebei kann natürlich nicht vom Abonnentenpreiß die Rede sein.<br />

Es handelt sich einfach nur um Ausbreitung unserer Ideen und des centralisirten Vermittelungsgeschäftes.<br />

Das entstehende Porto würde Dir extra saldirt. - jedoch bemerke sogleich die Höhe<br />

desselben. so daß wir es in die CaJculation mit hereinziehen können.<br />

Volksstaaten beziehen wir z. B. zu 17 1/2 Sgr. pr. 100 St.<br />

Die Centralstelle für Production. Constnntion und Vermittelung<br />

I. A. Bonhorst<br />

Braunschweig den H. 2. 70.<br />

Lieber Beckerl<br />

In der jüngsten Zeit hat sich so ein kleiner Gegensatz in Mitten unseres Ausschußes<br />

entwickelt. Man vermuthet nämlich in mir einen Ueberläufer in das Lager des Herrn<br />

Schulze - Delitsch. Veranlaßung hierzu hat das. auch an Dich gelangte Cirkulair bezüglich<br />

der Centralstelle gegeben. BTake und Spier sind nun gewIßermaßen .furchtbar<br />

hinter mir" - bewachen mich mit Argusaugen. weil sie einen Schwachgewordenen.<br />

(wenigstens politischen) in mir erbliken.<br />

Ich richte (nun) diese Zeilen an Dich. damit Du einstens. wenn es nöthig erscheinen<br />

sollte. ZeugniS für mich ablegen kannst. - Du aber auch andererseits in meinen Abund<br />

Ansichten klar blikst.<br />

Aus meiner Vorlage ersiehst Du. daß ich nur auf eine rel" comlHu"lstlsche UnterneHmung<br />

abziele. [die] der beutigen Produktionsweise und dem sich hierauf bauenden<br />

Staate ein seeliges Ende bereiten müße.<br />

7') In einem Schreiben an "Bürger Bonhorst" lehnte Becker den Vorschlag ab: .. ad<br />

a) Zwischen der sozialdemokratischen Partei und der Sektionsgruppe deutscher Sprache<br />

der Internationalen bestehe ein gleichberechtigtes und ebenbürtiges Bundesverhältniß<br />

und hätten beide unmittelbar mit dem Generalrathe zu verkehren. ad b) Diese Frage<br />

könnte nur von der Generalversammlung der Sektions gruppe. nicht vom Zentralkomitee<br />

entschieden werden. dasselbe werde jedoch einen solchen Auflösungsantrag nicht stellen·.<br />

Der Brief wurde im Leipziger Hochverratsprozeß als Beweis für offizielle Beziehungen<br />

zwischen dem Ausschuß und der I. A. A. gewertet. S ... Hochverratsprozeß"<br />

S.344.<br />

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Allerdings habe ich mich. damit einen bedeutenden Fehler begehend. zu früh und an<br />

die verkehrte Adresse gewand. - Mein Bodo:n. auf dem ich mich zu bewegen habe. ist<br />

in den Productivassociationen wie sie bestehen und immer neu hinzukommen.<br />

An diese werde ich auch mein Schriftchen richten und sie zu der communistischen<br />

Zentralisation auffordern. Jedenfalls wird es gut sein. diesen Gedankengang nur erst<br />

einmal anregend und pure in die Massen zu schleudern. dann. wenn sich eine Entzündung<br />

zeigt. die Sache praktisch in die Hand zu nehmen.<br />

Ich muß Dir gestehen. so lieb und heilig mir unsere jetzige. rein geistige Bewegung<br />

ist. so innig treu und ergeben ich ihr bin. - ich kann mich dennoch und trotzdem des<br />

Zweifels nicht erwehren. daß sie allein nicht im Stande sein werde. jenen Löwenmuth<br />

zu erzeugen. der sich bei einer. Haus und Hof. - .das Heim" vertheidigenden • Volkswehr"<br />

vorfindet. Erst wenn es gilt. - das socialistische (besser centralbirt - communistische)<br />

"Heim" zu vertheidigen rep. dauernd möglich zu machen. zum Gesellschaftszustand<br />

zu erheben. wird sich jener Grad geistiger Festigkeit verallgemeinert haben.<br />

Hierzu kann aber. bei unserer heutigen .Masse" nur das Beispiel wirken. - die praktische<br />

Vornahme. - weil eben die geistige Abstraktion (leider!) mangelt und die Gewohnheit<br />

des Hergebrachten überwuchert.<br />

Schreibe mir ganz unumhüllt Deine Ansicht. - denn es kann ja leicht sein. - daß<br />

ich vielleicht nur erst einen niederen Begriff entwickelt habe. - trotzdem die Brake'sche<br />

Außerung .20 Jahr hinter Schulze zu Hause" dann doch etwas gewagter Natur ist.<br />

dieweil Schulze nie. ein einziges Mal einen Communistischen Gedanken geboren. Jedenfalls<br />

rechne ich so. - wenn der Zukunftsstaat. (in dem nebenbei bemerkt die freie Concurrenz<br />

(der Productivassociationen untereinander) zu einem Unsinn würde, in dem<br />

vielmehr die Erfahrungen der Statistik und die Errungenschaften der Wissenschaften<br />

überhaupt jene Stelle der Concurrenz einnehmen müßen) in seiner communistischcentralisirten<br />

Gestalt richtig ist, - daß man keinen Fehler begeht. wenn man heute<br />

schon die Annäherung sucht. Auch kann das nidlt .vom Wege ablenken. für das eine<br />

große Ziel stumpf machen" oder wie die Redensarten alle lauten mögen.<br />

Nur so viel bemerke ich Dir noch, - daß die Entwikelung unserer gegenseitigen<br />

Anschauungen (im Ausschuß) nicht die geringste Störung veranlaßen werden. - weil<br />

ich ebenso gut wie Brake und Spier das (Schulze-Delitsche) Bedürfniß fühle. die Geister<br />

(auf dem rein politischen Gebiet) reif zu machen, Demgemäß werde ich meine Kräft.,<br />

nach wie vor und ungeschmälert. - wie bisher verwenden. - zugleich aber gebe ich<br />

Jedem zu bedenken. ob es recht sei, in einem Kampf einen Bundesgenossen zurückzustoßen<br />

und sei er noch so schwach. (Was aber hier noch nicht einmal zutrifft, - denn er<br />

ist mächtig. Wir sehen das. Selbst ohne unser Zuthun. entstehen ganz planlos jeden<br />

Tag neue Prod[uktionsJ Ass [ociationenJ - Gib mir doch gleich Deine Ansicht kund.<br />

Adressire aber den Brief: .Eigenhändlg",<br />

Wie immer Dein vertrauender Bonhorst<br />

Bald mehr auch über Solingen. 5 A<br />

579 (568) Braunschweig den 4. 5.70.<br />

Lieber Becker I<br />

Sei doch so gut und theile uns gleich die Adr. von Rüstow mit. Der alte Kämpe muß<br />

auch zur Unterstützung unserer Partei heran gezogen werden.<br />

Gewiß hast Du auch noch anderweitige Adr. an die wir uns gleicherart wenden<br />

können, die nur angebohrt ::u werden brauchen, um auch ~ofort Etwas zu thuen.<br />

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Theile uns dieselben nur ja alle mit. denn die Finanznoth der Partei ist eben größer<br />

wie je. Beeile Dich deshalb auch ein wenig mit Deiner Antwort.<br />

Den beiliegenden Brief wolle güt[i)gst an seine Adresse gelangen laßen.<br />

Für den Ausschuß<br />

Der Secretair<br />

Spier.<br />

Bonhorst.<br />

Kennen Sie die Adresse v. G. Herwegh. resp. ist bei dem für die Partei was zu holen?<br />

Besten Gruß<br />

Sp[ier)<br />

602 (569) Braunschweig den 9.5.70.<br />

Lieber Bed


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stadium doch so unendlich nothwendig ist, viel weniger beschränkt sein wird, als bei den.<br />

immer etwas Autonomie. etwas Unfehlbarkeit in sich tragenden Commissionsbeschlüssen.-wenn<br />

die Sache nach Euerem Antrag geregelt würde. Andererseits regt die jetzige.<br />

freie Form auch alle Geister zur Selbstthätigkeit an. - während die von Euch vorgeschlagene<br />

einen gewissen Abschluß hervorbringen müßte und so dem für sich Denken­<br />

I a P e 11 Vorschub leistete.<br />

Der nicht weiterblikende Parteigenosse würde sich sagen: Die Commission hat das<br />

berathen. das mup gut sein.<br />

Trotzdem müßen wir Euch zugestehen. daß nach längerer. freier Fortbesprechung.<br />

wenn sich die Ansichten mehr und mehr geleutert haben. Euer Weg. - wenn auch<br />

vielleicht in einigen Fonnalien verändert. betreten werden muß und wird Euch ja alsdann<br />

unser Organ den nöthigen Aufschluß sofort geben.<br />

Empfanget noch für Euer stetes geistiges Mitwirken unseren besten Dank.<br />

Für den Ausschuß<br />

Der Secretair<br />

Spier.<br />

Bonhorst.<br />

Lieber Becker I<br />

Sende uns doch unter (Kreuz)band die Nummer des Vorboten. in welcher der Fragebogen<br />

für statistische Erhebungen (Beschluß des Genfer Congreßes der Internationalen)<br />

enthalten ist.<br />

D.O.<br />

800 (617)<br />

Braunschweig den 5.7.70.<br />

Lieber Becker I<br />

Dein Brief vom 1. d. ist in unseren Händen. 70) Wir müßen Dir jedoch bemerken.<br />

daß Du uns im höchsten Grade Unrecht thust. woran wohl mit am meisten der Einfluß<br />

Euerer wHeißsporne- Schuld sein mag.<br />

1. Wollen wir Dir zur Charakterisirung unserer eigenen Kassenverhältniße nur<br />

bemerken, daß wir z. B. im verfloßenen Monat noch nicht einmal im Stande waren. für<br />

die Gefängnißkosten von Rüdt 75) 10 Thlr. aufzubringen. Unsere Leute sind eben schon<br />

viel zu sehr angestrengt worden od. sind. wie die uns neu Zutretenden. noch nicht opferwillig<br />

genug. - so daß sie selbst ihre regelmäßigen Steuern im höchsten Grade unregelmäßig<br />

zahlen.<br />

2. Mußt Du bedenken. daß es noch in aller Gedächtniß ist. wie sehr schlecht sich die<br />

Scctionen der Internationalen an den Sammlungen betheiligten. welche wir damals für<br />

die Waldenburger veranstalteten. Obwohl wir weit davon entfernt sind. auf diesen<br />

Punkt Nachdruck oder nur weitere Bedeutung zu legen. müßen wir Dir denoch gestehen.<br />

daß er nicht ohne Einfluß geblieben ist.<br />

75) Im Braunschweiger Sozialistenprozeß wurde der Brief auf Antrag der Staatsanwaltschaft<br />

zusammen mit einem Brief J. Ph. Beckers vom 11. Juni 1870 verlesen.<br />

W. B ra c k e. Der Braunschweiger Ausschuß der socialdemokratischen Arbeiter-Partei<br />

in Lötzen und vor dem Gericht. Braunschweig 1812. S. 154 f.<br />

75) Am 9.7.1870 veröffentlichte der _Volksstaat" einen Brief von Rüdt. der sich<br />

am 2. Juli aus Hubertusburg an den Aussdtuß mit der Bitte um Hilfe gewandt hatte.<br />

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3. Weißt Du. daß sim uns in Eisenam die deutsmen Arb. Bild. Ver. der Smweiz<br />

ansmloBen. Aum von dieser Seite sind wir bis heute ganz im Stim gelassen. Das wirkt<br />

ebenfaIls mit.<br />

4. Endlim haben wir den sehr geremtfertigten Einwurf zu befürmten. daß wir für<br />

die internationale Same einträten. die nationalen Striks aber unberücksimtiget ließen.<br />

So stehen unsere Tismler in Wiesbaden smon seit 5 Women aus und neuerdings ist<br />

dom aum der coIlosale Hamburger und Bremer Strik ausgebrochen. 77) Alle diese<br />

Momente müßen wir berücksimtigen und werden dieselben unser Nimt-Vorgehen in<br />

einem etwas milderen Limt ersmeinen laBen. Wie wir trotzdem die Same anzupacken<br />

gedenken. wird Dir wohl smon aus der morgigen Nummer des Blattes ersimtlim. 78 )<br />

Der übrige Inhalt Deines Briefes findet bei uns besten Anklang weil wir uns smon lange<br />

mit der Frage herumtragen. wie wir wohl im Stande sein werden. das ländlime Proletariat<br />

in unsere Reihen zu ziehen. - Dom wird uns hierin ein Smweizer und Cons. nimt<br />

vorkommen. weil er nimt darf. - Nam seiner höheren Ordre hat er den Bauer in seiner<br />

alten Dummheit. seinen Smlendrian zu belaßen.<br />

Mit brüderlimem Gruß<br />

Spier.<br />

Für den Aussmuß<br />

Der Secretair<br />

Bonhorst.<br />

5.7.70.<br />

lieber Becker'<br />

Hast Du smon Bemhard Beckers .Reaetion in Deutschland resp. Die Revolution<br />

von 1848" gelesen? (Wien 1869 A. Pichlers Ww. und Sohn) Darin hejßt es Seite 196:<br />

J. Ph. Becker in Biel. ein zum Bourgeois aufgerückter. früherer Bürstenbinder. bewieß<br />

sim wohl als guter Lärmmamer. aber als ganz schlemter Führer. der nimt einmal seinen<br />

Leuten gleim- und remtzeitig die Ordre zum Aufbrum smickte.<br />

Was sagst Du nun dazu?<br />

Dein Bonhorst.<br />

Braunsmweig den 3.8.70.<br />

lieber Becker'<br />

Die Erklärung des alten Garibaldi 78) veranlaßt uns. demselben unsere Personen<br />

zur Verfügung zu steIlen. Aber außerdem glauben wir Dir nom die Versimerung geben<br />

zu können. daß wir im Stande sein werden. vers miede ne Tausende deutsmer Arbei-<br />

71) S .• Volksstaat" vom 6.7 .• 13.7 .• 16.7. und 20.7. 1870.<br />

78) S. den Aufruf des Aussmusses an die .Parteigenossen" im "Volksstaat" vom<br />

9.7.1870. In der gleimen Nr. quittiert Bracke die ersten 14 Gr .• von mehreren Genossen<br />

in Braunschweig und Wolfenbüttel". Am 16.7. meldete Bracke: .Die eingekommenen<br />

51 Thlr. für Genf sind an Becker daselbst ..• abgesandt."<br />

78) Giuseppe Garibaldi hatte sich geg~n den französismen Kaiser erklärt. Am<br />

21. September 1870 veröffentlichte der" Volksstaat" folgende Erklärung: "An meine<br />

Freunde' Gestern sagte im Euch: Mit Bonaparte Kampf auf Leben und Tod. Im sage<br />

Euch heute: Man muß die französisme Republik auf jede mögliche Weise unterstützen.<br />

Selbst Invalide. habe im mkh der provisorischen Regierung von Paris angeboten ...<br />

G. Garibaldi.·<br />

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ter. - wenn wir nur in den Stand gesetzt werden. die Leute nam Italien befördern zu<br />

können - binnen wenigen Tagen anzuwerben. Setze Dim sogleim mit Garibaldi in<br />

Verbindung und laße uns für den Moment der Action sofort die nöthigen Weisungen<br />

zugehen.<br />

Mit socialrepublikanismem Gruß<br />

Bonhorst<br />

Carl Lüdecke.<br />

11. Entwurf eines Berichts an den Generalrat der I. A. A.<br />

Das Konzept befindet sieb Im NiedersächsIseben Staat,archiv Wolfenbüttel L Neu Abt. 38 a Fb 2 Nr.<br />

36 Vol. I. Der Bericht wurde offenbar zwischen dem IS. Mal und 2. August 1870 nach London übersandt.<br />

In den Gerichtsverhandlungen gab Bonhorst zu. er .habe auch einmal einen summarischen Bericht nach<br />

London abgefASt". das Schriftstilck tlei aber von ihm allein ausgt>gangen .. und wurde anders abgeschickt.<br />

als e. Im Coneept abgefaßt war· HO). In dem von Bracke Im Proz.ßberimt .. röffentlichten Auszug 81)<br />

fehlen nicht allein sämtliche Ortsangaben •• ondern vor allem der politische Überblick. Ob da, dem Generalrat<br />

vorgelegte Original erhalten geblieben ist. konnte leider nicht mehr festgestellt werden. Unter­<br />

'treimungen und nachträglime Emtragungen wurden durm Kursivdruck hervorgehoben. Gestrichen.<br />

Stellen finden sich in spitzen Klammem. Vgl. Abb. 4.<br />

Berimt des Aussmußes d[er) s [ocial) d [emokratismen] A [rbeiter] P [artei] für den<br />

Generalrath der I. A. A.<br />

Als sim unsere Partei. auf Grund der Plaufonn der Internationalen A. A. im August<br />

v. Jahres von der Organisation der smweizersmen Seckte einerseits und der Organisation<br />

des Verbandes der deutschen Arb. Vereine andererseits lostrennte und selbstständig<br />

in Eisenam constituirte. waren es vor allem folgende Orte. welme diesen Act durm<br />

die Kraft ihres Willens trugen:<br />

Augsburg. Apolda. Altona. Braunsmweig. Breslau. Bielefeld. Berlin. Biebrim a.<br />

Rhein. Barmen. Celle. Cöln. Coblenz. Crimmitsmau. Dessau. Dresden. Düsseldorf.<br />

Erbam I. Rh[ein)gau. Erfurt. Elberfeld. Frankfurt a. M .• Frankenhausen i. Tb .• Fürth<br />

b. Nürnberg. Gotha. Gera. GÖppingen. Glaumau. Geyer. Hamburg. Harburg. Halberstadt.<br />

Hannover. Herbom i. Nassau. Heide i. Holstein. Hildesheim. Lauterberg i. Harz.<br />

Lüneburg. Leipzig. Lemhausen. Lunzenau. Mainz. Magdeburg. Mühlheim a. M. [1).<br />

Meerane. Mannheim. Nümberg. Neundorf b. Staßfurt. Ronsdorf. Ronneburg. Reimenberg<br />

i. Böhmen. Solingen. Staßfurt. Stockam i. bad[iscben] Oberl[and). Wolfenbättel.<br />

Wiener-Neustadt. Wiesbaden. Weimar. Worms. Winkel i. Rheingau. (58)<br />

Später reihten sim hieran in Folge von mehrfamen Agitationen die sowohl von<br />

Seiten des Aussmußes. als aum von Seiten der Mitgl[ieder) selbstständig unternommen<br />

wurden nom folgende Orte:<br />

Aue i. Erzgebirg. Aamen. Burgstadt i. Samsen [11. Chemnitz. Comstedt. Cannstadt.<br />

Denken i. PI[auensmen) Grunde. Derenberg b. Halberstadt. Därfel b. Reimenberg i.<br />

Böhmen. Eisenam. Essen. Erlangen. Ehrenfriedersdorf. Esmweiler bei Aamen. Esslingen.<br />

Frohburg i. Erzge[birge). Freiburg i. Sm ... [1). Grüna b. Sigmar. Großenhain. Giengen<br />

a. K[omer). Hainimen. Heddernheim b. Frankfurt/M .• Höchst a. M .• Helmstedt. Hormersdorf<br />

[7). Jüterbogk. Königslutter. Kirmberg i. S[amsen). Kemze b. Glaumau.<br />

&J) W. B ra c k e. Der Braunsmweiger Aus~rhuß ... S. 109.<br />

81) W. B r a c k e. a. a. O. S.153.<br />

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Luckenwalde. Laßnitz. Lichtenstein. München-Bernsdorf. München. Mittweida. Mezingen.<br />

Niederlungwitz i. Sachsen. Niederzwönitz i. Erzg[ebirge). Oberlungwitz. Ölsnitz.<br />

Pforzheim. Rochlitz. Regensburg. Rödlitz b. lichtenstein. Ravensburg. Reichenbach<br />

i. Vgtl.. Saalfeld i. Thür .• Schwiebus b. Frankf. a. Oder. St. Andreasberg i. Hrz. Schwabach.<br />

Straubing. Stuttgart. Schöningen. Schwäbisch-Hall. Wieda I. Harz. Wien. Wesselburn.<br />

Weisweiler b. Aachen. Waldheim i. Sachsen. Wechselburg i. 5 .• Zwickau (62)<br />

und die Centralisation der deutschen Arb[eiter) B[ildungs) V[ereine] in der Schweiz.<br />

Soeben im Anschluß begriffen sind: Bremen. Cassel. Carlsruhe. (ltzehoe). Siegen.<br />

die Orte des Voigtlandes und eiHe Reihe schwäbischer Orte. die früher den Württ{elf]­<br />

bergschelf Gauverband bildeten.<br />

Von den zuerst aufgeführten Orten sind wieder eingegangen:<br />

Biebrich a. Rhein. Von dorten meldet uns der Vertrauensmann. - daß der Stumpfsinn<br />

in dem Arbeiterstande so groß sei. daß sich letzterer um Nichts bekümmere. T rotzdem<br />

laßen wir diesen Ort eben so wenig wie die folgenden aus dem Auge. weil wir<br />

recht wohl wißen. - daß bei Fortentwikelung der kapitalistischen Produktionsweise.<br />

ein Zeitpunkt eintreten (wird) muß. da sich auch die Arbeiter dieser Orte wieder um<br />

den festen Kern unserer Org~nisation schaaren.<br />

Coblenz. Durch die Maßregelungen. welche unseren dorti/:en Vertrauensm[ann)<br />

A. Ellner. Cigarrenarb[eiter). abstumpften und von aller Bewegung weg trieben.<br />

Dessau. Durch verschiedene Reibereien zwischen Mitgl[iedern] unserer Partei und<br />

denen der schweizer' schen Sekte.<br />

Düsseldorf. Aus derselben Ursache. Außerdem fehlt es uns an energischen unabhängigen<br />

Kräften.<br />

(Lauterberg f. Harz. Aus denselben Gründen)<br />

LÜHeburg. Dasselbe.<br />

Reichenberg f. Böhmen. Durch das bekannte Vorgehen der österreichischen Regierung<br />

gegen alle socialdemokratischen Bestrebungen.<br />

Staßfurt. Siehe Dessau und H. Erholt sich aber jetzt zusehends.<br />

Wicncr-Neustadt s. Reichenberg.<br />

Worms s. Dessau und H.<br />

Von den später zugetretenen Orten fallen die österreichischen aus bekannten<br />

Gründen weg.<br />

Außerdem ist:<br />

Schwibus b. Fr[an}kf{u}rt a. Oder durch einen Gewaltakt der kgI. preuB. Polizei in<br />

Rückgang gekommen. Dieselbe belegte nämlich ohne Grund die Kassenbestände mit<br />

Beschlag und schrekte (so) durch Erspinnen [?] und Fort - Maßregeln des Vertrauensmannes<br />

die Uebrigen so. daß uns jetzt sogar jede Adresse mangelt.<br />

Straubing (und Passau) sind für uns vorläufig völlig verschollen. jedenfalls durch den<br />

