Braunschweigisches Jahrbuch 43.1962 - Digitale Bibliothek ...
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
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10060-332-3
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BRAUNSCHWEIGISCHES<br />
JAHRBUCH<br />
IM AUFTRAGE DES<br />
BRAU N SCHWEl G ISCHEN GE SCHICHTSVEREIN S<br />
HERAUSGEGEBEN VON<br />
HANS GOETTING<br />
Der ganzen Reihe<br />
BAND 43<br />
Gedruckt in der Waisenhaus-Buchdruckerei Braunschweig<br />
Po.tverlag.ort Wolfenbüttel<br />
1962<br />
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Schriftleitung:<br />
Staatsarcbivrat Dr. Ham Goetting. Wolfenbüttel. Forstweg 2<br />
(Niedersäcbsiscbes Staatsarchiv)<br />
Zeitschriften -TauIchstelle :<br />
Regierungsrat i. R. Karl Mcyer. Wolfenbüttel, Wilhelm-Buscb-Str. 6<br />
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Dem verdienstvollen Forscher auf dem Gebiet der Landeskunde und<br />
langjährigen Vorstandsmitglied des Braunschweigischen Geschichtsvereins<br />
Dr. Theodor Müller<br />
zum siebzigsten Geburtstag am 22. April 1962 gewidmet<br />
Inhalt<br />
Dr. Theodor Müller -<br />
Seite<br />
Schriftenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . .. S<br />
Die Korrespondenzmethode als Mittel zur Quellenkritik der<br />
Braunschweigischen Generallandesvermessung des 18. Jahrh~nderts.<br />
Mit .. Abbildungen und .. Tabellen.<br />
Von Dr. Johann Karl R i P P e I in Braunscnweig . • . . • . . . . • . . . • . . . ., 12<br />
Das Verwandtschaftsverhältnis der »schwäbischen« Edlen<br />
Ida von Elsdorf zum Kaiserbruder Ludolf IV. von Braunschweig<br />
(t 1038) und zu Papst Leo IX. (t 1054).<br />
Mit .. Stammtafeln.<br />
Von Hans D 0 b b e r tin in E1dagsen .•.............•••.••.•. .. 4<br />
Die Gestalt der Stadt Gandersheim.<br />
Zu ihrer topographischen Entwicklung.<br />
Mit 1 Plan und .. Abbildungen.<br />
Von Dr. Kurt Kr 0 n e nb erg in Bad Gandersheim •••.•.•••.•••••• 77<br />
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Die Hugenottengemeinde Braunschweig (11).<br />
Seite<br />
Von Wilhelm Be u I e Je e In Salzgitter-Tbiede ..........•.......•• 102<br />
Zur Geschichte der Braunschweiger Sektion der I. Internationale.<br />
Der Briefwechsel zwischen Leonhard von Bonhorst<br />
und lohann Philipp Becker.<br />
Mit S Abbildungen.<br />
Von Prof. Dr. Georg E c Je e r t In Braunsmweig •...••..........•.. 131<br />
Kleinere Beiträge<br />
Ein Altar des Hans Vredeman de Vries<br />
für die älteste Trinitatiskirche in Wolfenbüttel.<br />
Von Prof. Dr. August F i n k in Wolfenbüttel .•••.•....••..•..••. 173<br />
Der Unglücksschuß auf die Hofrätin Mencken<br />
und die Helmstedter Schützenbrüderschaft.<br />
Von Marta Ale hein Helmstedt .•.....•.••••..••.....•••. 177<br />
Bibliographie zur braunschweigischen Landesgeschichte 1961.<br />
Bearbeitet von Chrilta Neu man n In Wolfenbüttel ••••..•.•••••.•• 186<br />
Chronik des Braunschweigischen Geschichtsvereins<br />
vom Mai 1961 bis März 1962.<br />
Bearbeitet von Dr. Ric:hard Mo der h a c Je und Dr. Theodor M ü I I e r<br />
In Brauruc:hweig . • . • • • . • • • • . • • ••••••••.•..•••••••••• 200<br />
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DR. THEODOR MULLER<br />
Sdtriftenverzeidmis<br />
1924<br />
Die Teilung des Amtes Thedinghausen im Jahre 1681. In: Braunschweigi~ches<br />
Magazin, Bd 30, Nr 2, 1924, Sp. 17-21.<br />
1925<br />
Das Amt Thedinghausen. In: Görges-Spehr: Vaterländische Gesmichten und<br />
Denkwürdigkeiten der Lande Braunsmweig und Hannover, neu hrsg. von<br />
F. Fuhse, 3. Auf!, Bd 1, Braunschweig 1925, S. 441-449.<br />
1926<br />
Die Erwerbung des Amtes Thedinghausen durm Herzog RudoH August von<br />
Braunsmweig-Wolfenbüttel 1681. In: Braunschweigisdler Volkskalender Jg. 56,<br />
1926, S. 69-72.<br />
1928<br />
Das Amt Thedinghausen. Seine Geschimte und seine Entwicklung. Thedinghausen:<br />
Gutenberg-Werkstätte 1928, 408 5., 8 Kt. 8°.<br />
1929<br />
Die Verhandlungen über den Austausch der braunschweigischen und hannoversJlen<br />
Trennstücke 18IS-18B. In: Braunschweigische Heimat, Jg. 20, Nr 2,<br />
1929, S. 74-77.<br />
Das Amt Thedinghausen 1679-1929. In: Festschrift zur 250-Jahrfeier, Thedinghausen<br />
1929, S. 9-18.<br />
1930<br />
Bäuerliche Familienforschung. Ein Beitrag zur familiengeschichtlichen Quellenkunde<br />
Niedersachsens. Leipzig: Degener 1930, 17 S. 8°. (Festgaben des Braunschweiger<br />
genealogischen Abends, Nr 3.)<br />
1931<br />
Die geologischen und hydrologischen Verhältnisse des Untergrundes von Braunschweig.<br />
In: Braunschweigische Heimat, Jg. 22, Nr 1. 1931, S. 19-21.<br />
1932<br />
Braunsdlweig und die Reimsreform. In: Schulblatt für Braunsmweig und Anhalt,<br />
Jg. 45, 1/2, 1932, S. 13-18.<br />
5
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Schrifttum zur Landes- und Volkskunde. In: Wissenschaft und Unterricht, Nr 1, S. 22<br />
bis 24, Beilage zum Schul blatt für Braunschweig und Anhalt, Jg. 45, 1932.<br />
Ewald Banse und sein Werk. In: Wissenschaft und Unterricht, Nr 6, S. 121-125,<br />
Beilage zum Schulblatt für Braunschweig und Anhalt, Jg. 4~. 1932.<br />
1933<br />
Erdkunde. In: Kahnmeyer, Ludwig und Hermann Schulze: Realienbuch, Bielefeld<br />
und Leipzig 1933, 172 S.<br />
Ein Profil aus dem Unteren und Mittleren Keuper bei Schöningen in Braunschweig.<br />
In: 22. Jahresbericht des Vereins für Naturwissenschaft zu Braunschweig,<br />
1933, S. 26-30.<br />
Ewald Banse zum 50. Geburtstage. In: Braunschweigische Heimat, Jg. 24. Nr 2,<br />
1933, S. 43-46.<br />
Neue Bücher zur Heimatkunde. In: Wissenschaft und Unterricht. Nr 2, S. 39-40. Beilage<br />
zum Schulblatt für Braunschweig und Anhalt. Jg. 46. 1933.<br />
Der lehrer als Heimatforscher. In: Wissenschaft und Unterricht, Nr 5', S. 85-98,<br />
Beilage zum Schulblatt für Braunschweig und Anhalt, Jg. 46, 1933.<br />
Eldkundeunterricht. In: Wissenschaft und Unterricht, Nr 6, S. 138-140, Beilage zum<br />
Schulblatt für Braunschweig und Anhalt, Jg. 46, 1933.<br />
Eldkundeunterricht. Rassenkunde. In: Schulblatt für Braunschweig und Anhalt. Jg. 46.<br />
25. 1933. S. 481-482.<br />
1934<br />
Landschaft und Volkstum. In: Die Deutsche Schule. Jg. 38, 1934. S. 281-287.<br />
Müller, Th, u. Christian Eisenhuth: Neuer Atlas für Mittelschulen und verwandte<br />
Lehranstalten, Bielefeld. Leipzig: Velhagen & Klasing 1934, 83 Kt. S.<br />
4°. - 5. verb. Aufl. 1939.<br />
Völkerpsychologie und Wehrerziehung. In: Die Deutsche Schule. Jg. 38, 1934.<br />
S. 282-288.<br />
1935<br />
Erdkunde. Heimatkunde und Geopolitik als völkisches Bildungsgut. leipzig:<br />
Klinkhardt 193;, 96 S. 80. - 2. erw. Aufl. [u. d. T.:] Erdkunde und Heimatkunde<br />
als völkisches Bildungsgut. Leipzig: KIinkhardt 1941, 1275., gr. 80.<br />
Ganzheitliche Raumschaften als Unterrichtseinheiten für die Behandlung<br />
Deutschlands. In: Die Deutsche Schule, Jg. 39. 1935, S. 495-5'00.<br />
1936<br />
Deutsches Volk - Deutsche Heimat. In: Die Deutsche Schule. Jg. 40. 1936, S. 167-168.<br />
Die unterrichtliche Behandlung des Volkstums einer deutschen Landschaft.<br />
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gezeigt am Beispiele des Rheinlandes. In: Zeitschrift für Erdkunde. Jg. 4. 1936.<br />
5.402-409.<br />
Zur unterrichtlichen Behandlung Negerafrikas. In: Zeischrift für Erdkunde.<br />
Jg. 4. 1936. S. 817-822.<br />
1937<br />
Das maTine Paläozän und Eozän in Norddeutschland und Südskandinavien.<br />
Berlin: Borntraeger 1937. 120 S .• 2 Kt. S. 80.<br />
Das nördliche Harzvorland. In: Zeitschrift für Erdkunde. Jg. 5. 1937. S. 961 bis<br />
973.<br />
Zwischen Dorf und Stadt: Amt und Flecken Tbedinghausen. In: Niedersachsen.<br />
hrsg. von Ewald Banse. Leipzig 1937. S. 277-287.<br />
1938<br />
Bergbau und Industrie. In: Deutschland. hrsg. von Ewald Banse. Leipzig 1938.<br />
S. 169-175'.<br />
Der zeitgeschichtliche Hintergrund der Raabeschen Erzählung .. Zum wilden<br />
Mann". In: Mitteilungen für die Gesellschaft der Freunde Wilhelm Raabes.<br />
Jg. 28. Nr 3. 1938. S. 76-81.<br />
1941<br />
Bohlmann. R .• W. Kern u. Tb. Müller: Geschichte der Apotheken des Landes<br />
Braunsdtweig. Braunschweig: Vieweg 1941. 5'5' S. 8 0.<br />
1942<br />
Die Bergbaulandschaft am Nordrande des Kielcer Berglandes. In: Zeitschrift für<br />
Erdkunde. Jg. 10. 1942. S. 372-381. .<br />
Zur Methodik des Heimatkundeunterrichts. In: Die Deutsche Volksschule im<br />
Generalgouvernement. Jg. 1. 1942. S. 49-5'6.<br />
Bilder aus der Landeskunde des Generalgouvernements. In: Die Deutsche<br />
Volksschule im Generalgouvernement. Jg. 1. 1942. S. 145'-149.<br />
Krakau. Werden und Bild der Hauptstadt des Generalgouvernements. In: Die<br />
Deutsche Volksschule im Generalgouvernement. Jg. 1. 1942. S. 217-225'.<br />
Warschau. Vom Fischerdorf zur größten Stadt des Weichselraumes. In: Die<br />
Deutsme Volksschule im Generalgouvernement. Jg. 1. 1942. S. 244-249.<br />
Zur Geschichte der Eisenerzgewinnung im Kielcer Bergland. In: Das Generalgouvernement.<br />
Jg. 2. H. 4. 1942. S. 18-27.<br />
1943<br />
Lublin. In: Die Deutsme Volksschule im Generalgouvernement. Jg. 2. 1943.<br />
S.73-79.<br />
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Das Waldhufendorf als Denkmal der deutsmen mittelalterlimen Landnahme.<br />
In: Die Deutsme Volkssmule im Generalgouvernement. Jg. 2. 1943. S. 129<br />
bis 136.<br />
Burgenlandsmaften im Generalgouvernement.!. Die Burgen am Dunajec. II. Die<br />
Burgen des Krakauer Jurazuges. In: Die Deutsme Volksschule im Generalgouvernement.<br />
Jg. 2. 1943, S. 169-177. 218-225.<br />
Die Hohe Straße von Krakau nam Sandomir. In: Das Generalgouvernement.<br />
Jg. 3. H. 1. 1943. S. 12-2I.<br />
Tarnow. Werden und Entwicklung. In: Das Generalgouvernement. Jg. 3. H. 4.<br />
1943. S. 16-2I.<br />
Landeskunde des Generalgouvernements. Krakau : Burg-Ver!. 1943. 13 5 S .•<br />
1 PI., gr. 8 0.<br />
1944<br />
Die Weidlsel als SmiHahrtsweg in Vergangenheit und Gegenwart. In: Die<br />
Deutsme Volkssmule im Generalgouvernement. Jg. 3. 1944. S. 16-22. 63-65.<br />
Tschenstomau. In: Das Generalgouvernement. Jg. 4. H. 1. 1944. S. 28-36.<br />
1950<br />
Erdstruktur und Bodenschätze [des Kreises Gifhorn]. In: Kreiskalender Gifhorn<br />
Isenhagen. 1950. S. 97-10l.<br />
Martin Bürgener. Tb. Müller [u. a.]: Die deutsmen Länder in ihrer naturräumlimen<br />
Groß gliederung. In: Geographismes Tasmenbum1950. S. 168-186.<br />
1951<br />
Die Deutsme Erdölwirtschaft. In: Geographisches Taschenbum1951/52. S. 261<br />
bis 265.<br />
Poser. Hans u. Tb. Müller: Studien an den asymmetrischen Tälern des Niederbayerismen<br />
Hügellandes. Göttingen: Vandenhoeck &: Ruprecht 1951. 32 S. =<br />
Nadlrlmten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Math.-Phys.<br />
Klasse. 1951. Nt 1.<br />
[Mitarbeiter] Vierzonenverwaltungskarte von Deutscllland mit naturräumlicher<br />
Gliederung. (Wiesbaden: Hess. Landesvermessungsamt 1951.)<br />
Landschaftspflege und Landschaftsgestaltung. In: Berichte zur deutschen Landeskunde.<br />
Bd 10. 1951. S. 64-66.<br />
1952<br />
Ostfälisclle Landeskunde. Braunschweig: Waisenhaus-Buchdr. u. VerI. 1952.<br />
532 S. So.<br />
8
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1953<br />
Heimatkarte Stadt- und Landkreis Braunschweig. Braunschweig-Rautheim:<br />
Stüwe [1953], 1 BI.<br />
Die "Alte Wik" bei Campen. In: <strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>. Bd 34. 195'3.<br />
S.145-141.<br />
Wirtschaftsfunktion und Sozial gefüge der Stadt Braunschweig in Vergangenheit<br />
und Gegenwart. In: <strong>Jahrbuch</strong> der Geographischen Gesellschaft zu Hann.over für<br />
das Jahr 1953, S. 130-149.<br />
Der Landkreis Goslar in seiner historisch-topographischen Zusammensetzung. [Referat.]<br />
In: <strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>. Bd 34. 1953. S. 157.<br />
Das nördliche Harzvorland. Eine kleine Heimatkunde. Braunschweig-Rautheim:<br />
Stüwe [1953], 16 S. 80. - 3. Auf!. [u. d. T.:] Zwischen Braunschweig und Harz.<br />
Das nördliche Harzvorland. Braunschweig-Rautheim: Stüwe 1957, 24 S ..<br />
1 Kt. 8°.<br />
1954<br />
Schiffahrt und flößerei auf der Schunter im 18. Jahrhundert. In: Forschungen<br />
zur braunschweigischen Geschichte und Sprachkunde. Braunschweig 1954, S. 135<br />
bis 159. (Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Geschichte. Bd 15.)<br />
Die ostfälische Landschaft im Werk Wilhelm Raabes. In: Mitteilungen der<br />
Raabe-GeseUschaft, Jg. 41, H. 3, 1954, S. 101-110.<br />
Ein alter Handelsplatz an der Schunter? In: <strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>, Bd 35,<br />
1954. S. 153-155.<br />
1955<br />
215 Jahre braunschweigisches Amt Thedinghausen. In: Heimatbote des Landkreises<br />
Braunschweig 195), S. 45-48.<br />
Die Schunter und das Schuntertal im 16. bis 18. Jahrhundert. In: Braunschweigi-sche<br />
Heimat, Jg. 41. H. 2. 1955, S. 50-57.<br />
Die Kultivierung der Moore im Schuntergebiet zwischen Helmstedt und Königslutter<br />
bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. In: Braunschweigische Heimat, Jg.<br />
41, H. 4, 1955, S. 107-110.<br />
Ostfalen. Eine landeskundliche Skizze. In: Berichte zur deutschen Landeskunde,<br />
Bd 15, 1955, S. 81-93.<br />
1956<br />
Asse - Elm - Lappwald. Eine kleine Heimatkunde. Braunschweig-Rautheim:<br />
Stüwe [1956}, 16 S., 1 Kt. 80.<br />
Die Kultivierung der Moore im Schuntergebiet zwischen He1mstedt und Königs-<br />
9
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lutter im 19. Jahrhundert. In: Braunsdtweigisdte Heimat. Jg. 42. H. 3. 1956.<br />
S.111-115.<br />
schaffendes Land. OIden<br />
Das Land und seine Mensdten. In: Braunsdtweig -<br />
burg/Oldb. [1956]. S. 17-18.<br />
Geologisdte Geschichte - Pflanzenwelt - Tierwelt - Natursdtutz. In: Braunsdtweig<br />
- sdtaffendes Land. 01denburg/Oldb. [1956]. S. 46-47.<br />
Zur Gesdtidtte des Eisenerzbergbaues bei Neuwallmoden. In: Braunschweigisdtes<br />
<strong>Jahrbuch</strong>. Bd 31. 19%. S. 145-1H.<br />
1957<br />
Innerste-Bergland. In: Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutsdtlands.<br />
Hg. 4/5. Remagen 1957. S. 598-600.<br />
Braunsdtweig und Umgebung. Eine kleine Heimatkunde. Braunsdtweig-Rautheim:<br />
Stüwe [1957]. 24 S .• 1 Kt. 8°.<br />
Die Gesdtidtte der Geographie am Collegium Carolinum zu Braunsdtweig 1745<br />
bis 1834. In: <strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>. Bd 38. 1951. S. 75-94.<br />
Ein historisdter Atlas der Stadt Braunsdtweig. In: Braunsdtweigisdtes Jahrbudt.<br />
Bd 38, 1957, S. 150-154. 3 KtenbeiI.<br />
Dowesee und Bullenteidt. In: Der Freundeskreis des Gr. Waisenhauses Braunschweig.<br />
H. 21. 1957. S. 3-6.<br />
1958<br />
Die Kultivierung der Niederungen im Westteil des Kreises Braunschweig 1743<br />
bis 1832. In: Heimatbote des Landkreises Braunschweig 1958. S. 39-58.<br />
Der Wirtschaftsraum Braunschweig-Helmstedt. In: Geographisdte Rundschau.<br />
Jg. 10. Nr 2.1958. S. 41-49.<br />
Ewald Banse zum Gedächtnis. In: Der Freundeskreis des Gr. Waisenhauses<br />
Braunschweig, H. 22. 1958, S. 4-5.<br />
Der Harz. Eine kleine Heimatkunde. Braunschweig-Rautheim: Stüwe [1958].<br />
32 S .• 1 Kt. 80. - 3. Aufl. 1959.<br />
Wilhelm Raabe und der Eisenhahnknotenpunkt Börßum. In: Mitteilungen der<br />
Raabe-Gesellsdtaft. Jg. 45. H. 3.1958. S. 78-81.<br />
1959<br />
Ostfalenland. Eine Heimatkunde des landes zwischen Harz. Weser und Aller.<br />
Braunsdtweig-Rautheim: Stüwe 1959. 96 S. 80. - 2. Auf!. 1961.<br />
(Hoppe, Kar! und Tb. Müller:) Technisdte Hodtschule Carolo-Wilhelmina<br />
10
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Braunschweig. Kurzer Abriß ihrer Geschichte. (Braumroweig) 1959 (:Waisenhaus-Buchdr.),<br />
10 BI. 8 o.<br />
Nordöstliches Harzvorland und Bodeniederung; Nördliches Harzvorland;<br />
Niedersächsische Börden. In: Handbuch der naturräumlichen Gliederung<br />
Deutschlands, Lfg. 6, Remagen 1959, S. 765-782.<br />
Johann Christoph Harenbergs Tätigkeit als braunschweigischer GeneraIschulinspektor<br />
1736-1756. In: <strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>, Bd 40, 1959, S. 88<br />
bis 116.<br />
Zur Geschichte der Schiffahrt und Flößerei auf der Oker und ihren Nebenflüssen.<br />
[Referat.) In: <strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>, Bd 40, 1959, S. 167-168.<br />
1960<br />
Die Burg Thedinghausen. In: Heimatbote des Landkreises Braunschweig 1960,<br />
S. 5'6-63.<br />
Blaunschweiger Bürgerkultur zur Biedermeierzeit: Friedrich Konrad Griepenkerl.<br />
In: Der Freundeskreis des Gr. Waisenhauses Braunschweig, H. 28, 1960,<br />
S. 50-5'3.<br />
Wilhe1m Bode 1779-1854. In: Niedersächsische Lebensbilder, Bd 4, Hildesheim<br />
1960, S. 31-43.<br />
Zur Geschichte des Herzoglichen Kadetten-Institutes in Braunschweig. In:<br />
<strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>, Bd 41, 1960, S. 96-119.<br />
Vom Collegium Carolinum zur Technischen Hochschule. [Referat.] In: <strong>Braunschweigisches</strong><br />
<strong>Jahrbuch</strong>, Bd 41, 1960, S. 148-150.<br />
1961<br />
Die Schunterkorrektion 1816-1823. In: Heimatbote des Landkreises Braunschweig<br />
1961, S. 34-41.<br />
Bilanz zweier Jahrhunderte. Zur Geschichte des Bankhauses Gebrüder Löbbecke<br />
&. Co. (Braunschweig 1961: Westermann,) 124 S. 8 o.<br />
11
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Die Korrespondenzmethode als Mittel zur Quellenkritik<br />
der BraunschweigisdIen Generallandesvermessung<br />
des 18. Jahrhunderts<br />
Von<br />
Johann Kar! Rippel<br />
Die regelmäßig auftretende Nachbarschaft der Besitzparzellen geteilter oder aufgeteilter<br />
Höfe (Flurkorrespondenz) läßt sich mit Hilfe einer Flurtabelle (vgl. Tab. 1-3)<br />
statistisch erfassen und kann innerhalb bestimmter, durch mathematische Zusammenhänge<br />
gegebener Grenzen methodisch zunächst herangezogen werden, um das ältere aus<br />
dem Parzellengefüge sich ergebende Flurgefüge und die Lage der alten Höfe im Dorf zu<br />
rekonstruieren, ebenso aber auch zur Beantwortung der Frage, ob das Parzellengefüge<br />
der benutzten Flurkarten im Zuge einer Vennessung oder auch schon vorher verändert<br />
worden ist.<br />
Ich hatte Gelegenheit, über diese Probleme anläßlich des internationalen Symposiums<br />
zur Genese der agraren Kulturlandschaft in Vadstena/Schweden (August 1960) zusammenfassend<br />
zu berichten. Im Rahmen der Veröffentlichung der Vorträge konnte<br />
jedoch aus Raumgründen nur die Beschreibung der Korre5pondenzmethode publiziert<br />
und die Grenzen ihrer Anwendbarkeit zur Rekonstruktion älterer Flur- und Dorfverhältnisse<br />
kritisch herausgestellt werden '0).<br />
Der vorliegende Aufsatz behandelt den im Vortrag nur knapp zusammengefaßten<br />
zweiten Anwendungsbereich der Korrespondenzmethode. Die Methode liefert ein<br />
Beweismittel im Rahmen der Quellenkritik der Braunschweigischen Generallandesvermessung<br />
des 18. Jahrhunderts und kann auch die Anregung zu den Fragen geben, ob in<br />
älterer Zeit auch in anderen Gebieten mit weit unvollständigerer Quellenüberlieferung<br />
Verkoppelungen oder Zusammenlegungen stattgefunden haben und ob diese Eingriffe in<br />
das Parzellengefüge mit Hilfe der im Herzogtum Braunschweig bei reichhaltigem<br />
Quellenmaterial entwickelten und erprobten Korrespondenzmethode auch aus anderen<br />
Flurkarten bewiesen werden können.<br />
Für die Flurformenforschung bieten die physisch-geographischen Verhältnisse<br />
zusammen mit alten Flurkarten, Akten und Urkunden sowie - vor allem bei<br />
Wüstungen - mit Funden und fossilen Formen gleichbedeutende methodische<br />
Ansatzpunkte für die Auswertung. Quellenkritisch betrachtet ist das Material<br />
nach seiner Art jedoch verschieden aussagekräftig. Entweder sind Tatsachen<br />
überliefert oder ausgesprochen, die bereits als Ergebnis für sich sprechen,<br />
ooer das Material bedarf, wie z. B. Akten und Urkunden, einer Kritik, um die<br />
Gültigkeit zu fixieren und abzugrenzen. Alte FIurpläne gehören nur für den<br />
Zeitpunkt ihrer Aufnahme zur ersten Gruppe; zur Rekonstruktion zurückliegender<br />
Zustände verlangen sie eine Kritik im Hinblick auf die Fral!"e, ob sich<br />
die Flur kontinuierlich entwickelt hat oder ob das Parzellengefüge Eingriffe in<br />
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die Besitzstruktur erkennen läßt. Die Leistungsfähigkeit der von mir aus den<br />
Feldbeschreibungen der Braunschweigischen Generallandesvermessung zusammengestellten<br />
Flurtabellen - also "schematischer Flurkarten" - liegt unter<br />
anderem gerade darin, solche einmalig gesetzten Gefüge kenntlich zu machen.<br />
Allgemein bildet der in den VerkoppeIungskarten des 19. Jahrhunderts wiedergegebene<br />
"alte" Zustand den Ausgangspunkt der Untersuchungen. Im ehemaligen<br />
Herzogtum Braunschweig besteht hingegen die günstige Gelegenheit, um<br />
100 Jahre ältere Flurkarten zu verwenden, die noch nicht die starken Veränderungen<br />
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts enthalten, die bei der Auswertung<br />
der üblichen Verkoppelungskarten hinderlich sind.<br />
Die Feldrisse (1 : 4000) der Braunschweigischen Generallandesvermessung<br />
entstanden von 1746-1784 unter der "Fürstlichen General-landes-Vermessungs-Kommission"<br />
zusammen mit ausführlichen Dorf-. Feld- und Wiesenbeschreibungen.<br />
Bekanntlich hatte die Vermessung u. a. den Zweck, "daß die<br />
Untertanen die zerstreut liegenden Äcker beieinander bekommen" (C. Gesenius<br />
1803, Beil. 1, S. 3) 2). In welchem Maße dieses Postulat jedoch durchgeführt<br />
wurde, darüber herrscht Unklarheit. Es ist also notwendig, zum Verständnis den<br />
Stand der Diskussion in der Literatur vorauszuschicken.<br />
Schon A. Meitzen (1895,1, 5.117; III, S. 65; Atlas zu Bd IlI. Anl. 19) 8).<br />
fußend auf C. Gesenius. benutzte die Feldrisse der Braunschweigischen Generallandesvermessung<br />
und beschreibt z. B. Wittmar (ostw. Wolfenbüttel) als verkoppelte<br />
Flur, in der "mehrere alte Gewanne zusammengeworfen, auch die<br />
Gewanngrenzen geändert worden" sind, "so daß sich die lage des früheren<br />
Besitzstandes nicht herstellen läßt". Seitdem erfuhr die Generallandesvermessung,<br />
was ihren historisch-geographischen Aussagewert betrifft, bis in die<br />
jüngste Gegenwart eine gegensätzliche Bewertung.<br />
K. Maßberg (1930, S. 9) 7) zitiert zwar die Arbeiten von C. Gesenius und<br />
A. Meitzen, geht jedoch mit der Begründung. daß die Ortschaften östlich und<br />
westlich Wolfenbüttel - u. a. Wittmar - seit dem 12. Jahrhundert grundherrlichen<br />
Streubesitz hatten, von der Annahme aus. daß damit eine durchgreifende<br />
Feldmarkänderung unmöglich gewesen sei. Durch diese Prämisse geblendet,<br />
verliert K. Maß berg den Blick zur kritischen Bewertung de,r geforderten<br />
Maßnahmen (vgl. C. Gesenius 1803. Beil. I) 2) für die Vermessung überhaupt<br />
und behauptet, die sehr umfangreichen Ackergewanne seien nicht das Ergebnis<br />
der Vermessung (K. Maßberg 1930, S. 12) 7). Er stützt seine Aussage auf einen<br />
Analogieschluß, indem er die Größe der Wannen in anderen braunschweigischen<br />
Landesteilen vergleichsweise heranzieht. Aber gerade solche Schlüsse sind wegen<br />
der unterschiedlichen Handhabung der Vermessung nicht statthaft. Wie noch zu<br />
zeigen ist, kann die Frage, ob verkoppelt wurde oder nicht, nur gemarkungsweise<br />
untersucht und beantwortet werden.<br />
K. Maß berg wäre sicher' zu anderen Ergebnissen gekommen und hätte die<br />
Feldrisse der Generallandesvermessung vorsichtiger beurteilt, wenn die Arbeit<br />
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von H. Voges (1937) 23), die sich speziell mit der Allgemeinen Landesvermessung<br />
und der ersten Verkoppelung im Lande Braunschweig im 18. Jahrhundert<br />
befaßt, damals schon zur Verfügung gestanden hätte. H. Voges verfolgt die<br />
Arbeit der Landesvermessungskommission allerdings nur einseitig an Hand der<br />
Akten des Geheimen Rates *) und behandelt im einzelnen auch nicht die Feldrisse,<br />
so daß er zwar das Ziel der Vermessung, nämlich die Neueinteilung der<br />
Wannen innerhalb des Ackerlandes und die Zusammenlegung der darin befindlichen<br />
Äcker gebührend hervorhebt, aber daraus keine geographischen Folgenmgen<br />
zieht, sondern überraschend feststellt, daß die Karten "für die Forschungen<br />
auf dem Gebiete der Siedlungs- und Agrargeschichte und der geschichtliChen<br />
Entwicklung des Landschaftsbildes benutzt" werden können, Forschungen, bei<br />
denen "der Blick weiter zurückreicht bis ins erste Jahrhundert unserer Zeitrechnung".<br />
Ganz unerwartet faßt H. Voges zusammen: "Gerade im Hinblick<br />
auf diese Forschung steht der Wert der Ergebnisse der Allgemeinen Landesvermessung<br />
weit über denen außerbraunschweigischer Landesvermessungen UI1.d<br />
wird richtig und in vollem Umfange erst in der Zukunft gewürdigt werden"<br />
(vgI. H. Voges 1937, S. HiSS) 23).<br />
Es wundert deshalb nicht, daß die jüngere Forschung, wie z. B. Th. Müller<br />
(1952, S. 166, 169, 176 f.) 12), auf H. Voges und K. Maßberg aufbaut. H. Pohlendt<br />
(1954, S. 185) 16) spricht zwar von der streng regulierten schematischen<br />
Wannenflur des Fleckens Hessen und wirft die Frage auf. ob die zahlreichen<br />
Feldwege erst eine Folge der Neuvermessung wären. Das Problem der Verkoppelung<br />
wird dagegen nicht berührt, ist ihm jedoch durchaus bekannt; denn<br />
H. Pohlendt schreibt in einer jüngeren Veröffentlichung (1951, S. 108) 17): die<br />
Braunschweigische Landesvermessung "hatte nicht immer eine Neuverteilung des<br />
Besitzes zur Folge", während U. Oberbeck-Jacobs (1957, S. 116) 14) ausdrücklich<br />
feststellt, daß "Gewanne geringfügig begradigt, Feldwege gerichtet und allzu<br />
zersprengt gelegene BesitzparzeIlen zusammengelegt" wurden und somit in den<br />
Flurformen keine "schwerwiegenden Veränderungen" eingetreten seien. Die Ansichten<br />
zu diesem Problem von R. Lüderßen (1881, S. 26 und 89-91) 6) und von<br />
H. J. Fr. von Schrader (1836, S. 3-53) 21) und die Festgabe für die Mitglieder<br />
der XX. Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe (1858, S. 252 f. und<br />
Karten) 24) finden in der jüngeren Literatur keine Berücksichtigung mehr, obwohl<br />
gerade von Schrader als Oberappellationsrat in Wolfenbüttel- noch quasi<br />
als Zeitgenosse der Landesvermessung - seinen Aufsatz als Jurist um 1800<br />
niederschrieb. Die Ausführungen von H. Voges bauen weitgehend auf dieser<br />
VeröffentlidlUng auf.<br />
*) Ihm sind die Geschäftsakten der Kommission aus unerfindlichen Gründen unbekannt<br />
geblieben (vgl. E. Pitz 1957, S. 147) 16), obwohl er seinerzeit Direktor des ehemaligen<br />
Landeshauptarchivs Wolfenbüttel war. Die Akten lagern seit ihrer Ablieferung<br />
unter L Alt Abt. 58. Seit August 1958 stehen sie, ,"on E. Pilz neu geordnet und mit<br />
einem neuen Findbuch versehen, besser aufgeschlüsselt zur Verfügung.<br />
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Erst die 1954 durch die Historische Kommission für Niedersachsen in Gang<br />
gebrachte Publikation der Feldrisse im Maßstab und Blattschnitt der Topographischen<br />
Karte1: 25 000 (vgl. KIeinau, H., Th. Penners und A. Vorthmann<br />
1956) S), durch die ein Werk geschaffen wird, welches der Fmschung Anregung<br />
bieten und dem auf geographischer Grundlage arbeitenden Historiker eine<br />
Arbeitskarte mit möglichst weit zurückreichender Situation höchster Genauigkeit<br />
-leider jedoch ohne Parzellengrenzen - bieten soll (vgl. 1956, S. 2) S),<br />
bramte die Diskussion um den Wert der Kartengrundlagen neu in fluß. H.<br />
Kleinau und Th. Penners (a. a. 0., S. 5/6) lösen sim vom Soll der Instruktion<br />
und erkennen im tatsächlichen Befund "vor allem eine Zusammenlegung der oft<br />
stark zersplitterten bäuerlimen Besitzteile und in Verbindung damit eine Rationalisierung<br />
der Wanneneinteilung", geben jedoch keine methodischen Hinweise<br />
zum Namweis der Veränderungen in den Fluren, die entweder einen "bereits<br />
älteren Zustand oder das Anfangsstadium der modernen Entwicklung zeigen",<br />
sondern überlasren es speziellen Nachforschungen festzustellen, "welchen Umfang<br />
ggf. die regulierenden Eingriffe hatten" *). E. Pitz (1957, S. 148) 15) fordert<br />
indessen im Hinblick auf die wissenschaftliche Bedeutung und unter Hinweis auf<br />
den hohen Wert der Gesmäftsakten der GeneraUandesvermessungskommission<br />
ausdrücklim die Prüfung des Quellenwertes der Risse und Beschreibungen. Die<br />
gt'ographisme Konsequenz des Postulats von E. Pitz ist die von mir bereits in<br />
meinem Vortrag in Vadstena angeregte Sehaffung einer gemeindeweisen Übersieht,<br />
für welme die Anwendung der Korrespondenzmethode ein zentrales<br />
Beweismittel darstellt.<br />
Kritik der Braunschweiglscl!en Generallandesvermessung<br />
Für das ehemalige Herzogtum Braunschweig liefert die günstige Quellenlage<br />
drei Ansatzpunkte zur kritischen Betramtung der Generallandesvermessung.<br />
Diese sind:<br />
1. der Wille des Gesetzgebers (Verordnungen, Instruktionen),<br />
2. das Ergebnis der Vermessung (Feldrisse im Maßstab 1 : 4000 sowie Dorf-,<br />
Feld- und Wiesenbeschreibungen),<br />
3. die Tätigkeit der Fürstlimen General-Landes-Vermessungs-Kommission<br />
(Gesmäftsakten und Protokolle der Vermessungsbeamten).<br />
Methodisch ist diese Gliederung zweckmäßig; denn die Möglidtkeit, einen<br />
Befund wemselseitig durm die Ergebnisse der anderen Beweismittel zu bestätigen,<br />
mamt die Aussagen der braunschweigischen Feldrisse weitgehend nachprüfbar<br />
und kann Verfahrensweisen für Gebiete liefern, in denen jedes Ergebnis<br />
allein nur aus Flurkarten zu gewinnen ist. Aus diesem Grunde werden auch die<br />
.) H. Klelnau (1961) ') weist in seiner sehr genauen Arbeit über Runstedt (Lkr.<br />
Helmstedt) auf umfangreiche Flurveränderungen im 18. Jahrhundert hin.<br />
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drei Komplexe, die eine von einander unabhängige Auswertung gestatten,<br />
einzeln dargestellt. Die Reihenfolge ergibt sich jedoch aus der Notwendigkeit,<br />
den vorliegenden Text zu entlasten, also dem Leser zunächst die Prinzipien der<br />
Vermessung an die Hand zu geben, mit Hilfe derer die Auswertung des karto~<br />
graphisch fixierten Parzellengefüges - das zentrale Anliegen dieser Unter~<br />
suchung - leichter zu verstehen ist.<br />
1. Zum Willen des Gesetzgebers (Instruktionen): Die "Instruction für die<br />
Sulxlelegatos bey Fürstlicher General-Landes-Vermessungs-Commission" vom<br />
28. November 1755 (abgedruckt bei C. Gesenius 1803, Beilage 1) 2) war vor<br />
allem für H. Voges (1937) 20), J. H. Fr. von Schrader (1836) 18) und R. Lüderßen<br />
(1S81) 6) der Ansatzpunkt für die Kritik dieser großartig durchgeführten Ver~<br />
messung. Außer R. Lüderßen geben sie den Inhalt der Paragraphen ausführlich<br />
wieder; aber keiner würdigt die zwingende juristische Logik und den Aufbau der<br />
Instruktion, deren Paragraphen die im einzelnen auszuführenden Tätigkeiten<br />
nacheinander lückenlos aufzählen. Das Werk ist aus einem Guß, und es zeigt<br />
das klare Ziel: eine einheitliche Durchführung zu erreichen und die nur zu zweit<br />
in einer Gemeinde arbeitenden Vollzugsbeamten der Beeinflussung durch die<br />
Bauern zu entziehen.<br />
Ein grober Überblick mag zunächst den Aufbau dieser Instruktion beleuch~<br />
ten. § 1 nennt unter den Zwecken der Vermessung vor allem, "daß die Unter~<br />
tanen die zerstreut liegenden Äcker bei einander bekommen, daß dadurch und<br />
durch Bezeichnung der gradlinigen Grenzen den Prozessen wegen der Grenzen,<br />
des Abpflügens etc. abgeholfen" werde. §§ 2-13 regeln allgemeine Dinge, wie<br />
obrigkeitliche Anweisung zur Durchführung der Vermessung, Gestellung von<br />
Quartier und Feuerung seitens der Gemeinde, Botendienste, Verbot von Bestechung,<br />
laufende Kontrolle der Meßgeräte, ProtokoIlführung, Beschwerdeführung<br />
und in § 6 die Aufsichtspflicht des Subdelegaten über den ihm zugeordneten<br />
Vermessungsingenieur. Eine AnLage zu diesem Paragraphen regelt in 30<br />
weiteren Abschnitten alle Tätigkeiten der Vermessungsbeamten. §§ 14-42 befassen<br />
sich mit dem eigentlichen Problem dieser Untersuchung, der Vermessung<br />
und Verteilung des Ackerlandes, bis § 51 werden die Wiesen, Weiden, Änger<br />
und Koppelweiden abgehandelt; §§ 52-60 enthalten zusammen mit drei An~<br />
lagen genaue Anweisungen zur Anfertigung der Dorf-, Feld- und Wiesenbeschreibungen.<br />
Da die Vermessungsbeamten (jeweils ein Jurist und ein Vermessungsingenieur)<br />
die speziellen Verhältnisse der ihnen übertragenen Ortschaften nicht<br />
kannten, wurde zur Vorbereitung jeder Vermessung zunächst eine Gemeindeversammlung<br />
einberufen, um zwei der Feldmark kundige Geschworene auszuwählen<br />
(§ 14). Ihre Lokalkenntnis solIte den Beamten für die Zeit der Ver~<br />
messungsarbeiten zur Verfügung stehen.<br />
Zu Beginn der eigentlichen Vermessungsarbeiten mußten sich die Vermes~<br />
sungsbeamten mit der ganzen Gemeinde in die Feldmark begeben und hierbei<br />
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"jedes Feld in gewisse Wannen" einteilen, die jeweils "einen Distrikt Ackers"<br />
von gleicher Güte umfaßten (§ 15). Die ZeIgengrenzen blieben von dieser Maßnahme<br />
zunächst unberührt, aber der Eingriff in das Wannengefüge war u. U. so<br />
einschneidend, daß den Bauern in § 16 ein Beschwerderecht eingeräumt und<br />
eine Frist von 2-3 Tagen gesetzt wurde, in der sie ihre Einwände gegen die<br />
Neueinteilung der Wannen vorbringen konnten. In §§ 17 und 18 wurde angeordnet,<br />
die Wannen parallel und nicht keilig einzurichten. Es war also notwendig,<br />
auch die Grenzen der Felder zu begradigen. Die Instruktion sagt hierüber<br />
zwar nichts, so daß die geforderte Begradigung der übergeordneten Feldmarkgrenzen<br />
(vgI. § 21 der Anlage A) analog als Beweis auch für die Begradigl1ng<br />
der Feldergrenzen herangezogen werden muß. Diese Feststellung ist<br />
deshalb bedeutungsvoll, weil das ZeIgengefüge aus fruchtfolgetechnischen<br />
Gründen durch die Generallandesvermessung nicht verändert, sondern - wo es<br />
fehlte - sogar erst eingeführt wurde und den Feldrissen den Habitus nur geringfügig<br />
durch Grenzbegradigungen regulierter Feldfluren gab. Diese Tatsache darf<br />
aber niemals zur Beweisführung gegen eine Veränderung des Parzellengefüges<br />
herangezogen werden, wie es K. Maßberg (1930, S. 10) 7) tut. In §§ 17 und 18<br />
wird weiterhin bestimmt, daß die Wannen nicht unter 30 Morgen haben dürften<br />
und auf Grund der Ernteerträge in bis zu 5 Klassen eingeteilt werden sollten,<br />
damit bei etwa erforderlichem Landtausch eine Wertskala gegeben sei.<br />
Erst nadt der Neueinteilung der Wannen durften sich die Vermessungsbeamten<br />
mit dem Landbesitz der Bauern befassen. Die Parzellen wurden nicht<br />
ausgemessen, sondern "die Länderei einer jeden Wanne (§ 19) nach der alten<br />
Lage Stück für Stück ... durchgegangen, alle [Besitzer) um den wahren Inhalt<br />
jeden Stücks, wie solches von alters her im Felde gelegen, ... genau befragt".<br />
Dieser Text war bislang falsch interpretiert worden, weil die Chronologie der<br />
durchzuführenden Tätigkeiten nicht berücksichtigt wurde. Gemeint sind nidlt<br />
die Parzellen der alten Wannen aus der Zeit vor Beginn der Vermessungsarbeiten,<br />
wie K. Maßberg (1930, S. 10) 7) annimmt, sondern es handelt sich um<br />
den Flächeninhalt und die wirkliche Lage der Besitzanteile jedes Bauern, also<br />
um unzerschnittene Äcker und um Stücke von Äckern, die nun infolge der neuen<br />
Wannengrenzen teils zerschnitten innerhalb einer neu eingeteilten Wanne<br />
liegen (vgI. Abb. 1). Auch die Eidesformel für die Geschworenen (§ 14 und<br />
Anlage B) unterscheidet zwischen einem Acker und einem Stück Land, also<br />
zwischen Besitzparzellen, die durch die Neueinteilung der Wannen unberührt<br />
blieben (Acker) und Teilst.ücken (Stück) zerschnittener Einheiten.<br />
Zur Gegenkontrolle der in § 19 verlangten Fixierung aller Besitzanteile in<br />
d'!r Ackerflur wurde außerdem jeder Bauer in der Wohnung aufgesucht und seine<br />
auf dem Felde angegebene Länderei nach der alten Lage nochmals "Stück für<br />
Stück" wiederholt (§ 20) und wiederum "Stück für Stück" unter jeder neu eingeteilten<br />
Wanne im Protokoll nieder~legt. Weiter wurden die Besitzanteile<br />
jedes Bauern wannenweise summiert und eine Tabelle angefertigt, aus der sich<br />
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punktiert:<br />
neue Wannengrenze<br />
schraffiert:<br />
überschießende Stücke<br />
zerschnittener Parzellen<br />
Abb. 1: Neueil1teilullg der Wal1l1el1grel1ul1 (schematisch)<br />
Die Generallandesvermessung erfaßte die einzelnen Äcker und Ackerstücke jedes Bauern<br />
innerhalb der neu abgesteckten Wannengrenzen.<br />
die Besitzfläche jedes Bauern in jeder Wanne, die Gesamtfläche jeder Wanne.<br />
der ganzen Ackerflur. und außerdem die gesamte Ackerfläche jedes Bauern in<br />
aUen Feldern ergaben (§ 20). Gleichzeitig mußte der Feldmesser jede Wanne<br />
vermessen, damit die von den Bauern angegebenen Flächen der wirklich<br />
vermessenen Wannenfläche gegenübergestellt werden konnten, und er hatte<br />
dann einen "einfachen Riß" (§ 23) anzufertigen, der nur die Grenzen der<br />
Wannen und Felder wiedergab. (Von diesen Rissen ist kein einziger überliefert.)<br />
Von entscheidender Wichtigkeit ist. daß die wannenweise Summierung der Länderei<br />
jedes Bauern bereits eine Zusammenlegung auf dem Papier darstellt, die<br />
dann Ausgangspunkt aller weiteren Arbeiten wurde. Die Feststellung der<br />
Parzellenflächen durch Befragung der Besitzer führte nicht nur zu einer bedeutenden<br />
Vereinfachung der Katastrierung, sondern war eine geniale Möglichkeit.<br />
eine Speztalvermessung der noch nicht durch Grenzsteine festgelegten und<br />
deshalb sehr unregelmäßigen Parzellenformen nach dem alten Flurzustand zu<br />
umgehen und von vorne herein die Lawine der um jeden Quadratmeter zu<br />
erwartenden Einsprüche auszuschalten.<br />
Erst wenn der .. einfache Riß", also die Neueinteilung der Ackerflur und die<br />
beigegebene Tabelle. die für jede Wanne die von den Bauern angegebene und<br />
dann vom Feldmesser wirklich festgestellte Fläche enthielt. von der Vermes-<br />
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sungskommission begutachtet worden war und sie sich mit der vorgeschlagenen<br />
Neueinteilung der Wannen einverstanden erklärt hatte, wurde die Verteilung<br />
der Besitzreihenfolge vorgenommen (§ 23). Doch soIlte nach § 2, noch vor Eintreffen<br />
des Bescheides versucht werden, daß diejenigen, die nur einen oder<br />
wenige Morgen in einer Wanne besaßen, in die Wannen tauschen solIten, in<br />
denen sie mehr Land hatten, um sich so besser arrondieren zu können. Dieser<br />
völlig freiwillige Akt, bei dem auch die Flurnachbarn mitzusprechen hatten,<br />
steht im Gegensatz zu der nach Eintreffen der "Verwilligung" innerhalb der<br />
Wannen vorzunehmenden Verteilung des Ackerlandes. Das Los sollte über die<br />
Reihenfolge der Interessenten entscheiden. Um Ungleichmäßigkeiten auszuschalten,<br />
mußte jedoch schon vor der Verlosung jeweils die Lage von ParzelIe<br />
Nr. 1 der betreffenden Wanne festgelegt werden. Bei der Verlosung selbst gab<br />
es verschiedene Einschränkungen: Wer Land an einem Weg oder Graben besaß,<br />
konnte durch die übrigen Interessenten vom Los ausgeschlossen werden (§ 27).<br />
Mit Hecken oder Gräben umgebene, gesondert gelegene Kämpe sollten nur vermessen<br />
und nicht mit in die Verteilung einbezogen werden (§ 28), ebenso<br />
ParzeIlen, die an einem Ende einer Wanne lagen und 10 oder mehr Morgen<br />
zählten (§ 29).<br />
Nicht nur die Zusammenfassung der Parzellen, die Verlosung der Besitzreihenfolge<br />
und der geforderte Landtausch konnte bei strikter Durchführung der<br />
Vermessung das Parzellengefüge ändern, sondern es führte auch die oftmals von<br />
Wanne zu Wanne unterschiedliche Differenz zwischen angegebener und gemessener<br />
Fläche bei einer zu groß geschätzten Wannenfläche (minus) zur Verlegung<br />
von Besitzanteilen in eine andere Wanne desselben Feldes mit einem<br />
"Flus" oder umgekehrt. Das Feld (Zelge) war jeweils die obere Einheit, in der<br />
ausgeglichen wurde (§ 33). Der Staat verfolgte dabei das Prinzip, die durch<br />
Messung sich ergebenden Überschüsse als "Überschußland" für spätere Verwendung<br />
in eigener Hand zu behalten (§ 38, vg1. auch § 36) und bei einem "Minus"<br />
jedem Bauern anteilig weniger Land zu geben (§ 32). Der erwähnte Landtausch<br />
und der Ausgleich der Besitzflächen zwischen Wannen mit "pius" und "minus"<br />
Hißt sich den Feldbeschreibungen entnehmen (vg1. Anlage D zu § 52).<br />
Die Instruktion setzt weiterhin fest, daß bei der Einteilung der Wannen auf<br />
eine gute Entwässerung zu achten ist (§ 31), woraus sich die flurgeographisch so<br />
Wichtige Tatsache ergibt, daß die ParzelIen in GefälIsrichtung angelegt werden<br />
solIten. Das Land der "kleinen Leute", die wegen der neuen großen Wannen nur<br />
sehr schmale Parzellen bekommen könnten, sollte entweder an einer Stelle der<br />
Flur konzentriert oder die Parzellen nur bis in die Hälfte der Wanne und somit<br />
doppelt breit gezogen werden (§ 39).<br />
Die vorstehend diskutierte Instruktion stammt aus dem lahre 1755, wurde<br />
also neun lahre nach Gründung der GeneralIandesvermessungskommission erlassen.<br />
K. Maßberg CI 930, S. 12) 7) sdlließt hieraus und ebemo aus der vorläufigen,<br />
die GeneralIandesvermessung betreffenden Verordnung von 1746<br />
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sowie der zugehörigen Instruktion, in denen keine Angaben über eine beabsichtigte<br />
Zusammenlegung von Ackerland enthalten sind, daß in den neun Jahren<br />
zuvor keine grundlegenden Veränderungen im Zuge der Vermessung stattgefunden<br />
hätten.<br />
H. J. Fr. von Schrader (1836, S. 10 21 ), vgl. auch H. Voges 1937, S. 26 23 ))<br />
stellten indessen fest, daß die Instruktion von 1755 trotz ihrer allgemeinen<br />
Wichtigkeit nicht auf dem üblichen Verordnungswege gedruckt veröffentlidlt,<br />
sondern den Beamten der Vermessungskommission nur abschriftlich weitergegeben<br />
wurde. Auch die Gründung der Vermessung;kommission im Jahre 1746<br />
drang nach H. Voges offenbar kaum in die Öffentlichkeit; die Landstände<br />
setzten ihre Teilnahme an diesem so wichtigen Unternehmen erst 1770 durch<br />
(H. Voges 1937, S. 21 23 ), vgl. auch H. J. Fr. von Schrader 1836, S. 7 21 )). Man<br />
darf daraus wohl schließen, daß das Vorhaben absichtlich nkht so genau publik<br />
gemacht wurde, weil man noch alle Erfahrungen sammeln und mit Widerständen<br />
rechnen mußte und deshalb die Landesvermessung nicht gleich zu Beginn<br />
der allgemeinen Kritik aussetzen wollte. Dieser "Verschleierungspolitik" dürfte<br />
auch K. Maßberg zum Opfer gefallen sein. Die von ihm herangezogenen Feldrisse<br />
und Feldbeschreibungen der Vogtei Groß Denkte geben keinerlei Gnmdlage,<br />
eine Neuordnung des Vermessungswesens im Jahre 1755 anzunehmen,<br />
sondern beweisen gerade das Gegenteil. Die Instruktion ven 1755 scheint viel<br />
eher die inzwischen übliche Praxis für den sdmellen und reibungslosen Fortgang<br />
der Arbeiten juristisch fixiert zu haben; denn, wenn K. Maßbergs Annahme zuträfe,<br />
müßten die vor 1755 vermessenen, vermeintlich unverkoppelten Feldfluren<br />
Wittmar (1752), Sottmar (1747), Klein Denkte (1747) und Mönchevahlberg<br />
(1748) ein auffällig anderes Wannen- und Parzellengefüge besitzen als Groß<br />
Denkte (1761), RemIingen (1764) oder Semmenstedt (1755). Inzwischen konnte<br />
H. Voges (1937, S. 21) 23) belegen, daß bereits 1747 auch eine Neuverteilung<br />
des Ackerlandes vorgenommen wurde. Einige Verordnungen sind ausdrücklich<br />
auf Befürchtungen der Bauern zurückzuführen, bei der Neuverteilung der Ackerstücke<br />
in der Feldmark benachteiligt zu werden (St. A. Wb. Sig Abt. 40 Nr. 6954<br />
vom 27.6.1747; Nr. 7236 vom 18.11. 1749). So versuchte man 1747, den umlaufenden<br />
Gerüchten entgegenzutreten und den Leuten "zu versichern, daß<br />
durch die Vermessung und Einteilung, wie die Erfahrung bei den vermessenen<br />
Dörfern zeiget, jeder verbessert werde". Es steht also fest, daß sich die Ziele der<br />
Vermessung seit dieser Zeit nicht mehr geändert haben.<br />
Die besprochene Instruktion von 1755 gibt also endgültig Aufschluß über das<br />
gesamte Vorhaben und die Reihenfolge der im einzelnen durchzuführenden<br />
Vermessungsarbeiten; doch bietet sie dem Historiker und Siedlungsgeographen<br />
nicht verbriefte Fakten bereits abgeschlossener Handlungen, sondern sie fixiert<br />
Maßnahmen, die erst getroffen werden sollen. Die wichtigsten Eingriffe in das<br />
Flurgefüge sind:<br />
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1. Neuordnung des Wannengcfüges durch Ziehung neuer Wannengrenzen,<br />
2. Zusammenlegung der BesitzparzeIlen jedes Bauern innerhalb jeder<br />
Wanne mit freiwilligem Austausch einzelner Besitzer in andere Wannen<br />
zwecks besserer Arrondierung ihrer Flächen,<br />
3. Verlosung der Besitzreihenfolge in jeder Wanne.<br />
Der Quellenwert der Instruktion von 1755 liegt in der Vermittlung der<br />
Kenntnis über das grundsätzliche Ziel der Vermessung. Völlig offen bleibt dagegen<br />
die Frage, ob die Generallandesvermessung im Sinne der Verordnungen<br />
und Instruktionen konsequent in allen braunschweigischen Gemeinden durchgeführt<br />
wurde oder bis hin zu der Möglichkeit, daß sich an dem alten Gefüge<br />
nidlts geändert hat, ein gleitender Übergang besteht, den wir erst fassen können,<br />
wenn es gelingt, die Feldrisse und Feldbeschreibungen entsprechend auszuwerten.<br />
2. Zum Ergebnis der Vermessung (Korrespondenzmethode) : Die Auswertung<br />
der Feld risse und Feldbeschreibungen trägt eine schwere Hypothek. Die Feldrisse<br />
zeigen nämlich das Flurbild nach Durchführung der Vermessung und verraten<br />
nicht den alten Zustand. Dagegen sind die Tabellen der Feldbeschreibungen<br />
grundsätzlich in der Form angelegt, daß in der Mitte die Besitzer in der Reihenfolge<br />
ihrer Parzellen untereinander aufgeführt sind; links davon steht die<br />
Flächensumme, die jedem "vor der Vermessung gehöret" und rechts, was er<br />
"nach der Vermessung bekommen" hat (vgl. Anlage D zu § 52 der Instr. von<br />
1755). Da instruktionsgemäß zu allererst die Wannen neu einzuteilen und erst<br />
dann die Bauern darüber zu befragen waren, wieviel land sie in jeder neu<br />
begrenzten Wanne besitzen, gilt für alle Feldbeschreibungen - ob eine Flur<br />
vel koppelt wurde oder nicht -, daß die Wannenflächen des neuen Zustandes<br />
auf der rechten Seite der Tabelle mit der des sogen. alten Zustandes auf der<br />
linken Seite identisch sind. In sehr vielen, wenn nicht in den meisten Fällen,<br />
sind auch die links und rechts angegebenen Summen gleich. Indessen wissen wir<br />
nicht, ob die Flächensummen der Besitzstücke nach der alten ParzelIierung in<br />
den einzelnen Wannen wirklich auf so guten Schätzungen beruhen oder ob die<br />
Vermessungsbeamten die erfragten Werte im Einvernehmen mit den Bauern<br />
und Geschworenen nach den gemessenen Wannenflächen rektifiziert haben, um<br />
von vorne herein die Durchführung der Zusammenlegung und landverteilung<br />
zu erleichtern. In einzelnen Wannen weicht die Flächensumme des alten Zustandes<br />
auffällig vom neuen Zustand ab. Es wurde von mir beobachtet, daß sich<br />
diese Abweichungen zusammen mit einer Nachbarwanne ausgleichen. Anscheinend<br />
wurde die gemeinsame Wannengrenze so durch die Parzellierun~ gezogen,<br />
daß die Flächen der Teilstücke falsdl geschätzt worden sind.<br />
Die Unkenntnis aII dieser Zusammenhänge täuschte nicht nur K. Maß berg<br />
die Identität des Zustandes vor und nach der Vermessung, also unverkoppelte<br />
Feldfluren, vor. M.an wertete die gradlinigen Wannen- und Parzellengrenzen<br />
lediglich als Begradigungen im Zuge der Vermessung. Andererseits darf man<br />
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auch die Argumentation nicht umkehren und bei recht geraden Wannen- und<br />
Parzellengrenzen und bei großen zusanunenhängenden Besitzfliidlen auf verkoppelte<br />
Fluren schließen. Gewiß, die Kombination solcher Merkmale kann mit<br />
Hilfe von Analogieschlüssen Hinweise geben. Die Physiognomie der Parzellenoder<br />
Gefügeform sollte zur Beweisführung m. E. aber nur als zusätzliches Argument<br />
herangezogen werden.<br />
Eine beweiskräftige Untersuchungsmethode liefert indessen die Tatsache,<br />
daß bei Hof teilungen nicht die Verteilul1g ganzer Parzellen, sondern die in der<br />
literatur schon oft erwähnte Läl1gsteilul1g jeder einzelnen Parzelle am häufigsten<br />
auftritt, so daß die Äcker ehemals zusammengehöriger Höfe nebeneinander<br />
liegen, wenn das Parzellengefüge nicht inzwischen durch äußeren Eingriff<br />
verändert worden ist. Herr Prof. Mortensen wies mich darauf hin, daß gerade<br />
die Längsteilung jeder Parzelle als das einfachste und gerechteste Prinzip der<br />
Besitzauseinandersetzung empfunden wurde. H. Pröve (1929) 18), A. Krenzlin<br />
(1931) 5), K. Mittelhäußer (1953) 9), W. Evers (1957) 1) u. a. rekonstruierten<br />
aus solchen Nachbarschaftsverhältnissen Ursprungshöfe und alte Flurkomplexe.<br />
Bei eigenen Untersuchungen am nordwestlichen Harzrand 19) versuchte ich, die<br />
in der Flur wiederholt auftretende Nachbarschaft systematisch auszuwerten,<br />
weil es nur auf diese Weise möglich ist, das Parzellengefüge, vor allem auch<br />
größerer Dörfer, übersichtlich und exakt zu ordnen und auf das ältere Dorf- und<br />
Flurbild zurückzuschließen.<br />
Grundlage für die Auswertung einer Fe1dflur ist die Flurtabelle (vgl. Tab.<br />
1-3), in der waagerecht die einzelnen Wannen und senkrecht die Höfe geordnet<br />
nach sozialen Gruppen erscheinen. Da die nebeneinander liegenden Besitzparzellen<br />
in der Feldbeschreibung für jede Wanne fortlaufend numeriert sind,<br />
lassen sie sich wannenweise den einzelnen Höfen leicht zuordnen. Die Auswertung<br />
der Flurtabelle besteht zunächst darin herauszufinden, ob die Ackerparzellen<br />
bestimmter Höfe, d. h. jeweils zwei aufeinander folgende Parzellennummern,<br />
in den einzelnen Wannen häufig benachbart, also Raarig auftreten<br />
(flurkorrespondenz) und diese Entsprechung anderen Höfen fehlt. Der Beweis<br />
von Hofteilungen ist das wichtigste Argument für die Tatsache, daß entweder<br />
die Lage und das Gefüge der ParzelIen durch die Vcrmes~ung nicht angetastet<br />
wurde, oder im Rahmen bestimmter Eingriffe, auf die noch zurückzukommen ist,<br />
wenigstens das Nachbarschaftsgefüge, also die Flurkorrespondenzen *), erhalten<br />
geblieben sind.<br />
*) H. Klebtau (1961, S. 31) ') unterzieht den Korrespondenzbegriff einer kritischen<br />
Betrachtung, hält ihn gegenüber "Nachbarlage" für nicht zutreffend und stellt ihm<br />
"Korrelat" und "Kongruenz" gegenüber. - Der Terminus "Korrespondenz" wurde von<br />
mir deshalb gewählt, weil der Ausdruck "Nachbarlage" zu allgemein ist; denn im streifig<br />
organisierten Flurverband liegen neben jeder Parzelle an den Längsseiten und eventuell<br />
auch an den Kopfenden andere Parzellen. Es kommt aber gerade darauf an, die zwischen<br />
ganz bestimmten Höfen immer wieder auftretende Nachbarlage der Ackerparzellen anzusprechen,<br />
also die fonmal belegte und deshalb venmutete historische Beziehung zu<br />
einem gemeinsamen Ursprungshof begrifflich zu erfassen. Solche Zusammenhänge .ind<br />
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Tab. I Ausschnitt der Fturfobe/le von f1ünchehot 1756 (Unverkoppe/te Feld/tur).<br />
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
Tab. Z: Aus schnitt der F/urfubelle von LC/tler (Im 8arMberge 1756 (FeldllC/r zusammengelegt) .<br />
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... r99~/assl!l7. 00 aUr Höft imm~r nur .. in~ Parz .. l1~ it Wannr brstfll!n und Flllrkorrtspondmztn ~ha/~f/ gtblitbl'fl sind, ist Hm"" ..;s out Zusammrnlrgung 9f'9tbl!n.<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
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http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
rab.3: Flurfabelle von Va/zum 177//72 (Feld flur verkoppelt).<br />
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Zur Kritik der Braunschweigischen Generallandt'svennessung genügt als<br />
Zeichen einer über längere Zeit ungestörten Flurentwicklung zunädlst der Nachweis<br />
von Flurkorrespondenzen und, wenn diese fehlen, die Feststellung ganz<br />
bestimmter ParzeUengefüge. Dabei interessiert nicht das Ergebnis des ersten<br />
Anwendungsbereiches der Korrespondenzmethode, der ältere Zustand in Flur<br />
und Dorf. wohl aber die kritische Bewertung, ob im Einzelfall noch von Flurkorrespondenz,<br />
also von Erhaltung des Parzellengefüges, gesprochen werden<br />
kann oder nicht. Mit diesen Zusammenhängen habe ich mich an anderer Stelle<br />
befaßt 20) und möchte zum Verständnis hier nur die wichtigsten Tatsachen<br />
wiederholen.<br />
Voraussetzung für die Anwendung der Korrespondenzmethode ist eine<br />
streifig organisierte Flur mit Gemengelage der Besitzparzellen. In einer solchen<br />
Flur liegen Doppelhöfe in jedem Falle mit aU ihren Parzellen in Wechsellage. Bei<br />
3 Höfen ergeben sich 6, bei 4 Höfen 24 (vgl. Tab. 4 a und b) u. s. f. verschiedene<br />
Kombinationsmöglichkeiten. Demnach beträgt die Zahl der möglichen Besitzanordnungen<br />
bei 1 2 3 4 ... n Höfen = n! (n-Fakultät) (vgl. Tab. 4 c). Solange<br />
die Stellung der übrigen Höfe (Elemente) variiert wird, liegen die Elemente 1<br />
und 2 als die beiden gedadlten Besitzparzellen der Höfe 1 und 2 benachbart. Es<br />
ergibt sich also eine mathematisch notwendige "Zwangskorrespondenz". Ihre<br />
Intensität steht in direkter Abhängigkeit von der Zahl der Höfe eines Dorfes<br />
und läßt sich nach der Formel 2 [(n-1)1] beredmen. Der relative Anteil der sich<br />
zwangsläufig wiederholenden Nachbarschaften an der Zahl der möglichen Kombinationen<br />
(vgl. Tab. 4 c) nimmt mit der Zahl der Höfe im Dorf ab. Bei 6 Höfen<br />
beträgt die Intensität der Zwangskorrespondenz 33,4 % , bei 10 Höfen 20 % und<br />
bei 20 Höfen noch 10 0 /0. Je mehr Höfe ein Dorf besitzt, umso aussagekräftiger<br />
ist all50 die zwischen zwei Höfen bestehende intensive Flurkorrespondenz. Da<br />
die meisten Dörfer unseres Gebietes im Sinne einer statistischen Auswertung<br />
jedoch nur eine relativ geringe Zahl bäuerlicher Betriebe besitzen, muß die Intensität<br />
der vorgefundenen Flurkorrespondenz zu der zu erwartenden Zwangskorrespondenz<br />
in Beziehung gesetzt werden, die sich aus der Zahl der Höfe,<br />
genauer aber aus der durchschnittlichen Zahl der Besitzer je Wanne ergibt.<br />
Damit liefern statistische Überlegungen die Grenze für die Beweiskraft der<br />
Korrespondenzmethode, wenn nicht bei einem Dorf mit relativ wenigen Höfen<br />
die im Einzelfall aufgefundene Flurkorrespondenz bei anderen Hofpaaren fehlt,<br />
nur retrospektiv zu ermitteln. Aus diesem Grunde kann auch der Terminus "Korrelat",<br />
der im vorliegenden Falle eine wechselseitig geforderte und bedingte Beziehung der<br />
Hofpaare mit häufig auftretender Nachbarlage der BesitzparzeIIen ulltereinander zur<br />
Voraussetzung haben müßte, nicht angewendet werden. Den von H. KleiJ1au vorgeschlagenen<br />
Begriff nKongruenz" halte ich für zu eng, weil die durch ihn ausgedrückte<br />
Deckungsgleichheit der aus einer Parzelle hervorgegangenen Teilstücke nur im Idealfall<br />
zutrifft, und der Begriff von vorne herein alle Teilungen ausschließt, die nicht auf<br />
Halbierung der AusgangsfIiiche beruhen. Teilungen in ungleich große Flächen kamen<br />
vielfach vor und werden von H. MOTteJ1seJ1 (1946/47. S. 46) '0) sogar als ausgesprochen<br />
häufig erwähnt.<br />
26
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und sich außerdem durdl Nadlbarlage der Höfe im Dorf (Hofkorrespondenz)<br />
noch ein weiterer Beleg für die ehemalige Zusammengehörigkeit zweier Hofeinheiten<br />
erbringen läßt.<br />
Tab. 4. Kombinationsmöglichkeiten von 2 f bis 12 f mit Anzahl der mathematisch<br />
bedingten Nachbarschaften zweier Elemente nach der Fonnel 2 [(n-l) 1].<br />
a) 31 = 1 2 3 b)41 =4 1 2 3 1 4 2 3 1 2 4 3 1 2 3 4<br />
1 3 2 4 I 3 2 I 4 J 2 I 3 4 2 I 3 2 4<br />
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3 2 1 4 3 1 2 3 4 1 2 3 1 4 2 3 1 2 4<br />
2 3 1 4 3 2 1 3 4 2 1 3 2 4 1 3 2 1 4<br />
c) Fakultät<br />
Zahl der moglichen<br />
Kombinationen<br />
Nachbarschaften derselben beiden Elemente<br />
absolut<br />
I<br />
in Ofo der möglichen<br />
Kombinatiunen<br />
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31 6 4 66.6<br />
41 24 12 50<br />
51 120 48 40<br />
61 720 240 33.4<br />
71 5040 1440 28.6<br />
81 40320 10080 25<br />
91 362880 80640 22.2<br />
101 3628800 725760 20<br />
111 39916800 7257600 18.2<br />
121 479001600 79833600 16,7<br />
Die Untersuchung der Flurtabellen ergab drei Gruppen:<br />
1. Feldfluren, in deren Wannen jeder Bauer jeweils mehrere Parzellen besitzt,<br />
2. Fe1dfluren, die teils aus Wannen bestehen, in denen jeder Bauer jeweils<br />
mehrere Parzellen, teil-s aber auch Wannen, in denen jeder Bauer nur eine<br />
Parzelle besitzt,<br />
3. Feldfluren, in deren Wannen ein Bauer nur in seltenen Fällen mehr als<br />
eine Parzelle besitzt.<br />
Flurkorrespondenzen treten in allen drei, jedoch am seltensten in der dritten<br />
Gruppe auf. Sie besitzen, gemessen am übrigen Parzellengefüge, einen ganz verschiedenen<br />
Aussagewert. Vergegenwärtigt man sich noch einmal den dreifach<br />
geforderten Eingriff in das Flurgefüge (1. Neubegrenzung der Wannen, 2. Zusammenlegung<br />
der BesitzparzelIen zu einer Fläche, 3. Bestimmung der Nachbarn<br />
durch das Los), so müssen sich, soweit die Maßnahmen nicht konsequent durchgeführt<br />
worden sind, Unterschiede in dem neu geschaffenen ParzelIengefüge<br />
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Numeriert und umrandet: Wanne 1-17<br />
Abb. 2: Feldriß MÜl1dtehof 1756 (spezialvwuessel1)<br />
Quelle: Braunschweigische Generallandesvermessung 1746-1784, Niedersächsisd1es<br />
Staatsarchiv Wo]fenbüttel.<br />
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http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
S: Sommerfeld; W: Winterfeld; B: Brachfeld. Wannen umrandet<br />
Abb. 3: Fe/driß Va/zum 1764 (verkoppe/t)<br />
Quelle: Braunschweigische Generallandesvermessung 1746-1784, Niedersächsisches<br />
Staatsarchiv Wolfenbüttel.<br />
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http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
ergeben. Wir können die genannten Eingriffe nicht schlechthin unter dem Begriff,<br />
Verkoppelung' zusammenfassen. Ich möchte diesen Terminus reservieren<br />
für den Tatbestand der völligen Lösung von traditionsmäßigen Bindungen, wie<br />
sie durdl Lage und Nachbarschaft gegeben sind. Das Los spielte im IS. Jahrhundert<br />
innerhalb der Wanne dieselbe Rolle, wie die Rationalität der Neueinteilung<br />
über die ganze Flur im 19. Jahrhundert. Dagegen möchte ich die Zusammenziehung<br />
der Besitzstücke eines Bauern ohne anschließende Verlosung<br />
der Besitzreihenfolge in der betreffenden Wanne wegen der Beibehaltung der<br />
hergebrachten Flurnachbarschaft ,Zusammenlegung' nennen.<br />
In Münchel10f hat die Vermessung in der Feldflur keine Veränderungen vorgenommen;<br />
denn in jeder Wanne treten meist sogar mehrfache Flurkorrespondenzen<br />
zwischen denselben Höfen auf. Gleichzeitig besitzen auch die nicht<br />
korrespondierenden Höfe in den einzelnen Wannen jeweils mehrere Parzellen<br />
(vgl. Tab. 1 und Abb. 2).<br />
Erfolgte dagegen, wie in Vo/zum (vgl. Tab. 3 und Abb. 3), in jeder Wanne<br />
die geforderte Zusammenlegung und Verlosung der Besitzparzellen (Verkoppelung),<br />
dann verblieben jedem Bauern in den Wannen. in denen er Besitz hatte,<br />
jeweils nur eine, in Sonderfällen (vgl. § 27 der Instr. von 1755) u. U. zwei<br />
BesitzparzeIIen. Das Los hat sämtliche Besitznachbarschaften und Flurkorrespondenzen<br />
beseitigt. Das neue Flurbild läßt auch keine Rückschlüsse mehr auf<br />
die ehemalige Beackerungsrichtung zu ').<br />
Dennoch bleibt die Aussagefähigkeit der Feldrisse verkoppelter Fluren in<br />
zwei Punkten erhalten: einmal wurden die Wannen nur innerhalb der Felder<br />
(ZeIgen) neu eingeteilt, so daß die Konturen der Felder - abgesehen von Grenzbegradigungen<br />
- erhalten geblieben sind. Auf diese Tatsache ist es zurückzuführen,<br />
daß von der Erhaltung des Großgefüges fälschlicherweise analog auch<br />
auf die Erhaltung des Kleingefüges der Wannen und Parzellen geschlossen<br />
worden ist. Zum anderen ist nur innerhalb der Wannen zusammengelegt und<br />
') Auch die Luftbildauswertung. die einzige Möglichkeit. das Flurgefüge aus der<br />
Zeit vor der Generallandesvermessung sichtbar zu machen, bietet größere Schwierigkeiten.<br />
als zu vermuten ist. H. Jäger (S. 17 H.) 25) untersuchte das Luftbild von Bessingen<br />
(Lkrs. Holzminden) und stellte eine durch die Verkoppelung des 19. Jahrhunderts überlagerte<br />
intensive Wölbackerstreifung fest. die sich in den Feldriß von 1759 einpassen<br />
läßt. wobei einzelne Wölbäcker Besitzstreifen bilden, oder auch mehrere Wölbäcker zu<br />
Besitzblöcken vereinigt sind. - Tatsächlich entspricht die Wölbackerstruktur in Bessingen<br />
weitgehend dem Besitzgefüge aus der Zeit vor der Vermessung. Die mehrere Wölbäcker<br />
umfassenden Besitzblöcke entstanden dageg~n erst 1759, als die Ausmärkerflächen ausgetauscht<br />
und den Bessinger Bauern in ihrer eigenen Feldflur durch teilweise Zusammenlegung<br />
statt 662 Morgen Ackerland 1009 Morgen zugewiesen wurden. Da die neue<br />
Besitzaufteilung an die alte Wölbackerstruktur anschließt. blieb physiognomisch der<br />
Habitus einer ungeregelten spezialvermessenen Feldflur erhalten. obwohl das Besitzgefüge<br />
in hohem Maße verändert worden ist. Flurkorrespondenzen treten in den zu<br />
Blöcken zusammengelegten Flurteilen auffällig zurück. - Weit größere Schwierigkeiten<br />
zeigen sich bei der Luftbildauswertung. wenn nicht nur die ParzelIierung. sondern auch<br />
die Wannengrenzen und die Beackerungsrichtung geändert worden sind,<br />
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gelost worden, so daß die Besitzflächen jedes Bauern zwar konzentriert wurden,<br />
die Lage der neuen Parzellen sich aber - abgesehen von einzelnen aus den<br />
Fcldbeschreibungen nachzuweisenden Landvertauschungen - nur innerhalb der<br />
Wannen verschoben hat. Entgegen der Verkoppelung des 19. Jahrhunderts, die<br />
den bäuerlichen Besitz ganz verschiedener Flurteile großflächig auf wenige<br />
Schläge zusammenzog, blieb die Gemeinschaft der Besitzer im 18. Jahrhundert<br />
von Wanne zu Wanne erhalten, so daß sich die Verteilung von Altackerland<br />
und Flurerweiterungen aus dem Anteil der jeweils dort begüterten sozialen<br />
Gruppen in groben Zügen ergibt; doch sind die Grenzen dieser Flächen nicht<br />
au~zumachen.<br />
Vorstehend wurden die beiden Extreme diskutiert: eine Feldflur, in der die<br />
Generallandesvermessung das ganze Parzellengefüge mit Hilfe einer Spezialvermessung<br />
lokaltopographisch genau übernommen hat (Münchehof), also<br />
keinerlei Veränderungen der Besitzflächen eingetreten sind, und eine andere<br />
Feldflur (Volzum), in der alle Wannen neu eingeteilt, die Besitzflächen jedes<br />
Bauern in jeder Wanne zusammengelegt und die Reihenfolge der Besitznachbarn<br />
obendrein durch das Los bestimmt worden ist. Diese beiden Extreme sind keine<br />
Sonderfälle, sondern stehen als Beispiele für eine große Gruppe von Siedlungen.<br />
Dieser Befund gibt zu erkennen, daß der Zweck der Vermessung nicht in<br />
allen Gemeinden erreicht worden ist. So sprkht schon das Supplement zur Instruktion<br />
von 1755 aus dem Jahre 1759 (vgl. C. Gesenius 1803, Beilage 1.<br />
5. 66 H.) von Mängeln, die aufgetret!.'n sind und beseitigt werden sollten. Es<br />
heißt, daß die Feldmarken zunächst gar nicht vermessen werden sollten, "auf<br />
wekhe(n) nicht wenigstens 2/S der Länderei verteilet werden kann". Die Vermessungsbeamten<br />
hatten außerdem zu berichten, ob die Verteilung der Feldmark,<br />
wenn nicht ganz, so "doch in einigen Wannen möglich sei". Die Flurtabellen<br />
bestätigen in zahlreichen Fällen die Übergänge zwischen den genannten<br />
Extremen. Sie zeigen nebeneinander Wannen, in denen jeder Bauer mehrere<br />
Parzellen besitzt und außerdem Flurkorrespondenzen auftreten, also völlig unverändert<br />
erhaltene Besitzflächen, gegenüber Wannen, in denen jedem Besitzer<br />
nur eine Parzelle gehört, in denen der Besitz also verkoppelt oder zusammengelegt<br />
worden ist. Im Einzelfall wird dieser Nachweis jedoch schwierig sein, da<br />
es unbekannt ist, welches Nachbarschaftsgefüge vor der Vermessung bestanden<br />
hat. Wenn die in den spezialvermessenen Wannen vorhandenen Flurkorrespondenzen<br />
in den Wannen mit zusammengezogenen BesitzfIächen fehlen und für<br />
jeden der sonst korrespondierenden Höfe nur eine Parzelle ausgewiesen wird.<br />
dann ist die Lage der Bauern im Felde durch das Los bestimmt worden. Der<br />
Tatbestand der Verkoppelung ist erfüllt; denn Verlosung der BeSitzreihenfolge<br />
ohne Zusammenlegung wäre sinnlos.<br />
In Lutter am Barenberge finden sich wiederum andere Verhältnisse. Unter<br />
insgesamt 406 Ackerparzellen kommen nur 23mal zwei und nur viermal drei<br />
Parzellen desselben Besitzers in einer Wanne vor. Ohne Anwendung der Korre-<br />
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spondenzmethode würde man auf eine verkoppelte Feldflur schließen. Doch 28<br />
Höfe - es sind ausschließlich Halbspänner und Halbkötner - besitzen F1urkorrespondenz<br />
in 127 von insgesamt 166 Parzellen. Abgesehen von einer Ausnahme<br />
entspricht der Flurkorrespondenz immer auch die Nachbarschaftslage der<br />
Hofgrundstücke (Hofkorrespondenz). Es kann gar keinem Zweifel unterliegen,<br />
daß die Hof teilungen schon längst vor der Vermessung durchgeführt worden<br />
sind (vgl. Tab. 2 und Abb. 4).<br />
Die Tatsache, daß in Lutter am Barenberge Flurkorrespondenzen auftreten,<br />
spricht nicht gegen die Korrespondenzmethode, sondern ermöglicht gerade den<br />
Beweis, daß hier unter Beibehaltung der ursprünglichen Besitzabfolge zusammengelegt<br />
worden ist. Man hat also nicht gelost, sondern der ersten Besitzparzelle<br />
unter Fortschiebung der übrigen Nachbarn die sonstigen in der Wanne<br />
befindlichen Flächen des betreffenden Besitzers angefügt und hat für jeden<br />
weiteren Nachbarn dasselbe Spiel wiederholt. Diese Praxis ergibt sich nicht nur<br />
aus der Flurtabelle von Lutter am Barenberge, sondern generell auch aus § 8<br />
des Supplements von 1759. Es heißt dort, daß "das Losen hin und wieder unterlassen<br />
werde und die Eigentümer in der Ordnung liegen bleiben wollen, welche<br />
sie vorhin im Felde gehabt haben". Auch die Instruktion von 1755 madlt in<br />
§ 23 und § 41 den Unterschied zwisdlen Verlosung (der Besitzabfolge) und<br />
Verteilung (der Besitzflächen). W'!nn die herkömmliche Besitzreihenfolge beibehalten<br />
worden ist, darf man annehmen, daß auch die Richtung der Beackerung<br />
übernommen wurde und damit auch die Neueinteilung der Wannen in Anlehnung<br />
an das ursprüngliche Parzellengefüge stattgefunden hat. Die Physiognomie<br />
des Parzellen- und Wannengefüges (vgl. Abb. 4), die nicht dem Bild verkoppelter<br />
Feldfluren entspricht, scheint diese Vermutung zu bestätigen *).<br />
Eine besondere Struktur des Nachbarschaftsgefüges konnte im Werder nordöstlich<br />
von WoHsburg jenseits des Aller-Urstromtales festgestellt werden. In<br />
\Varmenau kehrt in fast allen Wannen eine konstante Reihenfolge der zehn<br />
Bauernhöfe (8 Ackerleute, 2 Kötner) wieder. Diese "Riege" wiederholt sich in<br />
der ersten Wanne des Winterfeldes 12maI. so daß jeder Hof dort 12 Parzellen<br />
besitzt **). Dasselbe gilt für die zweite Wanne des Winterfeldes. Die zweite und<br />
dritte Wanne des Sommerfeldes bestehen dagegen aus je 20 Parzellen, die ebenfalls<br />
je zweimal die Riege wiederholen, jeJoch jeweils in anderer Besitzkombi-·<br />
nation. Während die konstante Wiederholung der Riege auf die Übernahme<br />
eines unveränderten Parzellengefüges hinweist, scheint die zweimalige Abfolge<br />
') In meiner Dissertation 19). in der ich die Korrespondenzmethode unter den spezieIlen<br />
Bedingungen der Landesvennessung im ganzen Herzogtum Braunschweig noch nicht<br />
geprüft hatte, blieben mir die dargestellten Zusammenhänge - wenn auch ohne Einfluß<br />
auf die Anwendbarkeit der Methode - noch verborgen.<br />
") Herrn stud. rer. nato W. Meibeyer. der mir freundlicherweise beim Herausschreiben<br />
der Flurtabellen behilflich war. verdanke ich den ersten Hinweis auf die<br />
mehrfache Wiederholung einer konstanten Abfolge der Höfe in Warmenau.<br />
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f:';;;;:::! fVrslliches Amtsgut in LuH~r<br />
b'g:,~ ad~/i9~r flofin<br />
~ii~;j Ackerhot des Amtmanns Cleve k:-:-:3 wird von Nal/en Ol/S bewirtschaftet<br />
I:':':':-~ sonstige A(l
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der Riege in veränderter Besitzkombination die Verlosung dieser Parzellen zu<br />
belegen. Nach der Flurkarte sind diese Parzellen breiter als die nicht verlosten<br />
Streifen der anderen Wannen.<br />
Ebenso tritt auch in Kästorf die Riege in mehreren Wannen häufig in konstanter<br />
Abfolge auf. Es gibt aber auch Wannen, in denen jeder Riegebauer nur<br />
eine Parzelle besitzt. Teilweise sind dann auch einzelne nicht zur Riege gehörige<br />
Parzellen mit eingesprengt. Die Besitzkombination ist in all diesen Wannen<br />
unterschiedlich und läßt die Verlosung nach erfolgter Zusammenlegung der<br />
Besitzflächen erkennen. Nur in einer Wanne wurde laut Flurtabelle zweimal<br />
gelost. Hier wiederholt sich die Riege in variierter Abfolge.<br />
In der Aur von Wendsmott fehlt die Wiederkehr einer konstanten Abfolge<br />
der Riegehöfe. Es gibt nur Wannen entweder mit einer Parzelle je Hof oder mit<br />
zwei, auch mal drei Parzellen je Hof. wobei jedoch die zweite Parzelle eines<br />
Hofes immer erst dann auftritt, wenn alle übrigen Höfe einmal berücksichtigt<br />
sind. Doch wiederholt sich die Riege nicht einfach in anderer Variation, sondern<br />
es fehlen manche Höfe, oder andere sind mehrmals berücksichtigt. Auf jeden<br />
Fall steckt hierin noch das Prinzip der Riege.<br />
Die konstante oder durch andere Kombinationen variierte Riege zeigt eine<br />
rhythmische Folge der Besitzer und steht im Gegensatz zur Besitzabfolge in den<br />
unverkoppelten Fluren vornehmlich der bergigen Teile des Herzogtums Braunschweig.<br />
Dort besteht nicht die Geschlossenheit der Riege mit einer Parzelle je<br />
Besitzer, sondern die Zweit- und Drittparzellen jedes Bauern in einer Wanne<br />
folgen ungeregelt und ohne Rücksicht auf die Erstparzellen der anderen Bauern.<br />
Es besteht also keine Rhythmik. Ohne Rhythmik bleibt die Korrespondenzmethode<br />
voll anwendbar. Bei rhythmisch konstanter Besitzfolge darf die Nachbarschaft<br />
der Besitzer nicht zur Rekonstruktion alter Hofeinheiten herangezogen<br />
und aus soldlen Beispielen eine "lückenlose Entwicklungskette vom Einzelhof<br />
über den Doppelhof zur Gruppensiedlung" gesucht werden, wie es K. Mittelhäußer<br />
(1953, S. 253)9) tut.<br />
Ich sehe das Problem in anderer Richtung und möchte die Zusammenhänge<br />
zur Diskussion stellen. Ausdrücklich warne ich aber vor einer Verallgemeinerung<br />
de~ Befundes, um die Ergebnisse nicht wieder in die Bahnen alter Vorstellungen<br />
geraten zu lassen. Die Rhythmik wurde nur beobachtet auf schlechten, zwischen<br />
Sand und Geschiebelehm wechselnden Böden, wie audl die Flurbeispiele von<br />
K. Mittelhäußer (1953) 9) und H. Pröve (1929) 18) aus der nordwestlichen und<br />
südwestlidlen Lüneburger Heide zeigen. Im Vorsfelder Werder erreidlt diese<br />
Art des Parzellengefüges m. W. ihre südlidle Grenze. Ohne auf die diffizile, von<br />
H. Pohlendt (1954, S. 190 f.) 16) für dieses Gebiet zuletzt angesdlnittene Diskussion<br />
der Feldsysteme eingehen zu wollen, kann jedodl ausgesagt werden, daß<br />
die vorgefundene rhythmische Besitzabfolge gebunden ist an ein Gebiet, dessen<br />
Ackerflächen - gleichgültig in welchem speziellen Turnus - jeweils mehrere<br />
Jahre nadleinander als Weide (Feld-Weidewirtschaft) genutzt wurden. Da die
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Ackerflächen wegen Unkrautgefahr und ebenso die Weide wegen Erleichterung<br />
der Hude geschlossene Komplexe umfassen mußten und die noch fehlende<br />
Markierung der Parzellengrenzen die Besitzrechte in den einige Jahre der<br />
privaten Bewirtschaftung und Behauptung entzogenen Flächen verblassen ließ,<br />
mußte notwendigerweise eine gewohnheitsrechtliche Sicherung vorhanden sein,<br />
die man immer wieder neu auf das umzubrechende Weideland übertragen<br />
konnte '). Die feststehende Riege löst dieses Problem auf einfache Weise, und<br />
die Wölbäcker konservieren das Parzellengefüge über die Zeit der Brache, so<br />
daß die Dorfgemeinschaft die einzelnen Wölbäcker ohne Schwierigkeiten wieder<br />
in Betrieb nehmen konnte. Hierzu ist die von G. Oberbeck (1957, S. 127) 13)<br />
im westlichen Nachbargebiet des Vorsfe1der Werders festgestellte Tatsache<br />
wichtig, daß kein Wölbacker besitzrechtlich unterteilt war, sondern jede Besitzparzelle<br />
überwiegend einen, aber nur selten zwei oder drei Wölbäcker umfaßte.<br />
Ebenso auffällig zeigen auch die Braunschweiger Feldrisse für die unverkoppelten<br />
Teile des Vorsfelder Werders gleichbreite Besitzparzellen, die G. Oberbeck<br />
(1957, S. 125) 13) auch bei den Flurwüstungen des Nachbargebietes gefunden<br />
hat. Besitzeinheit und gleiche Breite jedes Wölbackers halte ich für eine Voraussetzung<br />
für die gerechte Zuweisung
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nach Abschluß der Arbeiten durch Ablieferung der ProtokoIIe (sehr unvollständig<br />
überliefert) ansammelte. Zweitens handelt es sich um Eingaben, Gutachten,<br />
Beschwerden und dazu ergangene Anweisungen. Die zweite Aktengruppe<br />
häuft sich immer dann, wenn die Zwecke der Vermessung den Interessen der<br />
Bauern am meisten zuwider laufen. Es läßt sich aber erkennen, daß die Behörde<br />
mit wachsender Erfahrung den Wünschen der Gemeinden oftmals sehr schnell<br />
nachgegeben hat.<br />
Der für Münchelfof zuständige Amtmann stellte zwei Jahre nach erfolgter<br />
Vermessung 1758 (St. A. Wb., L Alt Abt. 58 Nr. 1886) fest, daß eine Verteilung<br />
der Länderei nicht ohne Schädigung der Bauern möglich sei. Im lahre 1763 forderte<br />
die Generallandesvermessungskommission, wenigstens die Besitzanteile<br />
in der 1., 2., 3.,4., 7. und 15. Wanne (vgl. Abb. 2) zu verlosen. Die Bauern<br />
machten indessen darauf aufmerksam, daß das land untersdliedlich oder gar<br />
nicht gemergelt oder gedüngt sei. Da alles Meierland außerdem der fürstlichen<br />
Kammer gehöre, sollte die Behörde verfügen; man könne im Falle der Verlosung<br />
dann natürlich seinen Verpflichtungen nicht nachkommen. Unverzüglich wurde<br />
deshalb bestimmt, "daß, wenn der (Vermessungsbeamte) ... die Verteilung<br />
nicht annehmlich machen kann, man es zur Vermeidung alles besorglichen<br />
Querulierens bei der zu suchenden Vertauschung belassen müsse". Da die Vermessung<br />
und die Anfertigung des Feldrisses bereits sieben lahre vorher abgeschlossen<br />
war, betrifft dieser Schriftverkehr nur einen neuen gesdleiterten Versuch,<br />
die bereits erfolgte Spezialvermessung zu annullieren und eine Verkoppelung<br />
durchzusetzen. Die Akten liefern also eine volle Bestätigung des aus der<br />
Flurtabelle gewonnenen Ergebnisses.<br />
Im südwestlichen Elm- und Assevorland befinden sich dagegen zahlreiche<br />
Gemeinden mit verkoppelten Feldfluren. Für Hachum ist z. B. 1751 (St. A. Wb.,<br />
I. Alt Abt. 58 Nr. 1591) die Verlosung der Parzellen bestätigt.<br />
In Groß Denkte wurde ebenfalls gelost. Schon 1747 (St. A. Wb., L Alt<br />
Abt. 58 Nr.1283) schrieb der Vermessungsbeamte, da man ihm untersagt<br />
habe, "mit der speziellen Vermessung derer hiesigen Ländereien fortzufahren,<br />
so habe (er) selben Befehl gehorsamst na:::hgeIebet". Das Vermessungsprotokoll<br />
(St. A. Wb., L Alt Abt. 58 Nr. 1280) liefert in Verbindung mit der Feldbeschreibung<br />
denselben Beweis. Die 8. Wanne des Winterfeldes z. B. zählte vor der<br />
Vermessung 30, nachher nur noch 12 Parzellen (= 58% Morgen) derselben<br />
Bauern. In der benachbarten 7. Wanne ist der Untersdlied nom krasser. 107<br />
Besitzstücke wurden zu 35 Parzellen (= 79 Morgen) zusammengelegt und ihre<br />
Reihenfolge ebenfalls durch das Los bestimmt. Der Flurplan von Groß Denkte<br />
überliefert also ein Parzellengefüge, welches erst durch die Vermessung entstanden<br />
ist. Rückschlüsse auf ältere Flurzustände sind nicht möglich, da keinerlei<br />
Anhaltspunkte über die Beackerungsrichtungen dieser Gefügestruktur gegeben<br />
sind. Aber das Vermessungsprotokoll, in dem aIIe Nachbarn wannenweise nacheinander<br />
nach ihrer alten Lage im Felde aufgeführt sind, erlaubt die Aufstellung<br />
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http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500
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einer Flurtabelle für die Zeit vor der Vermessung, aus der Höfe mit Flurkorrespondenz<br />
und somit ein älterer Dorfzustand herausgearbeitet werden kann;<br />
denn in den Ortsdlaften hat die Vermessung wegen der Bebauung keine Veränderungen<br />
vornehmen können. Leider sind die Vermessungsprotokolle längst<br />
nicht für alle verkoppelten Fluren erhalten.<br />
Für Volzum geben die Akten so spärlich Auskunft, daß aus ihnen die Tatsache<br />
der Verkoppelung nicht nachgewiesen werden kann. Flurtabelle sowie<br />
Parzellen- und Flurgefüge zeigen jedoch eindeutig eine verkoppelte Feldflur.<br />
Für Lutter am Barenberge wird überliefert (St. A. Wb., L Alt Abt. 58 Nr.<br />
1846), das Ackerland der Bauern sei in schlechtem Zustand, weil es jedes Jahr<br />
beackert und nicht, wie beim Amtsgut, ein Brachjahr eingeschaltet würde. Aus<br />
diesem Grunde sollten die 238 ha der Amtsländerei (= 52 % der Feldflur von<br />
Lutter), die teils mit den Bauern im Gemenge lag, - abgesehen von einzelnen<br />
Vertauschungen - im Zuge der Vermessung nicht angetastet werden, sondern<br />
"bleiben, wo sie ist". Kurz darauf wird bestätigt, daß die Amtsländerei dort<br />
belassen worden sei, wo sie auch vorher gelegen habe. Neun Jahre nach der Verme~sung<br />
(1765) heißt es, die Länderei sei damals in der Weise verändert worden,<br />
daß die wenigsten Bauern - vor allem diejenigen mit wenig Ackerland - ihr<br />
Eigenland wiederbekommen hätten. Man könnte aus diesen Akten auf Spezialvermessung<br />
des Gutslandes und Neuverteilung des Bauernlandes schließen. Doch<br />
stehen Feldriß (vgl. Abb. 4) und Feldbeschreibung, die für alle, auch für die<br />
kleinen Höfe in allen Wannen nur eine, allenfalls zwei Parzellen zeigen, im<br />
Widerspruch zur Aussage der Akten. Die Sorge des Amtsgutes, im Zuge der<br />
Rationalisierung des Parzellengefüges andere Ländereien zugeteilt zu bekommen,<br />
wäre ganz unbegründet gewesen, wenn das Land schon vor der Vermessung<br />
so gut arrondiert gewesen wäre, wie es der Feldriß zeigt. Die Gleichmäßigkeit<br />
des Gefügeprinzips in der ganzen Feldflur zeigt also, daß auch das<br />
Amtsgut mit in die Neuordnung einbezogen worden ist. Der Widerspruch der<br />
Überlieferung könnte auf die Lückenhaftigkeit des Aktenmaterials zurückzuführen<br />
sein; doch besteht auch der Verdacht, daß man die Behörde über den<br />
wirklichen Verlauf der Vermessung nicht genau informiert hat. Eine Eingabe des<br />
in Lutter beschäftigten Vermessungsingenieurs um höheren Lohn scheint diese<br />
Vermutung zu bestätigen; denn er begründet sein Gesuch mit heftiger Kritik<br />
an den Maßnahmen seines Vorgesetzten, auf dessen Geheiß er nach der Vermessung<br />
der neu eingeteilten Wannen entgegen der Instruktion vor der Zusammenlegung<br />
und Verteilung des Ackerlandes eine entsprechend aufwendige<br />
Spezialvermessung durchführen und jede Wanne anschließend zweimal oder<br />
auch mehrfach verteilen mußte. Daß der Feldmesser nicht von Verlosung spricht,<br />
ist verständlich, weil sie nicht zu seinen Pflidtten gehört. Anlage A zur Instruktion<br />
von 175; nennt in § 19 unter den Aufgaben des Feldmessers die Verteilung<br />
und Anweisung
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zum Schluß seiner Eingabe den Subdelegaten in Schutz und bescheinigt ihm. er<br />
habe die Vermessung im Sinne der Instruktion durchgeführt und habe mit der<br />
eigenmächtig zwisdtengeschalteten Spezialvermessung eine endgültige Spezialvermessung<br />
der ganzen Feldmark verhindert. Hieraus ist auf jeden Fall die<br />
Schlußfolgerung möglich. daß die Vermessung der Feldflur von Lutter mit großen<br />
Schwierigkeiten verbunden war. vielleicht ist auch die Vermutung erlaubt. daß<br />
die Zusammenlegung unter Beibehaltung der Reihenfolge der Besitznachbam<br />
deshalb geschah. weil dieses tatsächlich das einzige Komprorniß war. eine<br />
Srezialvermessung zu verhindern. Diese Vermutung würde ohne Kenntnis der<br />
Ergebnisse aus der Flurtabelle sehr gewagt und ohne feste Grundla~e erscheinen.<br />
Es zeigt sich also. daß die Auswertung allein der Akten in diesem Falle zu einem<br />
lückenhaften wenn nicht gar falschen Ergebnis führt. aber die Auswertung von<br />
Feldriß und Flurtabelle auch ohne Aktenüberlieferung bereits ein eindeutiges<br />
Ergebnis zeitigt. welches durch den Inhalt der Akten eher noch erhärtet wird.<br />
Es wurde also in Lutter am Barenberge nach meiner eingangs gegebenen Definition<br />
zusammengelegt. aber nicht verkoppelt.<br />
Als letztes Beispiel soll Warmenau im Vorsfelder Werder diskutiert werden<br />
(St. A. Wb .• L Alt Abt. 58 Nr. 2280). Ende Januar 1759 baten die Ackerleute<br />
des Dorfes um Spezialvermessung ihrer Länderei. Wenige Tage nach der Eingabe<br />
forderte die Landesvermessungskommission vom zuständigen Amtmann<br />
einen Bericht über die Frage. ob die FeldRur von Warmenau verteilt werden<br />
könnte. Schon Ende Februar desselben Jahres gaben zwei Vertreter der Gemeinde<br />
zu Protokoll. daß von den 12 Wannen zwei verteilt werden könnten.<br />
Für die 1. Wanne (= 1. Wanne des Winterfeldes) ist belegt. daß in ihr zwei<br />
Verlosungen stattgefunden haben. Nach der Feldbeschreibung wiederholen sich<br />
die Höfe der Riege zweimal in verschiedener Reihenfolge. Die Überlieferung<br />
bestätigt also die Auswertung der Flurtabelle und beweist. daß diese Verlosung<br />
gleichzeitig mit der Vermessung durchgeführt worden ist. Auch in der 1. und 2.<br />
Wanne des Brachfeldes wiederholt sich die Riege in jeweils anderer Kombination<br />
der Besitzer. Es fehlt zwar die Bestätigung der Verlosung durch Aktenhinweis;<br />
aber die Analogie zur 1. Wanne des Winterfeldes ist so vollständig. daß sie in<br />
diesem FaIIe als Beweis genommen werden darf. Die zweimalige Verlosung in<br />
einer Wanne erscheint als das Komprorniß oder übergangsstadium zwischen der<br />
herkömmlichen Gewohnheit einer häufigen Abfolge der Riege. wobei jeder<br />
Wölbacker einer Besitzparzelle entspricht. und der Schaffung einheitlicher großer<br />
Parzellen (Verkoppelung). .<br />
Dasselbe Aktenbündel überliefert auch die Tatsache. daß die 7. bis 9. Wanne<br />
(= 1. bis 3. Wanne des Sommerfeldes) und die 11. Wanne (= 4. Wanne des<br />
Brachfeldes) in alter Lage bleiben sollten. In diesen. aber auch in den nicht genannten<br />
Wannen 2 und 3 des Winterfeldes wiederholt sich die Rie~e in konstanter<br />
Abfolge. Es ist also der Beweis erbracht. daß diese Kombination aus der<br />
Zeit vor der Vermessung stammt.<br />
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Es sei noch nachgetragen, daß die Feldfluren von Warmenau und Kästorf<br />
gleichzeitig von denselben Beamten vermessen worden sind. Auch das Gefügeprinzip<br />
in den Wannen entsprknt einander mit teils Verlosung (Verkoppelung)<br />
und teils Beibehaltung der ursprünglichen konstanten Riegekombination<br />
(5pezialvermessung). Die Böden bei.der Feldfluren bestehen aus Sand und<br />
Geschiebelehm; doch darf man diese Entsprechung nicht al;; Begründung für die<br />
Ähnlichkeit beider Gefügestrukturen nach der Vermessung heranziehen; denn<br />
dieselben Böden und eine ähnliche Sozialstruktur finden sich auch in Velstove,<br />
dessen Feldflur in allen Wannen verkoppelt worden ist. Jeder Bauer besitzt in<br />
jeder Wanne nur eine Parzelle, ohne daß sich die Reihenfolge der Nachbarn<br />
wiederholt. Dieses Ergebnis der Flurtabelle wird bestätigt durch das überlieferte<br />
Feldprotokoll, in dem die Parzellennachbarn wannenweise nach ihrer alten<br />
Reihenfolge noch jeweils mit mehreren Parzellen aufgeführt sind. Auch durch die<br />
Verteilung der Zwangskorrespondenzen wird die Verkoppelung bestätigt. Der<br />
Ort besteht aus 9 bäuerlichen Betrieben. Bildet man aus beliebigen Hofpaaren<br />
14 unterschiedliche Kombinationen, so zeigen 23,8 Ofo der Parzellen Zwangskorrespondenz.<br />
Statistisch sind in Velstove 22.2 Ofo Zwangskorrespondenzen zu<br />
erwarten (vgl. Tab. 4). Die gute Übereinstimmung hängt mit dem ehemaligen<br />
Riegegefüge zusammen, welches eine sehr gleichmäßige Verteilung der Besitzanteile<br />
aller Höfe über die ganze FeldRur zur Folge hatte. - Volzum erreicht<br />
dagegen wegen ungleicher Verteilung des Ackerlandes der einzelnen Höfe nur<br />
10 % von 20 % statistisch zu erwartender Zwangskorrespondenzen.<br />
Zusammenfassung.<br />
Die Generallandesvermessung des Herzogtums Braunschwcig bezweckte<br />
eine Zusammenziehung der Besitzflächen jedes Bauern in jeder Wanne zu einer<br />
FIitche. Dabei sollte die Reihenfolge der Besitznachbarn im Feld verlost werden.<br />
Trotz dieses Postulats setzte sich in der Literatur als herrschende Meinung die<br />
Ansicht durch, daß die Eingriffe in die Feld flur nicht grundsätzlkher Art gewesen<br />
seien. 50 wurde den Feldrissen ausdrücklich ein hervorragender Quellenwert für<br />
d:e Rekonstruktion älterer 5iedlungsverhältnisse zugesprochen. Indessen bahnt<br />
sich seit 1956 (H. Kleinau u. a. ] 956 3 ), E. Pitz 1957 15) und H. Kleinau 1961,<br />
bes. S. 33, Anm. 126 4 )) das Verlangen nach kritischer Bearbeitung der überlieferten<br />
Substanz an.<br />
In der Korrespondenzmethode ist ein Arbeitsmittel gegeben, welches zur<br />
Rekonstruktion älterer Siedlungsverhältnisse selbstverständlich nUr auf unverkoppelten<br />
Feldfluren aufbauen kann. Die Methode bietet außerdem die Möglichkeit,<br />
die unverändert gebliebenen, aJ.so "spezialvermessenen" Feldfluren zu<br />
trennen von Siedlungen, die zwischen teilweiser "Zusammenlegung" und vollständiger<br />
n Verkoppelung" des Ackerlandes alle Übergänge zeigen können.<br />
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Die Korrespondenzmethode basiert auf einer exakten Auswertung des<br />
Parzellengefüges. welches mit Hilfe einer Flurtabelle aus der FeI
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und dur
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Litera turverzel c1mis.<br />
1. Evcrs, W.: Grundfragen der Siedlungsgeographie und Kulturlandschaftsforschung im<br />
Hildesheimer Land. - Veröff. d. Wirtschaftswiss. Ges. z. Studium Nieders., N. F .•<br />
Reihe AL 64, Bremen-Horn 1957.<br />
2. Gesel1ius. c.: Das Meierrecht. Bd 2, Wolfenbüttel 1803. Beilage I, S. 1-75: Instruction<br />
für die Subdelegatos bey Fürstlidler General-Landes-Vemlessungs-Commission.<br />
3. Klcinau. H .• Th. Penners und A. Vorthmann: Historische Karte des Landes Braunschweig<br />
im 18. Jahrhundert. In: Niedersächsisches Jahrb. Bd 28.19,6. S. 1-14.<br />
4. Klcinllu. H.: Zur Geschichte der Höfe des Dorfes Runstedt (Lkr. Helmstedt). In:<br />
<strong>Braunschweigisches</strong> <strong>Jahrbuch</strong>, Bd 42. 1961, S. 11-35.<br />
5. Krenzlin. A.: Die Kulturlandsrnaft des hannöverschen Wendlandes. Stuttgart B31.<br />
- Forsch. z. deutschen Landeskde. Bd 28. H. 4.<br />
6. Lüderßen. R.: Die Befreiung und Mobilisierung des Grundbesitzes im Herzogtum<br />
Braunschweig. Braunsrnweig 1881.<br />
7. Maßberg. K.: Die Dörfer der Vogtei Groß Denkte, ihre Flurverfassung und Dorfanlage.<br />
- Studien u. Vorarb. zum Hist. Atlas Niedersamsens, 12. Heft, Göttingen<br />
1930.<br />
8. Me/tzen. A.: Siedlung und Agrarwesen der Westgermanen und Ostgermanen. der<br />
Kelten. Römer. Finnen und Slawen. Bd 1-111 und Atlas zu Bd III. Berlin 1895.<br />
9. Mittell1äußer. K.: über Flur- und Siedlungsform in der nordwestlichen Lüneburger<br />
Heide. In: Jahrb. d. Geogr. Ges. zu Hannover f. d. Jahr 19;3, Hannover 1953.<br />
S. 236-253.<br />
10. Mortensen. H.: Fragen der nordwe5tdeutschen Siedlungs- und Flurforschung im<br />
Lidlte der Ostforschung. In: Nadu. d. Akad. d. Wiss. in Göttingen. Phil.-Hist.<br />
Kl. 1946/47. S. 37-59.<br />
11. Mortel1sel1. H.: Die Entstehung der Gewannflur. In: Zsdu. f. Agrargesch. u. Agrarsoz.<br />
Jahrg. 3. H. 1, 1955, S. 30--48.<br />
12. Müller. TL Ostfälische Landeskunde. Braunsdlweig 1952.<br />
13. Oberbeck. G.: Die mittelalterliche Kulturlandschaft des GebiEtes um Gifhorn unter<br />
besonderer Berücksichtigung der naturräumlirnen Gliederung. Hannover 1957. -<br />
Veröff. d. Wirtschaftswiss. Ges. z. Studium Nieders .• N. F .• Reihe AI. 66.<br />
H. Oberbeck-Jacobs. U.: Die Entwicklung der Kulturlandschaft nördlich und südlich<br />
der Lößgrenze im Raum um Braunschweig. Jahrb. d. Geogr. Ges. z. Hannover f. d.<br />
Jahre 1956 u. 1957. Hannover 1957.<br />
15. Pitz. E.: Die Historische Karte des Landes Braunschweig im 18. Jahrhundert. In:<br />
Braunschw. Jahrb., Bd 38. 1957, S. 141-149.<br />
16 Polllcl1dt. H.: Die Feldsysteme des Herzogtums Braumchweig im 18. Jahrhundert.<br />
In: Hans Mortensen zu ~einem 60. Geburtstag. Bremen 19H. - VerÖff. der<br />
Akademie f. Raumforschung u. Landesplanung, Abh. 28. S. 179-195.<br />
17. Pol1lel1dt. H.: Der Landkreis Helmstedt. Bremen 1957. - Die Landkreise in Niedersachsen,<br />
Bd H.<br />
18. Pröve, H.: Dorf und Gut im alten Herzogtum Lüneburg. Göttingen 1929. - Studien<br />
und Vorarb. z. Hist. Atlas v. Nieders .• H. 11.<br />
19. Rippe!, J. K.: Die Entwicklung der Kulturlandschaft am nordwestlichen Harzrand.<br />
Hannover 1958. - Veröff. d. Wirtschaftswiss. Ges. z. Studium Nieders., N. F .• Reihe<br />
AI. 69.<br />
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20. Rippel, J. K.: Eine statistische Methode zur Untersuchung von Flur- und Ortsentwicklung.<br />
In: Geografiska Annaler 1961, S. 252-263.<br />
21. Smrader, H. J. Fr. VOI1: Bemerkungen über die allgemeine Landesvermessung und<br />
Vertheilung des Oberschußlandes, in den Herzoglich Braunschweigischen Landen.<br />
In: Juristisches Magazin f. d. bürgerliche und Strafrecht. N. F. Bd 1, H. 3, S. 3-53.<br />
22. Tacke, E.: Die Entwicklung der Land$chaft im Solling. Oldenburg 1943. - Veröff.<br />
d. Wirtschaftswiss. Ges. z. Studium Nieders., Reihe Al, 13.<br />
23. Voges, H.: Die allgemeine Landesvermessung und die erste Verkoppelung im Lande<br />
Braunschweig im 18. Jahrhundert. In: Jahrb. d. Braunschw. GeschidltSvereins,<br />
2. Folge, Bd 9, 1937, S. 5-56.<br />
24. Festgabe für die Mitglieder der XX. V~rsammlung deutscher Land- und Forstwirthe.<br />
Die Landwirtschaft und das Forstwesen im Herzogthume Braunschweig. Braunschweig<br />
1858.<br />
25. Jäger, H.: Das Luftbild im Dienst der historischen Landeskunde. In: Das Luftbild in<br />
seiner landschaftlidlen Aussage. - Landeskundliche Luftbildauswertung im mitteleuropäischen<br />
Raum H. 3, 1960, S. 17-23 (Sdlriftenfolge des Inst. für Landeskunde<br />
in der Bundesanstalt für Landeskunde und Raumforschung Bad Godesberg).<br />
Ausgeliefert im April 1962.<br />
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Das Verwandtschaitsverhältnis<br />
der "schwäbischen" Edlen Ida von Elsdorf zum Kaiserbruder<br />
LudolfIV. von Braunschweig (t 1038) und zu Papst LeoIX.(t 1054)<br />
Von<br />
Hans Dobbertin<br />
I. Der Bericht Alberts VOll Stade (um 1240)<br />
1I. Die drei Stiefbrüder Kaiser Heinrichs lII.<br />
1Il. Namensvettern Ludolfs IV. von Braunschweig<br />
IV. Zur Herkunft Ludolfs IV. von Braunschweig<br />
V. Die Familie des Papstes Leo IX.<br />
VI. Die friesische Grafschaft bei Dokkum<br />
VII. Hamelner Bonifatiusgüter bei Kirchwahlingen<br />
VIII. Der Stader Markgraf Ekbert von Öhningen<br />
IX. ·.Die "sädlsische" Edle Ida von Birkendorf<br />
I.<br />
Das Bremer Domstift ließ sich 1145 durch König Konrad III. die "possessiones<br />
dominae Idae" und 1200 durch den deutschen König Philipp von<br />
Schwaben die "hereditas feminae Idae" bestätigen 1). Was es mit diesen Gütern<br />
der Frau Ida auf sich hatte, erfahren wir erst um 1240 aus den Annalen des<br />
Stader Priors Albert 2):<br />
Graf Eilmar 11. von Oldenburg - ein Sohn Eilmars 1. und der Richenza von<br />
Elsdorf - habe gegen den nordmärkischen Markgrafen Udo (111.) von Stade<br />
(f 1106) und dessen Sohn Heinrich (IV.) Ansprüche auf das Erbe seiner Großmutter<br />
Ida (von Elsdorf) erheben wollen, und zwar auf 300 Hufen in Twischensee<br />
(wüst bei KIein-Häuslingen), Otersen. Hülsen, Westen und Böhme (bei<br />
Kirchwahlingen an der Aller), in RoIfen. Schlieme und Riede (bei Thedinghausen)<br />
3) sowie auf Güter in Freiersen und Frankenbostel (bei Elsdorf), die<br />
1) K. F. 5 t u m p f - B ren t an o. Die Reichskanzler vornehmlich des 10 .• 11. u.<br />
12. Jh. (1865/1883) Nr. 3489; O. H. M a y. Die Regesten der Erzbischöfe von Bremen.<br />
Bd. I (1937) Nr. 684; Richard G. H u c k e. Die Grafen von Stade 90~1144, Genealogie.<br />
politische Stellung, Comitat und Allodialbesitz der sächsischen Udonen (Stade<br />
1956) S. 58.<br />
2) Annales Stadenses auctore Alberto z. J. 1112. in; M(onumenta) G(ermaniae<br />
Historiea). Scriptores rerum Germanicarum, Bd. XVI, hrsg. v. J. M. Lappenberg (1859)<br />
5.319 - fortan Ann. Stad. 1112.55. XVI 319; Huc ke aaO. 5.58 H. u. 178 ff.; ~ur<br />
jüngeren Geschichte einiger Güter Idas vgI. Heinrich Lau e. Alte Adelssitze und altadelige<br />
Geschlechter an der Unteraller (maschinenschr. Veröff .• Celle 1957/1961 H.).<br />
3) Erst 1679 kam Thedinghausen aus schwedischer Herrschaft ans Herzogtum Braunschweig;<br />
vgl. Theodor Müll e r, Das Amt Thedinghausen. seine Geschichte und Entwicklung<br />
(Thedinghausen 1928).
