Von Gottes Geist berührt, Johannes 16, 5-7.12-3 - Ev.-luth ...
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Pfingstsonntag, 12. Juni 2011, 10 Uhr<br />
St.-Petri-Kirche Langen<br />
Pastor Matthias Clasen<br />
Predigttext: <strong>Johannes</strong> <strong>16</strong>, 5-<strong>7.12</strong>-13<br />
(aus den Abschiedsreden Jesu)<br />
Jesus sprach zu seinen Jüngern:<br />
Jetzt gehe ich hin zu dem,<br />
der mich gesandt hat.<br />
Und niemand von euch fragt mich:<br />
Wo gehst du hin?<br />
Doch weil ich das zu euch gesagt habe,<br />
ist euer Herz voll Trauer.<br />
Aber ich sage euch die Wahrheit:<br />
Es ist gut für euch, dass ich weggehe.<br />
Denn wenn ich nicht weggehe,<br />
kommt der Tröster nicht zu euch.<br />
Wenn ich aber gehe,<br />
will ich ihn zu euch senden. […]<br />
Ich habe euch noch viel zu sagen;<br />
aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen.<br />
Wenn aber jener, der <strong>Geist</strong> der Wahrheit,<br />
kommen wird,<br />
wird er euch in alle Wahrheit leiten.<br />
Denn er wird nicht aus sich selber reden,<br />
sondern was er hören wird,<br />
das wird er reden, und was zukünftig ist,<br />
wird er euch verkündigen. […]<br />
Liebe Gemeinde!<br />
1.<br />
Es ist Pfingsten. Ein großes Fest. Früher<br />
jedenfalls: zwei ganze Feiertage, eine eigene,<br />
besondere Farbe: rot, die Farbe des <strong>Geist</strong>es,<br />
des Blutes, der Liebe, des Feuers und der<br />
Kirche.<br />
Wir haben wirklich etwas zu feiern: den<br />
Geburtstag der Kirche. Damals ging es los.<br />
Da zündete der Funke. Da spürten die Jünger<br />
plötzlich wieder Kraft in sich, eine Kraft von<br />
Gott, nachdem sie sich wochenlang so<br />
schwach und allein gefühlt hatten: Jesus war<br />
fort, ein für allemal: gestorben und begraben.<br />
Ja, und auferstanden – und schließlich<br />
aufgefahren in den Himmel.<br />
Das alles hatte sie umgehauen. Das war zu<br />
viel für sie, wie es so oft einfach zu viel ist,<br />
wenn wir plötzlich mit dem Tod eines lieben<br />
Menschen fertig werden müssen, und wenn<br />
wir noch so fest an die Auferstehung<br />
glauben. Sie konnten lange Zeit einfach nicht<br />
wieder Fuß fassen, fühlten sich leer,<br />
verlassen, mitschuldig auch an diesem<br />
sinnlosen Tod, und was das mit der
Himmelfahrt sollte, das hatten sie erst recht<br />
nicht verstanden.<br />
Und dann plötzlich dieses Brausen, dieser<br />
Ruck, der durch ihre Reihen ging, dieses<br />
deutliche Gefühl: Es ist doch noch nicht alles<br />
zuende. Da wartet noch was, da kommt noch<br />
was, der Tod hat nicht das letzte Wort, und<br />
die Sache Jesu geht weiter. Der Funke springt<br />
über, das Feuer lodert auf ihren Köpfen und<br />
auch in ihren Herzen, die Zunge löst sich und<br />
sie fangen wieder an zu reden, über ihn und<br />
sein Leben und seine Botschaft. Und<br />
plötzlich ist da wieder eine Perspektive! Der<br />
Weg geht doch noch weiter!<br />
2.<br />
Was hatte er gesagt, damals, bei seinem<br />
Abschied? Jetzt gehe ich hin zu dem, der<br />
mich gesandt hat. Das hatten sie noch<br />
verstanden: natürlich meinte er Gott. Ein<br />
schwacher Trost allerdings. Viel schlimmer<br />
war doch, dass er sie verließ und damit auch<br />
alle ihre Hoffnungen starben: auf eine<br />
bessere Welt, ohne Krieg, ohne Gewalt, ohne<br />