Einfluß der Klerisei.<br />

Bis jetzt haben wir folgende Herrn mit Agitationen von hier aus betraut·<br />

Th. York in Harburg; G. Windfheimer (ehemals in Lechhausen bel Augsburg jetzt<br />

verschollen). W. Schmidt in Itzehoe. Aug. Rüdt eben im Zuchthaus Hubertusburg.<br />

F X. Luber in Regensburg. F. Obermann jr. in Esmweiler bei Aachen. W. Kölsch eben-<br />

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daselbst. C. Henning in Ronsdorf. C. Demmler in Geyer i. Erzgebirg. C. F. Hupfer in<br />

Lunzenau. A. Welke /H FraHkeHhauseH /H Thür/HgeH. Poll/Hg iH Dessau. Nippoldt /H<br />

Gotha. (Pelle Augsburg?) (Kü/m u. Ehlers). Naters-Halberstadt und unseren Parteisecretair<br />

Bonhorst.<br />

Von diesen officiellen Agitatoren wurden (bis jetzt) gerichtlich bestraft (wegen<br />

Äußerungen in ihren Reden): Rüdt mit 8 M[ona)t und :2 M[ona]t Voruntersuchung<br />

(in Mittweida verhaftet. abgeurtheilt und dann nach Hubertusburg transportirt).<br />

F. ObermaHH Ir. in Eschweiler mit 4 Wochen in Aachen (dabei 4 Wodlen Voruntersuchungshaft)<br />

BOHhorst ebenso bestraft vom Criminalgericht in Magdeburg.<br />

Dittmar von Leipzig nach Frohburg gesand sitzt eben in der Frohnfeste Borna in<br />

Untersuchungshaft.<br />

Den anderen wird täglich schärfer auf die Finger gesehen.<br />

Die von unseren officiellen Agitatoren hauptsächlich berührten Gegenden waren:<br />

Westfalen. Rheinland. Bayern. Sachsen. Hannover. Braunschweig und Holstein.<br />

Von den ohne unsere Mitwirkung und Beauftragung vollzogenen Agitationen heben<br />

wir vor Allen die des Herrn A. Bebel in Leipzig durch Schwaben hervor. - deren Resultat<br />

sich in der bald darauf erfolgenden Auflösung des schwäbischen Gauverbandes der<br />

dortigen Arbeitervereine bemerklich machte.<br />

Im Ganzen zählt unsere Partei jetzt 110 (109) Orte in Deutschland. an denen sie<br />

vertreten ist. Davon kommen auf:<br />

Anhalt :2<br />

Baden<br />

l<br />

Bayern 8<br />

Braunschweig 6<br />

Hamburg 1<br />

Hessen 3<br />

Preußen 33<br />

Reuß j. L. 1<br />

Sachsen Kgrch. (34) 35<br />

Sachsen W. E. 3<br />

C.G. 1<br />

M.H. 1<br />

Schwarzb. Rudolstdt 1<br />

Wrttmberg 10 (9) (8)<br />

113 (109)<br />

Die (schweizerischen) deutschen Arbleiter] Blildungs] V[ereine] der Schweiz haben<br />

bis jetzt noch kein Verzeichniß ihrer Orte eingesand. :<br />

Von diesen 113 (109) Orten sind ihren gegen die Partei eingegangenen Verpflichtungen<br />

völlig nachgekommen .•• " Orte.<br />

Die Anzahl der zahlenden Mitglieder beträgt: .,.<br />

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Die Stellung unserer Partei zu den übrigen läßt sidt etwa (kurz) folgenderart dtarakterisiren.<br />

Die conservativen Elemente. (Junker. Pfaffen und Bourgeois) laBen uns. in ridttigem<br />

Klasseninstinkt die ganze Sdtwere ihrer usurpirten Gewalt fühlen.<br />

Auf Sdtritt und Tritt stoßen wir im Ganzen. wie jeder Einzelne an diesen und jenen<br />

Gesetzesparagraphen ihres Häsdterreglements. wozu (gar häufig) unzähligemal das<br />

freie Vertragsverhältniß zwisdten Arbeitgeber und Arbeitnehmer in eine moralisdte und<br />

physisdte Folter verwandelt wird.<br />

Eigentlidte Staatsbeamten zählen wir deshalb nur (äußerst) versdtwindend wenige<br />

in unseren Reihen. - ebenso wie wir die. im Dienste des Kapitals stehenden Männer<br />

der Wissensdtaft und Kunst audt nodt überwiegend unter unseren Gegnern sehen.<br />

Am gefährlidtsten von allen deutsdten Regierungscliquen ist uns die preußisdte. -<br />

weil dieselbe auf homöopathisdte Weise gegen uns operirt.<br />

Einerseits betritt sie mit uns in ihrem Imperialsocialismus sdielnbar denselben<br />

Boden. - andererseits sudtt sie. durdt kleinlidtes Chikaniren und durdt das Hauptmittel<br />

der Untersudtungshaft unsere Kämpfer möglidtst mürbe ulld ullsdiädlidi zu madten.<br />

So sehen wir denn audt leider eine große Menge von Arbeitern auf die Leimruthe<br />

gehen. denen der Lekkudten vor den Mund und die Pistole in den Rüken gehalten<br />

wurde.<br />

Ist es dodt in der allerjüngsten Zeit vorgekommen. - daß ein Arbeiter. Sdtalmeyer<br />

in Hamburg öffentlidt die Segnungen des Königsthums. gegenüber den Nadttheilen einer<br />

Republik in einer Volksvers[ammlung] von circa 4000 Personen. unter lautem. anhaltendem<br />

Bravo hervorhob. - weil er von Hamburg an preußisdte Gerichte ausgeliefert.<br />

von letzteren aber schlauerweise freigesprodten worden war 82).<br />

Haben dodt die Arbeiter der kgl. Salzbergwecke in Staßfurt unseren Agitatoren in<br />

das Gesicht gesagt: .Ihr wollt die Revolution. wir aber vertrauen dem Grafen Bismark<br />

und unserem König Wilhelm. die werden Alles zu unserem Besten leiten. Unser König<br />

verkauft nur deshalb die Salzbergwerke. damit wir Strik machen und höheren Lohn<br />

verlangen können. was uns nidtt möglich ist. so lange die Werke Staatseigenthum<br />

sind" 83).<br />

Hat doch vor einigen Tagen nodt einer der hervorragen[d]sten Agitatoren (Lübkert)<br />

des königlidten Socialisten Schweizer bei Gelegenheit einer Volksvers[ammlung] in<br />

82) S. hierzu H. Lau f e n b erg. Geschichte der Arbeiterbewegung in Hamburg.<br />

Altona und Umgegend. 1. Bd. Hamburg 1911 S. 420 f.<br />

83) S. den Beridtt von Bonhorst in DW Nr.41 vom 18.9.1869: •... Nun. daß die<br />

in Straßfurth ertheilten Lehren ganz derselben Natur gewesen sind. - beweist uns das<br />

Auftreten der Arbeiter bei Gelegenheit unserer Agitation am 4. ds. Mts. in Staßfurth .•.<br />

Darauf begann denn die Privatagitation und bei dieser Gelegenheit entwickelte mir<br />

gegenüber unser Vorsitzender (ein Zimmermann). Graf Bismarck. das sei der Mann des<br />

Volkes. - der habe den Arbeiterstand nodt nie bedrückt. - wir seien nur Particularisten.<br />

wollten den abgedankten Fürsten wieder auf den Thron helfen. indem wir eine<br />

Revolution anzettelten ... Hrn. Bremer sagte im Verlauf des Gesprächs ein Maurer fast<br />

dasselbe und fügte er noch hinzu: Was thun wir mit allen Vereinigungen. die haben uns<br />

Nichts genützt und werden uns Nichts nützen - unser Kßnig Wilhe1m soll uns vertreten.<br />

Prosit Herr Lübkertl i


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Magdeburg 114) die Ansimt vertreten. daß der Arbeiter aum von dem heutigen Staate<br />

die Mittel zur Errimtung von Productivassociationen erwarten könne. - mit deren<br />

Hilfe er dann im Stande sei. die Folgen der kapitalistismen Production und Ursamen<br />

der. (ehern) Lohngesetzes - Bodenrente. Kapitalzins und Unternehmergewinn - zu<br />

beseitigen.<br />

Ist es dom unzweifelhaft. daß die Organe jener Sekte .Der Agitator und der Socialdemokrat"<br />

aus officiellen Mitteln erhalten werden. Denn smon vor circa einem Jahr<br />

erklärte der nomineJIe Besitzer .. Smweizer". er müße an seinem .. Socialdemokrat"<br />

jährlim 8-900 Thlr. zusetzen und seitdem ist die Abonnentenzahl doch bis auf die<br />

Hälfte gesunken. Trotzdem erscheint. seit Anfang April wöchentlich (noch) einmal der<br />

"Agitator" welcher pro Quartal nur 15 Pfg. kostet.<br />

Die uns gegenüber eingehaltene Richtung gipfelt (hauptsächlim) darin. die Grundlagen<br />

des norddeutsmen Bundes als berechtigt und rimtig darzustellen. also der nationalliberalen<br />

These zu huldigen. daß der Erfolg (wenn aum smeinbarer) die politische<br />

Stellung des Mannes zu bestimmen habe. Daß aber eine solme Politik auf die Dauer dem<br />

Arbeiterstande nimt geboten werden kann ohne die nöthige Maskirung ist klar.<br />

Die Maskirung besteht nun gerade in jener oben erwähnten Art von Socialismus. -<br />

welmer nur deshalb bei einem (gewißen) Theile von nur oberflächlim blikenden Arbeitern<br />

durmsmlagen kann. - weil er einen gewißen Grad von oppositionellem Geist<br />

gegen die offenbar reactionär socialistismen Auseinandersetzungen der Kreuzzeitungs<br />

Don-Quixote Wagener 811) und Cons. in genau bcremnerem Maße bringt und durm das<br />

einseitigste Hervorheben der .Rechte des Arbeiterstandes". welmes in den meisten<br />

Fallen in ein wiederlim-kriechendes Smmeimeln und Hätscheln ausartet. die auf dem<br />

Eigennutz und Eigendünkel ruhenden Leidensmaften wachruft und bis :zu blindem<br />

Fanatismus einerseits und blindem HaSe andererseits anfeuert. in beideH FäJIen aber<br />

Stupidität erzeugt.<br />

Am ausgeprägtesten finden sich diese Argumente smon in Hamburg und Berlin in<br />

der Arbeitersmaft vor.<br />

Wenn. abgesehen von den rein politism-reactionären Blättern der Junkerpartei. die<br />

nur durm die Mamt der Umstände gezwungen. der socialistismen Bewegung ihre Spalten<br />

öffnen. (sim) in Kreuzzeitung. Socialdemokrat und Agitator die Schieß hütte der<br />

Junker verborgen ist. so haben die Pfaffen. nimt minder smlau. auch ihre Fallen in der<br />

Presse gestellt.<br />

Bei ihnen excellirt die socialistische Beschäftigung in ihren .mristlich-socialen<br />

Blättern". dem Organ ihrer Gesellenvereine. Jhre schlaue Tendenz geht dahin den<br />

Arbeiter (damit) in ein für ihn unentwirrbares Labyrinth zu verloken. (daß) indem sie<br />

ihm sagen: .,Ja die Principien von denen Ihr ausgeht sind ganz rimtig und wahr. Aber<br />

es bleibt Eum kein Ausweg als - und damit geht im Hintergrund eine Kirmenthüre auf.<br />

durm welche dann die .Mühseelig und Beladenen" eintretrn. um ihre letzten Peterspfennige<br />

nom los (zu werden) und zur kirmlichreaktionären in jedem geeigneten Moment<br />

als Schrekgespenst zu gebrauchenden frommen. geduldig Hunger leidenden .. Bestie"<br />

abgerimtet zu werden .<br />

• 4) S. hierzu den ausführlichen Versammlungsberimt aus Magdeburg im Volksstaat<br />

Nr. 35 vom 30.4.1870. in dem die Rede Lübkerts eingehend referiert wird .<br />

• &) Der langjährige sozialpolitisme Berater Bismarcks.<br />

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Die Bischöfe von Mainz, Cöln, Münster und Paderborn mit ihren patres militantes<br />

leisten Erstaunliches .8), - und sehen wir deshalb auch den Sitz des christlichen Socialismus<br />

in Rheinland und Westphalen.<br />

Der Dritte im Bunde, der .Socialismus in den Klauen der Bourgeoisie" bäumt sich<br />

unter dem Triumvirat von Schulze, aus Delitsch, Franz Dunker und Dr. Max Hirsch,<br />

den (drei) rühmlichst Bekannten. Neben ihrer politischen Ueberschwemmungspresse,<br />

mühen sich die Edlen noch in ihrem .Gewerk-Verein" und dem in Pforzheim durch<br />

eines ihrer zeitherigen Werkzeuge (Goldarbeiter Wittum) redigirten Blattes den .. Genossenschafter"<br />

ab, - die Arbeiter in ihre Schule der Harmonie hineinzusalbadern.<br />

Sie haben nur Pech, die Armen - denn trotz ihrer Harmonielehre, brach in den<br />

Reihen ihrer Anhänger, unter den Waldenburger Bergarbeitern der größte Strik aus,<br />

den Deutschland bis jetzt gesehen, und ihr Factotum Wittum in Pforzheim wurde durch<br />

ein ähnliches Vorkommen unter den Goldarbeitem Pforzheims ganz aus ihrer Schule<br />

mehr nach unserer Seite hin gedrängt. Was allen drei Richtungen gemeinschaftlich, ist<br />

die Tendenz. den Arbeiter von der Betheiligung an aller politisd,en Bewegung fern zu<br />

halten. - entweder durch offenbare Fälschung der Politik. oder durch Ersatz derselben<br />

durch himmlische oder irdische Harmonie. - alle drei haben. da .das leben der Güter<br />

Höchstes nicht" und der .. Todt der Eingang zu einem besseren Leben" für den Arbeiter<br />

den Mund voll Demuth und Gottvertrauen.<br />

Alle< diese> ihre Trugbilder zerrinnen denn auch dem Danaidenqualen ausgesetzten<br />

Arbeiter in leeren Nebel. wenn er sich die Mühe nimmt selber nachzudenken oder durch<br />

die Gewalt der Umstände zum Nachdenken gebracht wird.<br />

Auf einem besonderen Blatt findet sich folgender Nadftrag:<br />

Die Correspondenz unseres Secretariates umfaßt von Aug.1869 bis Jan. 70 •..<br />

Briefe und von Jan. 1870 bis zum 15. Mai ... Briefe. In den glekhen Zeiträumen<br />

wurden ... bezw. ... Pakete mit Statuten. Programmen und Agitationsschriften<br />

versand. Bis jetzt haben wir versd,leißt [7] 20000 Programme und 20000 Parteikarten<br />

sowie für circa 315 Thlr. Schriften. Die Ausbreitung unseres Organes wird in der Mitte<br />

eines jeden Quartales in demselben bekannt gemacht und ist dorten zu ersehen.<br />

86) Ganz ähnlich Marx am 25.9.1869 aus Hannover an Engels: .. Bei dieser Tour<br />

durch Belgien. Aufenthalt in Aachen und Fahrt den Rhein herauf habe ich mich überzeugt.<br />

daß energisch. speziell in den katholischen Gegenden. gegen die Pfaffen losgegangen<br />

werden muß. Ich werde in diesem Sinn durch die Internationale wirken. Die Hunde<br />

kokettieren (z. B. Bischof KetteIer in Mainz. die Pfaffen auf dem Düsseldorfer Kongreß<br />

usw.). wo es passend scheint. mit der Arbeiterfrage. Wir haben in der Tat 1848 für sie<br />

gearbeitet. nur sie genossen die Früchte der Revolution während der Reaktionszeit".<br />

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IH. Karl Marx über das Verhältnis<br />

des Braunsmweiger Aussmusses zur I. A. A.<br />

Original: Nieden. Staatsarchiv Wolfenbüttel L Neu Abt. 38 a Fb. l Nr. 36 Vol. I. Die handschriftlieben<br />

Eintragungen wurden kunlv wiedergegeben. S. auch W. Bracke, Der Braunsdlweiger Au •• d1uß<br />

••• S. in f. Vgl. Abb. s.<br />

I Karl Marx of 1 Maltland Park Road Haverstock Hili In tue COUHty of Mlddlesex<br />

Secretary for Germany of the General Council of tue International Working Mens<br />

Assoc/atlon do solemnly and sincerely declare as follows<br />

1. That the German Social Democratlc Working Men's Party wltose Commlttee In the<br />

beginning of September One thousand elght hundred and seventy was still seated<br />

at Brunswlck has Hever demanded to be enrolled as part and parcel or as a Sectlon<br />

of the IHteTHatlonal Working Men's AssoclatioH.<br />

2. That tor thls reason such an emolment has never taken place.<br />

3. That many members of the aforesaid German Soc/al Democratic Worklng MeM's<br />

Party have on thelr demalfd bun Ilfdivldually admltted as Members 0/ the Inter­<br />

Hatlonal Workilfg Melf's Assoclation.<br />

4. Tltat tUls Dec1aratiolf is made at the request of Wilhe1m Bracke a Merchalft at<br />

Brulfswlck alfd hlmself a Member of the Ilfterlfatlolfal Working Men's Associatlon.<br />

And I make this solemn Declaration conscientiously believing the same to be true<br />

and by virtue of the provisions of an Act made and passed in the Session of Parliament<br />

of the fifth and sixth years of the reign of His late Majesty King William the Fourth,<br />

intituled .An Act to Repeal an Act of the present Session of Parliament intituled An<br />

Act for the more effectual abolition of Oaths and Affirmations taken and made in<br />

various departments of the State, and to substitute Declarations in Heu thereof. and for<br />

the more entire suppression of voluntary and extra judicial Oaths and Affidavits and<br />

to make other provisions for the abolition of unnecessary Oaths".<br />

Subcribed and Declared at the Mansion<br />

House Ilf the City 0/ LOlfdon<br />

Karl Marx<br />

tltls sevelfteenth day of November 1871.<br />

Be/ore /He<br />

Sills lohn Gibbons<br />

Lord Mayor<br />

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KLEINERE BEITRAGE<br />

Ein Altar des Hans Vredeman de Vries<br />

für die älteste Trinitatiskirme in Wolfenbütlel<br />

Von<br />

August Fink<br />

Der niederländisme Künstler Hans Vredeman de Vries war 1587-90 am<br />

Wolfenbüttler Fürstenhof als Baumeister. temnismer Berater und Maler tätig.<br />

Das hat Friedrim T h ö n e durm sorgfältige Auswertung vieler Urkunden<br />

ermittelt 1). AIs Gemälde des Meisters konnte er in Wolfenbüttel eine 1590<br />

signierte Kreuzigung und zwei Flügelbilder aus dem gleichen Jahr namweisen.<br />

auf denen innen die Armitektur. außen die prämtigen Wappen von der Hand<br />

des Antwerpener Malers stammen. während die Bildnisse der Familie des Herzogs<br />

lulius von einem besmeideneren. wohl einheimismen Künstler hinzugefügt<br />

worden sind. Von Vredeman entworfen ist ferner ein stattlimer Altaraufsatz,<br />

den nam Thöne der Bildsmnitzer Wolter von der Elsmer gearbeitet hat; er<br />

war simer für ein Gemälde Vredemans bestimmt, wnsdlließt jedom jetzt eine<br />

kleinere Tafel aus späterer Zeit mit dem Sieg des Erzengels Mimael über den<br />

Satan.<br />

Die Kreuzigung. 1953 zerbromen als Teil einer Bretterversdlalung in der<br />

Marienkirme entdeckt, jetzt gut restauriert und ebendort verwahrt, ist 1729<br />

als Sdlmuck der fürstlimen Kavaliersprieme ausführlim beschrieben worden 2).<br />

Die F1üge1bilder. jetzt im Schloßmuseum. werden zuerst 1852 in der Herzoglimen<br />

<strong>Bibliothek</strong> erwähnt. die sie aus der 1796 abgebromenen SchloßkapeIIe<br />

übernommen hat 3). Der Altaraufsatz ist 1663 als Stiftung Herzog Augusts d. 1.<br />

aus der ehemaligen Smloßkapelle zu Hessen am Fallsrein der Wolfenbütteler<br />

Iohanniskirme überwiesen worden.<br />

Besteht ein Zusammenhang zwismen den drei BildtafeIn und der ardlitektonismen<br />

Umrahmung? Thöne konnte die Frage ni mt restlos klären, weil er<br />

durm eine ältere. ungenaue und unklare Maßangabe ') irregeführt wurde. Ent-<br />

1) Hans Vredeman de Vries in Wolfenbüttel. Br. lahrb. Bd 41. 1960. S. 47-68.<br />

') (W 0 I t e re c k), Wolfenbüttelsche Merckwürdigkeiten. Wolfenb. 1729. S. 89.<br />

8) Sc h ö n e man n. Merkwürdigkeiten der Herzog!. <strong>Bibliothek</strong>. 2. u. 3. Hundert.<br />

Hannover 1852. S. 58.<br />

') Bau- und Kunstdenkm. Stadt WolfenbütteI. 1904. S. 93: .die Umrahmung umscbließt<br />

eine quadratische Tafel von 142 cm··; es sind 144 cm, und die Zahl bezieht<br />

sich auf die lichte Weite zwischen den Deckleisten hinten am Altar. die ringsum mit<br />

etwa 1.5 bis 2 cm die eingefügte Platte überschneiden. Das Kreuzigungsbild ist 146.5 cm<br />

hoch. 139 cm breit. Die Breite ist. \'ennutlich schon 1590. beiderseits etwas beschnitten.<br />

dabei im Bild der Kreuzstamm um 3,5 cm aus der Mittelachse nach reents gerückt.<br />

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gegen seiner Meinung paßt die Kreuzigung in den Altaraufsatz. Die beiden<br />

Flügel sind eine Ergänzung dieses Bildes zum Triptychon. Aber dieses hat nichts<br />

zu schaffen mit dem Altaraufsatz, dessen Säulen nicht gestatten, bewegliche<br />

Flügel anzubringen. Das Verhältnis der drei Teile zueinander ist kompliziert<br />

und nur aus der Oberkreuzung von zwei Plänen zu erklären.<br />

Der Altaraufsatz ist für das Kreuzigungsbild geschaffen worden, sein<br />

Schnitzwerk und eine Inschrift 5), zwei Sprüche aus dem lohannes-Evangelium,<br />

beweisen es. Kap. 1, 17 ist ein Wort aus einer Predigt 10hannes des Täufers,<br />

der Christus, den Bringer von Gnade und Wahrheit, in Gegensatz zu dem<br />

Gesetzgeber Moses stellt. Das wird im Bilde anschaulich wiederholt; der Täufer<br />

und Moses stehen unter dem Kreuz. Beim Kruzifixus liegt der Nachdruck nicht<br />

auf der Darstellung seines Leidens. Gezeigt werden soll, wie der himmlische<br />

Vater den eingeborenen Sohn hingibt zum Heil der Menschheit: auf der "INRI"­<br />