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dem Kloster Heeslingen 4) verpfändet waren. Vom Streit um diese Güter habe<br />
ihn aber der Stader Graf Friedrich (f 1135) abgehalten, der wn diese Zeit 1112<br />
vor dem Königsgericht in Rahmsdorf bemüht war, aus dem Dienst des nordmärkischen<br />
Markgrafen Rudolf I. von Stade 5) entlassen zu werden, aber durch<br />
den besagten Markgrafen Rudolf und durch den damaligen Sachsenherzog<br />
Lothar (von Süpplingenburg) nach Salzwedel entführt wurde, wo ihn ein kaiserliches<br />
Belagerungsheer befreite 6).<br />
Ida habe als eine aus Schwaben gebürtige Edelfrau in Elsdorf (bei Heeslingen)<br />
gewohnt und sei eine Bruderstochter Kaiser Heinrichs III. (f 1056)<br />
sowie eine Schwestertochter Papst Leos IX. (f 1054) gewesen 7). Markgraf<br />
Udo (I1.) von Stade (f 1082) - der Vater Udos (lII.) und Rudolfs (I.) - habe<br />
Idas Sohn, den Grafen Ekbert, in Wistedt bei EIsdorf getötet, obgleich er dessen<br />
Anverwandter war. Die dadurch ihres Leibeserben beraubte Ida sei nach Rom<br />
zu ihrem päpstlichen Oheim gepilgert, habe bei ihm Trost und Zuspruch gefunden<br />
und habe, nachdem sie in die Heimat zurückgekehrt war, ihre Stader Herrschaft<br />
diesem Markgrafen Udo (I1.) auf dem Erbwege überlassen.<br />
Dreimal sei Ida vermählt gewesen - zuerst mit Lippold, dem Sohn der<br />
Glismodis 8), dann (nacheinander) mit den beiden in Dithmarschen gefallenen<br />
Grafen Dedo und Etheler dem Weißen. Die aus der ersten Ehe stammende<br />
4) Das unter Otto dem Großen durch den kinderlosen Grafen Hed gegründete<br />
Kloster Heeslingen hei Zeven - Thietmari Merscburg,msis episcopi Chronicon. MG.<br />
SS. rer. Germ .• Nova Series IX. hrsg. v. Robert Holtzmann (1935. unveränderter Neudruck<br />
1955). Liber 11. cap. 42 (fortan Thietmar II. 42) - ist nicht zu verwechseln mit<br />
Hesslingen bei Wolfsburg. einer Besitzung der Grafen von Walbeck (Thietmar VlIl. 15).<br />
Das Namensregister bei R. Hol tz man n aaO. ist an dieser Stelle unzuverlässig (auch<br />
in R. Hol tz rn a n n s deutscher Ausgabe der Chronik Thietrnars; vgl. unten Anm. 77)<br />
und dementsprechend auch die TextsteIle bei Ruth Sc h ö I k 0 p f (geb. Goebel). Die<br />
sächsischen Grafen 919-1024. in: Stud. u. Vorarb. z. Hist. Atlas Niedersachsens<br />
(= Veröff. d. Hist. Komm. f. Niedersachsen. Reihe 11) Bd. 22 (1957) S. 82 Anm. 6.<br />
6) Der sächsische Annalist des 12. Jh. - Ann. Saxo 1087; S5. VI 724 - berichtet.<br />
daß Rudolfs I. Bruder. der Markgraf Lüder-Udo 111. (t 1106). seine Grafschaft Stade<br />
1187 dem Friedrich gab. der sie dann 40 Jahre lang besessen habe. Albert von Stade -<br />
Ann. Stad. 1112. 55. XVI 319 - erwähnt. daß Friedrichs Bruder Ulrich am Hofe Kaiser<br />
Heinrichs IV. aus der Dienstbarkeit dieses Markgrafen entlassen wurde und spricht von<br />
einer 60jährigen Amtszeit Friedrichs. der hochbetagt am 13.4. 1135 verstorben sei<br />
(Ann. Stad. 1135. SS. XVI 323).<br />
e) Belege bei Herbert W. V 0 g t. Das Herzogtum Lothars von Süpplingcnburg 1106<br />
bis 1125. in: Ou. u. Darst. z. Gesch. Niedersachsens. Bd. 57 (1959) S. 151 f.<br />
1) ulsta namque Ida nobilis femina de Suevia nata. in villa Elsthorpe manens. hercditatem<br />
habuit. que adhuc hereditas Idae dicitur. Hec fuit filia fratris imperatoris<br />
Heinrici lll.. filia quoque sororis Leonis pape qui et Bruno" (Ann. Stad. 1112. 5S.<br />
XVI 319).<br />
'<br />
Il) In Goslar tritt am 23. 3. 1052 als einer der heiden Erben des Bischofs Meinwerk<br />
(und seiner Schwester Glismodist) ein .Liutbold" auf - MG. Diplomata Regum et<br />
lmperatorum Germaniae. Urkunden Heinrichs lll .• Nr. 284 (fortan DH III 284). Ihn hält<br />
H u c k e aaO. S. 67 mit Redlt für den ersten der drei Gatten ldas von Elsdorf (vgl.<br />
unten Anm. 12).<br />
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Tochter Oda sei zunächst Nonne in "Rinthelen" ( = "Rinchelen·, Ringelheim?)<br />
gewesen 9), aber gegen Abtretung von Steddorf (bei Elsdorf) in den<br />
weltlichen Stand entlassen und einem "russischen König" zur Frau gegeben<br />
worden, dem sie einen Sohn .. Warteslav" geschenkt und nach dessen Tod sie in<br />
einer anderen Ehe in ihrer Heimat eine Tochter .. Aliarina" oder .. Akarina"<br />
- nämlich die spätere Mutter des 1130 ermordeten Grafen Burchard von Loeeum<br />
- geboren habe 10). Idas Sohn Burcnard sei Dompropst und erwählter Erzbischof<br />
von Trier geworden. Er hat - wie wir anderweitig erfahren 11) - 107;<br />
den Gatten seiner Schwester Oda in Kiew als Unterhändler Kaiser Heinrichs<br />
IV. besucht und entstammte wie die eingangs erwähnte Gräfin Riowfza<br />
von Oldenburg der dritten Ehe Idas.<br />
Der Bericht Alberts von Stade .. von der Ermordung des Sohnes der Ida<br />
durch den Markgrafen Udo von der Nordmark, von ihrer Reise Dach Rom, von<br />
dem christlichen Rate des Papstes, sie möge dem Mörder verzeihen, und endlich<br />
von dem heroischen EntschJ.uß, den Mörder an Sohnes statt anzunehmen", sieht<br />
für manchen kritischen Betrachter womöglich "sehr stark nach Erfindung oder<br />
wenigstens nach romanhafter Ausschmückung" aus 12), und mag den Eindruck<br />
erwecken, es sei "völlig vergebliche Mühe, auf Grund seiner Angaben die<br />
Abkunft der Ida bestimmen zu wollen" 13).<br />
Man hat daher neuerdings versucht, wenigsteIlS einen Teil seines Inhalts<br />
zu "retten" durch die Annahme, lda von Elsdorf sei zwar eine Schwestertochter<br />
8) Meinwerks Mutter ließ 1021 Hahausen dem Kloster .Ringelem" übertragen -<br />
DH Il 447; K. J an i e k e u. H. Ho 0 g ewe g. Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim<br />
und seiner Bischöfe (fortan UBHHild.) Bd. I. Nr. 66. In Rinteln (Weser) gab es<br />
damals noch kein Kloster. I<br />
10) Raissa Bio c h. Verwandtschaftliche Beziehungen des sächsischen Adels zum<br />
russischen Fürstenhaus im 11. Jh .• in: Festschr. f. A. Brackmann (1931). S. 183 ff. ermittelte<br />
den Svjatoslav 11. v. Kiew (t 1076) als den ersten Gatten und dessen jüngsten<br />
Sohn Jaroslav v. Kiew (t 1130) als den Sohn der Oda von Elsdorf; vgl. Wilhelm Karl<br />
Prinz v. I sen bur g, Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten (2. Auf!.<br />
hrsg. v. Frank Freytag v. Loringhoven. 1953 H.) Bd. H. Tafeln 89. 91 u. 93. He"<br />
Staatsarchivdirektor i. R. Dr. Erich W eis e (früher in Stade), dem hier für freundliche<br />
Beratung gedankt sei. glaubt den Namen der Mutter Burchards von Loccum aus dem<br />
russischen Mädchennamen Akulina. Akilina. lat. Aquilina entstellt. den auch Herr<br />
Dr. Pol I 0 c k - gemäß einer freundlichen Auskunft vom 4. 11. 1961 - im Slawischen<br />
Seminar der Universität Göttingen als einzigen ähnlichklir.genden nIssischen Vornamen<br />
festgestellt hat. Es erledigt sich damit der von H u c k e aaO. S. 66 f. unternommene<br />
Versuch. ihn irgendwie mit dem Vornamen des mit Bischof Meinwerk verwandten Grafen<br />
Otger von Kärnten in Verbindung zu bringen (vgl. unten Anm. 19).<br />
11) Lamperti mon. Herfeld. opera 1075. 55. rer. Germ. in uso schol. (ed. Holder<br />
Egger) S. 202; BIo c h aaO. S. 190 H.<br />
11) Erich B ra n den bur g. Probleme um die Kaiserin Gisela. in: Berichte über die<br />
Verhandlungen der Sächsischen AkDdemie der Wissenschaften. Jg. 80. H.
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des Papstes Leo IX., aber keine Bruderstochter des Kaisers Heinrich III., sondern<br />
nur eine Nachkommin des mit Kaiser Otoos IlI. Schwester MathUde<br />
(t 1025) vermählten rheinischen Pfalzgrafen Ezzo Cf 1034) gewesen 14). Der<br />
seit 1045 regierende Sdlwabenherzog Otto 11. (f 1047) entstammte der Ehe<br />
Ezzos, ebenso die mit dem Polenkönig Mieszko II. (f 1034) vem1ählte Richenza<br />
(t 1063), welche übrigens den gleichen Vornamen getragen hat wie die jüngste<br />
Tochter Idas von Elsdorf und wie die Gemahlin des 1061 zum Herzog von<br />
Bayern erhobenen niedersächsischen Grafen Otto von Northeim (f 1083), und<br />
das lasse auf Verwandtschaft zwischen den "Ezzonen" und lda von Elsdorf<br />
schließen. Daher gipfelt diese genealogische Konstruktion in der Vermutung,<br />
Ida von ELsdorf und die mit Otto von Northeim vennählte Richenza seien<br />
Schwestern und somit womöglich Töchter des besagten ezzonischen Herzogs<br />
Otto II. von Schwaben gewesen. Auf diese Weise lasse sich vieIleicht auch die<br />
Behauptung des französischen Chronisten Alberich von Troisfontaines (um<br />
1240) bestätigen, wonach der - mit einer Enkelin Ottos von Northeim vermählte<br />
- Kaiser Lothar von Süpplingenburg vom Geschlecht des Herzogs<br />
Otto II. von Schwaben abstamme 15).<br />
Da diese weit her.geholte genealogische Konstruktion 16) in den jüngsten<br />
Untersuchungen über die Grafen von Stade und die Grafen von Northeim Anerkennung<br />
fand 17), obwohl ihr Urheber sie mittlerweile wieder faIlen gelassen<br />
H) Emil K i m p e .1, Ezzonen und Hezeliniden in der rheinischen Pfalzgrafschaft.<br />
in: Mitteilungen des Instituts für österreimisme Gesmimtsforsmung (= MIÖG), Erg.<br />
Bd. 12 (1933) 5. 29 H.; zustimmend Albert K. H ö m b erg. Geschimte der Comitate<br />
des Werler Grafenhauses. in: Westfälische Zeitschrift Jg. 100 (1950) S. 33.<br />
15) '"Ottonem ducem Sueviae. de cujus linea descendit iIIe Lotharius dux 5axonum<br />
qui fuit imperator" (Alberici chron., MG. 55. XXIII 785). Am Beispiel der polnischen<br />
Königstochter Richza d. 1. (= Rica). die in erster Ehe mit König Alfons VII. von<br />
Kastilien (f 1157), in zweiter mit Graf Raimund v. Provence (f 1166). in dritter mit<br />
Graf Albert 11. von Everstein (njenseits Köln") vermählt war (MG. 55. XXIII 834).<br />
erweist sich. daß Alberich in genealogischen Dingen ziemlich zuverlässig unterrimtet<br />
war. Vgl. Hans 00 b b e r tin in: Armiv für schlesische Kirchengeschimte Bd. 15.<br />
(Hildesheim 1957) S, 1-4, Bd. 16 (1958) S. 315'-323. Bd. 17 (1959) S. 289-291 (im<br />
betreffenden Zitat muß es dort heißen: .. Ista sec und a Rikissa· statt •... secum<br />
Rikissa").<br />
16) Darüber, daß Alberich von der Abstammung Kaiser Lothars. nicht aber von jener<br />
seiner Gattin Richenza von Northeim spricht. ging K i m p e n aaO. großzügig hinweg.<br />
ohne zu erwägen. ob eine der Urgroßmütter Lothars - z. B. die Gattin Konrads von<br />
Haldensleben (vgl. die Stammtafel bei V 0 g t aaO.) - eine .. Ezzonin" gewesen sein<br />
mag.<br />
17) Aus einem der zahlreichen Schreibfehler in der .. Rosenfelder" (= Harsefelder)<br />
Klostermronik (vgl. unten Anm. 20) - die Gattin Ottos von Northeim wird versehentlich<br />
lda (statt Richenza-Rixa-Rica!) genannt - zieht H u c k e aaO. 5. 31 u. 59 H. den<br />
.naheliegenden Schluß. daß der Chronist ,Ida' irrtümlich für .Richenza' gesetzt hat, weil<br />
er die bei den Schwestern verwechselte". - Hierdurch glaubt Karl-Heinz L a n g e, Die<br />
Grafen von Northeim 950-1144. Politische Stellung. Genealogie und Herrsmaftsbereich,<br />
Beiträge zur Geschimte des sädlsischen Adels im Hochmittelalter (Dis5. Kiel 1958) Bd. 1,<br />
S. 4S - vgl. der s. Die Stellung der Grafen von Northeim in der Reimsgeschichte des<br />
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hat 18), erscheint eine Klärung der Fragen um die Herkunft ldas von Elsdorf<br />
aktuell und wünschenswert.<br />
Hierbei wird man bei aller gebotenen Vorsicht davon ausgehen dürfen, daß<br />
der Stader Prior Albert zwar recht spät über die Erbsdtaftsangelegenheit des<br />
Grafen Eilmar 11. von Oldenburg berichtet, daß er aber im allgemeinen keine<br />
schwerwiegenden Irrtümer begangen hat 19). Und da sein Bericht in jüngere<br />
Chroniken unwidersprochen aufgenommen worden ist 20), sollte man ihm nicht<br />
von vornherein eine "romanhafte Ausschmückung" oder gar eine "Erfindung"<br />
unterstellen.<br />
11.<br />
Die Forsdtung hat sich sehr bemüht, jenen der drei Stiefbrüder Kaiser Heilfr/dis<br />
1II. festzustellen, welcher - wenn man den Bericht Alberts von Stade als<br />
zuverlässig ansieht - der Vater Idas von ElsdOTf gewesen sein mag. Der sagenberühmte<br />
Sdiwabenherzog Ernst H. Cf 1030) war noch jung und unvermählt,<br />
als er sich letztmalig gegen seinen Stiefvater - den Kaiser Konrad II. - auflehnte<br />
und im Schwarzwald in einem Gefecht durch seine Häscher getötet wurde,<br />
und sein 1030 an seiner Stelle zwn neuen Schwabenherzog ernannter Bruder<br />
Hermann IV. Cf 1038) stand 1030 noch unter Vormundschaft des Bisdtofs War-<br />
11. u. frühen 12. Jh., in: NiedersädlSisches <strong>Jahrbuch</strong> für Landesgeschichte Bd. 33 (1961),<br />
S. 10 u. 13 f. - bereits ndie Schwesternschaft Idas (von Elsdorf) und Richenzas (der<br />
Gattin Ottos von Northeim) außer allen Zweifel gestellt". Er weist aber auch hin auf<br />
eine Nachricht - bei J. G. Leu c k f eId, Antiq. Northeim. 5. 233. f. -, wonach Otto<br />
ven Northeim die ndominam Rikensam gloriosam imperatricem. id est filiam imperatoris<br />
Heinricl 111. Bavariae Ducis cognomento c1audi", also tine Tochter des seit 1052<br />
persönlich in Bayern auch als Herzog regierenden Kaisers Heinrich 111. (0. zur Frau<br />
genommen haben soll.<br />
18) Emil K i m p e n. Zur Königsgenealogie der Karolinger- bis Stauferzeit. in: Zeitschrift<br />
für die Geschichte des Oberrheins, Jg. 103 NF 64 (Karlsruhe 1955) S. 89 f.:<br />
H u c k e aaO. 5. 61 Anm. 429.<br />
18) Zwei Beispiele: a) Die Mutter Burchards von Loccum wird zuerst richtig als<br />
Tochter Odas (von Elsdorf). hernach jedoch (versehentlich) als Tochter Idas (von Elsdorf)<br />
bezeichnet (Ann. Stad. 1112 55. XVI 319 f.). Aus diesem harmlosen Schreibfehler konstruiert<br />
H u c k e aaO. S. 67 Anm. 475 zwei Damen namens Akarina (Mutter und<br />
Tochter), deren Namen er zu (Ot)akarina erweitert. b) Richenza von Northeim (Ottos<br />
Enkelin I) gebar nach 15jähriger kinderloser Ehe dem Herzog (und späteren Kaiser)<br />
Lothar 1115 eine Tochter, berichtet der sächsische Annalist (Ann. Saxo 1115, SS. VI<br />
751). Dagegen meldet Albert von Stade die Eheschließung Lothars und der Richenza<br />
erst zum Jahre 1113 (MG. 5S. XVI 321). Vermutlich nahm er an, daß diese 1115 geborene<br />
einzige Tochter (Gertrud), die übrigens 1129 Heinrich den Löwen gebar, schon<br />
kurz nach der Eheschließung Lothars zur Welt gekommen sei.<br />
20) Hamburger Chronik 799-1559, in: Hamburgische Chroniken in niederdeutscher<br />
Sprache, hrsg. v. J. M. L a p p e n b erg (Hamburg 1861) S. 381; Chronicon Monasterii<br />
Rosenfeldensis seu Harsefeldensis, in :Monumenta inedita rerum Germanicarum praecipue<br />
Bremensium. hrsg. v. Joh. V 0 g t (Bremen 1740) - je eine Abschrift im Besitz des<br />
Stader Geschichtsvereins und der Landesbibliothek Hannover (17. Jh.): H u c k e aaO.<br />
5 67 Anm. 478. nicht identisch mit den Annales Rosenveldenses, MG. 55. XVI 99-104.<br />
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mann von Konstanz und starb nach kinderlos gebliebener Ehe 21). Dagegen hat<br />
der dritte Stiefbruder Kaiser Heinrichs III., Graf Ludolf IV. VOI1 Braul1schweig<br />
(t 1038), in einer nach 1031 geschlossenen Ehe 22) mit einer aus unbekanntem<br />
Geschlecht stammenden Gertrud (t 1077) zwei Söhne - Bruno VII. (t 1057)<br />
und Ekbert I. (t 1068) - gezeugt 23). Weil wir aber annehmen müssen, daß er<br />
erst in der zweiten Ehe der zuletzt mit Kaiser Konrad H. vermählten smwäbischen<br />
Herzogstochter Gisela (t 1043) - also erst nach dem Tode des am<br />
31. Mai 1015 auf einer Jagd tödlich verunglückten Schwabenherzogs Erl1st 1.<br />
(t 1015) - im Jahre 1016 geboren ist 24), wird auch er schwerlich als der leibliche<br />
Vater ldas von Elsdorf und somit als der leibliche Großvater mütterlicherseits<br />
des in Wistedt ermordeten Grafen Ekbert gelten können.<br />
Als Urkundenzeuge ist "Liutolfus filius Gisele imperatricis" - wie Graf<br />
Ludolf IV. von Braunschweig im Weißenburger Nekrolog genannt wird 25) -<br />
erst am 1. Juli 1028 in einer in Magdeburg für das Kloster Corvey ausgestellten<br />
Urkunde sicher nachweisbar, und zwar hinter den Herzögen Bernhard<br />
(II. von Sachsen), Adelbero (von Kärnten) und Ernst (II. von Schwaben) als<br />
nLiutulfus comes privignus imperatoris" 26), also als Stiefsohl1 des Kaisers<br />
KOl1rad 11. Bischof Branthog von Halberstadt unterstellte 103l der Magnikirche,<br />
die durch zwei "liberi homines" - nämlich durch einen gewissen Hatheguard<br />
und dessen Gattin Atta - erbaut war, 11 Ortschaften (einschließlich<br />
Braunschweigr), und zwar geschah dies "Luidolfo comite ejusque principibus<br />
21) ,Georg D e h i 0, Hartwig von Stade, in: Bremisches <strong>Jahrbuch</strong> 6 (1672) S. 131.<br />
vermutete, Ernst 11. von Schwaben habe vielleicht eine uneheliche Tochter (=lda von<br />
Elsdorf) gehabt. K. E. H. Kr aus e, lda von Elsthorpe und ihre Sippe, in: Forschungen<br />
zur deutschen Geschichte 15 (1875) S. 639 H. wies diesen Gedanken zurück; denn<br />
Konrad Il. hatte zum Tode Ernsts 11. gesagt: .Bissige Hunde haben selten Nachkommen"<br />
- Die Werke Wipos, aus: MG. Sero rer. Germ. in uSllm scholarum, hrsg. v.<br />
Harry BreSlau (1915, unveränderter Neudruck 1956) eap. 28 5.47.<br />
22) 1. Ha e n seI man n, Urkundenbuch der Stadt Braunschweig (1861 H.) Bd. U,<br />
Nr. 1 (1031. Original), vgl. unten Anm. 27; H(einrich) B ö t t ger, Die Brunonen,<br />
Vorfahren und Nachkommen des Herzogs Ludolf von Sachsen 775-1117 USW. (Hannover<br />
1865) S. 489 Anm. 683. Obersichtshalber behalten wir Bö t t ger s Zählung der<br />
.Brunonen" bei, da bei V 0 g t aaO. S. 42 H. (bes. S. 47 oben) noch unklar geblieben<br />
ist, wer künftig .Bruno 1. (von Braunschweig)" heißen soll.<br />
23) Ann. Saxo 1038 U. 1057 S5. VI 682 U. 692; Böttger aaO. S. 498 H.<br />
24) "Haee Gisla et soror ejus Mechthildis fratresque ejus Rodulphus et Bernhardus<br />
nati erant in Westfalia de loeo, qui dicitur Werle. Gisla nupsit primum Ernesto filio<br />
Liuppoldi marchionis genuitque ilIi Hermannum dueem Suevorum. Duee Ernesto<br />
defuncto aeeepit eam uxorem eomes Bruno de Bruneswic peperitque i1Ii Liudolfum<br />
eomitem. Comite Brunone etiam defuneto duxit eam violenter Conradus cognatus suus<br />
genuitque ex ea, de quo loquimur, Henricum" (Ann. Saxo 1026 S5. VI 676); vgl. I senbur<br />
g 1,4 (wo als Todesdatum Ernsts I. versehentlich der 3. 5. 1015 - statt der 31. 5.<br />
1015 - angegeben ist).<br />
25) J. F. Bö h m e r, Fontes rerum Germanicarum (Stuttgart 1868) Bd. IV, S. 311 .<br />
••) DK Il 124 (1028), vgl. unten Anm. 59.<br />
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quam plurimis astantibus" 27), also in Gegenwart des noch unvermählten (I)<br />
Grafen LudoIf IV. und mehrerer seiner Fürsten. Die angeblich noch unter dem<br />
Bischof Godehard von Hildesheim (t 1038) gegründete Stiftskirche (St. Petri<br />
und St. Pauli) in der Burg Dankwarderode, an deren Stelle Heinrich der Löwe<br />
1112 den Neubau des Braunschweiger Doms (St. Johannis Baptistae und St. Blasii)<br />
zu errichten begann, stammt erst aus der Witwenzeit der 1077 in ihr<br />
begrabenen Gertrud und der Regierungszeit ihres Sohnes Ekbert I. 28).<br />
Von seinem leiblichen Vater - dem vor 1018 verstorbenen, offenbar mit<br />
Bischof Bernward von Hildesheim (t 1022) in Feindschaft lebenden Grafen<br />
Bruuo VI. 29) - hatte Ludolf IV. als "frater" Kaiser Heinrichs III. SO) und als<br />
"patruus" Kaiser Heinrichs IV. 31) eine auf seinen Sohn Ekbert 1. weitervererbte<br />
Grafschaft übernommen, die vom Kaiser zu Lehen ging und die dem<br />
Bischof Azelin von Hilde6heim 10'>1 durch Kaiser Heinrich III. sowie 1057<br />
durch dessen Sohn (König Heinrich IV.) bestätigt wurde. Sie umfaßte im Nordthüringgau,<br />
im Derlingau, im Ostfalengau, im Salzgau, im Gretingau und im<br />
Gau Mulbeze (in pagis Northduringen, Darlingen, Valen, SaIthga, Grethe,<br />
Mulbeze) die Pfarrbezirke Schöningen, Watenstedt, Schöppenstedt, Lucklum,<br />
Atzum, Gr. Stöckheim, Denstorf. Ringelheim, Beedenbostel, Hankensbüttel und<br />
Wienhausen 82).<br />
III.<br />
Manche Forscher haben noch immer nicht zur Genüge erkannt, daß dieser<br />
1038 "immatura morte", also verhältnismäßig jung verstorbene Stiefbruder<br />
Kaiser Heinrichs III. namens ludoIf einen älteren Namensvetter hatte, der<br />
bereits 1023 starb und von ihm in den Hildesheimer Annalen deutlich unter-<br />
21) VgI. oben Anm. 22. Man hätte sicherlich nicht nur Hatheguards Gattin Atta.<br />
sondern auch Ludolfs IV. Gattin Gertrud bei Beurkundung dieser geistlichen Stiftung<br />
genannt. wenn Ludolf IV. 1031 schon vermählt gewesen wäre.<br />
28) Bö t t ger aaO. S. 483 ff. V 0 g t aaO. S. 59 (Anm. 37-40) gibt versehentlich<br />
1030 als letztes Regierungsjahr des erst 1038 (und zwar einen Monat nach Ludolf IV.!)<br />
verstorbenen Bischofs Godehard an. D~r<br />
Steinsarkophag Gertruds (tl077) steht jetzt<br />
neben den (neuen) Steinsärgen Heinrichs des Löwen und der Mathilde von England<br />
in der neuen Gruft unter dem Grabmal Heinrichs und M:lthildes. Früher befand er<br />
sich weiter östlich in der Krypta. welche noch Bauteile der alten Stiftskirche des 11.<br />
Jh. enthält. (frd!. Hinweis von Prof. Dr. Dr. 5 pie s s - Braunschweig).<br />
29) Thietmar VIII, 24; vgl. unten Anm. 6~. In der Literatur wird er häufig mit jcncm<br />
Brun verwechselt. der 990 am Kampf gegen Boleslav von Böhmen teilnahm. im eigenen<br />
Hause 1014 durch einen gewissen Milo ermordet wurde und sicherlich identisch war mit<br />
Brun, dem Bruder des Meißner Markgrafen Günzelin von Kuckenburg (Thietmar IV. 11;<br />
VI, 53-55; Vll, 4-6).<br />
30) DH III 279 (1051) = UBHHild. I, 86 (1051).<br />
31) DH IV 22 (1057) = UBHHild. 1. 96 (1057).<br />
32) Vgl. hierzu das Halberstädter Archidiakonatsverzeichnis bei Bö t t ger a30.<br />
S. 160 H.<br />
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Stammtafel 1<br />
Zur Frage der Verwandtschaft der Kaiserin Gisela mit den Grafen von Werl<br />
Gerbergo T. d. Kg. KONRAD v. Burgund 997. 1000 •• comitlssac (In Werl)<br />
co q Bernhord Graf in Westfalen 980 'Hermann 11. Hz. v. Schwoben tlG03'<br />
Hermann, 978 Gral im Gau Angeron", i985 Friedensvermittler In Bayern bel<br />
Hz. Heinrich dem Zanker (Thletm. IV, 8), it995 b. Maraholt(in Westfaleni)<br />
,<br />
I I I I I ----,-<br />
I Hermann, S. d. Gfn. I Rudoll Graf I Bernhard 1023f 'Mathilde 'Bertold 'GISELA 'Hermann 111.<br />
Gerberga, GI. v. Werf t 12.7. (i) Graf v. Werl co erstmolig '992 t993 .99911043 Hz. v. Schwaben<br />
997 -10,24'" I I 1003 ... • t 1012 alupuer.<br />
Hein. I Kon. I Adel. I Bern. I Hermann d. J. Id<br />
0 co 'H e I nrl 'ch<br />
1 Ernst ' 11. I Hermann I IV. 'Ludoll I IV.<br />
rlch rad bart hard (1015)-52 GI. Gf.v.lauften '1014tl030 ·1015tI03B ·1016tlO3B<br />
101611 1024 1024 1024ff co Richenza (die 'N. (I. Sachsen) 1015 Hz. v. 1030 Hz. v. GI.v. Braun-<br />
I ! I I spätere Gattin I Schwaben Schwaben schweig<br />
I GI. Ollos v. 'SIeglried I I<br />
consobrinIHEINRICHSII.(lm2. Northeim) v Artl b I<br />
GradelJdurch Blutsverwandtschaft I . en urg hinterließen keine Kinder<br />
mit Hzn.Glselav. Bayern (tl006), Od W I<br />
einer Schwester der Kaiserin 0 v. er<br />
ADE LH EID (t999) und Stief.<br />
00 Udo I Lv/tode<br />
schwester der Gerberga t 1082 Mg .<br />
"HEINRICH 111.<br />
°1017 t 1056 König,<br />
Kaiser, Vatersbruder<br />
Idas v. Etsdorf<br />
(SS XVI 319f)<br />
• Hinterlie6 1003 einen gleichnamigen Sohn und drei Töchter •<br />
•• Kommt als Gotte Gerbergas - anstelle Bernhards - in Frage, wenn er nicht der 995 bei Maraholt gefallene Gral Hermann war, kann ober wohl eher der<br />
Schwiegervater oder ein Schwager Gerbergas gewesen sein.<br />
"'War ein consobrinus Kaiser Heinrichs 11. Im ersten Grade, da belder Mütter Stiefschwestern waren .<br />
•••• Leibliche Tochter Hermanns 11. von Schwaben, 1003 vermählt (als 12 jährigei) mit dem blutsverwandten Herzog Konrad v. Kärnten (t 1011), später mit dem gleichfalls<br />
blutsverwandten Herzog Friedrlch v. Oberiothrlngen (t 1026127), war vermutlich 1034 verstorben, kommt ober auch noch als Gattin Esichos von Bellenstedt<br />
und Muller Albrechts d. Ä. (des Großvaters Albrechts des Baren) In Frage (vgl. Ann Saxo 1026 u. 1082 SS VI 676 u. 7201).
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schieden wird 38). Als Nachfolger eines Grafen Rüdeger (997) war dieser ältere<br />
"Liudulfus comes" ~013 Komitatsinhaher im Gudingau (Gudinge) heim Gut<br />
* Ledi (wüst jenseits Gronau/Leine), welches damals durch den "miles" Gottfried<br />
- einen Sohn des "comes" Bardo - mit Zustimmung des Kaisers der<br />
Hildesheimer Kirche geschenkt wurde 34). Um 1022 35 ) gehörten zur "prefectura"<br />
dieses älteren (Grafen) Ludolf im Nordteil des Gaues Flenithi und in<br />
den nordwestlich daran angrenzenden Gauen Gudingau, Valathungau und<br />
Aringau (Guddingun, Valothungon, Aringon) die Dörfer Wrisbergholzen (Holthusen),<br />
Segeste (Segusti), Petze (Pezunsun), Sellenstedt (Scellenstide), Grafelde<br />
(GrafIon, Grafla), Elu (Aluzun, Aluzun), Boitzum (Beztem, Bizum), Esbeck<br />
(Ashize, Ashike), * Reinlevessen (Reinlevessun, Reinleveshem, = wüst bei<br />
Esheck zwischen Sehlde und Quanthof heim Gogerichtsplatz Mühlenhrink 36),<br />
11- Hossingessen (Hozingissen, Hozingesem, = wüst vor Salzhemmendorf 37),<br />
Alferde (Alacfurdi, Alecfurde), * Didersen (Thiederessen, Thiederessem, = Gr.<br />
und Kl. Dierssen, wüst bei Eldagsen am heutigen Wisentgehege 38), 11- Har-<br />
33) Annales Hildesheimenses, MG. Sero rer. Genn. in usum Scholarum, Bd. VIII,<br />
hrsg. v. G. W a i t z (1878, Neudruck 1947) S. 34 u. 43; B r a n den bur g a30. S. 15<br />
Anm. 1.<br />
SO) DO III 242 (997); DH 11 263 (1013) = UBHHild. 1. 57 (1013). Graf Rüdeger<br />
wird vor 993 zusammen mit einem Grafen Liudulf genannt (UBHHild. I, 35).<br />
36) UBHHild. I, 69 vgl. 67 (10221) = DH II 260 (hier, vom Urkunden text abweichend.<br />
willkürlich ins Jahr 1013 gesetztl); vgl. das echte Original DH II 479 (lou I)<br />
= UBHHild. I, 68 (10221) und die Stiftungsurkunde UBHHild. I, 62 (10191). Wegen<br />
Unkenntnis oder Nichtbeachtung einiger Wüstungen haben K. J a nie k e u. H.<br />
H 0 0 g ewe g (Register zum UBHHild.) sowie H. B r e ß lau und seine Mitarbeiter<br />
(Register zu den DDH ll) manche Ortschaften falsch lokalisiert.<br />
38) Den Quanthof mit 7 Hufen zu Sehlde, belegen auf dem Felde zu .Reinlevessen"<br />
(1733 "Reinser Busch" genannt!), 3 1 /2 Hufen zu Deilmissen, 3 Hufen zu Everdessen<br />
(wüst nördl. Eldagsen vor der Hallermühle). den Zehnten 2U Esbeck und 60 Zock Salz<br />
zu Salzhemmendorf verkaufte der Johanniterorden (aus Templerbesitz) 13 59 an den<br />
Edelherm von Homburg (Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen 1880,<br />
S. 109). - Papst Coelestin 1II. bestätigte am 27. 1. 1193 dem Hildesheimer Michaeliskloster<br />
u. a .• in Reinelevessen mansum unum et quedam iugera" (UBHHild. I. 492;<br />
Original, ebda.ll. N. 13). Diese "hove landes, als se belegen is in unde buten deme dorpe<br />
to Rentzer (1), ... by deme Esebeker weghe .. vp den Molenbrinck, dar me dat godinck<br />
plecht to sitten ... " wurde durch das Michaeliskloster am 20. 1. 1480 an den Bürgermeister<br />
der Stadt Elze verpfändet (Beverinsche <strong>Bibliothek</strong>, Hildesheim, Hs. 279, 15. Jh.,<br />
nach einem frdl. Hinweis von Herrn Mittdschulrcktor i. R. Wilhelm Ha r t man n,<br />
Hildesheim, auf Grund seiner Kartei der Wüstungen dieser Gegend).<br />
37) Graf Friedrich von Spiegelberg belehnte 1511 einen Hamelner Bürger u. a. mit<br />
1 Hufe Land vor dem Solte zu Hemmendorf unter dem Lauenstein, geheten zu Hossingessen<br />
(Spiegelb. Lehnbuch, früher im Staatsarchiv Marburg, nach einem frdl. Hinweis<br />
von Herrn Mittelschulrektor i. R. W. H art man n).<br />
38) Der Knappe Cord Rassche verpfändete um 1400 dem Bürgenneister der Stadt<br />
Münder "IlI hove landes vor Eldagessen, de II hove liggen to Lodberghen vnd I hove<br />
(to) Didersen", welche ehemals von den Grafen von Hallennund zu Lehen gingen<br />
(v. L e n t h e, Archiv f. Gesch. u. Verfass. d. Fürstenthums Lüneburg, Bd. 9, 1863,<br />
Lehnsregister, Nr. 943).<br />
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boldessen (Halacboldessun. Alacholdessem. = wüst am EIdagser Obergut 39).<br />
Thüste (Tiuguste. Thiuguste). Söder (Suthre. Suthere). * Harlessem (Harlissem.<br />
Harlissem. = wüst bei Itzum). Heersum (Hathericheshem. Haederichesem).<br />
Barfelde (Bereuilte. Berevelte). Betheln (Betenun. Betenem). WaIIenstedt<br />
(Wallenstide. WaIIenstide). * Megecingerode (Megecinroth. Megecingeroth.<br />
= wüst bei Wallenstedt) •• Ahghem (Achem. Adlem) und Rheden (Rethun.<br />
Rethen).<br />
Kurz nach dem Hildesheimer Dombrand vom 21. Januar 1013 stellte Kaiser<br />
Heinrich II. in der Pfalz WerIa (bei Schladen) eine Neufassung der vermutlich<br />
etwa 1007 angefertigten und wohl stark beschädigten Urkunde aus. durch<br />
welche Erzbischof Willigis von Mainz zugunsten des Bi-schofs Bernward von<br />
Hildesheim seinen Ansprüchen auf das Stift Gandersheim entsagte 40). In der<br />
angehängten Zeugenreihe (aus der Zeit um 10071) wird außer dem Herzog<br />
Hermann 111. von Schwaben. der ein leiblicher Bruder der späteren Kaiserin<br />
Gisela war und am 1. April 1012 als .. puer" starb 41). unter anderm auch ein<br />
.. liudulf comes" (vor einem .. Dodico comes") genannt. Die ältere Forschung<br />
zweifelte nicht daran. daß dieser vor 1013 als Urkundenzeuge auftretende<br />
Graf Ludolf identisch gewesen sein könne mit Kaiserin Giselas Sohn Ludolf IV.<br />
von Braunschweig. und sie folgerte daraus. daß dessen Vater Bruno VI. schon<br />
um 1007 oder noch früher verstorben sei 42). also nicht der zweite. sondern<br />
der erste der drei Gatten Giselas gewesen sein müsse 43). Den Gedanken. daß<br />
der 1023 verstorbene (Hildesheimer) Graf Ludolf 44) oder ein anderer Graf<br />
89) W. v. Ho den b erg. Calenberger UTkundenbuch VIII. Nr. 16 (Halboldessen).<br />
Nr.44 (HaTboIdessen). NT. 47 (Hareboldessen) usw.; Karten im Archivlager des Landeskulturamts<br />
Hannover (Hochbunker in limmer) zum Rezeß Springe Nr. 56.<br />
10) DH 11 255 (1013) = UBHHild. I. s; (1013); Konrad A I ger mi s sen in: Festschr.<br />
"Bernward und Godehard von Hildesheim. ihr Leben und Wirken" (Hildesheim<br />
1960) S. 36-39. Außer In dieser Urkunde wird Graf Dodico von Warburg (t 29. 8.<br />
1(20) seit 990 mehrfach erwähnt (DDO 1II 59 u. 357. DDH 11 47. 266. 407. 418. 430.<br />
n. s. T. 439 usw.). Er war vielleicht jener Graf liudolf. der zusammen mit dem im<br />
Aringau regierenden Grafen Rüdeger (DO III 242. vgl. oben Anm. 34) vor 993 in einer<br />
Zeugenreihe genannt wird (UBHHild. I. 35). sowie der 1006 und (n. s. T.) 1021 bezeugte<br />
Paderborner Graf liutolf (DDH 11 121 u. 440; H. A. Erhard. Westfälisches Urkundenbuch.<br />
1847 H .• Bd. I. Nr. 87.1 usw.); denn ebenso wie Kaiser Ottos I. Sohn Dudo<br />
(Thietmar 11. 5 u. 7 f.) kann Dodico von Warburg mit vollem Namen liudolf gehei~en<br />
haben.<br />
&1) Herim. Aug. chron. 1012. 55. V 119.<br />
12) Bö t t ger aaO. meint. Bruno VI. sei um 1003. jedenfalls aber vor 1008 gestorben.<br />
VgI. Paul R 0 c k roh r. Die letzten Brunonen (Diss. Halle 1885) 5. 10.<br />
13) Diese den Quellen widersprechende Meinung herrscht auch heute noch vielfach in<br />
der Forschung vor.<br />
14) Vgl. oben Anm. 33. Bö t t ger aaO. 5. 466 Anm. 638 verweist hierzu auf die<br />
Nekrologeintragung: "Aprilis X. Ks. Obiit Ludolphus comes. qui contulit allodium<br />
Doruerden" (Dörverden liegt inmitten des Streubesitzes der Ida von EIsdorfI). Leider<br />
konnte ich bisher nicht ermitteln. aus welchem Nekrolog B ö t t ger diese Eintragung<br />
entnommen hat.
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dieses Namens 45) um 1007 bei Schlichtung des erwähnten Gandersheimer<br />
Hoheitsstreits 46) zugegen gewesen sein mag, hat man erst ernsthaft erwogen,<br />
nachdem im Jahre 1900 im Dem zu Speier in Giselas Grab ein Bleitäfelchen<br />
gefunden wurde, dessen Inschrift beginnt: "Anno dominicae incarnatienis<br />
DCCCCXCVIIII. III. idus Novembris feliciter nata Gisila imperatrix •.. ", alS{)<br />
den 11. November 999 als den Geburtstag der Kaiserin Gisela bezeichnet 47)<br />
und S{)mit zugleich die im Bericht des sächsischen Annalisten mitgeteilte Reihenfolge<br />
der drei Ehen Giselas 48) bestätigt.<br />
Bereits als zwölf jähriges Mädchen wurde die aus dem Geschlecht der Grafen<br />
von Andechs-Meran stammende hl. Hedwig (t 1243) dem Herzog Heinrich dem<br />
Bärtigen ven Schlesien (t 1238) angetraut, und sie ist im Alter von 13 Jahren<br />
und 13 Wochen zum ersten Male schwanger, also mit etwa 14 Jahren zum<br />
ersten Male Mutter geworden 49). Solche Frühehen waren im Mittelalter gang<br />
und gäbe 50). Daher mag auch Gisela erst 12 Jahre alt gewesen sein, als ihr<br />
Bruder, Herrog Hermann m., 1012 starb und als der mit ihr vermählte Bamberger<br />
Markgrafensohn Ernst 1. als dessen NachfeIger Herrog von Schwaben<br />
45) In "Ringhelmi" tritt mit dem in Wallmoden, Haverlah und Hahausen (bei<br />
Ringelheim I) erbberechtigten Paderborner Bischof Meinwerk ein "Liudulf comes" mit<br />
zwei eigenen Rittern (Eil bracht und Tiada) und mit drei weiteren Grafen (Erpo, Benno<br />
und Ekkico) als Urkundenzeuge auf: Westf. UB I, Nr. 87,2, fehlerhaft zitiert in: Vita<br />
Meinwerci episcopi Patherbrunnensis. hrsg. v. F. Te n c k hof f (1921) cap. 36 S. 36<br />
(frdl. Hinweis von Herrn Universitätsprofessor Dr. Albert K. H ö mb erg, Raestrup<br />
über Münster). Wenn dies nicht der wohl schon um 1022 (DH 11 2601) unter Vonnundschaft<br />
im Derlingau regierende Ludolf IV. von Braunschweig war, dem wegen Unmündigkeit<br />
zwei Eideshelfer mitgegeben sein mög~n und zu dessen Komitat Ringelheim gehört<br />
hat (DH 1I1 279 u. DH IV 22), mag es sich entweder um den Grafen liudulf bei' Ledi<br />
(t 1023) oder um den Grafen Dodico von Warburg (t 1020) - vgl. oben Anm. 40 -<br />
gehandelt haben. Zu beachten ist ferner, daß ein gewisser .Nobilis" namens Liudolf.<br />
dessen Bruder Wicker hieß, mit seiner Gattin Suanehild aus "Welmithe" (Wall moden 7)<br />
zu Kriegsdiensten Ins Bistum Paderbom übergesiedelt ist (Vita Mcinwerci ed. T e n c k -<br />
hof E, cap. 70 S. 48).<br />
46) Vgl. oben Anm. 34.<br />
47) H. G rau e r t, Die Kaisergräber im Dom zu Speier, in: Sitzungsberichte der<br />
Münchener Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse (1900) S. 539 H.; H. J.<br />
R lee k e n b erg, Das Geburtsdatum der Kaiserin Gisela, in: Deutsches Archiv für<br />
Erforschung des Mittelalters 9 (1952) S. 535 H.<br />
48) Vgl. ohen Anm. 24 und den Bericht der um 1300 (etwa zur Zeit des Bischofs<br />
Siegfried 11. von Hildesheim) verfaßten Braunschweiger Reimchronik (MG. Deutsche<br />
Chroniken 11, S. 4760.<br />
49) Ioseph Go t t s c haI k, Das Geburtsjahr der hl. Hedwig, ein Beitrag zur<br />
Chronologie der schlesischen Pi asten im 13. Ih., in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte<br />
19 (1961) S. 26.<br />
GO) Beispielsweise heiratete Heinrich der Stolze 1128 die damals 13jährige Königstochter<br />
Gertrud von Süpplingenhurg, und der 1129 dieser Ehe entsprossene Heinrich der<br />
Löwe (vgl. oben Anm. 19) vermählte sich 1168 mit der 12jährigen englischen Königstochter<br />
Mathilde (t 1189).