Seuchen und Epidemien, ohne Krankheit und<br />
Leid und Tod und Schmerz, auf das Reich<br />
<strong>Gottes</strong> mitten in der Welt. Das mussten sie<br />
wohl mit ihm begraben. Und ihr Herz war<br />
wirklich voll Trauer – wie sollte es anders<br />
sein!<br />
Aber dann diese seltsamen Worte, die ihnen<br />
zunächst so zynisch vorkamen und die sie<br />
erst jetzt allmählich verstanden: Aber ich<br />
sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch,<br />
dass ich weggehe.<br />
Wieso soll das gut sein für uns, dass Jesus<br />
nicht mehr auf der Welt ist? Sähe es dann<br />
nicht ganz anders bei uns aus? Hätte er nicht<br />
längst sein Friedensreich errichtet?<br />
Aufgeräumt auf der Erde? EHEC vertrieben?<br />
Juden, Muslime und Christen, ja alle<br />
Menschen miteinander versöhnt? Den<br />
Hunger besiegt und Energie genug<br />
geschaffen für alle Zeiten, dass niemand<br />
mehr Angst vor dem nächsten GAU haben<br />
muss?<br />
Nein, hat er schon damals gesagt: Wenn ich<br />
nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu<br />
euch. Aber was sollen wir mit dem Tröster,<br />
haben wir gefragt und fragen uns vielleicht<br />
immer noch: Wir wollen doch dich, Jesus,<br />
ganz nah, ganz direkt, ohne Umwege. Du
sollst es richten. Du sollst uns helfen. Wir<br />
wollen nicht, dass du stirbst, dass du gehst,<br />
für immer. Wir wollen dich bei uns behalten!<br />
Wer von uns könnte das nicht verstehen.<br />
Aber das ist nicht der Weg, den Gott geht. Er<br />
geht den menschlichen Weg. Er will es nicht<br />
über unsere Köpfe hinweg regeln. Er will,<br />
dass wir beteiligt sind, dass wir selbst in<br />
Gang kommen, uns wieder bewegen,<br />
losgehen und unseren Mund aufmachen und<br />
von ihm erzählen, von unseren Erfahrungen<br />
mit dem Leben und mit Jesus und mit Gott;<br />
dass wir vom Leben reden und fürs Leben<br />
eintreten, für eine Welt, in der sein Wort<br />
durch unseren Mund laut wird, seine Hilfe<br />
durch unsere Hände geht.<br />
Wozu sonst sollten wir da sein auf dieser<br />
Welt? Er bräuchte uns ja sonst überhaupt<br />
nicht! Die Welt würde sich auch ohne uns<br />
drehen, noch Jahrmillionen…<br />
3.<br />
Und so schickt er seinen <strong>Geist</strong>, den Tröster,<br />
den <strong>Geist</strong> der Wahrheit. Es ist nichts anderes<br />
als der <strong>Geist</strong> Jesu, seine Stimme. Die hören<br />
die Jünger damals in Jerusalem, die weckt sie<br />
auf aus der Trauer und der Lethargie, die<br />
steckt sie an mit dem Feuer der Liebe, die<br />
öffnet ihre Lippen und lässt sie in 100<br />
fremden Sprachen sprechen, so dass von<br />
allen verstanden wird, was Jesus sagen will.<br />
Das ist die Geburtsstunde der Kirche. Die<br />
Jünger tun sich zusammen. Sie haben<br />
plötzlich wieder Mut, spüren neue Kraft. Sie<br />
trauen sich zu predigen, Petrus zuallererst,<br />
der Namenspatron unserer Kirche. Und zwar<br />
so, dass jeder es versteht. Und viele lassen<br />
sich begeistern und umgehend taufen.<br />
4.<br />
Ziemlich unwahrscheinlich klingt das alles,<br />
und vieles ist sicher auch der urchristlichen<br />
Begeisterung des Lukas zuzuschreiben, der<br />
diese Pfingstgeschichte überliefert. Aber es<br />
muss wirklich etwas ganz Besonderes<br />
geschehen sein damals. Anders ist es gar<br />