Tafel steht das Wort: "Es ist vollbracht", und unten kniet Adam, der nicht<br />

im Griff der Sünde verloren geht, sondern im gläubigen Aufblick zum Erlöser<br />

das ewige Leben gewinnt. All das entspricht dem zweiten Vers vom Sockel<br />

des Altaraufsatzes: "Also hat Gott die Welt geliebt ... " (Joh. 3, 16.) Das<br />

Leitmotiv wird im Gemälde bis in kleinste Einzelheiten weiter ausgeführt:<br />

Christus befreit uns vom Fluch des Gesetzes, indem er den Tod am Fluchholz<br />

erleidet. Nach der Eigenart protestantischer Kunst geschieht es nicht nur in<br />

kleinfigürlichen Nebenszenen, sondern auch in sorgfältig gewählten Bibelworten,<br />

die auf der Rückseite der Gesetustafeln zitiert werden 6).<br />

Einen Schritt weiter führt uns die Frage, für wekhen Altar das Werk<br />

ursprünglich bestimmt war. Aufträge auf Altäre waren in unserem Lande am<br />

Ende des 16. Jahrhunderts rar, weil der Übergang zum Luthertum sich zu<br />

Beginn der Herrschaft des Herzogs JuHus in Ruhe ohne Bildersturm vollzog<br />

und das alte liturgische Gerät unverändert überall im Gebrauch blieb. So entstand<br />

hier in den wenigen Jahren, die Hans Vredeman de Vries in Wolfenbüttel<br />

verbrachte, nur einmal Bedarf nach einem Altarbild, als eine junge<br />

Gemeinde eine eigene Kirche brauchte. Im Januar 1589 schrieb der Herzog in<br />

sein Gedenkbuch, die neue Kirche in der Vorstadt "Gotteslager" bei geiner<br />

Residenz komme jetzt unter Dach, und sie habe den Namen "Zu der heiligen<br />

Dreifaltigkeit" bekommen 7).<br />

Im Gebälk von Vredemans Altaraufsatz schwebt eine Taube, und über ihr<br />

mitten in der Bekrönung steht ein Medaillon mit Gottvater; dazu gehört im<br />

Bilde die Hauptfigur, der Gottessohn. Rahmen und Bild ergeben zusammen<br />

einen Trinitatisaltar. Es war damals etwas Neues, eine Kirche unmittelbar<br />

unter das Patronat der göttlichen Dreieinigkeit zu stellen, und ihr ein Bild zu<br />

") Die Schrift am Sockel ist bei einer farbigen Neufassung des Altars erneuert worden.<br />

wiederholt jedoch den ursprünglichen Text.<br />

") 2. Mos. 20; Matth.22, 37-40; 5. Mos. 27, 26; GaI.3.13.<br />

7) T h ö n e. Wolfenbüttel unter Herzog Julius, Br. Jahrb. Bd 33, 1952, 5.59 f.<br />

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widmen, war für einen Maler eine ungewöhnliche Aufgabe. Die mittelalterliche<br />

Bildformel einer Dreivereins in Menschengestalt kam für evangelisches Empfinden<br />

so wenig in Betracht wie der "Gnadenstuhl", das Motiv, das noch Dürer<br />

und Cranach gepflegt hatten. Man mußte schon ein Thema wählen, das allein<br />

Christus in voller Leibhaftigkeit zeigte, den Vater und den Geist nur in symbolischen<br />

Zusätzen sichtbar machte. Das ist hier geschehen. Der Altar ist vom<br />

Herzog Julius für St. Trinitatis bestellt worden.<br />

Nun wird das weitere Schicksal des Kunstwerks verständlich. Herzog Julius<br />

starb am 3. Mai 1589. Unter seinem Sohn und Nachfolger gab es alsbald viele<br />

Neuerungen. Für den alten Herrn war die kleine Marktsiedlung vor dem Kaisertor<br />

die Verwirklichung wenigstens eines kleinen Teiles eines großen Vorhabens<br />

gewesen: der Gründung einer mächtigen Großstadt "Gotteslager" . Sein Erbe<br />

sah in dem Torso nur eine Gefahr für die Festung WoUenbüttel und gedachte<br />

alles wieder abzureißen. 1590 war vorübergehend auch die eben vollendete<br />

Trinitatiskirche zum Abbruch bestimmt 8). Der Gemeinde in diesem Zeitpunkt<br />

nach dem Willen des verewigten Herzogs noch einen prächtigen Altar zu stiften,<br />

war also sinnlos geworden.<br />

Als man sich darüber klar wurde, hatte Vredeman offenbar noch ein anderes<br />

Werk in Arbeit: ein Denkmal des verstorbenen Landesherrn. Es muß als Triptychon<br />

mit einer biblischen Szene in einem Innenraum geplant gewesen sein.<br />

dessen Architektur sich auf den Flügeln fortsetzte. Der Auftrag ist wohl von<br />

der Herzoginwitwe Hedwig ausgegangen. Anzunehmen ist, daß nur erst die<br />

Seitenteile angefangen waren. Ihre Maße 9) paßten gut zu dem noch unvollendeten<br />

Bild für St. Trinitatis.<br />

Ein Kompromiß lag auf der Hand. Das für den ersten Zweck unnütz gewordene<br />

Gemälde und die Epitaph-Hügel wurden kombiniert. Man sah darüber<br />

hinweg, daß die Kreuzigung in freier Landschaft nicht ganz zu den Säulenhallen<br />

auf den Flügeln stimmte. Der niederländische Maler war damals im Aufbruch<br />

von Wolfenbüttel. konnte aber die Fertigstellung der Gemälde von Braunschweig<br />

aus besorgen, wohin er für den Rest des Jahres verzog. In seiner<br />

Lebensgeschichte 10) wird berichtet, er habe in Braunschweig eine Tafel zu<br />

einem Begräbnis gemacht; das kann also das Juliusepitaph gewesen sein. Aufgestellt<br />

worden ist es sicher in der Kapelle, die der Vater des Herzogs Julius<br />

über dem Erbbegräbnis seines Hauses bei St. Marien in WoIfenbüttel errichtet<br />

hatte. Sie ist nach wenigen Jahrzehnten beim Neubau der Marienkirche verschwunden;<br />

in der großen neuen Kirche hat das Epitaph als Ganzes keinen Platz<br />

mehr gefunden.<br />

Übrig blieb 1590 vom alten Plan des Trinitatisaltars die Umrahmung. Aber<br />

auch für sie hat sich sehr schnell eine neue Verwendung ergeben. Die Herzogin-<br />

8) Ebda .• Anm. 311.<br />

9) Im Rahmen je 145 x 60 cm.<br />

10) KareI va n Man der, Schilderboek. HaarIem 1604. BI. 206 v.<br />

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witwe bezog das Schloß Hessen, und dort richtete die Familie eine Kapelle<br />

ein. 1593 wurde die Orgel, 1595 die Kanzel, 1598 ein Taufstein beschafft; an<br />

einen Altar wird man zu allererst gedacht haben. So ist Vredemans Werk spätestens<br />

1593 nach dort gekommen, behelfsmäßig gefüllt mit einem fremden<br />

Gemälde. Es ist vermutlkh während der Witwenschaft der nächsten Landesmutter<br />

in Hessen, der Herzogin Elisabeth (1613-26), noch einmal ausgetauscht worden<br />

gegen das Michaelsbild, das Thöne dem seit 1604 als Hofmaler in Wolfenbüttel<br />

tätigen Christoph Gaertner zuschreibt.<br />

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Der Unglü


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ihr in die Brust herunter gefallen sey, woran sie ohne Hoffnung darniederliege"<br />

5). Zwei Leute, die zur Zeit des Unglücks im Menckeschen Garten gejätet<br />

hatten, sagten vor dem Bürgermeister aus, "daß sie die Kugel in der Lufft<br />

gesehen" hätten, wie sie über den Garten von Prof. Keuffel ß) in den Menckeschen<br />

Garten geflogen sei. "Die Frau Hofräthin habe an der Erde sich gebückt<br />

und Mayoran gepflückt, so sey es gekommen, daß die Kugel durch den Halß in<br />

die Brust hineingegangen" 7). Nach diesen Feststellungen setzte Lichtenstein in<br />

seinem Bericht auseinander, das Scheibenschießen hätte seit Jahrhunderten ("per<br />

secula U ) immer an der gleichen Stelle stattgefunden, und gerade der Montagnachmittag<br />

sei als Schießtag allgemein bekannt. Die Anwohner des Schützenwalles<br />

gingen deshalb auch um diese Zeit nicht in ihre Gärten, "wie denn auch<br />

die Hofräthin Mencken selbst" an den Schießtagen ihre Freundinnen nicht in<br />

den Garten zu führen pflegte, "um nicht unglücklich zu seyn" 8). Besonders<br />

nachdrücklich wies lichtenstein darauf hin, daß das Scheibenschießen zur<br />

üblichen Zeit und am üblichen Ort stattgefunden hätte, so daß nach seiner<br />

Ansicht eine Bestrafung der Schützen gemäß Art. 146 des damals geltenden<br />

Strafgesetzbuches (CCC) 9) nicht in Betracht kommen könnte, falls die Schußverletzung<br />

der Hofrätin den Tod zur Folge haben sollte.<br />

Am 6. Oktober 1760 meldete der Helmstedter Bürgermeister in einer<br />

weiteren Eingabe an


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verlegen. Er erinnerte daran. daß dieser Plan schon 175'5 erwogen. aber damals<br />

vom Kloster St. Ludgeri, das dort Land besitze. entschieden abgelehnt worden<br />

wäre. Um aber künftig die Gefahr von überfliegenden Kugeln aus dem jetzigen<br />

Schießgraben weitgehend auszuschalten. und damit schloß Lichtensteins Bericht.<br />

solle ein .. Fürstl. of/ieier von der Artillerie" mit der Untersuchung beauftragt<br />

werden. ob möglicherweise die jetzt übliche Pulverladung der Gewehre so geändert<br />

werden könnte. daß die Schleuderkraft der Kugeln auf ein Minimum<br />

reduziert würde. "daß die Kugeln nicht so viel Krafft behalten" 11).<br />

In eigener Sache wandte sich nun Hofrat Mencke am 7. X. 1760 selbst klageführend<br />

an Herzog Carl und legte ein .. Unterthäniges und vor mich höchstbetrübtes<br />

Pro Memoria" 12) vor. Darin berichtete er. daß er nur einen Schritt<br />

von seiner Frau entfernt gestanden hätte. als sie "plötzlich durch eine über<br />

den Schützen Wall. wo dazumal Schieß-Tag war. streifende Kugel in den Halß<br />

eine tiefe und gefährliche Verwundung bekahm" 13). In seinem Memorandum<br />

wies der Hofrat auch auf die Gefahren hin. denen nicht nur er mit seiner Familie.<br />

sondern aum alle anderen Bewohner der Stobenstraße an Schießtagen ausgesetzt<br />

wären. und zwar nicht nur in ihren Gärten. auch in ihren Häusern. So<br />

wäre zum Beispiel vor drei Jahren eine Kugel in seine Küche geflogen. eine<br />

andere hätte in der Laube des Nachbargartens eine Weinflasche zerschlagen.<br />

und sogar auf der Straße wären die Menschen vor herumfliegenden Geschossen<br />

nicht sicher. Gerade an dem Unglücksnachmittag hätte der Seilermeister Leonard.<br />

der auf der Stobenstraße "täglich zu spinnen" pflege 14). gesehen, wie<br />

eine Kugel vom SchützenwaII her über sein Haus geflogen wäre. Er wisse sehr<br />

wohl, so berichtete Mencke weiter. daß niemand. der in der Nähe des Schießgrabens<br />

wohne. während des üblichen Montagsschießens in seinen Garten<br />

gehen solle. aber einmal würde die angesetzte Schießzeit (nachmittags von<br />

2-4 Uhr) nicht eingehalten. und zum anderen würde außerdem oft in der Woche<br />

"um Zinn. Schränke. Töpfe. Stühle und dergl. n 15) geschossen. ohne daß es<br />

vorher bekanntgemacht worden wäre. Wenn auch in den letzten 200 Jahren.<br />

so fährt der Hofrat in seiner Klageschrift weiter fort. officiell kein Schießunfail<br />

bekanntgeworden sei. so sei er doch davon überzeugt. daß der Rat der Stadt<br />

sehr wohl wisse. daß manche Kugel überfliege. Ganz besonders zeigte sich<br />

Mencke darüber empört. daß der Magistrat der Stadt es nicht für nötig erachtet<br />

hätte. den Schützen das Schießen wenigstens so lange zu verbieten. wie seine<br />

Frau noch in Lebensgefahr schwebte. Am Schluß des Memorandums bat Mencke<br />

den Herzog dringend darum. den Schießplatz aus der Stadt verlegen zu lassen.<br />

Seinem Schreiben fügte er zwei Anlagen bei: ein Protokoll von Zeugenaussagen.<br />

11) Ebda.<br />

12) Akte S. 9.<br />

13) Ebda.<br />

14) A. a. O. S. 11.<br />

13) A. a. O. S. 12.<br />

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die vor einem Kreis von Gelehrten - den Pr~fessoren Eisenhart, Häberlin,<br />

Höfler und Wernsdorf - in einem consistorio privato am 1. X. 1760 gemacht<br />

wor~en waren, und ein ärztliches Gutachten 16).<br />

Die Zeugen, zwei Studenten, die im Hause Mencken wohnten, Menckens<br />

Diener, die Köchin und das Dienstmädchen des Gartennachbarn Prof. Keuffel<br />

hatten übereinstimmend ausgesagt - sie waren auch bereit, ihre Bekundungen<br />

zu beeiden -. daß sie an Schieß tagen häufig überfliegende Kugeln pfeifen und<br />

aufschlagen gehört hätten. Diese Aussagen erfuhren durch die eigenen Beobachtungen<br />

sowohl des Vizerekwrs Magnifizenz Eisenhart, der von 1748-1760 im<br />

Menckeschen Hause gewohnt hatte, als auch des Hofrats Häberlin. des Nambarn<br />

von Mencke, eine besondere Bestätigung.<br />

Die bei den Ärzte, Prof. Hartmann und der Stadtchirurg Stüber, betreuten<br />

die Hofrätin nach dem Unfall. Sie behandelten die klaffende Halswunde, die<br />

durch eine "ziemlich große Flintenkugel" verursacht worden war, mit Umschlägen<br />

und verordneten wegen des zu erwartenden Wundfiebers "innerliche,<br />

dienliche Mittel". Nach dem ausführlichen medizinischen Sachbericht traf die<br />

Kugel die Patientin zwei Finger breit über dem Schlüsselbein rechts am Hals,<br />

durchschlug die Halsmuskulatur, streifte die Luftröhre und blieb oberhalb des<br />

linken Schlüsselbeines liegen. "wo sie entweder verwachsen oder herausschwören<br />

wird" 17).<br />

Die herzogliche Regierung beruhigte mit einem Reskript vom 10. X. 1760 den<br />

erzürnten Hofrat: Bei der vorgerückten Jahreszeit höre das Schießen ohnehin<br />

auf, und der Schießstand solle aus der Stadt hinausverlegt werden 18). Dem<br />

Magistrat gab sie mit folgender Begründung auf. einen hierfür geeigneten<br />

Platz ausfindig zu machen: "da es durch öftere Erfahrungen und Vorfälle genugsam<br />

bestätigt ist, daß die Kugeln von dem Schützenwalle bereits mehrmalen so<br />

wol in die dahey gelegenen Gärten als auch über das Neumärcker Tbor bis auf<br />

das Tanz-Bleek (= den heutigen Alten Friedhof) gefallen und sogar über den<br />

zum Spatzier-Gang vorgerichteten Wall jenseits des Neumärcker Thores weg<br />

gestreifet sind" 19). Sie schlug vor, den Schießstand hinter den heute noch<br />

18) A. a. O. S. 14. Zeugenprotokoll .. Actum in Consistorio priv."<br />

Joh. Friedr. Eis e n ha r t (1720-1783), Hofrat. ord. Prof. der Rechte. Vorsitzender der<br />

deutschen Gesellschaft in Helmstedt. Franz Dominikus H ä be r li n (1720-1787),<br />

Geheimer Justizrat, ord. Prof. der Geschichte und des Staatsrechts, Universitätsbibliothekar,<br />

Direktor des Herzog!. Convikts. Joh. Jakob H ö fl e r (1714-1781), Geheimer<br />

Justizrat. erd. Prof. der Rechte, braunschwg. Gesandter am Reidlskammergericht in<br />

Wetzlar (vg!. über ihn Erich Sc h rad er, in diesem <strong>Jahrbuch</strong> Bd. 33 (1952) S. 118 H.)<br />

Joh. Christi an Wer n s dorf, (1723-1793). ord. Prof. der Beredsamkeit und Dichtkunst.<br />

Peter lmman. H art man n, ord. Prof. der Medizin und der Chemie.<br />

Joh. Ludwig S t übe r. Stadtchirurg. wohnte Kybitzstr.21.<br />

17) A. a. O. S. 21. Bericht des .medicus und chirurgus·.<br />

18) A. a. O. S. 6.<br />

19) Ebda.<br />

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bestehenden Gasthof "Zum weißen Roß" zu verlegen. Hierzu mußte jedoch<br />

das Kloster St. Ludgeri als Erbenzinsherr dieses Wirtshauses seine Einwilligung<br />

geben. Der Propst des Klosters P. Bierbaum 20) verweigerte sie indessen mit der<br />

Begründung, daß durch einen Schießplatz an dieser Stelle nicht nur der Frachtverkehr<br />

auf den benachbarten Fahrstraßen nach Harbke und Marienbom, sondern<br />

auch die Menschen auf den Feldwegen und in den Gärten gefährdet<br />

würden 21). Der Magistrat empfahl seinerseits


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der Schafmeister Schrader aus der Neumark drohten wegen solcher Minderung<br />

ihres städtischen Pachtackers an der Masch nicht mehr die volle Pacht an die<br />

Stadtkasse zahlen zu wollen, was wiederum den Stadtkämmerer Leopold auf<br />

den Plan rief 26). So scheiterte also die Mission des Leutnants Haake. Die Folge<br />

davon war, daß es für die Helmstedter Schützenbrüderschaft von 1761 bis 1764<br />

weder das Vergnügen des wöchentlichen Scheibenschießens noch das traditionelle<br />

Schützenfest zu Pfingsten mit dem ngewöhnlichen Bürgerlichen Außzug" gab 27).<br />

Gleichwohl nahmen die Schützen das Schießverbot keineswegs gelassen hin. Mit<br />

immer neuen Eingaben, Petitionen und flehentlichen Gesuchen versuchten sie,<br />

die herzogliche Regierung umzustimmen. Wiederholt verwiesen sie auf ihr verbrieftes<br />

Recht an dem Schießstand am Schützenwall, der ihnen auf Anordnung<br />

des Herzogs Heinrich Julius im Jahre 1598 "auff ewig" vom Stadtmagistrat<br />

abgetreten worden war. Auch wollten sie das Schießen nicht nur als Vergnügen,<br />

sondern auch als vormilitärische Übung gewertet sehen; denn "es ist in gantz<br />

Deutschland, wenigstens in hiesigen Landen keine Stadt", in der nicht die<br />

Bürger angeleitet würden, mit dem Gewehr umzugehen, ja jeder Bauer sollte<br />

sogar eine Büchse haben, die er "bey den Landgerichten vorzeigen muß" 28).<br />

Herzog earl I. bestand aber unnachgiebig auf der Schießplatzverlegung und<br />

lehnte auch am 6. IlI. 1763 jenes Bittgesuch ab, in dem die Schützenmeister<br />

als "treu gehorsamste Diener" ihre Freude über den soeben be endeten Siebenjährigen<br />

Krieg und über die glückliche Heimkehr des Erbprinzen zum Ausdru.:k<br />

brachten 29).<br />

Aus dem Schriftwechsel zwischen der herzoglichen Regierung, der Schützenbrüderschaft<br />

und dem Helmstedter Magistrat geht hervor, daß ein überaus<br />

gespanntes Verhältnis zwischen den Bürgern der Stadt und den Angehörigen<br />

der Helmstedter Universität, den "Universitätsverwandten", bestand. Die<br />

Schützen und der Magistrat glaubten nämlich nicht, daß das Schießverbot nur<br />

an der fehlenden Sicherheit des Schießgrabens liege, sie waren vielmehr der<br />

Meinung, daß der umstrittene Schuß auf die Hofrätin Mencke dem Landesherrn<br />

nur ein willkommener Anlaß gewesen wäre, das Scheibenschießen zu verbieten,<br />

um sich die Universitätsprofessoren geneigt zu machen. Aber die Schützen ließen<br />

sich nicht einschüchtern: sie meinten, "daß sold!es von dem Herrn HofRath<br />

Mencken erstlid! müßte bewiesen werden, daß der schädtliche Schuß vom<br />

Schützen Walle wäre gekommen" SO). Würde nicht auch sonst oft an der Stadtmauer<br />

geschossen? In Braunsruweig und Wolfenbüttel wären beim Scheiben-<br />

26) A. a. O. S. 57. "Gehorsamstes Pro Memoria" des Kämmerers Leopold vom<br />

9. V. 1761.<br />

") A. a. O. S.79.<br />

28) A. a. O. S.23.<br />

211) A. a. O. S. 74.<br />

10) A. a. O. S. 26.<br />

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schießen auch schon "casus tragici" 31) vorgekommen, ohne daß es dort, wie in<br />

Helmstedt, gleich völlig verboten wurde; und wäre es wirklich ein so unbilliges<br />

Verlangen, wenn die Anwohner des SchützenwaIIes an einern Nachmittag in der<br />

Woche von April bis Oktober einmal nicht in ihre Gärten gingen? 82). Die<br />

Schützen erklärten sich schließlich bereit, den Universitätsangehörigen dadurch<br />

entgegenzukommen, daß sie anstatt in jeder Woche nur einmal im Monat<br />

schießen wollten. Sie baten, man möchte ihnen doch nicht jede "Freyheit"<br />

nehmen; denn das Schießen wäre die "eintzige Ergötzlichkeit der Bürgerschaft",<br />

einer Bürgerschaft, die sich wegen der Universität ungemein einschränken<br />

müsse. Auch der Magistrat betonte der herzoglichen Regierung gegenüber mit<br />

Nachdruck, daß von seiten der Stadt viel getan würde, um den Professoren und<br />

Studenten das Leben in Helmstedt angenehm zu machen. Erst kürzlich wären<br />

durch die Planierung der Wälle schöne Spazierwege geschaffen und neue Gärten<br />

angelegt worden. Trotz aller dieser Bemühungen nähmen aber die Universitätsverwandten<br />

"die nächste Gelegenheit" wahr, den .hiesigen Bürgern ihr<br />

eintziges, vielleicht nicht unnützes Vergnügen, das Scheiben Schießen zu entreißen"<br />

33).<br />

Da der Herzog bis dato alle Gesuche der Schützen um Wiederbenutzung<br />

ihres Schießstandes konsequent abgelehnt hatte, legten die Schützen in einem<br />

sehr ausführlichen Memorandum vom 24. 11. 1764 noch einmal eingehend ihre<br />

Lage dar und baten von neuem um die Erlaubnis, ihren alten Schießgraben am<br />

SchützenwaII wieder benutzen zu dürfen: Nein, so heißt es in dieser Bittschrift,<br />

sie könnten außerhalb der Stadt wirklich keinen geeigneten neuen Platz finden,<br />