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wurde 51). Gisela wird 1014 den seit 1015 unter Vonnundschaft des Erzbischofs<br />
Pop po von Trier als Herzog in Schwaben regierenden Ernst 11. 52 ) und lOH<br />
dessen leiblichen Bruder Hermann IV. geboren haben, und sie wird dann 1016<br />
in einer sehr kurzen Ehe mit Bruno VI. von Braunschweig dem Grafen Ludorf<br />
IV. das Leben geschenkt haben 53), bevor sie - nach gewaltsamer Eheschließung<br />
54) - dem Frankenherzog und späteren Kaiser Konrad 11. am 28. Oktober<br />
1017 den späteren Kaiser Heinrich III. gebar 5:1). Verbesserungsvorschläge<br />
für den Text der Bleitafelinschrift aus Gise1as Grab 56) sind, so scharfsinnig<br />
sie auch ersonnen sein mögen, daher überflüssig und verwirren nur.<br />
Wir gehen in unserer Untersuchung davon aus, daß das auf dem Bleitäfelchen<br />
überlieferte Geburtsdatum der Kaiserin Gisela, zumindest aber die<br />
vom sächsischen Annalisten mitgeteilte Reihenfolge der drei Ehen dieser<br />
Kaiserin richtig ist 57), sind also der Meinung, daß Graf Ludolf IV. 1028, als<br />
Gi) Annales Sangallenses maiores. MG. SS. I 82.<br />
G2) Thietmar VII, 16; Ann. Saxo 1015, S5. VI 668; vgl. Die Werke Wipos ed.<br />
B re ß 1 a u (vgl. oben Anm. 21) cap. 1 S. 10.<br />
53) Womöglich ist Ludolf IV. erst nach dem Tode seines Vaters Bruno VI. geboren,<br />
der vielleicht um lOH noch urkundlich nachweisbar ist: Als Zeugen des Bischofs Meinwerk<br />
von Paderbom erscheinen bei einer Übertragung von Erbgütern in uHeringi"<br />
(Ostharingen bei Ringelheim 7) um 1015 "Dodica comes" (von Warburg, t 1020),<br />
"Ymmid" (Vogt von Paderborn), " B run co m es" (von Braunschweig 7), "Benneca",<br />
"Reinhald" und "Acca" (Westf. UB I, Nr. 87, 23; vgl. Vita Meinwerci ed. Te n c k -<br />
hof f cap. 120, S. 61). In einer weiteren Urkunde über Güter im Komitat des Paderborn<br />
er Vogts Amelung werden 1015 an der Spitze der Zeugenreihe genannt: Dodica<br />
comes, B run, Amulung (Vogt von Paderborn!), Ecbehrt (wohl dessen Bruder, vgl.<br />
unten Anm. 64 u. 112), Vuikin (= Widikin comes!), Tamma (ebenfalls Graf) etc.<br />
(Westf. UB I, 86).<br />
64) Thietmar VII, 62; Ann. Saxo 1026 55. XVI 676. Die Unregelmäßigkeiten bei<br />
der Eheschließung Giselas mit Konrad (von Franken) veranlaßten 1024 den Mainzer<br />
Erzbischof Aribo, nur Konrad - der damals als Konrad II. zum Nachfolger des Kaisers<br />
Heinrich 11. gewählt war - zum König zu krönen und der Gisela die Krönung zu verweigern,<br />
so daß man Gisela nachträglim durch den Kölner Erzbischof Piligrim zur<br />
Königin krönen lassen mußte. Hierzu u. a. B r a n den bur g aaO. 5. 22 H. und<br />
Norbert Bis c hof f, Über die Chronologie der Kaiserin Gisela und die Verweigerung<br />
ihrer Krönung durch Aribo von Mainz, MlöG 58 (1950) 5. 285 ff.<br />
G5) Bertholdi annales 1056, 5S. V 270.<br />
G6) JG rau e r t aaO. erwog' statt "DCCCCXC. VlIIl. U (= 999) die Konjektur<br />
"DCCCCXXC. VlIIl." (= 989); R i eck e n b erg aaO. vermutet eine fehlerhaft abgeschriebene<br />
Vorlage mit dem Text: "DCCCCXC. IND(lCTlONE).llI. lD (VS) NOV<br />
(EMBRI5)".<br />
G7) B ra n den bur g aaO. 5. 16 ff. ~ies die Konjektur G rau e r t s zurück;<br />
ebenso Friedrich von Klo c k e, Die Grafen von Wer] und die Kaiserin Gisela, Untersuchungen<br />
zur Geschichte des 10. u. 11. Jh. mit einem Exkurs über Mittelalter-Genealogie,<br />
in: Westfäl. Zs. 98/99 (1949) I. 5.79 f. Später rechnete v. Klo c k e - in einem<br />
Vortrag vor der historischen Kommission in Werl am 4. 11. 1955 - jedoch mit einer<br />
Geburt der Kaiserin Gisela vor 999 (frdl. Hinweis von Herrn Professor Dr. H ö m -<br />
b erg). Bei Besprechung des Buches von R. 5 c h ö I k 0 p f (vgl. oben Anm. 4) in den<br />
Westfälisenen Forschungen 11 (1958) 5. 199 hat v. Klo c k e die Berechtigung der<br />
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er in Magdcburg erstmalig als Urkundenzeuge herangezogen wurde, erst<br />
12 Jahre alt war und daß er 1031 als noch unvennählter, 15jähriger Graf die<br />
Gründung und Ausstattung der Braunschweiger Magnipfarre genehmigt und<br />
gefördert hat 58).<br />
Bei der Pappenburg, die 1049 "in comitatu Brunonis" in der Nähe eines<br />
Allodialgutes des Sachsenherzogs Bernhard 11. lag 59), regierte um 1022 also<br />
Konjektur R i eck e n b erg sanerkannt (frd!. Hinweis von Herrn Studienassessor<br />
Paul Lei d i n ger. Ahlen. der z. Z. eine Dissertation über die Grafen von Werl verfaßt).<br />
schrieb jedoch im gleichen Zusammenhang: .. Den von Frau S c h. (5. 108) erneuerten<br />
Versuch. die Verbindung Giselas mit Bruno zur ersten Ehe der Frau zu erklären<br />
und die V.:rbindung mit dem österreichischen Markgrafensohne Ernst. der 1012 mit<br />
Giselas Hand das Herzogtum Schwaben erhielt. zu ihrer zweiten Ehe zu machen. halte<br />
ich nach wie vor nicht für richtig."<br />
08) Herr Professor Dr. H ö m b erg machte mich freundlicherweise aufmerksam auf<br />
den 1015 mit dem Rest eines geschlagenen magdeburgischen (I) Heeres bei Bautzen bis<br />
1017 in polnische Gefangenschaft geratenen .. jungen" Liudolf (Thietmar VII. 21 u. 65).<br />
Es war dies aber vielleicht jener Sohn. den die Kanonisse und spätere Magdeburger<br />
Äbtissin Mathilde (eine Tochter des bekannten Markgrafen Dietrich von der Nordmark<br />
und Schwester des Markgrafen Bernhard) dem Slawen Prebizlav (t 999) - einem Bruder<br />
des Geistlichen Liudolf (I) - als Gefangene des Befehlshabers Bolilut in Brandenburg<br />
geboren und nach ihrer Befreiung in Trauer aufgezogen hatte (Thietmar IV. 64).<br />
Am Königshof zu Merseburg. wo sich Kaiser Heinrich u. a. am 17. 4. 1015 (DH 11<br />
334. vgl. unten Anm. 59) und bei Verhandlungen mit dem Polenkönig. die zur Freilassung<br />
des .jungen Liudolf" führten (Thietmar VII. 65). aufhielt. finden wir gelegentlich<br />
u. a. den Herzog Bernhard. den Markgrafen Bernhard (also den Bruder der Magdeburger<br />
Äbtissin Mathildel). (Herzog Bernhards Bruder) Thiatmar. drei Grafen namens<br />
Thiedrich ... Liudulfus" (= Dodico von Warburg7). "item Liudolfus" (= Liudolf. Graf<br />
im Gudingau?) und sieben weitere Grafen, als dort Markgraf Bernhards Ritter Ekbert -<br />
vielleicht der gleichnamige Bruder des Paderborner Vogts Amelung ( s. 11. Anm. 112) -<br />
dem Bischof Meinwerk ein Gut verkaufte (Vita Meinwerci ed. Te n c k hof f. cap. 104<br />
S. 56).<br />
69) DH III 236 (1049) = UBHHild. I. 82 f. (1049). Ein gewisser .. miles" Brun hat<br />
mit Zustimmung seiner "heredis" und "neptis" Ida für das Seelenheil seines verstorbenen<br />
Bruders Thiadmar dem Paderborner Domstift Güter in .. Sutdesburch" (Gegenstück<br />
zur jenseits Wienhausen befindlichen Nordburg?), Betheln und Wallenstedt (bei<br />
der Poppenburg l) geschenkt, scheint dann Ida - entgegen den Gesetzen des Kirchenrechts<br />
- geehelicht zu haben und erhielt am 14. 9. 1024 auf dem Fürstentag zu Hersfeld<br />
(kurz nachdem der Gisela die Krönung verweigert war 1) eine Leibzucht für Ida zugesichert<br />
(Westf. UB I. Nr. 87.6 u. Nr. 107; Vita Meinwerci ed. Te n c k hof f. cap. 59<br />
S. 45 u. cap. 202 S. 118). Diesen Brun nennt die Vita Meinwerci einen .. comes". Ihn<br />
wird man am ehesten für den 1049 bei der Poppenburg nachweisbaren Komitatsinhaber<br />
Bruno halten dürfen. und er war womöglich auch der 1052 H. im Gau Flutwidde bei<br />
Wienhausen - als Nachfolger des Thammo (DH 11 260) - amtierende .. Bruno comes"<br />
(DDH 111 282 u. 326 = UBHHild. I. 87 f.); denn daß der damals als Graf in Friesland<br />
regierende Bruno VII. erst 1052 - nach Obertragung der vom Großvater Bruno VI. und<br />
vom Vater Ludolf IV. ererbten Komitate auf den Bischof Azelin von Hildesheimanstelle<br />
seines Bruders Ekbert I. im Gau Flutwidde regiert oder mitregiert hat (vgl.<br />
DH 1Il 279 u. DH IV 22), läßt sich wohl kaum annehmen. zumal er mindestens vorübergehend<br />
zusammen mit Ekbert I. in Friesland Münzen prägen ließ (vgl. unten<br />
Anm. 91). - Thiadmar mag jener .. Tamma advocatus de Hildinesheim" gewesen sein.<br />
der in einem unbekannten Jahr - vielleicht während der Reise Heinrichs 11. von Bonn<br />
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ein gewisser "Liudolfus" als Inhaber der d"rtigen "prefectura", bevor hier<br />
1068/69 ein Graf Friedrich (von Poppenburg?) mit seinem Sohn Konrad den<br />
Komitat in den Gauen Valathungau, Aringau und Gudingau innehatte 60).<br />
Dieser "LiudoIfus" braucht nicht identisch gewesen zu sein mit jenem "Liudolfus<br />
comes", zu dessen "prefectura" um 1022 nördlich Braunschweig * Biscopheshusun<br />
(wüst bei Meine), Wedesbüttel, Meine, Essenrode, Wasbüttel,<br />
Algesbüttel, Vord"rf. * Cnipenstide, FlechtorE. "Mutha" im Gretingau (Müden/<br />
Aller nördlkh der Okermündung) und "Mutha" im Gau Muthiwidde (die durch<br />
Bisch"f Bernward zum Schutz gegen die Slawen erbaute und auf dem Tauschwege<br />
gegen den Komitat im Ostfalengau an Kaiser Otto III. abgetretene<br />
Mundburg 61) jenseits Müden/Aller) gehört haben 62). Man beachte hierzu.<br />
(DH II 333 v. 25.2. 1015) nach Merseburg (DH 11 334 v. 17.4. 1015) - an einem<br />
21. März in Mühlhausen mit Bischof Meinwerk. mit mehreren Grafen. darunter einem<br />
Tancmar. einem Tamma (I) und einem Liudolf (1). mit Ministerialen sowie mit dem<br />
Paderbomer Dompropst und der Gandersheimer Äbtissin als Zeuge einer Güterstiftung<br />
des im Thilithigau begüterten Herzogs Bemhard 11. auftritt (Vita Meinwerci ed.<br />
Te n c k hof f, cap. 111 S. 58. vgl. unten Anm. 64). In die Zeit der Reise Heinrichs 11.<br />
von 1015 paßt auch die entweder 1015 (v gl. DH J[ 328 v. 15. 1. 1015!) oder 1024 in<br />
Mühlhausen ausgestellte Urkunde vom 25. März (Vita Meinwerci ed. Te n c k hof f.<br />
cap. 56 S. 44 H., hier ins Jahr 1024 gesetzt! Vgl. jedoch unten Anm. 81).<br />
60) DDH IV 206 u. 219 (1068/69) = UBHHild. I. 111 u. 113 (1068/69). Hierzu<br />
Wilhelm Ha r t man n in: Niedersächs. Jb. f. Landesgesch. 18 (1941) S. 149; vgl. ebd.<br />
26 (1954) S. 82 u. 115; H. D 0 b be r tin in: OhlumlKreis Peine, Chronik eines<br />
Dorfes der Freien vor dem Nordwalde, hrsg. v. Arthur R ü h man n (Ohlum 1961)<br />
S. 19-23. Ohlum (im 12. Jh. vorübergehend Sitz des Grafen Friedrich d. Ä. v. Poppenburg?)<br />
erwies sich durch gründliche Höfeforschung und Fluranalyse als eines jener (z. T.<br />
erweiterten) "Sackgassendörfer"• die - trotz der kritischen Bemerkungen von Hermann<br />
v. Bot h me r in: Niedersächs. Jb. f. Landesgesch. 30 (1958) S. 304 f. - durch Wilhelm<br />
E ver s typologisch bei Hildesheim eindeutig festgestellt worden sind.<br />
61) DH Il 259 (1013) = UBHHild. I. 54 (1013). Am .. Northwalt" des Ostfalengaus<br />
lagen in der Präfektur Tammos die ncomitia minor"
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daß in dem Güterverzeichnis anscheinend die vom Bischof belehnten Komitatsinhaber<br />
- im Gegensatz zu den vom Kaiser belehnten - nicht als "comites"<br />
bezeichnet werden 63) und daß die bei den Präfekturinhaber namens" Tammo"<br />
nicht identisch gewesen zu sein brauchen 64). Es ergibt sich also die Möglichkeit,<br />
daß der besagte "Liudolfus comes" bei Braunschweig ein anderer war als der in<br />
den Gauen Henithi, Gudingau, Valathungau und Aringau bei der Poppenburg<br />
regierende "Liudolfus", den wir 1013 als Komitatsinhaber im Gudingau bei<br />
x, Ledi nachweisen können und der mit dem 1023 verstorbenen Grafen Ludolf<br />
identisch gewesen sein wird. Infolgedessen kann um 1022 Graf Ludolf IV. von<br />
Braunschweig als sechsjähriger Knabe bereits ähnlkh wie seine Stiefbrüder<br />
Ernst II. und Hermann IV. unter Vormundschaft regiert haben 65). Otto II.<br />
wurde ja auch schon als Sech·sjähriger 961 zum König und als Zwölf jähriger 967<br />
zum Kaiser gekrönt.<br />
gehörte. und auf "Hebesheim" (Evessen) im gleichen Gau im Komitat .. Brunonis comitis<br />
filiique ejus Liudolfi" (DDO I 50 u. 306).<br />
63) Tammo im Ostteil des Ostfalengaus (= frater episcopi Bemuuardi. unten Anm.<br />
64), Liudolf im FIenithigau (usw.), Ekbert im Derlingau (bei der Asseburg. vgl. Anm.<br />
58, 61 u. 120) und Thammo (advocatu~ de Hildinesheim. vgl. Anm. 59 u. 64) im Gau<br />
FIutwidde werden im Güterverzeichnis (DH II 260) nicht als .Comites" bezeichnet, wohl<br />
aber die Grafen Udo (von Katlenburg), Hermann (von Reinhausen), Lüdeger (von<br />
Walbeck). "LiudoIfus comes" (= LudoIf IV. von Braunschweig?) und .Bemhardus<br />
comes" (bei DasseI, Höxter und bei der Homburg bis in den Südteil des Thilithigaus).<br />
Als Präfekturinhaber werden außerdem Herzog Bernhard 11. und Markgraf Bernhard<br />
aufgeführt. Hans-Ioachim Fr e y tag, Die Herrschaft der Billunger in Sachsen. in: Stud.<br />
u. Vorarb. z. Hist. Atlas Niedersachsem (= Veröff. d. Hist. Komm. f. Nds. 11) Bd. 22<br />
(1951) S. 33 möchte diesen Sachsenherzog gleichsetzen mit dem besagten "Bernhardus<br />
comes", den man jedoch am ehesten für den Grafen Bernhard-Benno-Bennica von Northeim<br />
(vgl. DH II 328 v. 15. 1. 10151) - den Vater Ottos von Northeim und Urgroßvater<br />
Siegfrieds (IV.) von Northeim-Boyneburg (und Homburg!) - halten kann. Vgl.<br />
hierzu K. H. La n ge in: Niedersächs. Ib. f. Landesgesch. 33 (1961) S. 8 f. u. 96 H.,<br />
der - im Anschluß an H ö mb erg aaO. S. 18 H. u. 75 - den seitens des Bischofs<br />
Meinwerk von Paderborn bzw. (um 1025-1033) seitens des Mainzer Erzbischofs Aribo<br />
mit dem Komitat des Dodico von Warburg (t 1020) belehnten Grafen Bem-Bemo<br />
Bernhard und den gleichnamigen. 1033 und 1047 als Inhaber des gleidlen Komitats<br />
Dodicos nachweisbaren Grafen Benno (DDK II 190 u. 198; DH III 206) voneinander<br />
unterscheiden und einen davon als Grafen von Werl bezeichnen möchte.<br />
6') Als Zeugen des Bischofs Bernward von Hildesheim treten in Urkunden für das<br />
Michaeliskloster am 1. 11. 1019 • Thongmarus comes" und • Thiatmarus advocatus"<br />
(UBHHild. I, 62 vgI. 67) und um die gleiche Zeit • Tammo comes frater Bernuuardi<br />
episcopi" und. Tiemo advocatus· (UBHHild. I. 63) nacheinander als Zeugen auf (vgI.<br />
oben Anm. 59).<br />
811) Der Bruder des Schwabenherzogs Ernst 1. (t 1015), Erzbischof Poppo von Trier,<br />
regierte seit 1015 vormundschaftlich für Ernsts I. erst etwa einjährigen Sohn Ernst 1I.<br />
(t 1030). Bei Absetzung Ernsts 11. wurde 1030 der Bi5.:hof Warmann von Konstanz<br />
zum Vorrnund des zum neuen Schwaben herzog erhobenen Herrnann IV. ernannt (Die<br />
Werke Wipos, ed. B r e ß lau, cap. 1 S. 10 u. cap. 25 S. 44).<br />
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IV.<br />
Kaiser Otto III. schenkte 997 dem Stift Essen sein Eigengut Brüggen im<br />
Aringau im Komitat "Rodegeri comitis" nebst Zubehör in Hemmendorf. * Ledi<br />
und Banteln im Gudingau, und sein Nadlfolger Heinrich H. bestätigte am<br />
23. Februar 1003 in Nimwegen diesen Besitz im Beisein folgender Zeugen:<br />
"BruHo comes, aduocatus Ascericus, BruHo, villicus Frethebernus, Bezilinus,<br />
Eueruuinus. Ludol/us. Uuidekin, Hezel. Volkhardus, viri nobiles" 66). Der hier<br />
genannte Edle Ludolf wird mit dem 1013 bei * Ledi regierenden "Liudulf<br />
comes" gleichzusetzen sein. Vielleicht war "Bruno comes" jenC1" .. nepos"<br />
Ottos II. namens Bruno, der 976 den Zoll zu Passau für sein Eigentum hielt 67),<br />
und jener als "Markgraf" im Oker- und Allertal von Wolfenbüttel und Wolf.<br />
burg bis zur Weser regierende "Strytfürst" Ottos lII., der - gemäß einer<br />
Halberstädter Weltchronik von 1483/1507 - 986 die Burg Hoghewort (bei<br />
Melverode), die Severlingborch (= Walle an der SchuntC1") und "dat Slot to<br />
Zelle" (= Altencelle, Hof Wallheinecke Nr. 16) erbaut und als Gatte der<br />
"Hedesovvida" (Hildesvit) von Mantua (aus Kroatien) einen seit 999 (!) mit<br />
"Gisela von Werle" vermählten. nach 13jähriger Regierungszeit verstorbenen<br />
und in Ringelheim begrabenen gleichnamigen Sohn Bruno ("den Dicken")<br />
hinterlassen haben soll 68).<br />
88) DO III 242 (997) u. DH II 39 (1003. Original). vgl. DH Il 263 (1013).<br />
81) DO II 138 (967). man beachte hierzu den Bruno in: MG. Deutsche Chroniken 11.<br />
S. 476 H. und den (mit zwei anderen Grafen) am 30. 12. 979 in Pöhlde bei Otto 11.<br />
auftretenden Grafen Bruno (DO II 209. Original). Graf Bluno von Arn~burg (t 97S)<br />
war dies nicht mehr (Thietmar lll, S; n. s. T. DH II 111 v. 1006.<br />
08) Sammlung etlicher noch nicht gedruckter alter Chroniken. hrsg. v. C. Ab e I<br />
(1732) S. 97 H.; Gottfried Kittel. Das alte CeIle. die Mutter der heutigen Stadt CeIle<br />
(2. Aufl., Celle 1929) S. 25 H.; Jürgen R i c k I e f s. Geschichte der Stadt Celle (Celle<br />
1961) S. 7 u. 11 H .• neugefaßter Sonderabdruck aus: Heim3tchronikcn der Städte und<br />
Kreise des Bundesgebietes. Bd. 22 (Köln 1959). Die "ingenua femina" Hildesvit. welche<br />
1013 mit ihrer Tochter Walburgis das von ihr g~gründete Kloster Heiningen unter den<br />
Schutz Heinrichs 11. stellte (DH \I 261). kann ~ falls Bruno IV. abwesend oder gar ganz<br />
oder teilweise enterbt war (vgl. unten Anm. 69) - ohne weiteres die Witwe des 1003<br />
urkundlich genannten "Bruno comes" (DH Il 39) und somit die spätere (zweite)<br />
Schwiegermutter der Gisela von Schwaben gewesen sein. da der 1003 genannte .. Bruno"<br />
(DH II 39) bis 1016 noch 13 Jahre lang regiert haben kann. falls er Giselas Gatte<br />
Bruno VI. gewesen sein sollte. - Die Stadt Celle wurde 1292 nördlich neben das schon<br />
1013 bezeugte nUuesterkiellu· (DH Il 256 = UBHHild. I. 51 vgJ. 40) verlegt. Ihr alter<br />
Platz. das fortan Altencelle genannte Dorf. wurde 1310 Sitz eines Kalands, dem Herzog<br />
Otto der Strenge zum Wiederaufbau der durch Brand zerstörten Burgkirche St. Petri<br />
(nicht identisch mit der als Pfarrkirche fortbestehenden Stadtkirche St. Gertrud I) das<br />
nantiquum castrum cum preurbio et Dedekenwerder" schenkte. Der Dedekenwerder<br />
wurde gegen ein Grundstück an der Wedcme in der neuen Stadt Celle 1359 vom Kaland<br />
an den Altenceller Lehnhof des Dietrich Sledde abgetreten. hinter dem er .. twischen<br />
der Alre unde deme hove" lag, war also identisch mit der Anhöhe der - wohl erst im<br />
15./16. Jh. als Obungsbastion der Celler Kanoniere erbauten (I) - Altenceller .. Nienburg"<br />
(südlich vom Hof Wallheinecke Nr. 16. dem Platz des Dantiquum castrum cum<br />
preurbio"O. Baltzer Feuerschütz hatte 1526 unter Herzog Ernst 1. den andem Alten-<br />
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Da audl anderweitig bezeugt wird. daß 1002 beim Tode Ottos BI. ein durch<br />
enge Blutsverwandtschaft mit den Ottonen thr
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herzogs Hermann 11. Ihm gebar sie "genug Töchter" 72). darunter die bereits<br />
1003 vermählte Mathilde. deren Sohn Kono gegen den späteren Kaiser Konrad<br />
11. 1024 als Thronbewerber auftrat 73). sowie die spätere Kaiserin Gisela<br />
(die Gattin Konrads 11.) - und einen gleichnamigen Sohn (Hermann III.) 74)<br />
sowie 992 den bereits 993 verstorbenen Bertold oder BertoH 75).<br />
Als "comitissa"schenkte Gerberga zusammen mit ihrem Sohn Hermann<br />
(von Werll) 997 dem Stift Mesdlede ein Gut im Lochtrupgau. und sie gründete<br />
drei Jahre später zusammen mit
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als Vettern Kaiser Heinrichs 11., bezeichnet. Diese interessante Verwandtschaftsangabe<br />
sollte man nicht zu eng ausdeuten 79).<br />
Kaiserin Gisela war also wirklich eine Schwester der Grafen von Werl.<br />
allerdings nur eine Stiefschwester der Grafen Rudolf und Bernhard 80) und des<br />
(vom sächsischen Annalisten nicht erwähnten!) älteren Grafen Hermann von<br />
Werl (997-1024). Mit dieser Einschränkung kann man den Beridlt des sächsischen<br />
Annalisten als über die Herkunft Giselas aus "Wer! in Westfalen" als<br />
zuverlässig ansehen. RudoIfs Sohn Hermann (d. J.) von Werl wird übrigens<br />
vermutlidl 1015 (oder 1024) erstmalig genannt 81) und war mit jener aus unbekanntem<br />
Geschlecht stammenden Ridlenza verheiratet, die ihm die später<br />
mit Udo 11. von Stade vermählte Oda von Werl gebar und die in zweiter Ehe<br />
die Gattin des 1061 zum Herzog von Bayern erhobenen Grafen Otto von Northeim<br />
geworden ist 82).<br />
An eine blutsmäßige Abstammung der Ida von Elsdorf von der schwäbischen<br />
Herzogstochter und späteren Kaiserin GiseIa können wir somit wohl nicht<br />
denken. Vielleicht war Ida aber eine leibliche T echter jener Gertrud (t 1077),<br />
die bald nach 1031 den Grafen ludoIf IV. von Braunschweig zum Manne nahm<br />
und seitdem wohl oft in Schwaben am Herzogshofe geweilt haben wird.<br />
19) Die Verwandtschaftsangabe der Quedlinburger Annalen ("consobrini imperatoris,<br />
filii Hermanni comitis') widerspricht jener des sächsischen Annalisten ("Herimanni,<br />
consobrini imperatoris, filii") keineswegs, wenn Graf Hermann d. A. von Wer!<br />
(997-1024) als Sohn der Gerberga von Burgund und Kaiser Heinrich H. als Sohn der<br />
Gisela von Burgund (einer Stiefschwester der Gerbergat) durch gemeinsame Abstammung<br />
vom König Konrad von Burgund "consobrini" ersten Grades gewesen sind; denn<br />
dann waren auch die Söhne dieses Grafen Hermann von Wer! "consobrini" Kaiser<br />
Heinrichs Il., allerdings nur im zweiten Grade {germanischer Zählung 0. AhnIich wird<br />
bald Graf Hugo von Egisheim, bald sein Sohn Papst Leo IX. als "consobrinus" Kaiser<br />
Konrads I!. bezeichnet (H u c k e aaO. S. 62 Anm. 440). - An dieser Stelle sei Herrn<br />
Werks archivar i. R. Dr. lonchim S t u d tm a n n (Peine) für frd!. Beratung in genealogischen<br />
Fragen gedankt.<br />
80) H ö m b erg aaO. hält nur den Grafen Hermann Cd. A.) von Wer! (997-1024)<br />
für einen Stiefbruder der Kaiserin Gisela. VgJ. jedoch hierzu v. Klo c kein: We~tfäJ.<br />
Forsch. 11 (1958) S. 204.<br />
81) Am 25. 3. 1024 (oder vielleicht richtiger 1015, vgJ. oben Anm. 59) treten beim<br />
Bischof Meinwerk in Mühlhausen und anschließend am 5. April (dem Osterfestt) in<br />
Goslar die Grafen "Herimannus de Wer!a", Ekkika von Asseln, Benno (v. Weri?),<br />
Tammo (v. Hildesheim, Bernwards Bruder?), "Herimannus minor" (v. Wer!, Rudolfs<br />
Sohn?), Lüdeger (v. Walbeck ?), Siegfried und Bernhard (Gebrüder v. Northeim? t) als<br />
Zeugen auf (Vita Meinwerci ed. Te n c k hof f, cap. 56 S. 44 f.). Man beachte den<br />
Magdeburger Feldzug gegen Polen i. 1. 1015 (Thietmar VII, 21)1<br />
82) Ann. Saxo 1026 u. 1082, SS. VI 676 u. 720 f. H ö m be r g aaO. S. 27 f. (v gl.<br />
oben Anm. 80) hält - wie schon Bö t t ger 3aO. - den 1006 und (nach seinem Tode)<br />
1021 urkundlich genannten Grafen nlilitolfllS" (DDH 11 121 u. 440) für jenen "Rodulphus"<br />
von Werl. den der sächsische Annalist (an zwei Stellen I) als einen Bruder der<br />
Kaiserin Gisela erwähnt. Im Essener Nekrolog ist jedoch zum 12. Juli vermerkt: "Obiit<br />
Rodolphus comes· - Essener Beiträge H. 20, S. 95: v. Klo c k e aaO. S. 96, S. 106.<br />
62
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Stammtafel 2<br />
Zur Frage der Verwandtschaft Idas von Elsdorf mit Kaiser Heinrich 111. und Papst leo IX.<br />
GI5ELA "999 t 1043 T. d. Hz. Hermann 11. v.<br />
Ekkehard<br />
Ekbert Graf<br />
) Heilwigis (T. d. Gf. Ludwig v. Dagsburg?) co 1 ~ Ek-<br />
Schwaben (t 1003) ao' Ernst I. t 1015 Hz. v. Schwaben (v. Asseln)<br />
bert v. Ohningen, Mgf. v. Stade. S. d. Gf. Kuno u.<br />
'8runa VI. Gf. v. Braunschweig 3KONRAD 11.<br />
d. Richlint (00 I 445), (einer neptis Ks. Ollos I.?)<br />
t 1039 1Hz. v' Franken), König, Kaiser I I<br />
P Hugo Gf. v. Eglshelm (Elsaß) 999. 1006.<br />
GOllschalk 0101018 Gertrud (55 111 95)<br />
I<br />
J<br />
I I I I J I I I<br />
'ErnsIll. tl030 'Hermann IV. 'Ludolf IV. 'HEINR CH 111. ~'Gerlrud tl077 'Bruno=Leo IX. IHugo (1040) 'Gerhard<br />
Hz.v.Schwaben tl038Hz.v. "1016tlO38 "1017tlO56 "1002tl054 tl049 (tl042)<br />
unvermählt Schwaben Gf. v. Braun- König, Kaiser Bischof von Toul Grafen v. Egishelm, pflanzen<br />
co Agnes v. Turin schwelg aoAgnes v. 1026, Papst 1049 dos Geschlecht fort<br />
CD Gerlrud Poltau<br />
tl0n +---------<br />
I<br />
I<br />
(?StieftochterLudolfs IV.). Idav. Elsdorf-Blrkendorf<br />
Bruno VII. t 1057 b. Haus·Nelndorf<br />
Ekbert I. t 1068 Gf. I. Fri~sland, Mgf. v. Meißen<br />
"uml020,lebte noch 1085ao'Lippoid (weilt 1052 In<br />
Gf. i. Friesland<br />
Goslar) IDedo (t in Dithmarschen) 3 Etheler (t In<br />
ao Ermengard v. Susa (Wie. Otlos v. Schweinfurt)<br />
Dithmarschen)<br />
I<br />
I I I I<br />
'Oda Nonne i. ' Ekbert Gf. I. i" Burchard 1075 • Rlchenzo<br />
.Rinthelen. E!sdorf t(1052) Dompropst I. CD Egilmar I. Gf.<br />
CIO 'Fürst v. Kiew In Wistedt Trier IErwahlter i. Ostfriesland<br />
(Svlotoslov) 'N. v. Trier) (aidenburg)<br />
I 1091- 1108.<br />
• I<br />
,.Worte~'aw.<br />
..Akari~a.<br />
(Joroslav) tl130 (Akullno) ao N.<br />
(Gf. v. Loccum)<br />
I<br />
8urchard t 1130<br />
Gf. v. Loccum,<br />
Vogt v. Gandershelm,<br />
.comes<br />
Fresonumc<br />
J_. -, ,<br />
Christion Egllmar 11. Gertrud<br />
1108 1108 1108<br />
(55 XVI 319f)<br />
Ekbert 11. tl090 Im<br />
Gertrud tll'17<br />
Sei keto I, Gf. i. Friesland,<br />
CIO Dietrich 11. Gf. v.Katlen-<br />
Mgf. v. Meißen co Oda burg t 1085 'Heinrich d.F.<br />
v. Weimar (Hz.) Gf. v. Northelm t1101<br />
8 Heinrich v. Eilenburg<br />
Mgf. v. Melßen t1103<br />
I<br />
1 Dietrich 111. Gf. ·RICHE~ZA t1141 ~-~jn~Mgf.v.<br />
v. Katlenburg<br />
co LOTHAR (Hz.) Meißen t1123<br />
tll06<br />
t 1137 Kg. Ks.<br />
I<br />
Gertrud "1115 t 1143 (Mutter Heinrichs des Löwen)<br />
,
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V.<br />
Wir stehen somit vor der Frage, ob die Mutter der Ida von Elsdorf erst in<br />
zweiter Ehe mit dem Grafen Ludolf IV. von Braunschweig - also mit dem<br />
jüngsten der drei Stiefbrüder des Kaisers Heinrich III. - vermählt gewesen sein<br />
mag und ob somit Ludolfs IV. Gattin Gertrud (f 1077) smon um 1020 eine<br />
Tomter geboren haben kann 83).<br />
Bei Beantwortung dieser Frage müssen wir stets berücksimtigen, daß Idas<br />
Mutter - gemäß dem Berimt Alberts von Stade - eine Schwester (oder Stiefsdlwester!)<br />
des Papstes Leo IX. gewesen ist. Dieser Papst wurde am 21. Juni<br />
1002 im Elsaß unter dem Namen Bruno als Sohn des Grafen Hugo von Egisheim<br />
und der Heilwigis geboren. regierte seit 1026 als Bischof von Toul und<br />
nahm den Namen Leo an, als er 1049 zum Papst gewählt wurde 84). Seine<br />
beiden Brüder Gerhard und Hugo pflanzten das Gesmlemt fort 85).<br />
Ludolf IV. von Braunsmweig und seine Gattin Gertrud, die demnam eine<br />
Tochter (oder Stieftomterl) des 999 und 1006 namweisbaren Grafen Hugo von<br />
Egisheim 86) gewesen sein müßte, gaben ihren heiden Söhnen die Vornamen<br />
Bruno (VII.) und Ekbert (1.), von denen der erstere von Ludolfs IV. Ieiblimem<br />
Vater Bruno VI. von Braunschweig herrührt, und ihr Enkel Ekbert 11. von<br />
Braunsmweig (f 1090) erhielt wiederum denselben Vornamen wie Idas Sohn<br />
Ekbert von Elsdorf (f um 10,2). Das wird kein Zufall gewesen sein, sondern<br />
läßt vermuten, daß Ida von Elsdorf wirklim eine Schwester (oder Stiefschwester!)<br />
Brunos VII. (f 1057) und Ekberts I. von Braunsmweig (t 1068) gewesen ist.<br />
Da der Vorname Ekbert bei den Vorfahren Ludolfs IV. von Braunschweig nimt<br />
nachweisbar ist und auch nicht im uns bekannten Vornamengut der Grafen von<br />
Egisheim vorkommt 87), Hegt der Gedanke nahe, daß Ludolfs IV. Gattin Gertrud<br />
die leiblime Tochter irgendeines Grafen Ekbert unbekannter Herkunft und<br />
der Mutter des Papstes Leo IX. gewesen ist und daß auf diese Weise der Vor-<br />
83) Zum Todesdatum Gertruds vgl. Bö t t ger aaO. S. 490 u. S. 485 H. (Anm. 676<br />
a u. b).<br />
84) Wibert. Vita Leonis IX., in: Pontificum Romanorum Vitae, hrsg. v. J. W a t t e<br />
r ich (1862). Liber I. S. 100 H.; Bö t t ger aaO. S. 466 Anm. 638; Franz Voll m e r.<br />
Die Etichonen. in: Stud. u. Vorarb. z. Gesch. d. großfränk. u. frühdeutschen Adels.<br />
hrsg. v. Gerd Tell e n b ach (= Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte.<br />
Bd. 4. 1957) S. 137 ff. (wo als Geburtsjahr Leos IX. versehentlich 1001 - statt 1002 -<br />
angegeben wird).<br />
86) Voll m e r aaO. S. 181 u. 183; Ernst K leb e I. Zur Abstammung der Hohenstaufen.<br />
in: Zs. f. d. Gesch. d. Oberrheins 102 NF 63 (1954) S. 174 Anm. 183 hält<br />
Heilwigis für eine Tochter des Grafen Ludwig von Dagsburg (966) und stützt sim dabei<br />
auf eine mittelalterliche überlieferung.<br />
86) Emil Kr ü ger. Zur Herkunft der Zähringer. Zs. f. d. Gl'sch. d. Oberrheins 46<br />
NF 7 (1892) Stammtafel IV (Verzweigung des Ediconenstammes). Es bleibe dahingestellt.<br />
wieweit seine Belege als richtig zugeordnet und als vollständig gelten dürfen.<br />
87) Vgl. Anm. 67. 69 u. 112. E. Kr ü ger aaO. nennt als Vornamengut der Grafen<br />
von Egisheim: Eberhard. Hugo. Gerhard. dann Bruno (= Leo IX.) und Heinrich.<br />
64
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name Ekbert auf ihre Nachkommen vererbt worden sein mag. Gertrud kamt<br />
unter diesen Voraussetzungen schon vor 1002 geboren sein, wie wir dies für<br />
die Mutter Idas von Elsdorf wohl voraussetzen müssen 88). Sie kann somit schon<br />
um 1020 die Mutter Idas von Elsdorf geworden sein, mag bald nach 1031 dem<br />
Grafen Ludolf IV. von Braunschweig die Söhne Bruno VII. und Ekbert II.<br />
geboren haben und wäre 1077 als verwitwete Gräfin von Braunschweig etwa im<br />
achtzigsten Lebensjahre gestorben 89).<br />
Möglicherweise war sie jene Gertrud, die als Tochter eines Grafen Ekbert<br />
1018 in Goslar von Gottschalk, dem Sohn des Grafen bzw. Befehlshabers Ekkehard<br />
(von Asseln ?), geschieden wurde 90). Auf diese Weise könnte Ida von Elsdorf<br />
einer geschiedenen Ehe entsprossen sein und dadurch mancherlei Ungemach<br />
erlitten haben wie Kaiser Ottos I. Stiefbruder Thankmar.<br />
VI.<br />
Suchen wir genauer nach jenem Grafen Ekbert, der gemäß diesen Oberlegungen<br />
der Vater der Mutter Idas von Elsdorf gewesen sein mag, so können<br />
wir nicht unbeachtet lassen, daß alle Söhne und Enkelkinder Ludolfs IV. von<br />
Braunschweig und der Gertrud bei Dokkurn in Friesland Grafenrechte innegehabt<br />
haben:<br />
Während Kaiser Konrad II. (f 1039) noch Münzen mit dem Namen<br />
f CONRAD IMPE(RATOR) und mit der Aufschrift f FRESONIA prägen ließ,<br />
also noch selbst in Friesland das zu den nRegalien« (Königs rechten) gehörende<br />
Münzrecht innegehabt hat, sind unter seinem Sohn Heinrich III. (f 1056)<br />
Münzen mit dem Namen HENRICVS REX bzw. HENRICVS IM(PERATOR)<br />
und dem zusätzlichen Namen BRVN (= Bruno VII. von Braunschweigl) in<br />
folgenden Münzstätten geprägt worden: DOCCVGGA (Dokkum), LIVNVERT<br />
(Leeuwarden), STA VER ON (Stavern), BODTISWER (Bolsward), MILDNVM<br />
(MidI um), DEKVVERT bzw. TIAKVART (wüst), GEROIEVVLAE (GarreIswer)<br />
und CIVNDER (Kiunder), und unter Heinrich IV. wurden eine Münze in<br />
SELHORN (Lage unbestimmt) ohne den Königsnamen mit den Namen BRVN<br />
und ECBERTVS (= Ekbert I. von Braunschweigl) und weitere Münzen mit dem<br />
Namen ECBERTVS (= Ekbert 1. bzw. Ekbert II. von Braunschweigl) in Dokkum,<br />
Leeuwarden, Stavern, Bolsward und MDINlSIM (Midlum? Winsum?)<br />
88) Die Möglimkeit. daß sim Idas Sohn Ekbert von ElsdorE 1052 noch nimt im<br />
waffenfähigen Alter befand. können wir wohl außer amt lassen.<br />
89) Vgl. oben Anm. 22 u. 83.<br />
90) Annales Hildesheimenses (1018. 55. III 32). ed. W a i t z. S. 32: Vita Meinwerci<br />
ed. Tenckhoff. cap. 164 5.86: Siegfried Hirsch u. Harry Breßlau.<br />
J ahrbümer des deutschen Reimes unter Heinrich 11.. Bd. 111. S. 111. Ernst von U s 1 a r -<br />
GI eich e n. Geschichte der Grafen von Winzenburg (Hannover 1895) S. 235 f. hält<br />
Ekkehards Sohn Gottsmalk für einen Grafen von Assel (bei Salzgitter-Limtenberg).<br />
Richtiger war Ekkehard wohl der Graf Ekkica von Asseln bei Paderborn.<br />
65<br />
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geprägt 91). Diese friesischen Münzprägungen der Grafen Bruno VII., Ekbert J.<br />
und Ekbert 11. von Braunschweig stammen aus der Zeit nach der Vertreibung<br />
des Herzogs Gottfried von Niederlothringen, der sich - ebenso wie der flandrische<br />
Graf Dietrich - vorübergehend in Friesland festgesetzt hatte und durch<br />
ein Reichsheer gefangengenommen war 112). Adam von Bremen berichtet, daß<br />
Erzbischof Adalbert von Bremen die ehemals von Herzog Gottfried innegehabten<br />
Hoheitsrechte des Grafen Ekbert (von Braunschweig) im friesischen<br />
Five\gau und jene des Grafen Bernhard (von Werl) im friesischen Emsgau aufgekauft<br />
habe 93). Ekberts I. Sohn Ekbcrt 11. war bis 1088 Grafschaftsinhaber<br />
in Friesland, verfiel dann der Reichsacht und verlor 1089 seine friesischen<br />
Komitate an die Kirche zu Utrecht 94). Seine Erbschwester Gertrud (f 1117)<br />
- die Urgroßmutter Heinrichs des Löwen - aber veranlaßte 1099 den Kaiser<br />
Heinrich IV., diese Komitate ihrem Gemahl, dem Grafen Heinrich dem Fetten<br />
von Northeim, zu übertragen. Das nahm kein gutes Ende; denn als sich<br />
dieser Sohn Ottes von Northeim 1101 in Friesland huldigen lassen wo1lte, fiel<br />
er bei Norden einem Aufstand zum Opfer und wurde ermordet 96).<br />
Bemerkenswerterweise wird auch Akarinas Sohn Burchard von Loccum<br />
Ct 1130), also der Sohn einer Enkelin Idas von Elsdorf (I), al~ "comes Fresonum"<br />
bezeichnet 96). Das ist eine starke Stütze für die Glaubwürdigkeit des Berichts<br />
Alberts von Stade und läßt vermuten, daß Ida von Elsdorf sowie die Brüder<br />
Bruno VII. und Ekbert I. von Braunschweig leibliche Kinder einer friesischen<br />
oder in Friesland erbberechtigten Grafentochter waren.<br />
Bei Dokkum hat bekanntlich 754 der hl. Bonifatius den Märtyrertod gefunden.<br />
Es regierte dort zur Zeit des Normannenherzogs Gottfried (um 88 'i) ein<br />
Graf Gardol!, und später finden wir dort einen 921 bezeugten Grafen Rcglnbert,<br />
der dem Kloster Fulda einige Güter stiftete, sowie dessen 946 bezeugten Sohn<br />
Gerbert 97). Friesland war auch die Heimat der aus dänischem und friesischem<br />
01) Bö t t ger aaO. S. 478 ff., 500 ff., 508 H.<br />
V2) Ebd. 5. 498 H.; V 0 g t aaO. 5. 43 Anm. 31.<br />
V3) Adam von Bremen, Hamburgische Kirchengeschichte, MG. 55. rer. Germ. in usum<br />
scholarum) 3. Aufl., hrsg. v. B. Sc h m eid I e r (1917), Liber 1lI, cap. 45 5. 189;<br />
V 0 g t aaO. S. 43 Anm. 31.<br />
VI) K. H. La n ge in: Niedersächs. Jb. f. Landesgesch. 33 (1961) S. 87 Anm. 37 f.<br />
V') Ebd. S. 87 Anm. 39 f.<br />
96) Ann. Magdeburg. 1130, 55. XVI 183.<br />
87) Hugo J a e k e I, Die Grafen von Mittelfriesland (Gotha 1895) 5. 47 H.; C. F. J.<br />
D r 0 n k e, Trad. et antiq. Fuldenses (Fulda 1844) cap.7 Nr. 101 U. 103 (5.49);<br />
B. B u n t e, Ober den Güterbesitz der Klöster Fulda, Werden und Korvei in den altfriesischen<br />
Gebieten, in: Emder <strong>Jahrbuch</strong> 10 (1892) S. 11-28, vgl. S. 29-49 (frdl. Hinweis<br />
von Herrn Staatsarchivdirektor Dr. Richard D r ö ger e i t, Stade). J a e k e I a30.<br />
S. 70 H. hält die mit Ludolf IV. von Braunschweig vermählte Gertrud (t 1(77) für eine<br />
Tochter des gegen Ende des 10. Jh. von Köln aus mit Münzrecht ausgestatteten friesischen<br />
Grafen .Rednath" (= Reduath, Radbod 1), der wohl identisch war mit dem<br />
Grafen Radbod-Poppo (944-999), einem Sohn des Grafen Waltger (898-950); vgl.<br />
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Geschlecht stammenden Reinhildis, welche als Gattin des aus Wittekinds<br />
Geschlecht stammenden westfälischen Grafen Theoderüh die Mutter der seit<br />
909 mit dem Sachsenherzog und späteren deutschen König Heinrich I. vennählten<br />
Mathilde (f 968) UM somit die Großmutter mütterlicherseits des Kaisers<br />
Otto I. gewesen ist 98). Mathilde schenkte als Königinwitwe dem Kloster Pöhlde<br />
Güter in T ennard und Kollumerhorn 99), und Otto I. stiftete mit seiner Gattin<br />
Adelheid von Burgund (f 999) und seinem gleichnamigen "Mitkaiser" (Otto 11.)<br />
966 in Nimwegen dem Kölner Pantaleonskloster die holländische Insel" Urch"<br />
und die Hälfte des ihr gegenüber (bei Dokkum) befindlichen Gebietes, welches<br />
"anscheinend" ehemals dem Grafen Gardolf übertragen war und nun "in der<br />
Grafschaft des Grafen Ekbert" lag 100).<br />
VII.<br />
Auffallenderweise trug der 966 regierende friesische Graf Ekbert den<br />
gleichen Vornamen wie jener Graf Ekbert, der zusammen mit den Grafen<br />
Reidhard und Hennann 889 zur Zeit des Königs Arnulf (von Kärnten) im<br />
Wethigau (Huueitago) Komitatsinhaber in den Ortschaften Piringisamarca,<br />
Schidara, Ad(i)kenhusun und Muchohusun war 101) und den der König Arnulf<br />
DDO I 58 U. 124 U. DO II 101. Die ältere Forschung - so auch Bö t t ger aaO.<br />
5. 416 f. - hielt diese Gertrud für eine Tochter des 1003 in Holland gefallenen flandrischen<br />
Grafen Arnulf von Gent, der tatsächlich Töchter hinterlassen hat. Dagegen rechnet<br />
Herrnann B 0 lI n 0 w. Die Grafen von Werl (Diss. Greifswald 1930) S. 35 f. Anm. 36<br />
mit der Möglidlkeit. daß Ludolf IV. zweimal vermählt gewesen ist und daß infolgedessen<br />
n Gertrud eine Gräfin von Egisheim" (und die Stiefmutter der Ida Elsdorf) gewesen sein<br />
mag.<br />
88) Vita Mahthildis reginae 912, 55. IV 284 f.<br />
88) DO I 439 u. DO 11 259; J a e k e I aaO. S. 41 H., 64 H., 101 H.<br />
100) DO I 324 (966), vgl. unten Anm. 120. Der Wortlaut läßt WbhI darauf<br />
schließen. daß die Ausfertigung bis in die Zeit nach der Kaiserkrönung Ottos 11. (25. 12.<br />
967). also bis zu dessen Mündigwerdung hinausgezögert worden ist.<br />
101) DArn.60 (889. Original) in: MG. DipIomata regum Germaniae ex stirpe Karo<br />
Iillorum, hrsg. v. Paul K ehr (1940); O. Pr e u ß u. A. F alk man n. Lippische<br />
Regesten (DetmoId 1860/1868) Bd. I. Nr. 4 5. 52; Arthur Sc h ö n i n g. Der Grundbesitz<br />
des Klosters Corvey im ehemaligen Lande Lippe (Detmold 1958 ff.) Bd. I. 5. 19 f.<br />
Von den vier Ortschaften läßt sich nur "Schidara" (= Altenschieder) sicher lokalisieren<br />
(frdl. Auskunft von Herrn 5taatsarchivdirektor Dr. Erich K i t t e I. Detmold) ... Piringisamarca"<br />
- nach P. K ehr aaO ... vielleicht" Pynnont, vgl. MOIitz 0 p per man n.<br />
Geschichte des Landkreises Hameln-Pyrrnont. in: Heimatchron. d. Städte u. Kreise d.<br />
Bundesgebietes 23 (1961) S. 163 u. 184 - mag das zusammen mit .. Schidirimarcu· zu<br />
den ältesten Gütern des Klosters Corvey gehörende nBurghusen" -n Burchusen", also<br />
Borkhausen bei BIomberg nahe der Domäne Schied er (Lipp. Regesten I, Nr. 26 u. 29)<br />
gewesen sein. - Das castrum nPetri mons"-.. Perrnu(n)t"-.Piremont"-.. Pyerremont"<br />
oberhalb .. Udistorp"-nOzendorf" (= Oesdorf) wurde erst um 1183/1184 zur Zeit des<br />
Papstes Ludus III. durch den nach Absetzung Heinrichs des Löwen zum Westfalenherzog<br />
erhobenen Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg im Komitat der Brüder Widekind<br />
und Volkwin von Schwalenberg auf dem Schellenberg erbaut. Vgl. Chr. U. G r u p e n.<br />
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892 mit insgesamt 66 Hufen "in Uvange· (wüst unter dem Klüt jenseits des<br />
Bonifatiusstifts Hameln an der Weser) "et Uisbecchae" (Fischbeck/Weser) im<br />
Gau Thilithi (Tilgidae, Tilithi), "in Chirihdorf seu in Steteheim" (Kirchdorf<br />
am Deister unterhalb der vermutlich karolingischen Heisterburg) im Marstemgau<br />
(Marstein, Marstheim), "in Uuersteti" (Wrestedt bei Ülzen) im Bardengau<br />
(Barthunga, Bardanga) und "in Alaringiu (Kirchwahlingen an der Aller unterhalb<br />
der Leinemündung) im Loingau (Lohinga, Lainga) belehnt hat 102). Dieser<br />
Hamelner Graf Ekbert gilt als Nachkomme der hl. Ida (t 838) und des mit ihr<br />
vermählten westfälischen Grafen und Herzogs Ekbert 103) und war gewiß ein<br />
Vorfahre der bei den vor 955 verstorbenen Brüder Richard und Aelfdehc, deren<br />
Vater Ricperht gleichfalls vor 955 gestorben ist und deren Mutter Helmburhc<br />
955 das Stift Fischbeck gegründet hat 104).<br />
Diese Beobachtungen gewinnen für unsere Untersuchung dadurch an Bedeutung,<br />
daß das Hamelner Bonifatiusstift von altersher im Bereich der eingangs<br />
erwähnten Erbgüter Idas von Elsdorf den "Zins auf der Heide" von etwa<br />
44 Hufen Landes in "Walige" (Kirchwahlingen), "Oldenwalige" (Altenwahlingen),<br />
"BordesIo" (Bosse), "EIten" (Eilte), "Hulsinge" (Hülsen), "Huslom"<br />
(Gr. und Kl. Häuslingen, früher urkdl. Groten- und Lütgen-Huslem), "Ellestorpe<br />
in parrochia Botzem" (Eilstorf bei Kirchboitzen) und ..Y ddesingen" (ldsingen<br />
bei Walsrode) besessen und dem jeweiligen Inhaber des Hamelner Schultheißenhofes<br />
(des jetzigen Redenhofes) zu Lehen gegeben hat 105). Man kann also ver-<br />
Origines Pyrmont. et Swalenberg. (Göttin gen 1740) 5. 18 - 25; v. Alte n in: Zs. d.<br />
Hist. Vereins f. Niedersachsen 1859, S. 51; H. D 0 b b e r tin in: Archiv f. schles.<br />
Kirchengesch. 15 (1957) S. 10 Anm. 18. Ob das Gut "Ostoph" (siel), welches 1152 durch<br />
das Kloster Corvey beansprucht, aber durch Papst Eugen III. dem Mainzer Erzbischof<br />
zuerkannt wurde (G r u p e n aaO. S. 21 f.), mit Oesdorf bei Pyrmont identisch war, ist<br />
sehr die Frage (frdl. Hinweis von Herrn Stadtarchivar Dr. RudolE Fe i g e, Hameln).<br />
102) DDArn. 102 u. 106 (892) = UBHHild. I. 20 u. 21 (892). Wolfgang Met z;<br />
Probleme der fränkischen Reichsgutforschung im sächsischen Stammesgebiet, in: Niederslichs.<br />
Ib. f. Landesgesch. 31 (1959) 5. 110 f. wagt es noch nicht, .Alaringi" zu lokalisieren.<br />
103) Sabine Kr ü ger, Studien zur sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Ih., in:<br />
Stud. u. Vorarb. z. Hist. Atlas Niedersachsens (= VeröH. d. Hist. Komm. f. Nds. 1I)<br />
Bd.19 (1950) 5.71; Hans-Walter Krumwiede, Das Stift Fischbeck an der Weser,<br />
Untersuchungen zur Frühgeschichte 955-1058, in: Stud. z. Kirchengesch. Niedersachsens.<br />
Bd. 9 (Göttingen 1955) S. 48 H.<br />
104) DO I 174 (955). Zu den Vermutungen über die Abstammung der Helmburhc<br />
und ihres Gatten Ricperht vgl. K rum wie d e aaO. S. 32 H.<br />
1(6) O. M ein a r d u s u. E. F i n k, Urkundenbuch des Stiftes und der Stadt<br />
Hameln (188711903) Bd. I. Nr. 547 u. 740, vgl. ebd. Nr. 22 (5. 17); Lau e aaO. H. 4<br />
(1961) S. 9 geht auf die jüngere Geschichte dieser Bonifatiusgüter nicht ein, verweist<br />
aber auf .viele Auszüge aus den Lehnsakten des Bonifatiusstiftes in Hameln" (aus dem<br />
Staatsarchiv Hannover) in der Sammlung des Herrn Ritterschaftssyndikus Gebhard von<br />
L e n t h e (Celle). Zur Entstehungsgeschichte des Hamelner Bonifatiusstifts vgl. neuerdings<br />
Rudolf Fe i g e, Geschichte der Stadt Hameln, in: Heimatchroniken der Städte u.<br />
Kreise d. Bundesgebietes, 23 (1961) 5. 10-18 mit literaturangaben S. 409- 414.<br />
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Sta m mtafel 3<br />
Zur Frage der Grafenrechte der Nachkommen ludolfs IV. von Braunschweig in Friesland<br />
Ekbert GI. Hz.<br />
... hl. Ida t838<br />
Oardolf 885<br />
GI. b. Ookkum<br />
dänlsdle u.<br />
Iriesisdle<br />
Vorfahren<br />
I<br />
I<br />
Reglnhllde<br />
00<br />
Widukind Hz. v. Westfalen<br />
00 Geva v. Dänemark T. Kg. SIEGFRIEDS<br />
I I I I<br />
Theoderidl 900. 909, Wlduklnd Immed Reginbern<br />
Gf. i. Westfalen<br />
Ekbert 889. 892.<br />
GI. b. Hameln<br />
Ricperht (tot 955)<br />
00 Helmburhc<br />
I. Fischbedt 955<br />
(00 I 174}<br />
I<br />
'--1<br />
Richlint 965 (OO<br />
I 445) 00 Kuno GI.<br />
v.Ohnlngen<br />
(946-973i)<br />
Reginbert 921<br />
GI. b. Ookkum<br />
Gerbert<br />
'<br />
946<br />
GI. b. Ookkum<br />
I<br />
I .1 11<br />
Ekbert Mgl. LUltpold Kuno Lutold<br />
Ric· Ael'.<br />
hardd dehc v. Stode 981 - (GI. I.<br />
(tot 955) i (966) GI. b.<br />
1023 GI. Schwa·<br />
Dokkum<br />
I. Ufgau ben)<br />
CD i Heilwigis ~<br />
1 I ............, I<br />
Söhneu. Töchter, Gertrud tl077 oo'Gott· Beren·<br />
In versdliedene schalk, s. d. GI. Ekkehard gar<br />
Gegenden oon.103J1LudaIIIV.tl038 tl027<br />
verstreut GI. v. Braunschwg. (*1016) var Rom<br />
S. d. Kaiserin GI SELA<br />
1<br />
'ido v. ~;;~~~·~:""····~~~~·~·~II. · Ekbert'l. t 1068<br />
Birkendorf t 1057 GI. b. Dokkum<br />
* um 1020 GI. b. Dokkum 00 Ermengard<br />
lebte nodll085<br />
MATHILOE t968 00 HEINRICH I. (Hz.) t936 Kg.<br />
I<br />
Frideruna<br />
I<br />
Bia<br />
I . 1<br />
OTTO I. (der Große) t973 König, Kaiser<br />
I<br />
00'EOITHAt946 "ADELHEIOt999<br />
'Ludolf t957 Hz. v.<br />
Sdlwaben 00 Ida t986<br />
I<br />
,---<br />
Mathilde<br />
'949 t 1011<br />
AbI. i. Essen<br />
11<br />
'OTTO 11. t983 Kg. Ks.<br />
00 THEOPHANU t991<br />
I<br />
-----, I \<br />
Otto I. OTTO 111. Mathi de<br />
t982 tlOO2 t1025<br />
Hz. v. Kg. ~s. 00 Erenlrled<br />
Sdlwa· (Ezzo) t 1034<br />
ben u.<br />
Pfalzgraf in<br />
Bayern<br />
Lothringen<br />
11 ---1<br />
RICHENZA t 1063 Otto 11. t 1047 Ludolf<br />
00 MIESKO 11. t 1034 Pfgl. 1045 Hz. v. t 1031<br />
König v. Polen Schwaben<br />
I<br />
I<br />
Amalrada<br />
Heinrldl t955 Hz. v. 8ayern ooJudith t987<br />
Heinridl d. Zänker t995 Hz. v. Bayern<br />
00 Glsela tl 006 T.Kg. KONRADSv.Burgund<br />
HEINRICH J tl024 Kg. K,.<br />
00 KUNIGUNOE t 1033<br />
I<br />
Hermann<br />
1037·56<br />
Erzbischol<br />
v. Köln
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muten. daß lda von Elsdorf ihre Güter in .. Twischensee. Otersen. Hülsen.<br />
Westen und Böhme vom Hamelner Grafen Ekbert (889/892) und somit womöglich<br />
gar vom westfälischen Grafen und Herzog Ekbert. der um 810 fränkischer<br />
Befehlshaber in Holstein gewesen ist und mit der hl. lda (t 838) vermählt war.<br />
durch unmittelbare Abstammung oder auf irgendeinem andern Wege durch<br />
Erbschaft erworben hatte. Außerdem mag der bei Dokkum - also bei der Stätte<br />
des Martyriums des hl. Bonifatius - 966 als Graf regierende Ekbert zu den<br />
unmittelbaren Vorfahren der lda von Elsdorf gehört haben. und er selbst oder<br />
ein gleichnamiger Sohn mag durch Otto III. zum Markgrafen bei Stade für die<br />
gesamte west-, ost- und nord friesische Nordseeküste erhoben sein. nachdem 994<br />
die Askomannen die Grafschaft Stade überfallen und verwüstet hatten.<br />
Der aus Ballenstedt am Harz stammende Albrecht der Bär (t 1170) wurde<br />
nach einer Burg. die er 1129 dem eingangs erwähnten Stader Markgrafengeschlecht<br />
im Kampf abgenommen hatte. 1134 .. marchio de Hiltagesburg"<br />
genannt und wird in Helmolds Sachsenchronik zweimal als .. marchio de Salzwedel"<br />
bezeichnet. führt aber in nicht weniger als sechs Königsurkunden den<br />
Titel .. marchio de Stade" 106). Dieser Titel muß sich also im Laufe des 11. und<br />
12. Jahrhunderts fest eingebürgert haben.<br />
VIII.<br />
Eine im 12. Jahrhundert interpolierte Urkunde Kaiser Ottas 1.. die als<br />
Ausstellungsort ehur. als Ausstellungsdatum den 26. Januar 965 nennt 107)<br />
und die inhaltlich unverdächtig ist 108). berichtet. daß ein gewisser Graf Kuno<br />
von Öhningen mit seiner Gattin Richlint und seinen vier Söhnen Ekbert. Lippold.<br />
Kuno und Leuthold das Stift Öhningen (am Rheinausfluß des Bodensees)<br />
100) Iohannes Sc h u I t z e. Nordmark und Altmark. in: Ib. f. d. Gesm. Mittel- u.<br />
Ostdeutschlands. Bd. 6 (1957) S. 85 Anm. 26 H. Hucke aaO. S. 27 -vgl. Schultze<br />
aaO. S. 98. bes. Anm. 90 - hält die von Albremt dem Bären b~herrsmte .marmia<br />
septentrionalis" irrtümlim für die "heutige Altmark zwismen Ohre und EIbe. deren<br />
Zentrum die Burg Salzwedel wurde". während sie in Wirklichkeit ein viel größeres<br />
Gebiet umfaßte. Es gibt aum keinerl~i Veranlassung, mit H u c k e aaO. S. 29 anzunehmen,<br />
es könne "nicht richtig" sein. daß der in der Historia Welforum und der Genealogia<br />
Welforum (vgl. unten Anm. 110 f.) genannte "Egebertus marmio de Stadin" ein<br />
Sohn des Grafen Kuno von Öhningen und der Richlint (DO I 445) war. und es liege<br />
vielleimt eine Verwemslung mit dem 1052 ermordeten Ekbert von Elsdorf (vgl. oben<br />
Anm. 2 u. 8) vor. - Bei dieser Gelegenheit sei Herrn Staatsarmivrat i. R. Professor<br />
Dr. Johannes 5 c h u I t z e (Berlin) für frdl. Auskünfte gedankt.<br />
107) DO I 445. Herim. Aug. mron. 965 55. V 115 berimtet, daß Otto I. am<br />
26. 1. 965 in Chur weilte. öhningen am Bodensee ist nicht zu verwemseIn mit Öhringen<br />
bei Smwäbisch-Hall. Vgl. Hansmartin D eck e r - Hau f f, Der Öhringer Stiftungsbrief.<br />
in: Württembergism-Franken (Beilage z. Zs. f. Württemberg. Landesgesm.), Bd.<br />
41 (1957) S. 17-51 u. Bd. 42 (1958) 5. 3-32, bes. 5. 27. ,<br />
108) Karl S c h mi d. Königtum, Adel und Klöster zwismen Bodensee und 5mwarzwald.<br />
in: Stud. u. Vorarb. z. Gesch. d. großfränk. u. frühdeutschen Adels (= Forsch. z.<br />
oberrhein. Landesgesm. Bd. 4. 1957) S. 240 u. 313 H.<br />
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gegründet habe. Dieselben Güter wie in dieser Urkunde sind auch in der<br />
Stauferzeit fast alle als Besitzungen des Stifts Öhningen nachweisbar 109).<br />
Aus der stauferzeitlichen Historia Welforum 110) erfahren wir über diesen<br />
Grafen und seine Familie bei Erläuterung der Verwandtschaft des Welfen<br />
RudoH II.:<br />
"Rudolf, der Bruder der oben Erwähnten, bekam eine Frau namens Ida von<br />
Öhningen, deren Vater Kuno ein hochadliger Graf, deren Mutter aber eine<br />
Tochter Kaiser Ottos des Großen namens Richlint war. Dieser Kuno zeugte<br />
jedoch vier Söhne - Ekbert, Leuthold, Kuno, Lippold - von denen der erstere,<br />
nämlich Ekbert, jene Mark empfing, die an den Grenzen Sachsens gegen die<br />
Dänen liegt und Stade heißt, und Söhne und Töchter, die in verschiedene Gegenden<br />
verstreut wurden, gezeugt hat. Es hatte derselbe Kuno aber auch vier<br />
Töchter, von denen eine jenem RudoH, die andere jemandem von Rheinfelden<br />
- einem Vorfahren der Zäh ringer -, die dritte einem König von Rügen, die<br />
vierte einem Grafen von Diessen angetraut wurde. Besagter RudoU zeugte<br />
aus seiner Ida zwei Söhne - Heinrich und Welf - und eine Tochter namens<br />
Richgarda. "<br />
Und aus der gleichaltrigen Genealogia Welforum 111) entnehmen wir:<br />
"Rudolf bekam eine Frau namens Ida von Öhningen, deren Vater Kuno<br />
ein hochadliger Graf. deren Mutter aber eine Tochter Kaiser Ottos des Großen<br />
war. Dieser Kuno aber zeugte vier Söhne - den Markgrafen Ekbert von Stade,<br />
lippold. Leuthold. Kuno - und vier Töchter, von denen eine jenem RudoU.<br />
die andere jemandem von Rheinfe1den - einem Vorfahren der Zähringer -.<br />
die dritte einem König von Rügen. die vierte einem Grafen von Andechs angetraut<br />
ist. Rudolf zeugte aus seiner Ida den Heinrich, der bei Lana auf der<br />
Jagd. von einem Fe1sstück durchbohrt. verschied. und den ersten des Namens<br />
Welf."<br />
109) Ebda.<br />
110) "Roudolfus frater superiorum accepit uxorem de Oningen ltham nomine cujus<br />
pater Chouno nobilissimus comes, mater vero ejus filia Otthonis Magni imperatoris<br />
fuit. Richlint nomine. Hic itaque Chouno quatuor filios progenuit. Eggebertum, Liutoldum,<br />
Chounonem. Leopaldum. Quorum primus, Eggebertus scilicet, marchiam illam.<br />
quae est in finibus Saxoniae versos Danos. Stad in nominatam, obtinuit et fiHos ac filias<br />
per diversas regiones disseminatas genuit. Habuit quoque idem Chouno quatuor filias,<br />
quarum una Roudolfi isti, aHa cuidam de Rinveldin parenti Zaringiorum, tertia re gi<br />
Rugiorum, quarta comiti de Diezon nupsit. Roudolfus praefatus ex sua Itha duos fiHos,<br />
Heinricum et Gwelfonem. et filiam Richgardam nomine progenuit." Historia Welforum,<br />
in: Sdlwäbische Chroniken der Stauferzeit. hrsg. v. Erich K ö n i g (1938) Bd. I. S. 12.<br />
111) Ruodolfus uxorem accepit de Oningen Itham nomine, cujus pater fuit Chuono<br />
nobilissimus comes, mater vero filia Ottonis Magni imperatoris roit. ls Chuono vero<br />
quatuor genuit filios. Egebertum marchionem de Stadin. Leopaldum. Liutoldum, Chuononem,<br />
et quatuor filias, quarum una isti Ruodolfi, aHa cuidam de Rinvelden parenti<br />
Zaringiorum, tertia regi Rugiorum. quarta comiti nupsit de Andhese. Ruodolfus ex sua<br />
genuit Heinricum. qui apud Lounum in venatione saxo percussus interiit, et Gwelfonum<br />
hujus nomine prim um (ebd. Anh. S. 76).<br />
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Der in der Historia Welforum und der Genealogia Welforum als "Markgraf<br />
von Stade" bezeichnete Öhninger Grafensohn Ekbert, welcher mehrere<br />
Kinder in versdliedenen Gebieten hinterlassen hat, wurde von der Forschung<br />
bereits mehrfach unter die vermutbaren Vorfahren der "aus Schwaben gebürtigen"<br />
Edelfrau Ida von Elsdorf eingereiht 112). AIJerdings ist die Zuverlässigkeit<br />
der Nachrichten über den Grafen Kuno von Öhningen und dessen acht<br />
Kinder noch keineswegs sicher verbürgt 118). Schwerlich war Kunos Gattin<br />
Richlint eine Tochter des Kaisers Otto I., weil davon weder in der gefälschten<br />
Öhninger Stiftungsurkunde noch in den echten zeitgenössischen QueIJen die<br />
Rede ist 114), sie wird auch keine Enkeltochter dieses Kaisers - aus der Ehe des<br />
ältesten Kaiserssohns Dudo = Ludolf (f 9;7) und der schwäbischen Herzogstochter<br />
Ida (f 986) - gewesen sein 115), da sie dann frühestens 948 geboren<br />
wäre 116) und somit im Alter von sechzehn Jahren 96; bereits Mutter von vier<br />
Söhnen (und wohl schon etwa ebensovielen Töchtern) gewesen sein müßte.<br />
112) Wilhelm Gis i, Der Ursprung des Hauses Rheinfelden, in: Anzei&er für schweizerische<br />
Geschichte, Jg. 18 NF (1887) S. 25 H. hielt den Ekbert von Öhningen für den<br />
Billunger (I) Ekbert den Einäugigen (t 994) - vg!. F re y tag aaO. S. 53 H. - und<br />
meinte in ihm den Vater Brunos VI. von Braunschwl"ig und damit Kaiserin Giselas<br />
(zweiten) Schwiegervater gefunden zu haben. Zuletzt hat Anse1m H ein r ich sen,<br />
Süddeutsche Adclsgeschlechter in Niedersachsen im 11. u. 12. Jh., in: Niedersächs. Jb.<br />
f. Landesgesch. 26 (1954) S. 40 f. diese ganz unhaltbare Velmutung wiederholt. Hierzu<br />
sei nochmals darauf aufmerksam gemacht. daß einige Pfarrbezirke, die 1051 und 1057<br />
(DH 1Il 279 u. DH IV 22) zum Komitat Brunos VI. Ludolfs IV. und Ekberts I. gerechnet<br />
wurden, sich um 1022 (DH II 260) in fremder Hand befanden: Denstorf gehörte zur<br />
Präfektur Tammos, Schöningen zu jener des Grafen Lüdeger (von Walbeck) und das<br />
Gebiet um die Asseburg zu jener Ekberts (eines vermutlichen Nachkommen Ekberts des<br />
Einäugigen. der mit dem gleichnamigen Bruder des Paderborner Vogts und Grafen<br />
Amelung identisch gewesen sein mag); vgl. F re y tag aaO.<br />
113) Frd\. Hinweis von Herrn Dr. Kar! Sc h m i d (Freiburg i. Br.). der sich eine<br />
weitere Aufklärung der genealogischen Probleme um die Grafen von Öhningen durch<br />
Auswertung zeitgenössischer Libri memoriales erhofft. Vgl. Karl Sc h m i d. Zur Problematik<br />
von Familie. Sippe und Geschlecht. Haus und Dynastie beim mittelalterlichen<br />
Adel, in: Zs. f. d. Gesch. d. Oberrheins 105 NF 66 (1957) S. 1-62; hierzu einschränkend<br />
v. Klo c kein: Westf. Forsch. 11 (1958) S. 197. Vielleicht gehörte zur<br />
F:;milie der Grafen von Öhningen (als letzter männlicher Sproß?) der 1027 als Jüngling<br />
vor Rom gefallene "Berengarius filius Liutoldi comitis de Alamannia" (Die Werke<br />
Wipos ed. B re ß lau. cap. 16 S. 36).<br />
114) Der am meisten berechtigte Thronanwärter war 1002 der Frankenherzog Otto<br />
(t 1004), dessen Mutter Liutgard eine leibliche Tochter Ottos des Großen (erster Ehe)<br />
gewesen war. Er verzichtete jedoch wegen seines hohen Alters zu Gunsten des Bayernherzogs<br />
Heinrich, der nach der Ermordung des aussichtsreichen Thronbewerbers Ekkehard<br />
von Meißen trotz der Kandidatur des Schwabenherzogs Hermann Il. 1002 in Mainz<br />
als Heinrich 11. zum neuen König gewählt wurde. Herzog Ottcs Sohn Heinrich von<br />
Franken war der Vater des späteren Kaisers Konrad n.<br />
116) H. D eck er. Hau f f in: Festschrift Weingarten 10;6-1956 (1956) S. 48<br />
Anm. 70; vgl. K leb e I aaO. S. 183. der Richlint ohne jeden Beweis für eine ~iIIegitime"<br />
bzw .• adoptierte" Tochter Ottos des Großen hält.<br />
116) Als einzige Kinder der 947 zwischen Ottos des Großen Sohn Liudolf und der<br />
schwäbischen Herzogstochter rda geschlossenen Ehe kennen wir die 949 geborene<br />
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Trotzdem mag etwas Wahres in der Nachricht, Richlint sei eine n Tochter<br />
Kaiser Ottos des Großen" gewesen, verborgen gein. Im Jahre 950 kämpfte<br />
nämlich in Worms in einem gerichtlichen Zweikampf der Sohn eines Grafen<br />
Gebhard namens Kuno um die Ehre einer "neptis" Ottos 1. gegen einen säch~<br />
sischen Grafen, dem er ein unerlaubtes Verhältnis zu ihr nachgesagt hatte 117).<br />
Und da in Schwaben im Ufgau bei Baden-Baden 940 ein Graf Gebhard, später<br />
seit 946 ein Graf Kuno und seit 981 der Sohn eines Grafen Kuno, welcher<br />
wiederum Kuno hieß, als Komitatsinhaber nachweisbar sind 118), hat man mit<br />
Recht erwogen, ob jener in Worms 950 kämpfende Graf Kuno mit dem schwä~<br />
bischen Grafen Kuno von Öhningen identisch gewesen sein mag und ob des<br />
letzteren Gattin Ricblint somit vielleicht nur eine Base oder Nichte Ottos I.<br />
war 119).<br />
Wir wollen hier noch einen Schritt weitergehen und die Frage zur Erör~<br />
terung stellen, ob der "Markgraf Ekbert von Stade" ein Stiefsohn Kunos Cd. Ä.)<br />
von Öhningen aus einer unerlaubten Verbindung der Richlint mit jenem säch~<br />
sischen Grafen gewesen sein kann, also um 950 geboren ist und somit unter<br />
Umständen mit dem 966 bezeugten friesischen Grafen Ekbert identisch war,<br />
Hierbei ist zu beachten, daß offenbar nur er - nicht aber eines seiner sieben<br />
Geschwister - die Mark Stade erhalten hat 120).<br />
IX.<br />
Kaiser Heinrich V. bestätigte 1125, daß einst der Schwabenherzog RudoH<br />
(von Rheinfelden), Graf Otto (von Dießen-Andechs?) und dessen Sohn Graf<br />
Äbtissin Mathilde von Essen (t lOH) und deren in Schwaben (und zeitweilig auch in<br />
Bayern) als Herzog regierenden Bruder Otto (f 982).<br />
u") R. K ö p k e u. E. D ü m m I e r, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Otto<br />
dem Großen (Leipzig 1876) S. 176; G. Schenk von Schweinsberg, Genealogische<br />
Studien zur Reichsgeschichte, in: Archiv f. hess. Gesch. NF 3 (1904) S. 372 ff.<br />
U8) Schenk von Schweinsberg aaO.; vgl. K. Schmid in: Forsch. z.<br />
Gesch. d. Oberrheins 4 (1957) S. 318 Anm. 25.<br />
119) Am ehesten wird man Richlint wohl dem Geschlecht der mit Graf Theoderich<br />
von Westfalen vermählten Reinlinde - also dem der Mutter der Königin Mathilde und<br />
Großmutter Kaiser Ottos des Großen mütterlicherseits - zurechnen dürfen, das ja aus<br />
Friesland bzw. aus Dänemark stammte.<br />
120) Als leiblicher Vater Ekberts von Ohningen käme unter diesen Umständen vor<br />
allem Ekbert der Einäugige (vgl. oben Anm. 112) in Frage, da er ein Sohn des mit einer<br />
Sdlwester der Königin Mathilde vermählten Wichmann I. (t 944) war und daher 1001<br />
(DO 11l 390) urkundlich als "nepos" Kaiser Ottos IlI. und als (verstorbener) Komitatsinhaber<br />
bei Königsdahlum bezeichnet wird (F r e y tag aaO. S. 54). Wichmann I. war<br />
ein Bruder des Sachsenherzogs Hermann Billung (f 973). - Bei Königsdahlum ist auch<br />
Ekberts des Einäugigen Sohn Wichmann 111. (t 1016), ein erbitterter Gegner des Grafen<br />
Balderich von Drenthe (des Stiefvaters Bischof Meinwerks von Paderbom), Komitatsinhaber<br />
gewesen. (F r e y tag aaO. S. 54 ff). - Die Möglichkeit, daß Ekbert der Einäugige<br />
der 966 bei Dokkum regierende Graf Ekbert war (DO I 324), sei hier wenigstens<br />
angedeutet.<br />
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Friedrich, der sächsische Graf Ekbert (von Braunschweig), "Ita de Saxonia et de<br />
Birctorf", (Edelherr) Toto von Wagenhausen und Vogt Hezelo von Reichenau<br />
ihren gemeinsamen Besitz am Gut zu Schluchsee (im Schwarzwald) dem Kloster<br />
St. Blasien (im Schwarzwald) geschenkt haben 121).<br />
Daß dies Gut aus dem Erbe der schwäbischen Grafen von Öhningen<br />
stammte, ergibt sich daraus, daß RudoH von Rheinfelden gemäß der Historia<br />
Welforum und der Genealogia Welforum von einer Schwester des Stad er Markgrafen<br />
Ekbert abstammte, und daraus, daß Wagenhausen unmittelbar bei<br />
Öhningen liegt 122). Bemerkenswert ist, daß auch Graf Ekbert 1. von Braunschweig<br />
bzw. dessen Sohn Ekbert 11. 123) zu dieser Öhninger Erbengemeinschaft<br />
gehörte. Daher hat man schon seit langem mit gutem Grund vermutet, daß die<br />
in der Bestätigungsurkunde hinter diesem sächsischen Grafen Ekbert genannte<br />
"sächsi.sche" Edelfrau Ida von Birkendorf identisch war mit der von Albert von<br />
Stade erwähnten "schwäbischen" Edelfrau lda von Elsdmf, zumal die Güterübertragung<br />
vermutlich erst um 1075 erfolgt ist 124), als letztere ihre Herrschaftsrechte<br />
bei EIsdorf bereits dem Markgrafen Udo 11. (von Stade) übertragen<br />
hatte. Im Jahre 1085 stiftete Ida von Birkendorf der cella St. Fides in Grafenhausen<br />
ein Gut in Birkendorf und der Kirdle zu Birkendorf ein Gut in Mettingen<br />
125).<br />
Rudolf von Rheinfelden war mit Kaiser Heinrichs IV. Schwester Adelheid<br />
vermählt. Im Gegensatz zu Otto von Northeim, der durch ein Ränkespiel bei<br />
Kaiser Heinrich IV. in Ungnade gefallen war und sich daher nach langem<br />
Zögern zum offenen Aufruhr genötigt sah 126), verfocht Rudolf zunächst<br />
weiterhin die Sache seines kaiserlimen Smwagers und geriet als Anführer eines<br />
kaiserlimen Heeres 1075 in der mörderischen Schlamt beim Kloster Homburg<br />
(an der Unstrut) sogar in einen gefährlimen Zweikampf mit dem nordmärkischen<br />
Markgrafen Udo 11. von Stade 127), der, wie gesagt, gemäß dem Bericht<br />
Alberts von Stade den Grafen Ekbert von Elsdorf in Wi>Stedt ermordet, aber<br />
trotzdem dessen Mutter Ida von Elsdorf beerbt hatte. Erst während der Canossareise<br />
des durch Papst Gregor VII. exkommunizierten Kaisers Heinrich IV. ließ<br />
sich Rudolf am 26. März 1077 zum Gegenkönig wählen. Seine Erbtochter Agnes<br />
121) Stumpf Nr. 3205; Sc h m i d aaO. S. 316 H.<br />
U2) Sc h m i d aaO. S. 240 H. weist auch auf staufischen Besitz in Öhningen hin.<br />
123) Daß noch Ekbert 1. (f 1068) an dieser Güterstiftung beteiligt war, ist kaum<br />
anzunehmen.<br />
124) Wahrscheinlich war Rudolfs Sieg und seine Errettung aus dem lebensgefährlichen<br />
Zweikampf gegen Udo 11. von Stade in der Schlacht bei Homburg (1075) der<br />
Anlaß zu dieser durch Heinrich V. bestätigten Güterstiftung für St. Blasien am Schwarzwald.<br />
125) Beleg bei 5 eh m i d aaO. S. 319 Anm. 27 f.<br />
128) Hierzu jetzt K. H. La n g ein: Niedersächs. Jb. f. Landesgesch. 33 (1961)<br />
S. 10-79.<br />
121) Vgl. unten Anm. 129.<br />
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Stammtafel 4<br />
Zur Frage der Verwandtschaft zwischen Udo 11. von Stade und Ekbert von Elsdorf<br />
Gebhard 940 Gf. I. Ufgau<br />
I<br />
Kuno 946-973 S. Gebhards 950<br />
=iGI. v.Ohnlngen 965(00 I «5) 00<br />
Ekbert 889. 892. GI. b. Hameln<br />
neptis d. Ks. Olio I. 950<br />
=i Ridllint 965 IDO I. 445)<br />
Ekbert (966)i<br />
lultpold<br />
(001324)<br />
Mgf. v. Stade<br />
ooiHeilwlgls<br />
1<br />
-1-···················· .<br />
Söhne<br />
Gertrud tl077<br />
und (i 010 1018)<br />
Tödlter<br />
00 Ludolf IV.<br />
tl038 GI. v.<br />
Braunsdlwelg<br />
1<br />
Toto· Y. Heielo<br />
Wogen- Vogt Y.<br />
hausen Reiche·<br />
Edler lIau<br />
(Stumpl3205)<br />
lido·<br />
o··'r<br />
Y. Elsdorf<br />
u. BIrkendorf<br />
Ekbert GI. I.<br />
Elsdarft(1052)<br />
cognatus Udos<br />
11. v. Stode<br />
Kuno 981 S. Lutold (GI. Ida . N. 00 GI. v. N. 00 ~ürst<br />
Kunos Gf. I. UI· i. Schwaben) 00 Rudoll 11. Rheinleiden v. Rügen<br />
gau 987-1023(i) i<br />
I<br />
~ I<br />
rl ----~--------I'<br />
Berengar t 1027 Heinrich WeilI. Adelheid Kuno t 1026<br />
vor Rom als t 1030 00 Udo I. GI. v. GI.i.Albllau<br />
.;"~";.. ',W El FE N l S.,'!'''' "h''"[''''"'<br />
"Bruno VII. • Ekbert I. tl068 Udo 11. tl0B2 RUDOLF tl0s0 Hz.<br />
t 1057 GI. i. GI. i. Friesland Mgl. i. d. Nord· v. Sdlwaben (Stumpl<br />
Friesland Mgf. v. Meißen mark 00 Oda v. 3205), Gegenkönig<br />
'" Ermengard v. Werl 1077 ooADELHEID, T.<br />
Susa I Ks. HEINRICHS 111.<br />
'I --------'IL---,I<br />
Ekbert 11. (Stumpl3205) Gertrud tll17 (5 TA DER) Agnes tll\1 "" Bertt<br />
1090 GI. i. Friesland, w' Heinrich d. F. hold 11. v. Zöhringen<br />
Mgl. v. Mei6en GI. v. Northeim Hz. v. Sdlwaben<br />
t 1101 b. Norden t 1111<br />
I<br />
N.oo(Friedrlch)<br />
GI. v. Diessen<br />
(1003-1025)<br />
Berthold OttoGI.<br />
1025 1018<br />
(Stumpl<br />
3205)<br />
I<br />
Frledrlch GI.<br />
(Stumpf 3205)<br />
( S TAU F E'R t )
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von Rheinfelden vermählte sich 1079 mit dem zum neuen Schwabenherzog<br />
erhobenen Grafen Berthold II. von Zähringen (t 1111) 128).<br />
Für unsere Untersuchung ist besonders wichtig, daß Udo II. von Stade ausdrücklich<br />
als "consobrinus", und zwar als Sohn einer "amita" Rudolfs von<br />
Rheinfelden bezeichnet wird 129.). Rudolfs Vater (Kuno) war demnach ein Bruder<br />
der Mutter Udos 11. von Stade, und es ergibt sich auf diese Weise, daß Udo II.<br />
von Stade und Ida von Elsdorf (und Birkendorfl) durch gemeinsame Abstammung<br />
von dem Grafen Kuno (d. Ä.) von Öhningen bzw. seiner Gattin Richlint<br />
etwa im zweiten Grade (germanischer Zählung) miteinander verwandt gewesen<br />
sind. Damit bestätigt sich zugleich die Angabe der Stader Annalen, daß Idas<br />
Sohn Ekbert ein "cognatus" Udos II. von Stade war.<br />
Es sei noch erwähnt, daß Ekbert II. von Braunschweig, der - wie seit 1067<br />
sein Vater Ekbert I. - als Markgraf in Meißen regiert hat, sich zwar 1073 am<br />
Aufstand Ottos von Northeim gegen den Kaiser beteiligte, in der Schlacht bei<br />
Homburg 1075 aber den Kampf des von Rudolf von Rheinfelden geführten<br />
kaiserlichen Heeres unterstützte. Man wird daher annehmen dürfen, daß die<br />
Stiftung des Gutes in Schluchsee zur Zeit der Feindschaft zwischen Rudolf von<br />
Rheinfelden und Udo II. von Stade einerseits und der Waffenbrüderschaft<br />
zwischen Rudolf von RheinfeIden und Ekbert II. von Braunschweig andrerseits<br />
erfolgt ist. Damals lebte noch Ekberts II. Großmutter Gertrud als Witwe in<br />
Braunschweig. Sie mag diese Stiftung veranlaßt oder zumindest befürwortet<br />
haben. Als sie am 21. Juli 1077 starb, war Rudolf von Rheinfelden bereits<br />
einige Monate Gegenkönig.<br />
Somit rundet sich das Bild, und wir dürfen abschließend sagen. daS der<br />
Behauptung Alberts von Stade. Ida von Elsdorf sei "eine aus Schwaben gebürtige<br />
Bruderstochter des Kaisers Heinrich III. sowie eine Schwesterntochter des<br />
Papstes Leo IX." gewesen, deren Sohn Ekbert in Wistedt durch seinen Anverwandten<br />
Udo von Stade getötet sei, keine Bedenken gegenüberstehen 130). Es<br />
ist nämlich in unser Ermessen gestellt, Ida von Elsdorf für eine Stieftochter des<br />
Kaiser(sticf)bruders Ludolf IV. von Braunschweig und für eine StIefschwesterntochter<br />
des besagten Papstes zu halten und anzunehmen, daß Ida von EIsdorf<br />
nach ihrer Romreise in das schwäbische Schwarzwalddorf Birkendorf übergesiedelt<br />
ist, welches zu den Erbgütern der Grafen von Öhningen gehört haben wird.<br />
128) VgI. Isenburg I. 4.<br />
129) Brunos Buch über den Sachsenkrieg. MG. Kritische Studien texte. hrsg. v. H. E.<br />
Lohmann (1937) cap. 45 S. 43 H.; Ann. Saxo 1056 55. VI 691; Ann. Stad. 1144<br />
S5. XVI 325; H u c k e aaO. S. 28 Anm. 184.<br />
130) Dieses Untersuchungsergebnis erspart uns wohl eine Auseinandersetzung mit<br />
dem von D eck e r - Hau f f in: Württ. Franken 42 (1958) S. 27 erwogenen Gedanken.<br />
daß Graf Poppo von Lauffen (1037) - ein Stiefbruder Kaiser Konrads 11. (7) -<br />
der leiblidIe Vater Idas \'on Elsdorf gewesen sein könnte.<br />
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Die Gestalt der Stadt Gandersheim<br />
Zu ihrer topographischen Entwicklung<br />
Von<br />
Kurt Kronenberg<br />
I. Das Stift<br />
Die romanische Stiftskirche ist Waluzeichen und Mittelpunkt der Stadt<br />
Gandersheim. Sie hat den Häusern, Straßen und Plätzen den Stempel aufgedrückt.<br />
Alle Bauten haben sich ihr angleichen und unterordnen, alle Straßen<br />
und P].ätze nach ihr ausrichten müssen; sie prägte selbst das Landschaftsbild.<br />
Ohne die Stiftskirche wäre Gandersheim nimt - Gandersheim.<br />
Am Anfang der Stadt Gandersheim steht die Gründung des Kanonissenstiftes<br />
im lahre S'2 1 ). In der Zeit von S,6 bis SSl wurde der erste Bau der<br />
Stiftskirche errichtet.<br />
Die Stiftskirche stand nie allein, sondern war von vielen Gebäuden umgeben,<br />
die dem außergottesdienstlichen Leben der Kanonissen dienten. Der<br />
Klosterplan von St. Gallen zeigte smon in karolingischer Zeit das Muster, wie<br />
die Bauten für eine geistliche Gemeinschaft um das Gotteshaus geordnet sein<br />
sollten. Es ergibt sich aus der Sache selbst, daß die Kanonissen außer Gottesdienst<br />
und Gebet Räume zum Essen und Sdllafen, zum Lernen und zur Erholung<br />
braumten, daß andere Menschen Unterkunft benötigten, die für sie sorgen und<br />
sie ernähren mußten.<br />
Dieses Stift sollte bald nom die Aufgabe übernehmen, weltliche Herrsdlaft<br />
auszuüben. Die Herkunft der ersten Äbtissinnen aus fürstlichem, ja königlichem<br />
und kaiserlichem Hause und die Klosterpolitik Ottos 1. führten zum kaiserlich<br />
freien weldimen Stift Gandersheim. Aus einer Zeit, da der Höhepunkt Gandersheimer<br />
Geschichte bereits überschritten war, aus dem Jahre 1196, nennt die<br />
Äbtissin als Bewohner des Stiftsbezirks: "Nos et familia nostra et officiati<br />
nostri, domine nostre cum canonicis et ministerialibus et famulis eorundem et<br />
officiati ecclesie. Item officiati conventus, campanarii, cocus communis, claviger<br />
granarü et scolares" 2). (= Wir und unsere persönlidlen Bedienten und unsere<br />
Beamten, die Kanonissen mit den Kanonikern und Rittern sowie deren Knappen<br />
und die Beamten des Stiftes. Auch die Beamten des Konventes, die Glöckner,<br />
der gemeinsame Kom, der Schließer des gemeinsamen Speichers und die<br />
Schüler.)<br />
1) Hans Go e t tin g. Die Anfänge des Reichsstiftes Gandersheim. in Brschw. Jb.<br />
31 (1950) S. 19 H.<br />
') Niedersächsisches Staatstarchiv Wolfenbüttel (künftig: Nds. StA Wb.) Hs VII B 2.<br />
Abdruck bei G 0 e t tin g. Die Anfänge der Stadt Gandersheim. in: Blätter für<br />
deutsche Landesgeschichte Jg. 88 (1951) S. 55 und Gand. Kreisbl. vom 1. 11. 1959.<br />
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Für alle diese Stiftsinsassen wurden viele Gebäude benötigt 3). Der Stiftsbezirk<br />
ist noch heute deutlich im Stadtbild zu erkennen (Abbildung 1). Im Osten<br />
wurden die Gebäude der alten Abtei nach dem großen Brand von 1597 im<br />
Renaissancestil wieder erbaut, nur die MichaeliskapeIle zeigt noch romanische<br />
Bauteile. Nach der Straße zeigen die Gebäude noch den einstigen festungsartigen<br />
Charakter. Im Norden läßt der Domänenhof die Grenze deutlich erkennen,<br />
vor allem in dem Hufeisen, das die Gebäude um den Fronhof noch heute<br />
im Westen bilden. Im Süden verrät die Häuserreihe des Wilhe1msplatzes den<br />
Verlauf des Stiftsbezirks, den man nach vorn ergänzen muß, die Moritzkirche<br />
noch einschließend.<br />
Dieser Bezirk war von einer Mauer umgeben. Schon Roswitha von Gandersheim<br />
spricht von Mauern (moenia), die Herzog Otto der Erlauchte (t 912)<br />
vollendete 4). Vor allem berichtet der Priester Eberhard in seiner niederdeutschen<br />
Reimchronik der Geschichte Gandersheims von 1216 5 ):<br />
"Heit de Here ein herlik Stichte anevan<br />
und uppe datsine Werk na eme möchte duren,<br />
darumme leit he werken eine Muren<br />
schöne unde weit umme dat Stichte ...<br />
Schon frühzeitig wird der Stiftsbezirk Burg genannt. Als Kaiser Otto II. 980<br />
dem Stift die ihm von seinen Vorgängern verliehenen Rechte bestätigte, nennt<br />
er dabei: "urbalem bannum, quem vulgariter Burgbann vocant" 6).<br />
Als Bischof Bernward von Hildesheim im Jahre 1001 Gandersheim<br />
besuchen wollte, verweigerten ihm die Kanonissen unter Führung der Kaisertochter<br />
Sophie den Zugang, indem sie ihre Ministerialen aufboten: "Diese<br />
erfüllten bewaffnet die Türme und Befestigungswerke im Umkreis der Kirche<br />
und setzten ihre Burg gegen einen einzigen Mann, ihren eigenen Bischof, in<br />
Verteidigungszustand" 7).<br />
Auch Bodenfunde bestätigten den Verlauf des "Murus urbanus", wie er in<br />
der Urkunde von 1188 genannt wird 8). Als 1956 das Haus Markt 8, der<br />
S) Kurt K r 0 n e n b erg, Kronenhaus und Kaisersaal. Gandersheimer Stiftsgebäude<br />
einst und jetzt. Bad Gandersheim 1960.<br />
') IJ-Irotsvithae opert ed. P. v. W in t e r f eid (Mou. Germ. 55. in uso schol. 1902)<br />
5.229.<br />
5) Die Gandersheimer Reimchronik des Priesters Eberhard, hrsg. v. ludwig WolfE<br />
(Altdt. Textbibliothek hrsg. v. G. Baesecke) 5.17 Vers 406<br />
8) Mon Germ. DO II Nr. 214 vom 980 März 12.<br />
7) Thankmar, MonGerm. SS IV p. 762.<br />
8) Nds. StA Wb. Urk Abt. 6 Nr. 28, siehe dazu Gerhard KalI e n: Das Gandersheimer<br />
Vogtweistum von 1188, in: Historiscne Aufsätze, Aloys Scnulte zum 70. Geb.<br />
gewidmet (Düsseldorf 1927) 5.169.<br />
78<br />
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sogenannte Bracken, umgebaut wurde, .stieß man westlich vom Hofraum in der<br />
Tiefe auf ein festes starkes Mauerwerk. Es waren so viele starke Bruchsteine, daß<br />
man den ganzen Anbau damit errichten konnte. Die Stärke und der Umfang des<br />
Mauerwerks ließen auf ein Tor sdlließen 9). Bei der Anlage der Vollkanalisation<br />
bnd man auf dem Markt, vor dem Rathaus, ebenfalls erstaunlich starkes<br />
Mauerwerk, auch um die Osterzeit 1961 in der Reutergasse vor dem Pfarrhaus<br />
WilhelmspIatz 11. Audl hier waren es ziemlidl quadratische Bruchsteine von<br />
40 bis 60 cm Größe 10). Diese Fundstellen fügen sich gut in da.s Luftbild ein.<br />
das uns den Stiftsbezirk zeigt (Abb. 1).<br />
Noch einen Schutz hatte die Stiftsburg: die Gande. Betrachten wir auf dem<br />
Luftbild den Verlauf der Grenze im Norden (links im Bild). so fällt die merkwürdige<br />
Einbuchtung in der Mitte auf. Sie mußte für die Verteidigung ungünstig<br />
sein. Ich meine. daß hier einst die Gande entlang floß und diese Einbuchtung<br />
schuf. weil sie vom Norden her strömte 11). Noch lange nach der Verlegung<br />
des Flusses - im 16. Jahrhundert - war der Plan sumpfig und oft mit Wasser<br />
bedeckt. Die Anlieger klagten. daß sie häufig nicht in ihre Häuser und Scheunen<br />
kommen konnten 12). 1215 trug ein Ministeriale des Stiftes den Namen:<br />
Transaquam 13). später finden wir den Namen .. Over dem Beke" 14). ihr Hof<br />
wird von der Stiftsburg aus gesehen jenseits der Gande gelegen haben.<br />
Die Stiftsburg mißt in der Länge (Ost-We.st) 225 m. in der Breite (Nord-Süd)<br />
175 m.<br />
Wir wenden uns nun den Gebäuden des Stiftsbezirks zu. Die Urkunde von<br />
1107/10 15) erwähnt: .. Officinae. Refectorium. Dormitorium·. das Vogt weistum<br />
von 1188 16 ): .. Septa cIaustri. cymiterium. murus urbanus. domicilium<br />
ecclesiasticarum personarum. possessiones ministerialium". Die Urkunde von<br />
1196 17 ) nennt: "Curiae et domus ministerialium. granarium commune". In<br />
dieser Urkunde werden auch Schüler genannt. so daß es neben der Schule für<br />
Kanonissen und junge adlige Mädchen. von der uns Roswitha berichtet. auch<br />
9) Kr 0 ne n b erg, Der Bracken, in Gandersh. Kreisblatt vom 3 .• 15 .• 22 .• :29. X.<br />
5. XI. 1960.<br />
10) Kr 0 n e n b erg. Wie verlief die älteste Stadtbefestigung in Gandersheim? in<br />
Gandersh. Kreisblatt 15.4.1961.<br />
11) VgI. Eberhards Bemerkung a. a. O. Vers 414: dat he deH HameH VOH dem<br />
wateTe Heme, dat bi HOTdeH vlut delHe c10steTe Ha.<br />
12) Nds. StA Wb. L Alt Abt. 11 Gand. Fb. 1. 111 Nr. 56.<br />
"') Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 42.<br />
U) Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 223.<br />
16) Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 27, siehe dazu Hans Go e t tin g. Die Gandersheimer<br />
Originalsupplik an Papst Paschalis 11. als Quelle für eine unbekannte Legation Hildebrands<br />
nach Sachsen in: Nds. Jb. rur Landeögeschichte Jg.:21 (1949) S. 93 ff.<br />
16) Nds. StA Wb. Urk Abt. 6 Nr.28.<br />
17) Ebda. Hs VII B Nr. 2.<br />
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eine Knabenschule gegeben haben muS. in der Chorknaben für den kirchlichen<br />
Dienst ausgebildet wurden.<br />
Von den urkundlich genannten Gebäuden können wir noch räumlich folgende<br />
nachweisen:<br />
Die Abtei im Osten der Stiftskirche. die der Äbtissin und ihrer persönlichen<br />
Dienerschaft als Wohnung diente und zugleich ein eigener Wirtschaftshof<br />
war. Das Dormitorium im Norden der Stiftskirche. das sich mit romanischen<br />
Bauteilen in einem späteren Gebäude erhielt und 1936 abgerissen wurde.<br />
Säule. Kapitell und Bogen wurden sichergestellt und werden im Heimatmuseum<br />
aufbewahrt. 1429 wird es als Slaphus 18) erwähnt. war aber seinem Zweck<br />
schon entfremdet. Das Refektorium war in der Reformationszeit noch erhalten.<br />
ebenfalls nicht mehr als solches benutzt.<br />
Das Granarium commune der Urkunde von 1196 hieß später der Spiker.<br />
1449 als Speicher des Kapitels auf dem Fronhof bezeichnet 19), es stand westlich<br />
vom Schlafhaus. nach Norden in Verlängerung des Stiftskalkhauses. Das Kalkhaus<br />
wurde 1958 abgerissen. es verlief von der Nordwestecke der Stiftskirche<br />
nach Norden.<br />
Schlafhaus. Kalkhaus. Refektorium umschlossen den Kreuzgang. der im<br />
Norden der Kirche lag. Er war zweistöckig und hatte einen Zugang zum Westwerk<br />
der Kirche. wo noch heute seine Verbindung zu sehen ist. Er bestand aus<br />
zwei Armen im Westen und Norden und endete östlich am Abteigebäude. Er<br />
hatte zwei Eingänge von außen. einen zum Fronhof. den anderen zum<br />
Domänenhof.<br />
Eine Schreiberei wird 155' 5 erwähnt 20). Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig<br />
belehnte damals seinen Amtmann Samson Sturz mit diesem Haus. das<br />
.. auf der Ebtei steht bei Gebhard Struven Scheune".<br />
Das Stiftskapitel besaß in dem Kronenhaus ein Gebäude. das zu Sitzungen.<br />
Empfang von Gästen und Aufbewahrung von Urkunden verwendet wurde. Es<br />
wird 13 51 und 13 66 erstmalig genannt 21). lag südlich vor dem Eingangsportal<br />
der Stiftskirche. sein Aussehen ist uns in einem Stich bei Leuckfeld überliefert<br />
22). In diesem Haus war auch die Schule untergebracht.<br />
Auf dem heutigen Domänenhof standen die Kurien vieler Kanonissen.<br />
Die Pröpstin wohnte in einem Hause an der (heutigen) Burgstraße. Als das<br />
Amt erlosch. bezog die Dekanisse das Haus. dessen Ansicht uns ein Stich bei<br />
Leuckfeld (Abb. 2) zeigt.<br />
18) Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 360.<br />
19) Ebda. Urk Abt. 6 Nr.449.<br />
20) Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 868.<br />
21) Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 163 und 202.<br />
") Abbildung in Kr 0 n e n b erg. Kronenhaus lind Kaisersaal (Bad Gandersheim<br />
1960) 5.14.<br />
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Die Dekanisse hatte bis dahin in dem Hause vor dem Westwerk der Stiftskirche<br />
gewohnt, von 1589 an bezog es die jeweils älteste Kanonisse. 1741<br />
erbaute es die Kanonisse Magdalene Sybille neu 28). Da es den Blick auf die<br />
Stiftskirche verdeckte, wurde es 1958 abgerissen.<br />
Die früheste Erwähnung einer Stiftskurie ist das Jahr 1251 24). Damals<br />
übereignete der Kanoniker Johann von Wunstorf die Kurie, welche Gertrud<br />
von Ziegenberg bewohnte, dem Marienaltar. Vom 14. Jahrhundert ab fließen<br />
die Quellen für die Kurien der Kanonissen und Kanoniker so reichlich, daß<br />
wir die Geschichte vieler Häuser durch die Jahrhunderte verfolgen können. Ich<br />
hoHe, ein Häuserbuch darüber vorlegen zu können.<br />
Der Platz nördlich der Stiftskirche, der heutige Domänenhof. war völlig<br />
bebaut. Nur zwei schmale Gäßdlen führten zu den einzelnen Gebäudekomplexen<br />
(Höfen). Auf dem Stim bei Leuckfeld ist eines davon gut zu sehen (Abb. 2).<br />
Auch die Federzeichnung von 1580 (Abb. 3) zeigt die dichte Häuserfront, wenn<br />
auch die Stiftskirme um des klaren Bildes willen freigestellt ist. Erst im<br />
18. Jahrhundert wurde dieser Platz zur Domäne der Abtei gezogen, nach deren<br />
Aufhebung 1936 und Abbruch der Häuser und Stallungen entstand der heutige<br />
freie Platz.<br />
Aber schon in den ältesten Zeiten gehörte ein Wirtschaftshof zum Stift.<br />
Wir finden ihn im Fronhof. heute Teil des Domänenhofes im Westen. Hier<br />
stand der smon erwähnte Spiker und die Zehntscheune. Seine anfangs große<br />
Bedeutung wurde geringer, nachdem die Kanonissen das gemeinsame Leben<br />
aufgegeben hatten und jede ihren eigenen Hof hatte und sich selbst versorgte.<br />
Die Bezeichnung blieb. 1350 wird erstmalig die "Curie uppe deme Vronhove"<br />
erwähnt, die damals dem Kanoniker Heinrich von Sebexen gehörte 25), 1401<br />
lautet der Name Frowenhof 26) und seitdem finden wir beide Namen nebeneinander.<br />
Da man sim unter Fronhof nichts vorstellen konnte, vermutete man.<br />
daß hier die "Frauen" des Stiftes gewohnt hätten. Es handelt sich aber um den<br />
Hauptwirtschaftshof des Stiftes.<br />
Wir wenden uns nun dem Raum im Süden der Stiftskirche zu. Der heutige<br />
große freie Platz - seit 1856 nach Herzog Wilhelm von Braunschweig (t 1884)<br />
Wilhe1msplatz genannt - entstand durch Aufhebung des Stift,friedhofes im<br />
Jahre 1805 27 ). Er diente für die Insassen des Stiftes, während die Bürger der<br />
Stadt auf dem St.-Georgs-Friedhof begraben wurden.<br />
Aber es war nicht der älteste Friedhof des Stiftes, denn wir wissen aus<br />
Funden in den Höfen der Häuser Markt 8 und 9, daß ursprünglich hier die<br />
23) Karl 5 t ein a c k e r, Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig<br />
BJ. V (Wolfenb. 1910) S. 222.<br />
2&) Nds. StAWb. Urk Abt. 6 Nr. 63.<br />
") Ebda. Ulk Abt. 6 Nr.158.<br />
20) Ebda. Urk Abt. 6 Nr.262.<br />
27) G. L. B ra c k e bus eh in Gand. Wochenblatt 185$ Nr.58.<br />
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Begräbnisstätte war 28). Das muß freilich in sehr alter Zeit geschehen sein. denn<br />
die Häuser sind schon im frühen Mittelalter entstanden.<br />
Der Wilhelmsplatz war deshalb nach der Entstehung des Stiftes die Stelle.<br />
an der die Kurien der Ministerialen gelegen haben. Die Urkunden vermitteln<br />
uns vom 12. Jahrhundert an einen Einblick. wie groß deren Zahl war. In der<br />
Urkunde von 1188 werden 12 Ministerialen als Zeugen genannt. darunter ein<br />
Dapifer und ein Camerarius. und das war schon nach der Glanzzeit des Stiftes.<br />
Wieviele mögen es gewesen sein. als die Kai~rtochter Sophie (1002-1039)<br />
hier regierte? Bereits die Urkunde von 1196 verriet. daß viele Ministerialen<br />
nicht mehr in Gandersheim wohnten. sondern ihre Kurien vermieteten. Die<br />
Zahl sank deshalb stark ab. und es blieb allein die Häuserreihe im Süden des<br />
Wilhelmsplatzes.<br />
AIs sich nach Entstehung der ersten Marktsiedlung jm Westen des Stiftsbezirks<br />
die Notwendigkeit ergab. den alten Friedhof zu verlegen. benutzte<br />
man den von den Ministerialen aufgegebenen Platz im Süden der Kirche.<br />
Die Geschichte der Ritterkurien können wir vom Jahr 1398 eingehend verfolgen<br />
29). Ihre Bewohner sind die Ritter von Gandersheim - auch einfach<br />
vom Hofe. de Curia - genannt. weil sie den größten und günstigsten Hof<br />
hatten. von Oldershau~n. von Freden. von Roringen. von Stöckheim. Vom<br />
15. Jahrhundert ab kommen die Kanoniker in den Besitz der Kurien. zuerst die<br />
adligen: von Roringen. von Oldershausen. von Linde. schließlich die bürgerlimen<br />
Cod. Stein, Schnor und andere, im 16. Jahrhundert nimmt Herzog Heinrich<br />
d. J. sie für seine Beamten in Anspruch. für die Stapler. Hesse. Probst. im<br />
18. Jahrhundert beginnen die Bürger Besitz zu ergreifen.<br />
Schließlich suchen wir noch die Stätte. wo einst Gericht gehalten wurde.<br />
Nach dem Vogtweistum von 1188 hielt der Vogt dreimal jährlich Gericht - wo.<br />
wird nicht gesagt. Später war das Rathaus Sitz des herzoglichen Amtmannes,<br />
wenn er urteilte. wie es 1481 von dem Landdingtag im Fastelabend berichtet<br />
wird SO). Zwei Belege konnte ich finden für das alte Gericht auf der Stiftsfreiheit,<br />
beide handeln von städtischen Grundstücken. 1467 heißt es: "Dusse kop<br />
is geschein op des Munsters to Gandersem Kerkhove under der groten Eik jegen<br />
der schule" 31) und 1509 gesd13h ein Verkauf: "uppe deme munstere Kerckhove"<br />
32).<br />
28) Kr 0 n e n b erg, Die Toten des Bracken, in Gand. Kreisblatt 19.6.1956.<br />
2") K r 0 ne n b erg, Die Stiftsfreiheit und ihre Häuser, in Gand. Kreisblatt vom<br />
26.4. bis 4.7.1958 allwöchentlich.<br />
82<br />
30) Stadtbuch im Gandersheimer Heimatmuseum Blatt 200.<br />
S1) Ebda. BI. 157.<br />
32) Nds. StA Wb. Urk Abt. 41 Nr. 101.
