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Allgemeinpsychiatrie<br />

Sucht und ihre Behandlung<br />

Wir orientieren uns hierbei auch an der Therapiezielhierarchie<br />

nach SCHWOON (1992), die die Grundlage sowohl<br />

für die Indikationsstellung als auch für die Behandlungsplanung<br />

und -durchführung bildet:<br />

• Sicherung des Überlebens<br />

• Verminderung von schweren körperlichen<br />

Folgeschäden<br />

• Sicherung der sozialen Umgebung gegen<br />

Beeinträchtigungen<br />

• Verhinderung sozialer Desintegration<br />

• Ermöglichung längerer Abstinenzphasen<br />

• Einsicht in die Grunderkrankung<br />

• Akzeptanz des eigenen Behandlungs- bzw.<br />

Hilfebedarfs<br />

• Akzeptanz des Abstinenzzieles<br />

• konstruktive Bearbeitung von Rückfällen<br />

• individuelle therapeutische Grenzziehung<br />

(„Selbsthilfe“).<br />

Parallel wird nach einer klaren Therapiezielhierarchie gearbeitet<br />

(geordnet nach Priorität):<br />

• Selbst- und fremdgefährdendes Verhalten<br />

• Therapieschädliches Verhalten<br />

• Aufbau alltagsrelevanter Fertigkeiten<br />

• andere Ziele der Patienten<br />

Besondere Aufmerksamkeit wird hierbei der multiprofessionellen<br />

Teamarbeit geschenkt mit dem Ziel, möglichst<br />

alltags- und realitätsbezogene Behandlungsziele und -ergebnisse<br />

gemeinsam mit den Patienten zu erarbeiten. Zu<br />

diesem Zweck werden der individuelle Therapieauftrag<br />

des Patienten und die Struktur der Therapieangebote gemeinsam<br />

miteinander verglichen, präzisiert und ein gemeinsamer<br />

Therapieplan erstellt, in dessen Rahmen sowohl<br />

die Behandlungsvereinbarung als auch (falls im Einzelfall<br />

erforderlich) ein individueller Therapievertrag die Rahmenbedingungen<br />

festlegen.<br />

Die Begriffe „Sucht“ und „Abhängigkeit“<br />

werden oft synonym gebraucht; in der Praxis<br />

hat sich der Begriff der „Sucht“ oder „Suchterkrankung“<br />

fest etabliert und scheint für den<br />

Praxisgebrauch weiterhin anwendbar, obwohl<br />

die geltenden Klassifikationssysteme „Abhängigkeit“<br />

bzw. „Abhängigkeitssyndrom“ zur Beschreibung<br />

bevorzugen. Wir nutzen bewusst<br />

den in der täglichen Anwendung griffigeren<br />

Begriff „Sucht“ in Anerkenntnis der Tatsache,<br />

dass die Gesamtheit des Phänomens sich<br />

nicht vollständig in ihm widerspiegelt.<br />

Oberarzt Dr. Eberhard Böhme, Oberarzt Dr. Knud Pieper<br />

Wir bieten stationäre<br />

Suchtbehandlung störungsspezifisch<br />

vorrangig im<br />

Gruppensetting an. Das<br />

Gruppentherapieprogramm<br />

wird ergänzt von je nach Indikation<br />

festzulegenden einzelpsychotherapeutischen<br />

Angeboten. Suchtpatienten<br />

erhalten ein störungsspezifisches<br />

Therapieangebot entsprechend<br />

ihrer Symptomatik<br />

und entsprechend ihres<br />

Behandlungsauftrages. Die<br />

Überprüfung der Indikation<br />

zur stationären Behandlung<br />

erfolgt bei Erfordernis für<br />

alkoholabhängige Patienten<br />

verschiedener Rating-Skalen.<br />

Grundsätzlich beinhaltet die Behandlung die sorgfältige<br />

ärztliche Indikationsprüfung betreffs der Option medikamentöser<br />

Behandlung. Oft kann erst über eine gezielte<br />

Medikation die Basis für ein erfolgreiches psychotherapeutisches<br />

Arbeiten geschaffen werden. Ein hausinterner Leitfaden<br />

zur Führung der medikamentösen Behandlung bildet<br />

dabei die leitliniengestützte Basis.<br />

Da die Suchterkrankung häufig mit komorbiden somatischen<br />

und psychischen Erkrankungen verbunden ist, wird<br />

leitlinienorientiert die Medikation ausgewählt, die für die<br />

individuelle Befundlage des Patienten Entlastung ermöglichen<br />

kann (z.B. adäquate schmerztherapeutische Einstellung,<br />

antidepressive oder antipsychotische Behandlungsstrategien,<br />

Stimmungsstabilisierer, Medikation komorbider<br />

organischer Erkrankungen).<br />

Ergotherapie: Der Schwerpunkt liegt hier auf der Förderung<br />

von Aktivitätsaufbau, Entwicklung von Kreativität<br />

und Freude am Gestalten, Entdecken eigener Fähigkeiten<br />

sowie Förderung des Kompetenzerlebens. Gleichzeitig in<br />

diesem Rahmen Bearbeitung wichtiger Themen mit ergotherapeutischen<br />

Mitteln (Gruppen- und Einzelarbeit, angeleitet<br />

durch Ergotherapeutin).<br />

Sozialdienst: Die Sozialarbeiterin der Suchtstation ist zuständig<br />

für die Begleitung der Patienten und ihrer Angehörigen<br />

in Form von Unterstützung bei der Lösung von realen<br />