"wißen wir keinen anderen Ort dazu in Vorschlag zu bringen" 34). Das Land<br />

um die Stadt herum gehöre größtenteils den Klöstern St. Ludgeri und St. Marienberg,<br />

die die Anlage eines Schießstandes nicht gestatten würden. Sie, die<br />

Schützen, hätten auch weder" Vrrath noch capitalia" für einen Schützenhausneubau,<br />

der nach eingeholtem Voranschlag 435 Taler kosten solle 35).<br />

Das damalige Schießhaus am SdlützenwaII, das an dem Platze des späteren<br />

"Schützenhofes", des heutigen Hauses Fehlig, stand, war ein Geschenk des<br />

Klosters St. Ludgeri an die Schützenbrüderschaft, die jetzt befürchtete, daß es<br />

möglicherweise bei einer Schießplatzverlegung vom Kloster zurückgefordert<br />

werden könnte. Am Schluß ihrer Eingabe baten die Schützen den Herzog, den<br />

Helmstedter Stadtsyndikus Cellarius und den Landvermesser Keßler zu beauf-<br />

31) A. a. O. S. 44.<br />

3') Ebda.<br />

33) A. a. O. S. 23.<br />

34) A. a. O. S. 86.<br />

3lI) A. a. O. S. 35. "Ansdtlag Vor einen Neuen SdtieS Graben in Closihve der<br />

Materialien und arbeits Lohn vor schibe Karren und rüst Bretter".<br />

183<br />

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tragen, den nunmehr stark gesicherten alten Schießstand am Wallgraben zu<br />

besichtigen 36).<br />

Am 28. 11. 1764 berichtete Cellarius nach Braunschweig, daß er von dem<br />

Antrage der Schützen gehört hätte, ihn mit der Untersuchung des Schützenstandes<br />

auf seine Sicherheit zu beauftragen. Er könnte sich zwar, so fuhr Cellarius<br />

fort, diesem Anliegen nicht versdJließen, aber er mische sich nur höchst<br />

ungern in "diese facheuse Sache" 37). Er selbst würde es im übrigen begrüßen,<br />

wenn den Schützen das ScheibensdJießen nicht wieder gestattet würde. Nach<br />

seiner Meinung halte es die Bürger nur unnötig von der Arbeit ab, störe die<br />

Universitätsprofessoren und die Studenten und sei an Schießtagen eine ständige<br />

Gefahrenquelle sowohl für die Spaziergänger auf den Wällen als auch für die<br />

Menschen in den Wallgärten. Der Herzog ließ daraufhin den Schützen mitteilen,<br />

daß sie ihn mit ihren Gesuchen nicht wieder behelligen sollten, bis sie<br />

"einen andern völlig sicheren Schützen-Stand vor der Stadt" gefunden hätten 88).<br />

Nach dieser endgültigen Absage waren die Helmstedter Schützen gezwungen,<br />

sich ernsthaft nach einem neuen Schießplatz umzusehen. Ihre Wahl fiel<br />

auf den Schwarzen Berg an der Marientaler Straße nach Emmerstedt zu, ein<br />

Gelände, das ihnen in jeder Beziehung als geeignet erschien. Es lag weitab von<br />

der Stadt, schmälerte das Weideland nicht, "da auf selbigem kein Graß, sondern<br />

bloße Heide" wuchs und bildete für die Menschen keine Gefahr, "inmaßen diejenigen<br />

Kugeln, welche die Scheibe verfehlten, notwendig in den Schwarzenberg<br />

hinein gehen müßten" 89).<br />

Da die Landbesitzer in der Nachbarschaft des Schwarzen Berges, die Vertreter<br />

der beiden Klöster, die Weideinteressentschaft, die Bürgerhauptleute und<br />

die "Schöppen" der Neumark gegen den neuen Schießplatz nichts einzuwenden<br />

hatten, bat die Schützenbrüderschaft am 18. VI. 1764 den Herzog um die Einwilligung,<br />

hier das Frei- und übliche Montagsschießen abhalten zu dürfen. Sie<br />

wurde drei Tage später unter der Bedingung erteilt, beim neuen Schießstand<br />

kein Schützenhaus zu bauen, sondern nur "portabile Buden", also Baracken<br />

aufzustellen 40).<br />

Endlich hatten die Schützen nun wieder einen Schießstand, doch damit war<br />

ihr Streit mit der Landesregierung noch nicht beendet. Denn jetzt forderten sie<br />

die Nachzahlung der seit altersher ausgesetzten Gelder und Prämien, die in den<br />

Jahren von 1761 bis 1764 nidlt gezahlt worden waren, also in der Zeit, in der<br />

das Scheiben- und Freischießen "auf Höchsten Befehl" nicht abgehalten werden<br />

durfte. Diese jährlichen Zuwendungen betrugen 36 Taler: 8 Taler zahlte die<br />

18) A. a. O. S. 86.<br />

81) A. a. O. S. 88.<br />

88) A. a. O. S.8;.<br />

89) A. a. O. 5.91.<br />

10) Ebda.<br />

184<br />

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Helmstedter Kämmereikasse - auf Grund einer Anordnung der Herzöge Rudolf<br />

August und Anton Ulrich vom 6. V. 1695 -, 8 Taler bekam der jeweilige<br />

Schützenkönig nach einer Verfügung der Landschaft vom 6. VII. 1708 als Ab~<br />

lösung für die früher gewährte Biersteuerfreiheit, und 20 Taler erhielt der<br />

Schützenkönig, ebenfalls als Geldablösung für völlige Steuerfreiheit, die am<br />

18. IX. 1731 durch die FürstI. Geheime Ratsstube bewilligt und nach einem<br />

herzoglichen Dekret vom 17. V. 1742 aus dem Steueraufkommen der Stadt<br />

bezahlt werden sollten. Die Schützenbrüderschaft wollte und konnte auf diese<br />

Gelder, die früher "ohne alle Einwendung" gezahlt worden waren, nicht verzichten;<br />

denn in den drei Jahren, in denen nicht geschossen werden durfte,<br />

wurden auch keine Mitgliedsbeiträge gezahlt, und die Anlage des neuen Platzes<br />

hatte "aller dabey beobachteten Sparsamkeit ohngeachtet" viel Geld<br />

gekostet 41).<br />

Der Rat der Stadt ließ den Schützen 8 Taler aus der Kämmereikasse auszahlen<br />

in der Hoffnung, daß es der Herzog nachträglich "in Gnaden genehmigen"<br />

würde; gleichzeitig bat man um gnädigste Anweisung, die restlichen<br />

28 Taler auch zahlen zu dürfen. Als die Antwort der Regierung sehr lange auf<br />

sich warten ließ, schickte ihr der Rat der Stadt am 2. X. 1764 eine Abschrift<br />

des herzoglichen Dekretes vom 17. V. 1742 zu, in dem die verlangten Subsidien<br />

bereits bewilligt waren. Darauf erging am 11. X. 1764 das Reskript an den<br />

Magistrat, daß die nachgeforderten Gelder der Schützenbrüderschaft nicht aus~<br />

gezahlt werden sollten. Vielmehr sollte der Rat der Stadt sich darüber Gedanken<br />

machen und geeignete Vorschläge unterbreiten, "wie diese von gar keinem<br />

Nutzen seyende Gesellschaft gänzlich aufgehoben werden könnte" 42).<br />

Dieser landesherrliche Entscheid beendete den jahrelangen Streit, dessen<br />

eigentlicher Anlaß, der Halsschuß der Hofrätin Mencken, längst vergessen worden<br />

war. Die Hofrätin durfte sich eines langen Lebens erfreuen; sie starb am<br />

2. April 1800, vierzig Jahre nach dem SchießunfalI.<br />

11) A. a. o. S. 101.<br />

U) A. 3. O. S. 96.<br />

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Bibliographie zur braunschweigismen Landesgesmichte 1961<br />

A lIgemeil


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17. Ni q u e t. Franz: Die Vor- und Frühgeschichte von Runstedt, Ldkr. Helmstedt.<br />

eine gemeinsame Aufgabe f. Wirtschaft u. Wissenschaft. In: Brschwg Jb. Bd 42.<br />

1961. S. 5-10. 1 Taf. mit Abb.<br />

18. K lei n au. Hermann : Zur Geschichte der Höfe des Dorfes Runstedt (Ldkr.<br />

Helmstedt) und ihrer Ländereien. In: Brschwg. Jb. Bd 42. 1961. S. 11-35. 1 Taf.<br />

19. R i p p e I. lohann Karl: Eine statistische Methode zur Untersuchung von Flurund<br />

Ortsentwicklung. Aus: Geografiska Annaler. Vol. 43. Nr 1-2. 1961. S. 252-<br />

263. Tab. 1-4. Abb. 1-3.<br />

20. Historische Karte des Landes Braunschweig im 18. lh. [Be alb. : Hermann K leina<br />

u. Ernst Pi t z u. Albert Vor t h man n.] 1961. IMeßtisch-]Blatt 3511<br />

Öbisfclde. 4027/4028 Lutter - Goslar. 4127/4227 Seesen - Osterode.<br />

21. K e une. Heinrich: (Entwurf.) Der ländliche Raum als Fundstätte von Quellenmaterial<br />

für die Forschung. Besondere Forschungsprobleme im ländlichen Raum.<br />

- t\iedersäd\sische Dorfbücher. Gielde [1961]. 8 5 .• 3 BI. 4 ° [Masch.schr .• Vervielf.)<br />

22. K e une. Heinrich: Dorfbücher sind wertvolle Fundstätten. Aufgaben der Arbeitskreise<br />

im Kreis Goslar. In: Aus der Heimat. Geschichtsbeil. des Salzgitter­<br />

Kuriers. Nr 2. 1961.<br />

23. 5 c h na t h. Georg: Das Sachsenroß. Entstehung u. Bedeutung des Nieders. Landeswappens.<br />

2. verm. u. verb. Aufl. Mit 92 Abb. auf 37 Taf. (Hannover 1961.)<br />

132 S. 8 o.<br />

24. D e er. losef: Die Siegel Kaiser Friedrich, J. Barbarossa u. Heinrichs VI. in der<br />

Kunst u. Politik ihrer Zeit. )6 S. Aus: Festschrift Hans R. Hahnloser zum 60.<br />

Geburtstag 1959. 1961. [Abb. 21 u. 22 auf S. 19 - Goldbul1e aus der Königszeit<br />

Friedrichs I.. im Staatsarchiv Wolfenbüttel.]<br />

25. ,K rau me. Emi1: Münzprägung u. Silbererz-Bergbau in Mitteleuropa um die<br />

Iahrtausendwende (950 -1050) unter besonderer Berücksichtigung des Herzogtums<br />

Sachsen. In: Der Anschnitt. 19. 13. Nr 4. 1961. S. 3-10.<br />

26. Kr a u me. Emil u. Vera Hat z : Die Otto-Adelheid-Pfennige und ihre Nachprägungen.<br />

Aus: Hamburger Beiträge z. Numismatik. H. 15. 1961. S. 13 - 23.<br />

An!. 1-3.<br />

27. Münzen - Medaillen. Gold. Silber. Bronze. [Auktionskatalog. Bank Leu Sr Co.<br />

AG. Zürich. Adolph Hess AG, Luzern 11. - 12. 10. 1961.] (Luzern 1961: Bucher.)<br />

48 S. XLIV Taf. mit Abb. 4 ° [Nr 45-72: Braunschweiger Taler.)<br />

AlIgemeiHe Geschichte iH zeitlicher RcihcHlo/ge<br />

28. Niedersächsiche Fundchronik (für die Zeit vom 1. 7. 1960 bis zum ~O. 6. 1961).<br />

In: Nachrichten aus Nieders. Urgeschichte. Nr 30. 1961.<br />

IS. 85-112: Gebiet d .. Venrlltungsbezirlco Braun.dtwelg: Tod •• Alfred: Br.lIn.dt .... lande.­<br />

mUSeum I. Ge.dtldltt u. Volkstum. Bodend.nkmalpBege im NIeden. Ve ..... Bez. Braunsdtw.lg S.<br />

85'-86. - Den.: EilZcitlIJte Funde aus Salzgitter-Leben.tedt. S. '6. - Ni q u e t ~ Franz: Band ...<br />

keramlsdte Si.dlung aul dem Glockberg In HelmSledt. Mit 1 Abb. S. 87 - 88. - Tod e. A.:<br />

Spätnoolithlsdto Steinkiste b.1 Brodelem am Harz. Ku. Goslar. Mit Tal. 5 u. 6. S. 89 - 90. -<br />

D.n.: M.galithgrab bel Gr. Stolnum, Ku. H.lm.t.dt. S. 90. - D.n.: Grabhüg.1 der jüngeren<br />

Bronz.z.1t im Sudholz b.1 Sdtladen. ldkro. Goslar. Mit Tal. 7. S. 91-92. - NI q u e t. F.:<br />

Spltbronzezeltlich •• Urnengrab unter Rollstolnp.ckung .ul dem .Slck.l· bel KI.ln Mahner, Kr


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Gudrun: Grabungen auf d .. ottoni,chen Pfalz Werla bei Schladen. Krs. Goslar. S. 106 - 107. -<br />

Tod e. A.: Burg auf dem Kanstein bel langelsheim R. Harz. Kro. Gand.roheim. Mit 1 Abb. im<br />

Text u. Taf. 11. S. 107-110. - De".: Anlagen uJlbestimmter ZeItsteIlung auf dem Wurmberg bei<br />

Braunlage im Harz. S. 110-111.1<br />

29. T h i eIe man n, Otto: Das Hünenbett von Bredelem (Krs. Gosbr). In: Unser<br />

Harz. Nr 2. 1961. S. 7-8, 1 Abb.<br />

30. CI aus, M[artin): Neue Ausgrabungen an der Wallanlage "König Heinrichs<br />

Vogelherd" bei Pöhlde, Krs. Osterode. Die Ausgrabung im Herbst 19;9. In:<br />

Göttinger Jb. 1961. S. 15-20.<br />

31. M r u s e k, Hans - Joachim: Burgenforschung im Gebiet der mittleren EIbe und<br />

Saale [einschl. Braunschweigj. In Burgen und Schlösser. Jg. 2, H. 2. 1961 S.<br />

37-44, 19 Abb.<br />

32. Ba a k e n, Gerhard: Königtum, Burgen u. Königsfreie. Roderich 5 c h m i d t :<br />

Königsumritt in ottonisch-salischer Zeit. Konstanz & Stuttgart: Thorbecke (1961).<br />

233 S. 8 0 (Vorträge u. Forschungen. Bd 6.)<br />

33. Bot h m er, Hermann von: Zur Ent~tehung der sädlsischen Goe. In: Nieders.<br />

Jb. f. Landesgesch. Bd 33. 1961. S. 204-222.<br />

34. La n g e, Karl-Heinz: Die Stellung der Grafen von Northeim in der Reichsgeschichte<br />

des 11. u. frühen 12. Jahrhunderts. In: Nieders. Jb. für bndesgesch. Bd<br />

33, 1961. S. 1-107.<br />

35. He i n r ich, Gerd: Die Grafen von Arnstein. Köln & Graz: Böhlau 1961. Vll,<br />

S68 S. 8 0 (Mitteldeutsche Forschungen. 21.)<br />

36. B ä rm a n n, lohannes: Die Städtegründungen Heinrichs des Löwen u. die<br />

Stadtverfassung des 12. Jahrhunderts. Köln & Graz: Böhlau 1961. XXXII, 309<br />

S. 8 0 (Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte. Bd. 1.)<br />

37. B ü t t n er, Heinrich: Staufer u. Welfen im politischen Kräftespiel zwischen<br />

Bodensee u. mer während des 12. Jahrhunderts. In: Zs. f. Württemberg. Landesgesch.<br />

Jg. 20, H. 1. 1961. S. 17-73.<br />

38. R öhr bei n, Waldemar: Der Anteil der verschiedenen europäischen Nationen<br />

an den Heiratsverbindungen der Welfen. In: Heimatland. Hannover. Jg. 1961.<br />

H. 4. S. 209-221.<br />

39. Hai d ach er, A.: Ober den Zeitpunkt der Exkommunikation Ottos IV. durch<br />

'Papst Innocenz 1Jl. Eine hist.-kanonist. Untersuchung. In: Römische hist. Mitteilungen.<br />

3, 19S8/59 u. 1959/60. 1960. S. 132-18S.<br />

40. Die s tel kam p, Bernhard: Die St5dteprivilegien Herzog Ottos des Kindes,<br />

ersten Herzogs von Braunschweig-Lüneburg (1204-12 S 2). Hildesheim: Lax 1961.<br />

X, 267 S. 8 0 (Quellen u. Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens. Bd 59.)<br />

41. Me r t e n s, Eberhard: Das Urkunden- u. Kanzleiwesen der Herzöge zu Braunschweig<br />

u. Lüneburg. Die Regierungszeit der Herzöge Albrecht u. Johann (1252<br />

-1279). Göttingen 1960. 121 BI. 4 0 [Masd1.Schr., Fotokopie.) Göttingen, Phi!.<br />

Diss. V. 1960.<br />

42. Me r t e n s, Eberhard: Das Urkunden- und Kanzleiwesen der Herzöge Albrecht<br />

u. Johann v. Braunschweig-Lüneburg 1252-1279. In: Nieders. Jb. f. Landesgesch.<br />

Bd 33. 1961. S. 108-142, Taf. 1-3.<br />

43. Eck e r t, Georg: Die Braunschweiger Arbeiterbewegung unter dem Sozialistengesetz.<br />

T. 1. (1878 -1884.) Braunschweig: Waisenhaus· Buchdr. u. Verl. 1961.<br />

3H S. 8 0 (Quellen u. Forschungen zur braunschweigischen Geschichte. Bd 16.)<br />

44. RoIoH. Ernst-August: Bürgertum und Nationalsozialismus 1930-1933.<br />

Braunschweigs Weg ins Dritte Reich. Hannover: Verl. f. Lit. u. Zeitgeschehen<br />

(1961). 174 S. 8 G.<br />

188


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Rechts-, VerfassuHgs- uHd VerwaltuHgsgeschichte<br />

45. Fr e i tag, Friedrich: Geschichtsbilder aus dem Ambergau. T. 1. Tausend Jahre<br />

Rechtsprechung u. Ordnungswille in einer Vorharzlandschaft. (Bockenem : Laaser<br />

1961.) 140 S. 8 o.<br />

46. E bel, Wilhelm: Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts.<br />

Göttingen: Schwartz 1961. 137 S. 8 0 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Goslar.<br />

H. 20.) (Göttinger Rech~swissenschaftliche Studien. Bd 37. [Sonderausg.))<br />

47. Li n d a u, Bruno: Eine wichtige genealogische Quelle f. Goslar. In: Norddt.<br />

Familienkunde. Jg. 11, H. 1. 1962. S. 23-26. [Betr.: Ebel, W.: Studie über ein<br />

Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts.)<br />

Kirchelfgeschichte<br />

48. Urkunden und Akten der Reformationsprozesse. Am Reichskammergericht, am<br />

Kaiser!. Hofgericht zu Rottweil u. anderen Gerichten. T. 1. Tübingcn (: Fabian)<br />

1961. 8 0 (Schriften zur Kirchen- u. Rechtsgesch. H. 16/17.)<br />

T. 1. ABiemeine. IBC>-1SH. OueBenbum %. Ge.midlte deo .remd. Krieges- gegen protestierende<br />

Fürsten u. Städte vom Augsburger Reimsta~e bio zur Rehr .. tion deI Kammerrimters u. der Mehrheit<br />

der Beisitzer dea Kaiserl. Kammergerichtes :zu Speyer in Religionssamen. Bearb. u. hrsg. von<br />

Ekkehart Fa b I a n. Mit e. Geleltw. von Rudolf Sm end.<br />

49. Leu sc h n er, Ute: Das Schicksal der Frauenklöster im Herzogtum Braun·<br />

schweig IWolfenbiittel z. Zt. des Schmalkaldischen Bundes gezeigt am Kloster<br />

Heiningen. 1961. 49 S., 4 ° [Masch.schr.) Prüfungsarbeit am MitteIschullehrer­<br />

Institut der Pädagog. Hochschule Göttingen. [Verleihbar f. wissenschaft!. Zwecke<br />

nach Rückfrage bei Herrn Prof. Dr. Mitgau.)<br />

50. La n g e, Bernhard: Die Generalkirchenvisitation im Fürstentum Lüneburg 1568.<br />

In: Jb. der Gesellschaft f. nieders. Kirchengesch. Bd 58. 1960. S. 41-100. [Darin<br />

auch: Amt Campen.)<br />

51. Sc h w a ger, Hans-Joachim: Johann Arndts Bemühen um die rechte Gestaltung<br />

des Neuen Lebens der Gläubigen. (Münster/Westf.) 1961 (:Kramer). 2, 176 S. 8 0<br />

Münster. Theo!. Diss. V. 21. Nov. 1959. [1599-1608 hat Amdt in Braunschweig<br />

gewirkt.)<br />

52. Heu t ger, Nicolaus C.: Evangelische Konvente in den welfischen landen u.<br />

der Grafschaft Schaumburg. Hildesheim: Lax 1961. VIII, 190 S. 8 o.<br />

53. Kr 0 n e nb erg, Kurt: Äbtissinnen des Barock - Lebensschicksale in Ganders·<br />

heim 1656-1713. Bad Gandersheim: Hertel 1961. 206 5., 47 Abb., 2 Taf. 8 0<br />

(Aus Gandersheims großer Vergangenheit. Bd 3.)<br />

54. Sc h u e s sIe r, Herrnann: Georg Calixt. Theologie u. Kirchenpolitik. Eine Stu·<br />

die zur Ökumenizität des Luthertums. Wiesbaden: Steiner 1961. XII, 246 S. 8 0<br />

(Veröffentlichungen des Instituts f. europäische Geschichte Mainz. Abt. f. abend·<br />

länd. Religionsgesch. Bd 25.)<br />

55. Loewenich, Walter von: Luther \lnd Lessing. Tübingen: Mohr 1960.35 S.<br />

8 ° (Sammlung gemeinverständlicher Vorträge u. Schriften aus dem Gebiet der<br />

Theologie u. Religionsge~chichte. 2~2.)<br />

Wlrtschafts- uHd Verkehrsgeschichte<br />

56. K er k hof f, Wilhelm: Betriebswirtschaftliche Verhältnisse im Gemüsebaugebiet<br />

Wolfenbütte!. Mit 19 graph. Darst. Bremen - Horn: Dorn 1958. 85 S. 8 0<br />

(Veröffentlichungen des Nieders. Amtes f. Landesplanung u. Statistik. Reihe A I,<br />

Bd 71.) (Schriften der Wirtschaftswissenschaft!. Gesellschaft zum Studium Nieder·<br />

sachsens e. V. N. F. Bd 71.)<br />

189


<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />

57. Li m p r ich. Hans: Zur Frage der Wasserrücknahme und Abwasserreinigung<br />

einschließlich d. Abwasserlandbehandlung bei den Zuckerfabriken im Verwaltungsbezirk<br />