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H. Der Wik<br />
Als die Stiftskirche und die Stiftsgebäude im Tal der Gande gebaut wurden,<br />
war der Ort keineswegs so einsam und unwirtlich, wie es uns die Gründungslegende<br />
glauben machen will. Schon die Hügelgräber auf den Höhen rundum<br />
Gandersheim berichten von einer vorgeschichtlichen Besiedlung 83).<br />
Roswitha selbst gibt uns zwei Hinweise: Einmal erzählt sie bei der Lichtervision<br />
von den Hirten, sie hätten in einer "parvula villa" gewohnt und sodann<br />
von Herzog Ludolf, daß er eine kleine Kirche in der Nähe besaß, womit sie die<br />
Klosterkirche von Brunshausen meinte 34).<br />
Das dritte Zeugnis verschwieg sie, bewußt oder unbewußt - den Wik von<br />
Gandersheim. Seine Bedeutung für die Frühgeschichte Gandersheims, seine<br />
Gründung und Entwicklung ist von Hans Goetting entdeckt, klar und überzeugend<br />
dargestellt worden 35). Die Ausführungen Goettings können hier nur<br />
dankbar übernommen und eingebaut werden, hinzuzufügen ist ihnen nichts.<br />
Ohne die Wikforschung ist die Gestalt der Stadt Gandersheim nicht zu verstehen.<br />
Die Lage der einzigen Pfarrkirche der mittelalterlichen Stadt<br />
- St. Georg - außerhalb der Stadtmauern muß unverständlich bleiben und zu<br />
seltsamen Deutungen Anlaß geben, wenn man die Ergebnisse der Wikforschung<br />
nicht kennt.<br />
Herzog Ludolf hatte mannigfache Gründe, das Familienstift an die heutige<br />
Stelle zu bauen. Er hatte in der Nähe einen Edelhof. Südludolfshausen, das wir<br />
nordwestlich der Georgskirche vermuten können. Wichtiger war der Handelsplatz,<br />
an dem reisende Kaufleute zusammenkamen, um Waren zu verkaufen<br />
oder zu tauschen. Hier im Tal der Gande trafen sich die großen Fernstraßen<br />
Vom Rhein zur EIbe - Westostrichtung - und von Frankfurt-Fulda nach Hildesheim<br />
- Südnordrichtung. Schließlich war hier der Ort eines aus heidnischer<br />
Zeit stammenden Heiligtums. Darauf deutet die Lage und Gestalt des Hügels,<br />
auf dem die St.-Georgs-Kirche liegt und noch heute schön und eindrucksvoll ein<br />
Blickfang ist; darauf die Nähe einer Salzquelle und schließlich die Reste eines<br />
Urnenfeldes, die man 1 S 62 unterhalb des Hügels beim Bau der St.-Georgs<br />
Straße fand 36).<br />
Die St.-Georgs-Kirche bestand bereits in der Frühzeit des Stiftes und wird<br />
in ausgesprochenem Gegensatz zur Stiftskirche in der Zeit Kaiser Ottos II.<br />
33) F. Ni q u e t. Grundzüge der Vor- und Frühgeschichte des Kreises Gandersheim,<br />
in: Der Landkreis Gandersheim Bd. I, Bad Gandersheim 1958, S. 30 ff.<br />
S4) Hrotsvit, Primordia coenobii Gandeshemensis. s. Anm.4. Vers 105 (S.232)<br />
und Vers 188 (5.234).<br />
35) H. Go e t tin g. Die Anfänge der Stadt Gandersheim. s. Anm. 2. S. 39 ff,<br />
ferner ders .• Der Gandersheimer Kaufmannswik und die Entstehung der Stadt Gandersheim.<br />
in: Jubiläumsnummer des Gandersheimer Kreisblattes vom 1. 11. 1959.<br />
36) Hans P fe i f e r. Die St. Georgskirche in Gandersheim. in: Die Denkmalspflege<br />
Il. Jg. (1900) Nr. 10.<br />
83
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(973-983) .erwähnt. Eberhard berichtet in seiner Reimchronik 87), daß der<br />
Kaiser nach Gandersheim kam und - um die Äbtissin Gerberga für die Taten<br />
ihres Bruders Heinrich des Zänkers zu strafen - nicht in der Stiftskirche. sondern<br />
in der St.-Georgs-Kirche zum Gottesdienst ging. Vor allem aber hat Goetting<br />
deutlich gemacht, daß St. Georg der Patron der reisenden Kaufleute war<br />
und daß auch andere Wikorte Kirchen mit seinem Patrozinium hatten. Für Gandersheim<br />
hat er an Hand der Urkunde von 1196 nachgewiesen, daß die St.<br />
Georgs-Kirche den Kaufleuten zugewiesen war. die ihren Handel im Umherziehen<br />
ausübten.<br />
Dies geschah zu einer Zeit, da die Kaufleute ihre Waren schon nicht mehr<br />
auf dem alten Wik feilboten. Die konservative Kraft. die kirchlichen Parochialabgrenzungen<br />
innewohnt. zeigt ~ich hier mit großer Deutlichkeit. Die einmal<br />
für den Wik, für die wandernden Kaufleute bestimmte Pfarrkirche blieb Pfarrkirche.<br />
selbst als der Markt sich verlagert hatte. als eine Marktkirche gebaut<br />
war, ja als die Stadtmauer die Kirche von der Stadt ausschloß. Die neue Marktkirche<br />
- St. Moritz gewidmet - blieb zeit ihres Bestehens Filialkirche von<br />
St. Georg. Erst die Reformation und der fürstliche Absolutismus Herzog Heinrichs<br />
des Jüngeren nahm der alten Kirche die Parochialrechte. doch wußten sich<br />
die Bürger noch 1676 für diese Kirche verantwortlich und ließen sie herrichten<br />
und ausmalen 38). obwohl seit mehr als hundert Jahren kein Gottesdienst mehr<br />
in ihr gehalten wurde.<br />
Der alte Flurname" Wik" hat sich bis in unsere Zeit erhalten. Urkundlich<br />
taucht er 1442 erstmalig auf. Die Lage eines Hauses wird beschrieben "ausgangs<br />
des Georgentores in acie vici" 89). 1472 heißt es von einer Gasse "die von der<br />
Wyck herunterläuft" 40) und 1491 erfolgt die Belehnung mit einem Gartenbleek<br />
"an der Wyck genannt" 41). AIs Flurbezeichnung steht er in der Karte der<br />
Stadtvermessung von 1768 42 ). Heute ist Wiek amtlicher Straßenname für den<br />
Weg. der von der St.-Gcorgs-Kirche hinauf zum Altersheim St.-Georgshöhe<br />
führt.<br />
Ehe aber der Markt seinen endgültigen Platz in Gandersheim fand. wird<br />
eine Zwischenlösung stattgefunden haben. Die Anlage des Steinweges, sein<br />
Verlauf und seine Breite sprechen dafür. daß sich hier ein Straßenmarkt<br />
befand 43). Sein Name deutet auf die wichtigste Straße der Stadt hin und auf die<br />
älteste. Bei den Kanalisationsarbeiten 1961 wurden hier mittelalterliche Plattenkanäle<br />
gefunden. die Platten in Größe von 60 x 60 cm zeigten - im Gegen-<br />
37) S. Anm. 5. Verse 1719 H.<br />
SS) S. S t ein ac k e r. a. a. O. Seite 194.<br />
39) Nds. StA Wb. Urk Abt. 6 NT. 412.<br />
40) Ebda. Urk Abt. 6 Nr. 570.<br />
41) Ebda. Hs VII B Nr. 14 Blatt 52 R.<br />
42) Ebda. F(eldriß) 208.<br />
U) Goetting a. a. O. S. 48, Anm. 35.<br />
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satz zu anderen Straßen - Fund in der alten Gasse 1958 -, wo die Platten<br />
40 cm maßen. Das aufblühende Stift ließ wohl den Kaufleuten ein näheres<br />
Heranrücken an das Stift wünschenswert erscheinen, auch fand sich hier ausreichend<br />
Raum für das Feilbieten der Waren.<br />
III. Der Markt<br />
Das Jahr 990 bringt das große Privileg Kaiser Ottos IlI.44), wonach die<br />
Äbtissin das Recht erhält "eigene und fremde Kaufleute und Käufer zum<br />
Markte zuzulassen und von ihnen den Marktzoll zu erheben". Nun tritt der<br />
Marktplatz, das forum an Stelle des bisherigen Straßenmarktes. Seine Gestalt<br />
und seine Lage wird vom Stiftsbezirk geprägt. Er wäre nichts ohne die Stiftskirche<br />
und die sie umgebenden Stiftsgebäude. Es kommt zu einem städtebaulichen<br />
Zusammenklang zwischen Marktplatz und Stiftskirche, indem der<br />
Markt an der west-östlichen Bewegungsrichtung des Kirchenschiffes teilnimmt.<br />
Wie eine breite Feststraße führt der Marktplatz auf das Domportal zu.<br />
Aber der Marktplatz schließt sich nicht einfach an die Stiftsburg an - wie<br />
der Straßenmarkt es tat. Er bricht unmittelbar in den Stiftbezirk ein. "Da<br />
reicht die Welt des Bürgers mit seinen Fachwerkgiebeln bis dicht an die monumentale<br />
Front des Domes" 45).<br />
Indem der Marktplatz sich langsam verschiebt und in den Stiftsbezirk hineinwächst,<br />
wird seine Ge!;talt bestimmt. Sie ist kein Rechteck, sondern setzt<br />
sich aus einem Quadrat im Westen und einem schmalen Rechteck im Osten<br />
zusammen. Der Marktplatz in Gandersheim entsteht auf Grund der räumlichen<br />
Bedingungen, die das Stift vorschreibt, er ist gewachsen, nicht konstruiert.<br />
Die Mauern der Stiftsburg müssen an dieser Stelle werst weichen. Äbtissin<br />
und Kapitel haben keinen Grund, sich gegen den Marktplatz abzugrenzen, denn<br />
es ist ihr Markt. Das Stift ist Gründer. Man kann sagen, der Stiftsbezirk<br />
erweitert sich um den Marktplatz. Richtiger müßte man wohl Marktsiedlung<br />
sagen, denn es geht nicht nur um einen Platz, sondern um Gebäude und Wohnungen.<br />
Eine planvolle Ordnung ist am Werk. "Der Markt war das Privileg<br />
des Grundherrn, ihm zinsten die Brot- und Fleischscharren, die Brauhäuser und<br />
Weinhäuser; sein Vogt schlichtete im Marktgericht die Händel, ordnete Maß<br />
und Gewicht. Die Gerichtslaube, die Urzelle des Rathauses, steht deshalb am<br />
Markt" 46). Noch war der Bürgerstand unfrei und dem Grundherrn hörig.<br />
Am Markt wachsen die neuen städtischen Gebäude empor: Rathaus, Marktkirche,<br />
Brot- und Aeischscharren.<br />
&4) Mon Germ. DO 1II Nr. 66 .<br />
• 5) G r u be r, Die Gestalt der deutschen Stadt, München 1952, S. 36 und S. 39.<br />
t8) Ebenda S. 34.<br />
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Das Rathaus wird urkundlich sehr spät erwähnt 47), doch war es früher<br />
vorhanden. Es steckt - mindestens in seinen Grundmauern - im Westteil des<br />
heutigen Rathauses, lag also außerhalb des Stiftsbezirks.<br />
Die Marktkirche finden wir heute wieder im Rathaus, sie bildet den Ostteil.<br />
Ihr Turm mit alten Glocken und das gotische Kirchenschiff ist noch erhalten,<br />
obwohl man nach der Einfügung ins Rathaus um H80 einen Renaissancemantel<br />
herumlegte, um ihm das Aussehen eines weltlichen Gebäudes zU geben.<br />
Die früheste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1378 48 ). Damals<br />
verkauften Äbtissin und Kapitel dem Rat der Stadt "eine Stätte behuf der<br />
Marktkerken, die zu der Freiheit gehört". Damals mag die gotische Kirche<br />
gebaut worden sein. Trotzdem handelte es sich nicht um einen Neubau, sondern<br />
um eine Erweiterung. Das Moritzpatrozinium der Marktkirche weist auf<br />
ottonische Zeit zurück 49); der erste Bau mag sehr klein gewesen sein und<br />
wird außerhalb der Stiftsfreihcit gestanden haben.<br />
Der Brotscharren - 1456 erstmalig erwähnt - lag an "dem Orde des Markedes",<br />
zwischen den Häusern Markt 7 und 8. Ein kleines Gebäude stand hier<br />
noch bis 1956, als der Bracken (Markt 8) umgebaut wurde. Er befand sich auf<br />
Stiftsboden und die Stadt mußte bis zur Aufhebung des Stiftes einen Zins dafür<br />
an das Kapitel zahlen 50). Der Fleischscharren befand sich auf Stadtgebiet.<br />
H48 erstmalig erwähnt als "an der Marktkirchen" 51).<br />
In den Marktbezirk ragten einige Häuser des Stiftes hinein: es sind außer dem<br />
Brotscharren der Bracken (Markt 8) 52) und das Rickesche Haus (Markt 9) 5!J).<br />
Um diese beiden Fremdkörper hat die Stadt Jahrhunderte gerungen und doch<br />
nicht gesiegt; das Stift konnte sein Recht behaupten. Wenn der Bracken 1499<br />
das Weinhaus genannt wird 54), deutet diese Bezeichnung auf einen öffentlichen<br />
Getränkeausschank, lästig für die Stadt, weil der Ratskeller gegenüber lag.<br />
Noch 1556 finden wir den Namen für eine Familie: Hans Köler alias Weinschenk<br />
bewohnt ein Stiftshaus 55).<br />
Schließlich entstanden am Marktplatz noch Gasthäuser, 1764 das "Weiße<br />
Roß", in der Stadtvermessung 1768 als eines der vier Gasthäuser der Stadt<br />
genannt, dem später "Zur Ecke" folgte.<br />
47) Stadtbuch im Gand. Heimatmuseum BI. 2 R. Urk. von 1469.<br />
4") Nds. StA Wb. Urk Abt. 41 N r. 11.<br />
49) Go e t tin g, Die Anfänge .. s. S. H. Anm. 35.<br />
&0) Kämmereirechnungen der Stadt im Heimatmuseum. 1597 und 1643 ff.<br />
It) Nds. StAWb. Urk Abt. 6 Nr. 833.<br />
&2) S. Anm. 9.<br />
13) Kr 0 n e n b erg, Erbaut Anno Domini 15 52, Geschichte eines alten Bürgerhauses.<br />
in Gand. Kreisblatt 13.,20 .• 27. VIII. 17. IX. 1960.<br />
") Nds. StAWb. Hs VII B Nr. 17 BI. 72.<br />
'0) Ebda. L Alt Abt. 11 Fb. 1, VII Nr.23 BI. 115.<br />
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Das Wahrzeimen des Marktplatzes war der "Markt- oder Fismstein U ,<br />
1601 genannt, als ein Kind hier ausgesetzt worden war 56), und 1607, wo von<br />
einem jungen Mann berimtet wird, er habe "auf dem Markte dem Fismstein,<br />
der wohl undenklim Jahre ungesmlagen gestanden, 16 Smrarnmen darein<br />
gehauen" 57).<br />
Die Marktsiedlung wurde in den Mauerring einbezogen, der nun erweitert<br />
werden mußte. Mangels jedes urkundlimen Namweises sind wir auf Rücksmlüsse<br />
und Bodenfunde angewiesen. Die starken Grundmauern, die 1961 bei<br />
der Anlage der VoIIkanalisation auf dem Grundstück Wilhelmsplatz 7<br />
(Druckerei und Verlag Hertel) zwismen Vor- und Hinterhaus auf dem Hof<br />
gefunden wurden und zwar in einer Tiefe von 3 Metern, könnten nom dem<br />
ersten Mauerring angehört haben - im meine, daß auch der zweite Mauerring<br />
hier nicht anders verlief. Das Mauerwerk aber, das im gleichen Jahr in<br />
der Reutergasse in Höhe der Wilhelmsburg gefunden wurde, muß zur zweiten<br />
Stadtmauer gehören. Mühe 58) berichtet ferner: "Ebenfalls ein solcher Mauerrest<br />
dieses älteren Befestigungsringes wurde nach Brackebusch 1880 bei Neubau<br />
des Hauses ass. Nr. 37 (Moritzstraße 2;, Glaserei) beseitigt, er lag also im<br />
Zuge der Stadtmauer".<br />
Die Stärke des Mauerwerks spricht dafür, daß an dieser Stelle ein Stadttor<br />
gelegen hat, das 13; 2 genannte Holenstratertor 59), das seinen Namen von der<br />
Hohlengasse (= Oldegasse = Alte Gasse) trug, die hier mündet. Mühe hat P.S<br />
an den westlimen Ausgang der Alten Gasse gezeichnet, was mir unwahrschein<br />
Ha, erscheint, weil so nahe neben dem Georgentor kein zweites gelegen haben<br />
wird. Am Ende der Alten Gasse stand ein Turm, 1;;1 der Pulverturm<br />
genannt 60), der auf dem Merianstim gut zu sehen ist. Nam den Funden bei<br />
der Kanalisation 19;8 ging die Stadtmauer durch die Alte Gasse hindurch,<br />
was aber die Anlage eines Tores nicht ausschließt. Aber ein zweiter Grund<br />
spricht gegen ein Tor an dieser Stelle. Nach der Urkunde von IH2 lagen vor<br />
dem Tor zwei Höfe des Dietrim von Staßfurt. Sie können nimt im Westen<br />
vor der Alten Gasse bzw. vor der Stadtmauer gelegen haben, weil hier das<br />
Flußgebiet der Gande ist. Wie sumpfig das Gelände hier ist, zeigte sich beim<br />
Bau des Finanzamtes 195'6 und des Gesundheitsamtes 195'9. Es werden deshalb<br />
&6) Kämmereirechnungen im Heimatmuseum 1597 H.<br />
5") Ratsprotokolle im Heimatmuseum 1599-1608.<br />
58) Adolf M ü h e, Gesch. d. Stadt Bad Gandersheim (Bad Gandcrsheim 1950), S. 29.<br />
&9) Nds. StAWb. Urk Abt. 6 Nr.167.<br />
80) Stadtbuch im Heimatmuseum Bl. 29: Dat pulver/wss in der holeH Gatzen an<br />
der Stadtmurr.<br />
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die Höfe sein, die später mit der Lagebezeichnung: "Vor dem Galgentorerscheinen<br />
61).<br />
Zur Marktsiedlung gehörten also außer dem Marktplatz: der untere Teil<br />
der heutigen Moritzstraße bis zur Einmündung der Alten Gasse, diese selbst,<br />
der Steinweg und sehr wahrscheinlich auch Bader- und Hennebergstraße.<br />
1206 - im Jahr, da Papst Innozenz 111. dem Stift das große Exemtionsprivileg<br />
erteilte- war diese Entwicklung abgeschlossen. Das Stift befand sich<br />
auf der Höhe der Macht.<br />
Um diese Stifts- und Marktsiedlung lagen Höfe, Gärten und Mühlen. Es<br />
waren die Höfe vor dem Holenstratertor 1352, vor dem Galgentor 1390, der<br />
kleine Dieckhof 1491 62 ), der Spitalshof 1428 63 ) und vor aIlem die noch heute<br />
erhaltene Bezeichnung der "Hohen Höfen" 64) - urkundlich erst 1420 erwähntberichten<br />
uns von einer engen Besiedlung. Eine Mühle - im Osten der Stadt<br />
gelegen - wird 1159 erwähnt, sie wurde später in die Nähe der St.-Georgs<br />
Kirche verlegt, das Stift besaß die Hagenmühle, das Kloster St. Marien die<br />
Borbergmühle und die Stadt die Lohmühle. Das war genug. Herzog Otto versprach<br />
deshalb 1430 der Stadt, daß keine neue Mühle mehr genehmigt werden<br />
sollte 65).<br />
IV. Die Burg<br />
In dem handschriftlichen Katalog der Äbtissinnen, der sich in Abschriften<br />
des 16. und 17. Jahrhunderts erhalten hat 66), wird bei der Äbtissin Bertha n.<br />
(1223-1251) vermerkt: "Unter dieser Äbtissin haben die Herzöge von Braunschweig<br />
erstlich ein Haus allhier angefangen zu besitzen". Das Jahr 1259 schien<br />
den Höhepunkt der Stiftsmacht zu bringen, denn es gelang der Äbtissin, die<br />
Vogtei an sich zu bringen 67), aber -schon war der Umschwung im Gange. Aus<br />
der Stiftsstadt wurde eine Landstadt. Das Bestreben der Herzöge von Braunschweig,<br />
ihre Landesherrschaft auch über das Stiftsgebiet zu erstrecken, traf<br />
sich mit dem Bestreben der Bürger, von der Herrschaft der Äbtissin als Grundherrin<br />
frei zu werden. Die Verwirklichung dieses gemeinsamen Zieles veränderte<br />
abermals die Gestalt Gandersheims.<br />
Urkundlich wird die herzogliche Burg erstmalig 1347 als Slot erwähnt, 1350<br />
als Hus und 1360 als Borg to Gandersem 68). Die Herzöge besitzen sie als<br />
81) Nds. StA Wb. Urk Abt. 14 Nr. 64: Cord von Gandersheim versetzt 1390 zwei<br />
Kothöfe vor dem Galgentor.<br />
82) Ebda. Urk Abt. 14 Nr. 84.<br />
83) Ebda. Hs VII B Nr. 13 Bl. 133, 138. 155.<br />
8
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Abb. l.<br />
Der S t i f t sb e z i r k um 1920 (F lu gaufn ahme) (B lick von Westen nach O sten)<br />
Abb.2. Ausschnitt aus dem Kupferstich in Leuckfeld: Antiquitates Gandersheimenses 1709<br />
(B lick von Norden. 2 - Abtei. 7 - Dekanei.<br />
8 - Haus der Kanonisse Sophie Elconore von Braul1sdnveig-Bevern)<br />
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-,<br />
I 1 "- ," • j<br />
Abb. 3. Alls S c h n i t t allS e i 11 e r Fe der z e i ch 11 LI 11 g<br />
die der Amtmann Johatll1es ScharH 1580 dem Herzog einreichte<br />
(Nds. StA. Wb. L Al t 26 Nr. 1169) . (B lick vo n Westen)<br />
o<br />
Abb.4.<br />
Kupferstich der Stadt Gandersheim von Konrad BU ll o<br />
in der 1654 von Matthäus Me ria n herausgegebenen Topographie<br />
der Herzogtüm er Braullschweig-Llineburg (13 1kk von No rd en)<br />
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Lehen der Äbtissin 69). Der heutige Bau stammt aus der Zeit Herzog Heinrichs<br />
des Jüngeren von 1530. wie die Inschrift am ehemaligen Turmtor - Nachtigallenturm<br />
genannt - noch heute ausweist 70). Sie war als Wasserburg vöIlig<br />
von der Gande umspült. Eine Zeichnung von 15 80 71 ) zeigt uns die Gebäudeanlage.<br />
die trotz einiger Umbauten noch heute erhalten ist. Danach standen die<br />
Schloßgebäude im Viereck um einen Innenhof. davor lagen das Amtshaus. der<br />
Marstall und die Wirtschaftsgebäude.<br />
Neben der Burg führte eine zweite Brücke und ein zweites Tor über die<br />
Gande zur Straße. Herzog Otto von Braunschweig. genannt Codes. bewilligte<br />
1395 der Stadt. daß das Tor zugemauert und die Brücke abgerissen wurde 72).<br />
Mühe 73) legt das Tor an den Ausgang der heutigen Hennebergstraße. dem im<br />
zustimmen möchte.<br />
Infolge. des Burgbaues wird die Gande erstmalig nach Norden verlegt worden<br />
sein. ·um sie zum Schutz verwenden zu können. Steinacker meint 74). "daß<br />
die Burgfreiheit (1416 erwähnt) 75) - der heutige Plangarten - die Stätte der<br />
älteren Burg gewesen ist und also das Gelände der jetzigen Burg und ihres<br />
jetzigen Wirtschaftshofes fast gänzlich außerhalb der alten Stadtmauer (die<br />
dann hier mehr eine Burgmauer gewesen wäre) .gelegen hat".<br />
Ich meine dagegen. daß die alte Burg an der heutigen Stelle stand. denn der<br />
heutige Plangarten war einst bebaut. Es wird berichtet: "Es hat auch Herzog<br />
Heinrich der Jüngere an die zehn Bürger auf die Abtei gewiesen und daselbst<br />
bauen lassen. welche ihre Häuser wegen der damals neugebauten Burg haben<br />
müssen abbrechen" 76). Heinrich ließ also den bis zu dieser Zeit mit Bürgerhäusern<br />
bebauten Plangarten freilegen. wn die Burg besser verteidigen zu können.<br />
Deshalb verschwindet aum am Anfang des 16. Jahrhunderts die vorher<br />
mehrfach genannte Burgstraße 77) (die heutige Burgstraße erhielt ihren Namen<br />
erst im 19. Jahrhundert).<br />
1424 und 1433 wird der herzogliche Marstall genannt 78).<br />
Unter dem Schutz der Burg entstanden der Hagen und die Neustadt. Ein<br />
Hagen deutet immer auf eine planmäßige Besiedlung durch einen Grundherrn.<br />
e9) Der s .• außerdem H are n b erg, Historica ecclcsiae Gandershemensis cathedralis<br />
ac collegiatae diplomatica (Hannover 1734) S. 350.<br />
70) S t ein ac k e r a. a. O. S. 203.<br />
71) Nds. StA Wb. L Alt Abt. 26 Nr.1169.<br />
72) Ebda. Urk 41 Nr.19.<br />
73) M ü h e a. a. O. 5.31.<br />
74) 5 t ein a c k e r a. a. O. 5.207.<br />
16) Nds. StA Wb. Urk Abt. 41 Nr. 20.<br />
16) Ebda. L Alt Abt. 11 Gand. Fb. 1. 1Il NT. 56.<br />
71) 1432.34 und 41 in: Ebda. Hs VII B Nr. l3 BI. 152 R, 162. 180.<br />
18) Ebda. BI. 120 und 158 R, s. auch Urk Ab:. 6 Nr. 335.<br />
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Auch das Hagentor wird nun gebaut. Aber das gehört bereits ins nächste<br />
Kapitel.<br />
V. Die Stadt<br />
Die urkundlichen Quellen für die Topographie Gandersheim fließen in<br />
dem Augenblick reicher, als der dritte Mauerring vollendet wurde. Die erste<br />
Urkunde über die Errichtung eines Stadttores ist zugleich die letzte, denn mit<br />
diesem Tor war die Stadtmauer vollendet. Sie stammt aus dem Jahre 1334 und<br />
ist ein Zeugnis für den Sieg der nun selbständigen Stadt 79).<br />
Zwischen 1206 und 1334 gelang es den Bürgern, sich aus dem Abhängigkeitsverhältnis<br />
der Äbtissin zu befreien. Aus den Hörigen des Stiftes wurden<br />
freie Bürger: Stadtluft macht frei. 1329 war der Rat stark genug, die Freilassung<br />
vieler Bürger durchzusetzen, die rechtlich noch Stiftshörige waren und<br />
ohne formelle Freilassung bereits längere Zeit in der Stadt wohnten 80). Indem<br />
der Herzog diese Urkunde beglaubigte 81), verrät er seine Mitwirkung. Das<br />
Siegel der Stadt zeigt den Helm des Herzogs und nur klein die Lilie der<br />
Äbtissin 82).<br />
Der dritte Mauerzug prägte endgültig die Gestalt Gandersheims. Er erwies<br />
sich als notwendig, weil drei neue Stadtteile einbezogen werden mußten: Neustadt.<br />
Hagen und eine Ansiedlung im Süden. Während Neustadt und Hagen<br />
durch den Bau der herzoglichen Burg entstanden, hatte die Einbeziehung des<br />
Südteils der Stadt einen anderen Grund. Mühe 83) führt aus, daß die Einwohner<br />
der Ortschaft Rickelshausen - das 1936 als Dreilinden wieder erstandinfolge<br />
der Fehden und Kriegszüge ihre Höfe verließen und sich in der Stadt<br />
ansiedelten.<br />
Von diesem Mauerzug sind noch erhebliche Teile erhalten, im Süden<br />
zwischen Moritzstraße und Bismarckstraße - mit der heutigen Straßenbezeichnung:<br />
An der Stadtmauer -, im Norden zwischen Bader- und Hennebergstraße<br />
und am Beginn der Bismarckstraße, wo neben dem Hotel Prinz Wilhe1m ein<br />
Teil des alten Marientores zu sehen ist. In dem steilen Wall, der sich von hier<br />
zur Petristraße zieht, erkennen wir den Stadtwall. Bei den Arbeiten für die<br />
Kanalisation 195'8-61 wurden die Fundamente der Stadtmauer in der Alten<br />
Gasse und auf dem Steinweg sichtbar. Zwischen Steinweg und Alte Gasse können<br />
wir noch wie einst den Wächterstieg entlanggehen.<br />
Der dritte Mauerzug war auch notwendig geworden, wenn die Sicherheit<br />
der selbständigen Stadt gewährleistet sein sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt<br />
79) Ebda. Urk Abt. 41 hinter Nr. 4.<br />
80) Ebda. Urk Abt. 41 Nr.2. s. dazu Go e t tin g. Zum Rechtsproblem der entlaufenen<br />
Liten. in: Brschw. Ib. 32 (1951) S. lOS H.<br />
81) Ebda. Urk Abt. 41 Nr. 3.<br />
82) Siegel an Urk Abt. 41 Nr.6.<br />
83) M ü h e a. a. O. S.32.<br />
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waren Stiftsburg und Marktsiedlung nur zusammen zu verteidigen. Erst wenn<br />
die Stadt einen eigenen Mauerzug erhielt, war ihre Selbständigkeit - auch<br />
gegen die Äbtissin - gesichert. Erst der Bau des Marientores schuf diese Voraussetzung.<br />
Aber er ging zugleich darüber hinaus, denn nun lag der Stiftsbezirk<br />
innerhalb der Stadtmauer und war vom guten Willen der Bürger abhängig.<br />
Tatsächlich verdanken wir die Überlieferung der Urkunde von 1334 dem Vorfall,<br />
daß die Stadt im Papenkrieg 1454 Gegnern des Stiftes einen Einfall ermöglichte<br />
84). Ja, es kam soweit, daß der Äbtissin Gertrud von Regenstein (1504<br />
bis 1531) die Tore gesperrt wurden und sie nicht mehr ins Stift gelangen<br />
konnte 85).<br />
Was die Äbtissin Judith von Schwalenberg 1334 veranlaßte, die Zustimmung<br />
des Torbaues zu geben, wissen wir nicht. Wir können nur vermuten, daß<br />
sie sich bereden ließ, Geld brauchte oder daß der Herzog sie dazu bestimmte.<br />
Diesem Mauerring wurde später das Neue Dorf vorgelegt, das nach Mühes<br />
Ansicht 86) durch Zuzug der Einwohner des verlassenen Dorfes Abbatisconrod<br />
- bei Schachtenbeck gelegen - entstanden war. Schon 1273 erstmalig genannt<br />
87), blieb das Neue Dorf rechtlich außerhalb der Stadtgemeinde. 1433<br />
gestattete der Konvent des Marienklosters den Bau eines Grabens hinter dem<br />
Kloster 88). Er wird 1444 als der Neuendorfer Graben bezeichnet. Bei ihm stand<br />
auch ein Bergfried. Herzog Heinrich der Jüngere verstärkte die Befestigung an<br />
dieser Stelle. 1520 heißt es, daß "ein Teil der Marienkirche und des Klosterhofes<br />
zur Befestigung der Stadt Gandersheim genommen worden sind 89).<br />
Nachdem das Holenstratertor und das Tor neben der Burg verschwunden<br />
waren, wurde die Stadtmauer durch vier Tore unterbrochen und geschützt. 1345<br />
wird erstmalig das Hagentor genannt. Bertold de Angulo hatte ein Haus<br />
gebaut auf einer area "intra valvas indaginis Gandersem" 90). Das Tor bestand<br />
also aus zwei Toren, die die gesamte Neustadt einschlossen; allerdings zählte<br />
sie auf jeder Straßenseite nur acht Grundstücke. Das innere Tor stand unmittelbar<br />
neben der Burg (s. Merianstich), mit ihr durch eine Mauer verbunden. Noch<br />
1783 heißt es: "Von den Hagen Tbor oder Thurrn gehet eine starke Mauer bis<br />
unmittelbar an die Ecke des Amtshauses und durchschneidet den Amtsgraben"<br />
91).<br />
M) Nds. StAWb. Urk Abt. 6 Nr.467.<br />
8lI) Ha re n be rg a. a. O. S.9,O.<br />
86) M ü he a. a. O. S. 24.<br />
81) Nds. StA Wb. Urk Abt. 6 Nr. 82.<br />
118) Ebda. Urk Abt. 14 Nr. 82 und Abt. 41 Nr. 34.<br />
89) Ebda. Urk Abt. 14 Nr.191.<br />
80) Ebda. Urk Abt. H Nr.7.<br />
81) Acta iudicialia betr. die Wasserleitung aus dem in der Neustadt befindlichen<br />
Wallgraben in den Amtsgraben, im Gand. Heimatmuseum.<br />
91
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Auch der Hagen war in den Mauerring einbezogen. Das zeigt die Skizze<br />
von 15'80. Mehrfach finden wir auch die Angabe: "Haus und Hof gelegen vor<br />
dem Hagen bei der Mauer" (1483) 92) oder "Vorm Hagen an der Stadtmauer<br />
(1643) 93). 1609 wurde der sehr eingeebnete Wall wieder instand gesetzt ... Uf<br />
des Rates zu Gandersheims Bitte ist zu dem WaJIgebäude für dem Hagenthor<br />
verehret und nicht aus Pflicht gegeben worden 5 Gulden Munz", schrieb das<br />
Stiftskapitel 94).<br />
Das neue Galgentor wird 13 50 erstmalig genannt 95). Es war das wuchtigste<br />
T
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Es muß also ein doppelter Turm gewesen sein. Nach Merian und Leuckfeld<br />
war es ein runder Turm. 1647 heißt er abgekürzt: Königstunn 100). Mühe verzeichnet<br />
den Namen Königsturm noch 1855.<br />
Dann folgte der Turm "hinter Abt Sd1ünemanns Kinder Hause, bewohnet<br />
Re!. Andres Wäd1ter". Mühe kennt ihn als Katzentunn. Schließlich: "Tunn in<br />
der Stubenstraße, bewohnet der Wächter, hinfüro Re!. Hans Lindemanns" .<br />
Die Wasserversorgung der Stadt erfolgte durch Brunnen, von denen heute<br />
noch "Smellers Brunnen" vor dem Hagen am Ausgang der Petristraße fließt.<br />
Sie waren teilweise mit einem "Steinernen Schling" versehen, wie uns von dem<br />
Brunnen in der Galgenstraße 1692 überliefert ist 101). Sehr früh baute man<br />
eine hölzerne Wasserleitung, von der Teile im Heimatmuseum aufbewahrt<br />
werden, weitere Stücke wurden 1958 in der alten Gasse gefunden. 1433 wird<br />
berichtet, daß die Stadt eine Wasserleitung von dem Hofe des Hans von Roringen<br />
- heute Barfüßerkloster 7 und 10 - über die Freiheit nach dem Markt<br />
baute 102). In dem Amtsberkht von 1580 heißt es: "Im Smeilschen Sicke vor dem<br />
Marientor ist aum ein Springk, daraus wird das Wasser uff Herzog Wilhelmsburg<br />
in den Roren geleitet". Aum die Abtei erhielt dadurch ihr Wasser, denn<br />
am jetzigen Haus WilheImsplatz 4/5 (Doktorhof genannt) war eine Abzweigung<br />
nach der Abtei und der Wilhelmsburg.<br />
VI. Die Straßen<br />
Innerhalb der durch Mauern, Tore und Türme geschützten Stadt entwickelten<br />
sich die Straßen und Gassen. Es wurde nam einem Plan gebaut.<br />
Herzog Otto von Braunschweig erließ 1416 108) genaue Baubestimmungen für<br />
Mauern, Straßen und die Anordnung der Häuser. Wie die Häuser in der Straße<br />
stehen, wie Tore und Türen, wie die Fenster angelegt werden sollten, wird<br />
im einzelnen vorgesmrieben. In einer Urkunde von 15 3 7 finden wir das so<br />
gesagt: "also itzund tho Gandershem to buwende de gebruk is" 104).<br />
Wir müssen den Stadtplanem und Baumeistern unsere Homachtung bezeugen.<br />
Es ist vorbildlich, wie sie unter den naturgegebenen und durch die geschichtliche<br />
Entwicklung vorgegebenen Umständen ein so smönes und zugleich den<br />
Ansprüchen des Alltags entsprechendes Stadtbild smufen, ist meisterhaft. Man<br />
beachte, wie die Straßen auf den Markt münden und - stets davon abgesetzt -<br />
weiterführen; wie der Steinweg vor dem Frauenhaus zum Heiligen Geist<br />
(Nr. 19 ass. 90) nach remts einbiegt; wie die Moritzstraße sich nam Einmündung<br />
der Alten Gasse verbreitert, wie "Vor dem Hagen" das östlime Haus<br />
100) Nds. StA Wb. Hs VII B 36 Vol. 6 BI. 61 R.<br />
101) Akte im Heimatmuseum.<br />
10') Ha ren b erg a. a. o. S. 889.<br />
lOS) Nds. StA Wb. Urk Abt. 41 Nr. 20.<br />
1(4) Ebda. Hs VII B 28 BI. 106 R.<br />
93<br />
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(Buchhandlung Franziskus) vorgestellt ist - stets anmutig und niemals langweilig.<br />
Bedenken wir die Enge der Stadt, den gegebenen Stiftsbezirk, den Verlauf<br />
der heiden sich kreuzenden Heerstraßen und die Gande - so überrascht,<br />
wie immer wieder kleine Plätze und Winkel (am Eingang der Bader- ebenso<br />
wie der Henneberg- und der Moritzstraße) geschaffen wurden.<br />
Man pflegte auch die Wege, wie schon 1389 berichtet wird 105), pflasterte<br />
Zugänge zu den Gebäuden 106), schuf eine steinerne Brücke über die Gande<br />
(13 ,7) 107).<br />
Das Schoßbuch 1)72-1582 bringt in seinem letzten Jahrgang 1582 erstmalig<br />
eine Aufgliederung der Straßen, die wir dahin nur aus einzelnen Urkunden<br />
erschließen können. Das Schoßbuch von 1590-1608 lOB) führt diese<br />
Gliederung fort und ermöglicht einen klaren Überblick. Der Stiftsbezirk fehlt<br />
darin. Die Straßen sind:<br />
Galgenstraße (heute Moritzstraße) 1434 erstmalig (Urk. 41, 35),<br />
Olde Gasse (Alte Gasse) 1467 (Stadtbuch BI. 1)7), vielfach auch Hohle Gasse<br />
genannt,<br />
Großer Steinweg und Kleiner Steinweg - heute Steinweg,<br />
Stubenstraße (Baderstraße) 1454 (Urk. 41, 47),<br />
PEerdetränke (Hennebergstraße) 1480 (Urk. 41, 70). Die von Steinacker und<br />
Mühe erwähnte Jahreszahl 1383 ist irrtümlich, die Urkunde 41 Nr.12<br />
stammt von 1483.<br />
Mühlenstraße (heute Burgstraße) 1433 (Hs. VII B 13 BI. 15 8),<br />
Rimpaul (Stadtwall) erstmalig im Schoßbuch, 1582,<br />
Plan - wie heute - erstmalig im Schoßbuch, 159"<br />
Neue Stadt - wie heute Neustadt,<br />
Vorm Hagen - wie heute, 1399 (Urk. 6, 256),<br />
Neues Dorf - heute Bismarckstraße - 1273 (Urk. 6, 82).<br />
Die Häuser des Marktes sind nicht erwähnt, sie gehörten entweder dem<br />
Stift (Nr. 8 und 9), oder rechnen zur Galgenstraße (Nr. 1-3), zum Steinweg<br />
(Nr.4 und 5) oder zur Mühlenstraße (Nr. 6).<br />
Verschwunden sinJ in dieser Zeit bereits folgende Straßen:<br />
Die alte Burgstraße (1432, 34 und 41 - VII B 13 BI. 152 R, 162, 180), sie verschwand<br />
durch Erweiterung der Burg - heute Plangarten,<br />
Die Horengasse (1402 - Urk. 6, 264), die Worstmekerstraße (1454 - Urk. 6,<br />
468),<br />
94<br />
1(11) Ebda. Urk Abt. 41 Nr. 15.<br />
1(8) Fabrikregister von 1578 im Pfarrardliv der Stiftskirchengemeinde.<br />
10'7) Nds. StA Wb. Urk Abt. 6 Nr. 180.<br />
10") Im Heimatmuseum.
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Im Rosenhagen (1520 - Urk. 14, 189); zugleich wird für ihn bezeugt, daß er<br />
nun Stubenstr
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Es handelt sich durchweg um Fachwerkhäuser. die teilweise sehr reich ver~<br />
ziert sind und viele Figuren haben. Am Bracken ist besonders der steinerne<br />
Unterbau bemerkenswert. Alte Toreinfahrten und Dälen sind erhalten in den<br />
Häusern Steinweg 36 (ass. 112). 37 (ass. 113).<br />
Jede mittelalterliche Stadt hatte bestimmte Häuser. die nicht fehlen durften.<br />
Zu den gesundheitlich notwendigen Einrichtungen gehörte die Badstube. der<br />
Stoven. Sie wurde von der Stadt unterhalten und vom Rat beaufsichtigt. Er<br />
verpachtete sie an den Bader oder Stover. Der erste uns erhaltene Pachtvertrag<br />
stammt von 1520. wobei vermerkt wurde. daß der Stoven neu gebaut war 110).<br />
1425 wird ein Haus beschrieben .. gelegen up den lütken Steinen bei der<br />
Bürgerbadstube" 111). 1439 genauer: .. gelegen vor dem Georgentor auf den lüt~<br />
ken Steinen zwischen Henning Gasth
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Der Abdecker und Scharfrichter wohnte in einem Hause vor dem Georgentor<br />
auf dem kleinen Steinweg, ass. Nr. 95 und 96.<br />
Vor dem Georgstor lag das "Frauenhaus zum Heiligen Geist", eine Stiftung<br />
für bedürftige Frauen, 1238 bei einem Gesundbrunnen von der Äbtissin<br />
Bertha 11. gegründet, nachdem bereits 1210 Papst Innozenz III. eine Untersuchung<br />
über die Wunderheilungen angeordnet hatte. Es diente zunächst als<br />
Hospital und besaß eine Kapelle, diente im Mittelalter den "Beginen" und<br />
erfüllt noch heute seinen Zweck. Das heutige Haus ist ein Fachwerkbau aus<br />
dem Jahre 1762 116 ).<br />
Auch vor dem Moritztor lag ein Armenhaus, das 10 Insassen Wohnung<br />
gewährte und verschwunden ist 117).<br />
Noch weiter von der Stadt hatte man ein Siechenhaus gegründet, nämlich<br />
2 km entfernt, kurz vor dem Rittergut Rimmerode. Es wird 1506 erstmalig<br />
erwähnt und erfüllte seinen Zweck - zuletzt als Armenhaus - bis ins 19. J ahrhundert,<br />
wurde dann an das Rittergut verkauft, das eine Schäferei einrichtete,<br />
wonach es seinen Namen heute trägt. Der jetzige Bau stammt aus dem 18. Jahrhundert,<br />
doch sind die Fundamente aus dem elften Jahrhundert 118).<br />
VIII. Die Stiftsfreiheit<br />
Wir haben miterlebt, wie der Stiftsbezirk seine schützende Mauer aufgab,<br />
ja von der Stadtmauer in die Mitte genommen wurde. Die alte Mauer war teils<br />
weggefallen, wie am Markt, teils wurde sie durch Häuser ersetzt, wie wir am<br />
Plan und Hagen sowie in der Burgstraße deutlich sehen können, wo Häuser-.<br />
inseln in Hufeisenform entstanden sind. Selten wird dieser Vorgang urkundlich<br />
greifbar wie 1491, wo die Äbtissin verlehnt : "van unse Ebtei hove de stede<br />
van einem orte ... wente an unse Muren tegen de borchstraten" 119).<br />
Wie wenig zunächst Stifts- und Stadtgrenzen unterschieden waren, hat um<br />
Hans Goetting an Hand der Urkunde von 1196 deutlich gemacht. Er sagt: "Die<br />
Pfarrgrenzen waren nicht lokaler Art. Durch sie wurden vielmehr die Personalverbände<br />
der Stiftsleute, die dem Hofrecht unterstanden, und der Kaufleute<br />
voneinander geschieden". Deshalb konnte das Stift die eigenen Mauern zunächst<br />
fallen lassen.<br />
Das änderte sich, als die Stadt sich vom Stift freimachte. Jetzt gewann der<br />
alte Stiftsbezirk (murus urbanus von 1188) neue Bedeutung. Es taucht neu der<br />
Begriff: "Stiftsfreiheit" als Ortsbezeichnung auf.<br />
116) Kr 0 n e n b erg, Das Frauenhaus zum Heiligen Geist, Bad Gandersheim 1955,<br />
Sonderdruck aus Gandersheimer Kreisblatt.<br />
117) B r a c k e bus c h in Gander5h. Wochenblatt ISS; Nr. 57.<br />
UR) Kr 0 ne n b erg, Hospital. Siechenhaus und Badstube, in Gandersh. Kreisblatt<br />
11. 3. 1961, ferner Hans-Günther G r i e p, Südniedersachsen, eine medizinische Topographie,<br />
Hameln 1961, S. 42.<br />
119) Nds. StA Wb. Hs VII B 14 BI. 55.<br />
97<br />
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1378 wird erstmalig von einer Stätte gespromen, die zu der Freiheit<br />
gehört 120), 1398 wird Gerhard von Gandersheims Kurie genannt: "gelegen<br />
auf der Stiftsfreiheit . .. nach dem Münster zu" 121), 1418: Haus und Hof<br />
der von Oldershausen "gelegen up de Freiheit to Gandersem" 122)' und nun in<br />
zahlreichen Urkunden. Als der Priester Werner Raphon 1481 dem Marienkloster<br />
eine Bücherei schenkt, bestimmt er, sie solle bei Ausbrum eines Krieges<br />
oder einer Fehde in die Stadt Gandersheim auf die Freiheit gebracht werden 123).<br />
Die remtlime Bedeutung der hier liegenden Häuser bestand nun darin,<br />
daß der Rat der Stadt ebenso wie der herzogliche Amtmann kein Steuer-,<br />
kein Straf- und kein Baurecht hatten. In den schwierigen Zeiten des Dreißigjährigen<br />
Krieges mit seinen vielen Lasten entbrannte heftiger Kampf darum,<br />
daß der Rat hier den Soldaten keine Quartiere anweisen konnte. Stadt und<br />
Stift eiferten darin, die Verhältnisse der Häuser darzulegen, so daß wir tiefe<br />
Einblicke in deren Geschichte und ihre Besitzer erhalten 124).<br />
Zur Stiftsfreiheit gehörten der heutige Wilhelmsplatz, der Domänenhof und<br />
der Fronhof, ferner die Häuser Markt 8 und 9. Der Bezirk deckt sim also im<br />
wesentlimen mit der alten Stiftsburg. Trotz vieler Übergriffe und Kämpfe gelang<br />
es dem Stift, seine Rechte zu wahren.<br />
Den schwersten Einbrum erzielte der Rat im Papenkrieg von 1452-68, wo<br />
er gegenüber der Abtei auf Stiftsgebiet die sogenannte Tummelburg erbaute<br />
(heute Tummelburg 1). Trotz Verhängung des Bannes und obwohl der Rat sich<br />
verpflimtete, den neuen Bau abzureißen, blieb das Gebäude bis 1821 bestehen,<br />
wurde von der Stadt als Smreiberei, als MädchenschuJe und als Wohnung<br />
benutzt 125).<br />
Herzog Wilhelm der Jüngere von Braunschweig-Lüneburg begann ferner auf<br />
der Stiftfreiheit mit dem Bau der WilheJmsburg als Witwensitz für die Herzogin<br />
Elisabeth (t 1521), die dann aber doch nicht hier wohnte, vielmehr erst ihre<br />
Schwiegertochter Herzogin Katharina, die hier als Witwe lebte. Später war das<br />
Haus lange im Besitz der Familie von Brünig, wurde 1756 Stadtbrauhaus und in<br />
der alten Art 1872 neu gebaut.<br />
Der Herzog gründete auch das Barfüßerkloster 126), das den ganzen Südteil<br />
der Stiftsfreiheit einnahm, noch heute im Stadtbild gut erkennbar ist, obwohl<br />
die Kirche im 16. Jahrhundert abgerissen wurde, die Klostergebäude umgebaut<br />
120) Ebda. Urk Abt. 41 Nr. 11.<br />
121) Ebda. Urk Abt. 6 Nr.254.<br />
122) Ebda. Urk Abt. 6 Nr.313.<br />
123) Ebda. Urk Abt. 14 Nr. 127.<br />
124) S. oben Anm.29.<br />
12&) 5 t ein ac k e r a. a. O. S.214.<br />
126) Kr 0 n e n b erg, Die Bettelmönche von Gandersheim, in Gandersh. Kreisblatt<br />
3.8., 8.8. und 10.8.1957.<br />
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wurden und schließlich 1834 abbrannten. Von der Kirche haben wir eine flüchtige<br />
Skizze, die mit der Abbildung im Plan von 15'80 übereinstimmt.<br />
Die Einbrüche des Herzogs und der Stadt wurden im 18. Jahrhundert wettgemacht.<br />
Als in der Zeit des Absolutismus Töchter und Enkelinnen Braunschweiger<br />
Herzöge Äbtissinnen wurden, gelang es ihnen dank ihrer guten<br />
Beziehungen zum Hofe, viele der verlorengegangenen Gebäude wieder zu erwerben<br />
und den Domänenhof abzurunden. Jetzt entstand die Domäne.<br />
IX. Die heutige Stadt<br />
Am 27. März 1580 reichte der Amtmann Johann ScharH von Gandersheim<br />
dem Herzog einen "Abryss und Vertzaychnuss des Amptes Gandersheim" ein,<br />
dem eine Karte beigefügt war 127). Abbildung 3 zeigt uns daraus die Stadt<br />
Gandersheim in einem Ausschnitt. Die Zeichnung ist erstaunlich genau. Da sie<br />
vor dem großen Brand vom 22. 11. 1580 entstand, sehen wir das mittelalterliche<br />
Stadtbild.<br />
Der Mauerring mit den vier Stadttoren ist noch vollständig erhalten, von<br />
den Wehrtürmen ist der Hohe Turm an der rechten Ecke der Stadtmauer und<br />
der Königsturm links von der Georgsmühle eingezeichnet. Die Burg hat ihren<br />
eigenen Ausgang über die Gande.<br />
Moritzkirche und Rathaus sind noch getrennte Gebäude, die Kirche des<br />
Barfüßerklosters ist noch erhalten, ebenso das Marienkloster. Der Domänenhof<br />
ist mit Gebäuden gegen die Burgstraße abgegrenzt.<br />
Den großen Brand von 15'80, dem Südteil und Westteil der Stadt zum Opfer<br />
fielen, benutzte der Rat, die dichtbebaute Innenstadt aufzulockern.<br />
Die Kellergasse entstand 128). Die Stiftskurie des Kanonikers Georg Jakobi<br />
reichte bis an die Marktkirche. 1584 erwarb die Stadt einen Teil, um "ihren<br />
Brandschaden soviel als möglich künftiger Zeit zu verhindern" 129).<br />
Die Reutergasse 180) verband neu den Wilhelmsplatz mit der Moritzstraße.<br />
Hier grenzte die Wilhelmsburg unmittelbar an den Hof der Familie von Stöckheim.<br />
Von diesem wurde ein Teil abgetrennt. "Diese Stelle ist vom Capitel dem<br />
Rate zur Erweiterung der Gassen cediret" 181).<br />
Schließlich wurden die verbliebenen Bauteile der Marktkirche und des Rathauses<br />
zu einem Bau vereinigt; der heutige sehr eigenwillige Rathausbau entstand,<br />
durch die große Freitreppe und die Balustrade gefällig, sonst nur in<br />
Einzelteilen künstlerisch befriedigend.<br />
127) Nds. StAWb. L Alt Abt. 26 Nr. 1169.<br />
128) Nach dem Ratskeller genannt.<br />
129) Nds. StA Wb. L Alt Abt. 11 Gand. Fb. 1, VIII Nr. 23.<br />
130) Nach dem um 1768 hier wohnenden Bäckenneister Friedrich Reuter genannt.<br />
131) Wie Anm. 3, BI. 72.<br />
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Beim Betrachten des Stadtplanes stellen wir fest, wie wenig sich im Stadtkern<br />
geändert hat. Die späteren Brände von 1597,1660,1755 132 ) hatten keine<br />
Auswirkungen auf die Gestaltung der Straßen; die Häuser wurden neugebaut -<br />
das war alles.<br />
Um diese Zeit beginnt die Reformation sich auszuwirken, die nach einem<br />
Anlauf von 1542-47 endgültig 1568 durchgeführt wurde. Die Kirche des BarfüßerkIosters<br />
zerfällt, Merian zeigt nur noch das Dach, Leuckfeld nicht mehr.<br />
Die Gebäude wurden zu Wohnungen für die Kirchenbediensteten umgebaut.<br />
Nach dem Brande von 1834 entstanden die jetzigen Häuser, deren Anordnung<br />
noch immer die alte Fonn erkennen läßt.<br />
Auch die Gebäude des Marienklosters wurden abgetragen. Der Merianstich<br />
zeigt noch eine stattliche Kirche, die bei Leuckfeld fehlt. Nach den Kirchenrechnungen<br />
der St.-Georgs-Kirche 133) wurden in den Jahren 1615-17 die<br />
Umfassungsmauern des Georgsfriedhofes mit den Steinen des Klosters neugebaut.<br />
Noch heute sehen wir hier Steine mit Weihekreuzen in ihr eingemauert.<br />
Vom alten Kloster kündet nur noch ein gewaltiger Stall und der Straßenname<br />
Marienkloster. Bei Bauten in den Hinterhöfen der Häuser Bismarckstraße 37-42<br />
fand man Gebeine vom alten Klosterfriedhof und Münzen des 14. und 15. Jahrhunderts.<br />
Die Peterskapelle vor dem Neuendorf verschwindet so völlig, daß wir wedert -,:. ~<br />
ihre genaue Lage noch etwas von ihrem Bau wissen. ;:= ~<br />
-,-j -;:;<br />
Da das Stift auch nach der Reformation fortbestand, blieben seine Gebäudel _.: ~<br />
trotz aller Eingriffe und gewisser Verluste im wesentlichen bestehen. Im Gegen-I ~:~ . ~<br />
teil, es gelang, viele Häuser im 18. Jahrhundert zurückzuerwerben. An Neu-j w,-,><br />
bauten entstand 1726 das westliche Abteigebäude mit dem Kaisersaal, den die<br />
Äbtissin Elisabeth Ernestine Antonie schuf.<br />
Die Stadtbefestigung wurde im 18. Jahrhundert unnötig. Man begann mit<br />
dem Abriß der Tore und Stadtmauern. Als erstes Tor wurde 1755 das Georgentor<br />
abgerissen, es folgten Hagen- und Marientor, zuletzt das Moritztor, einst<br />
Galgentor genannt 184).<br />
Die allgemeine Landaufnahme von 1768 135 ) mit ihrem Verzeichnis aller<br />
Häuser und Grundstücke sowie der ersten topographisch genauen Karte zeigt<br />
den Zustand, der bereits seit hundert Jahren bestand und noch fast hundert<br />
Jahre bleiben sollte, ja im Kern noch heute vorliegt. Danach hatte Gandersheim<br />
330 Häuser und eine Einwohnerzahl von 1698 Personen.<br />
132) B r a c k e bus c h in Gandersh. Wochenblatt 185> Nr.57.<br />
133) Im Pfarrarchiv der Stifts kirchen gemeinde.<br />
134) B ra C k e bus eh in Gandersh. Wochenblatt 1855 Nr.63 und 74.<br />
135) Nds. StA Wb. F 208; ich benutzte eine beglaubigte Abschrift von 1799 im<br />
Gandersh. Heimatmuseum.<br />
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Nam der Gründung des zweiten Deutsmen Reimes 1871 wums aum Gandersheim<br />
über seinen mittelalterlimen Stadtring hinaus. Es dehnte sim nam<br />
allen vier Himmelsrichtungen. die ihm durm die alten Straßenführungen vorgezeichnet<br />
waren.<br />
Zunächst erfolgte die Ausdehnung nam Norden. im Tal der Gande nam<br />
Brunshausen-Hildesheim. Hier wurde 1878 das Herzog-LudoH-Bad gebaut.<br />
dessen Gebäude zwar wieder abgerissen. aber in diesem Jahrhundert in anderer<br />
Form für den Badebetrieb wiedererrimtet wurden. 1932 erhielt die Stadt das<br />
Remt. sim Bad Gandersheim zu nennen. Nun entstanden hier Kurhaus. Badehaus.<br />
Wandelhalle. Kurpark und viele Fremdenheime.<br />
Da sich nam dem zweiten Weltkrieg die Berliner GeseIIsmaft: .. Auer-Glaswerke"<br />
anbaute. entstand hier ein nun selbständiges Werk mit vielen Werkswohnungen.<br />
so daß die Hildesheimer Straße bis Brunshausen vollständig<br />
bebaut ist.<br />
Die zweite Ausdehnung gesmah nam Osten. wo das ehemalige Neue Dorf.<br />
nun Bismarckstraße genannt. sim bis zum Dorf Wresmerode erweiterte. Hier<br />
entstand 1878 das Gymnasium. Das nördlim ansmließende Gelände mit den<br />
alten Flurbezeichnungen Graseweg. In den Gründen. Hinter der Münze wurden<br />
zwischen den beiden Weltkriegen im Landhausstil bebaut. Hier entstand 1929<br />
die Volks- und Mitte!sdlUle.<br />
Zu Beginn des Jahrhunderts begann die Stadt sim nach Westen über die<br />
St.-Georgs-Kirche zu er&trecken. Größeren Umfang nahm die Bebauung hier<br />
an. als das Gebiet des Salzberges. der Salzwiese und Gandestraße durm ein<br />
Heimstättenwerk 1936 ersmlossen wurde. Seit 1950 entstand anschließend:<br />
.. Unter der Clustrift" ein weiteres großes Wohnviertel. dessen Bebauung noch<br />
nidlt beendet ist.<br />
Nam Süden. vor dem alten Moritztor. wurde die Neue Straße zu Beginn des<br />
Jahrhunderts gebaut. Hier lag seit 1856 der Bahnhof der Eisenbahnstrecke<br />
Braunschweig-Kreiensen und Hildesheim-Kreiensen. Dann zogen sich die<br />
Häuser den Berg empor. zuerst an der Northeimer Straße und schließlim<br />
daneben an den Hohen Höfen. Hier wurden Straßen nam Gandersheimer<br />
Heimatforschern wie Brackebusch und AdoIf Mühe genannt.<br />
Der sichtbarste Eingriff in das Landschaftsbild war 1936 der Bau der<br />
Motorsportschule auf dem kleinen Osterberg. der heutigen ZoIIschule. und 1961<br />
der Bau des Evangelischen Krankenhauses auf der Dämmheide des Hagenberges.<br />
Die Befürchtungen. daß das alte. ein Jahrtausend von den Türmen der Stiftskirche<br />
beherrschte Stadt- und Landschaftsbild durch diese Neubauten gestört<br />
werden würde. bewahrheitete sich nicht. Die Stiftskirche ist nach wie vor Mitte<br />
des Bildes. Aber das sie umgebende Städtchen ist nun nicht mehr klein und<br />
verschI.afen. von alter Bedeutung träumend. sondern es ist Mittelpunkt eines<br />
Landkreises mit vielen Behörden und Geschäften. es ist ein moderner Kurort.<br />
dem Neuen zugewandt. sich seiner großen Vergangenheit bewußt.<br />
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Die Hugenottengemeinde Braunsmweig (II)<br />
Von<br />
Wilhelm Beuleke<br />
I. Die Pfarrer der Braunsdtweiger Hugenotten.<br />
Bei der Darstellung des inneren Lebens der Braunschweiger Hugenottengemeinde<br />
beginnen wir mit den Ptarrern, wenn auch die reformierte, anders<br />
als die lutherische Kirche, niemals vorwiegend eine Pastorenkirche gewesen ist.<br />
Abgesehen von Daniel de H a y e / H ase 0) aus Bremen, der als cand. theo1.<br />
die Braunschweiger Reformierten seit September 1704 provisorisch bediente,<br />
war Hermann Reinhold P au I i der erste ordentliche reformierte Pfarrer Braunschweigs<br />
überhaupt, der, leicht pietistisch eingestellt, weit über den engen<br />
Rahmen seiner kleinen Gemeinde hinaUs wirkte. Wie seine Berufung von<br />
Reformierten deutscher und französischer Zunge gemeinsam in die Wege<br />
geleitet worden war, so pastorierte er anfangs auch die Braunschweiger reformierte<br />
Gesamtgemeinde **). Nach allem, was wir von seiner Herkunft<br />
und seinem Werdegang wissen, war er der rechte Mann am rechten Ort<br />
und schien geradezu vorherbestimmt, innerhalb der reformierten Gesamtgemeinde<br />
den innigen Konnex zwischen den deutschen und französischen Elementen<br />
herzustellen und die nationalen Verschiedenheiten auszugleichen. Nach<br />
seinem ganzen Herkommen sowie dem Zeitalter und der Gesellschaftsschicht,<br />
der er zugehörte. entsprechend. muß er des Französischen so weit mächtig<br />
gewesen sein, daß er jederzeit in der Lage war, nach kürzerer Vorbereitungszeit<br />
kleinere Ansprachen halten zu können, wenn auch nicht anzunehmen ist,<br />
daß er das Französische grammatisch und stilistisch völlig beherrschte und seine<br />
Aussprache ganz akzent frei war. H. R. Pauli wurde am 28. 11. 1682 in Marburg/Lahn<br />
geboren, und zwar als Sohn des Pfarrers und Theologieprofessors<br />
Reinhold P. ***) und der ihm am 26. VI. 1666 37 angetrauten Marie EIis. Toussaint,<br />
Hil1weis: Die hochgestellten Zahlen im Text weisen auf die Nummern des Quellenund<br />
Schrifttumverzeichnisses in Teill hin (Braunschw. Jahrb. Bd. 43 (1961) S. 100).<br />
*) Er traf am 20. IX. 1704 in Braunschweig ein; sein Vater Kornelius de H. war<br />
Professor zu St. Martini in Bremen 18.<br />
0') Nachdem es seit 170S ~~i--I~J.Q.rJ!lier~Gemeinden in Braunschweig gab. eine<br />
deutsch- und eine französisch-reformierte. die sich 1811 zur evgl.-reform. Gemeinde<br />
vereinigten. waren Pastor Paulis Nachfolger im deutsch-reformierten Pfarramt während<br />
des 18. Jahrhunderts: a) Gottfried Jüngst von 1725-39. der wahrscheinlich mit Pastor<br />
Pauli verwandt war und nach Bremen (zurück-?) ging. b) G. F. Kirchhoff von 1740-82.<br />
der als 70jähriger in Braunschweig starb. und c) schließlich Joh. Friedr. Petr!. der. 1751<br />
zu Hoym in Anhalt geboren. seit Okt.1772 in Bernburg und seit Nov. 1782 in Braunschweig<br />
wirkte. wo er am 24.1. 1830 starb.<br />
"') Reinhold Pauli stammte aus Danzig und hatte seit 1656 das .Gymnasium<br />
ilIustre" in Bremen besucht. vgl. Friedr. Pr ü s e r. Das Bremer Gymnasium ilIustre in<br />
seinen landschaftlichen und personellen Beziehungen (Brern. lahrb. 45 - 47. 1957-<br />
1961). _..<br />
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der 1648 geborenenen Tomter des Heidelberger Kirmenrats und Theologieprofessors<br />
Daniel T. (15'90-1655) aus Montbeliard i. d. Freigrafsmaft Burgund<br />
55. Wenn es rimtig ist. daß die Sprame der Mutter die Sprame der Kinderstube<br />
ist. dann hat H. R. Pauli das Französisme und dessen Tonfall gleichsam<br />
mit der Muttermilch eingesogen. Aum in den Freundes- und Universitätskreisen<br />
seines Vaters dürfte er viel Französism vernommen haben. Als er 1702 Hofprediger<br />
der Fürstin Elis. Charlotte in Nassau-Smaumburg wurde. mußte er<br />
zwangsläufig Französisdl parlieren. einmal in den Hofkreisen und zum anderen<br />
mit den in das Ländchen. nach Holzappel i. d. Esterau u. a. O. eingeströmten<br />
Waldensern sowie deren Pfarrern.<br />
In einem Smreiben vom 30. IV. 1705 18 wenden sim Philippe Le Bade.<br />
Isaac Crayen. Samuel Heurteaux. Franc;ois Fillecy (1). Maximilien Bemapre<br />
und Ludwig Spitta zusammen mit Landbaumeister Hermann Korb. lohann<br />
Kraul sen. und jun.. Dietrich Conradi. Hermann Meyer, Albert Giffenich.<br />
Henrim VogeIsang. Georg Hegeler und anderen Deutschreformierten an Prof.<br />
Tilemann *) in Marburg mit der Bitte um seine Unterstützung. Pastor Pauli<br />
zur Übernahme des ref. Pfarramts und zur Übersiedlung in die Hauptstadt des<br />
Landes zwischen Harz und Heide zu bewegen. Diese vereinten Bemühungen<br />
hatten Erfolg. denn Pastor Pauli **) traf am 10. VI. 1705 in Braunsmweig ein<br />
und hielt am H. VI. seine Antrittspredigt. 1724 ging er nach Frankenthal/<br />
Pfalz und 1728 nach Halle/S .• wo er am 5. II. 1750 das Zeitliche segnete. Mit<br />
Pastor Pauli hatten die Braunsmweiger Reformierten eine überaus Elückliche<br />
Wahl getroHen. ja die überhaupt bestmögliche Lösung gefÜiiIen.-Ging-auCb<br />
damals Konfession vor Nation. stand dem reformierten Deutsmen der Reformierte<br />
fremder Nationalität näher als der katholische Landsmann und wogekehrt.<br />
so gab es zwischen den deutsmen und französischen Elementen innerhalb<br />
der reformierten Gesamtgemeinde, bedingt durch die verschiedenen Lebensgewohnheiten,<br />
Sprachen und nationalen Temperamente, Spannungen und<br />
Differenzen genug. die des Ausgleichs bedurften. Bindeglied zwisdlen den heiden<br />
Nationen der Braunschweiger Reformierten zu sein, dazu war Pastor Pauli<br />
geradezu prädestiniert, er war nicht nur Deutscher, sondern seiner Abstam-<br />
*) Philipp Joh. Tilemann gen. Schend
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mung nach auch Franzose, denn mütterlicherseits floS in seinen Adern bestes<br />
hugenottisches Blut, in seiner eigenen Natur hatten beide Nationen ihre innigste<br />
Verschmelzung gefunden.<br />
Pastor Pauli stammte aus Marburg. Zweifelsohne waren ihm die beiden<br />
dortigen Theologieprofessoren Tilemann und Gautier als Kollegen seines Vaters<br />
persönlich bekannt, vielleicht war des Letztgenannten Sohn Thomas sein Spielgefährte<br />
gewesen, da derselbe mit ihm etwa gleichaltrig war. Wenn nicht alle<br />
Zeichen trügen, kam Pfarrer Thomas Gau ti erd. J. auf Anregung und Empfehlung<br />
von seiten Paulis und vielleicht ebenfalls durch Vermittlung von<br />
Professor Tilemann, der eine direkte Verbindung zum Ohr des regierenden<br />
Herzogs besessen haben muS, nach Braunschweig. Thomas Gautier war gebürtig<br />
aus Die im Dauphine. Sein gleichnamiger Vater Thomas Gautier d. Ä. stammte<br />
aus Villaret-en-Pragelas, gelegen an der wichtigen MilitärstraSe Brianc;:on<br />
Pinerolo; seine Geburtsheimat ist das Pragelas im Val Cluson in den piemontesischen<br />
Waldensertälem, das heute zur italienischen Provinz Turin gehört,<br />
jedoch von 1631-1713 einen Teil des Dauphine und damit Frankreichs bildete.<br />
Bereits 1665' wird Thomas Gautier d. Ä. als Waldenserpfarrer von FenestrelIeen-Pragelas<br />
genannt 54<br />
und wurde später Theologieprofessor in Die im<br />
Dauphine. also an einer der acht protestantischen Universitäten Frankreichs.<br />
Er war Sohn eines Notars und wanderte nach dem Widerruf des Edikts von<br />
Nantes im Oktober 1685' über Genf und Zürich. wo er über ein Jahr verweilte.<br />
nach Hessen ein. 1687 lieS er sich end!!Ültig in Marburg nieder, pastorierte<br />
die dortigen Hugenotten. lehrte an der Universität reformierte Theologie und<br />
starb ebendort am 27. V. 1709. etwa 71 1 /4 Jahre alt 12. Seine Gattin Franc;:oise<br />
Elisabeth Segaud aus GrenobIe im Dauphine starb in Marburg am 3. JII. 1736 '1<br />
und ist vermutlich eine Tochter des Advokaten PieITe Segaud und der Marie<br />
Brusson. die beide ebenfalls im Marburger Refuge das Zeitliche segneten. Marie,<br />
die Schwester von Thomas Gautier d. J .• vermählte sich am 10. XII. 1704 zu<br />
Marburg 12 mit Pierre Chandon, einem der Hugenottenpfarrer von Frankfurt<br />
am Main. Thomas Gautier d. J. wurde im August 169; in Marburg als stud. phi!.<br />
immatrikuliert. 1703 seinem Vater als Hilfsprediger beigegeben. am 1. I. 170,<br />
Sprachlehrer an der Universität und ging nach dem 26. VII. 170; nach Braunschweig.<br />
Sein Wirken in der Okermetropole wird durch zwei Daten dokumentiert:<br />
am 1. X. 170; begibt er sich zusammen mit Pastor Pauli nach WoIfenbüttel<br />
zur Vereidigun!o!18 und anfangs Dezember 1705' vertritt er seinen Kollegen<br />
Pauli bei einer Taufe 18. Von Thomas Gautier d. J. liegt überhaupt nichts<br />
Handschriftliches vor, wie er es auch versäumte. ein Presbyterium durch Urwahl<br />
seitens der Familienhäupter bilden zu lassen und kirchliche Register über vollzogene<br />
Taufen. Trauungen und Beisetzungen zu führen. Am 25'. XI. 170; vermählte<br />
er sich in WoIfenbüttel 19 mit Jeanne Varnier, die, wenn nicht alles<br />
täuscht, der bekannten Kasseler Familie entstammt und damit wahrscheinlich<br />
aus Frignicourt in der Champagne gebürtig ist. Wir kennen den Grund, wes-<br />
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halb Thomas Gautier d. J. so restlos versagte: Er wurde geisteskrank und<br />
endete unglücklich im Irrenhaus zu Haina in Hessen 57.<br />
Kann für den Zeitraum von 1705-08 von einem geordneten kirchlichen<br />
Leben bei den Braunschweiger Hugenotten nicht gespr
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X<br />
in Hannover wirkend. verstarb er dort am 10. I. 1760 5 . Er ist der Verfasser<br />
der "Bibliotheque curieuse de livres difficiles a trouver" 36. Er war zweimal<br />
verheiratet. seit 1730 mit Amelie Valescure. einer Tochter des Kasseler Kaufmanns<br />
Durand Valescure. und in zweiter Ehe mit Elisabeth Combre. der Witwe<br />
des Gesandtschaftssekretärs Jeremie Henri Laurent. Sein Vater David Clement<br />
d. Ä. stammte aus Villaret-en-Pragelas in den piemontesischen Waldensertälern.<br />
wanderte 1685 im Anschluß an die Aufhebung des Edikts von Nantes<br />
über Genf und Schaffhausen nach Hessen ein. amtierte seit 1686 in Hofgeismac.<br />
pastorierte fast 40 Jahre lang die hugenottischen Religionsflüchtlinge in<br />
H{)fgeismar. Karlsdorf. Schöneberg. Kelze. Hombressen und Grebenstein als<br />
ein wahrer Patriarch und gilt als der Vater der Hugenotten- und Waldenserkolonien<br />
im nördlichsten Kurhessen. Er starb in Hofgeismar am 29. I. 1725<br />
als Achtzigjähriger und war ebenfalls zweimal vermählt: in erster Ehe seit dem<br />
2. VI. 1680 54 mit Marguerite Pastre aus Mentoulles-en-Pragelas. die am<br />
22. VIII. 1685 54 in Mentoulles beigesetzt wurde. 31 Jahre alt. und in zweiter<br />
Ehe verheiratete er sich in Hofgeismar am 1. VIII. 1700 13 mit der erheblich<br />
jüngeren Susanne Mary aus Metz in Lothringen. die ihren Gatten fast ein<br />
Vierteljahrhundert überlebte und am 3. X. 1749 in Hofgeismar verstarb. etwa<br />
7'5 Jahre alt 13.<br />
David Clements d. J. Nachfolger in Hofgeismar und Braunschweig war<br />
Daniel Are hin a r d aus Genf in der Schweiz. Sein Vater Andre Archinard<br />
stammte aus dem Dauphine und wurde 1702 Bürger der Republik Genf. wo er<br />
jedoch schon früher als .. habitant" *) gewohnt haben kann. Am 8. IX. 1700<br />
in der schönen Stadt am Lac Hman geboren. amtierte Danicl Archinard seit<br />
1733 in Schwabach bei Nürnberg. seit 1736 in Wolfhagen/Hessen. seit 1740<br />
in Hofgeismar und seit Ende 1744 in Braunschweig. wo er am 29. XII. 1755 16<br />
sein Leben beschloß und am 1. I. 1756 58 begraben wurde. Seine Gattin Marie 58<br />
de Bomier folgte ihm bald nach und wurde am 30. VII. 1756 58 beigesetzt.<br />
und zwar wie ihr Gatte in der Bartholomäuskirche. Wenn nicht alle Zeichen<br />
trügen, ist sie eine Tochter des Schwabacher Koloniedirektors Philippe de Bornier<br />
aus Montpellier im Languedoc und dessen Gemahlin Marg. de Savin aus<br />
St. Cartonningue (7) in den Cevennen 15.<br />
Je näher wir der Gegenwart kommen. desto weniger wissen wir von da<br />
Braunschweiger Hugenottenkolonie und deren Pfarrern. Das ist typisch und<br />
David element d. J. erstmals in Braunschweig am 14. IX. 1735 1 , und zwar den Lorenz<br />
Breistroff aus Wolfenbüttel mit Elisabeth Munier aus Kassel, der Tochter des Pierre M.<br />
und der Elisabeth Benoit.<br />
') In Genf unterschied man früher zwischen 1. den citoyens. den alten regimentsfähigen<br />
Familien, 2. den bourgeois. den Eingebiirgerten, darunter zahlreiche Röfugies,<br />
3. den natlfs, den in Genf geborenen Nachkommen nicht eingebürgerter Bewohner.<br />
4. den habltants. den gegen eine Geldgebühr in der Stadt geduldeten Ansässigen. und<br />
schließlich 5. den sujets. den Bewohnern der wenigen der Stadt Genf untertänigen<br />
Ortschaften.<br />
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zeugt von den überall im Refuge wirksam gewordenen Assimilationstendenzen<br />
und Auflösungserscheinungen. Von Pfarrer Mo u r i e r ist lediglich bekannt 16,<br />
daß er in Kopenhagen geboren wurde, in Genf und Lausanne studierte und in<br />
der waadtländischen Hauptstadt ordiniert wurde. 1756 zog er in der Okermetropole<br />
auf, ging 1763 nach Stockholm, blieb dort etwa 7-8 Jahre und zog<br />
sich anschließend nach Kopenhagen zurück, wo er sein Leben beschlossen haben<br />
dürfte ').<br />
') Wir sind in der glücklichen Lage, diese teils dürftigen. teils falschen Daten. die<br />
dem .Abrege historique" J6 des Kirchenältesten janvier entnommen sind, durch nähere<br />
Details zu ergänzen bzw. durch exakte Angaben richtigzustellen. Wir verdanken dies<br />
Herrn Pfarrer Dr. Ernst Mengil1 von der Deutschreformierten Gemeinde in Kopenhagen,<br />
der unsere Bemühungen um KlarsteIlung liebenswürdigerweise dadurch unterstützte,<br />
daß er uns das Werk von Ellen Mour/er: Slaegten Mourier. I. Kopenhagen 1928. zur<br />
Einsichtnahme überließ. Die in dieser Fußnote vorkommende Anmerkungshochzahl 62<br />
bezieht sich auf das l1enannte Werk von ElIen Mourier. - Demnach handelt es sich bei<br />
dem Braunschweiger Pfarrer Mourier überraschend nicht um Fr~deric MOlse Mourier,<br />
,. in Kopenhagen am 4. XI. 1727 und ebenda t am 21. VIII. 1786, der in Genf und<br />
Lausanne studierte. 1753 in Amsterdam Pastor wurde. seit 1754 in der dinischen<br />
Hauptstadt wirkte und seit dem 23. XI. 1757 00 war mit Marg. Sus. le Sage de Fontenay<br />
aus Kopenhagen, der Tochter des dänismen Admirals Gaspard Frederic le Sage de<br />
Fontenay. - Der Braunschweiger Pfarrer Mourier ist vielmehr personengleich mit<br />
dessen jüngerem Bruder CharIes Henr/ Mourier, der am 6. X. 1732 zu Kopenhagen 82*<br />
wurde und am 4. XII. 1815 in Frederiksberg starb, in Halle und Genf studierte, wo er<br />
1754 ordiniert wurde. Seit 17% in Braunschweig amtierend. ging er anschließend nach<br />
Stockholm. wo er am 17. XI. 1763 82 eintraf. Am 16. VI. 1771 62 trat er aus Gesundheitsgründen<br />
von seinem Amt zurück und ging nach Korenhagen. wo er später als<br />
Lehrer des Kronprinzen Frederik und der Prinzessin Louise Augusta wirkte; seit dem<br />
8. V. 1763 82 00 mit lsidore Henriette Charlo aus Kopenhagen, die dort am 7. XII. 1740<br />
,. war und am 14. IV. 1820 in Frederiksberg starb, Tochter des Uhrmamers Pierre<br />
Charlo - Sein Vater Jean Ferdinand Mouricr erblickte am 11. XI. 1692 zu Rolle im<br />
Waadtland das Limt der Welt. studierte in Genf und Lausanne und ging im Oktober<br />
1721 82 nam Kopenhagen. wo er als Pfarrer der do(tigen Hugenottengemeinde am<br />
28. VIII. 1754 starb; seit dem 22. X. 1722 00 mit Anne Henriette Mazar, ,. am 2. X.<br />
1703 zu Kopenhagen und t ebenda am 27. V. 1757. Tomter d~s Pagcnhofmeisters und<br />
Spramlehrers Franr,:ois M. - Sein Großvater MOlse Mourier wurde 1660 im Vivarais ..<br />
und wanderte nach der Aufhebung des Edikts von Nantcs aus. lebte seit 1688 in Rolle<br />
als Gastwirt und Zuckerbäcker und starb 1741 in Genf; ro seit 1683 mit Mari~ Lauvie<br />
aus dem Vivarais. t 1736, Tochter d.!s Jean Louis Lovie und der Judith Munier aus<br />
PrivaslVivarais 82. - Zusammen mit seinem Großvater wanderten aus sein Großonkel<br />
Etienne Mour/er, der Marineoffizier wurde und im Dienste Englands 1710/11 im<br />
Spanischen Erbfolgekrieg fiel. sowie sein Großonkel Pierre Mourier, alle drei Söhne des<br />
Salpetersieders Simon Pierre Mourier und der Eve Gre, reg. Magdeburg 1699 30 als<br />
Junggeselle, * 1671 zu Le Pouzin/Vivarais [Dep. Ardeche, Arr. Privas. Kt. Chomerac].<br />
Strumpffabrikant in Magdeburg, wo er 1716 starb; seit dem 30. V. 1702 2 00 mit<br />
Jeanne Peirot aus La Suchcre im Kirchspiel Le Chambon [-sur-Lignon] in der Diözese<br />
Le Puy im Velay [Dep. Haute-Loire, Arr. Le Puy, Kt. Tence], Tochter des Claude P .•<br />
Wollfakturist, und der Anne Charreiron. - Sein Magdeburger Großonkel weilte als<br />
Strumpffabrikant oft auf den Braunschweiger Messen. Ob Pfarrer CharIes Henri<br />
Mourier gewußt oder auch nur geahnt hat. daß sein Großonkel Pierre 50 Jahre vorher<br />
in der Bartholomäuskirme den Predigten von Pfarrer Roy lausmte. seine Gebete sprach<br />
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und am Abendmahl teilnahm. also in ebenderselben Kirche. in der er selbst von 1756-63<br />
seine gottesdienstlichen Funktionen als Gemeindepfarrer verrichtete 1 Es ist zu bezweifeln.<br />
vielleicht galt sein Magdeburger Großonkd für die Familie als verschollen.<br />
Gregoire Mourier ging mit seinen drei Vettern MOIse. Etienne und Pierre nicht ins Exil.<br />
sondern blieb der angestammten Heimat im Vivarais treu. allerdings unter Preisgabe<br />
seines reformierten Bekenntnisses. Derselbe wurde bestenfalls nach außen hin katholisch.<br />
um der Familie Vermögen und Liegenschaften zu erhalten; vielleicht heiratete er<br />
später eine Alt-Katholikin. so daß die in der alten Heimat seither geborenen Nachkommen<br />
als gute Katholiken gelten und von der protestantischen Vergangenheit ihrer<br />
Ahnen wahrscheinlich nichts wissen; möglidJerweise aber war Gregoire M. religiös<br />
indifferent und eine berechnende Natur. dann liegt der Schluß nahe. daß seinerseits die<br />
Abschwörung der .erreurs de Calvin" einzig zu dem Zweck erfolgte. das Erbe seiner<br />
geflohenen protestantischen Verwandten anzutreten. - In diesem Hin und Her scharfer<br />
Glaubensgegensätze und schwankender Lebensumstände wird die ganze Tragik und<br />
Problematik des Lebens der französischen Protestanten von anno 1685 offenbar. die in<br />
unerhörte Gewissenskonflikte hineingestellt wurden. denen sich schwächere Charaktere<br />
nicht gewachsen zeigten. Drei junge Leut.? die hier stellvertretend stehen für tausend<br />
und aber tausend andere in gleicher Lage. kehren der Heimat den Rücken und wandern<br />
aus Gewissensgründen aus. um in der Fremde wie die englischen Pilgerväter .to worship<br />
God in the way they thought right". sicherlich in der stillen Hoffnung auf eine zukünftige<br />
Änderung der politischen Konjunkturen und auf eine damit verbundene Rückkehr<br />
oder Rückrufung in ..Ia belle France". Wie oft mag dieser Stoßseufzer bei Verschnaufpausen<br />
auf gefahrvollen Fluchtwegen und im sicheren Exil beim Zusammentreffen mit<br />
Landsleuten von den lippen geflossen sein I<br />
Der eine der drei Brüder - MOlse - siedelt sich in der relativ heimatnahen.<br />
glaubens- und sprach verwandten Welschschweiz an. um später - bei der aJlgemein<br />
erhofften Rückkehr- eine günstige Absprungbasis zu besitzen. Er hat es am leichtesten.<br />
er hat als Gastwirt und Zuckerbäcker einen gängigen Beruf. denn getrunken und gegessen<br />
wird immer. auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten. Der zweite - Etienne - tritt<br />
in die Dienste Englands. wird Seemann und trägt sein Teil dazu bei. daß die protestantischen<br />
Mächte gestärkt. damit das Refuge und die Zufluchtsorte seiner Glaubensgenossen<br />
gewährleistet bleiben. Der dritte schließlich - Pierre - zählt als Strumpffabrikant<br />
zu den Wirtschaftpionieren und ist als Unternehmer auf ökonomischem<br />
Neuland von den wechselnden Zeitläuften in hohem Maße abhängig; er folgt dem Ruf<br />
des Großen Kurfürsten und läßt sich im femen Magdeburg nieder. wo er sich mit einer<br />
Landsmännin vermählt. aber in Bezug auf seine Kinder Unglück hat. denn vier Söhne<br />
sterben von 1707-17 rasch hintereinander. so daß seine Familie in Norddeutschland<br />
keine Wurzeln zu schlagen vermochte.<br />
Die Lebensgeschichte der Sippe Mourier vermag repräsentativ zu stehen für die<br />
lebensschicksale .zahlloser anderer:: ,Hugenotten familien. und ihre Lebensumstände umschließen<br />
alle jene Elemente. die als die bezeichnenden Merkmale der Refugies überhaupt<br />
gelten: die vorwiegend südfranzösische Herkunft der Auswanderer von 1685. die<br />
alttestamentlichen Vornamen. die Vorherrschaft der Textilberufe. die Spaltung der<br />
Familie in einen auswandernden protestantischen und in einen in der alten Heimat verbleibenden<br />
rekatholisierten Zweig. die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen der<br />
Aufnahmeländer. die mit dafür verantwortlich zeichnen. ob die Familien blühen oder<br />
aussterben. das Auseinanderreißen der Familien durch das Seßhaftwerden in den Protestantischen<br />
Zielländern : in der Schweiz. in England und in den mit ihm seit 1689 in<br />
Personalunion verbundenen Niederlanden. in Kurbrandenburg und anderen do!utschen<br />
Territorien. in Dänemark und schließlich in Übersee. Eine einzige Sippe nur. in derem<br />
Auf und Ab sich aber die Lebensschicksale einer ganzen Generation von reformierten<br />
Auswanderern französischer Nationalität widerspiegeln. zwar nur eine Familie. deren<br />
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Isa a c d e C hau f e pie wirkte seit 1764 als _k~~~!_Jillgel1ottenl'fa~r~.!.<br />
in Braunschweig, nachdem er bis dahin Hilfspfarrer in Hamburg gewesen war.<br />
Auf Bitte des Presbyteriums versah er das Predigtamt vertretungsweise in der<br />
Februarmesse 1764, wurde anschließend zum Pfarrer gewählt und blieb bis zu<br />
seinem Tode in der Stadt Heinrichs des Löwen. Er war dreimal verheiratet, in<br />
1. Ehe mit Marie Naemi Charton, beerdigt Brschwg. 22. VI. 1776 58 , ca.<br />
37 Jahre alt, seit dem 21. III. 1777 17 mit Marie Elis. Roux, f Brschwg. 7. XII.<br />
1797 1 , 68 Jahre alt 58, und in 3. Ehe mit Eleon. Louise Prohat seit dem 10. IV.<br />
1798 1 , der Witwe des Kaufmanns Joh. Jacob Hubert, den sie am 2;. XI.<br />
1768 58 geehelicht hatte. Angesichts seines schlechten Gesundheitszustandes<br />
schlossen die Braunschweiger deutsch- und französisch-reformierten Gemeinden<br />
am 29. III. 1811 einen Vereinigungsvertrag 34, dessen Abschluß Isaac de<br />
Chaufepie *) nur kurze Zeit überlebte, da er am 20. IV. 1811 an der Wassersucht<br />
starb, 7; Jahre alt 1, nachdem seine Gemeinde faktisch vor ihm gestorben<br />
war.<br />
Nachdem Pfarrer Daniel Roy am 17. VI. 1708 seine Antrittspredigt in<br />
Braunschweig gehalten, wurde unmittelbar darauf zur Konstituierung eines<br />
Presbyteriums geschritten. Das ~ntscheidende_ Kriterium der Gründung einer<br />
französisch-reformierten Kirchengemeinde besteht nämlich nicht in der Schenkung<br />
einer Kirche oder Bereitstellung eines Betsaals seitens eines Fürsten oder<br />
Senats zur Abhaltung des Gottesdienstes, ferner nicht in der Anerkennung des<br />
Rechts zu taufen oder zu trauen und weiterhin nicht in der Duldung der Führung<br />
eigener kirchlicher Register über vollzogene Taufen, Trauungen und Beisc.'tzungen<br />
"); eine hugenottische Kirchengemeinde wird vielmehr dadurch<br />
gegründet. daß ~n "con~s!Q..ire" konstituiert wird "seIon les regles de la disci-<br />
Aufstieg und Niedergang jedoch als Modellfall für das Schicksal der Refugit:s überhaupt<br />
zu stehen vennag. Da beim großen Durchsc!-infttder-Ciibildetei1aasVerstandnis für die<br />
Hugenottenfrage weithin abhanden gekommen ist und da die Familie Mourier den<br />
Typus einer echten Refugiefamilie verkörpert. ist zur Gewinnung eines tieferen Einblicks<br />
eingehend auf ihr Schicksal eingegangen und etwas weiter ausgeholt worden.<br />
damit dem Leser. dem die Geschichte der Hugenotten ferner steht. 3m Beispiel einer<br />
Familie die Problematik der RCEugies und damit schließlich die aller flüchtlingsbewegungen<br />
offenbar wird .<br />
•) Isaac de Chaufepie, einer berühmten hugenottischen Pastoren familie des Poitou<br />
entstammend. wurde - It. freundlichem Hinweis von Herrn Karl-Egbert Schultze in<br />
Hnmburg. dem auch an dieser Stelle für seine Bemühungen herzlich gedankt sei - 3m<br />
24. 11. 1737 in Hamburg als Sohn des Altonaer Hugenottenpfarrers Samuel Simon de<br />
Chaufepie und seiner Gattin Susanne Deshons geboren; sein Vater Samuel Simon de<br />
Chaufepie war ebenfalls Pastorensohn. wurde 1690 zu Leeuwarden in Holl.-Friesland<br />
geboren und wirkte von 1727 bis zu seinem Tode im lahre 1762 in Hbg.-Altona .<br />
•') Die kirchlichen Register der ehemaligen französisch - refonnierten Gemeinde<br />
Braunschweig liegen für die Trauungen von 1710-1735 und von 1791-1810 vor, reichen<br />
für die Taufen von 1708-1735 bzw. von 1787-1810 und umfassen bei den Todesfällen<br />
und Beisetzungen den Zeitraum von 1708-1735 bzw. von 1787-1811. während die<br />
deutsch-refonnierten Kirchenbücher seit 1704 vorliegen.<br />
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pline ecclesiastique" 16, mit anderen Worten, daß ein Presbyterium von der<br />
