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Die Hexe von En Dor

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II <strong>Die</strong> Angst der Männer<br />

Es ist die Angst der Männer, die jene dunkle Geschichte bestimmt. <strong>Die</strong><br />

Trostlosigkeit, die Schwere und Bitterkeit hängen eben nicht ursächlich an<br />

jener Frau, welche die Bezeichnung, sie sei die ‚<strong>Hexe</strong> <strong>von</strong> <strong>En</strong>-<strong>Dor</strong>’ ähnlich<br />

verfremdet, wie es die dunklen Kleider des Sauls tun, mit welchen er sich in<br />

der Geschichte unkenntlich zu machen versucht.<br />

Nein - es ist die ‚Angst der Männer’, die hier umgeht.<br />

Männer führen Kriege. Kriege gebären Angst, Furcht und Schrecken –<br />

weltweit und zu allen Zeiten. <strong>Die</strong> Heere der Philister und Israeliten stehen<br />

einander gegenüber. Saul ist ein Kriegerkönig, David ist ein Freischärler. <strong>Die</strong><br />

eigentlichen Invasoren sind in diesem Fall die Israeliten. Sie sind aus<br />

Ägypten kommend in das Bergland Kanaan eingefallen und bedrohen nun<br />

auch die Küstenstädte am Mittelmeer, in denen die Philister wohnen. Und<br />

JHWE, der Gott Israels, ist ihr Kriegsgott. Anders kann man jenen dunklen<br />

Hinweis des toten Samuel nicht verstehen, mit dem er die Schuld Sauls<br />

kennzeichnet: „Du hast seinen (Gottes) flammenden Zorn nicht an (deinem<br />

kanaanäischen Gegner) Amalek vollstreckt und ihn völlig vernichtet …!“ Hier<br />

führt wirklich das ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn’ Regiment. Und es macht<br />

Angst.<br />

<strong>Die</strong> Angst, die Angst der Männer ist das eigentliche Thema jener Geschichte<br />

– nicht aber die Frage, ob es nun eine Totenbeschwörung gibt und ob sie<br />

nun erlaubt ist (oder nicht). <strong>Die</strong> Angst führt den König ins Verderben. Er sieht<br />

keinen Ausweg mehr. Er glaubt sich verloren. Er, der es gewohnt ist, über<br />

Leichen zu gehen, wirft alle Regeln – sogar die eigenen Gesetze – über den<br />

Haufen, nur um dieser Angst zu entgehen. Er hat Angst um sein Königtum,<br />

um seine Ehre, um seine Söhne. Er hat Angst vor seinem Gott, der sich ihm<br />

verschweigt. Er hat Angst um sein Leben. <strong>Die</strong> Angst macht ihn fast<br />

wahnsinnig. Ihr ist er verfallen. <strong>Die</strong> Angst macht ihn fast unkenntlich. Sie hüllt<br />

den einstigen Kriegshelden in die Dunkelheit der Nacht.<br />

So schildert es die Geschichte. Ihr Stil ist voll selbstkritisch reflektierender<br />

(scheinbar ironischer) Hinweise. Der Autor bricht mit dem sonst fast<br />

durchgängigen Heldenepos der Geschichte des Gottesvolkes: Der König –<br />

am Boden, die Ordnung <strong>von</strong> Leben und Tod – gebrochen, eine Frau richtet<br />

den Mächtigen aus seiner Ohnmacht auf und stärkt ihn sogar auch noch für<br />

seinen letzten Weg.<br />

Der Angst der Männer, selbstverursacht durch ihren unersättlichen<br />

Machthunger wird in dieser Geschichte eine deutliche Alternative entgegen<br />

gesetzt. In ihr blitzt die Wahrheit jenes Gottes auf, <strong>von</strong> dem in späterer Zeit<br />

Jesus <strong>von</strong> Nazareth wird sagen können, dass er sein ‚Vater im Himmel’ sei.

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