Braunschweig. Hannover 1960. 296 S .• Abb. 1-64 auf TaL An!. 1-41. 8 0<br />

(Rotaprintdr.] (Mitteilungen aus dem Institut f. Wasserwirtschaft u. landwirtschaft!.<br />

Wasserbau der TH Hannover. H. 2.)<br />

58. Sc h re w e. Heinrich u. Gerhard Li n d n er: Wasserwirtschaft (des Raumes<br />

Salzgitter]. In: Unsere Hütte (Werkszs. Hüttenwerk Salzgitter AG). Jg. 11. H.<br />

1-5. 7-9. 1961. S. 11-13. 2 Abb .• 46-48. 3 Abb .. 86-89. 4 Abb .• 127-129.<br />

8 Abb .• 169-171. 8 Abb .• 254-257. 13 Abb .• 329-331. 4 Abb.<br />

59. Die Torfgewinnung im Brockengebiet. In: Unser Harz. Nr 11. 1961. S. 4 - 6.<br />

1 Abb.<br />

60. Bornemann. Manfred: Der Steinkohlenbergbau im Harz. In: Unser Harz.<br />

Nr 11. 1961. S. 6-8. 2 Abb.<br />

61. Lau b. G.: Zur Frage der vor- u. frühgeschichtlichen Kupfergewinnung im Hochharz.<br />

In: Unser Harz. Nr 4. 1961. S. 10-12. 2 Abb.<br />

'<br />

62. L 0 m m atz s eh. Herbert: Der Bergbau bei Buntenbock (Oberharz) . In: Brschwg.<br />

Heimat. Jg. 47. H. 1. 1961. S. 1-6.<br />

63. Kr a u me. Emil: Stratigraphie u. Tektonik der Rammelsberger Er::Iager unter<br />

besonderer Berücksichtigung des Neuen Lagers unter der 10. Sohle. In: Zs. f.<br />

Erzbergbau u. Metallhüttenwesen. Bd 13. 1. 1960. S. 7-12. 6 Abb .• 1 Tab.<br />

64. (B I 0 ß. Otto:) Zur Geschichte der Glashütten im Kreise Holzminden. (Holzminden<br />

1961.) 6 BI.. 1 Kt. 4 0 [Masch.schr.] s. auch Nr. 185.<br />

65. Hof fm an n. Rudolf: Was kann der Personenverkehr zur wirtschaftl. Rechtfertigung<br />

des Baues einer neuen Eisenbahnstrecke (Braunschweig-Uelzen] beitragen?<br />

Düsseldorf 1961: Handelsblatthaus. S. 17-35. 8 0 Aus: Zs. f. Verkehrswissenschaft.<br />

Jg. 32. H. 1. 1961.<br />

66. Braunschweiger postgeschichtliche Blätter. Hrsg. von der Gesellschaft f. dt.<br />

Postgesch. e. V .• Bezirksgruppe Braunschweig. H. 3/4. Okt. 1961.<br />

IDarin u. a.: Pa. c k e I man n. K.: Die Nordbäu.er Wad"t.fcln. S.2-J. J Abb. - D r 0 g g ••<br />

H.: Die königlich preußi.che optische Telegraphenstation Nr. 28 im Herzogtum Braun.chweie. S .<br />

.. - 8. 6 Abb. - R 0 • e. K.: Von Po.tverwaltem u. Briefboten in Schöningen. S. 9 - 12. -<br />

5 leg man n. W.: Der Poothau,brand In Einbede im Jahre ]907. S. 12-13. 2 Abb. - F I n % e •<br />

K.: Vom alten Po.twcscn Im süd!. Niedersach,en. S. 21.1<br />

67. 80 Jahre Fachvereinigung de~ Hotel- und Gaststättengewerbes für Stadt- u. Landkrs.<br />

Braunschweig e. V. Am 26. Sept. 1961. «(Braunschweig:] 1961.) 36 S. 8 ".<br />

Gesdtichte der geistigen Kultur. KUl1stgesdlichre und DCl1kl1tCllpf1cge<br />

68. B ra nd es. Walter: Bibliographie der niedersächsischen Frühdrucke bis zum Jahre<br />

1600. Mit 30 Faks. Baden-Baden: Heitz 1960. 138 S. 8 0 (Bibliotheca bibliographica<br />

Aureliana. 4.)<br />

(Enthält die Drudee aus den Offizinen in Braunschwe!g. Duderstadt. Emden. Hannover. HeIm.tedt.<br />

Hilde.heim. LOn.burg. Uelzen u. Zenerfeid (I).]<br />

David Chyträus u. d. Gründung der Univ. Helmstedt s. Nr. 150.<br />

69. Ha r t man n. Wilhelm: Wolfenbüttel as the place where 'Aviso' of 1609 - the<br />

oldest printed newspaper - was printed. Aus: Gazette. Vol. 7. No 2. 1961. S.<br />

177-187.<br />

70. F i g g e. Robert: Gallicanus - Dramatische Dichtung der Hrotswitha von Gandersheim.<br />

In: Unsere Diözese in Verght. u. Ggwt. Jg. 30. H. 1. 1961. S. 19-36.<br />

71. F i g g e. Robert: Die Legende der heiligen Agnes nach Hrotswitha von Gandersheim.<br />

In: Unsere Diözese in Vergh. u. Ggwt. Jg. 30. H. 2. 1961. S. J-12.<br />

190


<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />

72. M a r y M arg u a r i t e Butler RSM [amerikanische Ordensfrau): Hrotswitha­<br />

The Theatricality of her Plays. New York 1961. 234 S.<br />

73. Co r des. Gerhard: Norddeutsches Rittertum in der deutschen Dichtung des<br />

Mittelalters. In: Nicders. Jb. f. Landesgesch. Bd 33. 1961. S. 143-157.<br />

74. Eulenspiegel - <strong>Jahrbuch</strong>. Hrsg. vom Freundeskreis des Eulenspiegel - Museums zu<br />

Schöppenstedt e. V. Braunschweig-Sdlöppenstedt: Oeding (1961). 43 S. 8 ".<br />

IDarin u. a.: Da. neue EulenspiegelmuStum in Schöppensledt. S. 3-6. 1 Abb. - M e r I die ••<br />

Wilhelm: Eulenspiegel. der Kämpler I. Mensenenlreihe!t u. Mensd1enred1t. Zu CharIes de CO'lcr.<br />

Ulen'piegel. S. 7-14. - R n 1 0 I I. Ern.t AugusI: Eulenspiegel der Nieders.ense. S. 14-24. -<br />

Freunde.krels der Eulensplegel.tädte In Flandern u. Deut,d1land. S. 32-33.)<br />

75. Raabe. Wilhelm: Werke in 2 Bänden. München & Zürich: Droemer/Knaur<br />

(1961). 8°.<br />

76. (R a ab e. Wilhelm:) Das Ewige ist stilI.:. Ein Raabe - Hausbuch. Hrsg. u. mit e.<br />

Nachw. von Hermann Po n g s. Stuttgart: Kreuz-Ver!. (1960). 295 S. 8°.<br />

77. Raa be. Wilhelm: Unser Wilhelm Raabe. Ein Raabe - Büchlein f. die Jugend.<br />

Ausgew. u. bearb. von Friedrich K 0 e h I e r t. Wolfenbüttel: Wilhelm - Raabe­<br />

Schule (1961). 56 S. 8°.<br />

78. Raa b e. Wilhelm: Wilhelm Raabe im Urteil bedeutender Zeitgenossen. Briefe<br />

von u. an Wilhelm Raabe. ausgew. von Kar! Ho p p e. Braunschweig 1960<br />

(:Werkkunstschule). 62 S. 8 ° (Bibliophile Schriften. Bd 7.)<br />

79. Po n g s. Herrnann: Wilhelm Raabe. In: Die Aula. Jg. 11. F. 3. 1960. S. 10--12.<br />

80. Po n g s. Herrnann: Das Raabebild im .. neuen Lidlt". In: Die Aula. o. J.<br />

81. Fa i r I e y. Barker: Wilhelm Raabe. An introduction to his novels. Oxford:<br />

Clarendon Press 1961. 275 S. 8 0.<br />

82. Fa i r I e y. Barker: Wilhelm Raabe [deutsch). Eine Deutung seiner Romane.<br />

(Aus dem Eng!. übertr. von Herrnann Boeschenstein.) München: Beck (1961).<br />

261 S. 8°.<br />

83. Mus ha k e. Rosemarie: WilheJm Raabes .. Eulenpfingsten". Versuch einer Interpretation<br />

unter besonderer Berücksichtigung des Komischen u. Grotesken.<br />

Braunschweig 1961. 11. 50 BI. 4 0 [Masdl.Schr.) Braunschweig. Kanthochschule.<br />

Prüfungsarbeit. [Im Stadtarchiv Braunschweig vorhanden.)<br />

84. Be r g f eid. Ernst: Besuch bei MlTgarethe Gerstäcker. - Im Wichernstift Hannover-Döhren.<br />

In: Der Freundeskrs. des Gr. Waisenhauses Brschwg. Jg. 11. 1961.<br />

H. 31. S. 1-3. 2 Abb .• H. 32. S. 5.<br />

85. Be r g f eId. Ernst: Margarete und Rudolf Huch. In: Freundeskrs. des Gr.<br />

Waisenhauses Brschwg. Jg. 11. H. 32. 1961. S. 10--11. 1 Abb.<br />

86. H u eh. RudoIf: Der tolle Halberstädter. (111. von Ottokar Koeppen. Nachw.:<br />

Bemhard Mewes.) (Braunschweig 1961: Werkkunstschule.) 63 S. 8 0 (Bibliophile<br />

Schriften. Bd 8.)<br />

87. Ausgewählte Dichtungen von Wilhelm San d f u eh s zu seinem 70. Geburtstag.<br />

- Mol I e n hau er. Hein:: Wilhelm Sand fuchs. der ostfälische Mundartdichter.<br />

In: Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 2. 1961. S. 56-59. 1 Abb.<br />

88. Ehr ho rn. Manfred: Die Motettenkunst des Meisters M[elchior) V[ulpius)<br />

dargest. nach dem um 15 80 angelegten handschriftlichen Motettenband der Brüdernkirche<br />

zu Braunschweig. Hannover 1960. 11. 84 BI. 8 0 [Prüfungsarbeit. Fotokopie<br />

im Stadtarchiv Braunschweig vorhanden.)<br />

89. U I I r ich. Herrnann: Das Stammbuch der blinden Musikerin Maria Theresia<br />

Paradis. In: Bonner GeschichtsbI. Bd 15. 1961. S. 340-384. Abb. 18-20.<br />

IWährend der Kunatrei.e von 1783-1786 war die Künstlerin auen In Braun.enweig. Stammbudt.<br />

eintragung vom 25. 11. 1785 von J. W. Jeru.alem. Abt v. Riddal1.hau.en.]<br />

191


<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />

90. Pie a san t s, Henry: The musical Journeys of Louis Spohr. Norman: University<br />

of Oklahoma Press (1961). XVII. 262 S. 8°.<br />

91. Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. Bd 1. Köln: Seemann (1961).<br />

296 S. 4·.<br />

IDarin u. a.: Hai. eh. r. Uvo: Baugeschichtliche Nachprilfungen an der Kirche d .. Augustiner­<br />

ChorherrenotiEte. Riechenberg. S. 9-22. Abb. 1-5. - G r 0' z man n. Dleter: Da. Palmetten­<br />

Ringband-Kapitell. S. 23-56. Abb. 6-S3. - T h ö n e. Friedrich : Eine Zeichnung u. ein Altarri8<br />

de. 14. Jahrhundert. In einer deutschen Armenbibel zu Wollenbüttel. S. 139-144. Abb. 109-<br />

112. - F I n k. Augu.t: Der Wappenteppich der Adelheid von Bortleid. S. 169 - 186. Abb.<br />

123-1H. - BI er. lustu .. Eine dritte Zeichnung Tilmann Riemen,chneide ... S. 219-224. Abb.<br />

H7-164. - Re u t her. Hans: Die ehemalige StiEtskirche zu Grauhof u. Ihre Stellung In der<br />

mitteleuropäischen Barockarchitektur. S. 225-238. Abb. 165-174. - 0 • t • n • Gert von der: Zur<br />

Barockskulptur Im .üdlichen Nledersach.en. S. 239-258. Abb. 175-207.1<br />

92. Kr 0 0 5, Renate: Niedersächsische figürliche Leinen- u. Seidenstickereien des 12.<br />

bis 14. Jahrhunderts. Göttingen 1957. 192 gez BI. 4 0 [Masch.schr.] Göttingen.<br />

Phil. Diss. v. 1957. [Behandelt werden auch Stickereien in Helmstedt. Stift<br />

Marienberg.]<br />

93. La n ger. Kurt: Hans Witten von Cöln oder Hans Witten und Hans von Cöln?<br />

In: Sächsische Heimatbl. Jg. 7. H. 2. 1961. S. 65 -78. [Beidc Künstler stammen<br />

aus Braunschweig.]<br />

94. Hag e: .. Hans Witten von Cöln" hat nie gelebt. Erfolgreiche Goslarer Forschung<br />

um den Meister der Pieta in St. Jakobi. In: Aus der Heimat. Geschichtsbeil.<br />

des Salzgitter-Kuriers. Nr 6. 1961. 1 Abb.<br />

95. Mo der h a c k. Richard: Zur Gründung des Braunschweigischen Geschichtsvereins<br />

vor 60 Jahren. In: Brschwg. Jb. Bd 42. 1961. S. 154-155.<br />

Volkskunde. Sprachgeschichte. Namenkunde. NaturscUutz<br />

96. F lee h s i g. Werner: Aus dem Braunschweigischen Landesmuseum f. Geschichte<br />

u. Volkstum. Rückführung des im letzten Kriege ausgelagerten Sammlungsgutes.<br />

In: Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 4. 1961. S. 123-127.<br />

97. B ra n des, Friedrich: Windmühlenschicksale im Braunschweiger Lande nach<br />

dem letzten Weltkriege. In: Brschwg.Heimat. Jg.47. H.l. 1961. S.21-24. 1 Abb.<br />

98. Re c k leb e n. Friedrich: Vor bös Lü un Kriegsgebrus bewahr de leiwe Gott<br />

dit Hus. Alte Hausinschriften in Salzgitter. In: Aus der Heimat. Geschichtsbeil.<br />

des Salzgitter - Kuriers. Nr. 5. 1961.<br />

99. Bur g h a r d t. Werner: Das Osterfeuer und die ostfälischen Blockshorenberge.<br />

In: Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 2. 1961. S. 39-43.<br />

100. Den eck e. Rolf: Walpurgisfeiern - Walpurgisspiele. In: Unser Harz. Nr 4.<br />

1961. S. 4-6. 2 Abb.<br />

101. M a a ß b erg, Robert: Tauf- und Hochzeitsbräuche bei den niederdeutschen Kolonisten<br />

im mittelbrasilianischen Staat Espirito Santo und ihre ostfälischen Parallelen.<br />

In: Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 1. 1961. S. 12-18.<br />

102. Kr i e ger. Heinz-Bruno: Reste heidnischen Götterglaubens in den Sagen des<br />

Elmgebietes. In: Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 4. 1961. S. 116-120.<br />

103. Kr i e ger. Heinz-Bruno: Sagen aus Ingeleben. - Sagen aus Esbeck. - Sagen<br />

aus Hoiersdorf. In: Unsere Heimat. Schöningen. Jg. 9. Nr 2 u. 4. 1960. S. 20,<br />

41- 42. Jg. 10. Nr 2 u. 6. 1061. S. 16 -19. 65 - 68.<br />

104. Kr i e ger, Heinz-Bruno: Wie man lästige Mieter loswerden kann. Ein Beispiel<br />

;f. Zauberglauben der Gegenwart. In: Brschwg. Heimat. Jg. "6. H. 1. 1960. S.l1-12.<br />

192


<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />

105. Kr i e ger. Heinz-Bruno: Vom Zwetschen mus am Elm. In: Brsrnwg. Heimat.<br />

Jg. 46. H. 3. 1960. S. 81-83.<br />

106. F lee h s i g. Werner: Weihnarntsgesrnenke in Braunsrnweig vor 145 Jahren.<br />

In: Brsrnwg. Heimat. Jg. 47. H. 4. 1961. S. 98-100.<br />

107. G r i e p. Hans-Günther: Historisrne Brillendarstellungen im Harz u. Harzvorland.<br />

In: Unser Harz. Nr 7. 1961. S. 8-10. 7 Abb.<br />

108. G run d ne r - Cu I e man n. Alexander: Die Flurnamen des Stadtkreises Goslar.<br />

T. 2. Namen aus dem Bereiche der Stadtforst. Goslar: Geschirnts- u. Heimatsrnutzverein<br />

1960. 129 5 .• 7 Kt. S· (Beiträge zur Geschichte der Stadt Goslar.<br />

H.19.)<br />

109. F 1 e c h s i g. Werner: Alte ostfälisrne Namen für Apfel- u. Birnensorten. In:<br />

Brsrnwg. Heimat. Jg. 47. H. 1. 1961. S. 6-12.<br />

110. F lee h s i g. Werner: Heimisrne Waldbäume u. Sträurnel' in der Volkssprarne<br />

u. in den Flur-. Orts- u. Personennamen Ostfalens. - Waldbäume u. Sträucher<br />

in der Volkssprache u. den Flurnamen Ostfalens. In: Brschwg. Heimat. Jg. 47.<br />

H. 2-4. 1961. S. 43-52. 73-79. 107-113.<br />

111. Roh kam m. Otto: Lankholt [in der Mundart des Amtsbezirks Harzburg]. In:<br />

Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 1. 1961. S. 19-21.<br />

112. Unser Harz. Nr 8.1961. Festsrnrift zum 75jähr. Jubiläum des Harzklubs in Seesen<br />

am Harz. am 2. u. 3. Sept. 1961.<br />

IOarin u. a.: D. n. c Je •• Rolf: 7~ Jahr. Hanklub. S. 3-14. - K. r I. Hermann: Der Weg<br />

deI Hanklub •. S. 16-17. - Sc h u I g • n. Hubert: Harzklub u. Harzer V.rk.hroverband dienen<br />

der Heimat. S. 17-18. -W 111 •• Louis: Ein Rilckblick auf dl. Volkstum.arbeit de. Harzklub.<br />

801 .•• in •• 7Sjähr. Bestehen •. S. 18-19. - Ha r m '. Bruno: Der .Cuddse Harn - Waid-. S.<br />

19 - 21. - Un.er Han. Nr 9: Ein Markstein in der Geschichte des Han:k1ub •. Der Vorlauf der<br />

Jubiläum,hauptvonammlung in Soo.en. S. 4-9.1<br />

113. Ha ase. H.: Altharzer Hirtenleben. In: Unser Harz. Nr 7. 1961. S. 4-6. 2 Abb.<br />

114. Sc h m i d t. Hagen: Die Verbreitung der Reptilien u. Amphibien im Braunschweiger<br />

Gebiet. In: Brsrnwg. Heimat. Jg. 47. H 2-4. 1961. S. 33-39. 8 Abb .•<br />

S. 65-72. 10 Abb .• S. 10(>-107.<br />

Geschichte eil1ull1er Landesteile ""d Orte<br />

Allersheim s. Nr. 7.<br />

1H. W eiß. Rudolf: Der Pfaffenstieg bei Braunlage. In: Unser Harz. Nr 12. 1961.<br />

S.9-10.<br />

116. Braunsdlweig. Portrait einer Stadt. Hannover: Fackelträger-VerI. [1961]. 155<br />

S .• davon S. 61-1;5 Taf .... 0 [Tafel-Er!. auch in Engl.]<br />

117. Braunsrnweig. Stadt der Welfen u. der Wissensrnaften. (Stuttgart: VerI. Christ u.<br />

Welt) 1961. 2 BI. 2 • [Kopft.] (Christ u. Welt. Sonderbeil. zu NT 33. 1961.)<br />

118. Wes t e r man n (. Georg): Plan von Braunsrnweig. Mit Straßenverz. 1 : 12 500.<br />

Braunsrnweig: Westermann 1961. 60 x 69 cm. 8 • [Lithogr. kol.. Umsrnlagt.}<br />

119. C z 0 k. Karl: Zum Braunschweiger Aufstand 1374 -1386. In: Hansische Studien.<br />

1961. S. 35-55. )<br />

120. S pie ß. Werner: Eine .Gesrnirnte der Stadt Braunsrnweig im Narnmittelalter".<br />

In: Der Freundeskrs. des Gr. Waisenhauses Brschwg. Jg. 11. H. 31. 1961. S. 4-6.<br />

121. Be u lek e. Wilhelm: Die Hugenottengemeinde Braunsrnweig. I. Zugleich ein<br />

Beitrag zur Städtepartnerschaft Braunschweig - Nimes. In: Brschwg. Jb. Bd 42.<br />

1961. S. 99-124.<br />

193


<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />

122. Festschrift zur 50jährigen Wiederkehr der Kirchweihe 2. Ostertag. den 17. April<br />

1911. In Verb. mit Gerhard Kai b e r I a h hrsg. vom Kirchenvorstand. Braunschweig<br />

(1961): Waisenhausbuchdr. 16 S. 8 ° [Umschlagt.:) 50 Jahre St. Jakobi<br />

in Braunschweig.<br />

123. Me wes, Bernhard: Der Braunschweiger Rat 1961. Braunschweig 1961. 69 S.<br />

8 ° (Kommunal politische Schriften der Stadt Braunschweig. H. 23.)<br />

124. (H e c h t, Konrad:) Zweiter und letzter Bericht über die Behandlung des Braunschweiger<br />

Schloßproblems. (Braunschweig 1960.) 9 S. 4·. [Masch.schr.• hektogr.)<br />

125. Ha r t wie g, Gottfried: Die letzten Tage des Residenzschlosses zu Braunschweig.<br />

In: Brschwg. Heimat. Jg. 47, H. 1. 1961. S. 24-27.<br />

126. Wo I f f, Heinz: Pflaster in alten Städten. Aus: Dt. Kunst und Denkmalpflege.<br />

H. 2. 1961. S. 69-87. [Behandelt auch Stadt Braunschweig.)<br />

127. praunschweig. Berichte aus dem kulturellen Leben. 1-2. Braunschweig: Westermann<br />

1961. 4 o.<br />

IDarin u. a. 1/61: K I. t n er. Erhart: Forum der Tedmhchen Hochschule. - Kr a e m er.<br />

Frledrich Wilh.: Idee und Aulgabe (Auszug au. der Anlprach. ~.halten bei der Einweihung du<br />

neuen Auditorium Maximum). S. 1-9. 13 Abb. - T rap p. Albert: Streichquartett der Brüder<br />

Müller. S. 10-11. 2 Abb. - Ehr h 0 rn. Manlred: Alte Motetten neu entdeckt. S. 12-lS. 3<br />

Abb. - R 0 g gen kam P. Hans: Da. Imerward-Kreu%. S. 16-17. 1 Abb. - Au I m e I • r •<br />