Hausväterversammlung in Urwahl erkoren, von der Kanzel dreimal abgekündigt<br />
und, nachdem keinerlei Widerspruch aus der Mitte der Gemeinde laut geworden<br />
ist, sodann im GottesJienst vor versammelter Gemeinde feierlich installiert<br />
wird, das sich späterhin - auf Vorschlag des Presbyteriums hin - unverbrüchli.:h<br />
durch Kooptation ergänzt.<br />
Bis zu Pfarrer Roys Ankunft hatten zwei hervorragende und bereits 1692<br />
in der Stadt Heinrichs des Löwen ansässige Gemeindeglieder, Pier re Jacquemin<br />
und Pierre Menard, dieser ein gutsituierter Strumpffabrikant aus Nimes im<br />
Languedoc, jener als herzoglicher Kammerdiener und Perückenmacher ein einflußreicher<br />
Mann, der jahrzehntelang die Armengelder ") ("deniers des pauvres")<br />
getreulich abrechnete, sich verantwortungsbewußt der Geschicke und<br />
Interessen der Hugenottengemeinde angenommen und provisorisch "par un eHet<br />
de Ieur pü:te" die Funktionen von Kirchenältesten ("andens") wahrgenommen,<br />
ohne jedoch vorschriftsgemäß installiert zu sein. In der Vormittagspredigt des<br />
1. VII. 1708 lud Pfarrer Roy alle Familienhäupter ein, sich am Nachmittag desselben<br />
Tages noch einmal im Betsaal des "Grauen Hofes" zur Nominierung<br />
und Wahl von zwei Kirchenältesten einzufinden. Nunmehr wurden seitens der<br />
Familienväter mittels Stinunzettel die heiden angesehenen Kolonieangehörigen<br />
EHe Valette ") und Pierre Jacquemin mit Stimmenmehrheit ("a la pluralite des<br />
voix") zu ~irch.~n~!!estel!.Zewä~l!:.! am 26. VII., 23. IX. und 7. X. 1708 von der<br />
Kanzel abgekündigt ***), am 4. XI. 1708 im Gottesdienst feierlich in ihr Amt<br />
eingeführt und damit nach hugenottischer Auffassung !:~cj1tsgü!!ig in?!~meJ:t.<br />
Das wirkliche GründungsJatum der Hugenottengemeinde Braul15chweig ist also<br />
der 4. November 1708.<br />
---------<br />
') Wie bereits einmal betont, geht die Höhe des sonntäglichen ("Klingelbeutel"-)<br />
Kirchenopfers, das von den Kirchenältesten nach Schluß der Gottesdienste an der<br />
Kirchentür eingesammelt wurde. aus den Akten nicht hervor. da darüber keine Belege<br />
vorliegen. Wie hoch die freiwilligen Kirchenbeist:uern seitens der Familienhäupter<br />
waren. die jährlich auf Grund eigener Selbsteinschätzung - "seIon pouvoir et<br />
faculte" - einkamen. bleibt ebenfalls im dunkeln. Lediglich zweimal wird der Schleier<br />
etwas gelüftet: in der Zeit vom 21.11. 1720 bis zum 7. X. 1720. also für einen Zeitraum<br />
von etwa 7 1 /2 Monaten. belief sich das Kirchenopfer auf 48 Reichstaler 18 und für 1759<br />
wird die Jahreseinnahme aus der .. bourse des pauvres" mit 99 Reichstalern und 12<br />
Gutengroschen angegeben 56. Diese !(irchenol:'.t~.r waren milde Gaben. einmal zugunsten<br />
der Gemeindearmen, zumal der verschämten Armen. und andererseits wurden dem<br />
ArmenfoIids--· die·Zehrpfennige und P1ssadcn entnommen. die der Untcrstü!zung .von<br />
.durchreis~nden Glaubensgenossen dienten. - Der erwähnte uKlingelbeutel". mit dessen<br />
Hilfe die ··son-ntäglichen Kirchenopfer eingesammelt wurden, war aus schwarzem Samt<br />
und eine Schenkung des herzoglichen Kammerdieners Philippe Le Bacle vom 23_ VL<br />
1709 18 •<br />
") EHe Valette, Handschuhmadler aus Bedarieux im Languedoc, erwarb 1715 für<br />
400 Taler ein Wohnhaus in der GördeHngerstraße, die Gemeinde bewilligte ihm dazu<br />
ein Darlehen zu 50/0 p. a. 16 •<br />
•") Und zwar in wechselnder alphabetischer Reihenfolge. damit bei den hitzigen<br />
Franzosen betreffs der Rangordnung keine Streitigkeiten aufkamen.<br />
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H. Vom iJmeren Leben der Braunsdtweiger Hugenottengemeinde.<br />
Ohne Pr':.sbyt~ri.~~_~e}~e refo~ier~ Gemeind_~J Denn das Presbyterium ist<br />
Seele und Herz der reformierten Kirchengemein
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convenables" befanden, "pour s'approcher salutairement de la table du<br />
Seigneur" 16.<br />
Nach dem Besuch des Vorbereitungsgottesdienstes am Vorabend konnte der<br />
für würdig Befundene darauf sich dem Tisch des Herrn nähern, um dort die<br />
Tröstungen und Gnaden zu empfangen, die Gott seinen Getreuen und Gläubigen<br />
gewährt ("pour y recevoir les consolations et les graces qu'il accorde a ses<br />
fideles" 16).<br />
Nach vorher eingeholter herzoglicher Zustimmung traten die beiden reformierten<br />
Braunschweiger Ge~eilide~- im Jah-re -1708 dem niedersächsischen<br />
~.Qi!.b:erl:>~!:lft bei, der Konföderation der reformierten Kirchen Niedersachsens,<br />
zuallererst deshalb, um einer Forderung der Kirchenordnung Calvins<br />
Genüge zu tun. Der Synodalverband verdankt seine Entstehung einmal dem<br />
begreiflichen Wunsch nach engerem Kontakt untereinander, um den Gefahren<br />
der Vereinsamung und Erstarrung zu entgehen, zum anderem dem Bedürfnis,<br />
sich gegenseitig Hilfe und Beistand zu leisten. Weiterhin war der Synodalverband<br />
die einheitliche Spitze, der in Kirchensachen gesetzgebende Körper,<br />
und die reformierte "Oberbehörde", die gegebenenfalls beim Landesherrn zugunsten<br />
der bedrohten "liberte de la religion" intervenierte, falls eine Beeinträchtigung<br />
der reformierten Eigentümlichkeiten in Lehre, Kultus und Verfassung<br />
zu befürchten war. Außerdem war der Synodalverband letzte brüderliche<br />
Schlichtungs- und Entscheidungsinstanz bei allen jenen Streitigkeiten, die die<br />
örtlichen Presbyterien nicht beizulegen vermochten, war eine Garantie für die<br />
Aufrechterhaltung der Reinheit von Lehre und Sitten *) und schuf der Pfarrwitwen-<br />
und Waisenkasse eine breitere Grundlage.<br />
Pfarrer Daniel Roys ständige Mahnungen nach Ansammlung eines Kirchenfonds<br />
und Presbyter Pierre Jacquemins vorbildliche Verwaltung der nach und<br />
werben von Arbeitskräften, entzweit waren 10. - Die Kirchellzucht wurde in drei Stufen<br />
wirksam: der erste Grad war die Zellsur im engeren Sinne, angewandt bei Vorliegen<br />
eines öffentlichen Ärgernisses und bei Anzeige vor dem Presbyterium, der Beschuldigte<br />
wurde von einem Ältesten persönlich zum Erscheinen aufgefordert und vor versammeltem<br />
Presbyterium ihm sein Fehltritt brüderlich ernst vorgehalten; meistens wurde<br />
ehrlich bereut und Besserung gelobt, Rückfälle ereigneten sich selten. Der zweite Grad<br />
bestand in der Suspellsfoll: wer auf die dritte Ladung nicht erschien, wurde suspendiert,<br />
d. h. zeitweilig vom Tisch des Herrn zurückgewiesen. Der dritte Grad war die Exh.JHI<br />
I1l1mihatfoll, d. h. Ausschluß vom Abendmahl oder aus der Gemeinde. - Anschließend<br />
folge der Wortlaut über eine am 24. IX. 1712 in Braunschweig vollzogene Zensur:<br />
nApres les prieres de prcparation a Ia communion, la Compagnie - [d. i. das Presbyterium]<br />
- etait assemblee. Vi n s 0 n - [d. i. der Weißgerber Henri Vinson aus dem<br />
Vivarais] - ayant ete appele a ete grievement censure a cause de l'irregularite de sa<br />
conduite et du scandale qu'i1 a donne en s'abandonnant si souvent a la boisson. J1 a<br />
et': fortement exhorte a prendre mieux garde a lui, arenoncer a ce vice et a donner<br />
des preuves de sa repentance, par une bonne et sainte vie, la Compagnie s' est cru indispensablement<br />
obligee de le suspendre de la communion" ... 16.<br />
') .Les synodes servent beaucoup a entretenir la purete de la doctrine et des<br />
moeurs; aussi iI est dangereux que chaque eglise particuliere se gouverne par ses propres<br />
lumilhes" 10.<br />
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nach einkommenden Kirchengelder, die er auf Grund seiner höfischen Ver~<br />
bindungen vorteilhaft bei den Landständen und bei der hzgl. Finanzkammer zu<br />
placieren wußte, führten endlich im November 1734 16 zum Erwerb eines geräu~<br />
migen, durch die Nähe der Bartholomäuskirche günstig in der Kannengießer~<br />
straße gelegenen Pfarrhauses, und zwar auf den Namen von Jacques Meirar~<br />
gues ') und gegen Erlegung von etwa 500 Talern.<br />
Als bei den reformierten Gemeinden im Sommer 1749 von Herzog Karl 1.<br />
ein geeignetes Gelände von über einem Morgen Größe, günstig vor dem Hohen<br />
Tore gelegen, zur Anlegun&. eines eigenen F!iedh~.f~~ geschenkt wurde, war<br />
die v"IIe Selbständigkeit der heiden reformierten Gemeinden endgültig gesichert<br />
und damit die letzten Kollisionsmöglichkeiten mit der lutherischen Geistlichkeit<br />
wegen der Stol~ und Leichengebühren aus der Welt geschafft.<br />
Die in die braunschweig-wolfenbüttelschen Lande einwandernden Refugies<br />
kamen in eine ihnen völlig fremde Umwelt. Einmal mußten sie sich einer alteingesessenen<br />
Bevölkerung anpassen, die vielfach ein schwer verständliches<br />
Platt sprach, in ihrem Wesen eine völlig anders geartete Lebensart darsteIlte<br />
und den Hugen"tten fremden Essens~ und Trinkgewohnheiten huldigte, und<br />
andererseits mußten sie sich auf Auseinandersetzungen mit den lutherischen<br />
Wortführern gefaßt machen, denen allerdings infolge der herrschenden milden<br />
calixtinischen Richtung die größte Schärfe von vornherein genommen war.<br />
Immerhin wirkte das Auftauchen des Calvinismus als der anderen Komponente<br />
der Reformation irgendwie störend und beunruhigend, da die Lutheraner bislang<br />
als die AIleinverkörperung des Reformationsgedankens gegolten hatten,<br />
und zweifellos gingen die nun anhebenden Querelen von der lutherischen<br />
Geistlichkeit aus, die bisher das Feld allein beherrschte1.Ind diese Position nicht<br />
kampflos räumen wollte.<br />
Beide reformierte Gemeinden waren und blieben piasporagemeinden mit<br />
ausgeprägt regem inneren Qe_m,,!ndeleben, die Hugenotten dazu eine nach Zahl<br />
hoffnungslos unterlegene nationale Minderheit ohne jede Aussicht auf Rückkehr<br />
in das Mutterland. Zwangsläufig mußten sich die Refugies der Umwelt<br />
anzupassen versuchen. Bei diesem Einschme1zungsverfahren und Assimilationsvorgang<br />
leisteten die Deutschreformierten den Hugenotten wichtige Schrittmacherdienste,<br />
denn die reformierten Deutschen waren einerseits der französischen<br />
Calvinisten Glaubensgenossen, andererseits jedoch mit den lutherischen<br />
Deutschen eines Blutes und einer Sprache. Man .'!:ll
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lich in getrennten gottesdienstlichen Feiern und durch Anführung einer Stelle<br />
der Heiligen Schrift biblisch verbrämt *).<br />
Wäre man sich beiderseits über die wirklichen Standpunkte und Lehrmeinungen<br />
völlig im klaren gewesen, wäre man bis zu den letzten Quellen vorgestoßen<br />
und hätte man sich nicht auf die Lektüre gehässiger Streit- und<br />
Schmähschriften - und damit auf die Anhörung vorgefaßter Meinungen -<br />
beschränkt, dann hätte es überhaupt nicht zu Auseinandersetzungen kommen<br />
brauchen. Denn der Unterschied zwischen den kirchen lutJ~eri·sch~n·und reformierten<br />
Bekenntnisses·ist····ein- doppelter, der einmal in der 1~.r~ und zum<br />
anderen in der Verfassung begründet liegt 38. Während die Lutheraner größtes<br />
Gewicht auf dieLehrdifferenz legten und die Unterschiede in der Verfassung<br />
mehr als Sache menschlichen Ermessens behandelten, hatten sich die Reformierten<br />
Frankreichs unter dem Einfluß des berühmten theologischen Dreigestirns<br />
der protestantischen Universität Saumur **) in der Lehre den Lutheranern<br />
in der milden melanchthonischen Fassung mehr und mehr konformiert<br />
und genähert und die Unterschiede in der Lehrmeinung damit als unbedeutend<br />
eingestuft .~**), während hinwiederum die Reformierten das Hauptgewicht auf<br />
die Presbyterialverfassung legten und die damit eng verwachsene Kirchenzucht<br />
als ein auf der Heiligen Schrift beruhendes göttliches Recht - d. h. ein von Zeit<br />
und Ort menschlicher Rechtsetzung unabhängiges Recht - besonders hochhielten<br />
und die Grundlagen der Verfassung als durch die Heilige Schrift normiert<br />
und damit als integrierenden Bestandteil ihres Bekenntnisses hinstellten.<br />
Wie so oft im Leben, redeten Lutheraner und Calvinisten in Braunschweig in<br />
gewissem Sinne aneinander vorbei.<br />
~ Die von den I.utherisch-orthodoxen Heißspornen vorausgesagte Verwirrung<br />
der Gemüter, die schäbige Proselytenmacherei, d. h. das aufdringliche Werben<br />
') Pfarrer Roy sagte am Vorsonntag in seiner Ankündigung u. a.: "Mes freres,<br />
comme I'Ecriture sainte nous enseigne que nous devons etre en pleurs avec ceux qui<br />
sont en pleurs, et en joye avec ceux qui sont en joye, il est convenable de joindre un<br />
jubile, qui est cch:bre le dimanche prochain dans tout ce pays po ur la Reformation en<br />
Allemagne, de joindre nos actions de gdices aDieu avec les eglises qui sont eclairees<br />
de la lumiere de son evangile" 18.<br />
") Das ist einmal Moyse .h..m.rra.m. geb. Bourgueil In Anjou 1596. t Saumur 1664.<br />
der Vertreter der milden Prädestinationslehre, zum anderen Louis Capl'.el. geb. 1>85 zu<br />
St. Elier (1) bei Sedan, t Saumur 1658, der eigentliche Begründer der alttestamentlichen<br />
T('xtkritik, und ferner Josue La Place. geb. 1606, t Saumur 1655, berühmt als Dogmatiker.<br />
"') Auf eine Anfrage seitens französischer Lutheraner reagierte die reformierte<br />
Nationalsynode von Charenton im Jahre 1631 großzügig und weitherzig und entschied<br />
deren Gesuch in wahrhaft evangelischem Geist dahin, daß den frnnzösischen Lutheranern<br />
nicht nur das Recht zustehe, ihre Ehen in reformierten Kirchen einsegnen und<br />
ihre Kinder bei den Reformierten taufen zu lassen, sondern die Nationalsynode hielt<br />
es sogar für Rechtens. den Lutheranern ihren Anspruch auf Teilnahme am Abendmahl<br />
in refonnierten Gemeinden ohne jegliche Abschwörung ihres lutherischen Sonderglaubens<br />
zuzugestehen ,....<br />
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für eine religiöse Gemeinschaft und die gegenseitigen Abwerbungen, der durch<br />
die Aufnahme der Refugies bevorstehende Unfriede traten mitnichten ein. Ganz<br />
im Gegenteil wurden die scharfen Kanteü-ko-ntessiom;iIer Enge durch-die aus<br />
eigener Anschauung gewonnene bessere Einsicht widerlegt. Der ursprünglich<br />
harmlos-gute Sinn der alteingesessenen lutherischen Bevölkerung, das täglich<br />
vor Augen stehende Vorbild, das die reformierten Gemeinden in ihrem stillen<br />
Wirken boten, waren auf die Dauer stärker als die Argumente der orthodoxen<br />
Haarspalter. Da die Unterschiede der beiden reformatorischen Kirchen nicht so<br />
sehr auf verschiedenen Lehrmeinungen, sondern mehr in der Verfassung und<br />
Organisation der Kirchen liegen, trat die feindliche GrundeinsteIlung der Lutheraner<br />
infolge der in Niedersachsen herrschenden milderen calixtinischen Richtung<br />
nur abgeschwächt in Erscheinung, um 1700 z. B. vorzüglich vertreten durch<br />
Abt Molanus von Lokkum und Abt Fabricius von Königslutter.<br />
Die Mahnungen der regierenden Herzöge zu weisem Maßhalten, zur<br />
Zurückhaltung und Besonnenheit in dogmatischen Dingen, zu milden Kanzelpolemiken,<br />
zur Unterlassung von gehässigen Streitgesprächen und zum einmütigen<br />
Zusammenhalten der beiden evangelischen Bekenntnisse fielen in<br />
Niedersachsen auf fruchtbaren Boden, und der Hugenotten eigene versöhnliche<br />
Grundstimmung kam dieser Entwicklung noch entgegen. Sie sahen im Lutheraner<br />
zuerst den Evangelischen, in allen ihren Schriftstücken findet man kein<br />
böses Wort gegen sie, von ihnen ist niemals anders die Rede als von "Messieurs<br />
nos freres Lutheriens", während die Deutschreformierten verständlicherweise<br />
kürzer und vertraulicher als "nos freres Allemands" 16 bezeichnet werden.<br />
Nachdem die reformierten Gemeinden gegründet, ihre korporative Selbständigkeit<br />
Tatsache geworden und damit ihre öffentliche Anerkennung gefunden,<br />
äußerte sich bei den unbelehrbaren Ultras und orthodoxen Lutheranern der<br />
alte Stachel gegen den Calvinismus mehr in boshaften Sticheleien nörgelnder<br />
Eifersucht und in bürokratischen Schikanen, z. B. gelegentlich von Mischheiraten,<br />
im Hinblick auf Parochialhandlungen, auf die Forderung nach Erstattung<br />
von Stol- und Leichengebühren, im Hervorkehren des Standpunkts eines<br />
landesherrlichen Episkopats und in Versuchen, die Reformierten die Annehmlichkeiten<br />
kirchenregimentlicher Bevormundung kosten zu lassen, bis ein Machtwort<br />
des regierenden Herzogs auch hier den Schlußstrich setzte, denn durch<br />
einige Gemeindeangehörige, die dem Landesherrn nahestanden, stand ihnen<br />
eine direkte Verbindung zum Ohr des jeweiligen Herzogs zur Verfügung. so<br />
daß sie jederzeit den Einflüsterungen interessierter Elemente oder der falschen<br />
Unterrichtung durch Vortragende entweder Paroli zu bieten oder die "Giftpfeile"<br />
zu entschärfen vermochten.<br />
Als besonderes Ruhmesblatt in der Geschichte der Refugies gilt ihre Kirch~<br />
zucht; sie ist in der Tat eine der Quellen, aus der die protestantische Sittsamkeit<br />
hervorwuchs. Auch in den niedersächsischen Hugenottenkolonien wurde die<br />
Kirchenzucht streng, unnachsichtig und ohne Ansehen der Person geübt, zumal<br />
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bei Untreue gegenüber der Kirche und dem angestammten Bekenntnis sowie<br />
bei sittlichen Verfehlungen. Die Betroffenen, seien es nun offen Zugebende oder<br />
überführte und auf frischer Tat Ertappte, mußten reumütig vor dem Presbyterium<br />
ihren Fehltritt bekennen, wurden ernstlich ermahnt und mußten die<br />
Wiederzulassung zum Abendmahl erbitten. Jeder Zuziehende hatte sich durch<br />
ein kirchliches Führungsattest seiner vorigen Heimatgemeinde auszuweisen.<br />
Wer unter der Zensur eines Presbyteriums stand, war automatisch von der Teilnahme<br />
am Abendmahl ausgeschlossen. Die Atteste sicherten zugleich die Durchführung<br />
der Kirchenzucht bei sittlichen Verfehlungen. Die Zuzügler wurden<br />
erst dann rehabilitiert, wenn sie vor dem Presbyterium aufridüige Reue bewiesen<br />
und Besserung gelobt hatten. Erst nachdem sie sich unter die Gesetze der<br />
Kirchengemeinschaft gebeugt, wurden sie zur Abendmahlsgemeinschaft zugelassen<br />
und 90 seelisch wieder aufgerichtet.<br />
Sicherlich hatte die Ungebundenheit des Lebens in den ersten Jahren des<br />
Refuge und die Leichtlebigkeit des französischen Charakters ihre Spuren in den<br />
einzelnen Kolonien hinterlassen, obwohl "Hugenott" nicht identisch ist mit<br />
"Franzose" und hugenottische Lebensführung keineswegs der populären Vorstellung<br />
vom französischen Wesen entspricht. Aber diese Schatten *) wurden<br />
mehr als kompensiert durch die tiefe seelische Verankerung--der religiösen<br />
Überz.eugl!ngen, für die die Refugies in die VerballDung gegangen waren. Die<br />
Festigkeit und Dauerhaftigkeit dieser überzeugungen sicherten der kirchlichen<br />
Strafgewalt der Presbyterien die unbedingte Beachtung und Anerkennung,<br />
denn der Ausschließung vom Tisch des Herrn widerstanden selbst die verstocktesten<br />
Gemüter nur in seltenen Fällen. Von der Abendmahlsgemeinschaft ausgeschlossen<br />
zu sein, das bedeutete für die Hugenotten den Ausschluß von dem<br />
Kreis der Auserwählten und der von Gott zum ewigen HeiL Voraus.bestimmten.<br />
Immer wieder muß daran erinnert werden, daß der Hugenotten Bekennermut,<br />
ihre Opferbereitschaft, ihre rege Kirchlichkeit, ihr gewissenhafter Kirchenbesuch,<br />
ihre strenge Kirchenzucht ohne Ansehen der Person, ihr praktisches<br />
') Eine wahre Landplage des Refuge bildeten die sog. "francs-coureurs" und<br />
"coureurs - d'cglise". Unter "fr..~!1.sä:f()!!.r~u.~" versteht man jene Refugies, die ruhelos<br />
von Ort ZU Ort zogen, Darlehen zur Gründung einer Existenz beantragten und erhielten<br />
und, sobald diese aufgebraucht oder die Steuerfreijahre abgelaufen waren, zum Wanderstabe<br />
griffen, um anderwärts das Spiel von neuem zu beginnen. - Als .. ~o.ureu.rsd'eglise"<br />
gelten jene gerissenen Passadejäger, die auf die Mildtätigkeit d~r PreSbyterien<br />
und auf die Zehrpfennige der Armenkassen spekulierten. Die Gewöhnung an die<br />
Unterstützungen, das Absinken zu gewerbsmäßigen Bettlern, das elende Leben auf<br />
Landstraßen und in Schenken, die Abstumpfung der Gewissen durch tägliche Berührung<br />
mit Vagabunden und straffällig gewordenen Personen wirkten je länger je mehr demoralisierend,<br />
indem die eigene Selbstachtung ausgehöhlt und die Tatkraft gelähmt wurde.<br />
J:: größer der zeitliche Abstand vom Revokationsjahr 1685 wurde, desto durchsichtiger<br />
und verdä.:htiger wurden die Auswanderungsmotive, und so ist es zu verstehen, daß<br />
die üblichen Führungszeugnisse je länger je mehr zu förmlichen und mit Signalement<br />
versehenen Reisepässen wurden, die die kirchlichen Gemeinden zu ihrer eigenen und<br />
fremden Sicherheit schufen.<br />
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Christentum, das vor allem in ihrer Liebestätigkeit gegenüber eigenem und<br />
fremdem Leid sichtbar wurde, über jeden Zweifel erhaben sind. Die refonnierte<br />
Diakonie offenbarte sich vorwiegend in ihrer werktätigen Armenpflege und<br />
wurde alles andere denn etwa als eine persönliche Last empfunden.<br />
III. Die Schule der französisch-reformierten Gemeinde.<br />
Wie sich der Pfarrer um eine rege Beteiligung der Gemeinde an den gottesdienstlichen<br />
Veranstaltungen bemühte und dies u. a. durch fleißige Hausbesuche<br />
zu erreichen trachtete, wie die Kranken von ihm am Krankenbett aufgesucht<br />
und getröstet wurden, so kümmerte sich das Presbyterium ebenfalls um den<br />
Nachwuchs, um die Jugend der Kolonie. Wie dies im einzelnen geschah und<br />
mit welchen Mitteln die Eltern angehalten wurden, für regelmäßigen Schulbesuch<br />
ihrer Sprößlinge zu sorgen, wissen wir nicht, da aus den Akten eigentlich<br />
nur die Namen der Lehrer sowie deren stli~4!gU
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die Kolonielehrer entweder haupt- oder nebenberuflich Handwerker, entweder<br />
zeichneten sie sich nun durch eine angeborene pädagogische Ader aus, oder das<br />
Schulmeisteramt wurde als zusätzliche Einnahmequelle betrachtet. Eine päd<br />
Egogische .. Ausbildungha.tten, die Lehrkräfte keinesfalls genossen, es blieb alles<br />
mehr oder weniger dem Zufall überlassen, nach MÖglichkeit zog man solche<br />
Kräfte heran, die sich durch ein natürliches Lehrgeschick auszeichneten, jedoch<br />
war das Angebot nicht groß. Die Elementarschulen bildeten ein wesentliches<br />
Anliegen der reformierten Kirchenverfil;sung. Dadäs Schulmeisteramt mit dem<br />
des Lektors und Kantors gekoppelt war, dürfte es sich bei der Kolonieschule<br />
nach dem hugenottischen Grundsatz "L'ecole est la pepiniere [Pflanzstätte] de<br />
l't!glise" um eine Zubringereinrichtung für die Kirche gehandelt haben. Die<br />
Lehrer werden, wenn es hoch kommt, die drei Kulturtechniken vermittelt<br />
haben, und zwar nach Lernschulart bei starker Beanspruchung und Strapazierung<br />
des Gedächtnisses. Wie Disziplinschwierigkeiten gemeistert wurden, erhellt aus<br />
den Akten ebenfalls nicht, vermutlich huldigte man dem "abgekürzten Verfahren",<br />
d. h. dem Gebraudl des Stockes. Maßnahmen zur Auflockerung des starren<br />
Unterrichtsschemas nach durchdachten, methodisch-didaktischen Prinzipien<br />
durmzuführen, wäre bestimmt einer Überforderung der Lehrkräfte gleichgekommen.<br />
Zur Ehre der Lehrer wollen wir annehmen, daß wenigstens allgemein<br />
anerkannte pädagogische Grundüberlegungen bei der Planung und<br />
Durchführung des Unterrichts Pate gestanden haben, z. B. Beherzigung von<br />
Prinzipien wie Vom Nahen zum Femen und vom Leichten zum Schweren,<br />
Anschauung als Grundlage jedes BildungsprozeSöes, Kindertümlichkeit, Einstieg<br />
in ein Problem unter Berücksichtigung der kindlichen Interessensphäre usw.<br />
Über das Vorhanderuein einer Kolonieschule der Braunschweiger Hugenottengemeinde<br />
erfahren wir erstmals etwas in einer Aktennotiz vom 8. XI. 1717 16 •<br />
Der Lehrer Gedeon Benoit *) wird darin ermahnt, sich nicht ohne genehmigten<br />
Urlaub auf Reisen zu begeben, sich betreffs Erhöhung seines Jahressalärs von<br />
20 Talern an den Dienstweg über das Presbyterium zu halten und nicht direkt<br />
den Landesfürsten um Erhöhung seiner Gage anzugehen. Mit seinen Leistungen<br />
und Fähigkeiten als Vorsänger in der Kirche scheint es etwas gehapert zu haben,<br />
und es wurde ihm bedeutet, die Kirche benötige dringender eines Kantors denn<br />
eines Vorlesers.<br />
Sein Amtsnachfolger war sein gIeidmamiger Sohn GeJeon Benoit jun., der<br />
jedoch bereits gegen Ende September 1722 aus Gesundheitsgründen um seinen<br />
Abschied einkommt. Das Presbyterium ermuntert ihn zum Ausharren, bis<br />
Ersatz gefunden ist, "jusqu'it ce que la providence nous fournit l'occasion de<br />
la remplir par quelqu'un qui fut capable de conduire le chant des psaumes" 16.<br />
*) Gedeon Benoit, ursprünglich Bierbrauer und aus Bemeuil - sur - Aisne in der<br />
Picardie gebürtig 10, um 1697 in Kassel ansässig 60 und seit 1709 in Braunschweig. wo<br />
er am 13. IV. 1722 das Zeitliche segnete 1; seine Gattin ludith Malherbe überlebte ihn<br />
um mehr als ein Jahrzehnt und starb am S. J. 1733 1 in der Okerrnetropole.<br />
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Wann Gedeon Benoit jun. nun endgültig demissionierte und Nazaire<br />
Chamereau *) ihn ablöste, ist zeitlich nicht genau festzulegen. Gesehen vom<br />
ursprünglichen Beruf her war letzterer als Buchdrucker und -händler bestimmt<br />
besser zum Lehrer geC'ignet als seine heiden Vorgänger, dcnn er hatte mindestens<br />
schon viele Bücher in der Hand gehabt und vielleicht sogar einige davon<br />
gelesen. Aber erneut ist man mit den Leistungen des Vorsängers, der den<br />
Psalmengesang in der Kirche zu leiten hatte, nicht zufrieden. Am 24. IV.<br />
1726 16 bittet er um seine Entlassuni! und reist noch am gleichen Tage über<br />
Celle ab, bis wohin man ihm das Fuhrwerk zum Transport seiner Habseligkeiten,<br />
seiner schwangeren Frau und seiner vier Kinder bezahlt, einen Reichstaler<br />
hat er außerdem als Zehrgeld mit auf den Weg bekommen 16.<br />
Anfangs Mai 1726 stellt sich Claude Franr;ois Bouchet de Chaligny **)<br />
dem Presbyterium mit gutem Führungszeugnis und Lehrbefähigungsnachweis<br />
vor. Seinem Einstellungs.antrag wird entsprodlcn mit der Auflage, "de faire Ies<br />
prieres", d. h. Lesegottesdienst zu halten, falls der Pfarrer infolge Krankheit<br />
verhindert sein sollte. Jedoch am 24. XI. 1726 hat er sich bereits "französisch"<br />
empfohlen, d. h. ist ohne Reisepapiere, ohne Urlaub und ohne Zeugnis abgereist,<br />
und zwar über Wolfenbüttel, wo er nicht eingelassen wurde und mit<br />
seiner Familie auBerhalb der Stadtmauern im Freien übernachten mußte. Über<br />
Halberstadt geht es sodann weiter nach Magd ebu rg, wo er 1727 in den Roten<br />
Krebsstraße wohnt und sich schlecht und redlt als Privatlehrer durchschlägt.<br />
Brieflich bittet er um Ausstellung und Übersendung eines "passeport" und kirchlichen<br />
Attests "de bon chretien et fidele reforme". Selbst bei Zubilligung mildernder<br />
Umstände war das Presbyterium damit entschieden überfordert und<br />
handelte entsprechend, indem protokollarisch festgelegt wurde, ihm keinerlei<br />
Zeugnis auszustellen, da der Bittsteller "ne pouvant etre considere que comme<br />
deserteur qui a viole ses engagements" 16. Brieflich hatte er sich auch über die<br />
Gründe seiner plötzlichen Abreise ausgesprochen, das Einkommen sei nicht ausreichend<br />
gewesen - darin hatte er recht -, er vertrage kein Bier und habe<br />
wegen seiner Vorliebe für Branntwein die Vorwürfe des Pfarrers nicht mehr<br />
ertragen können.<br />
Seit dem 1. VIII. 1728 fungiert Jacob Dumont *) als Lehrer, Lektor und<br />
Kantor bei der Hugenottengemeinde. Im März 1732 bittet er das Presbyterium<br />
') Nazaire Chamereau, gebürtig aus Villeneuve in Burgund und seit Dez. 1718 in<br />
Braunschweig ansässig, läßt im Mai 1726 in Hamburg ein Kind taufen • und reist anschließend<br />
nach London oder Amsterdam weiter 16; seine Gattin Franc;oise Dupuy<br />
stammte aus Creey-en-Brie.<br />
U) Cbude Fran
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dringend um Aufbesserung seiner Bezüge und ihm gelingt endlich deren Aufstockung.<br />
Außer den 20 Talern aus der herzoglichen Privatschatulle erhält er<br />
fortan je 5 Taler von den Kirchenältesten und aus der Gemeindearmenkasse.<br />
insgesamt also 30 Taler p. a. Seit dem 7. XI. 1740 ist er Lehrer und Kantor der<br />
deutsch-reformierten Gemeinde. aber die schulischen Belange der letzteren Gemeinde<br />
werden seit dem 12. VII. 1747 durch den Schreib- und Rechenmeister<br />
Johann Kaspar Katenkamp *) aus Bremen allein wahrgenommen. Als Katenkamp<br />
1751 zum Erscheinen vor dem lutherischen Konsistorialrat Bütemeister<br />
aufgefordert wird 18. legt das deutsch-reformierte Presbyterium Verwahrung<br />
dagegen ein. indem es erklärt. lediglich der reformierte Pfarrer und das Presbyterium<br />
habe in Sachen der Gemeindeschule Inspektionsbefugnisse. Da weiterhin<br />
in den Akten der reformierten Gemeindeschule nicht mehr gedacht wird.<br />
schließen auch wir die Akten über die Geschichte der hugenottischen Kolonieschule.<br />
IV. Berühmte Mitglieder der Braunschweiger Hugenottengemeinde.<br />
Insbesondere vier Persönlichkeiten. zwar nicht von internationalem Rang<br />
und überzeitlicher Bedeutung. immerhin aber von ausgezeichnetem Ruf. Stand<br />
und Ansehen sind es. die im ausgehenden 18. Jahrhundert die Zierde und Stütze<br />
der Braunschweiger Hugenottengemeinde bildeten und deren gleichzeitige Mitgliedschaft<br />
der französisch-reformierten Kirchengemeinde zur besonderen Ehre<br />
gereicht: einmal der Porträtist Ludolf Lafontaine, zum anderen der Arzt und<br />
Diplomat Daniel de Supe~iif;:-f;~~7d~ri~gswissenschaftler Jacob EIeazar<br />
Mauvillon -ünd sChließlich-der braunschweigische Premierminister )ean Baptiste<br />
Feronce von Rothenkreutz.<br />
---_._-------<br />
Ludolf La fon t ai ne. vermutlich ein Enkel des unter der Nr. 804<br />
genannten Jacques (de) la Fontaine 32. wurde 1704 in Celle geboren und starb<br />
in der Hauptstadt des Landes zwischen Harz und Heide im Mai 1774 an der<br />
"Auszehrung" 45. Nach langjährigem Aufenthalt in Frankreich und nach ausgedehnten<br />
Reisen durch England. Holland. Italien und der Schweiz trat er bald<br />
nach 1735 als Hofmaler in die Dienste des Herzogs Karl I. von Braunschweig<br />
Wolfenbüttel, seines Gönners und Mäzens. der ihn allezeit protegierte und sein<br />
Maltalent nach besten Kräften förderte. u. a. durch Vermittlung langfristiger<br />
Aufträge für die Fürstenberger Porzellanmanufaktur. Als weitgereister Mann<br />
sprach er außer seiner deutschen Muttersprache noch fließend holländisch, englisch.<br />
französisch und italienisch. In erster Ehe verheiratet mit einer reichen<br />
Engländerin. die er in Leipzig infolge Unglücksfalles verlor. vermählte er süh<br />
in Hannover am 13. VI. 1741 47 in dritter Ehe mit Louise Wilhelmine de<br />
Francheville, einer Tochter des hannover9Chen Hofchirurgen Pierre de Franche-<br />
*) lohann Kaspar Katenkamp vermählte sich im Januar 1752 in Braunschweig mit<br />
Rache! Elisabeth Grandam aus Magdeburg. die am 8. IX. 1777. ca. 57 1 12 J. alt. in der<br />
Stadt Heinrichs des Löwen aus dieser Zeitlichkeit abberufen wurde 17.<br />
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ville aus Nettancourt in der Champagne 5. Vermutlich beruht auf dieser Verbindung<br />
die Familientradition, nach der die Lafontaine ursprünglich La Fontaine<br />
de Villefranche geheißen und ihre Güter in der Nähe von Lyon gelegen haben<br />
sollen *). Als 1754 die hzgl. Residenz von W olfenbüttel nach Braunschweig<br />
verlegt wurde. ließ auch Ludolf Lafontaine U) sich endgültig in der Stadt Heinrichs<br />
des Löwen nieder. heiratete in fünfter Ehe die Hof jungfer Sophie Elisabeth<br />
Thorbrügge und gründete auf den Ölschlägern einen neuen Hausstand. Alle<br />
zeitgenössischen Stimmen nennen ihn einmütig einen edlen und aufrechten<br />
Mann. Daß er dazu ein treues Mitglied und langjähriger Kirchenältester seiner<br />
französisch-reformierten Kirchengemeinde war. ist bei einem Hugenotten etwas<br />
ganz Selbstverständliches. Es wurde bereits betont, daß Herzog Karl I. ihm ein<br />
sorgenfreies Schaffen ermöglichte. Ludolf Lafontaine war in erster Linie Porträtund<br />
Miniaturmaler und lieferte für die Fürstenberger Porzellanmanufaktur<br />
eine Menge Entwürfe. Von seinen Originalgemälden sind nur noch wenige<br />
sicher nachweisbar; viele Kupferstecher fertigten nach seinen Vorlagen Stiche.<br />
so z. B. der Pariser Guy de Marcenay vom Herzog Kar! 1. von Braunschweig<br />
Wolfenbüttcl.<br />
Daniel de S u per viII e stammt aus Rotterdam. wo er am 2. geboren<br />
und am 5. XII. 1696 getauft wurde und zwar als Sohn ***) des Jacques 56. eines<br />
Kaufmanns aus Anjou 29. und der Margarete Vetteheuke; Rotterdam ist zugleich<br />
sein Sterbe()rt. wo er im November 1773 aus dieser Zeitlichkeit abberufen<br />
wurde. während sein Leichnam in der französischen Kirche zu leiden seine letzte<br />
Ruhestätte fand. Er war zweimal verheiratet 56. seit dem 26. IV. 1722 mit<br />
Catherine Elisabeth Le Cointe und seit dem 13. V. 1770 mit Marie Marthe Le<br />
Cointe. Über seine Jugend und Studienjahre wissen wir nichts. 1722 ging er<br />
als Arzt der Hugenottenkolonie nach Stettin und wurde 1739 Mitglied der<br />
Sozietät der Wissenschaften in Berlin. Seit 1740 stand er als Leibarzt, Geheimrat<br />
und Direktor der Bergwerke im Dienst des Markgrafen von Brandenburg<br />
Bayreuth und gilt als eigentlicher Gründer der Universität Erlangen, deren<br />
erster Kanzler er war und der er seine umfangreiche <strong>Bibliothek</strong> sowie seine Sammlung<br />
physikalischer, chirurgischer und anatomischer Instrumente vermadlte.<br />
Seit 1749 in Braunschweig ansässig und am Hof der Herzogin Philippine Charlotte<br />
') Außer Villefrandle-sur-Saone im Lyonnais zählt man in Frankreich noch 15<br />
weitere gleichnamige Orte Villefranche mit anderen kleinen geographischen Zusätzen<br />
und zwar über 10 verschiedene Provinzen verteilt. Aus diesem Hinweis geht klar die<br />
ganze Haltlosigkeit solch unverbürgter Familienüberlieferungen hervor I<br />
.') Petrus Benedikt Lafontaine aus Leipzig. der als 15jähriger am 30. VIII. 1759.<br />
und Georg Franz Lafontaine. der am 1. IX. 1763 als 18jähriger in der Braunschweiger<br />
Deutsch-Reformierten Gemeinde das Glaubensbekenntnis ablegt 17, sind Söhne des<br />
Ludolf Lafontaine aus seiner dritten Ehe.<br />
''') Nach anderer Version ~3 soll Daniel de Superville sein Vater sein. der, \!eboren<br />
1657 zu Saum ur/ Anjou, seit 1677 in Genf Theologie studierte, 1683 Pfarrer zu -Loudun<br />
im Poitou wurde und 1685 infolge des Widerrufs des Edikts von Nantes nachRotterdam<br />
auswanderte, wo er am 9. VI. 1728 t sein soll.<br />
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weilend, der Schwester der Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth und Gemahlin<br />
Herzog Karls I., wurde er rasch zum Mittelpunkt des schöngeistigen<br />
Kreises um die Fürstin. Den regierenden Herz.og ermunterte er zur Gründung<br />
des Kunst- und Naturalienkabinetts, des späteren herzoglichen Museums, die<br />
Hugenottengemeinde Braunschweig aber erkor ihn zum Kirchenältesten 56. Im<br />
Jahre 1761 kehrte er nach Holland zurück und nahm als Gesandter die diplomatischen<br />
Interessen des Markgrafen von Brandcnburg-Bayreuth im Haag<br />
wahr.<br />
Jacob Eleazar Mau viIIon *), der bekannte Militärschriftsteller und<br />
Mitarbeiter des Grafen von Mirabeau, wurde in Leipzig am 8. 1II. geboren, am<br />
18. III. 1743 4 getauft und starb in Braunschweig am 11. 1.1794 21 • Seit 1771<br />
Lehrer der Militärwissenschaften am Kasseler Carolinum, trat er gegen Ende<br />
1784 in braunschweigische Dienste und wurde Lehrer der Taktik am Collegium<br />
Carolinum in der Stadt Heinrichs des Löwen, der Urzelle der heutigen T echnischen<br />
Hochschule. In den Jahren 1786 und 1787 weilte Graf von Mirabeau<br />
zweimal in der Okermetropole, traf dort mit Mauvillon zusammen und gewann<br />
ihn als Mitarbeiter. J. E. Mauvilloll lieferte wertvolles Material zu der 1788<br />
erschienenen "Monarchie prussienne sous Frederic le Grand", für den Abschnitt<br />
über die Taktik der preußischen Infanterie zeichnet Mauvillon allein verantwortlidl.<br />
Der geistig, moralisch und wirtsmaftlich gesunden Atmosphäre der Leipziger<br />
Hugenottenkolonie entstammt Jean Baptiste F e r 0 n c e von Rot h e n -<br />
k r e u t z **). Gerade das Leipziger Refuge rekrutierte sich aus wohlhabenden<br />
Textilfabrikanten und versierten Messekaufleuten mit weitreichenden internationalen<br />
Geschäftsverbindungen, wo der alteingesessenen lutherischen Bevöl-<br />
') Sein Vater Eleazar Mauvillon, geboren am 15. VlI. 1712 zu Tarascon i. d. Provence<br />
'., lebte seit mindestens 1740 in Leipzig und fungierte dort seit 1743 als Universitätssprachmeister,<br />
ging 17;8 nach Braunschweig und wirkte seit 1759 als Professor<br />
der französischen Sprache am Collegium Carolinum. wo er an einem Schlaganfall am<br />
24. IV. 1779 58 verschied. ca. 67 1. alt, und nicht. wie es in den Nachschlagewerken<br />
heißt. im Mai 1779. Er war zweimal verheiratet: in erster Ehe seit dem 25. IX. 1740'<br />
mit Marie Bonne de Montaut 2US Magdeburg. Tochter des Scipion aus Villeneuve-de<br />
Berg im Vivarais. der sein Leben als Vizedirektor der französisdlen Kolonie von Magdeburg<br />
beschloß, und der Elis. de Portus' 2 ; in zweiter Ehe vermählte er sich am<br />
27. XII. 1763 in Hannover 20 mit Friederike Magdalcne Schlagern, die am 3. IX. 1769<br />
bei den Deutschreformierten als Patin auftritt ", von Dez. 1764 bis März 1776 lassen<br />
sie 6 Kinder taufen. zwei Söhne und vier Töchter 6~. - 1. E. Mauvi1lons Sohn. der<br />
preußisme Oberst Friedrich Wilhelm von Mauvillon, wurde am 30. IV. 1774 geboren<br />
und starb als der Letzte seines Stammes am 29. VII. 1851 zu C1eve; auch er war vielfach<br />
literarisch tätig und trat namentlich als verantwortlicher Redakteur der "Militärischen<br />
Blätter" hervor.<br />
*') Sein Vater Piere Feronce. Tuchkaufmann in Leipzig und von 1716-34 mehrmals<br />
al. Kirchenältester der Gemeinde genannt", starb in Berlin am 12. IX. 1736, während<br />
seine Mutter Marguerite Marin dem Gatten in Leipzig schon am 29. IV. 1732. 461.<br />
alt, im Tod vorausgegangen war 4. beide sind sehr wahrscheinlich gebürtige Genfer.<br />
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kerung unter stillschweigender Duldung durch den Landesherrn von seiten der<br />
wettbewerbserfahrenen hugenottischen Fabrikanten unter Anwendung der<br />
modernen Wirtschaftsweisen des Manufaktursystems und des Verlagsverfahrens<br />
und unter Zuhilfenahme fortschrittlicher. rationeller Betriebsformen wie Arbeitsteilung<br />
und Akkordarbeit gegen Stücklohn die Vorteile eines rein auf<br />
Erwerb und wirtschaftliche Expansion abzielenden kapitalistischen Unternehmertums<br />
vorexerziert wurden. Hier in Leipzig. dem klassischen Exerzierfeld<br />
der um 1700 modernen Wirtschaftsweisen, wo die calvinistische Bekenntnistreue<br />
sidl täglich neu bewähren mußte in den Auseinandersetzungen mit der<br />
lutherischen Orthodoxie und wo die von den Refugil~s praktizierten Methoden<br />
des Wirtschaftens sich dem zünftig orientierten und in überholten Vorstellungen<br />
befangenen Gewerbe überlegen zeigen mußten, hier in Leipzig wurde Jean<br />
Baptiste Feronce am 23. X. geboren und am 24. X. 1723 als jüngstes von<br />
7 Kindern getauft 4. Schon um 1730 wurde er nach Genf gebracht und dort<br />
erzogen, um den echten Geist des Calvinismus an der Quelle einzuatmen. Nach<br />
dem Studium der Jurisprudenz in Jena, Halle und Göttingen ging er anschließend<br />
auf die damals übliche europäische Kavaliertour, die ihn nach Holland<br />
und Frankreich führte. 1747 machte er sich auf den Weg nach dem Haag, um<br />
dort den erhofften Eintritt in den diplomatischen Dienst zu finden. Genau wie<br />
die Messekaufleute auf ihren Geschäftsreisen nach Holland berührte er dabei<br />
die Stadt Heinrichs des Löwen, wo er das Glück hatte, vom braunschweigischen<br />
Minister von Cramm dem regierenden Herzog Kar! 1. vorgestellt zu werden, der<br />
volkswirtschaftlichen Vorschlägen gegenüber stets ein, manchmal sogar zu<br />
offenes Ohr hatte. Jean Baptiste Feronce hat in der Unterredung vielleicht<br />
derartige Probleme angeschnitten, wir wissen es nicht. Genug, der Herzog nahm<br />
ihn mit offenen Armen auf und übernahm ihn am 29. IV. 1748 als Legationssekretär<br />
in den braunschweigischen Staatsdienst.<br />
Ferdinand von Braunschweig, ein Bruder des regierenden Herzogs, hielt im<br />
Siebenjährigen Krieg Preußens Rücken nach Westen durch die Siege von Minden<br />
und Krefeld, von Vellinghausen, WilheImsthaI und Lutterberg hei. 1758<br />
standen 12000 Mann unter den braunschweigischen Fahnen, ein angesichts der<br />
wirtschaftlichen Kräfte des Landes viel zu starkes Truppenkorps. Feronces<br />
diplomatische Gewandtheit sicherte dem Lande die englischen Subsidiengelder,<br />
und dieser Erfolg hinwiederum brachte ihm persönlich Amt und Titel eines<br />
Gehei~n Legationsrates ein. und zugleich wurde er unter dem Namen von<br />
Rothenkreutz in den Reichsadelsstand erhoben.<br />
1762 ging Jean Baptiste Feronce von Rothenkreutz als bevollmächtigter<br />
Minister Karls 1. nach England und löste glücklich die ihm getötellte Aufgabe,<br />
aus dem damaligen Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand - dem späteren<br />
unglücklichen Feldherrn von Valmy und Jena-Auerstädt - und der Prinzessin<br />
Auguste Friederike von England ein Paar zu machen. Damit knüpfte er die<br />
Familienbande zwischen England und Braunschweig fester und sorgte dadurch<br />
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für ein leimteres Fließe~ der englischen Subsidien, allerdings mamte er damit<br />
das Herzogshaus den englismen Wünschen nam Truppengestellung für den<br />
amerikanismen Kolonialkrieg ebenfalls geneigter. Nach der Blamage von<br />
Hastenbeck (1757) wurde das Land von der Besatzungsmacht wie eine Zitrone<br />
ausgepreßt, die Smuldenlast wurde unerträglim, der Staatsbankerott stand vor<br />
der Tür. Als das Herzogtum 1763 nimt die geringste Entsmädigung erhielt,<br />
mußten neue Steuern eingeführt werden - darunter die verhaßte, weil sozial<br />
ungeremte Bürgersteuer, auch Neger- oder Kopfsteuer genannt -, schlechtes<br />
Geld wurde geprägt, das Lottospiel eingeführt, aber alle Maßnahmen fruchteten<br />
als Linderungsmittel nicht. Da wurde auf Veranlassung des Erbprinzen Kar!<br />
Wilhe1m Ferdinand Jean Baptiste Feronce am 1. VIII. 1773 zum Geheimen Rat<br />
und braunsmweigischen Finanzminister ernannt. Damit war der Geist des<br />
Refuge berufen und in die Schranken gefordert, d. h. der Geist industrielle-r<br />
Betriebsamkeit, persönlicher Initiative und kraftvoller Selbsthilfe, der Geist<br />
freier Selbstverwaltung, aufbauenden Sparsinns und nümternen Wirtschaftens,<br />
der mit möglimst geringem Aufwand an Kraft den möglichst größten Effekt zu<br />
er:zielen strebt.<br />
Der neue Finanzminister übernahm eine drückende Smuldenlast von<br />
12 000 000 Talern. Unpopuläre Maßnahmen mußten in Kauf genommen werden,<br />
denn es gibt keine smmerzlosen Finanzreformen. Als Sofortmaßnahmen<br />
smlug er vor: Einsparungen bei der Landesverwaltung, Einsmränkung des Hofstaates,<br />
Vereinfachung der Hofhaltung, Zinsfußsenkung für die Staatssmulden<br />
und Herabsetzung der Truppenstärke, um nur die wimtigsten zu nennen. Innerhalb<br />
von 7 Iahren gelang es dem Finan:zminister, die Staatssmuld durch rigorose<br />
Sparmaßnahmen von 12 000 000 auf 5 000000 Taler herabzudrücken,<br />
zweifellos ein außerordentlicher Erfolg!<br />
Indessen auch in Feronces "Ministerschaft" befindet sim ein dunkler<br />
Punkt, weswegen ihn die einen als genialen Finanzmann, die anderen jedom als<br />
skrupellosen Seelenverkäufer bezeichnen. In seinen Finan:zoperationen fehlte<br />
das eigentlim smöpferisme Element. So mußten unerwartete Ereignisse unerwartete<br />
Einnahmequellen eröffnen, um den Enderfolg simerzustellen. Und dieser<br />
Zufall kam der braunschweigischen Finan:zmisere zu Hilfe, indem England<br />
infolge des amerikanismen Unabhängigkeitskrieges Truppen benötigte. Hessen<br />
Kassel. Hessen-Hanau, Waldeck, Anhalt, Brandenburg-Ansbach und Braunsmweig-Wolfenbüttel<br />
stellten England die gewünsmten Mietstruppen zur Verfügung.<br />
Seit dem 9. 1. 1776 stellte Braunsmweig-Wolfenbüttel England insgesamt<br />
5723 Mann zur Verfügung, wovon 2708 im Herbst 1783 in die Heimat<br />
zurückkehrten, während 3015 Mann jenseits des großen Teimes blieben, die<br />
entweder gefallen oder gestorben oder als Kolonisten dort ansässig geworden<br />
waren. Im ganzen zahlte England von 1776-1785 etwa 6000000 Mark Subsidien,<br />
die restlos zur Smuldentilgung verwendet wurden, so daß das Herzogtum<br />
Braunschweig-Wolfenbüttel um 1800 wieder als Musterstaat galt. Zur Ent-<br />
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Iastung des Finanzministers sei festgestellt, daß die Braunschweiger "freiwillig"<br />
dienten und daß die, die die Heimat wiedersahen, eine lebenslängliche Gnooenpension<br />
erhielten.<br />
Menschen zu verkaufen bzw. zu vermieten, widerspricht dem Geist des<br />
Refuge; denn wie die Refugies dem Verkauf ihrer Seelen sich durch ihre Auswanderung<br />
widersetzten, so gilt unser Protest dem Schacher mit "Soldatenmaterial".<br />
Trotzdem wäre es ungerecht, mit heutigen Maßstäben zu rechnen,<br />
denn solche Betrachtungsweise wäre unhistorisch. Jeder ist in etwas ein Kind<br />
der Anschauungen seiner Zeit, auch Jean Baptiste FCronce. Das bedeutet keine<br />
Verteidi'gung jener Maßnahmen, Gerechtigkeit soll aber auch ihm widerfahren.<br />
Daß die Opfer, d. i. Blut und Schweiß der Soldaten, nicht umsonst gebracht,<br />
sondern zur Grundlage des Wiederaufstiegs ihres Heimatlandes geworden sind,<br />
diese Tatsache verleiht seinem Lebenswerk den versöhnenden Ausklang, denn<br />
er tat in einer außerordentlichen Notlage sein Äußerstes und Menschenmöglichstes.<br />
An äußeren Anerkennungen hat es ihm nicht gefehlt, er wurde Ritter des<br />
Danebrogordens; und als Premierminister von Praun 1783 seinen Abschied<br />
nahm, wurde Jean Baptiste Feronee von Rothenkreutz Präsident des Kriegsund<br />
FinanzkoIIegiums, d. h. Premienninister. Fast erblindet zog er sich nach<br />
fast 12jähriger Ministerpräsidentschaft von den Staatsgeschäften zurück. Ende<br />
August 1775 erscheint er in der deutsch-reformierten Gemeinde als Pate 17.<br />
Ob er in der französisch-refonnierten Gemeinde jemals das Amt eines Kinnenältesten<br />
bekleidet hat, wissen wir nicht, da deren Kinnenbücher von 1736-1786<br />
ine!. fehlen.<br />
Vennählt war Jean Baptiste Feronce von Rothenkreutz mit Johanne $ophie<br />
von Lüttichau, die Ehe blieb kinderlos. Er selbst starb in seinem Haus vor dem<br />
Braunschweiger Magnitor am 19. VII. 1799, der ihn betreffende Eintrag im<br />
Kirchenbuch der ehemaligen französisch-refonnierten Kirchengemeinde lautet<br />
wie folgt: "Le 13 Julliet est dceedc Son Exeellenee Monsieur Jean Baptiste de<br />
FCronee de Rotenereuz, en son vivant Conseiller Prive, Chevalier de l'Ordre de<br />
Danebrock, age de 76 ans, mort d'une crampe dans La poitrine, il a ete entern~<br />
le 19 Julliet dans notre tglise St. Barthelemy, Madame Son Epouse ayant fait<br />
faire deux eaveaux, un pour le deffunt, et l'autre pour EIle, voulant y etre<br />
inhumee, Madame de Feronce a payce 100 Eeus, dont 50 ont etes remis a<br />
nos freres AIIemands, et a sa mort promettant d'en faire payer eneore Ia somme<br />
de 100 Eeus" 1.<br />
Er sowohl als seine Gemahlin, die ihn um 15 Jahre überlebte, ruhen an der<br />
Nordseite in der Bartholomäuskirche in der Schützenstraße *).<br />
') Ihr Grabdenkmal ebenso wie diejenigen der Pfarrer Roy und Archinard sind<br />
leider - It. freundlichem Hinweis von Herrn Plarrer Frielinghaus - beim Brande der<br />
Bartholomäuskirche im 2. Weltkrieg völlig zerfallen.<br />
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V. Alplwbetisches Namenverzeichnis der Braunschweiger Hugenotten<br />
und der mit i1men versippten Familien.<br />
1m Ifachstehellden Verzeidmis sind alle Namen olme Fragezeichen aufgefüHrt,<br />
selbst die, fUr deren richtige Wiedergabe keine ul1bedingte Gewähr geleistet werden<br />
k~nn.<br />
Das Namel1verzeidtl1is entHält die Familiennamen jel1er Personelf, die für kürzere<br />
oder lälfgere Zelt zum festelf Stamm der Brau",schweiger HI~gelfottengemeilfde :ähltelf<br />
und deren Namelf Ilf delf frz.-ref. Kirchelfregisterlf, Presbyterialprotokollelf ulfd sonstigen<br />
KirchelfClkten vorkommel1; aus den entsprechelfden dtsch.-ref. Quellen ferner die<br />
Namen Jener Personen, die irgelfdwie mit den Braunschweiger Hugenottenfamilien<br />
versippt sind, also speziell die ilf Betracht kommeuden deutschen Familiennamflf, zumal<br />
eine Familientradlliol1 lIicht nur über die väterlich - l11änl1lidle Llllie zu laufen<br />
braucht ulfd überdies malfcher .welsche" Nall1e eingedeutscht worden ist "). Nicht<br />
erfaßt worden silfd Hll1gegen die Namen Jel1er Taufpaten und Trauzeugen, die, vielfach<br />
auswärts wohnend, lediglich anläßlich von Familienfeiern oder aus alfderen Gründen<br />
il1 Braul1sdtweig eine kurze Gastrolle gaben oder gar sich durch andere dabei vertreten<br />
ließen.<br />
Abraham Barre Bicot Boyer<br />
Aiguillonne Bassatiau Bigot de Bramerel<br />
Albert Bastidon Vilandry Brandes<br />
Aldefeldt Baulot Blamboy BreistorH<br />
Alegre Bavon Blume BreistroH<br />
Archinard Beaugere Boden Breklin<br />
Arene Bechon BohJmann Bn:sann<br />
Arn Beck Boje Bressand<br />
Arnd Behme Bonnard Brez<br />
Arnaud Behrens Bonnaud Brlan<br />
Arnoult Bellement Bonnay Broa<br />
Aubanel Benoit Bonne Broan<br />
Aubaret Berge Bonneville Brouet<br />
Aubert Bergsma Bontou Bruguiere<br />
Aubery Bernapre Borel Brunel<br />
Avemann Bernardin Bormann Buckfisch<br />
Bemastre Bouchet de Buet<br />
Bämedingen Bertet Chaligny Busset<br />
Bain Berthe Boucoiran Buwars<br />
Banse Berthe Bouffard<br />
BarchfeId Bertrand Bouillon CaHarel<br />
Bare Besson Bourguignon Cande<br />
Bargfeld Besuchet Bouton Carbounelle<br />
Baron Bethge Bouvar earon<br />
------<br />
') Diese Entstellungen beruhen auf falscher Ausspradle. auf dem Bestreben, die<br />
fremden Namen für die deutsche Aussprache mundgerecht zu machen und äußern sich<br />
demgemäß. da man lediglich nach Klang und Gehör schrieb. auch in der Schreibweise.<br />
126
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
Carre Damien de I'Hopital du Cros<br />
Carrier Danicl Delion Dufour<br />
Carriere d'Arbremont Delmas Duiring<br />
Cartier d'Argilau Delogne Dumas<br />
Caussaoel Darrest de Loire Dumenil<br />
Cazal Davois Delolme du Mesnil<br />
Chalmas de Armand de Delonne Dumont<br />
Chamereau Brion de Lux Duncker<br />
Chapuis de Beck de Lynden Duplan<br />
Ch:ueau de Bigot de Lynder du Plessis<br />
Charlot de Boisnoy de Montaut Dupre<br />
Charpentier de Bomier de Monthreby du Puy<br />
Charreiron Debus de Paravicini Durade<br />
Chartier de Carpenter Depenna Duroy<br />
Charton de Chamborand de Pierre du Ti!<br />
ChStelain de Ch:unbre de Portus<br />
Chauvin de Chapeau rouge de Quinchamp Ebeling<br />
Chazelon de Chaufepil~ de Renouard de Ebruy<br />
Cheny de Constant- Viville Eckbrett<br />
Claude Rebecque de Rocheville Eguillonne<br />
Clavel de Daehne des Arts Eikoppen<br />
Clement de Damm de Savin Endrisch<br />
Clement Dederings Desca Erhardt<br />
Coing de Foissin de Schuylenbourgh Escoffier<br />
Coition de France de Bommenede Eymeyout<br />
Cola de Fiancheville Desfarges<br />
Cole de Gallatin Deshons Failbrd<br />
Colla de Gaudard Desset Fatin<br />
Co 10mb Degrange de Superville Fauche<br />
Combre de Gual ti.:ri de Villard FaucheT<br />
Comte de Hargues Dewar Fauchet<br />
Conradi de HerzeeIe Dewille Faucheur<br />
Cormier de Heyde de Zilitz Favier<br />
Comier de Hoevelake Didier Favreall<br />
Cotyon de Jeanvre Dietherichs Fehnhallsen<br />
Couderc de la Coste di Gattinara Feist<br />
Coulas de la Fontaine Digom Feronce<br />
Courbes de la Marche Docagne FCronce von<br />
Courier de Lamare Dougnon Rothenkreutz<br />
Courtavaux de la Mare Donchers Ferrand<br />
Crayen de Lang Donjon Ferre<br />
Crochet de la Porte Douilhac Ferret<br />
Crouzet de la Potterie Drege Ferrier<br />
Cuerland de Larrey Dreyer Fischer<br />
de la Vie Dubois Flitsch<br />
Dachtewillen de la Willeon du Bos du Thil Fcntenilles<br />
d'Alen,on de Leuwenigh du Claye Forestier<br />
127
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http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
Fomerau Guilleau Iulion Libot<br />
Fosscherer Guillot Lievin-Crayen<br />
Foumaise Guiot Katenkamp Lindner<br />
Foumier Guiraud Kielburger Lizet<br />
Francken Guyot Kirchner Lombard<br />
Frantz Klemann Lovie<br />
Freund Hackmann Koelsche Loyal<br />
Freydt Hagandus Koerner Lüders<br />
Friese Halbout Kolckman Lüers<br />
Froment Harms Kramer Luya<br />
Fromont Harnier Krumholz Lyllien<br />
Frowein Hassieur Kulenkamp<br />
Heim Küncklen Magniet<br />
Gabain Hein Mahner<br />
Garagnon Heine Labry Mainadier<br />
Garelle Heinecke Lafontaine Malein<br />
Garrel Hencke Lagarde Malherbe<br />
Gaspard Hensch Lagrange Malin<br />
Gaspardi Hertzer Laloe MaJlein<br />
Gaspardy Heurteaux Lamade Mambrii<br />
Gautier Hofmann Lambelet Mambry<br />
Geelwinck Holle Lampe Manchens<br />
Geneves Homann Lamuret Manitzen<br />
Geoffre Horray Langkopff Marckwordt<br />
Gervais Horzysky Latelle Mareonnet<br />
Gille Hubert La relle Marin<br />
Gillot Hundt Laue Maroud<br />
Girard de Hupais Laurenson MaTTou<br />
Villard Hupay Laurent Martin<br />
Gleizette Hupe Lauvie Martini<br />
Glisette Huray Le Bade Mary<br />
Gloria Huteuroux Le Blond Massebiau<br />
Goffre I'Echau Mathieu<br />
Gomeret IIIaire le Clere Matignon<br />
Gonsal le Cointe Matthieu<br />
Goulon Jaequemin le Couvreur Maueo<br />
Gourand Jahn Leibrock Maulin<br />
Graff Jean Lelievre Mauvillon<br />
Grandam Jewers Lembeck May<br />
Gras Jodry le Sage de Fontenay Mazar<br />
Gn! Jonas Letier Mearur<br />
Griollet Jonquet Levelie Medieus<br />
Grisal Jordan Lhuilier Meinadier<br />
Grison Jubert Liautier Meirargues<br />
Grotewohl Jüngst Libau Mejan<br />
Gualticri Jürgens Libo Melot<br />
Guerin luiJIon Liboi"n Mely<br />
128
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Membruy Paland Recolin Sauenel<br />
Menard Pannicken Reger Sd1UltZ<br />
Merkiors Paquct Reinhardt Schuster<br />
Merlat Pascal Reumann Schwartz<br />
Meß Pascalis Revessat Schweickhardt<br />
Metcalf Paschet ag Ribbentrop Sechehaye<br />
Meunier Pastre Riche Seeliger<br />
Meyer Patchetag Ricourt Segaud<br />
Michaud Patron Rignol Selen<br />
Mieg Pauli Robin Seliger<br />
Minding Payan Robinet Selliger<br />
Mitan Pecart Rochellois Septsols<br />
Moesan Peirot Röttiger Serre<br />
Molinier PeIet Roger Serva<br />
Mondfeldt Peltier Rogge Sessena<br />
Monge Pemajon Roland Sidelaer<br />
Monier Perrenet Rollin Simon<br />
Monnier Perrin Roquette Soli ger<br />
Moreaux Philippy Rostokin Solliger<br />
Moret Picart Rousses Soulicr<br />
Mourier Pi«!lat Rousset SpeI tz<br />
Mülleng Pochet Rouvilliore Spitta<br />
Müller Ponc:et Roux Stackenschneider<br />
Müllern Ponnaz Roy Stautmeister<br />
Munier Pons Royer Steche<br />
Murier Porret Royere Steinacker<br />
Musnier Pouchet Ruhen Stercki<br />
Poulet<br />
Stoevesandt<br />
Naundorf Prekelin Sabole Stoltzen<br />
Naveau Prevost-Thomas Sabourin Stutmeister<br />
Neumeier Proha Sacken Sujol<br />
Neyron Prohat Saint Paul Sylvestre<br />
Niehus Prohat dit eoHn Salaire<br />
Niemeyer Pruesse SaHn Tassine<br />
Noe Sauermilch Tastreau<br />
Noe Quemer Sau vage Teharge<br />
Noi"er Quiriny Savane Teschemacher<br />
Nolda Savary Tesset<br />
Nouvel Rabinel Schackmein Teule<br />
Novel Rabinelle Schenkel Texier<br />
Nusbaum Rademans Scherwi Theule<br />
Randon Schlagern Thiede<br />
Obert Raufet Schleicher Thorbrügge<br />
Oelzen Raulin Schmidt Tourte<br />
Ollier Ravelle Schönhardt Tourteaux<br />
Ollive Recklam Schoffen Toussaint<br />
Reclam Schrader T rautfeders<br />
129
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T rukenbrott Viand von Lüttichau Weidemann<br />
Trutvetter Villaret VOll Malortie Weinand<br />
TuHet Vimielle VOll Marconnay Weinanzen<br />
Vinc;on von Münchhausen Wcitsm<br />
Valescure Vinson von Poitke Wetzel von Brassigny<br />
Valette Viseur von Rotzmann<br />
Weyler<br />
Vallette Vogelers von Stamford<br />
Wilcken<br />
van T eisterband Voigtländers von Thounfeldt<br />
dit Bildcrdyk VoJmann von und zu Groß<br />
Wildt<br />
Varnier von Adelebsen von Urrye Wilenbrock<br />
Verger von Bigot Vuile Winzen<br />
Vernons von der Eichen Witte<br />
Vernous von HerzeeJe Weber Würtz<br />
Vetnau von J axtheim Wegler<br />
Vetteheuke von Kamecke Wehagen Zuerfeldt<br />
130
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Zur Gesdlidlte der Braunschweiger Sektion<br />
der I. Internationale<br />
Der Briefwechsel zwischen Leonhard von Bonhorst<br />
und J 0 h an n Phi li p p Be c k er.<br />
Mit 5 Abbildungen<br />
Von<br />
GeorgEckert<br />
Seit der Verfolgung der französischen Sektionen der Internationalen<br />
Arbeiter-Assoziation durch die Regierung des II. Kaiserreichs, vor allem aber<br />
seit den erschütternden Tagen der Kommune von Paris gewannnen die 1. A. A.<br />
und ihr Generalrat im Bewußtsein von Freund und Feind ein Gewicht, das in<br />
krassem Mißverhältnis zu der realen Situation und den Möglichkeiten dieser<br />
ersten internationalen Vereinigung der Arbeiterbewegung stand. Vor dem Pariser<br />
Gericht erklärte der Staatsanwalt am 8. Juni 1870, kurz vor Ausbruch des<br />
deutsch-französischen Krieges, die Internationale zähle 811 000 eingeschriebene<br />
Mitglieder. davon 433 000 in Frankreich. HO 000 in Deutschland, 100000 in<br />
Österreich-Ungarn und 80 000 in Großbritannien. Ein so angesehenes und<br />
wohlinformiertes Organ wie die Lond"ner n Times" schätzte den Anhang der<br />
I. A. A. im Juni 1871, wenige Tage nach der blutigen Maiwoche, auf 2.5 Millionen.<br />
Andere woHten sogar von 5 Millionen Parteigängern und einem Kampffonds<br />
von 100 Millionen Goldmark wissenl<br />
Die neue re Forschung hat diese phantasievollen DarsteIIungen auf das<br />
rechte Maß zurückgeführt. Vor allem Morgan und BraunthaI haben die finanzielle<br />
Bedrängnis und zahlerunäßige Schwäche der Internationale an eindrucks~<br />
voIIen Beispielen dargelegt 1). So zählten die Sektionen in Berlin, Stuttgart und<br />
Köln Anfang 1866 nicht mehr als sechs, neun bzw. siebzehn Mitglieder. Auch<br />
nach dem Eisenacher Kongreß im August 1869. auf dem sich die neugegründete<br />
Sozialdemokratische Arbeiterpartei mit der Internationale im "Rahmen der<br />
Vereinsgesetze" solidarisch erklärte, dürften nur relativ wenige Parteigenossen<br />
der 1. A. A. als Einzelmitglieder beigetreten sein. Bebel machte sich daher keiner<br />
Untertreibung schuldig. als er im Leipziger Hochverratsprozeß die im Deutschen<br />
Reich organisierten Mitglieder der I. A. A. auf rund tausend schätzte 2).<br />
Bei der Bewertung dieser Zahlen dürfen aIIerdings zwei Gesichtspunkte<br />
nicht außer acht gelassen werden: Bei den Einzelmitgliedern handelte es sich<br />
fast durchweg um besonders überzeugte, idealistische und opferwillige Anhänger<br />
der Arbeiterbewegung, unter ihnen so faszinierende Persönlichkeiten wie<br />
1) J uHus B rau n t haI. Geschichte der Intemationole. Bd. 1. Hannover 1961;<br />
R. P. Mo r ga n, The German Sodal Democrats and the First International 1864-<br />
1872 (MS).<br />
2) Der Hochverraths-Prozeß wider Liebknecht. Bebe!. Hepner vor dem Schwurgericht<br />
zu Leipzig vom 11. bis 26. März 1872. Berlin 1894. S. 214 ~zit. Hochverratsprozeß).<br />
131
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Bebel und Liebknecht, die Tausende und aber Tausende von Arbeitern in ihren<br />
Bann zu ziehen wußten. Die politische und moralische Kraft der Internationale<br />
beruhte zudem weniger auf dem Wirken ihrer Einzelmitglieder, als auf der<br />
Verbindung zu den Gewerkschaften, Genossenschaften und Arbeiterparteien,<br />
die sich zwar aus finanzieIlen oder vereinsrechtlichen Gründen vielfach auf eine<br />
lockere Kooperation beschränken mußten, ·für den Generalrat aber als Brücke<br />
zu der Masse der Arbeiterschaft von entscheidender Bedeutung waren. Mit<br />
vollem Recht unterstreicht BraunthaI in diesem Zusammenhang die Bedeutung<br />
der Streikkämpfe der Iahre 1867/70 für den Masseneinfluß der 1. A. A.: "Nicht<br />
selten kam es zu spontanen Massenanschlüssen an die Internationale im Feuer<br />
schwerer Gewerkschaftskämpfe ... Der Generalrat intervenierte in der Tat in<br />
zahllosen Streiks, die durch ausländische Streikbrecher bedroht waren ... Diese<br />
Akte hilfreicher Solidarität trugen den Ruhm der Internationale in tausende<br />
Arbeiterfamilien. Die meisten der streikenden Arbeiter hatten wohl zum<br />
erstenmal in Streikversammlungen und aus Zeitungsberichten vom Dasein eines<br />
Bruderbundes der Arbeiter erfahren, aer die Macht besaß, durch Aktionen in<br />
Frankreich, Holland und Belgien Kämpfe aer Arbeiter in Manchester, Edinburg<br />
und London zu unterstützen. .. Das Ansehen der Internationale wuchs<br />
ins Legendäre, als bekannt wurde, daß es ihr da und dort gelungen war, Kämpfe<br />
der Arbeiter durch ihr Eingreifen zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen M 3).<br />
Ein sicheres Urteil über den Einfluß der Internationale wird sich allerdings<br />
erst nach einer Darstellung der Geschichte der wichtigeren Sektionen und Zweigorganisationen<br />
fällen lassen, eine Aufgabe, deren lösung sorgfältige Einzelstudien<br />
voraussetzt. Die Erforschung der lokalen Gruppen im östlichen Niedersachsen<br />
- Braunschweig, Celle, Hannover, Hildesheim und Wolfenbüttcl - ist.<br />
nicht zuletzt infolge der schwierigen Quellenlage, über erste Ansätze kaum<br />
hinausgelangt. Auch von ihren führenden Persönlichkeiten, Wilhelm Bracke,<br />
Dr. Kirchner, Dr. Kugelmann, Samuel Spier und, bi5 :zu einem gewissen Grade,<br />
Leonhard von Bonhorst haben bislang nur Bracke und Kugelmann als Vertrauensleute<br />
und Briefpartner von Marx und Engels stärkere Beachtung<br />
gefunden 4).<br />
3) Braunthai a. a. O. S. 127 f. S. auch Julius B rau n t hai, Die Stärke der Ersten<br />
Internationale - Legende und Wirklichkeit. International Review of Social History<br />
1960. S. 249 f.<br />
') Die Briefe von Marx an Kugelmann wurden wiederholt herausgegeben. S. neuerdings<br />
Bert An d r e a s, Briefe und Dokumente der Familit Marx aus den Jahren 1862<br />
bis 1873 •.• In: Archiv f. Sozialgeschichte, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, 2. Bd.<br />
1962, S. 167 H. Die Briefe von Marx und Engels an Bracke in: Karl M a rx / Friedrich<br />
Eng eis, Briefe an A. Bebel. W. liebknecht, K. Kautsky und Andere. T'!ill. 1870 bis<br />
1886. Hrsg. vom Marx-Engels-Lenin-Institut Moskau. Moskau-Lellingrad 1933 (zit.:<br />
Briefe an Bebel u. a.); Georg Eck e r t, Aus den Anfängen der Braunschweiger<br />
Arbeiterbewegung. Unveröffentliche Bracke-Briefe, Braunschweig 195;; Der ~., Wilhelm<br />
Bracke, Niedersächsische Lebensbilder, Bd. 4, Hildesheim 1960; Der 5., Die Flugschriften<br />
der lassalleanischen Gemeinde in Braunsdlweig, Archiv für Sozialgeschicnte.<br />
2. Bd. 1962, S. 295 H.<br />
132
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In der Entwicklung der Braunschweig-Wolfenbütteler Organisation, über<br />
die wir dank der regen publizistischen Tätigkeit von Wilhelm Bracke und der<br />
ihm verbundenen Intellektuellen noch am besten unterrichtet sind, lassen sidl<br />
drei Phasen unterscheiden: die Periode zwischen der Gründung der beiden<br />
"Sektionen" im Sommer 1867 bis zum Bruch der Braunschweiger Mitgliedschaft<br />
des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins mit J. B. von Schweitzer im Sommer<br />
1869, das Jahr zwischen dem Eisenacher Gründungskongreß der Sozialdemokratischen<br />
Arbeiterpartei im August 1869 bis zur Verhaftung des Braunschweiger<br />
Ausschusses im September 1870 und schließlich die Zeit nach dem<br />
Braunschweiger Sozialistenprozeß von 1871, in der Bracke und der Kreis um<br />
seinen Verlag wesentlich zur marxistischen Ideologiebildung und zur Durchsetzung<br />
der Ziele und Vorstellungen des marxistischen Flügels der Internationale<br />
in Deutschland beigetragen haben.<br />
Die Braunschweiger Gemeinde des ADAV begann sich spätestens im Winter<br />
1866/67 mit den Schriften und Ideen der Internationale vertraut zu machen.<br />
In einer vom 29. Januar 1867 datierten Flugschrift, die anläßlich der ersten Wahl<br />
zum Norddeutschen Reichstag im Wahlkreis Braunschweig-Blankenburg verbreitet<br />
wurde, veröffentlichte Bracke einen Passus, der skh z. T. wörtlich an<br />
die Inaugural-Adresse der 1. A. A. von Karl Marx anlehnte 6). In den gleichen<br />
Monaten dürften die Braunschweiger Lassalleaner die Verbindung zu dem<br />
Leiter der deutschen Sektionen der Internationale, dem Achtundvierziger<br />
Johann Philipp Becker in Genf. aufgenommen haben. Jedenfalls meldete der<br />
"Vorbote", das von Becker veröffentlichte "Zentralorgan der Sektionsgruppe<br />
deutscher Sprache der Internationalen Arbeiterassociation" im Mai: "Zum<br />
Schlusse können wir noch die Gründung einer Sektion in Braunschweig und<br />
einer solchen in Murten (Schweiz) anzeigen. U In der gleichen Nummer quittierte<br />
Becker die ersten "Thr. 5" von der "Sektion Braunschweig" 6).<br />
Die Generalversammlung des ADAV, die am 19./20. Mai 1867 in der<br />
Hauptstadt des Herzogtums zusammentrat und J. B. v. Schweitzer zum Präsidenten<br />
wählte, unterstrich die Annäherung der Lassalleaner an die Internationale:<br />
"Da die Lage der Arbeiterclasse in allen modernen Culturländern<br />
6) G. Eck e r t, Die Flugschriften ... S. 31,: "Als de~ Schatzkanzler Gladstone am<br />
7. April 1864 verkündete, daß die Gesammtsumme des englischen Handels seit 1843 um<br />
das Dreifache gestiegen sei, da war er trotzdem und trotz des immer gestiegenen<br />
Nationalreichthums von ganz England, beredt über ,Armuth'. ,Denkt', rief er, ,an die,<br />
welche am Abgrunde des Elends schweben, an nicht gestiegene Löhne, an das Menschenleben<br />
in neun Fällen von zehn. ein bloßer Kampf um die Existenz I' Und im englischen<br />
Blaubuche von 1863 findet sich der genaueste Beweis, daß der Auswurf des Verbrechens,<br />
daß die Galeerensclaven Englands viel weniger abgeblackt und viel besser genährt<br />
werden. als selbst die Ackerbauer Englands und Schottlands, ganz zu geschweigen &rer,<br />
die noch tief unter diesen stehen. und die doch arbeiten, wie es Menschen nur möglich<br />
ist. z. B. unter einer langen Reihe, die Nähterinnen I"<br />
8) Der Vorbote Mai 1867. Bei den "Sektionen" handelte es sich in diesem Fall nicht<br />
um eigentliche Vereine, sondern um Gruppen von Einzelmitgliedern.<br />
133
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
der Hauptsache nach dieselbe ist", hieß es in dem neuen Programm, "und nachhaltig<br />
nicht in einem einzelnen Lande zum Besseren umgewandelt werden kann,<br />
so erkennt der Allg. deutsch. Arb.-Verein die Gemeinsamkeit der Arbeiterinteressen<br />
in allen Cu/tur/ändern" 7). Es muß dahingestellt bleiben, ob die gastgebende<br />
Braunschweiger Gemeinae das Zustandekommen gerade dieses Programmpunktes<br />
maßgebend beeinflußt hat.<br />
In der Einladung zum Arbeitertag, der wenige Wochen danach am 21. Juli<br />
in Braunschweig zusammentrat, bekannten sich Bracke und seine Freunde zum<br />
erstenmal zu der Losung des Kommunistischen Manifestes und der Inauguraladresse:<br />
"Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!" "Zeigt", heißt es an gleicher<br />
Stelle, "daß auch der deutsche Arbeiter begriffen hat, daß die Arbeiterfrage<br />
auf der Tagesordnung steht, daß er nicht gesonnen ist. sie ohne seine<br />
Mitwirkung. vielleicht von seinen eigenen Feinden. lösen zu lassen, und daß er.<br />
der deutsche Arbeiter, hinter seinen französischen. englischen. amerikanischen<br />
Brüdern nicht zurückstehen will" 8).<br />
Der "Braunschweiger Arbeitertag" delegierte schließlich den bekannten<br />
Hildesheimer Sozialdemokraten Dr. Emil Kirchner, der in Braunschweig 342<br />
Mitglieder der Weber- und Arbeitervereine von AIfeld, Großlobke, Hameln,<br />
Hildesheim und Sarstedt vertrat. zum zweiten Kongreß der 1. A. A.,
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
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der "Grevebroschüre": "L'Association Internationale des Travailleurs et la<br />
Greve Genevoise" 10).<br />
In den folgenden Monaten wirkte Dr. Kirchner, der der I. A. A. als Einzelmitglied<br />
beigetreten war, mit größter Aufopferung für die internationale Verbindung<br />
der Arbeiterschaft. "Immer mehr erwacht unter den Arbeitern das<br />
Gefühl der Zusammengehörigkeit", schrieb er am 20. Mai, nach dem Sieg der<br />
Streikenden in Genf 11), an J. Ph. Becker 12). "Am nächsten Sonntag halte ich<br />
große Weberversammlung in Sarstedt ab, wo 12 Vereine ihre Vertreter schicken;<br />
die Mittheilung über die Genfer Greve wird dort großen Jubel erregen; denn<br />
auch diese Weber haben im Strike vor 1'/2 Jahren den Sieg davon getragen, der<br />
uns damals unsägliche Opfer kostete, da wir von nirgendsher Hilfe hatten. Über<br />
Berg und ThaI möchte ich Ihnen und den Genfer Freunden die Hand entgegenstrecken<br />
für die Opfer, die Sie der Sache des Arboeiterstandes gebracht.<br />
Vorwärts! laßt uns vorwärts streben,<br />
Wie es Männern ziemt der Zeit,<br />
Daß zur Wahrheit werd' im Leben:<br />
Freiheit, Recht und Menschlichkeit!"<br />
10) Am 20. Mai schrieb Kirchner an Becker: "Ich vertheile sie [die Broschüren) gratis<br />
an Vereine u. füge ein Schreiben [bei), worin ich um Verbreitung bitte. Noch ein pa a r<br />
Ex e m p I are der S tat u t e n wären mir erwiinscht. Am Montag war Versammlung<br />
der hannover. Arbeiterbildungs-Vereine in Hannover, ich reißte hin u. habe dort<br />
die Broschüren an die Vertreter mehrerer Vereine abgegeben; dieselben waren sehr<br />
erfreut darüber und hoffe ich auf Erfolg." Der Allgemeine Arbeitertag (18.119. Mai) in<br />
Hannover wurde zunädlst von der Polizei aufgelöst, weil die Redner, unter ihnen<br />
Dr. Kirchner, .die Grenzen des Erlaubten überschritten". HAZ vom 18., 19. und 20. 5.<br />
1868.<br />
Dr. Emil Kirchner war Anfang der sechziger Jahre als Lehrer an die städt. Gewerbeschule<br />
berufen worden. Da er wegen seiner politischen Tätigkeit 1865 aus dem Dienst<br />
ausscheiden mußte, gründete er eine private Schule für Maschinen-, Mühlenbauer und<br />
Müller. Politisch entwickelte er sich von Schulze-Delitzsch über Lassalle zum Anhänger<br />
d",r Sozialdemokratischen Arbeiter - Partei, deren Hildesheimer Ortsgruppe er Ende<br />
November 1869 ins Leben rief. S. HAZ vom 30. 11. 1869 sowie J. Ge bau e r, Geschichte<br />
der Stadt Hildesheim, Bd. 2, Hildesheim u. Leipzig 1924. S. 455. Bei der Broschüre handelt<br />
es sich um die Schrift von Becker "Die Internationale Arbeiterassociathm und die<br />
Arbeitseinstellung in Genf im Frühjahr 1868", deren Ertrag "zu Gunsten der Greve"<br />
bestimmt war. (N ach einer freundlichen Auskunft VOll Bert Andrcas).<br />
11) S. hierzu Marx an Engels vom 11. 4. 1868: .Aus der heutigen Times (telegraphische<br />
Depesche) wirst Du sehn, daß wir in Genf vollen Sieg errungen, Arbeitszeit<br />
von 12 auf 11 Stunden herabgesetzt, Arbeitslohn um 10 % erhöht. Die Sache ging so<br />
zu. Kaum warst Du fort, so traf hier Deputierter von Genf ein. Dies fact, daß die<br />
Arbeiter Gesandten nach London. zu dem schrecklichen Vehm~ericht. geschickt, entschied,<br />
wie früher im strike der Bronuarbeiter zu Paris. Die masters glauben an die<br />
Londoner Macht und Kriegskasse. Dies sollte den Arbeitern in England und auf dem<br />
Kontinent zeigen, welche Macht sie in uns besäßen, wenn sie wirklich die gehörigen<br />
Mittel ete. zur Disposition stellten.'<br />
12) Die Originale der Briefe von Dr. Kirchner an 1. Ph. Becker befinden sich im lISG<br />
Amsterdam.<br />
135
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
Im Laufe des Jahres 1868 gewann die Internationale inbeiden miteinander<br />
rivalisierenden Gruppen der organisierten deutsmen Arbeitersmaft, bei den<br />
Lassalleanern und bei den Anhängern von Bebel und Liebknecht, :zusehends<br />
an Einfluß und Interesse. Bereits im Juli hatte J. B. von Schweitzer, der das<br />
Prestige der Internationale seiner eigenen Organisation dienstbar zu machen<br />
suchte, Karl Marx zur bevorstehenden Generalversammlung des ADAV in<br />
Hamburg eingeladen. Marx antwortete am 18. August in konziliantem Ton,<br />
erklärte sich aber angesichts der Vorbereitung des Kongresses der Internationale<br />
in Brüssel außerstande, Deutschland zu besuchen. "Die Einladung", schrieb er<br />
Engels, "ist von Schweitzer als Präsident und von über 20 Arbeitern aus<br />
Deutschlands diversen Gauen (Vorstandsmitgliedern) unterschrieben. Ich mußte<br />
in meiner Antwort auf letztere Rücksicht nehmen ... " 13). Auf der GeneralversammLung,<br />