nicht zu erklären, dass diese kleine,<br />
unbedeutende jüdische Sekte eines armen, als<br />
Verbrecher hingerichteten Wanderpredigers<br />
sich so rasend schnell verbreitet hat, sich<br />
gegen allen Widerstand und Verfolgung<br />
durch das mächtige römische Reich<br />
durchgesetzt hat, und bis heute so eine starke
Kraft hat, dass zwei Milliarden Menschen auf<br />
der ganzen Welt sich Christen nennen und<br />
heute Morgen mit uns das Pfingstfest feiern.<br />
Letztendlich zu erklären ist das nicht, und es<br />
gab schlimme Phasen in der Geschichte der<br />
Kirche, die hatten mit Jesus und seiner<br />
Botschaft gar nichts zu tun, für die muss man<br />
sich schämen als Christ.<br />
Um so erstaunlicher ist es,<br />
dass es die Kirche immer noch gibt;<br />
dass der Glaube an Jesus Christus immer<br />
noch so eine starke Ausstrahlung hat und<br />
im Großen und Ganzen in aller Welt als<br />
friedensstiftende Kraft anerkannt und<br />
geschätzt wird,<br />
dass bei uns immer noch fast alle Kinder<br />
christlicher Eltern getauft und konfirmiert<br />
werden, denn das tun sie nicht nur wegen<br />
des Geldes;<br />
und nicht zuletzt: dass es selbst in Langen<br />
eine lebendige und aufgeweckte<br />
Kirchengemeinde gibt, seit einem halben<br />
Jahrhundert immerhin.<br />
Ich glaube, das alles hat etwas mit dem<br />
großen Versprechen zu tun, das Jesus seinen<br />
Jüngern macht: Ich will euch den Tröster<br />
senden, den <strong>Geist</strong> der Wahrheit, der wird<br />
euch in aller Wahrheit leiten.<br />
Das ist und bleibt ein mysteriöser,<br />
geheimnisvoller Satz. Er lässt sich nicht<br />
beweisen und kaum erklären. Aber ich bin<br />
zutiefst davon überzeugt, dass er stimmt, dass<br />
es wahr ist. Jesus ist bei Gott, damit wir in<br />
seinem Sinne reden und handeln und an<br />
seinem Friedensreich mitarbeiten. Damit wir<br />
nicht die Hände in den Schoß legen und alles<br />
anderen überlassen, den Mächten und<br />
Kräften dieser Welt, oder dem lieben<br />
Herrgott, der wird’s schon richten…<br />
5.<br />
Darum gefällt mir dieses Bild so gut: <strong>Gottes</strong><br />
<strong>Geist</strong> <strong>berührt</strong> die Welt. In Gestalt einer<br />
weißen Taube kommt er angeflogen aus dem<br />
Reich des Lichtes, wo alles in strahlenden,<br />
feurigen Sonnenschein getaucht ist. Er trägt<br />
einen Olivenzweig im Schnabel: Zeichen des<br />
Friedensbundes, den Gott nach der Sintflut<br />
mit seinen Menschenkindern schließt und<br />
den er mit Jesus Christus erneuert und
ekräftigt hat. Und diesen Friedenszweig<br />
trägt die Taube, der Tröster, der <strong>Geist</strong><br />
geduldig hinab auf die Welt und bringt sie<br />
den Menschen: uns, einem nach dem<br />
anderen, jedem, der dieses Zeichen annimmt<br />
und versteht. Und die Fenster der Welt, die<br />
mit schlimmen Zeitungsmeldungen verhängt<br />
sind, öffnen sich und das göttliche Licht fällt<br />
hinein und verwandelt die Herzen der<br />
Menschen, die von ihm <strong>berührt</strong> werden, und<br />
eines Tages, wer weiß, die ganze Welt.<br />
Aber bis dahin wollen wenigstens wir ihm<br />
die Fenster und Türen öffnen und die Taube,<br />
seinen <strong>Geist</strong>, den Tröster, bei uns<br />
willkommen heißen.<br />
Amen.<br />
Lied: 267 Strahlen brechen viele…