Peter: Laboratorium der Maße - die Phy.lkalisch-Tedmi.dle Bundesanstalt. S. 18-23. 6 Abb. -<br />

M • r, man D • Helnrldl: Pe .. r Voigt. Maler u. Grafiker. S. 24-27 ... Abb. - Sc h ml d t k e.<br />

Gotthard: Die Brunnen der Stadt. S. 30-33 ... Abb. - 2/61: Kr 0 11. Bruno: Neue Kirchen·<br />

fenster. S. 2-9. 10 Abb. - G rot h ., Karl-Hein%: Diercke-Atla •• elt Generationen. S. 12-15.<br />

4 Abb. - M. r Im a n n. Heinrich: Graphlsm .. Kabinett (de. Herzog-Anton-Ulrim-Mu.eums).<br />

S. 16-19. ~ Abb. - Bi I % er. Bert: Der Maler Ludger tom Ring. S. 20-23. 2 Abb. - Hag. n •<br />

Rolf: Ansidlten der Stadt .al Porzellan. S. 24-30. 7 Abb. - S eh m I d t. Hanl·Otto: Briefmarken<br />

dei Herzogtum •. S. 31-32. 3 Abb. - 5 c h m I d t k e. Gotthard: Heinridl Wemer und<br />

d ... Heldenröslein·. S. 32-33. 1 Abb.<br />

128. Mo der ha c k. Richard: Hundert Jahre Stadtarchiv und Stadtbibliothek Braunschweig.<br />

1861-1961. Braunschweig: Waisenhaus-Buchdr. u. Verl. 1961. 112 S .•<br />

109 Abb. auf Taf. 8°.<br />

129. Bi I zer. Bert u. Rolf Hag e n: Städtisches Museum Braunschweig. (1861-<br />

1961.) Ein Überblick über die Sammlungen. (Braunschweig 1961: Waisenhaus­<br />

Buchdr.) 152 S. 8 0.<br />

130. F I e s ehe. Herman: Braunschweiger Kostbarkeiten des Kunsthandwerks. Braunschweig:<br />

Waisenhaus-Buchdr. u. Verl. 1961. 103 S. 4 u.<br />

131. Formsammlung der Stadt Braunschweig. Historisches u. modernes Gebrauchsgerät<br />

aus Handwerk u. Industrie gesammelt zum Studium von Geschichte u. Problem<br />

der Gefäßform. (Gestaltung Hans-Dieter B u c h wal d. Fotos: Otto Ho p pe.)<br />

(Braunschweig 1961: Werkkunstschule.) 24 ungez. BI. 4°.<br />

132. Festschrift zur lOo-Jahrfeier der Raabeschule Braunschweig. 1861-1961. (Braunschweig<br />

1961: Ruth.) 87 S. 8 0.<br />

133. Müll er. Theodor: Bilanz zweier Jahrhunderte. Zur Geschichte des Bankhauses<br />

Gebrüder Löbbecke '" Co., Braunschweig. (Braunschweig 1961: Westermann.)<br />

124 S. 8°.<br />

134. 'Feierstunde aus Anlaß der 200. Wiederkehr der Gründung des Bankhauses Gebrüder<br />

Löbbecke '" Co. [Festreden.) o. O. (1961). 45 S. 8°.<br />

135. 275 Jahre C(arl) M(artin) Weiss. 1686-1961. in Braunschweig, Schuhstraße 1-3.<br />

(Braunschweig 1961: Wellner-Werbung.) 12 BI. 4°.<br />

136. Moll e n hau er, Heinz: 125 Jahre Buchhandlung Wollermann '" Bodenstab.<br />

In: Der Freundeskrs. des Gr. Waisenhauses Brschwg. Jg. 11, H. 32. 1961. S. 7-8.<br />

194


<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />

137. Pie per. Hans: über die Entwicklung der Büssing- Lastkraftwagen und -Omnibusse<br />

bis etwa 1914. 11 S. Aus: ATZ. Automobiltechnische Zs. Jg. 63. H. 11.<br />

1961.<br />

138. überblick über die 75j. Geschichte des Haus- u. Grundbesitzervereins der Stadt<br />

Braunschweig. 1961. (Braunschweig 1961: Oeding.) 20 S. 4 0 (Mitteilungsblatt<br />

des Haus- u. Grundbesitzervereins der Stadt Braunschweig. 1961. Nr 4.)<br />

139. 25 Jahre Deutsche Forschungsanstalt f. Luftfahrt e. V. DFL. Braunschweig. 1936<br />

-1961. Braunschweig 1961 (:Aco-Druck). 67 S. 4 o.<br />

Brunshausen s. Nr. 28.<br />

140. H eis t er. Alwin: Die Vogtei von GroB Denkte. In: Heimatkalender f. den<br />

Landkrs. Wolfenbüttel. Jg. 7. 1961. S. 94-98.<br />

141. Die ß el [.RudoIfJ: Destedt. eine vorbildliche Dörfergemeinschaftsschule. In:<br />

Heimatbote des Landkrs. Braunschweig. 1961. S. 52-57. 5 Abb.<br />

Gandersheim s. Nr. 53.<br />

142. R 0 se. Karl: Wie das Dorf Glesse am G1essebach im Glessetal entstand. In:<br />

Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 3. 1961. S. 82 - 84.<br />

Goslar s. auch Nr. 46-47. 108.<br />

143. Bor ehe r s. earl: Bambergs ehemalige Kaiserpfalz Vorbild für die Goslarer<br />

Kaiserpfalz Heinrichs 1JI. In: Unsere Diözese in Verght. u. Ggwt. Jg. 30. H. 2.<br />

1961. S. 13-24. 3 Abb.<br />

144. Bor ehe r s [. Carl]: Bamberg: Vorbild für die Kaiserpfalz Goslar1 In: Aus<br />

der Heimat. Geschichtsbeil. des Salzgitter-Kuriers. Nr 5. 1961. 2 Abb. [Erscheint<br />

auch u. d. T.: Harzer Heimatland als Geschichtsbeil. der Goslarschen Zeitung.]<br />

145. G r i e p [,Hans-Günther]: Auf den Spuren der Brüdernkirche. Hochaltar, Kanzel<br />

u. Triumphkreuz wurden von Goslar nach Everode verkauft. In: Aus der Heimat.<br />

GeschichtsbeiI. des Salzgitter-Kuriers. Nr 4. 1961. 2 Abb. IErscheint auch u. d.<br />

T.: Harzer Heimatland als GeschichtsbeiI. der GosIarschen Zeitung.]<br />

146. (U h L Hans-G[eorg]:) Das Kloster Neuwerk. (4. Aufl.) (Goslar 1961: Winkelhagen.)<br />

10 BI. 8 ° [JII, Kunstführer.]<br />

147. ·Goslarer Woche. Veranstaltungskalender der Stadt Goslar. Jg. 12. H. 1-12. Goslar:<br />

Thuhoff 1961. 200 S. 8 0 ,<br />

(Darin u. a. Ha h n • D1 an n , H(an'l: Dr. Han. Gidion 70 Jahre alt. S. 10 - Zum 70. Geburtltag<br />

von Max Dri.chner. S. 22, 1 Abb. - Hab n e man n, Hans: Albert Edelfeit zeichnet. In<br />

Godar. S. 43-44, 1 Abb. - Frühling,briuche im Harz. S. SI-SJ, 1 Abb. - Konsul Walther Adam<br />

wurde Ehrenbürger von Goslar. S. 74, 1 Abb. - Gos]lrer Marktsäul. mit d.r Elle. S. 76, 1 Abb. -<br />

Golden. Büch.r (Ausst.lIung Im Mus.um, 10. 6. - 6. 8. 1961). S. 91 - 93. 4 Abb .• S. 116, 1<br />

Abb. - 100 Jabr. H.yne-Stlftung. S. 135-136. - Sc h r I m m, Johsnne" Gosllu kulturelle<br />

Aufgabe. ,Go.lsr.r Kulturtlge 1961'. S. 1S1-1S4. 1 Abb .. S. 167-170. 1 Abb. - Kar I te n I.<br />

Heinrich: Die ält .... Go.larer Org.l. S. 184-186. 2 Abb.)<br />

148. Das Dorf in der Gegenwart. Untersuchungen über die Struktur der Gemeinden des<br />

Landkreises Goslar 1960/61. Hrsg. von der Kreisarbeitsgemeinsch~ft f. LändI.<br />

Erwachsenenbildung im Landkrs. Goslar. o. O. (1961). getr. Zählung. 4 0 [Masch.<br />

schr .• Vervielf.]<br />

Groß Denkte S. Denkte.<br />

Heiningen S. auch Nr. 49.<br />

149. 10 Jahre Heimkehrerhaus Heiningen. (Hrsg. von der Heininger Bruderschaft.<br />

Mitarb.: Bemhard Bock [u. a.J.) (Hamburg 1960: Trede.) 13 BI. 8 0 [Umschlagt.]<br />

150. Bau mg art. Peter: David Chyträus U. die Gründung der Universität Helmstedt.<br />

In: Brschwg. Jb. Bd 42. 1961. S. 36-82.<br />

195


<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />

151. [A r n d t, Iürgen:) Universität Helmstedt. A) Legitimationen. B) Volljährigkeitserklärungen.<br />

C) Adoptionen. D) Ernennung von Notaren. In: Hofpfalzgrafen-Register.<br />

Bd 1. [1961.) S. 179-206 [wird fortgesetzt].<br />

152. Kat er, Herbert: Vergessene Hohe SdlUlen. Helmstedt. In: Deutsche Corpszeitung.<br />

Jg. 62, Nr 5. 1961. S. 189-195.<br />

153. Ruh e, W.: Vergessene Universität Helmstedt. In: CC-Blätter. Nr 2. 1961.<br />

154. Gur li t t, Wilibald: Was ist während des 17. Jhs. in St. Stephani (Helmstedt)<br />

musiziert worden? [1960.) 7 gez. BI. 4 ° [Masch.schr.)<br />

155. T rap p, Albert: Das Große Weghaus zwischen Braunschweig u. Wolfenbüttel<br />

[in Klein Stölkhelm). Aus: Wenzel. Fritz: Geographie. Geschichte, Pädagogik.<br />

Festschrift f. Walther Maas zum 9. Juni 1961. S. 177-185.<br />

Königslutter s. Nr. 188, 195.<br />

Neuhaus/Solling s. Nr. 8.<br />

156. F 0 reh e, Wolfram: Wassernot am Salzgitterschen Höhenzuge im Juni 1961.<br />

[Oelber am weißen Wege.) In: Brschwg. Heimat. Jg. 47, H. 3. 1961. S. 85-91,<br />

3 Abb. .<br />

Runstedt 5. Nr. 17-18.<br />

Salzgitter s. auch Nr. 58, 98.<br />

157. Die k e, Kar!: Nur der Name ist geblieben: Thiederhall [ehemaliges Kalibergwerk).<br />

In: Unsere Hütte. (Hüttenwerk Salzgitter AG.) Jg. 11, Nr 1. 1961. 5.24-25,<br />

1 Abb.<br />

158. 1861-1961. 100 Iahre Schützenverein Sdtladen. Vom 3. bis 5.Juni 1961. (SchIadenIHarz<br />

1961: Rose.) 40 S. 8 ° [Umschlagt.)<br />

lD.rin: S. 24-32. M ü I I er, Bemhard: 100 Jahr. Vereinsgesdtichte.1<br />

159. Unsere Heimat. Mittlgsbl. des Heimatvereins Schöningen u. Umgebung. Jg. 10,<br />

Nr 1-6. (Schöningen 1961: Kleemann.) 76 S. 8 o.<br />

(Darin u .•. : Kleiner Führer durch dl. Clu •. S. 1-~, l Abb. - R 0 • e • Klorll: Schönlnger Stra­<br />

~ennam.n. S. ~-8. 13-H. 25-26. 4G-42. - Ratoapotheke 50 Jahre mit der Famillt Wilcken verbunden.<br />

S. lS-16. - Schönlnger Stadtwachtmeister. S. 2~28. - Schöninger Goldschmiede. S.<br />

28-30. - R 0 ••• K[arl(: Hat ••• chon 1363 eine Bäckergtlde in Schönlngen gegeben? S. 37-40.<br />

- Ein alt., Handwerk stirbt au. [Schmiedei. S. 61-63. - K. h man n. Günther: RUlllsch.<br />

Einquartierung In Hötendeben (Winter 1813). S. 63-6~.1<br />

160. R 0 se, Karl: Heimatbuch der Salzstadt Schöningen. T. 8 ISchluS-Bd) = Erg. Bd<br />

zu Bd 1-7, Alphabet. Verzeichnis der Personennamen in Bd 2, Quellen- u. Literaturverz.<br />

zu Bd 1-8. (Braunschweig) 1961 (: J. H. Meyer). 143 S. 8".<br />

161. Müll er, Otto: Der. Wallgarten" in Schöningen. In: Niedersachsen. Jg. 61, 6.<br />

1961. S. 511, 1 Abb.<br />

162. R 0 se, KarI: Nachrichter in Schön in gen. In: Brschwg. Jb. Bd 42. 1961. S.<br />

145 -153.<br />

Schöppenstedt s. auch Nr. 74.<br />

163. Erb e n 5, Christa: Die bauliche Entwicklung der Stadt Schöppenstedt auf Grund<br />

einer Analyse der Bauperioden. In: Heimatkalender f. den Landkrs. WoIfenbütteI.<br />

Jg. 7. 1961. S. 44-52, 12 Abb.<br />

Seesen s. auch Nr. 112.<br />

164. (K ö h 1 er, Willy:) 75 Jahre Arbeit und Erfolg im Zeichen der Sonnen-Qualität.<br />

[Iubiläumsschrift,75 Jahre Sonnen-Werke Seesen.) (Braunschweig [1961]: Westermann.)<br />

18 BI. 4 0 [Umschlagt.)<br />

196


<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />

165. VfL Seesen v. 1911 e. V. Verein f. Leibesübungen Seesen von 1911 e. V. Festschrift<br />

zum 50jähr. Bestehen vom 1. Aug. bis 6. Aug. 1961. (Seesen 1961: Hofmann.)<br />

79 5. 8 ".<br />

166. R öhr. Heinz: Der Tetzelsteln und die T~tzelsage. In: Heimatkalender f. den<br />

Landkrs. Wolfenbüttel. Jg. 7. 1961. 5. 61-64. 1 Abb.<br />

167. Den eck e. Margaretc: Von den Anfängen der Gastwirtschaft •. Tetzelstein".<br />

In: Heimatkalender f. den Landkrs. Wolfenbüttel. Jg. 7. 1961. S. 65-70. 1 Abb.<br />

Thlede s. Salzgitter-Thiede.<br />

168. Ra b e. Ernst: Die .Dicke Linde" von Upstedt. In: Brschwg. Heimat. Jg. 47.<br />

H. 2. 1961. 5. 52-55. 1 Abb.<br />

169. Me y er. Hermann: Wendeburg. In: Heimatbote des Landkrs. Braunschweig.<br />

1961. S. 42-51.<br />

170. S t ade I man n. Hans: Wendefurth - Abriß der Orts geschichte. In: Unser<br />

Harz. Nr 3. 1961. S. 4-8. 3 Abb.<br />

171. Ha h n e. Otto: WIckensen und sein Gau. (Braunschweig 1961.) 20 BI. 4 0<br />

[Masch.schr .• Vervielf.)<br />

172. 175 Jahre Wolfenblitteler Zeitung. 25. Nov. 1961. (Wolfenbüttel: Heckner<br />

1961.) 112 S. 2 0 [Umschlagt.)<br />

IDarln u. '.: S. n d. r. Erlen: Wolfenbütteler Dokumente. (Hauptdaten unserer Stadtgesen. In<br />

Wort. Bild u. Zah1.) - A p p u h n • Horst: Alte AnsienteD von Wolfenbüttel im Stadt- u. Krols­<br />

Heimatmuseum. - B u t z man n. Hans: Die Herzog-August-<strong>Bibliothek</strong> ein.t und jetzt. -<br />

NI q u e t. Flranzl: Di. vor- u. frühge,enlent1. Bodenforschung im Kreise Wolfonbütte!. -<br />

Wo In. Bernh.rd: Der Aufbau WolfonbOttel •. - Ja C 0 b •• Hons: Wolfenbüttel u. der Senlonenstrang.<br />

- Wolfenbütte1s Stadttore. - K e I. eh. Wolfgang: Die Senulstadt Wolfenbilttel Im<br />

Spiegel der Zoiten. - L u h n I z. Ekke: Unvergängliene. Ebenbild (Jaeob Wilhelm Heckenauer.<br />

Hofkupfersteener zu Wollenbüttel). - De".: Eine Wolfenbütteler Prinzessin gründet. don Weimarer<br />

Musenhof. - H • r t" i e g • Wilhelm: Wenn die Soldaten duren die Stadt ma .. enleren •••<br />

Wolfenbüttel al. Garni.onstadt im Laufe der Jahrhunderte. - B r. D d e •• F.: Da. Ritsel Nottrode.<br />

- Ders.: Da. oberdt. Bauernhau. im Krei. Wolfenbütte!.1<br />

173. F i n k. August: Die Baugeschichte von St. Johannis zu Wolfenbüttel. In: Brschwg.<br />

Jb. Bd 42. 1961. S. 83-98.<br />

174. T h ö n e. Friedrich: Schloß Wolfenbüttel. Baunachrichten. In: Burgen u. Schlösser.<br />

Jg. 2. H. 2. 1961. S. 49-52. 56. 9 Abb.<br />

175. Ho y er. Helmut: Die Ritterakademie Wolfenbüttel. o. O. 1961. 25 gez. BI.<br />

4 ° [Masdt.schr.. Durchschlag.) Braunschweig. Kant - Hochschule. Übungsarbeit.<br />

Juli 1961.<br />

176. T h ö n e. Friedrich: Ein deutsch - römisches Skizzenbuch von 1609 - 11 in der<br />

Herzog - August - <strong>Bibliothek</strong> zu Wolfenbüttel. Berlin : Dt. Verein f. Kunstwiss.<br />

1960. 32 S .• 39 Taf. 8 o.<br />

177. We i t z man n. Kurt: Zur byzantinischen Quelle des Wolfenbütteler Musterbuchs.<br />

In: Festschrift Hans R. Hahnloser zum 60. Geburtstag 1959. 1961. S.<br />

223. fE.<br />

178. Go e t tin g. Gerburg: Nachlässe des 16. - 20. Jahrhunderts in der Herzog­<br />

August-<strong>Bibliothek</strong> Wolfenbüttel. Hamburg 1961. 60 BI. 4" [Masch.schr.) Hamburg.<br />

<strong>Bibliothek</strong>sschule. Examensarbeit.<br />

179. K i e s Ii eh. Guenter: Werbung in alter Zeit. Essen: Stamm 1960, 24 BI. mit<br />

20 Abb. 8 0 [Beispiele 8 U. 9 aus der Herzog-August-<strong>Bibliothek</strong> WolfenbütteJ.]<br />

197


<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

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180. (L ü er. Friedrich:) 100 Jahre. 5. Febr. 1861 - 5. Febr. 1961. Friedrich Heinemann<br />

Malereibetriebe Wolfenbüttel. Hinter der Hauptkirche. (Braunschweig ~<br />

Wolfsburg 1961: Hempe!.) 11 S. 8 ° [Umschlagt.)<br />

181. Hartmann. Wilhelm: Schloß Wrlsbergholzen im Bild 1589. In: Alt-Hildesheim.<br />

H. 32. 1961. S. 64-65.<br />

182. Pi a t sc he c k: Das neue Wasserwerk Wulfersdorf. In: BKB - Mitteilungen.<br />

9. 1961. S. 3-9. 14 Abb.<br />

BevölkeruHgs- "Hd PersoHeHgeschichte<br />

s. auch Nr. 121.<br />

183. Eng el k e. Fred [Hrsg.): Große Niedersachsen. Geistestaten - Lebensfahrten -<br />

Abenteuer. München: Aufstieg-VerI. (1961). 286 S. 8 o.<br />

(Darin u .•. : Heinrich I. - O.to I. - Rorwltha von Candersheim. - Heinrich der Löwe. - Till<br />

Eulen.piegel. - Gotthold Ephraim Lessing. - Herzog Kar! Wilhelm Ferdinand. - Friedrich WHhelm.<br />

der Schwarze Herzog. - Carl FrIedrIch Gauss. - HoHmann v. Fallenleben. - Hermann<br />

Blumenau. - Wilhelm R.abe. - Werner v. Siernen •. - Frledrich Gerstäder. - Heinrich Btissing.<br />

- August HinrIch •. - Ricarda Huch.1<br />

184. Ho n seI man n. Willi: Kirchen- u. familiengeschichtI. Notizen aus einem Missale<br />

der Pfarrei Bevem (Krs. Holzminden). In: Westfälische Zs. Bd 111. 1961.<br />

S. 287-300.<br />

185. Bloß. Otto: Herkunft u. Verbreitung der SoIIinger Glasmachernamen. In:<br />

Northeimer HeimatbI. Jg. 1961. H. Nr 2. S. 45-46.<br />

186. K 0 e n i g. Oskar: Auszüge aus braunschweigischen SchulbesteIIungsakten. Gemeinde<br />

Jerxheim 1616-1826. Gemeinde Lesse 1642-1829. Gemeinde Mahlum<br />

1672 -1878. In: Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft f. Familiengesch. im<br />

Kulturkreis Siemens e. V. Nr 25-28. 1961. S. 9-11. 14-H. 31-34. 52-54.<br />

(Schluß, vgI. Bibliographie 1960. Nr. 204.)<br />

187. Ach e I I s. Thomas Otto: "Braunschweiger" in d~r Kieler UniversitiitsmatrikeI.<br />

In: Norddt. Familienkunde. Jg. 10. H. 4. 1961. S. 235-243.<br />

188. Kr i e ger, Heinz-Bruno: Die Apotheker der Ratsapotheke zu Königslutter am<br />

Elm. In: Familie u. Volk. Jg. 10. H. 6. 1961. S. 515-520.<br />

Arndt. Johann s. Nr. 51.<br />

Callxt. Georg s. Nr. 54.<br />

189. Mahrenhoitz. Hans: Die Ahnen des Freiherrn Gottfried v. Cramm. geb<br />

Nettlingen 7. Juli 1909. In: Norddt. Familienkunde. Jg. 10. H. 1. 1961. S.<br />

137-139. \<br />

190. Pi r sc her. Manfred: Johann Joachim Eschenburg. Ein Beitrag zur Literaturu.<br />

Wissenschaftsgeschichte des 18. Jh. o. O. 1960. 275. XXXI S. 8 ° [Masch.schr .•<br />

hektogr.) Münster (Westf.). Phi!. Diss. v. 7. Jan. 1959.<br />

191. K(arl) F(riedrich) Gauss. Leben und Werk. Hrsg. von Hans Re ich a r d t. Mit<br />

Beitr. von ... Mit Abb. im Text. Berlin : Haude ~ Spener 1960. 251 S. B o.<br />

Gerstäcker s. Nr. 84.<br />

Harenberg. Johann Christoph s. Nr. 16.<br />

Huch s. Nr. 85-86.<br />

192. San der. Erich: Johann Georg von Langen (1699 -1776). Aus: Forstarchiv.<br />

Jg. 32. H. 4. 1961. S. 76-81.<br />

198


<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

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193. Malkensen von Astfeld und Mackensen. In: Genealog. Handbuch der adeligen<br />