auf der Wilhelm Bracke über das Werk von Karl Marx referierte,<br />
wurde die Stellung zur Internationale ausführlich erörtert, wobei sich die Delegierten<br />
aus Niedersachsen für ein engeres Zusammengehen beider Organisationen<br />
aussprachen. Dr. Kirchner hatte bereits am 3. August in diesem Sinne<br />
J. Ph. Becker berichtet: " ... Als ich in Hamburg p. für die internationale<br />
Assoe. sprach, fand ich viel Verdächtigung unter den Lassalleanern; doch hat<br />
sich seitdem viel in der Stimmung geändert. Meine hannovr. Freunde (Lassalleaner)<br />
belehrte ich über die Strebungen der intern. AsSOC., auch in Braunschweig,<br />
Hildesheim p. klären sich die Ansichten, so daß ich hoHe mit meinem<br />
Antrag auf Ansmluß des aUgem. Arbeiter-Vereins an die international. A9Soc.<br />
auf dem Arbeiter-Vereins[tagJ in Hamburg durchzudringen, indem ich einen<br />
hierauf bezügl. Antrag einbringen werde. Wie ich dieser Tage durch Freunde<br />
erfuhr, scheint auch Dr. Schweitzer nimt mehr abgeneigt zu sein. Davon<br />
später ... "<br />
Tatsädllich wurde in Hamburg nach einem Referat von Kar! Hirsch "die<br />
Übereinstimmung mit den Gesichtspunkten der Internationalen Arbeiterassoziation<br />
in einer besonderen Resolution zum Ausdruck gebracht" 14). Im<br />
Geiste dieser Beschlüsse bekannten sich im September die "Gemeinden des<br />
allgemeinen deutschen Arbeitervereins in Hildesheim, W oIfenbütteI. Braunschweigund<br />
Hannover" mit Glückwünschen und Zustimmungsadressen an den<br />
Brüsseler Kongreß zu den Ideen der 1. A. A. 15).<br />
Wenige Tage danach faßte auch der runfte deutsme Arbeitervereinstag in<br />
Nürnberg auf Initiative von Bebe! und Liebknecht den für die künftige Entwicklung<br />
der deutschen Arbeiterbewegung so folgenschweren Beschluß, sich mit<br />
der Internationale solidarisch zu erklären: "In Erwägung", hieß es in dem<br />
neuen Programm, "daß alle auf die ökonomische Befreiung der Arbeiter gerich-<br />
13) Marx an Engels vom 26. 8. 1868. Der Text des Antwortschreibens von Marx an<br />
Schweitzer in Social-Demokrat vom 28. 8. 1868.<br />
11) M a y e r, Schweitzer S. 230.<br />
10) Der Vorbote. September 1868.<br />
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teten Anstrengungen bisher an dem Mangel der Solidarität zwischen den vielfachen<br />
Zweigen der Arbeit jeden Landes und dem Nichtvorhandensein eines<br />
brüderlichen Bandes der Einheit zwischen den arbeitenden Klassen der verschiedenen<br />
Länder gescheitert sind; daß die Befreiung der Arbeit weder ein<br />
lokales noch nationales, sondern ein soziales Problem ist, das alle Länder umfaßt,<br />
in denen es moderne Gesellschaften gibt, und dessen Lösung von der<br />
praktischen und theoretischen Mitwirkung der vorgeschrittensten Länder<br />
abhängt, beschließt der fünfte deutsche Arbeitervereinstag seinen Anschluß an<br />
die Bestrebungen der Internationalen Arbeiterassoziation" 16). Am Nürnberger<br />
Vereinstag nahm als Vertrete-r des Hildesheimer Webervereins Dr. Kirchner<br />
tei\., der sich als Lassalleaner entschieden für die Annahme des Programms<br />
erklärte. Nach eindringlichen Worten für die Leiden der Arbeiterschaft forderte<br />
er ihre "allgemeine Organisierung". "Auf diesem Boden", erklärte er, "hören<br />
die kleinen Skrupel auf, da fühlt und erkennt der Arbeiterstand seine Macht<br />
und da ist mit einer gemeinsamen Organisation das Arbeitervolk ein Löwe,<br />
dessen Tatzen nidlt mehr gefesselt sind, der sie zu gebrauchen weiß" 17). "Kirchner",<br />
schreibt Bebel in seinen Erinnerungen. "war sozusagen die erste Schwalbe,<br />
die es wagte, aus dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein zu uns herüherzufliegen.<br />
Das war in den Augen J. B. von Schweitzers ein Verbrechen. Kirchner<br />
wurde nadlher auch als Vertrauensmann gewählt" 18).<br />
Der Abwehrkampf der Baseler Seidenfärber und Bandweber, die wegen ihrer<br />
Zugehörigkeit zur Internationale von den Unternehmern ausgesperrt worden<br />
waren, hatte im März des folgenden Jahres eine neue große Solidaritätsaktion<br />
zur Folge. Aus Niedersachsen, wo in den Arbeitervereinen eifrig gesammelt<br />
wurde, gingen nach dem "ersten Verzeichniß der für die Grevisten in Basel eingegangenen<br />
Liebesgaben" folgende Spenden ein 19):<br />
Vom Central-Comite in Genf aus Braunschweig und Magdeburg 81,40 fr.;<br />
von Dr. Kugelmann in Hannover 3,65 fr.; von Cigarrenarbeitern aus Hannover<br />
17 fr.; von Wolfenbeutel (I) 9,80 fr.; vom deutschen Arbeiter-Verein in Magdeburg<br />
63,75 fr.; vom deutschen Arbeiter-Verein in Hannover 37,50 Er.; von Conrad<br />
Meyer in Achim 14,69 fr.; von Gossauer in Lüneburg 11,51 fr.<br />
18) August Beb e 1, Aus meinem Leben I, 193. S. auch Hochverratsprozeß S. 915 f.<br />
17) Demokratisches Womenblatt (zit. DW) 1868. Zitiert nam Wiederabdruck in<br />
Homverratsprozeß S. 758 H. Hier aum der Prot~st der Sonderbündler, die sich gegen<br />
das neue Programm und damit audl gegen den Ansmluß an die I. A. A. aussprachen.<br />
Aus dem heutigen Niedersamsen gehörten hierzu folgende Vereine: Celle (Reuter),<br />
Eldagsen, Elze, Goslar (Lüttich), Hameln, Hannover Stadt und Gauverband (Engelking<br />
und Reuter), Harburg, Lüneburg, Nienburg, Oldenburg, Osnabrück (Smelle), Osterode,<br />
Peine. Nach Ansicht der Herausgeber von .Homverratsprozeß" waren die Vereine in<br />
Elze, Nienburg und Osterode schon vorher ausgeschieden.<br />
18) Beb e 1. Aus meinem Leben I. 191.<br />
19) Zit, nach B rau n t haI, Geschichte der Internationale, S. 130.<br />
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Während der Streiktage wandten sich die Wolfenbüttder Lassalleane-r mit<br />
folgendem Schreiben an J. Ph. Decker 20), das als eines der frühesten Dokumente<br />
der Wolfenbütteler Arbeiterbewegung im Wortlaut wiedergegeben werden soll:<br />
n Wolfenbüttel d. 12. Januar 1869<br />
Herrn Joh. Phi!. Becker, Präsident der internationalen<br />
Arbeiter-Association<br />
Genf.<br />
Die hiesigen Mitglieder des allgem. deutsch. Arbeiter-Vereins haben durch<br />
den Vorboten und Soc. Democrat Nachricht von der Arbeitseinstellung der<br />
Seidenfärber in Basel erhalten; dieselben haben mich beauftragt, einliegende<br />
2 fI. 20 gr., welche von denselben zur Unterstützung der Baseler Färber gesammelt,<br />
an Sie mit der Bitte zu senden, dieselben zu genannten Zwecke verwenden<br />
zu wollen.<br />
Möge die Arbeitseinstellung mit einem Siege der Arbeiter endigen.<br />
Mit social-democratischem Gruß und HandschIag<br />
S. Schömers, Fabrik-Aufseher. U<br />
In der ersten Hälfte des Jahres 1869 wurde das politische Leben der Braunschweiger<br />
Arbeiterbewegung mehr und mehr von den Wirren und Spannungen<br />
im ADAV bestimmt, bis schließlidl der "Staatsstrekh" des Präsidenten den<br />
offenen Bruch zwischen Schweitzer und seinen zahlreichen Kritikern zur Folge<br />
hatte. Am 22. Juni verbündeten sich die opponierenden Lassalleaner, unter<br />
ihnen Bracke und Spier, mit den Führern der "Partei Marx" in Deutschland,<br />
Bebel und Liebknecht. Im August gründeten sie in Eisenach die Sozialdemokratische<br />
Arbeiterpartei, die Vorläuferin der heutigen S. P. D. Am Ende<br />
des Kongress.es, zu dessem Gelingen Bracke wesentlich beigetragen hatte, wählten<br />
die Delegierten Braunschweig-Wolfenbüttel zum ersten Vorort der Partei.<br />
Bracke und seine Freunde im "Ausschuß der socialdemokratischen Arbeiterpartei"<br />
trugen damit bis zu ihrer Verhaftung im September 1870 entscheidende<br />
Verantwortung für die Entwicklung und politische Haltung der gesamten Partei.<br />
Diese neue Aufgabe, mit ihrer Verknüpfung von nationalen und lokalen<br />
Pflichten und Funktionen, bestimmte nicht zuletzt das Verhältnis zur Internationale<br />
21). Der Eisenacher Kongreß hatte sich eindeutig zu ihren "Bestrebun-<br />
20) Das Original befindet sich im IISG Amsterdam.<br />
21) In den dramatis::hen Wochen vor dem Eisenacher Kongreß versuchten die beiden<br />
rivalisierenden Fraktionen, die Internationale für sich zu gewinnen. Unmittelbar nach<br />
dem Ausscheiden der Oppositon aus dem ADAV erklärte sich J. Ph. Becker im Namen<br />
der deutschen Sektionen gegen Schweitzer, den er sdlon zuvor in Briefen an Bonhorst<br />
u. a. bekämpft hatte. Kurz darauf behauptete liebknecht. der Londoner Generalrat<br />
nähme gegen den ADA V Partei. Schweitzer, der in die Verteidigung gedrängt war, vermied<br />
dagegen jeden offenen Bruch mit der I. A. A. und begnügte sich damit. Becker und<br />
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gen" bekannt und erklärt, die neue Partei betrachte sich, "soweit es die Vereinsgesetze<br />
gestatten", als Zweig der 1. A. A. Da ein kollektiver Anschluß aus<br />
rechtlichen Gründen unmöglich war, wurden die Anhänger aufgefordert, die<br />
Einzelmitgliedschaft zu erwerben. In Braunschweig-Wolfenbüttel hatten die<br />
führenden Funktionäre, vor allem Bracke, Spier und der neugewählte Parteisekretär<br />
Leonhard von Bonhorst, diesen Weg gewählt. Ihr engerer Kreis. vor<br />
allem der "Ausschuß", vermied es dabei sorgsam. durch die Konstituierung<br />
einer Sektion gegen das Vereinsrecht zu verstoßen, bildete jedoch eine Gesinnungs-<br />
und Willensgemeinschaft. die einer Sektion in der Tat so gut wie gleichzusetzen<br />
war.<br />
Aus dieser zweiten Phase der Geschichte der Braunschweiger "Sektion"<br />
stammen elf Briefe des Partei sekretärs an J. Ph. Becker in Genf, der Entwurf<br />
eines Rechenschaftsberichtes an den Generalrat in London sowie eine eidesstattliche<br />
Erklärung von Karl Marx 22), die im folgenden als ein kleiner Beitrag<br />
zur Geschichte der I. A. A. ill Niedersachsen vorgelegt werden. Die Briefe<br />
befinden sich im Nachlaß von J. Ph. Becker, den das Internationale Institut<br />
für Sozialgeschichte in Amsterdam betreut. Seinem Direktor, Herrn Professor<br />
Dr. Rüter. und dem Leiter der deutsdlen Abteilung. Herrn Blumenberg, bin ich<br />
für die Veröffentlkhungsgenehmigung zu großem Dank verpflichtet. Die übrigen<br />
Dokumente befinden sich im Niedersächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttel,<br />
das "kleine Häuflein" seiner Getreuen anzugreifen. Der ADAV und der "Social<br />
Demokrat". erklärte er in mehreren Leitartikeln. hätten sich jederzeit für die internationale<br />
Verbundenheit der Arbeiterklasse eingesetzt; zwischen den lass alle an ischen<br />
Organisationsprinzipien und der Idee der internationalen Kooperation bestände kein<br />
grundsätzlicher Widerspruch. Im übrigen. drohte Schweitzer. sähe er sich unter Umständen<br />
gezwungen. den "Schwindel" zu enthüllen. der mit der Internationale häufig<br />
betrieben würde.<br />
Marx und Engels waren über diese Verwicklung der I. A. A. in die Wirren der<br />
deutschen Partei wenig erbaut .• Übrigens hatte der alte Esel Becker nicht nötig. offiziell<br />
die .Internationale· in diesen Auflösungsprozeß der Lassallekirche einzumischen".<br />
schrieb Marx am 17. Juni nach Manchester. Nicht minder scharf kritisierten sie die Erklärung<br />
von Liebknecht. den sie öffentlich zu desavouieren drohten. "Ich hatte ihm<br />
geschrieben". beridlletc Marx am 22. Juli Engels. "daß ich persönlich mich diesem<br />
Skandal ... femhalte. um so mehr. als ich ebenso dezidiert gegen die Lassalleclique als<br />
gegen die Volkspartei." Eben~o negativ reagierte Marx auf einen Versuch vC'n Wilhelm<br />
Bracke. die I. A. A. durch Vermittlung von Dr. Kugelmann um finanzielle Hilfe anzugehen.<br />
Die Opposition im ADA V. schrieb er an Engels. verteidige ja doch nur den<br />
"wahren" gegen den" unwahren" Lassalleanismus f "Sein Bracke wirft Ja dem Schweitzer<br />
vor". heißt es am 24. Juli. "daß er Lassalles Staatskredittheorie für bloßes Agitationsmittel<br />
erklärt hat und nicht an die Panacea glaubt". "Die Geschichte mit Bracke ist auch<br />
gut". stimmte ihm Engels zu. "Diese Lassalleknechte schreien immer nach Geld und nur<br />
Geld. Meiner Ansicht nach wäre es sehr unratsam von seiten der I. A. A .• den Deutschen<br />
aue h nur ein e n P f e n ni g zu schicken. ehe sie selbst beständige Beiträge eine<br />
Zeitlang eingezahlt."<br />
22) Ein kurzer Auszug aus dem Bericht an den Generalrat und die Erklärung von<br />
KarI Marx in W. B r a c k e: Der Braunschweiger Ausschuß der socialdemokratischen<br />
Arbeiter-Partei in Lötzen und vor dem Gericht. Braunschweig 1872 S. 151 f. und 15~ f.<br />
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dessem Direktor, Herrn Dr. Kleinau, ich ebenso verbunden bin wie seinem<br />
Mitarbeiter, Herrn Dr. Goetting.<br />
*<br />
Leonhard von Bonhorst, der vom August 1869 bis zum Juli 1870 als erster<br />
hauptamtlicher Sekretär der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Braunschweig<br />
tätig war, entstammte einer in Nassau beheimateten Adelsfamilie.<br />
Sein Vater, ein ehemaliger Offizier, lebte in den für seinen Sohn entscheidenden<br />
Jugendjahren als Rechnungsrat der nassauischen Finanzverwaltung und später<br />
als Pensionär in Wiesbaden. Leonhard von Bonhorst wurde am 20. Juni 1840<br />
in Caub am Rhein geboren, wo er katholisch getauft und gefirmt wurde. Nach<br />
seiner Zeugenaussage im Leipziger Hochverratsprozeß bekannte er sich später<br />
zur deutschkatholischen Bewegung, die manche Berührungspunkte zur sozialen<br />
Demokratie aufzuweisen hatte 23). Bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr im<br />
Elternhaus erzogen, besuchte er von 1858 bis 1860 das Realgymnasium zu<br />
Wiesbaden, um danach zwei Jahre am Polytechnikum, der heutigen Technischen<br />
Hochschule, in KarIsruhe zu studieren. Die Jahre 1862 bis 186, verbrachte er<br />
erneut im Kreise seiner Familie in Wiesbaden, wo er im Frühjahr 186, eine<br />
Maschinenagentur eröffnete. Wie aus dem Aufdruck seiner Briefbogen hervorgeht,<br />
handelte Bonhorst vor allem mit Nähmaschinen, daneben aber auch mit<br />
Graphit-Schmelztiegeln, Pottasche, Steingutröhren und Federmatratzen. Im<br />
Dezember 1868 mußte er sein Geschäft liquidieren, da ihn sein Eintreten für<br />
die Arbeiterbewegung, vor allem aber eine Bürgschaft für eine Arbeitergenossenschaft,<br />
an den Rand des finanziellen Ruins gebracht hatten 24). Nach einem<br />
weiteren Jahr, das er bei seinen Eltern verbrachte, rief ihn der Eisenacher Kongreß<br />
.an seine neue Wirkungsstätte in Braunschweig-Wolfenbüttel.<br />
Bonhorst hat sich nach seiner eigenen Aussage vor dem Braunschweiger<br />
Untersuchungsrichter bereits mit 2'i Jahren den Problemen der Arbeiterbewegung<br />
zugewandt. Nach der Lektüre verschiedener "Gelegenheitsschriften"<br />
von Schulze-Delitzsch, Max Wirth u. a. bewegte ihn die Frage, wie man die<br />
"wirtschaftliche Lage des Arbeiterstandes" verbessern könne. "In Folge dessen",<br />
erklärte er .am gleichen Ort, "errichtete ich im Herbst 6, in Wiesbaden<br />
einen Consumverein und betheiligte mich an dem wenige Monate später von<br />
dortigen Arbeitern errichteten Arbeiter-Bildungs-Verein. In ersterm hatte ich<br />
die Buchführung, in dem letztem ertheilte ich unentgeltlichen Unterricht, hielt<br />
Vorträge über wissenschaftliche Gegenstände pp. Das Jahr 1866 brachte jedoch<br />
in dem Verlauf seiner Ereignisse und der Nachwirkungen eine Spaltung in den<br />
Elementen des Arbeiter-Bildungs-Vereins hervor." Diese Aussage scheint für<br />
den Charakter und die Ideale des jungen Bonhorst kennzeichnend: sie offen-<br />
23) Hochverratsprozeß S. 528.<br />
24) S. die Aussagen vor dem Untersuchungsrichter. Niedersächs. Staats archiv Wolfenbüttel.<br />
L Neu Abt. 38 A. Fb. 2 Nr. 36 VII; Bonhorst
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bart seine Spontaneität, seinen Tatendrang, sein nicht selten unrealistisches<br />
Streben, erkannte Ziele so rasch wie möglich in die Wirklichkeit umzusetzen,<br />
vor allem aber seine Überzeugung und Hoffnung, die "soziale Frage" durch<br />
vermehrte Bildung, genossenschaftliche Kooperation und menschliche Solidarität<br />
zu lösen.<br />
Das Studium der nationalökonomischen Literatur führte ihn bald zu Ferdinand<br />
Lassalle, dessen Lehre ihm "besonders anziehend und anregend" erschien.<br />
Im Herbst 1867, als er sich um die Verbindung zur lassalleanischen Bewegung<br />
bemühte, kam er mit der von der Gräfin Hatzfeldt protegierten Splittergruppe<br />
unter Försterling und ihrem Vizepräsidenten Mende in Kontakt. Mende, glücklich,<br />
am Mittelrhein Fuß zu fassen, ernannte ihn sogleich zum Bevollmächtigten<br />
für Wiesbaden und Umgegend. Bonhorst nahm unter der Bedingung an, daß<br />
seine Wahl von den Mitgliedern bestätigt werde. "Die zu dem Behufe von mir<br />
berufene Versammlung", erklärte er vor dem Richter, "entschied jedoch für<br />
einen Anschluß an diejenige Fraction des allgemeinen deutschen Arbeitervereins,<br />
welche unter dem Präsidium Schweitzer in Berlin stand und schlug mich<br />
zum Bevollmächtigten für Wiesbaden vor."<br />
Bereits einige Monate zuvor, im Frühjahr 1867. hatte Bonhorst die Verbindung<br />
zur Internationale aufgenommen. "Heute zum erstenmal kam mir der<br />
Complex der Nummern des Vorboten von 1866 in die Hände", schrieb er am<br />
18. Mai an ]. Ph. Decker. "Bürger Habich hat sie mir geliehen. U Die Lektüre<br />
habe eine derartige Übereinstimmung mit den eigenen Überzeugungen ergeben,<br />
daß er es als "eine Schande" erachten müsse, "mit Ihnen nicht sogleich in<br />
Correspondenz zu treten". Die Arbeiterbewegung am Mittelrhein sei zu neuem<br />
Leben erwacht, ihm selber habe man dabei die "Ausarbeitung des Agitationsmaterials"<br />
übertragen. "Die Sache verhält sich in großen Umrissen so", berichtete<br />
er weiter: "Am vorigen Sonntag war in Biebrich am Rhein ein Arbeitertag,<br />
zu dem wir in Gemeinschaft mit den Mainzern (welche leider ein wenig bummelig<br />
sind) circa 12-14 Arbeiter- und 93 Turnvereine eingeladen hatten. Von<br />
allen erschienen Vertreter der Arbeiter-Vereine Offenbach, Hanau, Frankfurt<br />
a. M.., Oppenheim, Mainz, Biebrich (neu gegründet), Wiesbaden, Limburg a. d.<br />
Lahn (Turnverein), sonst Niemand. Nach Aufklärung über Zweck der Arbeiter<br />
Bildungs-Vereine, wurde eine Adresse (v. Hyronimi in Mainz) an die franz.<br />
Arbeiter verlesen und angenommen. Dann wurde Wiesbaden zum provisor.<br />
Vorort des ,Mittelrheinischen Arbeiterbundes' erwählt und der Wiesbadener<br />
Anzeiger zum Vereinsorgan erhoben."<br />
Es käme nun darauf an, fuhr Bonhorst fort, die Lage der Arbeiter durch<br />
genossenschaftliche Organisation, vor allem durch die Gründung einer "Centralkasse"<br />
des Mittelrheinischen Arbeiterbundes zu verbessern. Es empfehle sich,<br />
zunächst mit einer Genossenschaft zu beginnen, um später, sobald die finanzieHe<br />
Grundlage gesichert sei. weitere Assoziationen, wenn möglich mit einem<br />
"gewissen großartigen Arbeitstheilungssystem", ins Leben zu rufen. Mit der<br />
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Zuversicht eines gläubigen, von seiner Mission völlig erfüllten Menschen<br />
stellte Bonhorst eine erste gewiß recht optimistische Rechnung auf: "Gesetzt<br />
ich gewinne nur 500 Mann unseres Bundes für aen Gedanken. Jeder gibt<br />
wöchentlich, auch wenn es ihm sauer fällt, dreißig Kreutzer, macht pr. Mt.<br />
fl. 1000, in 5' Mt. schon 5000 fl. Damit läßt sich schon sehr viel machen. Haben<br />
Sie in diesem Punkte Erfahrungen gemacht, so wollen Sie mir sclbe umgehend<br />
mittheilen. Ueberhaupt wird ein reger geistiger Verkehr (bei dem ich Ihnen<br />
jedoch Vorsicht anrathe) für uns höchst ersprießlich sein" 25).<br />
In seinem nächsten Schreiben 26) bekannte sich BOMorst zu einer alle Völker<br />
umfassenden "Erdenrepublik" und zur Aufhebung des Staates als höchstem<br />
Ziel menschlicher Entwicklung: Sein Ziel sei die" völlig anarchische Staatsform<br />
oder vielmehr Staatsnichtform", "derart daß jedes menschliche Wesen so von<br />
Staatsform und Gesetzmäßigkeit durchdrungen ist (was die sublimste Menschwerdung<br />
durch Bildung vorstellt). daß Staat und Gesetz. jetzt noch abgesonderte<br />
Form, in dem Individuum verschwinden, d. h. unsichtbar und unfühlbar latent<br />
werden". Um das erste Nahziel, die Republik, zu verwirklichen, gelte es das<br />
Volk, vor allem aber die Bauern zu gewinnen 27). Man müsse sich dabei aller<br />
denkbaren Mittel bedienen: .. a) Presse. b) Versammlungen. c) Productionsund<br />
Vertriebsassociationen". Um einen ersten Anfang zu machen, habe er den<br />
Arbeitervereinen am Mittelrhein die Gründung eines eigenen Organs. "Bauer<br />
und Arbeiter", empfohlen und einen Aufruf an die Bauern vorbereitet.<br />
2~) In dem Prozeßbericht von W. B r a c k e ... Der Braunschweiger Ausschuß der<br />
socialdemokratischen Arbeiter-Partei in Lötzen und vor dem Gericht" (Braunschweig<br />
1872). S. 154 f .• findet sich eine kurze Inhaltsangabe von zwei Antwortbriefen. die<br />
Becker am 29. 5. und 18. 6. 1867 an Bonhorst gerichtet hat. In dem ersten Brief heißt<br />
es danach u. a.: "Bei Allem. was wir thun, organisiren und gründen. dürfen wir nun<br />
und nimmer aus den Augen verlieren. daß ohne Eroberung der politischen Gewalt durch<br />
die Arbeiterclasse, was mit Herstellung völliger Freiheit und Aufhebung aller Classenunterschiede<br />
gleichbedeutend ist. an keine wesentliche Veränderung unserer Zustände.<br />
geschweige an eine Lösung der Frage gedacht werden kann. -<br />
Weil die Organisation der Genossenschaften ihrer Natur gemäß eine republikanisdle<br />
sein muß. bietet sie zugleich eine praktisch republikanische Erziehungsanstalt und<br />
befähigt zur Gründung des allein erlö!cnden Volksstaats. Ohne gedachten Vorbehalt<br />
kann der Arbeiterelasse nach unausbleiblicher Enttäuschung kein Hoffnungsstern mehr<br />
leuchten. müssen Verzweiflung und Demoralisation eintreten. Vor Allem ist der<br />
Arbeiterclasse das Bewußtsein unüberwindlichen Kraftbesitzes. Alles überwältigender<br />
Machtstellung beizubringen. Dies kann aber nicht durch lokale und provinziale. sondern<br />
nur durch in te rn a t ion ale Wirksamkeit geschehen." Im 2. Brief bespricht Becker<br />
"am Schlusse das einzuschlagende Verfahren, um einen Anschluß an die Internationale<br />
zu Stande zu bringen".<br />
28) Bonhorst an Becker vom 9. 6. 1867.<br />
27) Marx und Engels kritisierten die Las.aUeaner wegen ihrer mangelnden Bereitschaft.<br />
die Landbevölkerung. insbesondere die Gutsarbeiter. in die politisdle Bewegung<br />
hineinzuziehen. Das Beispiel von Bonhorst zeigt. daß ihr Urteil nicht generell zutrifft.<br />
Auch im Braunschweigischen waren die Lassalleaner nicht ohne Erfolg bemüht. die<br />
ärmeren Bauern für sich zu gewinnen. S. z. B. Eck e r t. Die Flugschriften ...• S. 305 f.<br />
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Der Bauernstand, heißt es in dem Entwurf seiner Adresse, sei nicht allein<br />
auf Grund seiner großen Zahl, sondern vor allem dank seiner Leistung für die<br />
Gesellschaft berufen, eine wichtige Rolle in der Nation zu spielen. Zunächst<br />
müßten sich die Bauern jedoch die Bildung erwerben, die man ihnen bislang<br />
vorenthalten habe. Sie müßten nicht allein "so viel zu lernen erstreben" wie<br />
möglich, sondern vor allem selbständig denken, "selber überlegen, ob das was<br />
man thuen will, auch recht ist, ob man es später vor seinem eigenen Verstand<br />
und Gewissen auch vertheidigen könne". "Ihr laßt in allen Dingen, die Staat,<br />
Kirche oder Gemeinde angehen", heißt es weiter, "noch viel zu viel Andere<br />
für Euch denken." Nähme es unter diesen Umständen wunder, daß man die<br />
Bauern immer wieder als "Stimmvieh" mißbrauche? Jedermann sei im Stande<br />
zu erkennen, "was wahr, recht und gut ist". "Und Ihr", wendet sich Bonhorst<br />
an die Bauern, "solltet nicht gleich stark mit einem ersten Minister in Euch<br />
fühlen, was Wahr und Recht ist, weil Ihr uns für die Zucht ven Pflanzen und<br />
Thieren sorgt? Reißt die Augen weit auf, Ihr Bauern, und schaut um Euch, daß<br />
Ihr Euere eigentlichen Lenker in der Ferne auch erkennt, die Euch an Bändern<br />
zu gängeln glauben. Zieht aber auch dann Euer Messer und zerschneidet<br />
unbarmherzig diese Bänder, auf daß Ihr beweist: Ihr könnt auch auf eigenen<br />
Füßen .stehen, - Ihr habt keine Lenker nötrug, die Euch im Grunde ihres Herzens<br />
denn doch verhöhnen und - verachten, weil Ihr Euch von ihnen, in Euerer<br />
angeborenen Gutmüthigkeit nach ihrem Belieben lenken und leiten ließet. Das<br />
müßt Ihr, das SlCid Ihr Euerer Ehre, Euerer Selbständigkeit schuldig. Zwar ist es<br />
ein mühevoller, ein langwieriger Weg, aber es ist der einzige, der Euch aus den<br />
Irrgängen ven widerstrebenden Ansichten, aus Euerer durchschnittlich recht<br />
bitterschlechten Lage herausführen kann." Um dieses Ziel zu erreichen, müsse<br />
sich die Bauernschaft vereinigen, müsse der einzelne Landmann seine Isolierung<br />
überwinden. Es genüge nicht, .sich auf "Märkten, Kirchweihen und Holzversteigerungen"<br />
zu treffen. Man mÜ.5se vielmehr einen "regelmäßig wiederkehrenden<br />
Verkehr der Bauern untereinander" schaffen. "Etwa so: die Bauern ven<br />
Nassau, Hessen etc. bilden einen Verein, den ,Mittelrheinischen Bauernverein<br />
oder Bauernbund' , der in jedem Ort, wenn er auch noch se klein ist, seine<br />
Abtheilung hat. Die auf 4-6 Stunden in der Runde liegenden Abtheilungen<br />
kommen alle Sonntag Morgen oder Mittag an einem vorher bestimmten Ort<br />
zusammen und berathschlagen über Alles, was auf ihr Leben Bezug haben kann,<br />
besprechen die pelitische Lage und ihre Stellung im Staate. Alle Jahr ein oder<br />
zweimal kommen dann alle Bauern die zu dem Bunde gehören und abkommen<br />
können, an einem bestimmten Ort zusammen." "Se steht's, Ihr Bauern'", fährt<br />
Bonhorst fort. "Wollt Ihr die UebeIstände, die Euch drücken, weg haben, dann<br />
müßt Ihr zusammengehen und Euch über dieselben besprechen. Jeder muß seine<br />
Erfahrungen mittheilen und muß sich die seiner Collegen mittheilen lassen.<br />
Dann werden auch die Männer der Wissenschaft nicht säumen, wenn Ihr den<br />
Wunsch aussprecht, Euch die Resultate ihrer Forschungen zu Eurem Nutz und<br />
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Frommen mitzutheilen, ohne aber auf Euere Entschlüsse unbedingt bestimmend<br />
einwirken zu wollen. Dann wird es ein reger Verkehr werden und rasch wird<br />
es sich zeigen, daß die wenige Zeit, welche Ihr auf die regelmäßigen Versammlungen<br />
alle Sonntag verwendet, sich tausend und abertausendfach rentiren wird.<br />
Euere Stimme wird Geltung erlangen und die drückenden Uebelstände werden<br />
wie Spreu vor dem Winde verfliegen. - Also der ,Mittelrheinische Bauernbund'<br />
mit dem Wahlspruch: ,Glekhe Pflichten, gleiche Rechte'."<br />
Vornehmstes Ziel sei es aber, "die Bauern und Arbeiter zu einem gemeinsamen<br />
Bund zu vereinen". Habe die Gründung Erfolg, könnten beide, Arbeiter<br />
und Bauern, genossenschaftliche Betriebe errichten: "Compostfabriken, Mühlen,<br />
Ackerbauwerkzeugfabriken und andererseits große Fruchtmagazine, Verkaufshallen<br />
etc." . Wenn alle bereit wären, ihr eigenes Interesse mit der Existenz des<br />
Bundes zu verknüpfen, werde sich auch "die Erkenntniß der Freiheitsgesetze" ,<br />
also die Demokratie, "unumstößlich stabilisierenu. Der Weg sei schwer, man<br />
werde mit dem Mißtrauen der Bauern und der Regierung zu kämpfen haben.<br />
"Die Befürchtungen vor der Entwickelung des s. Standes" 28), schloß Bonhorst,<br />
müßten daher "durch die eigene Gesetzgebung und deren strenge Handhabung,<br />
sowie stetig fortschreitende Belehrungen unter der Hand gehoben werden".<br />
Er hoffe, appellierte Bonhorst an Becker, daß die Internatkmale ihren Beistand<br />
nicht versagen werde. Es bestände dafür Aussicht, daß sich der Mittelrheinische<br />
Arbeiterbund auf seiner nächsten Tagung in Mainz mit der I. A. A. vereinigen<br />
werde.<br />
Wenige Wochen danach hatte Bonhorst über Rückschläge zu berichten 29).<br />
Der Wiesbadener Anzeiger habe sich unter dem Druck der "Bourgeoisie" von<br />
dem Bund gelöst. Er selbst sei persönlichen Pressionen ausgesetzt - "Vater,<br />
Mutter, Freund und Feind, alle, alle mäkeln, warnen sie und rathen ab". Aber<br />
auch dieser Kelch werde vorübergehen. "Es kann ja kein Ohngefähr, kein Wahn,<br />
kein Traum sein", bekennt Bonhorst mit dem Pathos einer fast religiösen Überzeugung,<br />
"was des Mannes Brust so wonnesüß durchzieht, jenes Gefühl nach<br />
der Heimath der Menschlichkeit, die wir uns nur auf den Schultern unserer<br />
übermächtig großen Arbeiterkreise aufbauen werden." "Merkwürdig", heißt es<br />
im nächsten Brief, "wie man zweifelt und prüft bis man von dem Sodaldemokratismus<br />
erfaßt ist, - wie es momento Licht schafft und klarsehen<br />
läßt" SO). "SO stehen wir denn", fährt er fort, "wie einst Lassalle in Grenz-<br />
28) Als ,,5. Stand" bezeichnet Bonhorst an gleicher Stelle das "Geldproletariat".<br />
28) Bonhorst an Becker vom 9. 7. 1867.<br />
80) Bonhorst an Becker vom 31. 1. 1868. Die Bekehrungserlebnisse vieler früher<br />
Sozialisten erinnern in ihrer Ausdrucksform und Gefühlsintensität an Zeugnisse religiöser<br />
Erweckungsbewegungen. S. z. B. die eine Generation nach Bonhorst verfaGte<br />
Sdbstdarstellung von Hendrik deM an über seine erste Begegnung mit dem Marxismus:<br />
"Bei der ersten Berührung mit dem Marxismus war es mir zumute, als ob mir ein<br />
Weltbild offenbart würde. das die Lösung für alle quälenden Probleme bot ... Daraus<br />
ergab sich ein solches Gefühl der Sicherheit und der Kraft, daß der dadurch gesteigerte<br />
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Abb. 1. L e 0 n h a r cl. von Bon h 0 r s t<br />
Ausschnitt aus einem Gruppenbild, das die Lötzener Gefangenen<br />
von Ketten ll1llgeben zeigt.<br />
Abb. 2. Die B rau 11 s c h w e i ger Tu r n hall e a l1l Pet r i tor.<br />
Schauplatz der sozialdemokratischen Volksversammlung vom 16. Juli 1870.<br />
Nach dem Originalphoto im Stadtarchi v Braunschweig.
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Abb.3. (z u S. J 60)
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Europa 31) SO wir hier ganz einsam und verlassen da. - und meine Arbeirer<br />
blicken scheu um sich; verlieren sich zum Theil wieder, - zum Theil aber auch<br />
hängen sie mir mit einer Treue an, die wahrhaft bewundernswerth ist. Gerade<br />
die letzteren Beispiele sind denn auch die, welche meiner Seele stets neue Nahrung<br />
zuführen. - denn ich lerne von ihnen. wie sie an mir" 32).<br />
Ein Jahr später, am 4. August 1868, verteidigte Bonhorst J. B. von<br />
Schweitzer gegen den Vorwurf, er sei kein würdiger Nachfolger Ferdinand<br />
Lassalles. "lch frage Sie auf Ehre und Gewissen", appellierte er an den "Bürger<br />
Becker", "wo finden Sie. bei welcher Partei, bei welchem Agitator, ein so<br />
consequentes, energisches Vorgehen auf der von Lassalle vorgezeichneten Bahn."<br />
Auf der bevorstehenden Generalversammlung in Hamburg werde die Wiesbadener<br />
Gemeinde "den Antrag auf Anschluß an die Intern. Arb. Assoc. "<br />
stellen. "Sollte dieser Antrag durchgehen", fährt er in seiner Verteidigung fort.<br />
"und Sie unseren Praesidenten immer noch für einen wenig würdigen Nachfolger<br />
Lassalles halten, 50 müßten Sie auch consequent uns die Aufnahme<br />
bestreiten. - weil ja doch nur solche Leute der Internationalen angehören können.<br />
welche die Prinzipien der Socialdemokratie im Sinne Lassalles, d. h. des<br />
einzig wahren und richtigen anerkennen und würdig vertreten. Glauben Sie<br />
denn. daß wir Tausende der Schweitzerschen Partei nicht auf unserer Hut seien.<br />
nicht in das Lager der Reaction zu treiben? Aber bedenken Sie", versucht er<br />
Becker zu überzeugen, "daß sich eine weite Ebene von einem Berg betrachtet<br />
noch belebt ansieht, während sie, steht man mitten dIin. zum Ertödten langweilig<br />
istl Sie müßten mitten in unserer Partei stehen, um das energische und<br />
richtige Vorgehen Schweitzers treu der Natur beurtheilen zu wollen. Wir haben<br />
hier keine Schweizer Verhältnisse, die uns eine solche unbeschränkte Regsamkeit<br />
gestatten."<br />
Im Februar und März 1869 unternahm Bonhorst in Gemeinschaft mit den<br />
Lassalleanern Kölsch und Haustein aus Mainz und Offenbach eine sechseinhalb-<br />
Tonus wie ein beständiger leichter Rauschzustand wirkte ... All die Ziele. für die seit<br />
Rousseau und seinen romantischen Nachfolgern Generationen von hochherzigen Menschen<br />
geschwännt hatten - die Befreiung von aller Zwangsherrschaft. die Brüderlichkeit<br />
aller Menschen. der Glaube an die Zukunft der Menschheit. das Selbstopfer für die<br />
Enterbten. die Vernunft im Dienste der Freiheit - all diese Ziele. die von der heuchlerischen<br />
Bourgeoisie des 19. Jahrhunderts entheiligt worden waren. entstiegen den nebelhaften<br />
Regionen der Romantik und erhielten eine neue Weihe im Lichtglanz der triumphierenden<br />
Wissenschaft." (Gegen den Strom. Memoiren eines europäischen Sozialisten.<br />
Stuttgart 1953. S. 59 H.)<br />
31) Mit der Charakterisierung der altpreußischen Provinzen als einer Grenz- und<br />
Obergangszone zwischen Kerneuropa und dem noch "barbarischen" Machtbereich des<br />
Zaren. folgt Bonhorst den Denkvorstellungen und Traditionen der revolutionären<br />
Demokratie von 1848/49.<br />
32) In der Zuwendung der demokratischen Intelligentsia zum Volk. zum "Niedervolk"<br />
(Friedrich Heer). verschmelzen der Glaube an den naturhaft guten Menschen. der<br />
Entwicklungs- und Erziehungsoptimismus der Aufklärung. mit der aus christlichschwännerischen<br />
Quellen gespeisten Erwartung auf das "Heil aus dem Volke".
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wömige Agitationsreise durch Süddeutschland, auf der er in zahlreimen, z. T.<br />
stürmism verLaufenen Volksversammlungen das Wort ergriff 33). Obwohl sim<br />
Bonhorst nom mit Leidenschaft für Smweitzer und den ADAV verwandte,<br />
smien er bereits von inneren Zweifeln bewegt zu sein. So smrieb er am 10. Februar,<br />
offenbar mit Wissen seiner Reisegefährten, aus Freiburg an J. Ph. Becker:<br />
"Obwohl nicht in officiellem Charakter (da unsere reaktionären Gesetze solches<br />
nicht zulassen) können wir es doch nicht übers Herz bringen, wir müssen einmal<br />
mit Euch zusammentreffen. Deshalb werden wir mit dem nächsten Sonntag in<br />
Basel eintreffen und Bürger Frey aufsuchen. Dorten können wir uns besprechen,<br />
wenn (am liebsten Sie) oder ein (anderes) Mitgl. der Internationalen nach Basel<br />
kommen wollte. Wir freuen uns unendlich auf ein ~olmes Rendezvous und verspremen<br />
uns sehr viel für unsere Generalvers. davon. Mit Gruß und Handschlag<br />
für die süddeutschen Agitatoren I. A. 1. v. Bonhorst. Alles geheim zu halten."<br />
Es ist leider nicht bekannt, ob diese Begegnung zustande kam, und ob es<br />
Becker gelang, das bereits aufkeimende Mißtrauen der hessischen Lassalleaner<br />
gegen ihren Präsidenten zu verstärken.<br />
Nach der Generalversammlung von Barmen-ElberfeId, vor allem aber nach<br />
dem "Staatsstreich" brach auch Bonhorst mit dem so lange verehrten Führer<br />
der Partei. Als Schweitzer sich nimt scheute, seinem einstigen Gefolgsmann<br />
die in SüddeutschLand bezogenen Reisespesen vorzuhalten, reagierte Bonhorst<br />
mit begreiflicher Empörung. Neben anderen Gruppen protestierte auch die<br />
Wiesbadener Gemeinde gegen die Verunglimpfung eines Mannes, der "mit<br />
~anzer Hingabe und mit größtem Eifer für die Partei focht, so daß seine ganze<br />
Existenz dadurch zu Grunde ging" 34). In einem Schreiben von grundsätzlicher<br />
Bedeutung erklärte sich auch der Führer der Freiburger lassalleaner, Rüdy, mit<br />
Bonhorst solidarisch 35). Es gehe, erklärte er, um die Verhinderung von Führerkult<br />
und Diktaturbestrebungen innerhalb der demokratischen Arbeiterbewegung,<br />
um die Überwindung des bonapartistischen "Arbeitercäsarismus" und<br />
"Dalai-Lamathums" des Herrn von Schweitzer.<br />
Mit zahlreichen anderen Lassalleanern, unter ihnen Bracke, Kirchner, Spier,<br />
und dem Leiter der deutschen Sektionen der Internationale, J. Ph. Becker,<br />
unterzeichnete auch Bonhorst den Aufruf zum Eisenacher Kongreß. Gleichzeitig<br />
stellte er sich Bracke für die Agitation unter den Parteifreunden von einst zur<br />
Verfügung. Neben seiner Wiesbadener Anhängerschaft gewann er eine der<br />
wichtigsten Bastionen des ADAV, die RonsdO'rfer Gemeinde, vor der Lassalle<br />
seine letzte große Rede gehalten hatte 86). Am 8. Juli sprach Bonhorst mit<br />
33) Bonhorst sprach u. a. in Heidelberg, Freiburg i. Br., Fürth und Nümberg. S .<br />
• Demokratisches Wochenblatt" (zit. DW) vom 13. 2., 20. 2., 13. 3. und 20. 3. 1869.<br />
34) S. die Erklärung von Bonhorst im DW vom 3. 7. 1869.<br />
36) DW vom 10. 7. 1869. M a y e r, Schweitzer S. 320.<br />
36) S. auch M a y e r. Schweitzer S. 377: " ... das ihnen durch die Erinnerung an<br />
ihren Stifter so teure Ronsdorf wurde damals durch die Geschicklichkeit von Bonhorsts<br />
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Bracke, Ehlers, Kirchner und Spier zu tausend Braunschweiger Arbeitern, die<br />
Schweitzer die Gefolgschaft aufgekündigt hatten. "Am Schluß der Versammlung",<br />
hieß es im Demokratischen Wochenblatt, "brachte Herr von Bonhorst<br />
ein dreifaches Hoch auf die Ronsdorfer Arbeiter, Lassalle's alte Garde, unter<br />
begeisterter Zustimmung der Versammlung aus; auch das vorher von demselben<br />
angestimmte Hoch auf den Congreß riß die Versammlung zu jubelnder Begeisterung<br />
hin" 37).<br />
Nach Eisenach wählte der Ausschuß Bonhorst zum Schriftführer und ersten<br />
hauptamtlichen Sekretär. Er übersiedelte kurz darauf nach Braunschweig, wo<br />
er in seiner Privatwohnung, Wendenstraße 30, auch das Parteibüro betrieb.<br />
Sein Gehalt betrug zunächst 35 Reichstaler im Monat, mußte aber später<br />
angesichts der ständigen Finanzmisere noch gesenkt werden. Als die Parteiarbeit<br />
kurz nach Ausbruch des deutsch-französischen Krieges mehr und mehr<br />
zum Erliegen kam, trat Bonhorst in das Privatgeschäft von Bracke ein 38), in<br />
dem er bis zur Verhaftung des Ausschusses am 9. September 1870 tätig war.<br />
Mit Bonhorst gewann die Braunschweiger Sozialdemokratie einen ebenso<br />
idealistischen und opferbereiten wie phantasiebegabten und dank seines Tätigkeitsdranges<br />
schwierigen und eigenwilligen Parteigenossen. "Bonhorst" , schrieb<br />
BIos in seinen Erinnerungen 39), "war eine blonde Hünengestalt mit energischen<br />
Zügen und mächtiger Stimme; er erinnerte an die alten Germanen. Ein geistvoller,<br />
hinreißender Redner, hat er der Sozialdemokratie viele Anhänger zugeführt.<br />
Sein feuriges Wesen stand ihm sehr gut."<br />
Bonhorst war kaum in Braunschweig eingetroffen, als das Ringen der<br />
beiden deutschen Fraktionen um die Internationale in ein neues Stadium trat.<br />
Anfang September hatte sich der Baseler Kongreß der I. A. A., auf dem der<br />
Braunschweiger Ausschuß durch Samuel Spier vertreten war, nach heftiger Diskussion<br />
für den Gemeinbesitz an Grund und Boden ausgesprochen. Bebel und<br />
Liebknecht waren über diesen Ausgang wenig glücklich, mußte er doch den<br />
offenen Bruch zwischen der Sozialdemokratie und der demokratischen Volkspartei,<br />
die endgültige Trennung von proletarischer und bürgerlicher Demokratie<br />
zur Folge haben. "Ich selbst bin Kommunist", verteidigte Liebknecht seine<br />
Bedenken gegenüber Bracke, "also prinzipiell mit dem Beschlusse einverstanden,<br />
bedaure aber aus praktischen Gründen, daß er in dieser Form gefaßt<br />
zu einer Zitadelle der Bebel-Liebknechtsdlen Richtung." S. ferner die Reiseabredmung<br />
in DW vorn 14. 8. 1869. Bonhorst erhielt danadl für die Zeit vorn 4. Juli bis zum<br />
10. August rund 41 Taler sowie 1 1 /2 Taler Zehrgeld pro Tag.<br />
37) DW vorn 24. 7. 1869.<br />
88) S. die Aussage vor dem Untersuchungsrichter. Nieders. Staats archiv WoIfenbüttel,<br />
L Neu Abt. 38 A. Fb. 2. Nr. 36 VII.<br />
89) Wilhelm BIo 5, Denkwürdigkeiten eines Sozialdemokraten. 1. Bd. S. 129. Nach<br />
dem "Signalement" in den Geridttsakten war Bonhorst ,,72 1 /, ZoU" groß, seine Stirne<br />
»hoch", die Haare, Augenbrauen und der VoIIbart nlichtblond".<br />
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worden. Die Grundeigenthumsfrage kann den Bauern nur nach und nach klar<br />
gemacht werden. Die Franzosen wußten, was sie thaten, als sie auf dem Baseler<br />
Kongreß gegen die Abstimmung protestirten. Wir brauchen die Bauern nicht,<br />
um Revolution zu machen, aber keine Revolution kann sich halten, wenn die<br />
Bauern dagegen sind" 40).<br />
Schweitzer erfaßte sogleich die Chance, Liebknechts schwankende, zögernde<br />
Haltung gegen die "Eisenacher" auszuspielen und ihre Führer als "Sendboten<br />
und Werkzeuge der deutschen bürgerlichen Demokratie" zu verdächtigen. Die<br />
Opposition gegen die Baseler Beschlüsse, erklärte er, sei ein Verrat an der<br />
größten Gruppe des deutschen Proletariats, den ländlichen Arbeitern, deren<br />
Interessen niemand von denen ihrer städtischen Kollegen trennen dürfe. In der<br />
Hoffnung, Bracke und die ehemaligen Lassalleaner im Braunschweiger Ausschuß<br />
gegen Liebknecht aufzubringen, verhöhnte er sie als" vollkommene Strohpuppen",<br />
die es nicht wagen dürften, gegen die "wirklichen Führer der Partei"<br />
auch nur "zu mucksen". Bebel und Liebknecht aber befänden sich in "Abhängigkeit<br />
von Kapitalisten wie ,Löb Sonnemann' und ,Aron Ladendorf' sowie von<br />
den Geldern des Hietzinger Hofes". "Eure Brüder, die ländlichen Arbeiter.<br />
gebt Ihr auf, wo die Grundbesitzer nicht zu erschreckenlf", rief er seinen einstigen<br />
Gefolgsleuten zu. "Wißt Ihr denn nicht, daß dies das Reaktionärste ist,<br />
was geschehen kann? ... Wißt ihr nicht, daß diejenige Partei, welche nicht den<br />
Mut ihres vollen Prinzips hat, von Anfang an tot ist?" 41).<br />
Bracke und seine Braunschweiger Freunde, an denen der Angriff nicht spurlos<br />
vorüberging, beauftragten Bonhorst mit der Erwiderung. Am 27. und<br />
40) Hochverratsprozeß S. 196. Im Oktober schrieb Liebknecht im gleichen Sinne an<br />
Bonhorst: •... in dem projektirten Manifest des Ausschusses wird das Endziel unserer<br />
Partei so unmotivirt hingestelIt. daß es nur erschrecken würde. wie auch die Baseler<br />
Beschlüsse durch ihre Unmotivirtheit erschreckten. Wartet noch ein wenig. dann sind<br />
die Leutchen schon im Stande, bis Basel zu marschiren. Aber jetzt noch nicht. Muthen<br />
wir es ihnen jetzt zu. so werden uns nur die besten Fußgänger nachkommen. die andern<br />
bleiben zurück. - Mein Wunsch ist. nicht vorzeitig mit der süddeutschen Volkspartei<br />
in Krakehl zu gerathen. Von Gera nach Nürnberg und von Nürnberg nach Eisenach ist<br />
schon ein rascher Vormarsch. Wir werden auch nach Basel kommen. aber jetzt ist es<br />
noch nicht möglich ... U (Hochverratsprozeß S. 195 f.)<br />
Zum Baseler Kongreß s. auch die Begrüßungsadresse "erlassen von H. Ehlers.<br />
Bonhorst, W. Bracke jr. und F. Neidel in Braunschweig. sowie Namens des Lokalvereins<br />
zu Braunschweig und desjenigen zu Wolfenbüttel" in DW vom 11. 9. 1869. Der Braunschweiger<br />
Ausschuß stellte in Basel folgende Anträge: ,,1. Der Congreß wolle besdlließen.<br />
daß für Mitglieder der sozial-demokratischen Arbeiterpartei und nur für<br />
solche, deutsche Mitgliedskarten zu 1 Sgr. jährlich ausgegeben werden; 2. der Congreß<br />
wolle auf die Zeit zwischen Weihnacht und Neujahr nach einem mitteldeutschen Orte<br />
einen Al1gemeinen Internationalen Congreß der Gewerkschaften berufen, zur Regelung<br />
der Gewerkschaftsangelegenheiten Deutschlands. sov.ie zur Herstellung eines Cartel1-<br />
vertrages zwischen den einzelnen Gewerkschaften. sowohl innerhalb als außerhalb der<br />
verschiedenen Länder. d. h. aller Länder untereinander. Bonhorst. • S. hierzu auch<br />
M a y e r, Schweitzer S. 34I.<br />
U) Zit. nach M a y e r, Schweitzer S. 346 H.<br />
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30. Oktober erschien darauf im "Volksstaat" seine Artikelfolge: "Der famose<br />
Diktator und eine der Braunschweiger ,Strohpuppen' im Lichte der Baseler<br />
Beschlüsse" 42). Schweitz.er, erklärte Bonhorst in äußerst scharfem Ton, werde<br />
von der 1. A. A. der Mitgliedschaft für unwürdig erachtet und habe an dem<br />
Zustandekommen der Baseler Beschlüsse keinerlei Anteil. Der ADAV und sein<br />
Organ hätten die "prinzipielle Besprechung unserer bäuerlichen Verhältnisse"<br />
auch früher "ganz außer Acht gelas·sen". Dagegen hätten die drei Vertreter der<br />
Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Basel trotz taktischer Bedenken für die<br />
Resolution gestimmt, da ihnen "die Heiligkeit der Theorie" mehr bedeute "als<br />
die praktischen Nützlichkeitsgründe" . Bei einer längeren Dauer der Diskussion<br />
hätte man sich voraussichtlich auf "ein Uebergangskompromiß zu Gunsten der<br />
deutschen Gruppe" geeinigt und dabei auf die im Vergleich zu England<br />
"embryonenhaften Zustände" der Agrarstruktur in Deutschland Rücksicht<br />
genommen. Die deutsdle Sozialdemokratie handele ebenso wie die Internationale,<br />
"welche nie sagt: ,Der Bien muß', sondern welche es dem freien Forschen<br />
und der gegenseitigen Belehrung überläßt, ihre Mitglieder nach und nach<br />
auf die Höhe der Anschauung unserer Zeit zu erheben". Besonders behutsam<br />
müsse man aber mit dem deutschen Bauern diskutieren, "welcher gerade in dem<br />
jetzigen Uebergangsstadium, während dessen er das Großkapital mit Schlangenwindungen<br />
auf sich zusteuern und immer mehr und mehr seiner Brüder von<br />
Haus und Hof treiben sieht, um so viel mißtrauischer geworden ist gegen Alles,<br />
was sich mit seiner Lage beschäftigt". "Doch naht auch bei uns die Zeit", heißt<br />
es weiter, "wo durch überhand nehmende Subhastationen einerseits und durch<br />
die Konzentration des Bodens in wenigen Händen andererseits, der gewaltsam<br />
von seiner Scholle getrennte Bauer uns gewissermaßen von selbst in die Arme<br />
fällt, und das gediegendste und empfänglichste Material für die kommende<br />
soziale Revolution bildet" 43).<br />
Für die Entscheidungen der I. A. A. seien im übrigen die britisdlen Verhältnisse,<br />
"als die in ökonomischer Beziehung entwickeltsten" entscheidend<br />
gewesen. "Da aber in England", fährt Bonhorst fort, "die Frage des Grund und<br />
Bodens so liegt, daß es dem Pächter einerlei sein kann, an wen er seine Pacht<br />
zahlt und ob derselbe Grundrente oder Staats steuer oder wie sonst genannt<br />
werde, da der ländliche Arbeiter, zum großen Theil durch Maschinenbetrieb<br />
verdrängt, wo er sich noch findet, das größte Interesse daran haben muß, die<br />
35 000 großen Güter, in die das Königreich seiner Oberfläche nadl zerfällt,<br />
expropriirt, d. h. in die Hand der Allgemeinheit übergehen zu sehen, so ist es<br />
ganz natürlich, daß die Internationale diesem Druck von Innen in Basel Luft<br />
verschaffen mußte.<br />
In Frankreich, wo Napoleon 1., um seiner Dynastie die festmöglichste Stütze<br />
zu geben, die von der Republik angebahnte Parzellirung und Vertheilung dee<br />
l2) "Volksstaat" vom 27. und 30. 10. 1869.<br />
U) Die Stelle wurde von der Staatsanwaltschaft im Leipziger Hochverratsprozeß als<br />
Belastungsmaterial herangezogen. Hochverratsprozeß S. 367 H.<br />
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Staats-, Kirchen- und Adelsgüter durchführte, gerieth der auf diese Weise<br />
begründete kleine Bauernstand, eben weil er ... dem Andringen auswärtiger<br />
Konkurrenz nicht widerstehen konnte, nach und nach in die Polypenarme des<br />
großen Kapitals, so daß, wie Marx sagt, ,seine Parzelle nicht mehr im sog.<br />
Vaterland, sondern eigentlich im Hypothekenbuch liegt' 44).<br />
Auch diesem Parzellenbauer müßte es im höchsten Grade erwünscht sein,<br />
wenn er, an SteIle des ... Kapitalisten, den Staat, die Gesammtheit zum reellen<br />
Hypothekengläubiger bekäme ... Eine nach der nächsten Umwälzung in Frankreich<br />
vorzunehmende Expropriation des Grund und Bodens für die Gesammtheit<br />
wird also bei Klarlegung der Frage die überwiegende Mehrheit der Nation auf<br />
ihrer Seite haben ... ".<br />
In einem Schreiben an Marx scheint sich Bonhorst der gleichen Argumente<br />
bedient zu haben. Engels, der den Brief Marx am 1. November zurücksandte,<br />
äußerte sich hierzu recht wohlwollend: "Der Beschluß von wegen des Grundeigentums<br />
hat wahre Wunder gewirkt. Zum erstenmal, seit Lassalle seine<br />
Agitation begann, zwingt er die Kerls in Deutschland zu denken, was bisher<br />
für ganz überflüssig galt. Das sieht man aus dem Brief von Bonhorst deutlich.<br />
Der Brief gefällt mir auch sonst nicht übel. trotz der Schöntuerei und Halbbildung<br />
ist ein gewisser gesunder Volkshumor drin, und mit der Hypothek hat<br />
er doch gleich den rechten Fleck getroffen. Die Leute vergessen übrigens, auch<br />
außer der Hauptsache mit dem großen Grundeigentum, daß es verschiedene<br />
Sorten Bauern gibt: 1. den Pachtbauer, dem es gleichgültig ist, ob der Boden<br />
dem Staat oder dem großen Besitzer gehört; 2. den Eigentümer, erstens den<br />
großen Bauer. gegen dessen reaktionäre Existenz der Taglöhner und Knecht<br />
aufzustacheln ist, zweitens den Mittelbauern, der auch reaktionär sein wird<br />
und der nicht sehr zahlreich ist, und drittens den verschuldeten Kleinbauer, der<br />
mit der Hypothek zu fassen ist ..• " 45).<br />
") Karl M a r x, Der achtzehnte Brumaire des LOUis Bonaparte: n ••• Die Parzelle<br />
liegt nicht mehr im sogenannten Vaterland. sondern im Hypothekenbuch." Bonhorst<br />
hat vermutlich die zweite, 1869 in Hamburg erschienene Auflage benutzt, (5. Marx an<br />
Engels vom 12.2.1870: n Wilhelms Freunde - Bonhorst und Bracke. bei ihrem Besuch<br />
in Hannover, sahen die neue Ausgabe und erzählten mir. sie seien mit Meißner über<br />
Ausgabe einer wohlfeileren Volksausgabe übereingekommen .." Die Erwähnung der<br />
45 Centimes-Steuer und ihrer Bedeutung für die Haltung der französischen Bauern in<br />
der Revolution von 1848 macht es wahrscheinlich. daß Bonhorst auch die damals in<br />
Deutschland noch sehr seltene Schrift von Karl Marx: .. Die Klassenkämpfe in Frankreich<br />
1848 bis 1850" gekannt hat, - es sei denn, daß Marx die Steuer bei der Aussprache<br />
in Hannover erwähnt hat.<br />
45) Marx an Engels vom 30.10. und Engels an Marx vom 1. 11. 1869. Ganz ähnliche<br />
Gedanken hat Eng eIs im Vorwort zur zweiten. 1870 erschienenen Auflage des<br />
"Deutschen Bauernkrieges" entwickelt.<br />
Ober Bonhorst urteilte Marx einige Monate später wesentlich kritischer. So schrieb<br />
er am 4. 12. 1869 an Engels: "Einliegend auch ein Brief von Bracke. Ich habe nichts<br />
gegen Bonhorst. hatte nur dem Kugelmann gesagt. daß ich ihn für eine etwas katilinarische<br />
Existenz halte.· Kugelmann hab::: dies in übertriebener Form nach Braunschweig<br />
HO
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Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen um die Baseler Beschlüsse<br />
hatten Bonhorst, Brad
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Als Bonhorst am 23. Dezember aus der Haft entlassen wurde, hatte im<br />
Waldenburger Kohlenrevier der größte und politisch folgenschwerste Streik des<br />
Winters 1869/70 begonnen. Die Bergarbeiter, Anhänger der liberalen Gewerkvereine<br />
v{)n Hirsch und Duncker, hatten Mitte Dezember die Arbeit niedergelegt<br />
und den Beistand ihrer ArbeiterkoIIegen erbeten. Der Braunschweiger<br />
Ausschuß erklärte sich sogleich in leidenschaftlimen Aufrufen an die Partei,<br />
an die Streikenden und alle Mitglieder der Internationale mit den Waldenburgern<br />
solidarisch 51). Die Entschlossenheit der deutschen Arbeiter und die m{)ralische<br />
Hilfe der I. A. A. würden den Arbeitskampf entsmeiden: "Wir glauben<br />
Eum verspremen zu dürfen", erklärten die Braunschweiger, "daß Eure Brüder<br />
in England, in Frankreich, in Belgien, in Italien, in der Schweiz, ja selbst in<br />
Spanien ... Euch ihre Bruderhand mit Freuden reimen werden. Der Internationale<br />
Arbeiterbund hat schon iiO manmen großen Strike siegreich und glorreim<br />
durmgeführt, er wird auch Eum seine mämtige Hülfe gewähren." Zur<br />
wachsenden Enttäuschung der Partei war jedom von der erhofften Unterstützung<br />
der ausländismen Sektionen zunächst wenig zu verspüren. In einer Erklärung<br />
im "Volksstaat" 52) entschuldigte Spier das Versagen der Internationale mit der<br />
"Hauptschwierigkeit der internationalen Einigung, der Sprachverschiedenheit" .<br />
Um die Hilfe der 1. A. A. zu besmleunigen, habe er sich nun an ihre führenden<br />
Persönlimkeiten gewandt, unter ihnen Jung (London), Hins (BTÜssel), HeB<br />
(Paris), Bruhin (Basel) und den "aItehTWÜrdigen" J. Ph. HecXer in Genf. "Ich<br />
wende mim an Sie in Samen der Waldenburger" , heißt es in dem Smreiben an<br />
Moses Heß. "Der Streik kann sim nimt halten, wenn er nimt vom Ausland<br />
unterstützt wird ... Die deutsmen Arbeiter haben seiner Zeit bei den bedeutenden<br />
Arbeitseinstellungen der Gruppen der Internationale in Basel und Genf<br />
allerorten ihre Pflimt getan, sie hoffen das gleiche jetzt aum von ihren Brüdern<br />
in den uns benachbarten Ländern ... " 58).<br />
Bereits in der übernächsten Nummer, am 22. Januar, konnte der" Volksstaat"<br />
eine Solidaritätserklärung des "Centralkomites der Sekti{)nsgruppe<br />
Deutscher Sprache" veröffentlimen. Am gIeid!en Tag quittierte die Redaktion<br />
&1) "An die strikenden Arbeiter im Waldenburger Kohlendistrikt" ; "An die Mitglieder<br />
der Internationalen Arbeiterassoziation" ; .An die Parteigenossen" .• Der Volksstaat"<br />
Nr. 23 vom 18. 12. 1869.<br />
62) S pie r: "Der Waldenburger Strike und die Mitglieder der Internationalen<br />
Arbeiterassoziation im Ausland" (Wo]fenbüttel, 11. Januar). "Der Volksstaat" Nr.5<br />
vom 15. 1. 1870. Am 17. 12. 1869 hatte Bebel Bracke zu bedenken gegeben: "Es wäre<br />
besser gewesen, wenn Ihr den Waldenburgern nicht so große Unterstützung seitens der<br />
Internationalen Arbeiter-Assoziation in Aussicht gestellt hättet. Die Organisation der<br />
Internationale ist noch lange nicht so weit, um materiell erheblich wirken zu können·.<br />
Hochverratsprozeß S. 509 f.<br />
63) Samuel Spier an Hess, Wolfenbüttel, 11. Januar 1870. Moses Heß Briefwechsel.<br />
Hrsg. von Edmund S i I b ern e r. Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der deut<br />
Ichen und österreichischen Arbeiterbewegung. Hrsg. vom Internationaal Instituut<br />
voor Sociale Geschiedenis Amsterdam. 's-Gravenhage 1959. S.595.<br />
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eine erste namhafte Spende von 300 fr., die die Sektion Neapel überwiesen<br />
hatte. Zugleich veröffentlichte das Parteiorgan Zuschriften von Jung und Hins.<br />
In Lüttich, erklärte darin der bekannte belgische Sozialistenführer, habe sich<br />
eine Versammlung von 4000 Kohlenarbeitern mit ihren Kollegen in Schlesien<br />
solidarisch erklärt und Geldsammlungen beschlossen. Selbst in Madrid, hieß es<br />
in der gleichen Nummer, habe das Organ der Sektion der 1. A. A. "La Solidaridad"<br />
den Aufruf der Braunschweiger verbreitet. Auch in den folgenden<br />
Nummern konnte der "Volk~staat" immer wieder über Zustimmungserklärungen<br />
und Spenden berichten, die allerdings kaum mehr als symbolischen Wert<br />
besaßen.<br />
Während der Streikkampf die Organisation und Finanzkraft der jungen<br />
Partei aufs äußerste in Anspruch nahm, versuchte Bonhorst, dem Einfluß<br />
Schweitzers im rheinisd!en Industrierevier entgegenzuwirken. Anfang Februar<br />
begab er sich auf eine "Reise nach Essen, Eschweiler, Ronsdorf, Solingen, Köln<br />
und Barmen", auf der er in Eschweiler "wegen mangelnder Legitimation" vorübergehend<br />
verhaftet wurde 54).<br />
Kurz darauf entwickelte sich, wie Bonhorst am 15. Februar nach Genf<br />
berichtete, "ein kleiner Gegensatz in Mitten unseres Aussd!ußes". Bracke, Spier<br />
und ihre Freunde mißbilligten die Eigenwilligkeit des Sekretärs, der Privat- und<br />
Parteikorrespondenz niemals scharf auseinandergehalten und mit der Gründung<br />
einer "Centralstelle für Production, Consumtion und Vermittlung" Grundprinzipien<br />
der Partei verletzt hatte. Man halte ihn nun für "einen Überläufer<br />
in das Lager des Herrn Schulze-Delitzsch", klagte Bonhorst dem alten Freund<br />
und versicherte zugleich, alle seine Arbeit ziele "nur auf eine rein communistische<br />
Unternehmung" ab. Nach offener Aussprache traf der Ausschuß eine<br />
Übereinkunft, die am 16. Februar im "Volksstaat" veröffentlicht wurde 55).<br />
Um "jedes einseitige Vorgehen eines einzelnen Ausschußmitgliedes zu<br />
111) "Volksstaat" vom 5.2.1870. S. auch den "Reisebericht von L. Bonhorst" in<br />
• Volksstaat" vom 2.3., 9.3., 12.3. und 16.3.1870. Nach" Volksstaat" vom 26.2.<br />
1870 sprach Bonhorst am 5.2. in Solingen "über die Unzulänglichkeit des allgemeinen<br />
gleichen Wahlrechts und die Nothwendigkeit der direkten Gesetzgebung durch das<br />
Volk". Engels, der über Liebknecht verärgert war, schrieb in diesem Zusammenhang am<br />
29. April an Marx: .Dem Wilhelm lLiebknechtl hab' ich in aller Freundschaft verschiedenes<br />
auseinandergesetzt sowohl über sein früheres Verhalten wie auch über sein<br />
jetziges im Reichstag. Der Bonhorst ist in Eschweiler verhaftet worden wegen mangelnder<br />
Legitimationspapiere, nachdem das Paßabschaffungsgesetz doch vom Reichstag<br />
gemacht, und Monsieur Liebknecht läßt sich diese Gelegenheit entgehn, die Regierung<br />
wegen einer flagranten lIIegalität zu int~rpellieren und sie zum Geständnis zu zwingen,<br />
daß solche Gesetze für Arbeiter gar nicht gelten sollen. lind dabei erwarten die Esel, die<br />
Arbeiter sollen sie wieder wählen. Ich habe übrigens auch dem Bracke, der mich um<br />
Geld für die ,Partei' anging, gescb.rieben, wie wichtig es sei, daß sie überall Arbeiterkandidaten<br />
aufstellen und durchsetzen. Der Wilhlelm) ist imstande zu sagen, das sei gar<br />
nicht nötig. N<br />
116) Der Beschluß spielte im Braunschweiger und Leipziger Sozialistenprozeß eine<br />
wesentliche Rolle. S. z. B. Hochverratsprozeß S. 516 f.<br />
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verhindern", heißt es darin, habe man beschlossen, daß "alle vom Parteiaus~<br />
schuß ausgehenden Briefe, Erklärungen, Bekanntmachungen usw. die Unter~<br />
sc:hrift von wenigstens zwei Ausschußmitgliedern tragen" müßten. Man habe<br />
sic:h zudem verpflkhtet, "bei allem öffentlic:hen Auftreten .•. nur nac:h gegen~<br />
seitiger Verständigung und in gegenseitigem Einverständniß zu handeln". Die<br />
vom Sekretariat geplante "Erric:htung einer allgemeinen ,Centralstelle für Pro~<br />
duktion, Consumtion und Vermittlung' " wmie "entsc:hieden mißbilligt". "Das<br />
in Eisenac:h aufgestellte Programm", heißt es weiter, "enthält klar und bündig<br />
unser Ziel. Dies Ziel ist nur zu erreic:hen durc:h rastlose Agitation für unsere<br />
Prinzipien! Diese rastlose Arbeit ist die glorreic:he Aufgabe der Arbeiterpartei:<br />
sie hat nur diese eine I"<br />
In den letzten Märztagen besuc:hte Bonhorst die Industriegemeinden des<br />
Südharzes und das Gebiet der Goldenen Aue. In Wieda erläuterte er den Mit~<br />
gliedern des sozialdemokratisc:hen Arbeitervereins das Eisenac:her Programm;<br />
in Frankenhausen referierte er über "Produktiv-Assoziationen" und die Trennung<br />
von Kirc:he und Staat; in St. Andreasberg kritisierte er schließlich "die<br />
3jährige Dienstzeit und die übeln Folgen des Militarismus", eine Rede, die die<br />
Göttinger Staatsanwaltschaft veranlaßte, Anklage zu erheben. Im April erklärte<br />
Bonhorst in Schöningen einer stark besuc:hten Volksversammlung das Parteiprogramm<br />
und die Bedeutung des allgemeinen gleic:hen Wahlrec:hts, das nadl<br />
ihm, .. von der Majorität des Arbeiterstandes ric:htig in Anwendung gebracht,<br />
alle anderen, die privilegirten Klassen, vor die Messersc:hneide stelle, entweder<br />
den Forderungen der wahren Näc:hstenliebe, in dem thatsächlic:hen Zugeständniß<br />
der Gleic:hberec:htigung aUer Mensc:hen gipfelnd, gerec:ht zu werden, oder<br />
muthwillig die Revolution, die gewaltthätige, heraufzubesc:hwören" 56).<br />
116) S. die Berichte im "Volksstaat" vom 9.4.,16.4 .. 23. 4. und 30.4.1870. In Schöningen<br />
zählte die Partei danach 115 Mitglieder, die 19 Exemplare des "Volksstaat"<br />
bezogen. S. auch die Aussage von Bonhorst vor dem Leipziger Gericht (Hochverratsprozeß<br />
S. 531 f.): "Ohne unser Vorgehen würden wir z. B. noch nicht im Besitz des allgemeinen<br />
direkten Wahlrechts sein, so verstümmelt es auch vorliegt in dem Reichstagswahlgesetz.<br />
Unsere Aufgabe ist, durch ruhige aber energische Agitation die Aufklärung<br />
über soziale und politische Verhältnisse im Volke zu verbreiten und so nach und nach<br />
die Verhältnisse in unserem Sinne umzugestalten. Ob das Endziel der Partei. der sozialistische<br />
Volksstaat, schließlich ohne Gewalt erreicht werden kann, das läßt sich durchaus<br />
nicht vorher bestimmen und hängt ganz und gar von den Gegnern der Bewegung ab.<br />
Die Bewegung wird sich mit eiserner Nothwendigkeit entwickeln. keine Macht der Erde<br />
wird im Stande sein, sie zu unterdrücken, weil sie in den Verhältnissen wurzelt. Hat<br />
die Bewegung Gelegenheit. sich in den Bahnen der Reform zu entwickeln, dann wird sie<br />
friedlich die Umgestaltung der bestehenden Verhältnisse vollziehen; wirft man ihr<br />
Gewalt entgegen. dann wird es wohl zur Empörung kommen. Ich hoffe auf die friedliche<br />
Entwicklung und glaube. daß die Angeklagten [Bebei, Hepner, Liebknecht] dieselben<br />
Ansichten hierüber haben. Unsere Aufgabe ist, das Volk aufzuklären und zu<br />
bilden; je gebildeter das Volk ist. um so leichter und friedlicher wird es sein Ziel<br />
erreichen. U<br />
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Obgleich die Partei von den eigenen Sorgen und Nöten fast überwältigt<br />
wurde, versuchte der Braunschweiger Ausschuß, die Werbung für die Internationale<br />
zu verstärken. "Bei Eccarius bestellte ich schon lange 3000 Internationale<br />
Mitgliedsbrten", mahnte Bracke am 17. März in London. Marx<br />
erwiderte nach einer Woche: "Ich habe Ihnen gestern 3000 cards of membership<br />
unter Adresse von Bonhorst zugeschickt" 57). "Ich habe Ihnen", heißt es<br />
weiter, "über die inneren Vorgänge der ,Internationalen' nicht uninteressante<br />
Mittheilungen zu machen. Sie werden Ihnen auf indirectem Wege zukommen<br />
... " Vier Tage später, am 28. März, sandte Marx die "Konfidentielle<br />
Mittheilung" über den Kampf des Generalrats mit den Bakunisten an Dr. Kugelmann,<br />
den er bat, das wichtige Dokument in Braunschweig persönlich zu übergeben<br />
58). Zugleich erbat Marx den Bericht "über den Stand der Bewegung",<br />
den jedes Nationalkomitee alle drei Monate dem Generalrat vorzulegen habe.<br />
"lndem ich Ihnen dieses ins Gedächtniß rufe", fährt Marx fort, "bitte ich, bei<br />
solchem Berichte zu erwägen, daß er 11!d!t für das Publikum geschrieben ist<br />
und daher die Thatsachen ohne Schminke, ganz sachgetreu darzulegen hat."<br />
"Der vierteljährliche Bericht über den Stand unserer Partei", versicherte der<br />
Ausschuß am 9. Mai, "erfolgt in der nächsten Zeit." Es handelt sich offenbar<br />
um den ersten und einzigen Bericht dieser Art, dessen Entwurf im Niedersächsischen<br />
Staatsarchiv Wolfenbüttel erhalten geblieben ist 59). Marx bestätigte<br />
den Eingang am 2. August mit folgenden Worten: "Zunächst meinen Dank für<br />
den ausführlichen Bericht über die Arbeiterpartei in Deutschlandl Ich habe ihn<br />
dem Generalrath .sofort mitgetheilt. U<br />
Marx war an der verstärkten Aktivität des Braunschweiger Ausschusses um<br />
so mehr gelegen, als die Spaltung der mmanischen Föderation auf dem Kongreß<br />
zu La Chaux-de-Fonds im April und die Konstituierung der bakunistischen<br />
"Jura föderation" den Zwiespalt in der 1. A. A. hatte offenkundig werden<br />
lassen. Die Verfolgung der französischen Sektionen nach dem Attentat vom<br />
51) Eck e r t, Unveröffentlichte Bracke-Briefe. S. 8 ff. Der Braunschweiger Ausschuß<br />
kündigte am 9. April im nVolksstaat" an: .Wegen Mitgliedskarten der Internationalen<br />
Arbeiter-Assoziation wolle man sich an Bonhorst. Braunschweig, Wendenstraße<br />
30 wenden. - Die Verzögerung war durch eine ernstliche Krankheit des Herrn<br />
Karl Marx verursacht." Bracke bezeichnete diese Ankündigung im Leipziger Prozeß<br />
(Hochverratsprozeß 5.519) als .. Eigenmächtigkeit" von Bonhorst. Die Karten wurden<br />
nach. Bracke .an viele Orte versandt, nach München, Dresden, Leipzig, Magdeburg<br />
usw.<br />
58) In seinem Begleitbrief an Kugelmann schreibt Marx u. a.: .Am besten lieferst<br />
~u nam. D~rchlesung persönlich die Sache aus und bringst nochmals in Erinnerung, daß<br />
diese Mitteilung konfidentiell, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist."<br />
59) Es scheint so gut wie sicher, daß es sich um den gleichen Bericht handelt.<br />
S. W. B r a c k e. Der Braunschweiger Ausschuß ... S. 154: Briefe an Bebel u. a ..... .<br />
S. 486 ff. und Eck e r t, Unveröffentlichte Bracke-Briefe S. 10 f. Bracke hatte bereits<br />
am 23. März einen ausführlichen Kassenbericht eingereicht. dessen Exaktheit Engels<br />
in seinem Antwortschreiben vom 28. 4. 1870 lobend hervt'fhob. S. Briefe an Bebel<br />
u. a. S. 486 H.<br />
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30. April mamte die Einberufung des nächsten Kongresses der I. A. A. nach<br />
Paris, wo Marx mit einer stärkeren Beteiligung der bakunistismen Fraktion zu<br />
rechnen hatte, so gut wie unmöglich. "Der Pariser plot", schrieb Marx auf·<br />
atmend nach Manchester, "macht dem schon weit gereiften Plan, den Kongreß<br />
in Paris abzuhalten und bei der Gelegenheit auch den Generalrat dahin zu ver·<br />
legen, ein Ende mit Schrecken" 60). Aus der gleichen Sorge forderte der Braun·<br />
smweiger Ausschuß, durch die "Konfidentielle Mitteilung" alarmiert, die Ver·<br />
legung des Kongresses auf deutschen Boden: "Da die politischen Verhältniße<br />
Frankreichs wahrsmeinIich nicht zulaßen werden, daß der Congreß unserer<br />
Internationalen Arbeiterassociation in diesem Jahr zu Paris stattfinden kann",<br />
heißt es in ihrem Antrag, "beeilen wir uns, dem verehrlichen Generalrath<br />
vorzuschlagen, in diesem Jahr den Congreß in Deutschland abzuhalten und<br />
schlagen zu dem Ende als Sitz desselben Mainz, Darmstadt oder Mannheim<br />
vor ... " 61).<br />
Marx stimmte dem Antrag freudig zu. "Die Verlegung des Kongresses nach<br />
Mainz", berichtete er dem Freund in Manchester "gestern unanimously voted.<br />
wird den Bakunin tanzen machen!" 62). Wenige Wochen danach erzwang der<br />
Ausbruch des deutsch·französischen Krieges die Vertagung des Kongresses, der<br />
erst kurz vor dem Niedergang der Internationale 1872 zustande kam.<br />
Inmitten der Kämpfe um die Internationale trat in Stuttgart der 2. Kongreß<br />
der Sozialdemokratismen Arbeiterpartei (4.-7. Juni) zusammen. Aus Braun·<br />
schweig.WoIfenbüttel waren drei Delegierte erschienen. Bonhorst. Ehlers und<br />
Spier, von denen der erstere 368 Parteigenossen aus Helrnstedt, Königslutter,<br />
Magdeburg, Mühlheim a. Rh., Oelsnitz, Schöningen und Solingen vertrat. Dc!n<br />
Höhepunkt des Parteitages bildete das Referat von August Bebel über die<br />
"Grund· und Bodenfrage", mit dem sich die Partei erneut zu den Baseler<br />
Beschlüssen der I. A. A. bekannte. Die "ökonomisme Entwicklung der moder·<br />
nen Gesellschaft". betonte Bebel in der von ihm eingebrachten Entschließung,<br />
mache es zu einer "gesellschaftlichen Nothwendigkeit", "das Ackerland in<br />
gemeinschaftliches Eigenthum zu verwandeI.n und den Boden von Staatswegen<br />
an Ackerbaugenossenschaften zu verpadtten". "Um die vernünftige und wissen·<br />
scnaftliche Ausbeutung des Grund und Bodens zu ermöglichen", heißt es weiter,<br />
"hat der Staat die Pflicht, durch Errichtung entsprechender Bildungsanstalten die<br />
nöthigen Kenntnisse unter der ackerbautreibenden Bevölkerung zu verbreiten."<br />
Eine lebhafte Diskussion lösten die von Bebel aufgestellten Nahziele aus:<br />
"Als Uebergangsstadium von der Privatbewirthschaftung des Ackerlandes zur<br />
genossenschaftlichen Bewirthschaftung fordert der Kongreß, mit den Staats·<br />
domänen, Chatullengütern, Fideikommissen. Kirchengütern, Gemeindelände·<br />
reien, Bergwerken, Eisenbahnen etc. zu beginnen. und erklärt sich deshalb<br />
00) Marx an Engels vom 7. 5. 1870.<br />
01) Eck e r t, Unveröffentlidlte Bracke-Briefe S. 10 ff.<br />
62) Marx an Engels vom 18.5.1870.<br />
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gegen jede Verwandlung des oben angeführten Staats- und Gemeinbesitzes in<br />
Privatbesitz." Während liebknecht, Weerth und York Bedenken anmeldeten,<br />
verteidigte Bonhorst mit Erfolg den Kampf gegen jede Privatisierung der<br />
Domänen. "Die herrschende Klasse im Staate", erklärte er, "dränge zur kapitalistischen<br />
Produktionsweise und wolle dieser auch die Staatsgüter zuweisen.<br />
Dagegen müsse man mit allen Mitteln sich wehren." Der Kampf der Sozialdemokratie,<br />
fuhr er fort, diene der" Verbesserung der materiellen Lage der<br />
weitaus großen Mehrzahl des Volks" und werde daher "nothwendig auch<br />
geistige Fortschritte" zur Folge haben 63).<br />
In den letzten Stunden des Parteitages behandelten die Delegierten einen<br />
Antrag von J. Ph. Bed
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deutschen Volkes nach nationaler Einigung ist berechtigt; haben sich die Deutschen<br />
bei der augenblicklichen gemeinsamen Gefahr wie ein Mann zusammengeschaart,<br />
so wird der gemeinsame Kampf das Band fester und fester schließen,<br />
und vielleicht ersteht aus den großen Wirren von heute zu unserer Aller Freude<br />
in nächster Zukunft der deutsche Staat." "Unsere Aufgabe ist es", heißt es<br />
weiter, "bei der Geburt dieses, so hoffen wir, ganz Deutschland umfassenden<br />
Staates bestimmend mitzuwirken, damit, wenn es möglich ist, nicht der<br />
dynastische Staat, sondern der social-demokratische Volksstaat ins Dasein<br />
tritt ... " Die deutschen Arbeiter dürften dabei nie vergessen, "daß unsere französischen<br />
Nachbarn, daß alle Völker der Erde unsere Brüder sind, mit denen<br />
gleiches Loos und gleiches Streben uns einen. Und wenn auch jetzt, von unserrn<br />
Segen und unsern Wünschen begleitet, die deutschen Krieger hinausziehen müssen<br />
zum Kampf gegen die Söldnerschaaren des französischen Kaisers, so darf<br />
dennoch nie der Haß unser Herz erfüllen gegen die französischen Arbeiter,<br />
gegen die französische Nation." Mit ihnen gemeinsam werde man unter der<br />
"roten Fahne des Proletariats" den Kampf "für die heiligen Principien der<br />
Demokratie und des Socialismus" erneuern. "Es lebe Deutschland!", schließt<br />
der Aufruf 65), "Es lebe der internatienale Kampf des Proletariats!"<br />
In einem Brief an Geib beklagte Bracke den Konflikt mit liebknemt und<br />
die Unklarheit im Verhältnis zur Nation 66). Er könne sich nicht vorstellen,<br />
6~) Marx schrieb daraufhin am 2. August an den Braunschweiger Ausschuß: .. Freunde/<br />
... Den auf dem Braunschweiger Meeting erlassenen Aufruf ... habe ich - wie<br />
Ihr aus dem vom mir vorige Woche zugeschickten Manifeste des Generalrats ersehen<br />
haben werdet - stellenweise diesem Manifest einverleibt". In der .. Ersten Adresse des<br />
Generalrats über den Deutsch-Französischen Krieg" begrüßt Marx zunächst die Antikriegsdemonstrationen<br />
der Pariser Arbeiter, um danach auf Deutschland überzugehen:<br />
" ... Die Stimme der französischen Arbeiter ist zurückgehallt aus Deutschland. Eine<br />
Arbeitermassenversammlung in Braunschweig hat am 16. Juli sich mit dem Pariser<br />
Manifest vollständig einverstanden erklärt, jeden Gedanken eines nationalen Gegensatzes<br />
gegen Frankreich von sich gewiesen und Beschlüsse gefaßt, worin es heißt: ,Wir<br />
sind Gegner aller Kriege, aber vor allem dynastischer Kriege ... Mit tiefem Kummer<br />
und Schmerz sehn wir uns hinein genötigt in einen Verteidigungskrieg als in ein unvermeidliches<br />
Übel; aber gleichzeitig rufen wir die gesamte denkende Arbeiterklasse auf,<br />
die Wiederholung eines solch ungeheuren sozialen Unglücks unmöglich zu machen, indem<br />
sie für die Völker selbst die Macht verlangt, üb~r Krieg und Frieden zu entscheiden<br />
und sie so zu Herren ihrer eignen Geschicke zu machen".<br />
Bonhorst hatte im Juli einen wesentlich radikaleren Aufruf "An die deutschen und<br />
französischen Arbeiter in Stadt und Land" entworfen, der vom Ausschuß nicht gebilligt<br />
wurde. Der Krieg, erklärte Bonhorst, sei ein Complot gegen die Republik, gegen .die<br />
junge Saat der Freiheit in Spanien". "Aufl Aufl Ihr zwei großen Völker I·, schließt die<br />
Proklamation, .Reicht Euch die Händel Ihr rüstigen Gewerbeleute, laßt Eure Werkzeuge<br />
ruhen I Du biederer Bauersmann, lehne Deine Sense an den Baum I Du braver Bruder im<br />
Soldatenrocke, mache ,Gewehr bei Fuß' mit Chassepot und Zündnadel, und hilf uns jenen<br />
Wenigen in die Ohren gellen: Kein Krieg mehr, wenn nicht den let:z: t e n für Freiheit,<br />
Gleichheit, Brüderlichkeit I" S. Briefe an Bebel u. a. S. 489 und W. Bracke, Der<br />
Braunschweiger Ausschuß ... S. 3 f. und 156.<br />
158<br />
86) Bracke an Geib v. 29. 7. 1870. In W. Bracke. Der Braunschw. Ausschuß •.. 5. 5.