Häuser. Adelige Häuser B. Bd 5. 1961. S. 214-219.<br />

Raabe. Wilhelm s. Nr. 75-83.<br />

194. G run d n er - C u 1 e man n. A[lexander]: Carl Reuß - aus der Chronik einer<br />

Harzer Forstfamilie. In: Unser Harz. Nr 2-3.1961. S. 4-6. 8-10.4 Abb.<br />

Sandfudls, Wilhelm s. Nr. 87.<br />

195. Krieger. Heinz-Bruno: Die Familie Sattler in Königslutter am Elm. In:<br />

Norddt. Familienkunde. Jg. 10. H. 4. 1961. S. 225-229.<br />

196. Me yen. Fritz: Konrad Arnold Sdlmid (1716-1789). Aus: Aus der Welt des<br />

<strong>Bibliothek</strong>ars. Festschrift f. Rudolf luchhoff zum 65. Geburtstag. [1961.] S. 333<br />

-354.<br />

197. 5 pie r. Heinrich: Martin Spier. Pastor zu Bettingerode und Westerode von<br />

1627 bis 1659. In: Zs. f. Nieders. familienkunde. Jg. 36, H. 5. 1961. S. 142-146.<br />

Spohr. louis s. Nr. 90.<br />

198. B 0 den 5 i eck, Gustav K. H.: Autobiographie des Pastors August Theodor<br />

Toegel. (Geb. Gehrenrode. Krs. Gandersheim am 27. 4. 1786. gest. Gr. EIbe,<br />

Krs. Wolfenbüttel 1833.) In: Norddt. Familienkunde. Jg. 10. H. 3. 1961. S. 204<br />

-208.<br />

199. We c h m a r, E.: Die Nach.- oder Sch.arfrichter. auch Abdecker der freien Reich.sstadt<br />

Mühlhausen in Thüringen. In: Familie u. Volk. Jg. 10. H. 1 u. 6. 1961. S.<br />

272-280. 538-545. [5. 541: Johann Christian Vogel. Sohn des Sch.arfrichters<br />

Christoph Vogel zu Gandersheim.]<br />

199


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Chronik des Braunschweigismen Gesmimtsvereins<br />

von Mai 1961 bis März 1962<br />

Die Ha u p t ver sam m I u n g des Jahres 1961 fand am 28. Juni im großen Saal<br />

der Gastsätte ~Grüner Jäger" in Braunschweig - Riddagshausen statt. Nach Eröffnung<br />

durch den Vorsitzenden und der Ehrung der verstorbenen Mitglieder gab der Geschäftsführer<br />

den Tätigkeitsbericht. der Schatzmeister den Kassenbericht über das Verein3-<br />

jahr 1960 und der Leiter der Studien fahrten eine Vorschau auf die Arbeit im Sommer<br />

1961. Nach der Kaffeetafel hielt Archivfat Dr. Hans Jürgen Q u e r f u r thein Kurzreferat<br />

über die Geschichte der Gaststätte .Grüner Jäger" :<br />

Die Anfänge der Gaststätte .. Grüner Jäger" gehen auf die Jahre 1738 bis 1744 zurück.<br />

Damals errichtete der Oberamtmann Selig am Rande der Buchhorst einen Schießstand<br />

und eine Laube und erweiterte diese Anlage durch Gärten mit einer Grotte und<br />

einem Gärtnerhaus. in dem auch Besucher bewirtet wurden. 1748 wurde dies ganze Gelände<br />

dem Oberamtmann Selig zu Erbenzins übertragen. Etwa um 1760 ist dafür auch<br />

der Name .Grüner Jäger" belegt. 1761 fiel es von den Erben des Oberamtmanns<br />

Selig an die Klosterratsstube zurück. die es dann im Laufe der folgenden Jahrzehnte<br />

mehrfach verpachtete. Um 1775 wird die Anlage einer Kegelbahn erwähnt. In dem<br />

Pachtvertrag von 1777 sind aufgeführt: ein Wohnhaus. ein Stall. eine Grotte. eine<br />

lange Laube. eine Schieß laube. eine Kegelbahn und ein Backhaus. Im Jahre 1807 wird<br />

die Gaststätte. die inzwischen zu einem beliebten Ausflugsziel der Braunschweiger geworden<br />

war. von dem französischem Dichter StendhaI. der in diesem Jahre als Beamter<br />

der französischen Besatzungsarmee in Braunschweig eingesetzt war. mehrfach besucht.<br />

Er berichtet darüber in seinem Tagebuch. z. B. unter dem 30. Juni 1807. Sein Aufenthalt<br />

im .. Grünen Jäger" und das dortige Zusammensein mit seinen Braunschweiger Bekannten<br />

hat großen Eindruck bei ihm hinterlassen. In seinem später verfaßten Roman<br />

.. Luden Leuwen" ist von einer Gaststätte .. Der Grüne Jäger" die Rede. Es heißt sogar.<br />

daß er diesen Roman ursprünglich .Der Grüne Jäger" nennen wollte. 1826 erfolgte<br />

ein Neubau der Gebäude der Gaststätte. die weiter von den Braunschweigern gern besucht<br />

wurde. Als 1872 die Bahnstrecke Braunschweig-Känigslutter gebaut wurde. mußte<br />

der bis dahin zur Gaststätte gehörende Schießstand aufgegeben werden. 1885 errichtete<br />

die Bahn die Haltestelle .. Grüner Jäger". Schon vorher. im Jahre 1882. übernahm<br />

Adolf Frick als Gastwirt den .GrÜnen Jäger". den er jahrzehntelang leitete. Gleich im<br />

ersten Jahrzehnt seiner dortigen Tätigkeit wurde die Gaststätte wieder durch eine<br />

Persönlichkeit der Literaturgeschichte berühmt. nämlich durch Wilhelm Raabe. Die<br />

Kleiderseller verkehrten in den Jahren 1882 bis 1892 regelmäßig im .GrÜnen Jäger".<br />

Raabe selbst als Mitglied dieses Vereins hat eine humorvolle Zeichnung entworfen. die<br />

den Zug der Kleiderseller zum .. Grünen Jäger" darstellt. Auch später rissen die Beziehungen<br />

Raabes zum .Grünen Jäger" und seinem Wirt Adolf Frick nicht ab. Es wurde<br />

eine Feier des 75. Geburtstages von Wilhelm Raabe dort veranstaltet. 1897 erfolgte<br />

eine Erweiterung des Gaststättengebäudes. 1933 wurde das Kleiderseller-Zimmer neu<br />

gestaltet. Vor dem 2. Weltkrieg wurde der ~Grüne Jäger" wiederum völlig umgebaut<br />

und erhielt seine heutige Gestalt. Im Kriege selbst diente er als Hilfslazarett und nach<br />

dem Kriege als Unterkunft für Flüchtlinge. bis er nach gründlicher Renovierung wieder<br />

zur Gaststätte gemacht wurde unter Leitung von Christi an Tietje.<br />

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Die erste Studienfahrt führte am Sonnabend. dem 27. Mai 1961. nach B run s­<br />

hau sen bei Gandersheim zur Besichtigung der unter Leitung von Dr. Goetting und<br />

Dr. Niquet auf dem früheren Klostergelände durchgeführten Grabungen. die wertvolle<br />

Aufschlüsse für die Frühgeschichte unserer Heimat erhoffen lassen. Dr. Go e t tin g<br />

erläuterte zunächst die Lage der Grahungsstelle auf dem das Durchbruchstal der<br />

Gande einengenden Sporn. auf dessen Westseite in früher Zeit die wichtige Straße von<br />

Frankfurt nach Hildesheim zog. die in ihrem weiteren Verlauf das alte Kloster Lamspringe<br />

und Salzdetfurth berührt. Auf diesem Talspom. der den Paß zwischen der<br />

Heberbörde im Norden. dem frühesten Sitz der Familie der Liudolfinger. und der Harzbörde<br />

im Süden beherrscht. stand die älteste klösterliche Niederlassung im südlichen<br />

Niedersachsen. Schon vor 785 stellten die Liudolfinger der Reichsabtei Fulda einen hier<br />

zu vermutenden Herrenhof zur Errichtung eines Missionsklosters zur Verfügung. Als<br />

dann der der gleichen Familie angehörende spätere Sachsenherzog Liudolf vor 850 das<br />

Familienstift und spätere Reichsstift Gandersheim gründete. fanden die Kanonissen<br />

hier bei dem älteren Fuldaer Missionskloster St. Bonifatii von 852 bis 881 eine vorläufige<br />

Unterkunft. Das im 10 Jh. an Gandersheim übergegangene Benediktinerkloster<br />

Brunshausen wurde um 1200 in ein Benediktiner-Nonnenkloster umgewandelt; die mit<br />

Benutzung älterer Anlagen in der Mitte deo 15. Jahrhunderts erbaute gotische Klosterkirche<br />

ist leider heute dem Verfall nahe.<br />

Die Ausgrabungen. die sich über mehrere Jahre erstrecken werden. wurden in der<br />

Nordwestecke des ehemaligen Klostergeländes im sogenannten .Großen Garten" angesetzt.<br />

Hier stieß Dr. N i q u e t auf die mörtellosen Grundmauern eines größeren. aus<br />

drei Räumen bestehenden Bauwerkes. dessen Zweck bestimmung noch nicht geklärt<br />

werden konnte. das aber sicher nicht kirchlichen Zwecken gedient hat. Wertvoll waren<br />

die hier und in mehreren ausgegrabenen Hütten und Abfallgruben gefundenen Scherben<br />

des 8. Jahrhunderts. einer in Niedersachsen bisher unbekannten Drehscheibenware.<br />

wie sie auch in den ältesten Horizonten der Fuldaer Grabungen und auf dem Büraberg<br />

vorkommt. Nach der Kaffeetafel am schön gelegenen Osterbergsee führten Pastor Dr.<br />

Kronenberg und Dr. Goetting die Teilnehmer durch die Gandersheimer Stiftskirche.<br />

wobei ersterer besonders auf die Zusammenhänge zwischen der Baugestaltung und der<br />

Ordnung des mittelalterlichen Gottesdienstes aufmerksam machte.<br />

Die zweite Studienfahrt am Sonntag. dem 20. August 1961. machte uns bei schönstem<br />

Sonnenschein mit dem Eie h s f eId bekannt. Schon die Anfahrt durch den Harz<br />

bot zwischen Langelsheim und Osterode eindrucksvolle Landschaftsbilder. nicht minder<br />

dann die R h u m e quelle. wo Dr. Th. M ü I I e r die Entstehung dieser größten deutschen<br />

Quelle aus der geologischen Gestaltung des westlichen Harzrandes erklärte.<br />

Zunächst aber wurde P ö h I d e erreicht. Auf dem Kirchplatz berichtete Dr. Go e t -<br />

tin g über die bewegte Geschichte der Kaiserpfalz. die hier einst stand. von der aber keine<br />

Baureste auf uns kamen. wenngleich auch hier die geplanten Grabungen sehr wahrscheinlich<br />

wertvolle Ergebnisse bringen werden. Als liudolfingischer Besitz wurde<br />

Pöhlde Reichsgut. Seit König Heinrich I. weilten viele deutsche Kaiser in dieser Pfalz.<br />

oft zur Feier des Weihnacht.festes. allein für Heinrich 11. ist neunmaliger Aufenthalt<br />

bezeugt. Dr. Goetting konnte auf eine ganze Reihe großer Ereignisse der Reichsgeschichte<br />

hinweisen. die sich in Pöhlde 3bgespielt haben. bis das Pöhlder Reichsgut am<br />

westlichen Harzrand in der bekannten Tauschaktion Friedrich Barbarossas 1154 an<br />

Heinrich den Löwen überging. Im Pfalzbezirk lag das von Heinrichs 1. Gemahlin Mathilde<br />

im 10. Jahrhundert gegründete Benediktinerkloster Pöhlde. das mit großen Stiftungen<br />

ausgestattet wurde. Das spätere Prämonstratenserstift. das in den Bauernkriegen<br />

und nochmals im 30jährigen Krieg zerstört wurde. kam mit seinen Besitzungen<br />

ebenfalls in die Hände der Welfen. Eine Wanderung durch den hohen Buchenwald<br />

führte uns dann zu der auf der Höhe des Rotenbergs an einer früh geschichtlichen Straße<br />

gelegenen Burgstätte nKönig Heinrichs Vogelherd". Die von Dr. CI aus durchgeführten<br />

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Grabungen erbrachten hier eine Wehranlage. d.ie im 10. Jh. im Anschluß an einen<br />

älteren Ringwall zum Schutze der Pfalz Pöhlde errichtet sein dürfte.<br />

Auf der weiteren Fahrt durch das Eichsfeld machte Dr. Müll e r auf die Oberflächengestaltung<br />

und die von der Realteilung bestimmte Agrarnutzung aufmerksam.<br />

Nach dem trefflichen Mittagsmahl in Duderstadt besichtigten wir die Stadt. die Hauptstadt<br />

der "Goldenen Mark". die als ursprüngliches Reichsgut von Kaiser Otto 11.<br />

an das Reichsstift Quedlinburg geschenkt wurde. d.:nn im 13. Jahrhundert an die<br />

Welfen und im 14. Jahrhundert an da; Erzbistum Mainz als Lehen kam. bei dem es<br />

bis zur Säkularisation 1803 verblieb. Die Stadt entstand sdlon früh an der Kreuzung<br />

mittelalterlicher Handelsstraßen; sie war mit Braunschweiger Stadtrecht ausgestattet.<br />

Die wirtschaftliche Bedeutung Duderstadts im ausgehenden Mittelalter spiegelt sich<br />

im wohl erhaltenen Stadtbild: dem eigenartigen Rathaus. den beiden mächtigen gotischen<br />

Hallenkirchen. den langen Zeilen buntbemalter Fachwerkhäuser. Ein Gang<br />

über den erhaltenen Stadtwail des 16. Jahrhunderts bot immer wieder überraschende<br />

Ausblicke auf das Häuser- und Dächergewirr der Altstadt. Den Abschluß dieser<br />

besonders abwechslungsreichen Fahrt bildete ein Besuch der Ru i n e S c h a r z fe I s<br />

am südlichen Harzrand. Nach recht mühsamem Aufstieg zu der auf steilem Fels<br />

thronenden Burg berichtete Dr. Go e t tin g anschaulich. von alten Plänen unterstützt.<br />

über die reiche und wechselvolle Geschichte dieser als uneinnehmbar geltenden<br />

Reichsburg. die im 14. Jahrhundert an die Grafen von Hohnstein und nach deren Aussterben<br />

1>93 in den Besitz des Welfenhauses gelangte. In der im 17. Jahrhundert als<br />

Staatsgefängnis benutzten Burg wurde auch die Vertraute der Kurfürstin Sophie Dorothea<br />

von Hannover. Eleonore v. d. Knesebeck. bis zu ihrer abenteuerlichen Flucht im<br />

November 1697 in Haft gehalten. Erst im 7jährigen Krieg wurde die Burg Scharzfels<br />

1761 von französischen Truppen zerstört. Doch geben noch d.ie Trümmer ein deutliches<br />

Bild dieser mächtigen Bergfeste.<br />

Die dritte Studienfahrt führte an einem sonnendurchleuchteten Herbsttag am<br />

Sonnabend. dem 16. September 1961. nach Alt e nc e 11 e. Auf dem hohen Wall der<br />

Nienburg. der den Blick in das breite Allertal freigibt. sprach Dr. Th. Müll e r über<br />

die Geschichte dieser längst verschwundenen Stadt. die ihre Entstehung und Entwicklung<br />

der im frühen Mittelalter so außerordentlich bedeutsamen Handelsschiffahrt auf<br />

Oker. Aller und Weser verdankte. Die auf einer einst von der Aller umflossenen<br />

Geestnase liegende Nienburg war möglicherweise ein fränkischer Königshof. Der 500 m<br />

nördlich von ihr unmittelbar am steilen Geestrand gelegene Rundwall stammt den<br />

Scherbenfunden nach aus dem 10. Jahrhundert. In ihm errichtete der Brunone Bruno VI.<br />

um 986 eine feste Burg. die über Lothar von Süpplingenburg an die Welfen kam.<br />

Nördlich der Burg lag am Westufer der Aller eine Handelsniederlassung. deren Lage<br />

durch die heute weit außerhalb des Dorfes befindliche Gertrudenkirche. wahrscheinlich<br />

eine Stiftung Heinrichs des Löwen. angedeutet und durch zahlreiche Flurnamen wie<br />

Wort. Meßdor. Dorenstrate oder Neumarkt bestätigt wird. Durch Burg und Handelsplatz<br />

entwickelte sich Altencelle zum Vorort der Südheide. Als Braunschweig um d.ie<br />

Mitte des 12. Jahrhunderts das Recht der freien Schiffahrt zur Nordsee erhielt. wurde<br />

Celle als einziger Stapelplatz. Umschlag- und Zollstätte bestimmt. Damals besaß<br />

Celle auch das Münzrecht und damit wohl auch das Marktprivileg: Stadtrecht erhielt<br />

es vor 1249. Rücksichten auf die Schiffahrt waren es auch. die den Herzog Otto den<br />

Strengen bewogen. 1292 Burg und Stadt weiter flußabwärts nach dem heutigen Celle<br />

ZU verlegen und die Bürger aufzufordern. in die neue Stadt umzusiedeln. Als Residenz<br />

des Fürstentums Lüneburg wurde der neuen Stadt eine schnelle Entwicklung beschert.<br />

Wir unternahmen einen Rundgang durch die Altstadt. deren geschlossenes spätmittelalterliches<br />

Bild den empfänglichen Beschauer immer wieder auf das tiefste beeindruckt.<br />

Besonders erfreulich war die Feststellung. daß die Celler Stadtverwaltung einsichtsvoll<br />

und tatkräftig für die Erhaltung dieses in seiner Art einmaligen Stadtbildes eintritt<br />

und bisher erfolgreich störende Neubauten verhindern konnte.<br />

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Der erste Vortrag des Winterhalbjahres 1961/62 am Freitag. dem 13. Oktober,<br />

galt dem Thema H 100 Jahre Staatstheater am Wall" (482. Sitzung seit 1901). Professor<br />

Albert T rap p führte u. a. folgendes aus:<br />

Am 1. Oktober 1861 wurde das Hoftheater am Wall eröffnet. nachdem das alte<br />

Opernhaus am Hagenmarkt - errichtet 1690 von Herzog Anton U1rich - aus feuerpolizeilichen<br />

Gründen geschlossen war. Das neue Haus. für des~en Bau der Landtag<br />

1. 35 Millionen bewilligt hatte, wurde nach dem Entwurf des Baumeisters Hermann<br />

Wolf aus Oels in f10rentinischer Renaissance aufgeführt. Der Platz im herzoglichen<br />

Park war in städtebaulicher Hinsicht gut gewählt; denn der würfelähnliche Baukörper<br />

bildet seitdem einen wirkungsvollen Akzent im Zuge der Wallanlagen sowie als Abschluß<br />

des Steinwegs.<br />

Den Kern des Gebäudes, nämlich Bühne und Zuschauerraum. umschlossen damals.<br />

und umschließen heute. Verwaltungszimmer, Obungssäle. Probebühne und Malersaal.<br />

Drei Haupteingänge führten ursprünglich ins Haus: dem Steinweg gegenüber die Portale<br />

für das Publikum, an der Südseite die jetzt verschwundene Auffahrtsrampe für<br />

den herzoglichen Hof und an der Nordseite der schmale Eingang für das Bühnenpersonal.<br />

Durch ein Vestibül gelangte man in das geteilte Parkett sowie zu den vier parallel<br />

angeordneten Rängen. Vor dem Proscenium befanden sich links und rechts die Fürstenund<br />

Intendantenlogen. Ein Kronleuchter mit 150 Gaslampen spendete Helle, und der<br />

Vorhang aus dem Opernhaus trennte Bühne und Zuschauerraum. Die Bühne besaß eine<br />

Tiefe von 25 m und war mit einer vortrefflichen Versenkungsmaschinerie ausgestattet.<br />

Wegen der Feuersgefahr errichtete man im Park ein Kulissenhaus.<br />

Dieser Grundriß blieb im wesentlichen erhalten. als man 1902 1 04 das Innere des<br />

Hauses völlig erneuerte. Es geschah wiederum aus feuerpolizeilichen Gründen. Eiserner<br />

Vorhang und eiserne Türen schlossen nunmehr bei Brandgefahr die einzelnen Räume<br />

voneinander ab. Elektrische Beleuchtung und technische Verbesserungen sicherten und<br />

erleichterten den Ablauf der Vorstellungen. Im Zuschauerraum verschwand der durchlaufende<br />

vierte Rang zugunsten einer guckkasten ähnlich '/erkleinerten Galerie. und die<br />

Ausstattung in Rot und Gold gab dem völlig veränderten Raum einen vornehmen.<br />

warmen Ton. Für jeden Rang wurde ein gesondertes Treppenhaus errichtet. um bei<br />

etwaiger Gefahr ein reibungsloses Verlassen des Theaters zu ermöglichen. Selbstverständlich<br />

wurden im Laufe der nächsten Jahre - entsprechend den Fortschritten der<br />

Bühnentechnik - zweckmäßige Anlagen eingebaut. die wiederum den schnellen Szenenwechsel<br />

erleichterten und den künstlerischen F.indruck einer Aufführung verstärkten.<br />

Dazu dienten der Einbau einer Doppelstock - Drehbühne sowie die Anschaffung eines<br />

Wolkenapparats und eines Rundhorizonts.<br />

Der zweite Weltkrieg mit seinen ständig zunehmenden Luftangriffen bedrohte<br />

immer heftiger die Stadt Braunschweig und dadurch auch das Gebäude unseres Staatstheaters.<br />

Zwar wurden im Keller Luftschutzräume eingerichtet, Wachmannschaften organisiert<br />

und Alarmsignale geschaffen. sie konnten jedoch die Gefahr nicht bannen.<br />

Bereits am 10. Februar 1944 fielen Bomben in den Ostflügel, dank der Tapferkeit<br />

opferbereiter Mitglieder wurde der ausbrechende Brand rechtzeitig gelöscht. Nicht so<br />

erfolgreich gelang am 15. Oktober desselben Jahres die Abwehr des ungleich heftigeren<br />

Angriffs englischer Flieger. Unzählige Brandbomben zerstörten Bühne und Zuschauerraum<br />

und machten jeden Rettungsversuch unmöglich.<br />

Nach dem Zusammenbruch wurde von maßgebenden Stellen der Wiederaufbau erwogen<br />

und dank der Initiative der Regierung während der nächsten Jahre, also von<br />

1946-48, schrittweise ausgeführt. Unterdessen fand man in der Turnhalle der Kanthochschule<br />

den Ort, wo auf einer Behelfsbühne Oper und Schauspiel liebevoll gepflegt<br />

wurden und sogar die Sinfoniekonzerte ein großes Publikum anlockten. Am 25. Dezember<br />