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erklärte Bracke, "daß Jemand seines berechtigten internationalen Standpunktes<br />
halber den nationalen verleugnen will". "Ist das Uebermaß an Nationalgefühl",<br />
fährt er fort, "wie das Uebermaß von engerer Vaterlandsliebe (Particularismu~)<br />
zu tadeln, so ist"s ein Gleiches mit dem Uebermaße von Kosmopolitismus. AIIe<br />
drei Dinge sind berechtigt und es muß eben die nöthige Harmonie zwischen<br />
ihnen hergestellt werden. Der internationale Gedanke kann doch nur verwirklicht<br />
werden zwischen den einzelnen Nationen ... "<br />
Als das 2. Kaiserreich mit der Katastrophe von Sedan zusammenbrach,<br />
waren in der Partei alle Zweifel überwunden. Die drohende Annexion von<br />
Elsaß-Lothringen, schrieb Marx dem Braunschweiger Ausschuß, sei "das<br />
probateste Mittel, diesen Krieg in eine europäische Institutüm zu verwandeln"<br />
67). "Es ist in der That das sicherste Mittel, den Militärdespotismus in<br />
dem verjüngten Deutschland zu verewigen als eine Nothwendigkeit zur Behauptung<br />
eines westlichen Polens - des Elsaß und Lothringen. Es ist das unfehlbarste<br />
Mittel, den kommenden Frieden in einen bloßen Waffenstillstand zu<br />
verwandeln. •. DeutsdUand und Frankreich durch wechselseitige Selbstzerfleischung<br />
zu ruiniren. " "Nehmen sie Elsaß und Lothringen", warnte Marx<br />
die Deutschen, "so wird Frankreich mit Rußland Deutschland bekriegen. Es ist<br />
überflüssig, die unheilvollen Folgen zu deuten. Schließen sie einen ehrenvollen<br />
Frieden mit Frankreich. so wird jener Krieg Europa von der moskowitischen<br />
Dictatur emancipiren, Preußen in Deutschland aufgehen machen, dem westlichen<br />
Continent friedliche Entwickelung erlauben, endlich der russischen<br />
soeialen Revolution... zum Durchbruch helfen ..." "Dieser Krieg hat den<br />
Schwerpunkt der kontinentalen Arbeiterbewegung von Frankreich nach<br />
Deutschland verlegt", mahnte Marx seine Parteifreunde in Braunschweig.<br />
"Damit haftet größere Verantwortlichkeit auf der deutschen Arbeiterklasse."<br />
Der Brief von Marx war kaum eingetroffen. als sich der Ausschuß zu<br />
raschem Handeln entschloß. "Morgen schicken wir einen Aufruf an Dich ab, der<br />
jedenfalls in das nächste Blatt muß", schrieb Bonh
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Anhang<br />
I. Leonhard von Bonhorsl an Johann Philtpp Becker<br />
Briefe aus der Braunsdlwelger Zelt<br />
218 (763) 5.10.69.<br />
Lieber Becker I<br />
Sei so gut und sende den steno graphischen Congreßbericht (Baseler) 88) sofort nach<br />
seinem Erscheinen in circa 12-15 Expl. an uns ein. Den Betrag werden wir Dir gleich<br />
nach Empfang einsenden.<br />
Mit vielen Grüßen<br />
Dein Bonhorst.<br />
Stempel: Ausschuss der Socialdemokratischen Arbeiterpartei<br />
65 (Vgl. Abb. 3)<br />
(Briefbogen der Partei)<br />
Braunschweig, den 11. Januar 1870<br />
Lieber Beker I<br />
Aus Beiliegendem wirst Du sehen, wo der Haas im Pfeffer liegt. - Wir werden die<br />
Sache vom Ausschuß wegen energisch betreiben und wollen es schon in die Reihe bringen.<br />
- Wenn die Genossenschaft nur mit einem blauen Auge davon kommt 170) Schreibe<br />
mir um geh end Deine Meinung über das Ganze-denn bei allen solchen Dingen ist<br />
es sehr gut, alle Ansichten zu hören.<br />
Mit Klein 71) wollen wir bald fertig werden.<br />
Viel, viel Arbeit. 0 Magdeburg, du schöne Stadt I 7.)<br />
Dein Bonhorst.<br />
Schweizer is ei dauter Mannl Hel<br />
(Briefbogen der Partei)<br />
139 Braunschweig, den 25/26. Januar 1870<br />
Lieber Becker I<br />
Nächste Woche gehe ich nach Solingen. Hast Du also noch einen Auftrag, dann<br />
theile ihn mir umgehend bis zum 29. Abends mit (30. Morgens 6 Uhr reise ich ab).<br />
Nun noch zwei Fragen:<br />
1. Wie steht es mit Euerem Anschluß an die socialdemokr. Arb. Partei?<br />
88) • Verhandlungen des IV. Congresses des intemationalen Arbeiterbundes in<br />
Basel.· Basel 1869.<br />
70) Es handelt sich vermutlich um die von Fritzsche gegründete Genossenschaft der<br />
Tabak- und Zigarrenarbeiter, für die Bracke finanzielle Bürgschaft geleistet hatte. S.<br />
Eck er t, Unveröffentliche Bracke-Briefe S. 7.<br />
71) Kar! Klein, Arbeiterführer in Solingen.<br />
72) Bonhorst hatte durch die Haft in Magdeburg viele Wochen Arbeitszeit verloren.<br />
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Abb. 4 (zu S. 166)
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2. Wird das Centralcomite Deutscher Sprache nicht aufgelöst zu Gunsten der Partei. -<br />
so daß wir unmittelbar mit dem Generalrath in Verbindung kommen7<br />
Oder was habt Ihr sonst vor7 Gib mir doch hierüber genügenden Aufschluß. indem ich<br />
nächstens dem Ausschuß referiren muß. 73)<br />
Sollte jedoch Deine Antwort (bezgl. Solingens) dadurch verzögert werden. so mache<br />
lieber 2 Briefe. damit ich bis Samstag Mittag nöthige Auskunft habe -<br />
Wie immer Dein Bonhorst.<br />
14S (H8)<br />
Lieber Becker I<br />
Braunschweig den 28. 1.70.<br />
Sei so gut und gebe uns umgehend an wie theuer Du uns soo St. Vorbote excl. Porto<br />
berechnen würdest. Hiebei kann natürlich nicht vom Abonnentenpreiß die Rede sein.<br />
Es handelt sich einfach nur um Ausbreitung unserer Ideen und des centralisirten Vermittelungsgeschäftes.<br />
Das entstehende Porto würde Dir extra saldirt. - jedoch bemerke sogleich die Höhe<br />
desselben. so daß wir es in die CaJculation mit hereinziehen können.<br />
Volksstaaten beziehen wir z. B. zu 17 1/2 Sgr. pr. 100 St.<br />
Die Centralstelle für Production. Constnntion und Vermittelung<br />
I. A. Bonhorst<br />
Braunschweig den H. 2. 70.<br />
Lieber Beckerl<br />
In der jüngsten Zeit hat sich so ein kleiner Gegensatz in Mitten unseres Ausschußes<br />
entwickelt. Man vermuthet nämlich in mir einen Ueberläufer in das Lager des Herrn<br />
Schulze - Delitsch. Veranlaßung hierzu hat das. auch an Dich gelangte Cirkulair bezüglich<br />
der Centralstelle gegeben. BTake und Spier sind nun gewIßermaßen .furchtbar<br />
hinter mir" - bewachen mich mit Argusaugen. weil sie einen Schwachgewordenen.<br />
(wenigstens politischen) in mir erbliken.<br />
Ich richte (nun) diese Zeilen an Dich. damit Du einstens. wenn es nöthig erscheinen<br />
sollte. ZeugniS für mich ablegen kannst. - Du aber auch andererseits in meinen Abund<br />
Ansichten klar blikst.<br />
Aus meiner Vorlage ersiehst Du. daß ich nur auf eine rel" comlHu"lstlsche UnterneHmung<br />
abziele. [die] der beutigen Produktionsweise und dem sich hierauf bauenden<br />
Staate ein seeliges Ende bereiten müße.<br />
7') In einem Schreiben an "Bürger Bonhorst" lehnte Becker den Vorschlag ab: .. ad<br />
a) Zwischen der sozialdemokratischen Partei und der Sektionsgruppe deutscher Sprache<br />
der Internationalen bestehe ein gleichberechtigtes und ebenbürtiges Bundesverhältniß<br />
und hätten beide unmittelbar mit dem Generalrathe zu verkehren. ad b) Diese Frage<br />
könnte nur von der Generalversammlung der Sektions gruppe. nicht vom Zentralkomitee<br />
entschieden werden. dasselbe werde jedoch einen solchen Auflösungsantrag nicht stellen·.<br />
Der Brief wurde im Leipziger Hochverratsprozeß als Beweis für offizielle Beziehungen<br />
zwischen dem Ausschuß und der I. A. A. gewertet. S ... Hochverratsprozeß"<br />
S.344.<br />
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Allerdings habe ich mich. damit einen bedeutenden Fehler begehend. zu früh und an<br />
die verkehrte Adresse gewand. - Mein Bodo:n. auf dem ich mich zu bewegen habe. ist<br />
in den Productivassociationen wie sie bestehen und immer neu hinzukommen.<br />
An diese werde ich auch mein Schriftchen richten und sie zu der communistischen<br />
Zentralisation auffordern. Jedenfalls wird es gut sein. diesen Gedankengang nur erst<br />
einmal anregend und pure in die Massen zu schleudern. dann. wenn sich eine Entzündung<br />
zeigt. die Sache praktisch in die Hand zu nehmen.<br />
Ich muß Dir gestehen. so lieb und heilig mir unsere jetzige. rein geistige Bewegung<br />
ist. so innig treu und ergeben ich ihr bin. - ich kann mich dennoch und trotzdem des<br />
Zweifels nicht erwehren. daß sie allein nicht im Stande sein werde. jenen Löwenmuth<br />
zu erzeugen. der sich bei einer. Haus und Hof. - .das Heim" vertheidigenden • Volkswehr"<br />
vorfindet. Erst wenn es gilt. - das socialistische (besser centralbirt - communistische)<br />
"Heim" zu vertheidigen rep. dauernd möglich zu machen. zum Gesellschaftszustand<br />
zu erheben. wird sich jener Grad geistiger Festigkeit verallgemeinert haben.<br />
Hierzu kann aber. bei unserer heutigen .Masse" nur das Beispiel wirken. - die praktische<br />
Vornahme. - weil eben die geistige Abstraktion (leider!) mangelt und die Gewohnheit<br />
des Hergebrachten überwuchert.<br />
Schreibe mir ganz unumhüllt Deine Ansicht. - denn es kann ja leicht sein. - daß<br />
ich vielleicht nur erst einen niederen Begriff entwickelt habe. - trotzdem die Brake'sche<br />
Außerung .20 Jahr hinter Schulze zu Hause" dann doch etwas gewagter Natur ist.<br />
dieweil Schulze nie. ein einziges Mal einen Communistischen Gedanken geboren. Jedenfalls<br />
rechne ich so. - wenn der Zukunftsstaat. (in dem nebenbei bemerkt die freie Concurrenz<br />
(der Productivassociationen untereinander) zu einem Unsinn würde, in dem<br />
vielmehr die Erfahrungen der Statistik und die Errungenschaften der Wissenschaften<br />
überhaupt jene Stelle der Concurrenz einnehmen müßen) in seiner communistischcentralisirten<br />
Gestalt richtig ist, - daß man keinen Fehler begeht. wenn man heute<br />
schon die Annäherung sucht. Auch kann das nidlt .vom Wege ablenken. für das eine<br />
große Ziel stumpf machen" oder wie die Redensarten alle lauten mögen.<br />
Nur so viel bemerke ich Dir noch, - daß die Entwikelung unserer gegenseitigen<br />
Anschauungen (im Ausschuß) nicht die geringste Störung veranlaßen werden. - weil<br />
ich ebenso gut wie Brake und Spier das (Schulze-Delitsche) Bedürfniß fühle. die Geister<br />
(auf dem rein politischen Gebiet) reif zu machen, Demgemäß werde ich meine Kräft.,<br />
nach wie vor und ungeschmälert. - wie bisher verwenden. - zugleich aber gebe ich<br />
Jedem zu bedenken. ob es recht sei, in einem Kampf einen Bundesgenossen zurückzustoßen<br />
und sei er noch so schwach. (Was aber hier noch nicht einmal zutrifft, - denn er<br />
ist mächtig. Wir sehen das. Selbst ohne unser Zuthun. entstehen ganz planlos jeden<br />
Tag neue Prod[uktionsJ Ass [ociationenJ - Gib mir doch gleich Deine Ansicht kund.<br />
Adressire aber den Brief: .Eigenhändlg",<br />
Wie immer Dein vertrauender Bonhorst<br />
Bald mehr auch über Solingen. 5 A<br />
579 (568) Braunschweig den 4. 5.70.<br />
Lieber Becker I<br />
Sei doch so gut und theile uns gleich die Adr. von Rüstow mit. Der alte Kämpe muß<br />
auch zur Unterstützung unserer Partei heran gezogen werden.<br />
Gewiß hast Du auch noch anderweitige Adr. an die wir uns gleicherart wenden<br />
können, die nur angebohrt ::u werden brauchen, um auch ~ofort Etwas zu thuen.<br />
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Theile uns dieselben nur ja alle mit. denn die Finanznoth der Partei ist eben größer<br />
wie je. Beeile Dich deshalb auch ein wenig mit Deiner Antwort.<br />
Den beiliegenden Brief wolle güt[i)gst an seine Adresse gelangen laßen.<br />
Für den Ausschuß<br />
Der Secretair<br />
Spier.<br />
Bonhorst.<br />
Kennen Sie die Adresse v. G. Herwegh. resp. ist bei dem für die Partei was zu holen?<br />
Besten Gruß<br />
Sp[ier)<br />
602 (569) Braunschweig den 9.5.70.<br />
Lieber Bed
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stadium doch so unendlich nothwendig ist, viel weniger beschränkt sein wird, als bei den.<br />
immer etwas Autonomie. etwas Unfehlbarkeit in sich tragenden Commissionsbeschlüssen.-wenn<br />
die Sache nach Euerem Antrag geregelt würde. Andererseits regt die jetzige.<br />
freie Form auch alle Geister zur Selbstthätigkeit an. - während die von Euch vorgeschlagene<br />
einen gewissen Abschluß hervorbringen müßte und so dem für sich Denken<br />
I a P e 11 Vorschub leistete.<br />
Der nicht weiterblikende Parteigenosse würde sich sagen: Die Commission hat das<br />
berathen. das mup gut sein.<br />
Trotzdem müßen wir Euch zugestehen. daß nach längerer. freier Fortbesprechung.<br />
wenn sich die Ansichten mehr und mehr geleutert haben. Euer Weg. - wenn auch<br />
vielleicht in einigen Fonnalien verändert. betreten werden muß und wird Euch ja alsdann<br />
unser Organ den nöthigen Aufschluß sofort geben.<br />
Empfanget noch für Euer stetes geistiges Mitwirken unseren besten Dank.<br />
Für den Ausschuß<br />
Der Secretair<br />
Spier.<br />
Bonhorst.<br />
Lieber Becker I<br />
Sende uns doch unter (Kreuz)band die Nummer des Vorboten. in welcher der Fragebogen<br />
für statistische Erhebungen (Beschluß des Genfer Congreßes der Internationalen)<br />
enthalten ist.<br />
D.O.<br />
800 (617)<br />
Braunschweig den 5.7.70.<br />
Lieber Becker I<br />
Dein Brief vom 1. d. ist in unseren Händen. 70) Wir müßen Dir jedoch bemerken.<br />
daß Du uns im höchsten Grade Unrecht thust. woran wohl mit am meisten der Einfluß<br />
Euerer wHeißsporne- Schuld sein mag.<br />
1. Wollen wir Dir zur Charakterisirung unserer eigenen Kassenverhältniße nur<br />
bemerken, daß wir z. B. im verfloßenen Monat noch nicht einmal im Stande waren. für<br />
die Gefängnißkosten von Rüdt 75) 10 Thlr. aufzubringen. Unsere Leute sind eben schon<br />
viel zu sehr angestrengt worden od. sind. wie die uns neu Zutretenden. noch nicht opferwillig<br />
genug. - so daß sie selbst ihre regelmäßigen Steuern im höchsten Grade unregelmäßig<br />
zahlen.<br />
2. Mußt Du bedenken. daß es noch in aller Gedächtniß ist. wie sehr schlecht sich die<br />
Scctionen der Internationalen an den Sammlungen betheiligten. welche wir damals für<br />
die Waldenburger veranstalteten. Obwohl wir weit davon entfernt sind. auf diesen<br />
Punkt Nachdruck oder nur weitere Bedeutung zu legen. müßen wir Dir denoch gestehen.<br />
daß er nicht ohne Einfluß geblieben ist.<br />
75) Im Braunschweiger Sozialistenprozeß wurde der Brief auf Antrag der Staatsanwaltschaft<br />
zusammen mit einem Brief J. Ph. Beckers vom 11. Juni 1870 verlesen.<br />
W. B ra c k e. Der Braunschweiger Ausschuß der socialdemokratischen Arbeiter-Partei<br />
in Lötzen und vor dem Gericht. Braunschweig 1812. S. 154 f.<br />
75) Am 9.7.1870 veröffentlichte der _Volksstaat" einen Brief von Rüdt. der sich<br />
am 2. Juli aus Hubertusburg an den Aussdtuß mit der Bitte um Hilfe gewandt hatte.<br />
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3. Weißt Du. daß sim uns in Eisenam die deutsmen Arb. Bild. Ver. der Smweiz<br />
ansmloBen. Aum von dieser Seite sind wir bis heute ganz im Stim gelassen. Das wirkt<br />
ebenfaIls mit.<br />
4. Endlim haben wir den sehr geremtfertigten Einwurf zu befürmten. daß wir für<br />
die internationale Same einträten. die nationalen Striks aber unberücksimtiget ließen.<br />
So stehen unsere Tismler in Wiesbaden smon seit 5 Women aus und neuerdings ist<br />
dom aum der coIlosale Hamburger und Bremer Strik ausgebrochen. 77) Alle diese<br />
Momente müßen wir berücksimtigen und werden dieselben unser Nimt-Vorgehen in<br />
einem etwas milderen Limt ersmeinen laBen. Wie wir trotzdem die Same anzupacken<br />
gedenken. wird Dir wohl smon aus der morgigen Nummer des Blattes ersimtlim. 78 )<br />
Der übrige Inhalt Deines Briefes findet bei uns besten Anklang weil wir uns smon lange<br />
mit der Frage herumtragen. wie wir wohl im Stande sein werden. das ländlime Proletariat<br />
in unsere Reihen zu ziehen. - Dom wird uns hierin ein Smweizer und Cons. nimt<br />
vorkommen. weil er nimt darf. - Nam seiner höheren Ordre hat er den Bauer in seiner<br />
alten Dummheit. seinen Smlendrian zu belaßen.<br />
Mit brüderlimem Gruß<br />
Spier.<br />
Für den Aussmuß<br />
Der Secretair<br />
Bonhorst.<br />
5.7.70.<br />
lieber Becker'<br />
Hast Du smon Bemhard Beckers .Reaetion in Deutschland resp. Die Revolution<br />
von 1848" gelesen? (Wien 1869 A. Pichlers Ww. und Sohn) Darin hejßt es Seite 196:<br />
J. Ph. Becker in Biel. ein zum Bourgeois aufgerückter. früherer Bürstenbinder. bewieß<br />
sim wohl als guter Lärmmamer. aber als ganz schlemter Führer. der nimt einmal seinen<br />
Leuten gleim- und remtzeitig die Ordre zum Aufbrum smickte.<br />
Was sagst Du nun dazu?<br />
Dein Bonhorst.<br />
Braunsmweig den 3.8.70.<br />
lieber Becker'<br />
Die Erklärung des alten Garibaldi 78) veranlaßt uns. demselben unsere Personen<br />
zur Verfügung zu steIlen. Aber außerdem glauben wir Dir nom die Versimerung geben<br />
zu können. daß wir im Stande sein werden. vers miede ne Tausende deutsmer Arbei-<br />
71) S .• Volksstaat" vom 6.7 .• 13.7 .• 16.7. und 20.7. 1870.<br />
78) S. den Aufruf des Aussmusses an die .Parteigenossen" im "Volksstaat" vom<br />
9.7.1870. In der gleimen Nr. quittiert Bracke die ersten 14 Gr .• von mehreren Genossen<br />
in Braunschweig und Wolfenbüttel". Am 16.7. meldete Bracke: .Die eingekommenen<br />
51 Thlr. für Genf sind an Becker daselbst ..• abgesandt."<br />
78) Giuseppe Garibaldi hatte sich geg~n den französismen Kaiser erklärt. Am<br />
21. September 1870 veröffentlichte der" Volksstaat" folgende Erklärung: "An meine<br />
Freunde' Gestern sagte im Euch: Mit Bonaparte Kampf auf Leben und Tod. Im sage<br />
Euch heute: Man muß die französisme Republik auf jede mögliche Weise unterstützen.<br />
Selbst Invalide. habe im mkh der provisorischen Regierung von Paris angeboten ...<br />
G. Garibaldi.·<br />
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ter. - wenn wir nur in den Stand gesetzt werden. die Leute nam Italien befördern zu<br />
können - binnen wenigen Tagen anzuwerben. Setze Dim sogleim mit Garibaldi in<br />
Verbindung und laße uns für den Moment der Action sofort die nöthigen Weisungen<br />
zugehen.<br />
Mit socialrepublikanismem Gruß<br />
Bonhorst<br />
Carl Lüdecke.<br />
11. Entwurf eines Berichts an den Generalrat der I. A. A.<br />
Das Konzept befindet sieb Im NiedersächsIseben Staat,archiv Wolfenbüttel L Neu Abt. 38 a Fb 2 Nr.<br />
36 Vol. I. Der Bericht wurde offenbar zwischen dem IS. Mal und 2. August 1870 nach London übersandt.<br />
In den Gerichtsverhandlungen gab Bonhorst zu. er .habe auch einmal einen summarischen Bericht nach<br />
London abgefASt". das Schriftstilck tlei aber von ihm allein ausgt>gangen .. und wurde anders abgeschickt.<br />
als e. Im Coneept abgefaßt war· HO). In dem von Bracke Im Proz.ßberimt .. röffentlichten Auszug 81)<br />
fehlen nicht allein sämtliche Ortsangaben •• ondern vor allem der politische Überblick. Ob da, dem Generalrat<br />
vorgelegte Original erhalten geblieben ist. konnte leider nicht mehr festgestellt werden. Unter<br />
'treimungen und nachträglime Emtragungen wurden durm Kursivdruck hervorgehoben. Gestrichen.<br />
Stellen finden sich in spitzen Klammem. Vgl. Abb. 4.<br />
Berimt des Aussmußes d[er) s [ocial) d [emokratismen] A [rbeiter] P [artei] für den<br />
Generalrath der I. A. A.<br />
Als sim unsere Partei. auf Grund der Plaufonn der Internationalen A. A. im August<br />
v. Jahres von der Organisation der smweizersmen Seckte einerseits und der Organisation<br />
des Verbandes der deutschen Arb. Vereine andererseits lostrennte und selbstständig<br />
in Eisenam constituirte. waren es vor allem folgende Orte. welme diesen Act durm<br />
die Kraft ihres Willens trugen:<br />
Augsburg. Apolda. Altona. Braunsmweig. Breslau. Bielefeld. Berlin. Biebrim a.<br />
Rhein. Barmen. Celle. Cöln. Coblenz. Crimmitsmau. Dessau. Dresden. Düsseldorf.<br />
Erbam I. Rh[ein)gau. Erfurt. Elberfeld. Frankfurt a. M .• Frankenhausen i. Tb .• Fürth<br />
b. Nürnberg. Gotha. Gera. GÖppingen. Glaumau. Geyer. Hamburg. Harburg. Halberstadt.<br />
Hannover. Herbom i. Nassau. Heide i. Holstein. Hildesheim. Lauterberg i. Harz.<br />
Lüneburg. Leipzig. Lemhausen. Lunzenau. Mainz. Magdeburg. Mühlheim a. M. [1).<br />
Meerane. Mannheim. Nümberg. Neundorf b. Staßfurt. Ronsdorf. Ronneburg. Reimenberg<br />
i. Böhmen. Solingen. Staßfurt. Stockam i. bad[iscben] Oberl[and). Wolfenbättel.<br />
Wiener-Neustadt. Wiesbaden. Weimar. Worms. Winkel i. Rheingau. (58)<br />
Später reihten sim hieran in Folge von mehrfamen Agitationen die sowohl von<br />
Seiten des Aussmußes. als aum von Seiten der Mitgl[ieder) selbstständig unternommen<br />
wurden nom folgende Orte:<br />
Aue i. Erzgebirg. Aamen. Burgstadt i. Samsen [11. Chemnitz. Comstedt. Cannstadt.<br />
Denken i. PI[auensmen) Grunde. Derenberg b. Halberstadt. Därfel b. Reimenberg i.<br />
Böhmen. Eisenam. Essen. Erlangen. Ehrenfriedersdorf. Esmweiler bei Aamen. Esslingen.<br />
Frohburg i. Erzge[birge). Freiburg i. Sm ... [1). Grüna b. Sigmar. Großenhain. Giengen<br />
a. K[omer). Hainimen. Heddernheim b. Frankfurt/M .• Höchst a. M .• Helmstedt. Hormersdorf<br />
[7). Jüterbogk. Königslutter. Kirmberg i. S[amsen). Kemze b. Glaumau.<br />
&J) W. B ra c k e. Der Braunsmweiger Aus~rhuß ... S. 109.<br />
81) W. B r a c k e. a. a. O. S.153.<br />
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Luckenwalde. Laßnitz. Lichtenstein. München-Bernsdorf. München. Mittweida. Mezingen.<br />
Niederlungwitz i. Sachsen. Niederzwönitz i. Erzg[ebirge). Oberlungwitz. Ölsnitz.<br />
Pforzheim. Rochlitz. Regensburg. Rödlitz b. lichtenstein. Ravensburg. Reichenbach<br />
i. Vgtl.. Saalfeld i. Thür .• Schwiebus b. Frankf. a. Oder. St. Andreasberg i. Hrz. Schwabach.<br />
Straubing. Stuttgart. Schöningen. Schwäbisch-Hall. Wieda I. Harz. Wien. Wesselburn.<br />
Weisweiler b. Aachen. Waldheim i. Sachsen. Wechselburg i. 5 .• Zwickau (62)<br />
und die Centralisation der deutschen Arb[eiter) B[ildungs) V[ereine] in der Schweiz.<br />
Soeben im Anschluß begriffen sind: Bremen. Cassel. Carlsruhe. (ltzehoe). Siegen.<br />
die Orte des Voigtlandes und eiHe Reihe schwäbischer Orte. die früher den Württ{elf]<br />
bergschelf Gauverband bildeten.<br />
Von den zuerst aufgeführten Orten sind wieder eingegangen:<br />
Biebrich a. Rhein. Von dorten meldet uns der Vertrauensmann. - daß der Stumpfsinn<br />
in dem Arbeiterstande so groß sei. daß sich letzterer um Nichts bekümmere. T rotzdem<br />
laßen wir diesen Ort eben so wenig wie die folgenden aus dem Auge. weil wir<br />
recht wohl wißen. - daß bei Fortentwikelung der kapitalistischen Produktionsweise.<br />
ein Zeitpunkt eintreten (wird) muß. da sich auch die Arbeiter dieser Orte wieder um<br />
den festen Kern unserer Org~nisation schaaren.<br />
Coblenz. Durch die Maßregelungen. welche unseren dorti/:en Vertrauensm[ann)<br />
A. Ellner. Cigarrenarb[eiter). abstumpften und von aller Bewegung weg trieben.<br />
Dessau. Durch verschiedene Reibereien zwischen Mitgl[iedern] unserer Partei und<br />
denen der schweizer' schen Sekte.<br />
Düsseldorf. Aus derselben Ursache. Außerdem fehlt es uns an energischen unabhängigen<br />
Kräften.<br />
(Lauterberg f. Harz. Aus denselben Gründen)<br />
LÜHeburg. Dasselbe.<br />
Reichenberg f. Böhmen. Durch das bekannte Vorgehen der österreichischen Regierung<br />
gegen alle socialdemokratischen Bestrebungen.<br />
Staßfurt. Siehe Dessau und H. Erholt sich aber jetzt zusehends.<br />
Wicncr-Neustadt s. Reichenberg.<br />
Worms s. Dessau und H.<br />
Von den später zugetretenen Orten fallen die österreichischen aus bekannten<br />
Gründen weg.<br />
Außerdem ist:<br />
Schwibus b. Fr[an}kf{u}rt a. Oder durch einen Gewaltakt der kgI. preuB. Polizei in<br />
Rückgang gekommen. Dieselbe belegte nämlich ohne Grund die Kassenbestände mit<br />
Beschlag und schrekte (so) durch Erspinnen [?] und Fort - Maßregeln des Vertrauensmannes<br />
die Uebrigen so. daß uns jetzt sogar jede Adresse mangelt.<br />
Straubing (und Passau) sind für uns vorläufig völlig verschollen. jedenfalls durch den<br />
Einfluß der Klerisei.<br />
Bis jetzt haben wir folgende Herrn mit Agitationen von hier aus betraut·<br />
Th. York in Harburg; G. Windfheimer (ehemals in Lechhausen bel Augsburg jetzt<br />
verschollen). W. Schmidt in Itzehoe. Aug. Rüdt eben im Zuchthaus Hubertusburg.<br />
F X. Luber in Regensburg. F. Obermann jr. in Esmweiler bei Aachen. W. Kölsch eben-<br />
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daselbst. C. Henning in Ronsdorf. C. Demmler in Geyer i. Erzgebirg. C. F. Hupfer in<br />
Lunzenau. A. Welke /H FraHkeHhauseH /H Thür/HgeH. Poll/Hg iH Dessau. Nippoldt /H<br />
Gotha. (Pelle Augsburg?) (Kü/m u. Ehlers). Naters-Halberstadt und unseren Parteisecretair<br />
Bonhorst.<br />
Von diesen officiellen Agitatoren wurden (bis jetzt) gerichtlich bestraft (wegen<br />
Äußerungen in ihren Reden): Rüdt mit 8 M[ona)t und :2 M[ona]t Voruntersuchung<br />
(in Mittweida verhaftet. abgeurtheilt und dann nach Hubertusburg transportirt).<br />
F. ObermaHH Ir. in Eschweiler mit 4 Wochen in Aachen (dabei 4 Wodlen Voruntersuchungshaft)<br />
BOHhorst ebenso bestraft vom Criminalgericht in Magdeburg.<br />
Dittmar von Leipzig nach Frohburg gesand sitzt eben in der Frohnfeste Borna in<br />
Untersuchungshaft.<br />
Den anderen wird täglich schärfer auf die Finger gesehen.<br />
Die von unseren officiellen Agitatoren hauptsächlich berührten Gegenden waren:<br />
Westfalen. Rheinland. Bayern. Sachsen. Hannover. Braunschweig und Holstein.<br />
Von den ohne unsere Mitwirkung und Beauftragung vollzogenen Agitationen heben<br />
wir vor Allen die des Herrn A. Bebel in Leipzig durch Schwaben hervor. - deren Resultat<br />
sich in der bald darauf erfolgenden Auflösung des schwäbischen Gauverbandes der<br />
dortigen Arbeitervereine bemerklich machte.<br />
Im Ganzen zählt unsere Partei jetzt 110 (109) Orte in Deutschland. an denen sie<br />
vertreten ist. Davon kommen auf:<br />
Anhalt :2<br />
Baden<br />
l<br />
Bayern 8<br />
Braunschweig 6<br />
Hamburg 1<br />
Hessen 3<br />
Preußen 33<br />
Reuß j. L. 1<br />
Sachsen Kgrch. (34) 35<br />
Sachsen W. E. 3<br />
C.G. 1<br />
M.H. 1<br />
Schwarzb. Rudolstdt 1<br />
Wrttmberg 10 (9) (8)<br />
113 (109)<br />
Die (schweizerischen) deutschen Arbleiter] Blildungs] V[ereine] der Schweiz haben<br />
bis jetzt noch kein Verzeichniß ihrer Orte eingesand. :<br />
Von diesen 113 (109) Orten sind ihren gegen die Partei eingegangenen Verpflichtungen<br />
völlig nachgekommen .•• " Orte.<br />
Die Anzahl der zahlenden Mitglieder beträgt: .,.<br />
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Die Stellung unserer Partei zu den übrigen läßt sidt etwa (kurz) folgenderart dtarakterisiren.<br />
Die conservativen Elemente. (Junker. Pfaffen und Bourgeois) laBen uns. in ridttigem<br />
Klasseninstinkt die ganze Sdtwere ihrer usurpirten Gewalt fühlen.<br />
Auf Sdtritt und Tritt stoßen wir im Ganzen. wie jeder Einzelne an diesen und jenen<br />
Gesetzesparagraphen ihres Häsdterreglements. wozu (gar häufig) unzähligemal das<br />
freie Vertragsverhältniß zwisdten Arbeitgeber und Arbeitnehmer in eine moralisdte und<br />
physisdte Folter verwandelt wird.<br />
Eigentlidte Staatsbeamten zählen wir deshalb nur (äußerst) versdtwindend wenige<br />
in unseren Reihen. - ebenso wie wir die. im Dienste des Kapitals stehenden Männer<br />
der Wissensdtaft und Kunst audt nodt überwiegend unter unseren Gegnern sehen.<br />
Am gefährlidtsten von allen deutsdten Regierungscliquen ist uns die preußisdte. -<br />
weil dieselbe auf homöopathisdte Weise gegen uns operirt.<br />
Einerseits betritt sie mit uns in ihrem Imperialsocialismus sdielnbar denselben<br />
Boden. - andererseits sudtt sie. durdt kleinlidtes Chikaniren und durdt das Hauptmittel<br />
der Untersudtungshaft unsere Kämpfer möglidtst mürbe ulld ullsdiädlidi zu madten.<br />
So sehen wir denn audt leider eine große Menge von Arbeitern auf die Leimruthe<br />
gehen. denen der Lekkudten vor den Mund und die Pistole in den Rüken gehalten<br />
wurde.<br />
Ist es dodt in der allerjüngsten Zeit vorgekommen. - daß ein Arbeiter. Sdtalmeyer<br />
in Hamburg öffentlidt die Segnungen des Königsthums. gegenüber den Nadttheilen einer<br />
Republik in einer Volksvers[ammlung] von circa 4000 Personen. unter lautem. anhaltendem<br />
Bravo hervorhob. - weil er von Hamburg an preußisdte Gerichte ausgeliefert.<br />
von letzteren aber schlauerweise freigesprodten worden war 82).<br />
Haben dodt die Arbeiter der kgl. Salzbergwecke in Staßfurt unseren Agitatoren in<br />
das Gesicht gesagt: .Ihr wollt die Revolution. wir aber vertrauen dem Grafen Bismark<br />
und unserem König Wilhelm. die werden Alles zu unserem Besten leiten. Unser König<br />
verkauft nur deshalb die Salzbergwerke. damit wir Strik machen und höheren Lohn<br />
verlangen können. was uns nidtt möglich ist. so lange die Werke Staatseigenthum<br />
sind" 83).<br />
Hat doch vor einigen Tagen nodt einer der hervorragen[d]sten Agitatoren (Lübkert)<br />
des königlidten Socialisten Schweizer bei Gelegenheit einer Volksvers[ammlung] in<br />
82) S. hierzu H. Lau f e n b erg. Geschichte der Arbeiterbewegung in Hamburg.<br />
Altona und Umgegend. 1. Bd. Hamburg 1911 S. 420 f.<br />
83) S. den Beridtt von Bonhorst in DW Nr.41 vom 18.9.1869: •... Nun. daß die<br />
in Straßfurth ertheilten Lehren ganz derselben Natur gewesen sind. - beweist uns das<br />
Auftreten der Arbeiter bei Gelegenheit unserer Agitation am 4. ds. Mts. in Staßfurth .•.<br />
Darauf begann denn die Privatagitation und bei dieser Gelegenheit entwickelte mir<br />
gegenüber unser Vorsitzender (ein Zimmermann). Graf Bismarck. das sei der Mann des<br />
Volkes. - der habe den Arbeiterstand nodt nie bedrückt. - wir seien nur Particularisten.<br />
wollten den abgedankten Fürsten wieder auf den Thron helfen. indem wir eine<br />
Revolution anzettelten ... Hrn. Bremer sagte im Verlauf des Gesprächs ein Maurer fast<br />
dasselbe und fügte er noch hinzu: Was thun wir mit allen Vereinigungen. die haben uns<br />
Nichts genützt und werden uns Nichts nützen - unser Kßnig Wilhe1m soll uns vertreten.<br />
Prosit Herr Lübkertl i
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Magdeburg 114) die Ansimt vertreten. daß der Arbeiter aum von dem heutigen Staate<br />
die Mittel zur Errimtung von Productivassociationen erwarten könne. - mit deren<br />
Hilfe er dann im Stande sei. die Folgen der kapitalistismen Production und Ursamen<br />
der. (ehern) Lohngesetzes - Bodenrente. Kapitalzins und Unternehmergewinn - zu<br />
beseitigen.<br />
Ist es dom unzweifelhaft. daß die Organe jener Sekte .Der Agitator und der Socialdemokrat"<br />
aus officiellen Mitteln erhalten werden. Denn smon vor circa einem Jahr<br />
erklärte der nomineJIe Besitzer .. Smweizer". er müße an seinem .. Socialdemokrat"<br />
jährlim 8-900 Thlr. zusetzen und seitdem ist die Abonnentenzahl doch bis auf die<br />
Hälfte gesunken. Trotzdem erscheint. seit Anfang April wöchentlich (noch) einmal der<br />
"Agitator" welcher pro Quartal nur 15 Pfg. kostet.<br />
Die uns gegenüber eingehaltene Richtung gipfelt (hauptsächlim) darin. die Grundlagen<br />
des norddeutsmen Bundes als berechtigt und rimtig darzustellen. also der nationalliberalen<br />
These zu huldigen. daß der Erfolg (wenn aum smeinbarer) die politische<br />
Stellung des Mannes zu bestimmen habe. Daß aber eine solme Politik auf die Dauer dem<br />
Arbeiterstande nimt geboten werden kann ohne die nöthige Maskirung ist klar.<br />
Die Maskirung besteht nun gerade in jener oben erwähnten Art von Socialismus. -<br />
welmer nur deshalb bei einem (gewißen) Theile von nur oberflächlim blikenden Arbeitern<br />
durmsmlagen kann. - weil er einen gewißen Grad von oppositionellem Geist<br />
gegen die offenbar reactionär socialistismen Auseinandersetzungen der Kreuzzeitungs<br />
Don-Quixote Wagener 811) und Cons. in genau bcremnerem Maße bringt und durm das<br />
einseitigste Hervorheben der .Rechte des Arbeiterstandes". welmes in den meisten<br />
Fallen in ein wiederlim-kriechendes Smmeimeln und Hätscheln ausartet. die auf dem<br />
Eigennutz und Eigendünkel ruhenden Leidensmaften wachruft und bis :zu blindem<br />
Fanatismus einerseits und blindem HaSe andererseits anfeuert. in beideH FäJIen aber<br />
Stupidität erzeugt.<br />
Am ausgeprägtesten finden sich diese Argumente smon in Hamburg und Berlin in<br />
der Arbeitersmaft vor.<br />
Wenn. abgesehen von den rein politism-reactionären Blättern der Junkerpartei. die<br />
nur durm die Mamt der Umstände gezwungen. der socialistismen Bewegung ihre Spalten<br />
öffnen. (sim) in Kreuzzeitung. Socialdemokrat und Agitator die Schieß hütte der<br />
Junker verborgen ist. so haben die Pfaffen. nimt minder smlau. auch ihre Fallen in der<br />
Presse gestellt.<br />
Bei ihnen excellirt die socialistische Beschäftigung in ihren .mristlich-socialen<br />
Blättern". dem Organ ihrer Gesellenvereine. Jhre schlaue Tendenz geht dahin den<br />
Arbeiter (damit) in ein für ihn unentwirrbares Labyrinth zu verloken. (daß) indem sie<br />
ihm sagen: .,Ja die Principien von denen Ihr ausgeht sind ganz rimtig und wahr. Aber<br />
es bleibt Eum kein Ausweg als - und damit geht im Hintergrund eine Kirmenthüre auf.<br />
durm welche dann die .Mühseelig und Beladenen" eintretrn. um ihre letzten Peterspfennige<br />
nom los (zu werden) und zur kirmlichreaktionären in jedem geeigneten Moment<br />
als Schrekgespenst zu gebrauchenden frommen. geduldig Hunger leidenden .. Bestie"<br />
abgerimtet zu werden .<br />
• 4) S. hierzu den ausführlichen Versammlungsberimt aus Magdeburg im Volksstaat<br />
Nr. 35 vom 30.4.1870. in dem die Rede Lübkerts eingehend referiert wird .<br />
• &) Der langjährige sozialpolitisme Berater Bismarcks.<br />
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Die Bischöfe von Mainz, Cöln, Münster und Paderborn mit ihren patres militantes<br />
leisten Erstaunliches .8), - und sehen wir deshalb auch den Sitz des christlichen Socialismus<br />
in Rheinland und Westphalen.<br />
Der Dritte im Bunde, der .Socialismus in den Klauen der Bourgeoisie" bäumt sich<br />
unter dem Triumvirat von Schulze, aus Delitsch, Franz Dunker und Dr. Max Hirsch,<br />
den (drei) rühmlichst Bekannten. Neben ihrer politischen Ueberschwemmungspresse,<br />
mühen sich die Edlen noch in ihrem .Gewerk-Verein" und dem in Pforzheim durch<br />
eines ihrer zeitherigen Werkzeuge (Goldarbeiter Wittum) redigirten Blattes den .. Genossenschafter"<br />
ab, - die Arbeiter in ihre Schule der Harmonie hineinzusalbadern.<br />
Sie haben nur Pech, die Armen - denn trotz ihrer Harmonielehre, brach in den<br />
Reihen ihrer Anhänger, unter den Waldenburger Bergarbeitern der größte Strik aus,<br />
den Deutschland bis jetzt gesehen, und ihr Factotum Wittum in Pforzheim wurde durch<br />
ein ähnliches Vorkommen unter den Goldarbeitem Pforzheims ganz aus ihrer Schule<br />
mehr nach unserer Seite hin gedrängt. Was allen drei Richtungen gemeinschaftlich, ist<br />
die Tendenz. den Arbeiter von der Betheiligung an aller politisd,en Bewegung fern zu<br />
halten. - entweder durch offenbare Fälschung der Politik. oder durch Ersatz derselben<br />
durch himmlische oder irdische Harmonie. - alle drei haben. da .das leben der Güter<br />
Höchstes nicht" und der .. Todt der Eingang zu einem besseren Leben" für den Arbeiter<br />
den Mund voll Demuth und Gottvertrauen.<br />
Alle< diese> ihre Trugbilder zerrinnen denn auch dem Danaidenqualen ausgesetzten<br />
Arbeiter in leeren Nebel. wenn er sich die Mühe nimmt selber nachzudenken oder durch<br />
die Gewalt der Umstände zum Nachdenken gebracht wird.<br />
Auf einem besonderen Blatt findet sich folgender Nadftrag:<br />
Die Correspondenz unseres Secretariates umfaßt von Aug.1869 bis Jan. 70 •..<br />
Briefe und von Jan. 1870 bis zum 15. Mai ... Briefe. In den glekhen Zeiträumen<br />
wurden ... bezw. ... Pakete mit Statuten. Programmen und Agitationsschriften<br />
versand. Bis jetzt haben wir versd,leißt [7] 20000 Programme und 20000 Parteikarten<br />
sowie für circa 315 Thlr. Schriften. Die Ausbreitung unseres Organes wird in der Mitte<br />
eines jeden Quartales in demselben bekannt gemacht und ist dorten zu ersehen.<br />
86) Ganz ähnlich Marx am 25.9.1869 aus Hannover an Engels: .. Bei dieser Tour<br />
durch Belgien. Aufenthalt in Aachen und Fahrt den Rhein herauf habe ich mich überzeugt.<br />
daß energisch. speziell in den katholischen Gegenden. gegen die Pfaffen losgegangen<br />
werden muß. Ich werde in diesem Sinn durch die Internationale wirken. Die Hunde<br />
kokettieren (z. B. Bischof KetteIer in Mainz. die Pfaffen auf dem Düsseldorfer Kongreß<br />
usw.). wo es passend scheint. mit der Arbeiterfrage. Wir haben in der Tat 1848 für sie<br />
gearbeitet. nur sie genossen die Früchte der Revolution während der Reaktionszeit".<br />
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IH. Karl Marx über das Verhältnis<br />
des Braunsmweiger Aussmusses zur I. A. A.<br />
Original: Nieden. Staatsarchiv Wolfenbüttel L Neu Abt. 38 a Fb. l Nr. 36 Vol. I. Die handschriftlieben<br />
Eintragungen wurden kunlv wiedergegeben. S. auch W. Bracke, Der Braunsdlweiger Au •• d1uß<br />
••• S. in f. Vgl. Abb. s.<br />
I Karl Marx of 1 Maltland Park Road Haverstock Hili In tue COUHty of Mlddlesex<br />
Secretary for Germany of the General Council of tue International Working Mens<br />
Assoc/atlon do solemnly and sincerely declare as follows<br />
1. That the German Social Democratlc Working Men's Party wltose Commlttee In the<br />
beginning of September One thousand elght hundred and seventy was still seated<br />
at Brunswlck has Hever demanded to be enrolled as part and parcel or as a Sectlon<br />
of the IHteTHatlonal Working Men's AssoclatioH.<br />
2. That tor thls reason such an emolment has never taken place.<br />
3. That many members of the aforesaid German Soc/al Democratic Worklng MeM's<br />
Party have on thelr demalfd bun Ilfdivldually admltted as Members 0/ the Inter<br />
Hatlonal Workilfg Melf's Assoclation.<br />
4. Tltat tUls Dec1aratiolf is made at the request of Wilhe1m Bracke a Merchalft at<br />
Brulfswlck alfd hlmself a Member of the Ilfterlfatlolfal Working Men's Associatlon.<br />
And I make this solemn Declaration conscientiously believing the same to be true<br />
and by virtue of the provisions of an Act made and passed in the Session of Parliament<br />
of the fifth and sixth years of the reign of His late Majesty King William the Fourth,<br />
intituled .An Act to Repeal an Act of the present Session of Parliament intituled An<br />
Act for the more effectual abolition of Oaths and Affirmations taken and made in<br />
various departments of the State, and to substitute Declarations in Heu thereof. and for<br />
the more entire suppression of voluntary and extra judicial Oaths and Affidavits and<br />
to make other provisions for the abolition of unnecessary Oaths".<br />
Subcribed and Declared at the Mansion<br />
House Ilf the City 0/ LOlfdon<br />
Karl Marx<br />
tltls sevelfteenth day of November 1871.<br />
Be/ore /He<br />
Sills lohn Gibbons<br />
Lord Mayor<br />
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KLEINERE BEITRAGE<br />
Ein Altar des Hans Vredeman de Vries<br />
für die älteste Trinitatiskirme in Wolfenbütlel<br />
Von<br />
August Fink<br />
Der niederländisme Künstler Hans Vredeman de Vries war 1587-90 am<br />
Wolfenbüttler Fürstenhof als Baumeister. temnismer Berater und Maler tätig.<br />
Das hat Friedrim T h ö n e durm sorgfältige Auswertung vieler Urkunden<br />
ermittelt 1). AIs Gemälde des Meisters konnte er in Wolfenbüttel eine 1590<br />
signierte Kreuzigung und zwei Flügelbilder aus dem gleichen Jahr namweisen.<br />
auf denen innen die Armitektur. außen die prämtigen Wappen von der Hand<br />
des Antwerpener Malers stammen. während die Bildnisse der Familie des Herzogs<br />
lulius von einem besmeideneren. wohl einheimismen Künstler hinzugefügt<br />
worden sind. Von Vredeman entworfen ist ferner ein stattlimer Altaraufsatz,<br />
den nam Thöne der Bildsmnitzer Wolter von der Elsmer gearbeitet hat; er<br />
war simer für ein Gemälde Vredemans bestimmt, wnsdlließt jedom jetzt eine<br />
kleinere Tafel aus späterer Zeit mit dem Sieg des Erzengels Mimael über den<br />
Satan.<br />
Die Kreuzigung. 1953 zerbromen als Teil einer Bretterversdlalung in der<br />
Marienkirme entdeckt, jetzt gut restauriert und ebendort verwahrt, ist 1729<br />
als Sdlmuck der fürstlimen Kavaliersprieme ausführlim beschrieben worden 2).<br />
Die F1üge1bilder. jetzt im Schloßmuseum. werden zuerst 1852 in der Herzoglimen<br />
<strong>Bibliothek</strong> erwähnt. die sie aus der 1796 abgebromenen SchloßkapeIIe<br />
übernommen hat 3). Der Altaraufsatz ist 1663 als Stiftung Herzog Augusts d. 1.<br />
aus der ehemaligen Smloßkapelle zu Hessen am Fallsrein der Wolfenbütteler<br />
Iohanniskirme überwiesen worden.<br />
Besteht ein Zusammenhang zwismen den drei BildtafeIn und der ardlitektonismen<br />
Umrahmung? Thöne konnte die Frage ni mt restlos klären, weil er<br />
durm eine ältere. ungenaue und unklare Maßangabe ') irregeführt wurde. Ent-<br />
1) Hans Vredeman de Vries in Wolfenbüttel. Br. lahrb. Bd 41. 1960. S. 47-68.<br />
') (W 0 I t e re c k), Wolfenbüttelsche Merckwürdigkeiten. Wolfenb. 1729. S. 89.<br />
8) Sc h ö n e man n. Merkwürdigkeiten der Herzog!. <strong>Bibliothek</strong>. 2. u. 3. Hundert.<br />
Hannover 1852. S. 58.<br />
') Bau- und Kunstdenkm. Stadt WolfenbütteI. 1904. S. 93: .die Umrahmung umscbließt<br />
eine quadratische Tafel von 142 cm··; es sind 144 cm, und die Zahl bezieht<br />
sich auf die lichte Weite zwischen den Deckleisten hinten am Altar. die ringsum mit<br />
etwa 1.5 bis 2 cm die eingefügte Platte überschneiden. Das Kreuzigungsbild ist 146.5 cm<br />
hoch. 139 cm breit. Die Breite ist. \'ennutlich schon 1590. beiderseits etwas beschnitten.<br />
dabei im Bild der Kreuzstamm um 3,5 cm aus der Mittelachse nach reents gerückt.<br />
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gegen seiner Meinung paßt die Kreuzigung in den Altaraufsatz. Die beiden<br />
Flügel sind eine Ergänzung dieses Bildes zum Triptychon. Aber dieses hat nichts<br />
zu schaffen mit dem Altaraufsatz, dessen Säulen nicht gestatten, bewegliche<br />
Flügel anzubringen. Das Verhältnis der drei Teile zueinander ist kompliziert<br />
und nur aus der Oberkreuzung von zwei Plänen zu erklären.<br />
Der Altaraufsatz ist für das Kreuzigungsbild geschaffen worden, sein<br />
Schnitzwerk und eine Inschrift 5), zwei Sprüche aus dem lohannes-Evangelium,<br />
beweisen es. Kap. 1, 17 ist ein Wort aus einer Predigt 10hannes des Täufers,<br />
der Christus, den Bringer von Gnade und Wahrheit, in Gegensatz zu dem<br />
Gesetzgeber Moses stellt. Das wird im Bilde anschaulich wiederholt; der Täufer<br />
und Moses stehen unter dem Kreuz. Beim Kruzifixus liegt der Nachdruck nicht<br />
auf der Darstellung seines Leidens. Gezeigt werden soll, wie der himmlische<br />
Vater den eingeborenen Sohn hingibt zum Heil der Menschheit: auf der "INRI"<br />
Tafel steht das Wort: "Es ist vollbracht", und unten kniet Adam, der nicht<br />
im Griff der Sünde verloren geht, sondern im gläubigen Aufblick zum Erlöser<br />
das ewige Leben gewinnt. All das entspricht dem zweiten Vers vom Sockel<br />
des Altaraufsatzes: "Also hat Gott die Welt geliebt ... " (Joh. 3, 16.) Das<br />
Leitmotiv wird im Gemälde bis in kleinste Einzelheiten weiter ausgeführt:<br />
Christus befreit uns vom Fluch des Gesetzes, indem er den Tod am Fluchholz<br />
erleidet. Nach der Eigenart protestantischer Kunst geschieht es nicht nur in<br />
kleinfigürlichen Nebenszenen, sondern auch in sorgfältig gewählten Bibelworten,<br />
die auf der Rückseite der Gesetustafeln zitiert werden 6).<br />
Einen Schritt weiter führt uns die Frage, für wekhen Altar das Werk<br />
ursprünglich bestimmt war. Aufträge auf Altäre waren in unserem Lande am<br />
Ende des 16. Jahrhunderts rar, weil der Übergang zum Luthertum sich zu<br />
Beginn der Herrschaft des Herzogs JuHus in Ruhe ohne Bildersturm vollzog<br />
und das alte liturgische Gerät unverändert überall im Gebrauch blieb. So entstand<br />
hier in den wenigen Jahren, die Hans Vredeman de Vries in Wolfenbüttel<br />
verbrachte, nur einmal Bedarf nach einem Altarbild, als eine junge<br />
Gemeinde eine eigene Kirche brauchte. Im Januar 1589 schrieb der Herzog in<br />
sein Gedenkbuch, die neue Kirche in der Vorstadt "Gotteslager" bei geiner<br />
Residenz komme jetzt unter Dach, und sie habe den Namen "Zu der heiligen<br />
Dreifaltigkeit" bekommen 7).<br />
Im Gebälk von Vredemans Altaraufsatz schwebt eine Taube, und über ihr<br />
mitten in der Bekrönung steht ein Medaillon mit Gottvater; dazu gehört im<br />
Bilde die Hauptfigur, der Gottessohn. Rahmen und Bild ergeben zusammen<br />
einen Trinitatisaltar. Es war damals etwas Neues, eine Kirche unmittelbar<br />
unter das Patronat der göttlichen Dreieinigkeit zu stellen, und ihr ein Bild zu<br />
") Die Schrift am Sockel ist bei einer farbigen Neufassung des Altars erneuert worden.<br />
wiederholt jedoch den ursprünglichen Text.<br />
") 2. Mos. 20; Matth.22, 37-40; 5. Mos. 27, 26; GaI.3.13.<br />
7) T h ö n e. Wolfenbüttel unter Herzog Julius, Br. Jahrb. Bd 33, 1952, 5.59 f.<br />
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widmen, war für einen Maler eine ungewöhnliche Aufgabe. Die mittelalterliche<br />
Bildformel einer Dreivereins in Menschengestalt kam für evangelisches Empfinden<br />
so wenig in Betracht wie der "Gnadenstuhl", das Motiv, das noch Dürer<br />
und Cranach gepflegt hatten. Man mußte schon ein Thema wählen, das allein<br />
Christus in voller Leibhaftigkeit zeigte, den Vater und den Geist nur in symbolischen<br />
Zusätzen sichtbar machte. Das ist hier geschehen. Der Altar ist vom<br />
Herzog Julius für St. Trinitatis bestellt worden.<br />
Nun wird das weitere Schicksal des Kunstwerks verständlich. Herzog Julius<br />
starb am 3. Mai 1589. Unter seinem Sohn und Nachfolger gab es alsbald viele<br />
Neuerungen. Für den alten Herrn war die kleine Marktsiedlung vor dem Kaisertor<br />
die Verwirklichung wenigstens eines kleinen Teiles eines großen Vorhabens<br />
gewesen: der Gründung einer mächtigen Großstadt "Gotteslager" . Sein Erbe<br />
sah in dem Torso nur eine Gefahr für die Festung WoUenbüttel und gedachte<br />
alles wieder abzureißen. 1590 war vorübergehend auch die eben vollendete<br />
Trinitatiskirche zum Abbruch bestimmt 8). Der Gemeinde in diesem Zeitpunkt<br />
nach dem Willen des verewigten Herzogs noch einen prächtigen Altar zu stiften,<br />
war also sinnlos geworden.<br />
Als man sich darüber klar wurde, hatte Vredeman offenbar noch ein anderes<br />
Werk in Arbeit: ein Denkmal des verstorbenen Landesherrn. Es muß als Triptychon<br />
mit einer biblischen Szene in einem Innenraum geplant gewesen sein.<br />
dessen Architektur sich auf den Flügeln fortsetzte. Der Auftrag ist wohl von<br />
der Herzoginwitwe Hedwig ausgegangen. Anzunehmen ist, daß nur erst die<br />
Seitenteile angefangen waren. Ihre Maße 9) paßten gut zu dem noch unvollendeten<br />
Bild für St. Trinitatis.<br />
Ein Kompromiß lag auf der Hand. Das für den ersten Zweck unnütz gewordene<br />
Gemälde und die Epitaph-Hügel wurden kombiniert. Man sah darüber<br />
hinweg, daß die Kreuzigung in freier Landschaft nicht ganz zu den Säulenhallen<br />
auf den Flügeln stimmte. Der niederländische Maler war damals im Aufbruch<br />
von Wolfenbüttel. konnte aber die Fertigstellung der Gemälde von Braunschweig<br />
aus besorgen, wohin er für den Rest des Jahres verzog. In seiner<br />
Lebensgeschichte 10) wird berichtet, er habe in Braunschweig eine Tafel zu<br />
einem Begräbnis gemacht; das kann also das Juliusepitaph gewesen sein. Aufgestellt<br />
worden ist es sicher in der Kapelle, die der Vater des Herzogs Julius<br />
über dem Erbbegräbnis seines Hauses bei St. Marien in WoIfenbüttel errichtet<br />
hatte. Sie ist nach wenigen Jahrzehnten beim Neubau der Marienkirche verschwunden;<br />
in der großen neuen Kirche hat das Epitaph als Ganzes keinen Platz<br />
mehr gefunden.<br />
Übrig blieb 1590 vom alten Plan des Trinitatisaltars die Umrahmung. Aber<br />
auch für sie hat sich sehr schnell eine neue Verwendung ergeben. Die Herzogin-<br />
8) Ebda .• Anm. 311.<br />
9) Im Rahmen je 145 x 60 cm.<br />
10) KareI va n Man der, Schilderboek. HaarIem 1604. BI. 206 v.<br />
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witwe bezog das Schloß Hessen, und dort richtete die Familie eine Kapelle<br />
ein. 1593 wurde die Orgel, 1595 die Kanzel, 1598 ein Taufstein beschafft; an<br />
einen Altar wird man zu allererst gedacht haben. So ist Vredemans Werk spätestens<br />
1593 nach dort gekommen, behelfsmäßig gefüllt mit einem fremden<br />
Gemälde. Es ist vermutlkh während der Witwenschaft der nächsten Landesmutter<br />
in Hessen, der Herzogin Elisabeth (1613-26), noch einmal ausgetauscht worden<br />
gegen das Michaelsbild, das Thöne dem seit 1604 als Hofmaler in Wolfenbüttel<br />
tätigen Christoph Gaertner zuschreibt.<br />
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Der Unglü
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ihr in die Brust herunter gefallen sey, woran sie ohne Hoffnung darniederliege"<br />
5). Zwei Leute, die zur Zeit des Unglücks im Menckeschen Garten gejätet<br />
hatten, sagten vor dem Bürgermeister aus, "daß sie die Kugel in der Lufft<br />
gesehen" hätten, wie sie über den Garten von Prof. Keuffel ß) in den Menckeschen<br />
Garten geflogen sei. "Die Frau Hofräthin habe an der Erde sich gebückt<br />
und Mayoran gepflückt, so sey es gekommen, daß die Kugel durch den Halß in<br />
die Brust hineingegangen" 7). Nach diesen Feststellungen setzte Lichtenstein in<br />
seinem Bericht auseinander, das Scheibenschießen hätte seit Jahrhunderten ("per<br />
secula U ) immer an der gleichen Stelle stattgefunden, und gerade der Montagnachmittag<br />
sei als Schießtag allgemein bekannt. Die Anwohner des Schützenwalles<br />
gingen deshalb auch um diese Zeit nicht in ihre Gärten, "wie denn auch<br />
die Hofräthin Mencken selbst" an den Schießtagen ihre Freundinnen nicht in<br />
den Garten zu führen pflegte, "um nicht unglücklich zu seyn" 8). Besonders<br />
nachdrücklich wies lichtenstein darauf hin, daß das Scheibenschießen zur<br />
üblichen Zeit und am üblichen Ort stattgefunden hätte, so daß nach seiner<br />
Ansicht eine Bestrafung der Schützen gemäß Art. 146 des damals geltenden<br />
Strafgesetzbuches (CCC) 9) nicht in Betracht kommen könnte, falls die Schußverletzung<br />
der Hofrätin den Tod zur Folge haben sollte.<br />
Am 6. Oktober 1760 meldete der Helmstedter Bürgermeister in einer<br />
weiteren Eingabe an
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verlegen. Er erinnerte daran. daß dieser Plan schon 175'5 erwogen. aber damals<br />
vom Kloster St. Ludgeri, das dort Land besitze. entschieden abgelehnt worden<br />
wäre. Um aber künftig die Gefahr von überfliegenden Kugeln aus dem jetzigen<br />
Schießgraben weitgehend auszuschalten. und damit schloß Lichtensteins Bericht.<br />
solle ein .. Fürstl. of/ieier von der Artillerie" mit der Untersuchung beauftragt<br />
werden. ob möglicherweise die jetzt übliche Pulverladung der Gewehre so geändert<br />
werden könnte. daß die Schleuderkraft der Kugeln auf ein Minimum<br />
reduziert würde. "daß die Kugeln nicht so viel Krafft behalten" 11).<br />
In eigener Sache wandte sich nun Hofrat Mencke am 7. X. 1760 selbst klageführend<br />
an Herzog Carl und legte ein .. Unterthäniges und vor mich höchstbetrübtes<br />
Pro Memoria" 12) vor. Darin berichtete er. daß er nur einen Schritt<br />
von seiner Frau entfernt gestanden hätte. als sie "plötzlich durch eine über<br />
den Schützen Wall. wo dazumal Schieß-Tag war. streifende Kugel in den Halß<br />
eine tiefe und gefährliche Verwundung bekahm" 13). In seinem Memorandum<br />
wies der Hofrat auch auf die Gefahren hin. denen nicht nur er mit seiner Familie.<br />
sondern aum alle anderen Bewohner der Stobenstraße an Schießtagen ausgesetzt<br />
wären. und zwar nicht nur in ihren Gärten. auch in ihren Häusern. So<br />
wäre zum Beispiel vor drei Jahren eine Kugel in seine Küche geflogen. eine<br />
andere hätte in der Laube des Nachbargartens eine Weinflasche zerschlagen.<br />
und sogar auf der Straße wären die Menschen vor herumfliegenden Geschossen<br />
nicht sicher. Gerade an dem Unglücksnachmittag hätte der Seilermeister Leonard.<br />
der auf der Stobenstraße "täglich zu spinnen" pflege 14). gesehen, wie<br />
eine Kugel vom SchützenwaII her über sein Haus geflogen wäre. Er wisse sehr<br />
wohl, so berichtete Mencke weiter. daß niemand. der in der Nähe des Schießgrabens<br />
wohne. während des üblichen Montagsschießens in seinen Garten<br />
gehen solle. aber einmal würde die angesetzte Schießzeit (nachmittags von<br />
2-4 Uhr) nicht eingehalten. und zum anderen würde außerdem oft in der Woche<br />
"um Zinn. Schränke. Töpfe. Stühle und dergl. n 15) geschossen. ohne daß es<br />
vorher bekanntgemacht worden wäre. Wenn auch in den letzten 200 Jahren.<br />
so fährt der Hofrat in seiner Klageschrift weiter fort. officiell kein Schießunfail<br />
bekanntgeworden sei. so sei er doch davon überzeugt. daß der Rat der Stadt<br />
sehr wohl wisse. daß manche Kugel überfliege. Ganz besonders zeigte sich<br />
Mencke darüber empört. daß der Magistrat der Stadt es nicht für nötig erachtet<br />
hätte. den Schützen das Schießen wenigstens so lange zu verbieten. wie seine<br />
Frau noch in Lebensgefahr schwebte. Am Schluß des Memorandums bat Mencke<br />
den Herzog dringend darum. den Schießplatz aus der Stadt verlegen zu lassen.<br />
Seinem Schreiben fügte er zwei Anlagen bei: ein Protokoll von Zeugenaussagen.<br />
11) Ebda.<br />
12) Akte S. 9.<br />
13) Ebda.<br />
14) A. a. O. S. 11.<br />
13) A. a. O. S. 12.<br />
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die vor einem Kreis von Gelehrten - den Pr~fessoren Eisenhart, Häberlin,<br />
Höfler und Wernsdorf - in einem consistorio privato am 1. X. 1760 gemacht<br />
wor~en waren, und ein ärztliches Gutachten 16).<br />
Die Zeugen, zwei Studenten, die im Hause Mencken wohnten, Menckens<br />
Diener, die Köchin und das Dienstmädchen des Gartennachbarn Prof. Keuffel<br />
hatten übereinstimmend ausgesagt - sie waren auch bereit, ihre Bekundungen<br />
zu beeiden -. daß sie an Schieß tagen häufig überfliegende Kugeln pfeifen und<br />
aufschlagen gehört hätten. Diese Aussagen erfuhren durch die eigenen Beobachtungen<br />
sowohl des Vizerekwrs Magnifizenz Eisenhart, der von 1748-1760 im<br />
Menckeschen Hause gewohnt hatte, als auch des Hofrats Häberlin. des Nambarn<br />
von Mencke, eine besondere Bestätigung.<br />
Die bei den Ärzte, Prof. Hartmann und der Stadtchirurg Stüber, betreuten<br />
die Hofrätin nach dem Unfall. Sie behandelten die klaffende Halswunde, die<br />
durch eine "ziemlich große Flintenkugel" verursacht worden war, mit Umschlägen<br />
und verordneten wegen des zu erwartenden Wundfiebers "innerliche,<br />
dienliche Mittel". Nach dem ausführlichen medizinischen Sachbericht traf die<br />
Kugel die Patientin zwei Finger breit über dem Schlüsselbein rechts am Hals,<br />
durchschlug die Halsmuskulatur, streifte die Luftröhre und blieb oberhalb des<br />
linken Schlüsselbeines liegen. "wo sie entweder verwachsen oder herausschwören<br />
wird" 17).<br />
Die herzogliche Regierung beruhigte mit einem Reskript vom 10. X. 1760 den<br />
erzürnten Hofrat: Bei der vorgerückten Jahreszeit höre das Schießen ohnehin<br />
auf, und der Schießstand solle aus der Stadt hinausverlegt werden 18). Dem<br />
Magistrat gab sie mit folgender Begründung auf. einen hierfür geeigneten<br />
Platz ausfindig zu machen: "da es durch öftere Erfahrungen und Vorfälle genugsam<br />
bestätigt ist, daß die Kugeln von dem Schützenwalle bereits mehrmalen so<br />
wol in die dahey gelegenen Gärten als auch über das Neumärcker Tbor bis auf<br />
das Tanz-Bleek (= den heutigen Alten Friedhof) gefallen und sogar über den<br />
zum Spatzier-Gang vorgerichteten Wall jenseits des Neumärcker Thores weg<br />
gestreifet sind" 19). Sie schlug vor, den Schießstand hinter den heute noch<br />
18) A. a. O. S. 14. Zeugenprotokoll .. Actum in Consistorio priv."<br />
Joh. Friedr. Eis e n ha r t (1720-1783), Hofrat. ord. Prof. der Rechte. Vorsitzender der<br />
deutschen Gesellschaft in Helmstedt. Franz Dominikus H ä be r li n (1720-1787),<br />
Geheimer Justizrat, ord. Prof. der Geschichte und des Staatsrechts, Universitätsbibliothekar,<br />
Direktor des Herzog!. Convikts. Joh. Jakob H ö fl e r (1714-1781), Geheimer<br />
Justizrat. erd. Prof. der Rechte, braunschwg. Gesandter am Reidlskammergericht in<br />
Wetzlar (vg!. über ihn Erich Sc h rad er, in diesem <strong>Jahrbuch</strong> Bd. 33 (1952) S. 118 H.)<br />
Joh. Christi an Wer n s dorf, (1723-1793). ord. Prof. der Beredsamkeit und Dichtkunst.<br />
Peter lmman. H art man n, ord. Prof. der Medizin und der Chemie.<br />
Joh. Ludwig S t übe r. Stadtchirurg. wohnte Kybitzstr.21.<br />
17) A. a. O. S. 21. Bericht des .medicus und chirurgus·.<br />
18) A. a. O. S. 6.<br />
19) Ebda.<br />
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bestehenden Gasthof "Zum weißen Roß" zu verlegen. Hierzu mußte jedoch<br />
das Kloster St. Ludgeri als Erbenzinsherr dieses Wirtshauses seine Einwilligung<br />
geben. Der Propst des Klosters P. Bierbaum 20) verweigerte sie indessen mit der<br />
Begründung, daß durch einen Schießplatz an dieser Stelle nicht nur der Frachtverkehr<br />
auf den benachbarten Fahrstraßen nach Harbke und Marienbom, sondern<br />
auch die Menschen auf den Feldwegen und in den Gärten gefährdet<br />
würden 21). Der Magistrat empfahl seinerseits
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der Schafmeister Schrader aus der Neumark drohten wegen solcher Minderung<br />
ihres städtischen Pachtackers an der Masch nicht mehr die volle Pacht an die<br />
Stadtkasse zahlen zu wollen, was wiederum den Stadtkämmerer Leopold auf<br />
den Plan rief 26). So scheiterte also die Mission des Leutnants Haake. Die Folge<br />
davon war, daß es für die Helmstedter Schützenbrüderschaft von 1761 bis 1764<br />
weder das Vergnügen des wöchentlichen Scheibenschießens noch das traditionelle<br />
Schützenfest zu Pfingsten mit dem ngewöhnlichen Bürgerlichen Außzug" gab 27).<br />
Gleichwohl nahmen die Schützen das Schießverbot keineswegs gelassen hin. Mit<br />
immer neuen Eingaben, Petitionen und flehentlichen Gesuchen versuchten sie,<br />
die herzogliche Regierung umzustimmen. Wiederholt verwiesen sie auf ihr verbrieftes<br />
Recht an dem Schießstand am Schützenwall, der ihnen auf Anordnung<br />
des Herzogs Heinrich Julius im Jahre 1598 "auff ewig" vom Stadtmagistrat<br />
abgetreten worden war. Auch wollten sie das Schießen nicht nur als Vergnügen,<br />
sondern auch als vormilitärische Übung gewertet sehen; denn "es ist in gantz<br />
Deutschland, wenigstens in hiesigen Landen keine Stadt", in der nicht die<br />
Bürger angeleitet würden, mit dem Gewehr umzugehen, ja jeder Bauer sollte<br />
sogar eine Büchse haben, die er "bey den Landgerichten vorzeigen muß" 28).<br />
Herzog earl I. bestand aber unnachgiebig auf der Schießplatzverlegung und<br />
lehnte auch am 6. IlI. 1763 jenes Bittgesuch ab, in dem die Schützenmeister<br />
als "treu gehorsamste Diener" ihre Freude über den soeben be endeten Siebenjährigen<br />
Krieg und über die glückliche Heimkehr des Erbprinzen zum Ausdru.:k<br />
brachten 29).<br />
Aus dem Schriftwechsel zwischen der herzoglichen Regierung, der Schützenbrüderschaft<br />
und dem Helmstedter Magistrat geht hervor, daß ein überaus<br />
gespanntes Verhältnis zwischen den Bürgern der Stadt und den Angehörigen<br />
der Helmstedter Universität, den "Universitätsverwandten", bestand. Die<br />
Schützen und der Magistrat glaubten nämlich nicht, daß das Schießverbot nur<br />
an der fehlenden Sicherheit des Schießgrabens liege, sie waren vielmehr der<br />
Meinung, daß der umstrittene Schuß auf die Hofrätin Mencke dem Landesherrn<br />
nur ein willkommener Anlaß gewesen wäre, das Scheibenschießen zu verbieten,<br />
um sich die Universitätsprofessoren geneigt zu machen. Aber die Schützen ließen<br />
sich nicht einschüchtern: sie meinten, "daß sold!es von dem Herrn HofRath<br />
Mencken erstlid! müßte bewiesen werden, daß der schädtliche Schuß vom<br />
Schützen Walle wäre gekommen" SO). Würde nicht auch sonst oft an der Stadtmauer<br />
geschossen? In Braunsruweig und Wolfenbüttel wären beim Scheiben-<br />
26) A. a. O. S. 57. "Gehorsamstes Pro Memoria" des Kämmerers Leopold vom<br />
9. V. 1761.<br />
") A. a. O. S.79.<br />
28) A. a. O. S.23.<br />
211) A. a. O. S. 74.<br />
10) A. a. O. S. 26.<br />
182
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schießen auch schon "casus tragici" 31) vorgekommen, ohne daß es dort, wie in<br />
Helmstedt, gleich völlig verboten wurde; und wäre es wirklich ein so unbilliges<br />
Verlangen, wenn die Anwohner des SchützenwaIIes an einern Nachmittag in der<br />
Woche von April bis Oktober einmal nicht in ihre Gärten gingen? 82). Die<br />
Schützen erklärten sich schließlich bereit, den Universitätsangehörigen dadurch<br />
entgegenzukommen, daß sie anstatt in jeder Woche nur einmal im Monat<br />
schießen wollten. Sie baten, man möchte ihnen doch nicht jede "Freyheit"<br />
nehmen; denn das Schießen wäre die "eintzige Ergötzlichkeit der Bürgerschaft",<br />
einer Bürgerschaft, die sich wegen der Universität ungemein einschränken<br />
müsse. Auch der Magistrat betonte der herzoglichen Regierung gegenüber mit<br />
Nachdruck, daß von seiten der Stadt viel getan würde, um den Professoren und<br />
Studenten das Leben in Helmstedt angenehm zu machen. Erst kürzlich wären<br />
durch die Planierung der Wälle schöne Spazierwege geschaffen und neue Gärten<br />
angelegt worden. Trotz aller dieser Bemühungen nähmen aber die Universitätsverwandten<br />
"die nächste Gelegenheit" wahr, den .hiesigen Bürgern ihr<br />
eintziges, vielleicht nicht unnützes Vergnügen, das Scheiben Schießen zu entreißen"<br />
33).<br />
Da der Herzog bis dato alle Gesuche der Schützen um Wiederbenutzung<br />
ihres Schießstandes konsequent abgelehnt hatte, legten die Schützen in einem<br />
sehr ausführlichen Memorandum vom 24. 11. 1764 noch einmal eingehend ihre<br />
Lage dar und baten von neuem um die Erlaubnis, ihren alten Schießgraben am<br />
SchützenwaII wieder benutzen zu dürfen: Nein, so heißt es in dieser Bittschrift,<br />
sie könnten außerhalb der Stadt wirklich keinen geeigneten neuen Platz finden,<br />
"wißen wir keinen anderen Ort dazu in Vorschlag zu bringen" 34). Das Land<br />
um die Stadt herum gehöre größtenteils den Klöstern St. Ludgeri und St. Marienberg,<br />
die die Anlage eines Schießstandes nicht gestatten würden. Sie, die<br />
Schützen, hätten auch weder" Vrrath noch capitalia" für einen Schützenhausneubau,<br />
der nach eingeholtem Voranschlag 435 Taler kosten solle 35).<br />
Das damalige Schießhaus am SdlützenwaII, das an dem Platze des späteren<br />
"Schützenhofes", des heutigen Hauses Fehlig, stand, war ein Geschenk des<br />
Klosters St. Ludgeri an die Schützenbrüderschaft, die jetzt befürchtete, daß es<br />
möglicherweise bei einer Schießplatzverlegung vom Kloster zurückgefordert<br />
werden könnte. Am Schluß ihrer Eingabe baten die Schützen den Herzog, den<br />
Helmstedter Stadtsyndikus Cellarius und den Landvermesser Keßler zu beauf-<br />
31) A. a. O. S. 44.<br />
3') Ebda.<br />
33) A. a. O. S. 23.<br />
34) A. a. O. S. 86.<br />
3lI) A. a. O. S. 35. "Ansdtlag Vor einen Neuen SdtieS Graben in Closihve der<br />
Materialien und arbeits Lohn vor schibe Karren und rüst Bretter".<br />
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tragen, den nunmehr stark gesicherten alten Schießstand am Wallgraben zu<br />
besichtigen 36).<br />
Am 28. 11. 1764 berichtete Cellarius nach Braunschweig, daß er von dem<br />
Antrage der Schützen gehört hätte, ihn mit der Untersuchung des Schützenstandes<br />
auf seine Sicherheit zu beauftragen. Er könnte sich zwar, so fuhr Cellarius<br />
fort, diesem Anliegen nicht versdJließen, aber er mische sich nur höchst<br />
ungern in "diese facheuse Sache" 37). Er selbst würde es im übrigen begrüßen,<br />
wenn den Schützen das ScheibensdJießen nicht wieder gestattet würde. Nach<br />
seiner Meinung halte es die Bürger nur unnötig von der Arbeit ab, störe die<br />
Universitätsprofessoren und die Studenten und sei an Schießtagen eine ständige<br />
Gefahrenquelle sowohl für die Spaziergänger auf den Wällen als auch für die<br />
Menschen in den Wallgärten. Der Herzog ließ daraufhin den Schützen mitteilen,<br />
daß sie ihn mit ihren Gesuchen nicht wieder behelligen sollten, bis sie<br />
"einen andern völlig sicheren Schützen-Stand vor der Stadt" gefunden hätten 88).<br />
Nach dieser endgültigen Absage waren die Helmstedter Schützen gezwungen,<br />
sich ernsthaft nach einem neuen Schießplatz umzusehen. Ihre Wahl fiel<br />
auf den Schwarzen Berg an der Marientaler Straße nach Emmerstedt zu, ein<br />
Gelände, das ihnen in jeder Beziehung als geeignet erschien. Es lag weitab von<br />
der Stadt, schmälerte das Weideland nicht, "da auf selbigem kein Graß, sondern<br />
bloße Heide" wuchs und bildete für die Menschen keine Gefahr, "inmaßen diejenigen<br />
Kugeln, welche die Scheibe verfehlten, notwendig in den Schwarzenberg<br />
hinein gehen müßten" 89).<br />
Da die Landbesitzer in der Nachbarschaft des Schwarzen Berges, die Vertreter<br />
der beiden Klöster, die Weideinteressentschaft, die Bürgerhauptleute und<br />
die "Schöppen" der Neumark gegen den neuen Schießplatz nichts einzuwenden<br />
hatten, bat die Schützenbrüderschaft am 18. VI. 1764 den Herzog um die Einwilligung,<br />
hier das Frei- und übliche Montagsschießen abhalten zu dürfen. Sie<br />
wurde drei Tage später unter der Bedingung erteilt, beim neuen Schießstand<br />
kein Schützenhaus zu bauen, sondern nur "portabile Buden", also Baracken<br />
aufzustellen 40).<br />
Endlich hatten die Schützen nun wieder einen Schießstand, doch damit war<br />
ihr Streit mit der Landesregierung noch nicht beendet. Denn jetzt forderten sie<br />
die Nachzahlung der seit altersher ausgesetzten Gelder und Prämien, die in den<br />
Jahren von 1761 bis 1764 nidlt gezahlt worden waren, also in der Zeit, in der<br />
das Scheiben- und Freischießen "auf Höchsten Befehl" nicht abgehalten werden<br />
durfte. Diese jährlichen Zuwendungen betrugen 36 Taler: 8 Taler zahlte die<br />
18) A. a. O. S. 86.<br />
81) A. a. O. S. 88.<br />
88) A. a. O. S.8;.<br />
89) A. a. O. 5.91.<br />
10) Ebda.<br />
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Helmstedter Kämmereikasse - auf Grund einer Anordnung der Herzöge Rudolf<br />
August und Anton Ulrich vom 6. V. 1695 -, 8 Taler bekam der jeweilige<br />
Schützenkönig nach einer Verfügung der Landschaft vom 6. VII. 1708 als Ab~<br />
lösung für die früher gewährte Biersteuerfreiheit, und 20 Taler erhielt der<br />
Schützenkönig, ebenfalls als Geldablösung für völlige Steuerfreiheit, die am<br />
18. IX. 1731 durch die FürstI. Geheime Ratsstube bewilligt und nach einem<br />
herzoglichen Dekret vom 17. V. 1742 aus dem Steueraufkommen der Stadt<br />
bezahlt werden sollten. Die Schützenbrüderschaft wollte und konnte auf diese<br />
Gelder, die früher "ohne alle Einwendung" gezahlt worden waren, nicht verzichten;<br />
denn in den drei Jahren, in denen nicht geschossen werden durfte,<br />
wurden auch keine Mitgliedsbeiträge gezahlt, und die Anlage des neuen Platzes<br />
hatte "aller dabey beobachteten Sparsamkeit ohngeachtet" viel Geld<br />
gekostet 41).<br />
Der Rat der Stadt ließ den Schützen 8 Taler aus der Kämmereikasse auszahlen<br />
in der Hoffnung, daß es der Herzog nachträglich "in Gnaden genehmigen"<br />
würde; gleichzeitig bat man um gnädigste Anweisung, die restlichen<br />
28 Taler auch zahlen zu dürfen. Als die Antwort der Regierung sehr lange auf<br />
sich warten ließ, schickte ihr der Rat der Stadt am 2. X. 1764 eine Abschrift<br />
des herzoglichen Dekretes vom 17. V. 1742 zu, in dem die verlangten Subsidien<br />
bereits bewilligt waren. Darauf erging am 11. X. 1764 das Reskript an den<br />
Magistrat, daß die nachgeforderten Gelder der Schützenbrüderschaft nicht aus~<br />
gezahlt werden sollten. Vielmehr sollte der Rat der Stadt sich darüber Gedanken<br />
machen und geeignete Vorschläge unterbreiten, "wie diese von gar keinem<br />
Nutzen seyende Gesellschaft gänzlich aufgehoben werden könnte" 42).<br />
Dieser landesherrliche Entscheid beendete den jahrelangen Streit, dessen<br />
eigentlicher Anlaß, der Halsschuß der Hofrätin Mencken, längst vergessen worden<br />
war. Die Hofrätin durfte sich eines langen Lebens erfreuen; sie starb am<br />
2. April 1800, vierzig Jahre nach dem SchießunfalI.<br />
11) A. a. o. S. 101.<br />
U) A. 3. O. S. 96.<br />
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Bibliographie zur braunschweigismen Landesgesmichte 1961<br />
A lIgemeil
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17. Ni q u e t. Franz: Die Vor- und Frühgeschichte von Runstedt, Ldkr. Helmstedt.<br />
eine gemeinsame Aufgabe f. Wirtschaft u. Wissenschaft. In: Brschwg Jb. Bd 42.<br />
1961. S. 5-10. 1 Taf. mit Abb.<br />
18. K lei n au. Hermann : Zur Geschichte der Höfe des Dorfes Runstedt (Ldkr.<br />
Helmstedt) und ihrer Ländereien. In: Brschwg. Jb. Bd 42. 1961. S. 11-35. 1 Taf.<br />
19. R i p p e I. lohann Karl: Eine statistische Methode zur Untersuchung von Flurund<br />
Ortsentwicklung. Aus: Geografiska Annaler. Vol. 43. Nr 1-2. 1961. S. 252-<br />
263. Tab. 1-4. Abb. 1-3.<br />
20. Historische Karte des Landes Braunschweig im 18. lh. [Be alb. : Hermann K leina<br />
u. Ernst Pi t z u. Albert Vor t h man n.] 1961. IMeßtisch-]Blatt 3511<br />
Öbisfclde. 4027/4028 Lutter - Goslar. 4127/4227 Seesen - Osterode.<br />
21. K e une. Heinrich: (Entwurf.) Der ländliche Raum als Fundstätte von Quellenmaterial<br />
für die Forschung. Besondere Forschungsprobleme im ländlichen Raum.<br />
- t\iedersäd\sische Dorfbücher. Gielde [1961]. 8 5 .• 3 BI. 4 ° [Masch.schr .• Vervielf.)<br />
22. K e une. Heinrich: Dorfbücher sind wertvolle Fundstätten. Aufgaben der Arbeitskreise<br />
im Kreis Goslar. In: Aus der Heimat. Geschichtsbeil. des Salzgitter<br />
Kuriers. Nr 2. 1961.<br />
23. 5 c h na t h. Georg: Das Sachsenroß. Entstehung u. Bedeutung des Nieders. Landeswappens.<br />
2. verm. u. verb. Aufl. Mit 92 Abb. auf 37 Taf. (Hannover 1961.)<br />
132 S. 8 o.<br />
24. D e er. losef: Die Siegel Kaiser Friedrich, J. Barbarossa u. Heinrichs VI. in der<br />
Kunst u. Politik ihrer Zeit. )6 S. Aus: Festschrift Hans R. Hahnloser zum 60.<br />
Geburtstag 1959. 1961. [Abb. 21 u. 22 auf S. 19 - Goldbul1e aus der Königszeit<br />
Friedrichs I.. im Staatsarchiv Wolfenbüttel.]<br />
25. ,K rau me. Emi1: Münzprägung u. Silbererz-Bergbau in Mitteleuropa um die<br />
Iahrtausendwende (950 -1050) unter besonderer Berücksichtigung des Herzogtums<br />
Sachsen. In: Der Anschnitt. 19. 13. Nr 4. 1961. S. 3-10.<br />
26. Kr a u me. Emil u. Vera Hat z : Die Otto-Adelheid-Pfennige und ihre Nachprägungen.<br />
Aus: Hamburger Beiträge z. Numismatik. H. 15. 1961. S. 13 - 23.<br />
An!. 1-3.<br />
27. Münzen - Medaillen. Gold. Silber. Bronze. [Auktionskatalog. Bank Leu Sr Co.<br />
AG. Zürich. Adolph Hess AG, Luzern 11. - 12. 10. 1961.] (Luzern 1961: Bucher.)<br />
48 S. XLIV Taf. mit Abb. 4 ° [Nr 45-72: Braunschweiger Taler.)<br />
AlIgemeiHe Geschichte iH zeitlicher RcihcHlo/ge<br />
28. Niedersächsiche Fundchronik (für die Zeit vom 1. 7. 1960 bis zum ~O. 6. 1961).<br />
In: Nachrichten aus Nieders. Urgeschichte. Nr 30. 1961.<br />
IS. 85-112: Gebiet d .. Venrlltungsbezirlco Braun.dtwelg: Tod •• Alfred: Br.lIn.dt .... lande.<br />
mUSeum I. Ge.dtldltt u. Volkstum. Bodend.nkmalpBege im NIeden. Ve ..... Bez. Braunsdtw.lg S.<br />
85'-86. - Den.: EilZcitlIJte Funde aus Salzgitter-Leben.tedt. S. '6. - Ni q u e t ~ Franz: Band ...<br />
keramlsdte Si.dlung aul dem Glockberg In HelmSledt. Mit 1 Abb. S. 87 - 88. - Tod e. A.:<br />
Spätnoolithlsdto Steinkiste b.1 Brodelem am Harz. Ku. Goslar. Mit Tal. 5 u. 6. S. 89 - 90. -<br />
D.n.: M.galithgrab bel Gr. Stolnum, Ku. H.lm.t.dt. S. 90. - D.n.: Grabhüg.1 der jüngeren<br />
Bronz.z.1t im Sudholz b.1 Sdtladen. ldkro. Goslar. Mit Tal. 7. S. 91-92. - NI q u e t. F.:<br />
Spltbronzezeltlich •• Urnengrab unter Rollstolnp.ckung .ul dem .Slck.l· bel KI.ln Mahner, Kr
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
Gudrun: Grabungen auf d .. ottoni,chen Pfalz Werla bei Schladen. Krs. Goslar. S. 106 - 107. -<br />
Tod e. A.: Burg auf dem Kanstein bel langelsheim R. Harz. Kro. Gand.roheim. Mit 1 Abb. im<br />
Text u. Taf. 11. S. 107-110. - De".: Anlagen uJlbestimmter ZeItsteIlung auf dem Wurmberg bei<br />
Braunlage im Harz. S. 110-111.1<br />
29. T h i eIe man n, Otto: Das Hünenbett von Bredelem (Krs. Gosbr). In: Unser<br />
Harz. Nr 2. 1961. S. 7-8, 1 Abb.<br />
30. CI aus, M[artin): Neue Ausgrabungen an der Wallanlage "König Heinrichs<br />
Vogelherd" bei Pöhlde, Krs. Osterode. Die Ausgrabung im Herbst 19;9. In:<br />
Göttinger Jb. 1961. S. 15-20.<br />
31. M r u s e k, Hans - Joachim: Burgenforschung im Gebiet der mittleren EIbe und<br />
Saale [einschl. Braunschweigj. In Burgen und Schlösser. Jg. 2, H. 2. 1961 S.<br />
37-44, 19 Abb.<br />
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Königsumritt in ottonisch-salischer Zeit. Konstanz & Stuttgart: Thorbecke (1961).<br />
233 S. 8 0 (Vorträge u. Forschungen. Bd 6.)<br />
33. Bot h m er, Hermann von: Zur Ent~tehung der sädlsischen Goe. In: Nieders.<br />
Jb. f. Landesgesch. Bd 33. 1961. S. 204-222.<br />
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des 11. u. frühen 12. Jahrhunderts. In: Nieders. Jb. für bndesgesch. Bd<br />
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S68 S. 8 0 (Mitteldeutsche Forschungen. 21.)<br />
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Stadtverfassung des 12. Jahrhunderts. Köln & Graz: Böhlau 1961. XXXII, 309<br />
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Bodensee u. mer während des 12. Jahrhunderts. In: Zs. f. Württemberg. Landesgesch.<br />
Jg. 20, H. 1. 1961. S. 17-73.<br />
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an den Heiratsverbindungen der Welfen. In: Heimatland. Hannover. Jg. 1961.<br />
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41. Me r t e n s, Eberhard: Das Urkunden- u. Kanzleiwesen der Herzöge zu Braunschweig<br />
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42. Me r t e n s, Eberhard: Das Urkunden- und Kanzleiwesen der Herzöge Albrecht<br />
u. Johann v. Braunschweig-Lüneburg 1252-1279. In: Nieders. Jb. f. Landesgesch.<br />
Bd 33. 1961. S. 108-142, Taf. 1-3.<br />
43. Eck e r t, Georg: Die Braunschweiger Arbeiterbewegung unter dem Sozialistengesetz.<br />
T. 1. (1878 -1884.) Braunschweig: Waisenhaus· Buchdr. u. Verl. 1961.<br />
3H S. 8 0 (Quellen u. Forschungen zur braunschweigischen Geschichte. Bd 16.)<br />
44. RoIoH. Ernst-August: Bürgertum und Nationalsozialismus 1930-1933.<br />
Braunschweigs Weg ins Dritte Reich. Hannover: Verl. f. Lit. u. Zeitgeschehen<br />
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Rechts-, VerfassuHgs- uHd VerwaltuHgsgeschichte<br />
45. Fr e i tag, Friedrich: Geschichtsbilder aus dem Ambergau. T. 1. Tausend Jahre<br />
Rechtsprechung u. Ordnungswille in einer Vorharzlandschaft. (Bockenem : Laaser<br />
1961.) 140 S. 8 o.<br />
46. E bel, Wilhelm: Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts.<br />
Göttingen: Schwartz 1961. 137 S. 8 0 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Goslar.<br />
H. 20.) (Göttinger Rech~swissenschaftliche Studien. Bd 37. [Sonderausg.))<br />
47. Li n d a u, Bruno: Eine wichtige genealogische Quelle f. Goslar. In: Norddt.<br />
Familienkunde. Jg. 11, H. 1. 1962. S. 23-26. [Betr.: Ebel, W.: Studie über ein<br />
Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts.)<br />
Kirchelfgeschichte<br />
48. Urkunden und Akten der Reformationsprozesse. Am Reichskammergericht, am<br />
Kaiser!. Hofgericht zu Rottweil u. anderen Gerichten. T. 1. Tübingcn (: Fabian)<br />
1961. 8 0 (Schriften zur Kirchen- u. Rechtsgesch. H. 16/17.)<br />
T. 1. ABiemeine. IBC>-1SH. OueBenbum %. Ge.midlte deo .remd. Krieges- gegen protestierende<br />
Fürsten u. Städte vom Augsburger Reimsta~e bio zur Rehr .. tion deI Kammerrimters u. der Mehrheit<br />
der Beisitzer dea Kaiserl. Kammergerichtes :zu Speyer in Religionssamen. Bearb. u. hrsg. von<br />
Ekkehart Fa b I a n. Mit e. Geleltw. von Rudolf Sm end.<br />
49. Leu sc h n er, Ute: Das Schicksal der Frauenklöster im Herzogtum Braun·<br />
schweig IWolfenbiittel z. Zt. des Schmalkaldischen Bundes gezeigt am Kloster<br />
Heiningen. 1961. 49 S., 4 ° [Masch.schr.) Prüfungsarbeit am MitteIschullehrer<br />
Institut der Pädagog. Hochschule Göttingen. [Verleihbar f. wissenschaft!. Zwecke<br />
nach Rückfrage bei Herrn Prof. Dr. Mitgau.)<br />
50. La n g e, Bernhard: Die Generalkirchenvisitation im Fürstentum Lüneburg 1568.<br />
In: Jb. der Gesellschaft f. nieders. Kirchengesch. Bd 58. 1960. S. 41-100. [Darin<br />
auch: Amt Campen.)<br />
51. Sc h w a ger, Hans-Joachim: Johann Arndts Bemühen um die rechte Gestaltung<br />
des Neuen Lebens der Gläubigen. (Münster/Westf.) 1961 (:Kramer). 2, 176 S. 8 0<br />
Münster. Theo!. Diss. V. 21. Nov. 1959. [1599-1608 hat Amdt in Braunschweig<br />
gewirkt.)<br />
52. Heu t ger, Nicolaus C.: Evangelische Konvente in den welfischen landen u.<br />
der Grafschaft Schaumburg. Hildesheim: Lax 1961. VIII, 190 S. 8 o.<br />
53. Kr 0 n e nb erg, Kurt: Äbtissinnen des Barock - Lebensschicksale in Ganders·<br />
heim 1656-1713. Bad Gandersheim: Hertel 1961. 206 5., 47 Abb., 2 Taf. 8 0<br />
(Aus Gandersheims großer Vergangenheit. Bd 3.)<br />
54. Sc h u e s sIe r, Herrnann: Georg Calixt. Theologie u. Kirchenpolitik. Eine Stu·<br />
die zur Ökumenizität des Luthertums. Wiesbaden: Steiner 1961. XII, 246 S. 8 0<br />
(Veröffentlichungen des Instituts f. europäische Geschichte Mainz. Abt. f. abend·<br />
länd. Religionsgesch. Bd 25.)<br />
55. Loewenich, Walter von: Luther \lnd Lessing. Tübingen: Mohr 1960.35 S.<br />
8 ° (Sammlung gemeinverständlicher Vorträge u. Schriften aus dem Gebiet der<br />
Theologie u. Religionsge~chichte. 2~2.)<br />
Wlrtschafts- uHd Verkehrsgeschichte<br />
56. K er k hof f, Wilhelm: Betriebswirtschaftliche Verhältnisse im Gemüsebaugebiet<br />
Wolfenbütte!. Mit 19 graph. Darst. Bremen - Horn: Dorn 1958. 85 S. 8 0<br />
(Veröffentlichungen des Nieders. Amtes f. Landesplanung u. Statistik. Reihe A I,<br />
Bd 71.) (Schriften der Wirtschaftswissenschaft!. Gesellschaft zum Studium Nieder·<br />
sachsens e. V. N. F. Bd 71.)<br />
189
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
57. Li m p r ich. Hans: Zur Frage der Wasserrücknahme und Abwasserreinigung<br />
einschließlich d. Abwasserlandbehandlung bei den Zuckerfabriken im Verwaltungsbezirk<br />
Braunschweig. Hannover 1960. 296 S .• Abb. 1-64 auf TaL An!. 1-41. 8 0<br />
(Rotaprintdr.] (Mitteilungen aus dem Institut f. Wasserwirtschaft u. landwirtschaft!.<br />
Wasserbau der TH Hannover. H. 2.)<br />
58. Sc h re w e. Heinrich u. Gerhard Li n d n er: Wasserwirtschaft (des Raumes<br />
Salzgitter]. In: Unsere Hütte (Werkszs. Hüttenwerk Salzgitter AG). Jg. 11. H.<br />
1-5. 7-9. 1961. S. 11-13. 2 Abb .• 46-48. 3 Abb .. 86-89. 4 Abb .• 127-129.<br />
8 Abb .• 169-171. 8 Abb .• 254-257. 13 Abb .• 329-331. 4 Abb.<br />
59. Die Torfgewinnung im Brockengebiet. In: Unser Harz. Nr 11. 1961. S. 4 - 6.<br />
1 Abb.<br />
60. Bornemann. Manfred: Der Steinkohlenbergbau im Harz. In: Unser Harz.<br />
Nr 11. 1961. S. 6-8. 2 Abb.<br />
61. Lau b. G.: Zur Frage der vor- u. frühgeschichtlichen Kupfergewinnung im Hochharz.<br />
In: Unser Harz. Nr 4. 1961. S. 10-12. 2 Abb.<br />
'<br />
62. L 0 m m atz s eh. Herbert: Der Bergbau bei Buntenbock (Oberharz) . In: Brschwg.<br />
Heimat. Jg. 47. H. 1. 1961. S. 1-6.<br />
63. Kr a u me. Emil: Stratigraphie u. Tektonik der Rammelsberger Er::Iager unter<br />
besonderer Berücksichtigung des Neuen Lagers unter der 10. Sohle. In: Zs. f.<br />
Erzbergbau u. Metallhüttenwesen. Bd 13. 1. 1960. S. 7-12. 6 Abb .• 1 Tab.<br />
64. (B I 0 ß. Otto:) Zur Geschichte der Glashütten im Kreise Holzminden. (Holzminden<br />
1961.) 6 BI.. 1 Kt. 4 0 [Masch.schr.] s. auch Nr. 185.<br />
65. Hof fm an n. Rudolf: Was kann der Personenverkehr zur wirtschaftl. Rechtfertigung<br />
des Baues einer neuen Eisenbahnstrecke (Braunschweig-Uelzen] beitragen?<br />
Düsseldorf 1961: Handelsblatthaus. S. 17-35. 8 0 Aus: Zs. f. Verkehrswissenschaft.<br />
Jg. 32. H. 1. 1961.<br />
66. Braunschweiger postgeschichtliche Blätter. Hrsg. von der Gesellschaft f. dt.<br />
Postgesch. e. V .• Bezirksgruppe Braunschweig. H. 3/4. Okt. 1961.<br />
IDarin u. a.: Pa. c k e I man n. K.: Die Nordbäu.er Wad"t.fcln. S.2-J. J Abb. - D r 0 g g ••<br />
H.: Die königlich preußi.che optische Telegraphenstation Nr. 28 im Herzogtum Braun.chweie. S .<br />
.. - 8. 6 Abb. - R 0 • e. K.: Von Po.tverwaltem u. Briefboten in Schöningen. S. 9 - 12. -<br />
5 leg man n. W.: Der Poothau,brand In Einbede im Jahre ]907. S. 12-13. 2 Abb. - F I n % e •<br />
K.: Vom alten Po.twcscn Im süd!. Niedersach,en. S. 21.1<br />
67. 80 Jahre Fachvereinigung de~ Hotel- und Gaststättengewerbes für Stadt- u. Landkrs.<br />
Braunschweig e. V. Am 26. Sept. 1961. «(Braunschweig:] 1961.) 36 S. 8 ".<br />
Gesdtichte der geistigen Kultur. KUl1stgesdlichre und DCl1kl1tCllpf1cge<br />
68. B ra nd es. Walter: Bibliographie der niedersächsischen Frühdrucke bis zum Jahre<br />
1600. Mit 30 Faks. Baden-Baden: Heitz 1960. 138 S. 8 0 (Bibliotheca bibliographica<br />
Aureliana. 4.)<br />
(Enthält die Drudee aus den Offizinen in Braunschwe!g. Duderstadt. Emden. Hannover. HeIm.tedt.<br />
Hilde.heim. LOn.burg. Uelzen u. Zenerfeid (I).]<br />
David Chyträus u. d. Gründung der Univ. Helmstedt s. Nr. 150.<br />
69. Ha r t man n. Wilhelm: Wolfenbüttel as the place where 'Aviso' of 1609 - the<br />
oldest printed newspaper - was printed. Aus: Gazette. Vol. 7. No 2. 1961. S.<br />
177-187.<br />
70. F i g g e. Robert: Gallicanus - Dramatische Dichtung der Hrotswitha von Gandersheim.<br />
In: Unsere Diözese in Verght. u. Ggwt. Jg. 30. H. 1. 1961. S. 19-36.<br />
71. F i g g e. Robert: Die Legende der heiligen Agnes nach Hrotswitha von Gandersheim.<br />
In: Unsere Diözese in Vergh. u. Ggwt. Jg. 30. H. 2. 1961. S. J-12.<br />
190
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
72. M a r y M arg u a r i t e Butler RSM [amerikanische Ordensfrau): Hrotswitha<br />
The Theatricality of her Plays. New York 1961. 234 S.<br />
73. Co r des. Gerhard: Norddeutsches Rittertum in der deutschen Dichtung des<br />
Mittelalters. In: Nicders. Jb. f. Landesgesch. Bd 33. 1961. S. 143-157.<br />
74. Eulenspiegel - <strong>Jahrbuch</strong>. Hrsg. vom Freundeskreis des Eulenspiegel - Museums zu<br />
Schöppenstedt e. V. Braunschweig-Sdlöppenstedt: Oeding (1961). 43 S. 8 ".<br />
IDarin u. a.: Da. neue EulenspiegelmuStum in Schöppensledt. S. 3-6. 1 Abb. - M e r I die ••<br />
Wilhelm: Eulenspiegel. der Kämpler I. Mensenenlreihe!t u. Mensd1enred1t. Zu CharIes de CO'lcr.<br />
Ulen'piegel. S. 7-14. - R n 1 0 I I. Ern.t AugusI: Eulenspiegel der Nieders.ense. S. 14-24. -<br />
Freunde.krels der Eulensplegel.tädte In Flandern u. Deut,d1land. S. 32-33.)<br />
75. Raabe. Wilhelm: Werke in 2 Bänden. München & Zürich: Droemer/Knaur<br />
(1961). 8°.<br />
76. (R a ab e. Wilhelm:) Das Ewige ist stilI.:. Ein Raabe - Hausbuch. Hrsg. u. mit e.<br />
Nachw. von Hermann Po n g s. Stuttgart: Kreuz-Ver!. (1960). 295 S. 8°.<br />
77. Raa be. Wilhelm: Unser Wilhelm Raabe. Ein Raabe - Büchlein f. die Jugend.<br />
Ausgew. u. bearb. von Friedrich K 0 e h I e r t. Wolfenbüttel: Wilhelm - Raabe<br />
Schule (1961). 56 S. 8°.<br />
78. Raa b e. Wilhelm: Wilhelm Raabe im Urteil bedeutender Zeitgenossen. Briefe<br />
von u. an Wilhelm Raabe. ausgew. von Kar! Ho p p e. Braunschweig 1960<br />
(:Werkkunstschule). 62 S. 8 ° (Bibliophile Schriften. Bd 7.)<br />
79. Po n g s. Herrnann: Wilhelm Raabe. In: Die Aula. Jg. 11. F. 3. 1960. S. 10--12.<br />
80. Po n g s. Herrnann: Das Raabebild im .. neuen Lidlt". In: Die Aula. o. J.<br />
81. Fa i r I e y. Barker: Wilhelm Raabe. An introduction to his novels. Oxford:<br />
Clarendon Press 1961. 275 S. 8 0.<br />
82. Fa i r I e y. Barker: Wilhelm Raabe [deutsch). Eine Deutung seiner Romane.<br />
(Aus dem Eng!. übertr. von Herrnann Boeschenstein.) München: Beck (1961).<br />
261 S. 8°.<br />
83. Mus ha k e. Rosemarie: WilheJm Raabes .. Eulenpfingsten". Versuch einer Interpretation<br />
unter besonderer Berücksichtigung des Komischen u. Grotesken.<br />
Braunschweig 1961. 11. 50 BI. 4 0 [Masdl.Schr.) Braunschweig. Kanthochschule.<br />
Prüfungsarbeit. [Im Stadtarchiv Braunschweig vorhanden.)<br />
84. Be r g f eid. Ernst: Besuch bei MlTgarethe Gerstäcker. - Im Wichernstift Hannover-Döhren.<br />
In: Der Freundeskrs. des Gr. Waisenhauses Brschwg. Jg. 11. 1961.<br />
H. 31. S. 1-3. 2 Abb .• H. 32. S. 5.<br />
85. Be r g f eId. Ernst: Margarete und Rudolf Huch. In: Freundeskrs. des Gr.<br />
Waisenhauses Brschwg. Jg. 11. H. 32. 1961. S. 10--11. 1 Abb.<br />
86. H u eh. RudoIf: Der tolle Halberstädter. (111. von Ottokar Koeppen. Nachw.:<br />
Bemhard Mewes.) (Braunschweig 1961: Werkkunstschule.) 63 S. 8 0 (Bibliophile<br />
Schriften. Bd 8.)<br />
87. Ausgewählte Dichtungen von Wilhelm San d f u eh s zu seinem 70. Geburtstag.<br />
- Mol I e n hau er. Hein:: Wilhelm Sand fuchs. der ostfälische Mundartdichter.<br />
In: Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 2. 1961. S. 56-59. 1 Abb.<br />
88. Ehr ho rn. Manfred: Die Motettenkunst des Meisters M[elchior) V[ulpius)<br />
dargest. nach dem um 15 80 angelegten handschriftlichen Motettenband der Brüdernkirche<br />
zu Braunschweig. Hannover 1960. 11. 84 BI. 8 0 [Prüfungsarbeit. Fotokopie<br />
im Stadtarchiv Braunschweig vorhanden.)<br />
89. U I I r ich. Herrnann: Das Stammbuch der blinden Musikerin Maria Theresia<br />
Paradis. In: Bonner GeschichtsbI. Bd 15. 1961. S. 340-384. Abb. 18-20.<br />
IWährend der Kunatrei.e von 1783-1786 war die Künstlerin auen In Braun.enweig. Stammbudt.<br />
eintragung vom 25. 11. 1785 von J. W. Jeru.alem. Abt v. Riddal1.hau.en.]<br />
191
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
90. Pie a san t s, Henry: The musical Journeys of Louis Spohr. Norman: University<br />
of Oklahoma Press (1961). XVII. 262 S. 8°.<br />
91. Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. Bd 1. Köln: Seemann (1961).<br />
296 S. 4·.<br />
IDarin u. a.: Hai. eh. r. Uvo: Baugeschichtliche Nachprilfungen an der Kirche d .. Augustiner<br />
ChorherrenotiEte. Riechenberg. S. 9-22. Abb. 1-5. - G r 0' z man n. Dleter: Da. Palmetten<br />
Ringband-Kapitell. S. 23-56. Abb. 6-S3. - T h ö n e. Friedrich : Eine Zeichnung u. ein Altarri8<br />
de. 14. Jahrhundert. In einer deutschen Armenbibel zu Wollenbüttel. S. 139-144. Abb. 109-<br />
112. - F I n k. Augu.t: Der Wappenteppich der Adelheid von Bortleid. S. 169 - 186. Abb.<br />
123-1H. - BI er. lustu .. Eine dritte Zeichnung Tilmann Riemen,chneide ... S. 219-224. Abb.<br />
H7-164. - Re u t her. Hans: Die ehemalige StiEtskirche zu Grauhof u. Ihre Stellung In der<br />
mitteleuropäischen Barockarchitektur. S. 225-238. Abb. 165-174. - 0 • t • n • Gert von der: Zur<br />
Barockskulptur Im .üdlichen Nledersach.en. S. 239-258. Abb. 175-207.1<br />
92. Kr 0 0 5, Renate: Niedersächsische figürliche Leinen- u. Seidenstickereien des 12.<br />
bis 14. Jahrhunderts. Göttingen 1957. 192 gez BI. 4 0 [Masch.schr.] Göttingen.<br />
Phil. Diss. v. 1957. [Behandelt werden auch Stickereien in Helmstedt. Stift<br />
Marienberg.]<br />
93. La n ger. Kurt: Hans Witten von Cöln oder Hans Witten und Hans von Cöln?<br />
In: Sächsische Heimatbl. Jg. 7. H. 2. 1961. S. 65 -78. [Beidc Künstler stammen<br />
aus Braunschweig.]<br />
94. Hag e: .. Hans Witten von Cöln" hat nie gelebt. Erfolgreiche Goslarer Forschung<br />
um den Meister der Pieta in St. Jakobi. In: Aus der Heimat. Geschichtsbeil.<br />
des Salzgitter-Kuriers. Nr 6. 1961. 1 Abb.<br />
95. Mo der h a c k. Richard: Zur Gründung des Braunschweigischen Geschichtsvereins<br />
vor 60 Jahren. In: Brschwg. Jb. Bd 42. 1961. S. 154-155.<br />
Volkskunde. Sprachgeschichte. Namenkunde. NaturscUutz<br />
96. F lee h s i g. Werner: Aus dem Braunschweigischen Landesmuseum f. Geschichte<br />
u. Volkstum. Rückführung des im letzten Kriege ausgelagerten Sammlungsgutes.<br />
In: Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 4. 1961. S. 123-127.<br />
97. B ra n des, Friedrich: Windmühlenschicksale im Braunschweiger Lande nach<br />
dem letzten Weltkriege. In: Brschwg.Heimat. Jg.47. H.l. 1961. S.21-24. 1 Abb.<br />
98. Re c k leb e n. Friedrich: Vor bös Lü un Kriegsgebrus bewahr de leiwe Gott<br />
dit Hus. Alte Hausinschriften in Salzgitter. In: Aus der Heimat. Geschichtsbeil.<br />
des Salzgitter - Kuriers. Nr. 5. 1961.<br />
99. Bur g h a r d t. Werner: Das Osterfeuer und die ostfälischen Blockshorenberge.<br />
In: Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 2. 1961. S. 39-43.<br />
100. Den eck e. Rolf: Walpurgisfeiern - Walpurgisspiele. In: Unser Harz. Nr 4.<br />
1961. S. 4-6. 2 Abb.<br />
101. M a a ß b erg, Robert: Tauf- und Hochzeitsbräuche bei den niederdeutschen Kolonisten<br />
im mittelbrasilianischen Staat Espirito Santo und ihre ostfälischen Parallelen.<br />
In: Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 1. 1961. S. 12-18.<br />
102. Kr i e ger. Heinz-Bruno: Reste heidnischen Götterglaubens in den Sagen des<br />
Elmgebietes. In: Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 4. 1961. S. 116-120.<br />
103. Kr i e ger. Heinz-Bruno: Sagen aus Ingeleben. - Sagen aus Esbeck. - Sagen<br />
aus Hoiersdorf. In: Unsere Heimat. Schöningen. Jg. 9. Nr 2 u. 4. 1960. S. 20,<br />
41- 42. Jg. 10. Nr 2 u. 6. 1061. S. 16 -19. 65 - 68.<br />
104. Kr i e ger, Heinz-Bruno: Wie man lästige Mieter loswerden kann. Ein Beispiel<br />
;f. Zauberglauben der Gegenwart. In: Brschwg. Heimat. Jg. "6. H. 1. 1960. S.l1-12.<br />
192
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
105. Kr i e ger. Heinz-Bruno: Vom Zwetschen mus am Elm. In: Brsrnwg. Heimat.<br />
Jg. 46. H. 3. 1960. S. 81-83.<br />
106. F lee h s i g. Werner: Weihnarntsgesrnenke in Braunsrnweig vor 145 Jahren.<br />
In: Brsrnwg. Heimat. Jg. 47. H. 4. 1961. S. 98-100.<br />
107. G r i e p. Hans-Günther: Historisrne Brillendarstellungen im Harz u. Harzvorland.<br />
In: Unser Harz. Nr 7. 1961. S. 8-10. 7 Abb.<br />
108. G run d ne r - Cu I e man n. Alexander: Die Flurnamen des Stadtkreises Goslar.<br />
T. 2. Namen aus dem Bereiche der Stadtforst. Goslar: Geschirnts- u. Heimatsrnutzverein<br />
1960. 129 5 .• 7 Kt. S· (Beiträge zur Geschichte der Stadt Goslar.<br />
H.19.)<br />
109. F 1 e c h s i g. Werner: Alte ostfälisrne Namen für Apfel- u. Birnensorten. In:<br />
Brsrnwg. Heimat. Jg. 47. H. 1. 1961. S. 6-12.<br />
110. F lee h s i g. Werner: Heimisrne Waldbäume u. Sträurnel' in der Volkssprarne<br />
u. in den Flur-. Orts- u. Personennamen Ostfalens. - Waldbäume u. Sträucher<br />
in der Volkssprache u. den Flurnamen Ostfalens. In: Brschwg. Heimat. Jg. 47.<br />
H. 2-4. 1961. S. 43-52. 73-79. 107-113.<br />
111. Roh kam m. Otto: Lankholt [in der Mundart des Amtsbezirks Harzburg]. In:<br />
Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 1. 1961. S. 19-21.<br />
112. Unser Harz. Nr 8.1961. Festsrnrift zum 75jähr. Jubiläum des Harzklubs in Seesen<br />
am Harz. am 2. u. 3. Sept. 1961.<br />
IOarin u. a.: D. n. c Je •• Rolf: 7~ Jahr. Hanklub. S. 3-14. - K. r I. Hermann: Der Weg<br />
deI Hanklub •. S. 16-17. - Sc h u I g • n. Hubert: Harzklub u. Harzer V.rk.hroverband dienen<br />
der Heimat. S. 17-18. -W 111 •• Louis: Ein Rilckblick auf dl. Volkstum.arbeit de. Harzklub.<br />
801 .•• in •• 7Sjähr. Bestehen •. S. 18-19. - Ha r m '. Bruno: Der .Cuddse Harn - Waid-. S.<br />
19 - 21. - Un.er Han. Nr 9: Ein Markstein in der Geschichte des Han:k1ub •. Der Vorlauf der<br />
Jubiläum,hauptvonammlung in Soo.en. S. 4-9.1<br />
113. Ha ase. H.: Altharzer Hirtenleben. In: Unser Harz. Nr 7. 1961. S. 4-6. 2 Abb.<br />
114. Sc h m i d t. Hagen: Die Verbreitung der Reptilien u. Amphibien im Braunschweiger<br />
Gebiet. In: Brsrnwg. Heimat. Jg. 47. H 2-4. 1961. S. 33-39. 8 Abb .•<br />
S. 65-72. 10 Abb .• S. 10(>-107.<br />
Geschichte eil1ull1er Landesteile ""d Orte<br />
Allersheim s. Nr. 7.<br />
1H. W eiß. Rudolf: Der Pfaffenstieg bei Braunlage. In: Unser Harz. Nr 12. 1961.<br />
S.9-10.<br />
116. Braunsdlweig. Portrait einer Stadt. Hannover: Fackelträger-VerI. [1961]. 155<br />
S .• davon S. 61-1;5 Taf .... 0 [Tafel-Er!. auch in Engl.]<br />
117. Braunsrnweig. Stadt der Welfen u. der Wissensrnaften. (Stuttgart: VerI. Christ u.<br />
Welt) 1961. 2 BI. 2 • [Kopft.] (Christ u. Welt. Sonderbeil. zu NT 33. 1961.)<br />
118. Wes t e r man n (. Georg): Plan von Braunsrnweig. Mit Straßenverz. 1 : 12 500.<br />
Braunsrnweig: Westermann 1961. 60 x 69 cm. 8 • [Lithogr. kol.. Umsrnlagt.}<br />
119. C z 0 k. Karl: Zum Braunschweiger Aufstand 1374 -1386. In: Hansische Studien.<br />
1961. S. 35-55. )<br />
120. S pie ß. Werner: Eine .Gesrnirnte der Stadt Braunsrnweig im Narnmittelalter".<br />
In: Der Freundeskrs. des Gr. Waisenhauses Brschwg. Jg. 11. H. 31. 1961. S. 4-6.<br />
121. Be u lek e. Wilhelm: Die Hugenottengemeinde Braunsrnweig. I. Zugleich ein<br />
Beitrag zur Städtepartnerschaft Braunschweig - Nimes. In: Brschwg. Jb. Bd 42.<br />
1961. S. 99-124.<br />
193
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
122. Festschrift zur 50jährigen Wiederkehr der Kirchweihe 2. Ostertag. den 17. April<br />
1911. In Verb. mit Gerhard Kai b e r I a h hrsg. vom Kirchenvorstand. Braunschweig<br />
(1961): Waisenhausbuchdr. 16 S. 8 ° [Umschlagt.:) 50 Jahre St. Jakobi<br />
in Braunschweig.<br />
123. Me wes, Bernhard: Der Braunschweiger Rat 1961. Braunschweig 1961. 69 S.<br />
8 ° (Kommunal politische Schriften der Stadt Braunschweig. H. 23.)<br />
124. (H e c h t, Konrad:) Zweiter und letzter Bericht über die Behandlung des Braunschweiger<br />
Schloßproblems. (Braunschweig 1960.) 9 S. 4·. [Masch.schr.• hektogr.)<br />
125. Ha r t wie g, Gottfried: Die letzten Tage des Residenzschlosses zu Braunschweig.<br />
In: Brschwg. Heimat. Jg. 47, H. 1. 1961. S. 24-27.<br />
126. Wo I f f, Heinz: Pflaster in alten Städten. Aus: Dt. Kunst und Denkmalpflege.<br />
H. 2. 1961. S. 69-87. [Behandelt auch Stadt Braunschweig.)<br />
127. praunschweig. Berichte aus dem kulturellen Leben. 1-2. Braunschweig: Westermann<br />
1961. 4 o.<br />
IDarin u. a. 1/61: K I. t n er. Erhart: Forum der Tedmhchen Hochschule. - Kr a e m er.<br />
Frledrich Wilh.: Idee und Aulgabe (Auszug au. der Anlprach. ~.halten bei der Einweihung du<br />
neuen Auditorium Maximum). S. 1-9. 13 Abb. - T rap p. Albert: Streichquartett der Brüder<br />
Müller. S. 10-11. 2 Abb. - Ehr h 0 rn. Manlred: Alte Motetten neu entdeckt. S. 12-lS. 3<br />
Abb. - R 0 g gen kam P. Hans: Da. Imerward-Kreu%. S. 16-17. 1 Abb. - Au I m e I • r •<br />
Peter: Laboratorium der Maße - die Phy.lkalisch-Tedmi.dle Bundesanstalt. S. 18-23. 6 Abb. -<br />
M • r, man D • Helnrldl: Pe .. r Voigt. Maler u. Grafiker. S. 24-27 ... Abb. - Sc h ml d t k e.<br />
Gotthard: Die Brunnen der Stadt. S. 30-33 ... Abb. - 2/61: Kr 0 11. Bruno: Neue Kirchen·<br />
fenster. S. 2-9. 10 Abb. - G rot h ., Karl-Hein%: Diercke-Atla •• elt Generationen. S. 12-15.<br />
4 Abb. - M. r Im a n n. Heinrich: Graphlsm .. Kabinett (de. Herzog-Anton-Ulrim-Mu.eums).<br />
S. 16-19. ~ Abb. - Bi I % er. Bert: Der Maler Ludger tom Ring. S. 20-23. 2 Abb. - Hag. n •<br />
Rolf: Ansidlten der Stadt .al Porzellan. S. 24-30. 7 Abb. - S eh m I d t. Hanl·Otto: Briefmarken<br />
dei Herzogtum •. S. 31-32. 3 Abb. - 5 c h m I d t k e. Gotthard: Heinridl Wemer und<br />
d ... Heldenröslein·. S. 32-33. 1 Abb.<br />
128. Mo der ha c k. Richard: Hundert Jahre Stadtarchiv und Stadtbibliothek Braunschweig.<br />
1861-1961. Braunschweig: Waisenhaus-Buchdr. u. Verl. 1961. 112 S .•<br />
109 Abb. auf Taf. 8°.<br />
129. Bi I zer. Bert u. Rolf Hag e n: Städtisches Museum Braunschweig. (1861-<br />
1961.) Ein Überblick über die Sammlungen. (Braunschweig 1961: Waisenhaus<br />
Buchdr.) 152 S. 8 0.<br />
130. F I e s ehe. Herman: Braunschweiger Kostbarkeiten des Kunsthandwerks. Braunschweig:<br />
Waisenhaus-Buchdr. u. Verl. 1961. 103 S. 4 u.<br />
131. Formsammlung der Stadt Braunschweig. Historisches u. modernes Gebrauchsgerät<br />
aus Handwerk u. Industrie gesammelt zum Studium von Geschichte u. Problem<br />
der Gefäßform. (Gestaltung Hans-Dieter B u c h wal d. Fotos: Otto Ho p pe.)<br />
(Braunschweig 1961: Werkkunstschule.) 24 ungez. BI. 4°.<br />
132. Festschrift zur lOo-Jahrfeier der Raabeschule Braunschweig. 1861-1961. (Braunschweig<br />
1961: Ruth.) 87 S. 8 0.<br />
133. Müll er. Theodor: Bilanz zweier Jahrhunderte. Zur Geschichte des Bankhauses<br />
Gebrüder Löbbecke '" Co., Braunschweig. (Braunschweig 1961: Westermann.)<br />
124 S. 8°.<br />
134. 'Feierstunde aus Anlaß der 200. Wiederkehr der Gründung des Bankhauses Gebrüder<br />
Löbbecke '" Co. [Festreden.) o. O. (1961). 45 S. 8°.<br />
135. 275 Jahre C(arl) M(artin) Weiss. 1686-1961. in Braunschweig, Schuhstraße 1-3.<br />
(Braunschweig 1961: Wellner-Werbung.) 12 BI. 4°.<br />
136. Moll e n hau er, Heinz: 125 Jahre Buchhandlung Wollermann '" Bodenstab.<br />
In: Der Freundeskrs. des Gr. Waisenhauses Brschwg. Jg. 11, H. 32. 1961. S. 7-8.<br />
194
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
137. Pie per. Hans: über die Entwicklung der Büssing- Lastkraftwagen und -Omnibusse<br />
bis etwa 1914. 11 S. Aus: ATZ. Automobiltechnische Zs. Jg. 63. H. 11.<br />
1961.<br />
138. überblick über die 75j. Geschichte des Haus- u. Grundbesitzervereins der Stadt<br />
Braunschweig. 1961. (Braunschweig 1961: Oeding.) 20 S. 4 0 (Mitteilungsblatt<br />
des Haus- u. Grundbesitzervereins der Stadt Braunschweig. 1961. Nr 4.)<br />
139. 25 Jahre Deutsche Forschungsanstalt f. Luftfahrt e. V. DFL. Braunschweig. 1936<br />
-1961. Braunschweig 1961 (:Aco-Druck). 67 S. 4 o.<br />
Brunshausen s. Nr. 28.<br />
140. H eis t er. Alwin: Die Vogtei von GroB Denkte. In: Heimatkalender f. den<br />
Landkrs. Wolfenbüttel. Jg. 7. 1961. S. 94-98.<br />
141. Die ß el [.RudoIfJ: Destedt. eine vorbildliche Dörfergemeinschaftsschule. In:<br />
Heimatbote des Landkrs. Braunschweig. 1961. S. 52-57. 5 Abb.<br />
Gandersheim s. Nr. 53.<br />
142. R 0 se. Karl: Wie das Dorf Glesse am G1essebach im Glessetal entstand. In:<br />
Brschwg. Heimat. Jg. 47. H. 3. 1961. S. 82 - 84.<br />
Goslar s. auch Nr. 46-47. 108.<br />
143. Bor ehe r s. earl: Bambergs ehemalige Kaiserpfalz Vorbild für die Goslarer<br />
Kaiserpfalz Heinrichs 1JI. In: Unsere Diözese in Verght. u. Ggwt. Jg. 30. H. 2.<br />
1961. S. 13-24. 3 Abb.<br />
144. Bor ehe r s [. Carl]: Bamberg: Vorbild für die Kaiserpfalz Goslar1 In: Aus<br />
der Heimat. Geschichtsbeil. des Salzgitter-Kuriers. Nr 5. 1961. 2 Abb. [Erscheint<br />
auch u. d. T.: Harzer Heimatland als Geschichtsbeil. der Goslarschen Zeitung.]<br />
145. G r i e p [,Hans-Günther]: Auf den Spuren der Brüdernkirche. Hochaltar, Kanzel<br />
u. Triumphkreuz wurden von Goslar nach Everode verkauft. In: Aus der Heimat.<br />
GeschichtsbeiI. des Salzgitter-Kuriers. Nr 4. 1961. 2 Abb. IErscheint auch u. d.<br />
T.: Harzer Heimatland als GeschichtsbeiI. der GosIarschen Zeitung.]<br />
146. (U h L Hans-G[eorg]:) Das Kloster Neuwerk. (4. Aufl.) (Goslar 1961: Winkelhagen.)<br />
10 BI. 8 ° [JII, Kunstführer.]<br />
147. ·Goslarer Woche. Veranstaltungskalender der Stadt Goslar. Jg. 12. H. 1-12. Goslar:<br />
Thuhoff 1961. 200 S. 8 0 ,<br />
(Darin u. a. Ha h n • D1 an n , H(an'l: Dr. Han. Gidion 70 Jahre alt. S. 10 - Zum 70. Geburtltag<br />
von Max Dri.chner. S. 22, 1 Abb. - Hab n e man n, Hans: Albert Edelfeit zeichnet. In<br />
Godar. S. 43-44, 1 Abb. - Frühling,briuche im Harz. S. SI-SJ, 1 Abb. - Konsul Walther Adam<br />
wurde Ehrenbürger von Goslar. S. 74, 1 Abb. - Gos]lrer Marktsäul. mit d.r Elle. S. 76, 1 Abb. -<br />
Golden. Büch.r (Ausst.lIung Im Mus.um, 10. 6. - 6. 8. 1961). S. 91 - 93. 4 Abb .• S. 116, 1<br />
Abb. - 100 Jabr. H.yne-Stlftung. S. 135-136. - Sc h r I m m, Johsnne" Gosllu kulturelle<br />
Aufgabe. ,Go.lsr.r Kulturtlge 1961'. S. 1S1-1S4. 1 Abb .. S. 167-170. 1 Abb. - Kar I te n I.<br />
Heinrich: Die ält .... Go.larer Org.l. S. 184-186. 2 Abb.)<br />
148. Das Dorf in der Gegenwart. Untersuchungen über die Struktur der Gemeinden des<br />
Landkreises Goslar 1960/61. Hrsg. von der Kreisarbeitsgemeinsch~ft f. LändI.<br />
Erwachsenenbildung im Landkrs. Goslar. o. O. (1961). getr. Zählung. 4 0 [Masch.<br />
schr .• Vervielf.]<br />
Groß Denkte S. Denkte.<br />
Heiningen S. auch Nr. 49.<br />
149. 10 Jahre Heimkehrerhaus Heiningen. (Hrsg. von der Heininger Bruderschaft.<br />
Mitarb.: Bemhard Bock [u. a.J.) (Hamburg 1960: Trede.) 13 BI. 8 0 [Umschlagt.]<br />
150. Bau mg art. Peter: David Chyträus U. die Gründung der Universität Helmstedt.<br />
In: Brschwg. Jb. Bd 42. 1961. S. 36-82.<br />
195
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
151. [A r n d t, Iürgen:) Universität Helmstedt. A) Legitimationen. B) Volljährigkeitserklärungen.<br />
C) Adoptionen. D) Ernennung von Notaren. In: Hofpfalzgrafen-Register.<br />
Bd 1. [1961.) S. 179-206 [wird fortgesetzt].<br />
152. Kat er, Herbert: Vergessene Hohe SdlUlen. Helmstedt. In: Deutsche Corpszeitung.<br />
Jg. 62, Nr 5. 1961. S. 189-195.<br />
153. Ruh e, W.: Vergessene Universität Helmstedt. In: CC-Blätter. Nr 2. 1961.<br />
154. Gur li t t, Wilibald: Was ist während des 17. Jhs. in St. Stephani (Helmstedt)<br />
musiziert worden? [1960.) 7 gez. BI. 4 ° [Masch.schr.)<br />
155. T rap p, Albert: Das Große Weghaus zwischen Braunschweig u. Wolfenbüttel<br />
[in Klein Stölkhelm). Aus: Wenzel. Fritz: Geographie. Geschichte, Pädagogik.<br />
Festschrift f. Walther Maas zum 9. Juni 1961. S. 177-185.<br />
Königslutter s. Nr. 188, 195.<br />
Neuhaus/Solling s. Nr. 8.<br />
156. F 0 reh e, Wolfram: Wassernot am Salzgitterschen Höhenzuge im Juni 1961.<br />
[Oelber am weißen Wege.) In: Brschwg. Heimat. Jg. 47, H. 3. 1961. S. 85-91,<br />
3 Abb. .<br />
Runstedt 5. Nr. 17-18.<br />
Salzgitter s. auch Nr. 58, 98.<br />
157. Die k e, Kar!: Nur der Name ist geblieben: Thiederhall [ehemaliges Kalibergwerk).<br />
In: Unsere Hütte. (Hüttenwerk Salzgitter AG.) Jg. 11, Nr 1. 1961. 5.24-25,<br />
1 Abb.<br />
158. 1861-1961. 100 Iahre Schützenverein Sdtladen. Vom 3. bis 5.Juni 1961. (SchIadenIHarz<br />
1961: Rose.) 40 S. 8 ° [Umschlagt.)<br />
lD.rin: S. 24-32. M ü I I er, Bemhard: 100 Jahr. Vereinsgesdtichte.1<br />
159. Unsere Heimat. Mittlgsbl. des Heimatvereins Schöningen u. Umgebung. Jg. 10,<br />
Nr 1-6. (Schöningen 1961: Kleemann.) 76 S. 8 o.<br />
(Darin u .•. : Kleiner Führer durch dl. Clu •. S. 1-~, l Abb. - R 0 • e • Klorll: Schönlnger Stra<br />
~ennam.n. S. ~-8. 13-H. 25-26. 4G-42. - Ratoapotheke 50 Jahre mit der Famillt Wilcken verbunden.<br />
S. lS-16. - Schönlnger Stadtwachtmeister. S. 2~28. - Schöninger Goldschmiede. S.<br />
28-30. - R 0 ••• K[arl(: Hat ••• chon 1363 eine Bäckergtlde in Schönlngen gegeben? S. 37-40.<br />
- Ein alt., Handwerk stirbt au. [Schmiedei. S. 61-63. - K. h man n. Günther: RUlllsch.<br />
Einquartierung In Hötendeben (Winter 1813). S. 63-6~.1<br />
160. R 0 se, Karl: Heimatbuch der Salzstadt Schöningen. T. 8 ISchluS-Bd) = Erg. Bd<br />
zu Bd 1-7, Alphabet. Verzeichnis der Personennamen in Bd 2, Quellen- u. Literaturverz.<br />
zu Bd 1-8. (Braunschweig) 1961 (: J. H. Meyer). 143 S. 8".<br />
161. Müll er, Otto: Der. Wallgarten" in Schöningen. In: Niedersachsen. Jg. 61, 6.<br />
1961. S. 511, 1 Abb.<br />
162. R 0 se, KarI: Nachrichter in Schön in gen. In: Brschwg. Jb. Bd 42. 1961. S.<br />
145 -153.<br />
Schöppenstedt s. auch Nr. 74.<br />
163. Erb e n 5, Christa: Die bauliche Entwicklung der Stadt Schöppenstedt auf Grund<br />
einer Analyse der Bauperioden. In: Heimatkalender f. den Landkrs. WoIfenbütteI.<br />
Jg. 7. 1961. S. 44-52, 12 Abb.<br />
Seesen s. auch Nr. 112.<br />
164. (K ö h 1 er, Willy:) 75 Jahre Arbeit und Erfolg im Zeichen der Sonnen-Qualität.<br />
[Iubiläumsschrift,75 Jahre Sonnen-Werke Seesen.) (Braunschweig [1961]: Westermann.)<br />
18 BI. 4 0 [Umschlagt.)<br />
196
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
165. VfL Seesen v. 1911 e. V. Verein f. Leibesübungen Seesen von 1911 e. V. Festschrift<br />
zum 50jähr. Bestehen vom 1. Aug. bis 6. Aug. 1961. (Seesen 1961: Hofmann.)<br />
79 5. 8 ".<br />
166. R öhr. Heinz: Der Tetzelsteln und die T~tzelsage. In: Heimatkalender f. den<br />
Landkrs. Wolfenbüttel. Jg. 7. 1961. 5. 61-64. 1 Abb.<br />
167. Den eck e. Margaretc: Von den Anfängen der Gastwirtschaft •. Tetzelstein".<br />
In: Heimatkalender f. den Landkrs. Wolfenbüttel. Jg. 7. 1961. S. 65-70. 1 Abb.<br />
Thlede s. Salzgitter-Thiede.<br />
168. Ra b e. Ernst: Die .Dicke Linde" von Upstedt. In: Brschwg. Heimat. Jg. 47.<br />
H. 2. 1961. 5. 52-55. 1 Abb.<br />
169. Me y er. Hermann: Wendeburg. In: Heimatbote des Landkrs. Braunschweig.<br />
1961. S. 42-51.<br />
170. S t ade I man n. Hans: Wendefurth - Abriß der Orts geschichte. In: Unser<br />
Harz. Nr 3. 1961. S. 4-8. 3 Abb.<br />
171. Ha h n e. Otto: WIckensen und sein Gau. (Braunschweig 1961.) 20 BI. 4 0<br />
[Masch.schr .• Vervielf.)<br />
172. 175 Jahre Wolfenblitteler Zeitung. 25. Nov. 1961. (Wolfenbüttel: Heckner<br />
1961.) 112 S. 2 0 [Umschlagt.)<br />
IDarln u. '.: S. n d. r. Erlen: Wolfenbütteler Dokumente. (Hauptdaten unserer Stadtgesen. In<br />
Wort. Bild u. Zah1.) - A p p u h n • Horst: Alte AnsienteD von Wolfenbüttel im Stadt- u. Krols<br />
Heimatmuseum. - B u t z man n. Hans: Die Herzog-August-<strong>Bibliothek</strong> ein.t und jetzt. -<br />
NI q u e t. Flranzl: Di. vor- u. frühge,enlent1. Bodenforschung im Kreise Wolfonbütte!. -<br />
Wo In. Bernh.rd: Der Aufbau WolfonbOttel •. - Ja C 0 b •• Hons: Wolfenbüttel u. der Senlonenstrang.<br />
- Wolfenbütte1s Stadttore. - K e I. eh. Wolfgang: Die Senulstadt Wolfenbilttel Im<br />
Spiegel der Zoiten. - L u h n I z. Ekke: Unvergängliene. Ebenbild (Jaeob Wilhelm Heckenauer.<br />
Hofkupfersteener zu Wollenbüttel). - De".: Eine Wolfenbütteler Prinzessin gründet. don Weimarer<br />
Musenhof. - H • r t" i e g • Wilhelm: Wenn die Soldaten duren die Stadt ma .. enleren •••<br />
Wolfenbüttel al. Garni.onstadt im Laufe der Jahrhunderte. - B r. D d e •• F.: Da. Ritsel Nottrode.<br />
- Ders.: Da. oberdt. Bauernhau. im Krei. Wolfenbütte!.1<br />
173. F i n k. August: Die Baugeschichte von St. Johannis zu Wolfenbüttel. In: Brschwg.<br />
Jb. Bd 42. 1961. S. 83-98.<br />
174. T h ö n e. Friedrich: Schloß Wolfenbüttel. Baunachrichten. In: Burgen u. Schlösser.<br />
Jg. 2. H. 2. 1961. S. 49-52. 56. 9 Abb.<br />
175. Ho y er. Helmut: Die Ritterakademie Wolfenbüttel. o. O. 1961. 25 gez. BI.<br />
4 ° [Masdt.schr.. Durchschlag.) Braunschweig. Kant - Hochschule. Übungsarbeit.<br />
Juli 1961.<br />
176. T h ö n e. Friedrich: Ein deutsch - römisches Skizzenbuch von 1609 - 11 in der<br />
Herzog - August - <strong>Bibliothek</strong> zu Wolfenbüttel. Berlin : Dt. Verein f. Kunstwiss.<br />
1960. 32 S .• 39 Taf. 8 o.<br />
177. We i t z man n. Kurt: Zur byzantinischen Quelle des Wolfenbütteler Musterbuchs.<br />
In: Festschrift Hans R. Hahnloser zum 60. Geburtstag 1959. 1961. S.<br />
223. fE.<br />
178. Go e t tin g. Gerburg: Nachlässe des 16. - 20. Jahrhunderts in der Herzog<br />
August-<strong>Bibliothek</strong> Wolfenbüttel. Hamburg 1961. 60 BI. 4" [Masch.schr.) Hamburg.<br />
<strong>Bibliothek</strong>sschule. Examensarbeit.<br />
179. K i e s Ii eh. Guenter: Werbung in alter Zeit. Essen: Stamm 1960, 24 BI. mit<br />
20 Abb. 8 0 [Beispiele 8 U. 9 aus der Herzog-August-<strong>Bibliothek</strong> WolfenbütteJ.]<br />
197
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
180. (L ü er. Friedrich:) 100 Jahre. 5. Febr. 1861 - 5. Febr. 1961. Friedrich Heinemann<br />
Malereibetriebe Wolfenbüttel. Hinter der Hauptkirche. (Braunschweig ~<br />
Wolfsburg 1961: Hempe!.) 11 S. 8 ° [Umschlagt.)<br />
181. Hartmann. Wilhelm: Schloß Wrlsbergholzen im Bild 1589. In: Alt-Hildesheim.<br />
H. 32. 1961. S. 64-65.<br />
182. Pi a t sc he c k: Das neue Wasserwerk Wulfersdorf. In: BKB - Mitteilungen.<br />
9. 1961. S. 3-9. 14 Abb.<br />
BevölkeruHgs- "Hd PersoHeHgeschichte<br />
s. auch Nr. 121.<br />
183. Eng el k e. Fred [Hrsg.): Große Niedersachsen. Geistestaten - Lebensfahrten -<br />
Abenteuer. München: Aufstieg-VerI. (1961). 286 S. 8 o.<br />
(Darin u .•. : Heinrich I. - O.to I. - Rorwltha von Candersheim. - Heinrich der Löwe. - Till<br />
Eulen.piegel. - Gotthold Ephraim Lessing. - Herzog Kar! Wilhelm Ferdinand. - Friedrich WHhelm.<br />
der Schwarze Herzog. - Carl FrIedrIch Gauss. - HoHmann v. Fallenleben. - Hermann<br />
Blumenau. - Wilhelm R.abe. - Werner v. Siernen •. - Frledrich Gerstäder. - Heinrich Btissing.<br />
- August HinrIch •. - Ricarda Huch.1<br />
184. Ho n seI man n. Willi: Kirchen- u. familiengeschichtI. Notizen aus einem Missale<br />
der Pfarrei Bevem (Krs. Holzminden). In: Westfälische Zs. Bd 111. 1961.<br />
S. 287-300.<br />
185. Bloß. Otto: Herkunft u. Verbreitung der SoIIinger Glasmachernamen. In:<br />
Northeimer HeimatbI. Jg. 1961. H. Nr 2. S. 45-46.<br />
186. K 0 e n i g. Oskar: Auszüge aus braunschweigischen SchulbesteIIungsakten. Gemeinde<br />
Jerxheim 1616-1826. Gemeinde Lesse 1642-1829. Gemeinde Mahlum<br />
1672 -1878. In: Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft f. Familiengesch. im<br />
Kulturkreis Siemens e. V. Nr 25-28. 1961. S. 9-11. 14-H. 31-34. 52-54.<br />
(Schluß, vgI. Bibliographie 1960. Nr. 204.)<br />
187. Ach e I I s. Thomas Otto: "Braunschweiger" in d~r Kieler UniversitiitsmatrikeI.<br />
In: Norddt. Familienkunde. Jg. 10. H. 4. 1961. S. 235-243.<br />
188. Kr i e ger, Heinz-Bruno: Die Apotheker der Ratsapotheke zu Königslutter am<br />
Elm. In: Familie u. Volk. Jg. 10. H. 6. 1961. S. 515-520.<br />
Arndt. Johann s. Nr. 51.<br />
Callxt. Georg s. Nr. 54.<br />
189. Mahrenhoitz. Hans: Die Ahnen des Freiherrn Gottfried v. Cramm. geb<br />
Nettlingen 7. Juli 1909. In: Norddt. Familienkunde. Jg. 10. H. 1. 1961. S.<br />
137-139. \<br />
190. Pi r sc her. Manfred: Johann Joachim Eschenburg. Ein Beitrag zur Literaturu.<br />
Wissenschaftsgeschichte des 18. Jh. o. O. 1960. 275. XXXI S. 8 ° [Masch.schr .•<br />
hektogr.) Münster (Westf.). Phi!. Diss. v. 7. Jan. 1959.<br />
191. K(arl) F(riedrich) Gauss. Leben und Werk. Hrsg. von Hans Re ich a r d t. Mit<br />
Beitr. von ... Mit Abb. im Text. Berlin : Haude ~ Spener 1960. 251 S. B o.<br />
Gerstäcker s. Nr. 84.<br />
Harenberg. Johann Christoph s. Nr. 16.<br />
Huch s. Nr. 85-86.<br />
192. San der. Erich: Johann Georg von Langen (1699 -1776). Aus: Forstarchiv.<br />
Jg. 32. H. 4. 1961. S. 76-81.<br />
198
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
193. Malkensen von Astfeld und Mackensen. In: Genealog. Handbuch der adeligen<br />
Häuser. Adelige Häuser B. Bd 5. 1961. S. 214-219.<br />
Raabe. Wilhelm s. Nr. 75-83.<br />
194. G run d n er - C u 1 e man n. A[lexander]: Carl Reuß - aus der Chronik einer<br />
Harzer Forstfamilie. In: Unser Harz. Nr 2-3.1961. S. 4-6. 8-10.4 Abb.<br />
Sandfudls, Wilhelm s. Nr. 87.<br />
195. Krieger. Heinz-Bruno: Die Familie Sattler in Königslutter am Elm. In:<br />
Norddt. Familienkunde. Jg. 10. H. 4. 1961. S. 225-229.<br />
196. Me yen. Fritz: Konrad Arnold Sdlmid (1716-1789). Aus: Aus der Welt des<br />
<strong>Bibliothek</strong>ars. Festschrift f. Rudolf luchhoff zum 65. Geburtstag. [1961.] S. 333<br />
-354.<br />
197. 5 pie r. Heinrich: Martin Spier. Pastor zu Bettingerode und Westerode von<br />
1627 bis 1659. In: Zs. f. Nieders. familienkunde. Jg. 36, H. 5. 1961. S. 142-146.<br />
Spohr. louis s. Nr. 90.<br />
198. B 0 den 5 i eck, Gustav K. H.: Autobiographie des Pastors August Theodor<br />
Toegel. (Geb. Gehrenrode. Krs. Gandersheim am 27. 4. 1786. gest. Gr. EIbe,<br />
Krs. Wolfenbüttel 1833.) In: Norddt. Familienkunde. Jg. 10. H. 3. 1961. S. 204<br />
-208.<br />
199. We c h m a r, E.: Die Nach.- oder Sch.arfrichter. auch Abdecker der freien Reich.sstadt<br />
Mühlhausen in Thüringen. In: Familie u. Volk. Jg. 10. H. 1 u. 6. 1961. S.<br />
272-280. 538-545. [5. 541: Johann Christian Vogel. Sohn des Sch.arfrichters<br />
Christoph Vogel zu Gandersheim.]<br />
199
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500<br />
Chronik des Braunschweigismen Gesmimtsvereins<br />
von Mai 1961 bis März 1962<br />
Die Ha u p t ver sam m I u n g des Jahres 1961 fand am 28. Juni im großen Saal<br />
der Gastsätte ~Grüner Jäger" in Braunschweig - Riddagshausen statt. Nach Eröffnung<br />
durch den Vorsitzenden und der Ehrung der verstorbenen Mitglieder gab der Geschäftsführer<br />
den Tätigkeitsbericht. der Schatzmeister den Kassenbericht über das Verein3-<br />
jahr 1960 und der Leiter der Studien fahrten eine Vorschau auf die Arbeit im Sommer<br />
1961. Nach der Kaffeetafel hielt Archivfat Dr. Hans Jürgen Q u e r f u r thein Kurzreferat<br />
über die Geschichte der Gaststätte .Grüner Jäger" :<br />
Die Anfänge der Gaststätte .. Grüner Jäger" gehen auf die Jahre 1738 bis 1744 zurück.<br />
Damals errichtete der Oberamtmann Selig am Rande der Buchhorst einen Schießstand<br />
und eine Laube und erweiterte diese Anlage durch Gärten mit einer Grotte und<br />
einem Gärtnerhaus. in dem auch Besucher bewirtet wurden. 1748 wurde dies ganze Gelände<br />
dem Oberamtmann Selig zu Erbenzins übertragen. Etwa um 1760 ist dafür auch<br />
der Name .Grüner Jäger" belegt. 1761 fiel es von den Erben des Oberamtmanns<br />
Selig an die Klosterratsstube zurück. die es dann im Laufe der folgenden Jahrzehnte<br />
mehrfach verpachtete. Um 1775 wird die Anlage einer Kegelbahn erwähnt. In dem<br />
Pachtvertrag von 1777 sind aufgeführt: ein Wohnhaus. ein Stall. eine Grotte. eine<br />
lange Laube. eine Schieß laube. eine Kegelbahn und ein Backhaus. Im Jahre 1807 wird<br />
die Gaststätte. die inzwischen zu einem beliebten Ausflugsziel der Braunschweiger geworden<br />
war. von dem französischem Dichter StendhaI. der in diesem Jahre als Beamter<br />
der französischen Besatzungsarmee in Braunschweig eingesetzt war. mehrfach besucht.<br />
Er berichtet darüber in seinem Tagebuch. z. B. unter dem 30. Juni 1807. Sein Aufenthalt<br />
im .. Grünen Jäger" und das dortige Zusammensein mit seinen Braunschweiger Bekannten<br />
hat großen Eindruck bei ihm hinterlassen. In seinem später verfaßten Roman<br />
.. Luden Leuwen" ist von einer Gaststätte .. Der Grüne Jäger" die Rede. Es heißt sogar.<br />
daß er diesen Roman ursprünglich .Der Grüne Jäger" nennen wollte. 1826 erfolgte<br />
ein Neubau der Gebäude der Gaststätte. die weiter von den Braunschweigern gern besucht<br />
wurde. Als 1872 die Bahnstrecke Braunschweig-Känigslutter gebaut wurde. mußte<br />
der bis dahin zur Gaststätte gehörende Schießstand aufgegeben werden. 1885 errichtete<br />
die Bahn die Haltestelle .. Grüner Jäger". Schon vorher. im Jahre 1882. übernahm<br />
Adolf Frick als Gastwirt den .GrÜnen Jäger". den er jahrzehntelang leitete. Gleich im<br />
ersten Jahrzehnt seiner dortigen Tätigkeit wurde die Gaststätte wieder durch eine<br />
Persönlichkeit der Literaturgeschichte berühmt. nämlich durch Wilhelm Raabe. Die<br />
Kleiderseller verkehrten in den Jahren 1882 bis 1892 regelmäßig im .GrÜnen Jäger".<br />
Raabe selbst als Mitglied dieses Vereins hat eine humorvolle Zeichnung entworfen. die<br />
den Zug der Kleiderseller zum .. Grünen Jäger" darstellt. Auch später rissen die Beziehungen<br />
Raabes zum .Grünen Jäger" und seinem Wirt Adolf Frick nicht ab. Es wurde<br />
eine Feier des 75. Geburtstages von Wilhelm Raabe dort veranstaltet. 1897 erfolgte<br />
eine Erweiterung des Gaststättengebäudes. 1933 wurde das Kleiderseller-Zimmer neu<br />
gestaltet. Vor dem 2. Weltkrieg wurde der ~Grüne Jäger" wiederum völlig umgebaut<br />
und erhielt seine heutige Gestalt. Im Kriege selbst diente er als Hilfslazarett und nach<br />
dem Kriege als Unterkunft für Flüchtlinge. bis er nach gründlicher Renovierung wieder<br />
zur Gaststätte gemacht wurde unter Leitung von Christi an Tietje.<br />
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Die erste Studienfahrt führte am Sonnabend. dem 27. Mai 1961. nach B run s<br />
hau sen bei Gandersheim zur Besichtigung der unter Leitung von Dr. Goetting und<br />
Dr. Niquet auf dem früheren Klostergelände durchgeführten Grabungen. die wertvolle<br />
Aufschlüsse für die Frühgeschichte unserer Heimat erhoffen lassen. Dr. Go e t tin g<br />
erläuterte zunächst die Lage der Grahungsstelle auf dem das Durchbruchstal der<br />
Gande einengenden Sporn. auf dessen Westseite in früher Zeit die wichtige Straße von<br />
Frankfurt nach Hildesheim zog. die in ihrem weiteren Verlauf das alte Kloster Lamspringe<br />
und Salzdetfurth berührt. Auf diesem Talspom. der den Paß zwischen der<br />
Heberbörde im Norden. dem frühesten Sitz der Familie der Liudolfinger. und der Harzbörde<br />
im Süden beherrscht. stand die älteste klösterliche Niederlassung im südlichen<br />
Niedersachsen. Schon vor 785 stellten die Liudolfinger der Reichsabtei Fulda einen hier<br />
zu vermutenden Herrenhof zur Errichtung eines Missionsklosters zur Verfügung. Als<br />
dann der der gleichen Familie angehörende spätere Sachsenherzog Liudolf vor 850 das<br />
Familienstift und spätere Reichsstift Gandersheim gründete. fanden die Kanonissen<br />
hier bei dem älteren Fuldaer Missionskloster St. Bonifatii von 852 bis 881 eine vorläufige<br />
Unterkunft. Das im 10 Jh. an Gandersheim übergegangene Benediktinerkloster<br />
Brunshausen wurde um 1200 in ein Benediktiner-Nonnenkloster umgewandelt; die mit<br />
Benutzung älterer Anlagen in der Mitte deo 15. Jahrhunderts erbaute gotische Klosterkirche<br />
ist leider heute dem Verfall nahe.<br />
Die Ausgrabungen. die sich über mehrere Jahre erstrecken werden. wurden in der<br />
Nordwestecke des ehemaligen Klostergeländes im sogenannten .Großen Garten" angesetzt.<br />
Hier stieß Dr. N i q u e t auf die mörtellosen Grundmauern eines größeren. aus<br />
drei Räumen bestehenden Bauwerkes. dessen Zweck bestimmung noch nicht geklärt<br />
werden konnte. das aber sicher nicht kirchlichen Zwecken gedient hat. Wertvoll waren<br />
die hier und in mehreren ausgegrabenen Hütten und Abfallgruben gefundenen Scherben<br />
des 8. Jahrhunderts. einer in Niedersachsen bisher unbekannten Drehscheibenware.<br />
wie sie auch in den ältesten Horizonten der Fuldaer Grabungen und auf dem Büraberg<br />
vorkommt. Nach der Kaffeetafel am schön gelegenen Osterbergsee führten Pastor Dr.<br />
Kronenberg und Dr. Goetting die Teilnehmer durch die Gandersheimer Stiftskirche.<br />
wobei ersterer besonders auf die Zusammenhänge zwischen der Baugestaltung und der<br />
Ordnung des mittelalterlichen Gottesdienstes aufmerksam machte.<br />
Die zweite Studienfahrt am Sonntag. dem 20. August 1961. machte uns bei schönstem<br />
Sonnenschein mit dem Eie h s f eId bekannt. Schon die Anfahrt durch den Harz<br />
bot zwischen Langelsheim und Osterode eindrucksvolle Landschaftsbilder. nicht minder<br />
dann die R h u m e quelle. wo Dr. Th. M ü I I e r die Entstehung dieser größten deutschen<br />
Quelle aus der geologischen Gestaltung des westlichen Harzrandes erklärte.<br />
Zunächst aber wurde P ö h I d e erreicht. Auf dem Kirchplatz berichtete Dr. Go e t -<br />
tin g über die bewegte Geschichte der Kaiserpfalz. die hier einst stand. von der aber keine<br />
Baureste auf uns kamen. wenngleich auch hier die geplanten Grabungen sehr wahrscheinlich<br />
wertvolle Ergebnisse bringen werden. Als liudolfingischer Besitz wurde<br />
Pöhlde Reichsgut. Seit König Heinrich I. weilten viele deutsche Kaiser in dieser Pfalz.<br />
oft zur Feier des Weihnacht.festes. allein für Heinrich 11. ist neunmaliger Aufenthalt<br />
bezeugt. Dr. Goetting konnte auf eine ganze Reihe großer Ereignisse der Reichsgeschichte<br />
hinweisen. die sich in Pöhlde 3bgespielt haben. bis das Pöhlder Reichsgut am<br />
westlichen Harzrand in der bekannten Tauschaktion Friedrich Barbarossas 1154 an<br />
Heinrich den Löwen überging. Im Pfalzbezirk lag das von Heinrichs 1. Gemahlin Mathilde<br />
im 10. Jahrhundert gegründete Benediktinerkloster Pöhlde. das mit großen Stiftungen<br />
ausgestattet wurde. Das spätere Prämonstratenserstift. das in den Bauernkriegen<br />
und nochmals im 30jährigen Krieg zerstört wurde. kam mit seinen Besitzungen<br />
ebenfalls in die Hände der Welfen. Eine Wanderung durch den hohen Buchenwald<br />
führte uns dann zu der auf der Höhe des Rotenbergs an einer früh geschichtlichen Straße<br />
gelegenen Burgstätte nKönig Heinrichs Vogelherd". Die von Dr. CI aus durchgeführten<br />
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Grabungen erbrachten hier eine Wehranlage. d.ie im 10. Jh. im Anschluß an einen<br />
älteren Ringwall zum Schutze der Pfalz Pöhlde errichtet sein dürfte.<br />
Auf der weiteren Fahrt durch das Eichsfeld machte Dr. Müll e r auf die Oberflächengestaltung<br />
und die von der Realteilung bestimmte Agrarnutzung aufmerksam.<br />
Nach dem trefflichen Mittagsmahl in Duderstadt besichtigten wir die Stadt. die Hauptstadt<br />
der "Goldenen Mark". die als ursprüngliches Reichsgut von Kaiser Otto 11.<br />
an das Reichsstift Quedlinburg geschenkt wurde. d.:nn im 13. Jahrhundert an die<br />
Welfen und im 14. Jahrhundert an da; Erzbistum Mainz als Lehen kam. bei dem es<br />
bis zur Säkularisation 1803 verblieb. Die Stadt entstand sdlon früh an der Kreuzung<br />
mittelalterlicher Handelsstraßen; sie war mit Braunschweiger Stadtrecht ausgestattet.<br />
Die wirtschaftliche Bedeutung Duderstadts im ausgehenden Mittelalter spiegelt sich<br />
im wohl erhaltenen Stadtbild: dem eigenartigen Rathaus. den beiden mächtigen gotischen<br />
Hallenkirchen. den langen Zeilen buntbemalter Fachwerkhäuser. Ein Gang<br />
über den erhaltenen Stadtwail des 16. Jahrhunderts bot immer wieder überraschende<br />
Ausblicke auf das Häuser- und Dächergewirr der Altstadt. Den Abschluß dieser<br />
besonders abwechslungsreichen Fahrt bildete ein Besuch der Ru i n e S c h a r z fe I s<br />
am südlichen Harzrand. Nach recht mühsamem Aufstieg zu der auf steilem Fels<br />
thronenden Burg berichtete Dr. Go e t tin g anschaulich. von alten Plänen unterstützt.<br />
über die reiche und wechselvolle Geschichte dieser als uneinnehmbar geltenden<br />
Reichsburg. die im 14. Jahrhundert an die Grafen von Hohnstein und nach deren Aussterben<br />
1>93 in den Besitz des Welfenhauses gelangte. In der im 17. Jahrhundert als<br />
Staatsgefängnis benutzten Burg wurde auch die Vertraute der Kurfürstin Sophie Dorothea<br />
von Hannover. Eleonore v. d. Knesebeck. bis zu ihrer abenteuerlichen Flucht im<br />
November 1697 in Haft gehalten. Erst im 7jährigen Krieg wurde die Burg Scharzfels<br />
1761 von französischen Truppen zerstört. Doch geben noch d.ie Trümmer ein deutliches<br />
Bild dieser mächtigen Bergfeste.<br />
Die dritte Studienfahrt führte an einem sonnendurchleuchteten Herbsttag am<br />
Sonnabend. dem 16. September 1961. nach Alt e nc e 11 e. Auf dem hohen Wall der<br />
Nienburg. der den Blick in das breite Allertal freigibt. sprach Dr. Th. Müll e r über<br />
die Geschichte dieser längst verschwundenen Stadt. die ihre Entstehung und Entwicklung<br />
der im frühen Mittelalter so außerordentlich bedeutsamen Handelsschiffahrt auf<br />
Oker. Aller und Weser verdankte. Die auf einer einst von der Aller umflossenen<br />
Geestnase liegende Nienburg war möglicherweise ein fränkischer Königshof. Der 500 m<br />
nördlich von ihr unmittelbar am steilen Geestrand gelegene Rundwall stammt den<br />
Scherbenfunden nach aus dem 10. Jahrhundert. In ihm errichtete der Brunone Bruno VI.<br />
um 986 eine feste Burg. die über Lothar von Süpplingenburg an die Welfen kam.<br />
Nördlich der Burg lag am Westufer der Aller eine Handelsniederlassung. deren Lage<br />
durch die heute weit außerhalb des Dorfes befindliche Gertrudenkirche. wahrscheinlich<br />
eine Stiftung Heinrichs des Löwen. angedeutet und durch zahlreiche Flurnamen wie<br />
Wort. Meßdor. Dorenstrate oder Neumarkt bestätigt wird. Durch Burg und Handelsplatz<br />
entwickelte sich Altencelle zum Vorort der Südheide. Als Braunschweig um d.ie<br />
Mitte des 12. Jahrhunderts das Recht der freien Schiffahrt zur Nordsee erhielt. wurde<br />
Celle als einziger Stapelplatz. Umschlag- und Zollstätte bestimmt. Damals besaß<br />
Celle auch das Münzrecht und damit wohl auch das Marktprivileg: Stadtrecht erhielt<br />
es vor 1249. Rücksichten auf die Schiffahrt waren es auch. die den Herzog Otto den<br />
Strengen bewogen. 1292 Burg und Stadt weiter flußabwärts nach dem heutigen Celle<br />
ZU verlegen und die Bürger aufzufordern. in die neue Stadt umzusiedeln. Als Residenz<br />
des Fürstentums Lüneburg wurde der neuen Stadt eine schnelle Entwicklung beschert.<br />
Wir unternahmen einen Rundgang durch die Altstadt. deren geschlossenes spätmittelalterliches<br />
Bild den empfänglichen Beschauer immer wieder auf das tiefste beeindruckt.<br />
Besonders erfreulich war die Feststellung. daß die Celler Stadtverwaltung einsichtsvoll<br />
und tatkräftig für die Erhaltung dieses in seiner Art einmaligen Stadtbildes eintritt<br />
und bisher erfolgreich störende Neubauten verhindern konnte.<br />
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Der erste Vortrag des Winterhalbjahres 1961/62 am Freitag. dem 13. Oktober,<br />
galt dem Thema H 100 Jahre Staatstheater am Wall" (482. Sitzung seit 1901). Professor<br />
Albert T rap p führte u. a. folgendes aus:<br />
Am 1. Oktober 1861 wurde das Hoftheater am Wall eröffnet. nachdem das alte<br />
Opernhaus am Hagenmarkt - errichtet 1690 von Herzog Anton U1rich - aus feuerpolizeilichen<br />
Gründen geschlossen war. Das neue Haus. für des~en Bau der Landtag<br />
1. 35 Millionen bewilligt hatte, wurde nach dem Entwurf des Baumeisters Hermann<br />
Wolf aus Oels in f10rentinischer Renaissance aufgeführt. Der Platz im herzoglichen<br />
Park war in städtebaulicher Hinsicht gut gewählt; denn der würfelähnliche Baukörper<br />
bildet seitdem einen wirkungsvollen Akzent im Zuge der Wallanlagen sowie als Abschluß<br />
des Steinwegs.<br />
Den Kern des Gebäudes, nämlich Bühne und Zuschauerraum. umschlossen damals.<br />
und umschließen heute. Verwaltungszimmer, Obungssäle. Probebühne und Malersaal.<br />
Drei Haupteingänge führten ursprünglich ins Haus: dem Steinweg gegenüber die Portale<br />
für das Publikum, an der Südseite die jetzt verschwundene Auffahrtsrampe für<br />
den herzoglichen Hof und an der Nordseite der schmale Eingang für das Bühnenpersonal.<br />
Durch ein Vestibül gelangte man in das geteilte Parkett sowie zu den vier parallel<br />
angeordneten Rängen. Vor dem Proscenium befanden sich links und rechts die Fürstenund<br />
Intendantenlogen. Ein Kronleuchter mit 150 Gaslampen spendete Helle, und der<br />
Vorhang aus dem Opernhaus trennte Bühne und Zuschauerraum. Die Bühne besaß eine<br />
Tiefe von 25 m und war mit einer vortrefflichen Versenkungsmaschinerie ausgestattet.<br />
Wegen der Feuersgefahr errichtete man im Park ein Kulissenhaus.<br />
Dieser Grundriß blieb im wesentlichen erhalten. als man 1902 1 04 das Innere des<br />
Hauses völlig erneuerte. Es geschah wiederum aus feuerpolizeilichen Gründen. Eiserner<br />
Vorhang und eiserne Türen schlossen nunmehr bei Brandgefahr die einzelnen Räume<br />
voneinander ab. Elektrische Beleuchtung und technische Verbesserungen sicherten und<br />
erleichterten den Ablauf der Vorstellungen. Im Zuschauerraum verschwand der durchlaufende<br />
vierte Rang zugunsten einer guckkasten ähnlich '/erkleinerten Galerie. und die<br />
Ausstattung in Rot und Gold gab dem völlig veränderten Raum einen vornehmen.<br />
warmen Ton. Für jeden Rang wurde ein gesondertes Treppenhaus errichtet. um bei<br />
etwaiger Gefahr ein reibungsloses Verlassen des Theaters zu ermöglichen. Selbstverständlich<br />
wurden im Laufe der nächsten Jahre - entsprechend den Fortschritten der<br />
Bühnentechnik - zweckmäßige Anlagen eingebaut. die wiederum den schnellen Szenenwechsel<br />
erleichterten und den künstlerischen F.indruck einer Aufführung verstärkten.<br />
Dazu dienten der Einbau einer Doppelstock - Drehbühne sowie die Anschaffung eines<br />
Wolkenapparats und eines Rundhorizonts.<br />
Der zweite Weltkrieg mit seinen ständig zunehmenden Luftangriffen bedrohte<br />
immer heftiger die Stadt Braunschweig und dadurch auch das Gebäude unseres Staatstheaters.<br />
Zwar wurden im Keller Luftschutzräume eingerichtet, Wachmannschaften organisiert<br />
und Alarmsignale geschaffen. sie konnten jedoch die Gefahr nicht bannen.<br />
Bereits am 10. Februar 1944 fielen Bomben in den Ostflügel, dank der Tapferkeit<br />
opferbereiter Mitglieder wurde der ausbrechende Brand rechtzeitig gelöscht. Nicht so<br />
erfolgreich gelang am 15. Oktober desselben Jahres die Abwehr des ungleich heftigeren<br />
Angriffs englischer Flieger. Unzählige Brandbomben zerstörten Bühne und Zuschauerraum<br />
und machten jeden Rettungsversuch unmöglich.<br />
Nach dem Zusammenbruch wurde von maßgebenden Stellen der Wiederaufbau erwogen<br />
und dank der Initiative der Regierung während der nächsten Jahre, also von<br />
1946-48, schrittweise ausgeführt. Unterdessen fand man in der Turnhalle der Kanthochschule<br />
den Ort, wo auf einer Behelfsbühne Oper und Schauspiel liebevoll gepflegt<br />
wurden und sogar die Sinfoniekonzerte ein großes Publikum anlockten. Am 25. Dezember<br />
1949 eröffnete man das "Große Haus" mit einer Aufführung von Mozarts<br />
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"Don Giovanni" und stellte damit den theaterliebenden Braunschweigern ihre Stätte<br />
der Bühnenkunst wieder zur Verfügung<br />
Die Geschichte des hundertjährigen Gebäudes schließt in sich die Geschichte einer<br />
hundertjährigen künstlerischen Arbeit. Am 2. Oktober 1861. dem Tage der Erstaufführung<br />
des • Tannhäuser". zog Richard Wagner in Braunschweig ein. Daß es so spät<br />
geschah und dann nur in größeren Zwischenräumen. lag vornehmlich am Herrn des<br />
Hauses. dem Herzog Wilhelm. Immerhin bleibt es dem Generalintendanten v. Rudolphi<br />
sowie seinem Hofkapellmeister Franz Abt zu danken. daB während der nächsten<br />
zwanzig Jahre die Werke des Bayreuther Meisters immer häufiger im Rampenlicht<br />
erschienen.<br />
Beiden Männern gelang es außerdem. das Aufführungrecht des ganzen "Ring" zu<br />
erwerben. Braunschweig wurde die vierte Theaterstadt. wo 1878/79 die Tetralogie über<br />
die Bühne ging. Nachdem 1894 unter Hermann Riedel der .. Tristan" und 1921 unter<br />
Carl Pohlig der .. Parsifai" aufgeführt worden war. hatten die Braunschweiger das gesamte<br />
OpernschaffcR Wagncrs kennengelcmt.<br />
Die nach 1890 folgende Epoche stand im Zeichen von Richard Strauß. Sie wurde<br />
geleitet von den Intendanten Julius v. Wangenheim und Egbert von Frankenberg. Die<br />
Hofkapellmeister Richard Hagel und Carl Pohlig brachten .Ariadne" ... Salome" und<br />
den "Rosenkavalier" heraus. während die Nachfolger mit "Intermezzo" und .. Arabella"<br />
glänzten. Diese stolze Reihe wurde erg:inzt durch Opern von d' Albert. Mascagni.<br />
Leoncavallo und Puccini. denen sich diejenigen von Werner Egk. Carl OrH und<br />
anderen jungen Komponisten ansd,lossen.<br />
Auch im Schauspiel bekam der Plan ein neues Gesicht. Neben Klassikern wie Shakespeare<br />
(Königsdramen) standen nun die Namen zeitgenössischer Dichter auf den<br />
Theaterzetteln. Das naturalistisdle und gesellschaftskritische Drama bewt'gte die Besucher.<br />
wir erinnern nur an lbsen. Björnson. Hauptmann und Sudermann.<br />
Nach 1918 übernahmen Männer vom .. Bau". also fachgerecht ausgebildete Persönlichkeiten.<br />
die Leitung der Braunsmweiger Bühne; denn aus dem Hoftheater war ein<br />
Landestheater geworden. wurde 1936 ein Staatstheater.<br />
Unter den sich ablösenden Intendanten Dr. Hans Kaufmann. Dr. Ludwig Neubeck.<br />
Dr. Thur Himmighofen. Dr. Alexander Schum. Dr. Jost Dahmen. Bruno Walter lltz<br />
und Hermann Kühn wirkten hervorragende Sänger und Schauspieler. deren Namen<br />
nom heute lebendig sind. In der Oper waren es Hermann Schroetter. Johanna Andree.<br />
Willi Cronberger. Hermann Noeldechen. Martin Koegel. Rudolf Schock. Christian<br />
Wahle. MarceIl Wittrism. Valentin Haller und Albine Nagel; im Schauspiel Oskar<br />
Fischer. Wilhelm Mewes. Georg Gaedecke. Hermann Me~mer. Albert Ulrim. Albert<br />
Preuß. Casimir Paris. Albert Smläger. Irma Scarla und bis in unsere Tage Hella Kaiser<br />
und Ingeborg Rieh!.<br />
Nach dem ersten Weltkrieg klopfte eine neue Generation an die Bühnentür; ehemals<br />
verpönte Stücke ersmienen Im Spielplan und wurden seit 1921 im sogenannten<br />
"Kleinen Haus" und zwar als "Kammerspiele" im jetzt versmwundenem Schloß am<br />
Bohlweg einem anspruchsvollen Publikum zur Debatte gestellt. Gleimzeitig entstand<br />
die Vereinigung "Freie Volksbühne". Sie brachte bisher theaterfremde Kreise ins Haus.<br />
Der zweite Weltkrieg - anfangs die Musen duldend. sie sogar fördernd - artete<br />
in einen .Totalen Krieg" aus. unter dessen Auswirkungen sämtlime Theater. also aum<br />
die Braunsmweiger Bühne. 1944 ihre Pfort~n smlossen. Erst nam dem militärismen<br />
und politischen Zusammenbruch wurde nam Überwindung vieler Smwierigkeiten die<br />
künstlerisme Arbeit auf der Behelfsbühne in der Kanthochschule wiederaufgenommen.<br />
Sie konnte sim jedom erst in vollem Umfang entfalten. namdem das .. Große Haus"<br />
1949 wiederhergestellt und im ehemaligen Luftgaukommando am Stadtpark ein<br />
sogenanntes "Kleines Haus" eröffnet worden war.<br />
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Staatsbankpräsident i. R. Dr. Werner K ü ehe nt haI sprach am 17. November<br />
über .Die Dörfer Hedeper. Wetzleben und Semmenstedt" (483. Sitzung):<br />
Die älteste Original urkunde. in der Hedeper erwähnt wird. ist die Urkunde Friedrich<br />
Barbarossas von 11 8 8. in der das Dorf "Hadebere" genannt ist. dann folgt die<br />
zweite Originalurkunde aus dem Jahre 1189. in der das Dorf "Hathebere" heißt. Der<br />
Name ist dann vielfach verändert überliefert. Wetzleben wird in der Originalurkunde<br />
Ottos 111. von 994 "Viudisleuu" und in der Originalurkunde Kaiser Heinrichs IV.<br />
"Witesleib" genannt. Auch. dieser Name hat sich im Laufe der Jahrhunderte vielbch<br />
geändert. Semmenstedt wird in der Urkunde Heinrichs 11. von 1022 in Verbindung mit<br />
einem späteren Güterverzeichnis .Zemmenstidde" und in dem Privileg des Papstes<br />
Leo IX. von 1049 "Scemmenstede" genannt. Der Name ist auch hier vielfach Änderungen<br />
unterworfen gewesen.<br />
Bei dem Semmenstedter und Wetzleber Besitz hat es sich wohl allgemein und bei<br />
Hedeper nur zu einem kleinen Teil um alten Streubesitz. nämlich Allodial- oder Lehnsbesitz<br />
der Liudolfinger. gehandelt. die ihren Stammsitz im Tale der Gande bei Altgandersheim<br />
in der sog. Heberbörde hatten. Durch die Vereinigung des Hausgutes mit<br />
dem vorhandenen Königsgut wurde der Liudolfingerbesitz ebenfalls Königsgut und<br />
ging dann nach Aussterben der Ottonen auf die Salier über. so daß diese über Besitz<br />
in unserer Gegend. dem alten Derlingau. verfügen konnten.<br />
Der Vortragende schilderte die lage der drei Dörfer in der Nähe der Asse und des<br />
Großen Bruches sowie der an den Dörfern vorbeiziehenden Wege und Straßen. insbesondere<br />
der Halberstadt-Braunschweiger Heerstraße. der alten Goslarschen Heerstraße.<br />
die die erstgenannte bei Semmenstedt in der Richtung nach Schöppenstedt schnitt. sowie<br />
schließlich des Weges. den Karl der Große bei seinen Zügen von Ohrum aus nach Magdeburg<br />
über Schöppenstedt benutzt hat und der auf der Karte des Landes Braunschweig<br />
im 18. Jahrhundert verfolgt werden kann und zwischen Semmenstedt und Remlingen<br />
als frühgeschichtlicher Weg vorbeigegangen ist.<br />
Fast überall in den Dörfern erhielten Klöster und Stifter Besitz durch Schenkungen<br />
aus Königsgut oder von Großen. dem sich dann Lehnsbesitz von Adligen zugesellte.<br />
Es befanden sich z. B.: in Hedeper Besitz der Klöster Riddagshausen. Wöltingerode.<br />
des Stiftes St. eyriaci. des Großen Waisenhauses in Braunschweig. in Wetzleben Besitz<br />
der Klöster Stötterlingenburg. St. Michaelis-Hildesheim und des Stiftes St. Blasii-Braunschweig<br />
und des Stiftes 5t. Petersberg in Goslar. in Semmenstedt Besitz des Klosters<br />
St. Michaelis-Hildesheim. des Domstifte$ St. Simonis et Judae in Goslar und des Stiftes<br />
5t. Blasii in Braunschweig. Die örtlichen gei$tlichen Institute. wie die Kirchen. Pfarren.<br />
Ptarrwitwentümer. die Schulen. wurden gleichfalls dotiert. Der Zeitpunkt der Erbauung<br />
der drei Kirchen war nicht festzustellen. Interessant ist. daß als Patron der Kirche in<br />
Hedeper der Papst galt.<br />
I<br />
Es verdient festgehalten zu werden. daß sich in Hedeper schon seit 1426 der<br />
"Burghof" in den Händen der Familie BöteI befindet. Die vor dem Burghofe gelegene<br />
Kapelle. ein geistliches Lehen der Herren von der Asseburg. war nicht ver lehnt. sie ist<br />
später verfallen und ihr Raum mit zum Wohnhaus genommen. Weiterhin. daß Wetzleben<br />
etwa 400 Jahre Junkerdorf war. zunächst derer v. Sambleben und später derer<br />
von Schwarzkoppen. Schließlich. daß in 5emmenstedt die Namen zweier Fluren. unmittelbar<br />
östlich des Dorfes. nämlich .auf der Burg" und .Burgwanne" auf eine recht<br />
alte Burg hindeuten. daß es dort 2 Bergfriede gab. 3 caminatae lapideae. daß der<br />
Haupthof des Goslarer Domstifts später ein Meierhof wurde und daß auf der Hofstelle.<br />
heute Nr. ass. 32. der Landwirt U. Quidde sitzt.<br />
Von Bedeutung war. daß der zum Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel gehörige<br />
Bezirk "Asseburger Gericht". zu dem lange Zeit Hedeper und 5emmenstedt und kurze<br />
Zeit auch Wetzleben gehörten. von 1331 an. mit einer Unterbrechung von 14 Jahren.<br />
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224 Jahre lang bis 1569 der Stadt Braunschweig überlassen war. Als Herzog Heinrich<br />
der Jüngere gegen Zahlung des Pfandschillings den Gerichtsbezirk bei der Stadt Braunschweig<br />
einlösen wollte. lehnte diese die Rückgabe ab. Es kam zum Prozeß beim Reichskammergericht.<br />
das aber keine Entscheidung fällte. Heinrich der Jüngere verstarb. und<br />
erst Herzog Julius erwarb den Bezirk zurück. Die Stadt hatte behauptet. der Bezirk<br />
wäre nicht verpfändet gewesen und wäre ihr .Eigen" geworden.<br />
Ende des Jahres 1961 erschien Band 42 des B rau n s c h w e i gis ehe n J a h r<br />
b u c h s im vermehrten Umfang von 184 Seiten.<br />
Den ersten Vortrag Im neuen Jahr hielt Dozent Heinrich K e une - Giclde am 12.<br />
Januar 1962. Er behandelte das Thema "Vom alten Dorf zur landgemeinde. Ober die<br />
inneren Wandlungen ostfälischer Dörfer." (484. Sitzung):<br />
Das 20. Jahrhundert ist das Zeitalter größter Völkerwanderungen. Das Durcheinandergewürfeltwerden<br />
der Menschen in unserer Zeit läßt leicht eine große Wanderung<br />
ganz anderer Art in Mitteleuropa übersehen. die seit mehr als hundert Jahren einen<br />
bedeutenden soziologischen Wandel zur Folge hatte. nämlich die Umwandlung der Bevölkerung<br />
von der alten Agrargesellschaft zur modernen industriellen Massengesellschaft.<br />
Seit dem Anfang des vorigen Jahrhunderts sind einzelne Personen oder auch einzelne<br />
Familien aus ihren .. Urheimaten" in den Dörfern aufgebrochen und haben sich<br />
in größeren Wohngebieten 2'U neuen Gesellschaften formiert. Vor 1800 lebten mehr als<br />
80 Prozent der Menschen in Räumen. die auch ihre Vorfahren schon viele Jahrhunderte<br />
vorher ständig bewohnt hatten. Bei vielen alteingesessenen Familien unseres<br />
Gebietes kann man annehmen, daß ihre Blutlinien bis in germanische Zeiten zurückgehen.<br />
Größere Störungen durch Massenzuwanderung sind bei uns seit der Völkerwanderung<br />
nicht zu erkennen.<br />
Untersucht man diese alte Gesellschaft, so stellt m:m fest, daß mehr als 75 Prozent<br />
der Menschen in den Dörfern und zugleich mit der Nachbarschaft verwandt sind. Von<br />
erheblicher Bedeutung, ja geradezu die Grundlage des Zusammenlebens der Menschen,<br />
ist das Wissen um das Verwandtsein. Selbst das Geschichtsbewußtsein vollzieht sidt im<br />
Denken in Generationen, wobei bemerkt werden muß, daß unsere Vorfahren buchstäblich<br />
bis in das siebente Glied zurückdenken. Verwandtsdtaften erkennen konnten und<br />
sie audt pflegten. Wer nicht zu dieser Urverwandtschaft gehörte, blieb ein Fremder.<br />
Die Bindungen untereinander wurden noch verstärkt durch die Einheitlichkeit des<br />
Berufs. nämlich dem des landwirts. der alle anderen Berufe beherrschte. Heimtskreise<br />
und damit Schichtungen in der Bevölkerung sind kaum vorhanden. So finden wir Söhne<br />
und Töchter von größeren und großen Höfen audt auf kleineren und kleinsten wieder.<br />
Hier wirkte sich das unerbittliche Gesetz aus. daß im allgemeinen nur der heiraten<br />
konnte. der in eine Haus- oder HofsteIle einheiratete. Ehepartner wurden nach uralten<br />
Gesetzen von den Eltern und der Verwandtschaft bestimmt. Das Wissen um das<br />
Verwandtsein im alten Bauerntum trug alle alten Gesellschaftsformen. Sie fanden ihren<br />
Ausdruck in Sitte und Brauchtum. in Feiern und Festen. in Kleidung und Tracht. im<br />
einheitlichen Hausbau. im Erziehungswesen (das ganze Dorf erzog die Jugend), in<br />
Kirche und Schule, in der Bewahrung der Mundart und im Festhalten an vielen althergebrachten<br />
Formen. Nur diese Gesellschaft konnte auch eine echte Gemeinschaft entwickeln,<br />
von der man noch 100 Jahre später träumte. Die Romantik, mit der die Ausgewanderten<br />
diese ländliche Welt umgaben. hatte hier ihre tiefsten Grundlagen. Die<br />
Sehnsucht nach der alten Heimat hat eine Fülle von schöpferischen Werken auf vielen<br />
Gebieten (u. a. auch Volkslieder) hervorgcbracht.<br />
Das 19. Jahrhundert ist die revolutionäre Zeit des Dorfes. Mit dem Ablösen der<br />
alten lasten und Dienste kommt der landwirt zum Bewußtsein des Eigentums. Bis zu<br />
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50 Prozent der Höfe gehen ein. neue Berufe kommen auf und bringen andere Menschen<br />
in das Dorf. Die Überfremdung beginnt. Die revoluticnäre Entwicklung der Landwirtschaft<br />
läßt die Zahl der Mitarbeiter auf den Höfen sehr stark anwachsen; die Bauern<br />
werden zu .. Herren" und setzen jetzt patriarchalisch ihre Mitarbeiter ein und betreuen<br />
sie zugleich. Im Dorf entsteht eine Schichtung. die in der Landwirtschaft zur Gruppenbildung<br />
nach Hofgrößen führt. aber auch zum Absetzen gegenüber Untergebenen und<br />
anderen Bevölkerungsteilen. Aus dem alten .. Du" entsteht als Zwischenfonn .Ihr" und<br />
später das .Sie". Es bleibt aus der alten Gesellschaft etwa der Ausdruck .. Onkel" und<br />
.. Tante". Formen. die erst in der Gegenwart verschwinden.<br />
Im modernen Dorf unseres Raumes macht die landwirtschaft im allgemeinen nicht<br />
mehr als 20 Prozent des Bevälkerungsanteils aus. Mehr als 75 Prozent der Bewohner<br />
sind von der Landwirtschaft unabhängig. Sie erkennen aber immer noch die landwirtschaft<br />
als führend in den Dörfern an; leider hat der Bauer noch nicht überall den Mut<br />
zum Brückenschlag zu diesen neuen Bevölkerungsschichten gefunden. Die alten Gemeinschaftskräfte.<br />
die aus dem Wissen um das Verwandtsein kamen. sind zerbrochen; entstanden<br />
sind neue Gemeinschaftsformen. die dem Bereiche des Mitmenschen entstammen.<br />
Die Überschaubarkeit und die Einschaubarkeit in das leben jedes einzelnen lassen<br />
das Mitmenschliche stärker zur Entfaltung kommen und machen aus dem modemen<br />
Dorf eine Schicksalsgemeinschaft. Die Landgemeinde in unserer Zeit ist keine .. Kleinst~dt";<br />
sie hat eigene innere Gesetze. Die Bewohner sind auch nicht verstädtert. vielmehr<br />
hat die technische Zivilisation Stadt und Land durchdrungen und gewandelt. Romantisierung<br />
der ländlichen Welt und Heimattümelei kommen aus städtbchen Bereichen.<br />
Die Dörfer stehen - zumindest in unseren Gebieten - den Städten kulturell und<br />
zivilisatorisch nicht nach; der Vorsprung der Stadt ist relativ. er beruht auf den Möglichkeiten.<br />
die sich aus den Gesetzen der größeren Zahl ergeben (siehe Theater und<br />
andere Kulturinstitute).<br />
Der Verlust der .Geborgenheit". wohl die tragischste Erscheinung im leben des<br />
modernen Menschen. ist im ländlichen Raum noch wenig spürbar. Auch heute noch<br />
sind Geborgenheit im Religiösen. im Gesellschaftlichen (Gemeinschaft) und in der Natur<br />
wertvolle Attribute des Dorfes und seiner Menschen.<br />
Mittelschullehrer i. R. Dr. Theodor Müll e r sprach am 16. Februar 1962 in der<br />
485. Sitzung über .. Stadtdirektor Wilhe1m Bode - Leben und Werk". Hierüber wird<br />
der Vortragende 1963 eine umfassende Darstellung im Rahmen der "Braunschweiger<br />
Werkstücke - Veröffentlichungen aus Archiv. <strong>Bibliothek</strong> und Museum der Stadt"<br />
vorlegen.<br />
Den letzten. gemeinsamen Vortrag des Winterhalbjahrs hielten Staatsarchivrat<br />
Dr. Hans Go e t tin g und Dr. Franz Ni q u e tarn 30. März 1962. Sie sprachen über<br />
"Das älteste niedersächsische Missionskloster Brunshausen bei Bad Gandersheim im<br />
lichte neuerer historischer Forschungen und Ausgrabungen" (486. Sitzung):<br />
An die erste Studienfahrt des Sommers nach Brunshausen (v gl. S. 201) anknüpfend.<br />
stellte der erste Vortragende die Gründung des von ihm durch Urkundenkritik nachgewiesenen<br />
ältesten niedersächsischen Klosters vor 785 in den Zusammenhang der<br />
Reichsgeschichte. indem er die Eingliederung Sachsens in das karolingische Reich. die<br />
bewundernswert folgerichtige und vom einheimischen Adel mitgetragene Organisation<br />
des von den Franken besetzten Landes und die damit unmittelbar zusammenhängende<br />
frühe Christianisierung unseres Gebietes skizzierte. Diese ist vor Errichtung der sächsischen<br />
Bistümer in der Hauptsache von der berühmten Reichsabtei Fulda durchgeführt<br />
worden. der die liudolfinger in Brunshausen. inmitten ihres Herrschaftsbereichs. einen<br />
günstigen Stützpunkt zur Anlage einer Missionszelle zur Verfügung stellten. Brunshausen<br />
hat als abhängiges Außenkloster dann noch bis weit ins 10. Jh. hinein zu<br />
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Fulda in naher Beziehung gestanden. Es ist daher anzunehmen, daß dessen überragende<br />
Bedeutung als eines geistigen Zentrums von europäischem Rang, seine Verdienste<br />
um die handschriftliche Überlieferung antiken und christlichen Geistesgutes<br />
auch das Bonifatiuskloster Brunshausen berührt haben dürften, das noch Ende des 9.<br />
Jhs. eine blühende Schule besessen hat. Leider müssen dessen Archiv und <strong>Bibliothek</strong><br />
als verloren gelten. aber mögliche Brunshäuser Provenienzen werden künftig von der<br />
Handschriftenforschung in Betracht gezogen werden müssen. So kann vielleicht ein von<br />
Dr. Goetting 1947 in Wrisbergholzen. in unmittelbarer Nähe Brunshäuser Klosterbesitzes.<br />
aufgefundenes Handschriftenfragment in der für Fulda typischen angelsächsischen<br />
Schrift (vgl. <strong>Jahrbuch</strong> d. Ges t. nds. Kirchengeschichte 51. 1953, S. 3 H.) dem<br />
bisher unbeachteten Brunshausen zugewiesen werden. - Für die Gründung Brunshausens<br />
im einzelnen und seine weiteren Schicksale darf hier auf die Veröffentlichungen<br />
des Vortragenden in diesem <strong>Jahrbuch</strong> Bd. 31 (1950) S. 11 ff. und in der Harz-Zeitschrift<br />
Bd. 5/6 (1953/54) S. 9 H. verwiesen werden.<br />
Mit Hilfe ausgezeichneter Farblichtbilder machte dann der Ausgräber selbst. Dr.<br />
N i q u e t. mit den bisherigen Ergebnissen der archäologischen Untersuchungen nach<br />
der ersten Hauptgrabung bekannt. Diese erstreckte sich - nach erfolgversprechenden<br />
Probeschnitten im ganzen Bezirk - vor allem auf das westliche Vorgelände des<br />
Klosters. den sog. Großen Garten. Mit der Freilegung eines großen drei räumigen Gebäudefundamentes<br />
und insbesondere mit der Auffindung einwandfrei nach Hessen<br />
weisender Keramik des 8. Jhs. konnten die mit histOrischen Mitteln gewonnenen Ergebnisse<br />
über die Anfänge Brunshausens von der archäologischen Seite her bestätigt<br />
werden. Den geplanten weiteren Grabungen auf dem Klosterhof selbst und in der<br />
Kirche darf man mit Spannung entgegensehen. Ein zusammenfassender Zwischenbericht<br />
über die bisherigen Ausgrabungsergebnisse im einzelnen wird in Kürze an anderer<br />
Stelle veröffentlicht werden.<br />
Richard Moderhack<br />
Theodor Müller<br />
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