1949 eröffnete man das "Große Haus" mit einer Aufführung von Mozarts<br />

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"Don Giovanni" und stellte damit den theaterliebenden Braunschweigern ihre Stätte<br />

der Bühnenkunst wieder zur Verfügung<br />

Die Geschichte des hundertjährigen Gebäudes schließt in sich die Geschichte einer<br />

hundertjährigen künstlerischen Arbeit. Am 2. Oktober 1861. dem Tage der Erstaufführung<br />

des • Tannhäuser". zog Richard Wagner in Braunschweig ein. Daß es so spät<br />

geschah und dann nur in größeren Zwischenräumen. lag vornehmlich am Herrn des<br />

Hauses. dem Herzog Wilhelm. Immerhin bleibt es dem Generalintendanten v. Rudolphi<br />

sowie seinem Hofkapellmeister Franz Abt zu danken. daB während der nächsten<br />

zwanzig Jahre die Werke des Bayreuther Meisters immer häufiger im Rampenlicht<br />

erschienen.<br />

Beiden Männern gelang es außerdem. das Aufführungrecht des ganzen "Ring" zu<br />

erwerben. Braunschweig wurde die vierte Theaterstadt. wo 1878/79 die Tetralogie über<br />

die Bühne ging. Nachdem 1894 unter Hermann Riedel der .. Tristan" und 1921 unter<br />

Carl Pohlig der .. Parsifai" aufgeführt worden war. hatten die Braunschweiger das gesamte<br />

OpernschaffcR Wagncrs kennengelcmt.<br />

Die nach 1890 folgende Epoche stand im Zeichen von Richard Strauß. Sie wurde<br />

geleitet von den Intendanten Julius v. Wangenheim und Egbert von Frankenberg. Die<br />

Hofkapellmeister Richard Hagel und Carl Pohlig brachten .Ariadne" ... Salome" und<br />

den "Rosenkavalier" heraus. während die Nachfolger mit "Intermezzo" und .. Arabella"<br />

glänzten. Diese stolze Reihe wurde erg:inzt durch Opern von d' Albert. Mascagni.<br />

Leoncavallo und Puccini. denen sich diejenigen von Werner Egk. Carl OrH und<br />

anderen jungen Komponisten ansd,lossen.<br />

Auch im Schauspiel bekam der Plan ein neues Gesicht. Neben Klassikern wie Shakespeare<br />

(Königsdramen) standen nun die Namen zeitgenössischer Dichter auf den<br />

Theaterzetteln. Das naturalistisdle und gesellschaftskritische Drama bewt'gte die Besucher.<br />

wir erinnern nur an lbsen. Björnson. Hauptmann und Sudermann.<br />

Nach 1918 übernahmen Männer vom .. Bau". also fachgerecht ausgebildete Persönlichkeiten.<br />

die Leitung der Braunsmweiger Bühne; denn aus dem Hoftheater war ein<br />

Landestheater geworden. wurde 1936 ein Staatstheater.<br />

Unter den sich ablösenden Intendanten Dr. Hans Kaufmann. Dr. Ludwig Neubeck.<br />

Dr. Thur Himmighofen. Dr. Alexander Schum. Dr. Jost Dahmen. Bruno Walter lltz<br />

und Hermann Kühn wirkten hervorragende Sänger und Schauspieler. deren Namen<br />

nom heute lebendig sind. In der Oper waren es Hermann Schroetter. Johanna Andree.<br />

Willi Cronberger. Hermann Noeldechen. Martin Koegel. Rudolf Schock. Christian<br />

Wahle. MarceIl Wittrism. Valentin Haller und Albine Nagel; im Schauspiel Oskar<br />

Fischer. Wilhelm Mewes. Georg Gaedecke. Hermann Me~mer. Albert Ulrim. Albert<br />

Preuß. Casimir Paris. Albert Smläger. Irma Scarla und bis in unsere Tage Hella Kaiser<br />

und Ingeborg Rieh!.<br />

Nach dem ersten Weltkrieg klopfte eine neue Generation an die Bühnentür; ehemals<br />

verpönte Stücke ersmienen Im Spielplan und wurden seit 1921 im sogenannten<br />

"Kleinen Haus" und zwar als "Kammerspiele" im jetzt versmwundenem Schloß am<br />

Bohlweg einem anspruchsvollen Publikum zur Debatte gestellt. Gleimzeitig entstand<br />

die Vereinigung "Freie Volksbühne". Sie brachte bisher theaterfremde Kreise ins Haus.<br />

Der zweite Weltkrieg - anfangs die Musen duldend. sie sogar fördernd - artete<br />

in einen .Totalen Krieg" aus. unter dessen Auswirkungen sämtlime Theater. also aum<br />

die Braunsmweiger Bühne. 1944 ihre Pfort~n smlossen. Erst nam dem militärismen<br />

und politischen Zusammenbruch wurde nam Überwindung vieler Smwierigkeiten die<br />

künstlerisme Arbeit auf der Behelfsbühne in der Kanthochschule wiederaufgenommen.<br />

Sie konnte sim jedom erst in vollem Umfang entfalten. namdem das .. Große Haus"<br />

1949 wiederhergestellt und im ehemaligen Luftgaukommando am Stadtpark ein<br />

sogenanntes "Kleines Haus" eröffnet worden war.<br />

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Staatsbankpräsident i. R. Dr. Werner K ü ehe nt haI sprach am 17. November<br />

über .Die Dörfer Hedeper. Wetzleben und Semmenstedt" (483. Sitzung):<br />

Die älteste Original urkunde. in der Hedeper erwähnt wird. ist die Urkunde Friedrich<br />

Barbarossas von 11 8 8. in der das Dorf "Hadebere" genannt ist. dann folgt die<br />

zweite Originalurkunde aus dem Jahre 1189. in der das Dorf "Hathebere" heißt. Der<br />

Name ist dann vielfach verändert überliefert. Wetzleben wird in der Originalurkunde<br />

Ottos 111. von 994 "Viudisleuu" und in der Originalurkunde Kaiser Heinrichs IV.<br />

"Witesleib" genannt. Auch. dieser Name hat sich im Laufe der Jahrhunderte vielbch<br />

geändert. Semmenstedt wird in der Urkunde Heinrichs 11. von 1022 in Verbindung mit<br />

einem späteren Güterverzeichnis .Zemmenstidde" und in dem Privileg des Papstes<br />

Leo IX. von 1049 "Scemmenstede" genannt. Der Name ist auch hier vielfach Änderungen<br />

unterworfen gewesen.<br />

Bei dem Semmenstedter und Wetzleber Besitz hat es sich wohl allgemein und bei<br />

Hedeper nur zu einem kleinen Teil um alten Streubesitz. nämlich Allodial- oder Lehnsbesitz<br />

der Liudolfinger. gehandelt. die ihren Stammsitz im Tale der Gande bei Altgandersheim<br />

in der sog. Heberbörde hatten. Durch die Vereinigung des Hausgutes mit<br />

dem vorhandenen Königsgut wurde der Liudolfingerbesitz ebenfalls Königsgut und<br />

ging dann nach Aussterben der Ottonen auf die Salier über. so daß diese über Besitz<br />

in unserer Gegend. dem alten Derlingau. verfügen konnten.<br />

Der Vortragende schilderte die lage der drei Dörfer in der Nähe der Asse und des<br />

Großen Bruches sowie der an den Dörfern vorbeiziehenden Wege und Straßen. insbesondere<br />

der Halberstadt-Braunschweiger Heerstraße. der alten Goslarschen Heerstraße.<br />

die die erstgenannte bei Semmenstedt in der Richtung nach Schöppenstedt schnitt. sowie<br />

schließlich des Weges. den Karl der Große bei seinen Zügen von Ohrum aus nach Magdeburg<br />

über Schöppenstedt benutzt hat und der auf der Karte des Landes Braunschweig<br />

im 18. Jahrhundert verfolgt werden kann und zwischen Semmenstedt und Remlingen<br />

als frühgeschichtlicher Weg vorbeigegangen ist.<br />

Fast überall in den Dörfern erhielten Klöster und Stifter Besitz durch Schenkungen<br />

aus Königsgut oder von Großen. dem sich dann Lehnsbesitz von Adligen zugesellte.<br />

Es befanden sich z. B.: in Hedeper Besitz der Klöster Riddagshausen. Wöltingerode.<br />

des Stiftes St. eyriaci. des Großen Waisenhauses in Braunschweig. in Wetzleben Besitz<br />

der Klöster Stötterlingenburg. St. Michaelis-Hildesheim und des Stiftes St. Blasii-Braunschweig<br />

und des Stiftes 5t. Petersberg in Goslar. in Semmenstedt Besitz des Klosters<br />

St. Michaelis-Hildesheim. des Domstifte$ St. Simonis et Judae in Goslar und des Stiftes<br />

5t. Blasii in Braunschweig. Die örtlichen gei$tlichen Institute. wie die Kirchen. Pfarren.<br />

Ptarrwitwentümer. die Schulen. wurden gleichfalls dotiert. Der Zeitpunkt der Erbauung<br />

der drei Kirchen war nicht festzustellen. Interessant ist. daß als Patron der Kirche in<br />

Hedeper der Papst galt.<br />

I<br />

Es verdient festgehalten zu werden. daß sich in Hedeper schon seit 1426 der<br />

"Burghof" in den Händen der Familie BöteI befindet. Die vor dem Burghofe gelegene<br />

Kapelle. ein geistliches Lehen der Herren von der Asseburg. war nicht ver lehnt. sie ist<br />

später verfallen und ihr Raum mit zum Wohnhaus genommen. Weiterhin. daß Wetzleben<br />

etwa 400 Jahre Junkerdorf war. zunächst derer v. Sambleben und später derer<br />

von Schwarzkoppen. Schließlich. daß in 5emmenstedt die Namen zweier Fluren. unmittelbar<br />

östlich des Dorfes. nämlich .auf der Burg" und .Burgwanne" auf eine recht<br />

alte Burg hindeuten. daß es dort 2 Bergfriede gab. 3 caminatae lapideae. daß der<br />

Haupthof des Goslarer Domstifts später ein Meierhof wurde und daß auf der Hofstelle.<br />

heute Nr. ass. 32. der Landwirt U. Quidde sitzt.<br />

Von Bedeutung war. daß der zum Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel gehörige<br />

Bezirk "Asseburger Gericht". zu dem lange Zeit Hedeper und 5emmenstedt und kurze<br />

Zeit auch Wetzleben gehörten. von 1331 an. mit einer Unterbrechung von 14 Jahren.<br />

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224 Jahre lang bis 1569 der Stadt Braunschweig überlassen war. Als Herzog Heinrich<br />

der Jüngere gegen Zahlung des Pfandschillings den Gerichtsbezirk bei der Stadt Braunschweig<br />

einlösen wollte. lehnte diese die Rückgabe ab. Es kam zum Prozeß beim Reichskammergericht.<br />

das aber keine Entscheidung fällte. Heinrich der Jüngere verstarb. und<br />

erst Herzog Julius erwarb den Bezirk zurück. Die Stadt hatte behauptet. der Bezirk<br />

wäre nicht verpfändet gewesen und wäre ihr .Eigen" geworden.<br />

Ende des Jahres 1961 erschien Band 42 des B rau n s c h w e i gis ehe n J a h r­<br />

b u c h s im vermehrten Umfang von 184 Seiten.<br />

Den ersten Vortrag Im neuen Jahr hielt Dozent Heinrich K e une - Giclde am 12.<br />

Januar 1962. Er behandelte das Thema "Vom alten Dorf zur landgemeinde. Ober die<br />

inneren Wandlungen ostfälischer Dörfer." (484. Sitzung):<br />

Das 20. Jahrhundert ist das Zeitalter größter Völkerwanderungen. Das Durcheinandergewürfeltwerden<br />

der Menschen in unserer Zeit läßt leicht eine große Wanderung<br />

ganz anderer Art in Mitteleuropa übersehen. die seit mehr als hundert Jahren einen<br />

bedeutenden soziologischen Wandel zur Folge hatte. nämlich die Umwandlung der Bevölkerung<br />

von der alten Agrargesellschaft zur modernen industriellen Massengesellschaft.<br />

Seit dem Anfang des vorigen Jahrhunderts sind einzelne Personen oder auch einzelne<br />

Familien aus ihren .. Urheimaten" in den Dörfern aufgebrochen und haben sich<br />

in größeren Wohngebieten 2'U neuen Gesellschaften formiert. Vor 1800 lebten mehr als<br />

80 Prozent der Menschen in Räumen. die auch ihre Vorfahren schon viele Jahrhunderte<br />

vorher ständig bewohnt hatten. Bei vielen alteingesessenen Familien unseres<br />

Gebietes kann man annehmen, daß ihre Blutlinien bis in germanische Zeiten zurückgehen.<br />

Größere Störungen durch Massenzuwanderung sind bei uns seit der Völkerwanderung<br />

nicht zu erkennen.<br />

Untersucht man diese alte Gesellschaft, so stellt m:m fest, daß mehr als 75 Prozent<br />

der Menschen in den Dörfern und zugleich mit der Nachbarschaft verwandt sind. Von<br />

erheblicher Bedeutung, ja geradezu die Grundlage des Zusammenlebens der Menschen,<br />

ist das Wissen um das Verwandtsein. Selbst das Geschichtsbewußtsein vollzieht sidt im<br />

Denken in Generationen, wobei bemerkt werden muß, daß unsere Vorfahren buchstäblich<br />

bis in das siebente Glied zurückdenken. Verwandtsdtaften erkennen konnten und<br />

sie audt pflegten. Wer nicht zu dieser Urverwandtschaft gehörte, blieb ein Fremder.<br />

Die Bindungen untereinander wurden noch verstärkt durch die Einheitlichkeit des<br />

Berufs. nämlich dem des landwirts. der alle anderen Berufe beherrschte. Heimtskreise<br />

und damit Schichtungen in der Bevölkerung sind kaum vorhanden. So finden wir Söhne<br />

und Töchter von größeren und großen Höfen audt auf kleineren und kleinsten wieder.<br />

Hier wirkte sich das unerbittliche Gesetz aus. daß im allgemeinen nur der heiraten<br />

konnte. der in eine Haus- oder HofsteIle einheiratete. Ehepartner wurden nach uralten<br />

Gesetzen von den Eltern und der Verwandtschaft bestimmt. Das Wissen um das<br />

Verwandtsein im alten Bauerntum trug alle alten Gesellschaftsformen. Sie fanden ihren<br />

Ausdruck in Sitte und Brauchtum. in Feiern und Festen. in Kleidung und Tracht. im<br />

einheitlichen Hausbau. im Erziehungswesen (das ganze Dorf erzog die Jugend), in<br />

Kirche und Schule, in der Bewahrung der Mundart und im Festhalten an vielen althergebrachten<br />

Formen. Nur diese Gesellschaft konnte auch eine echte Gemeinschaft entwickeln,<br />

von der man noch 100 Jahre später träumte. Die Romantik, mit der die Ausgewanderten<br />

diese ländliche Welt umgaben. hatte hier ihre tiefsten Grundlagen. Die<br />

Sehnsucht nach der alten Heimat hat eine Fülle von schöpferischen Werken auf vielen<br />

Gebieten (u. a. auch Volkslieder) hervorgcbracht.<br />

Das 19. Jahrhundert ist die revolutionäre Zeit des Dorfes. Mit dem Ablösen der<br />

alten lasten und Dienste kommt der landwirt zum Bewußtsein des Eigentums. Bis zu<br />

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50 Prozent der Höfe gehen ein. neue Berufe kommen auf und bringen andere Menschen<br />

in das Dorf. Die Überfremdung beginnt. Die revoluticnäre Entwicklung der Landwirtschaft<br />

läßt die Zahl der Mitarbeiter auf den Höfen sehr stark anwachsen; die Bauern<br />

werden zu .. Herren" und setzen jetzt patriarchalisch ihre Mitarbeiter ein und betreuen<br />

sie zugleich. Im Dorf entsteht eine Schichtung. die in der Landwirtschaft zur Gruppenbildung<br />

nach Hofgrößen führt. aber auch zum Absetzen gegenüber Untergebenen und<br />

anderen Bevölkerungsteilen. Aus dem alten .. Du" entsteht als Zwischenfonn .Ihr" und<br />

später das .Sie". Es bleibt aus der alten Gesellschaft etwa der Ausdruck .. Onkel" und<br />

.. Tante". Formen. die erst in der Gegenwart verschwinden.<br />

Im modernen Dorf unseres Raumes macht die landwirtschaft im allgemeinen nicht<br />

mehr als 20 Prozent des Bevälkerungsanteils aus. Mehr als 75 Prozent der Bewohner<br />

sind von der Landwirtschaft unabhängig. Sie erkennen aber immer noch die landwirtschaft<br />

als führend in den Dörfern an; leider hat der Bauer noch nicht überall den Mut<br />

zum Brückenschlag zu diesen neuen Bevölkerungsschichten gefunden. Die alten Gemeinschaftskräfte.<br />

die aus dem Wissen um das Verwandtsein kamen. sind zerbrochen; entstanden<br />

sind neue Gemeinschaftsformen. die dem Bereiche des Mitmenschen entstammen.<br />

Die Überschaubarkeit und die Einschaubarkeit in das leben jedes einzelnen lassen<br />

das Mitmenschliche stärker zur Entfaltung kommen und machen aus dem modemen<br />

Dorf eine Schicksalsgemeinschaft. Die Landgemeinde in unserer Zeit ist keine .. Kleinst~dt";<br />

sie hat eigene innere Gesetze. Die Bewohner sind auch nicht verstädtert. vielmehr<br />

hat die technische Zivilisation Stadt und Land durchdrungen und gewandelt. Romantisierung<br />

der ländlichen Welt und Heimattümelei kommen aus städtbchen Bereichen.<br />

Die Dörfer stehen - zumindest in unseren Gebieten - den Städten kulturell und<br />

zivilisatorisch nicht nach; der Vorsprung der Stadt ist relativ. er beruht auf den Möglichkeiten.<br />

die sich aus den Gesetzen der größeren Zahl ergeben (siehe Theater und<br />

andere Kulturinstitute).<br />

Der Verlust der .Geborgenheit". wohl die tragischste Erscheinung im leben des<br />

modernen Menschen. ist im ländlichen Raum noch wenig spürbar. Auch heute noch<br />

sind Geborgenheit im Religiösen. im Gesellschaftlichen (Gemeinschaft) und in der Natur<br />

wertvolle Attribute des Dorfes und seiner Menschen.<br />

Mittelschullehrer i. R. Dr. Theodor Müll e r sprach am 16. Februar 1962 in der<br />

485. Sitzung über .. Stadtdirektor Wilhe1m Bode - Leben und Werk". Hierüber wird<br />

der Vortragende 1963 eine umfassende Darstellung im Rahmen der "Braunschweiger<br />

Werkstücke - Veröffentlichungen aus Archiv. <strong>Bibliothek</strong> und Museum der Stadt"<br />

vorlegen.<br />

Den letzten. gemeinsamen Vortrag des Winterhalbjahrs hielten Staatsarchivrat<br />

Dr. Hans Go e t tin g und Dr. Franz Ni q u e tarn 30. März 1962. Sie sprachen über<br />

"Das älteste niedersächsische Missionskloster Brunshausen bei Bad Gandersheim im<br />

lichte neuerer historischer Forschungen und Ausgrabungen" (486. Sitzung):<br />

An die erste Studienfahrt des Sommers nach Brunshausen (v gl. S. 201) anknüpfend.<br />

stellte der erste Vortragende die Gründung des von ihm durch Urkundenkritik nachgewiesenen<br />

ältesten niedersächsischen Klosters vor 785 in den Zusammenhang der<br />

Reichsgeschichte. indem er die Eingliederung Sachsens in das karolingische Reich. die<br />

bewundernswert folgerichtige und vom einheimischen Adel mitgetragene Organisation<br />

des von den Franken besetzten Landes und die damit unmittelbar zusammenhängende<br />

frühe Christianisierung unseres Gebietes skizzierte. Diese ist vor Errichtung der sächsischen<br />

Bistümer in der Hauptsache von der berühmten Reichsabtei Fulda durchgeführt<br />

worden. der die liudolfinger in Brunshausen. inmitten ihres Herrschaftsbereichs. einen<br />

günstigen Stützpunkt zur Anlage einer Missionszelle zur Verfügung stellten. Brunshausen<br />

hat als abhängiges Außenkloster dann noch bis weit ins 10. Jh. hinein zu<br />

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Fulda in naher Beziehung gestanden. Es ist daher anzunehmen, daß dessen überragende<br />

Bedeutung als eines geistigen Zentrums von europäischem Rang, seine Verdienste<br />

um die handschriftliche Überlieferung antiken und christlichen Geistesgutes<br />

auch das Bonifatiuskloster Brunshausen berührt haben dürften, das noch Ende des 9.<br />

Jhs. eine blühende Schule besessen hat. Leider müssen dessen Archiv und <strong>Bibliothek</strong><br />

als verloren gelten. aber mögliche Brunshäuser Provenienzen werden künftig von der<br />

Handschriftenforschung in Betracht gezogen werden müssen. So kann vielleicht ein von<br />

Dr. Goetting 1947 in Wrisbergholzen. in unmittelbarer Nähe Brunshäuser Klosterbesitzes.<br />

aufgefundenes Handschriftenfragment in der für Fulda typischen angelsächsischen<br />

Schrift (vgl. <strong>Jahrbuch</strong> d. Ges t. nds. Kirchengeschichte 51. 1953, S. 3 H.) dem<br />

bisher unbeachteten Brunshausen zugewiesen werden. - Für die Gründung Brunshausens<br />

im einzelnen und seine weiteren Schicksale darf hier auf die Veröffentlichungen<br />

des Vortragenden in diesem <strong>Jahrbuch</strong> Bd. 31 (1950) S. 11 ff. und in der Harz-Zeitschrift<br />

Bd. 5/6 (1953/54) S. 9 H. verwiesen werden.<br />

Mit Hilfe ausgezeichneter Farblichtbilder machte dann der Ausgräber selbst. Dr.<br />

N i q u e t. mit den bisherigen Ergebnissen der archäologischen Untersuchungen nach<br />

der ersten Hauptgrabung bekannt. Diese erstreckte sich - nach erfolgversprechenden<br />

Probeschnitten im ganzen Bezirk - vor allem auf das westliche Vorgelände des<br />

Klosters. den sog. Großen Garten. Mit der Freilegung eines großen drei räumigen Gebäudefundamentes<br />

und insbesondere mit der Auffindung einwandfrei nach Hessen<br />

weisender Keramik des 8. Jhs. konnten die mit histOrischen Mitteln gewonnenen Ergebnisse<br />

über die Anfänge Brunshausens von der archäologischen Seite her bestätigt<br />

werden. Den geplanten weiteren Grabungen auf dem Klosterhof selbst und in der<br />

Kirche darf man mit Spannung entgegensehen. Ein zusammenfassender Zwischenbericht<br />

über die bisherigen Ausgrabungsergebnisse im einzelnen wird in Kürze an anderer<br />

Stelle veröffentlicht werden.<br />

Richard Moderhack<br />

Theodor Müller<br />

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