Alltagsproblemen mit direktem Bezug auf bearbeitete<br />

Therapieziele und Förderung der zunehmenden Selbständigkeit<br />

bei der Durchführung von Lösungsschritten (durch<br />

Sozialarbeiterin).<br />

Lesen Sie bitte auf Seite 13 weiter.<br />

Sucht und ihre Behandlung<br />

Weiter von Seite 12.<br />

Priv.-Doz. Dr. med. habil. Sabine Fitzek<br />

Migräne ist eine der häufigsten Erkrankungen überhaupt. Bis<br />

zu 15% der Frauen und bis zu 7% der Männer sollen daran<br />

leiden. Die Ursache dieser, den Menschen meist lebenslang<br />

begleitenden Kopfschmerzattacken, die in der Regel einseitig<br />

Allgemeinpsychiatrie<br />

Suchtspezifische Psychotherapie: In dieser Therapiegruppe<br />

wird das Einbeziehen interaktioneller Prozesse als<br />

zusätzlicher Wirkfaktor in den therapeutischen Prozess<br />

gefördert. Die Gruppenteilnehmer gestalten rasch ebensolche<br />

Interaktionsstile wie in den Realsituationen und gehen<br />

demzufolge ähnlich strukturierte Beziehungen ein, so dass<br />

diese im Therapieprozess sichtbar und damit auch behandelbar<br />

werden. Durch diesen prozessorientierten Ansatz<br />

ist diese Therapiegruppe prinzipiell problem- und zieloffen.<br />

Im Unterschied zu anderen verhaltenstherapeutischen<br />

Standardprogrammen ermöglicht diese Behandlungsform<br />

eine störungsinhomogene Gruppenzusammensetzung, bezogen<br />

auf die oft sehr unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen<br />

und Lebenssituationen der einzelnen Patienten.<br />

Entsprechend der Konzeption der Therapiegruppe zielt<br />

die psychotherapeutische Arbeit nicht nur auf Informationsvermittlung<br />

zur Suchterkrankung, sondern bezieht unterschiedliche<br />

Problemlösungsmöglichkeiten hinsichtlich<br />

der Bewältigung des individuellen Alltags unter spezieller<br />

Berücksichtigung der bestehenden Suchtproblematik ein.<br />

Unter Nutzung der Techniken des „motivational Interviewing“<br />

(vgl. Miller & Rollnick 2005) bestimmen die vier<br />

grundlegenden Prinzipien des MI:<br />

• Empathie durch Perspektivwechsel,<br />

• Fördern des Selbstwirksamkeitserlebens durch<br />

Unterstützen von Veränderungsimpulsen,<br />

• flexibler Umgang mit „Widerstand“ als Ansatz<br />

zum Finden eigener Lösungswege<br />

• Diskrepanz erzeugen, um Veränderungsbereitschaft<br />

zu fördern<br />

die Kommunikation in der Gruppe.<br />

Die Therapie wird in Form einer offenen Gruppe durchgeführt.<br />

Grundsätzlich sollen der Kontakt zu den weiterführenden<br />

gruppentherapeutischen Angeboten der Institutsambulanz<br />

bereits während der stationären Behandlung<br />

gebahnt werden.<br />

Botox bei Migräne?<br />

auftreten, oft, aber nicht immer klopfenden Charakter haben<br />

und fast immer mit vegetativen Begleiterscheinungen wie<br />

Übelkeit und Brechreiz oder mit Lichtempfindlichkeit und Ruhebedürfnis<br />

einhergehen, ist nach wie vor ungeklärt.<br />

Vieles spricht dafür, dass die Erkrankung ihren Ursprung<br />

im Hirnstamm hat. Das erklärt möglicherweise auch, warum<br />

nicht wenige Patienten an rezidivierendem Schwindel<br />

als Symptom der Migräne leiden. Manchmal stehen solche<br />

Schwindelattacken sogar ganz im Vordergrund, während<br />

die Migräne an sich längst „im Griff“ ist. Vor allem bei Kindern<br />

von Eltern mit Migränekopfschmerz, die immer wieder<br />

über Schwindel klagen, muss man an Migräne denken.<br />

Die Zeiten, wo der Mensch mit Migräne tagelang ohne<br />

sich zu rühren oder gar Nahrung zu sich nehmen zu können<br />

im abgedunkelten Zimmer auf Besserung wartete, sind<br />

zum Glück vorbei. Heute haben wir eine Vielzahl sehr guter<br />

Migränetherapeutika und die meisten Menschen können<br />

mit ihrer Migräne gut leben. Stellen sich die Attacken mehrfach<br />

im Monat ein, sollte eine medikamentöse Prophylaxe<br />

eingenommen werden. Dabei nimmt man ein Präparat täglich<br />

ein, um die Attackenfrequenz zu verringern. Auch für<br />

die Prophylaxe stehen uns heute mehrere Medikamente zur<br />

Auswahl zur Verfügung, so dass sich in der Regel für den<br />

individuellen Patienten eine gute Wahl treffen lässt.<br />

Eine kleine Gruppe von Patienten entwickelt aber eine<br />

chronische Migräne. Diese Menschen haben dann kaum<br />

noch migränefreie Tage. Oft werden auch zu viele Migränemedikamente<br />

genommen. Das ist verständlich, man will<br />

schnell wieder „fit“ werden, führt aber nicht selten in einen<br />

Teufelskreis. Denn zu viele dieser Attacken – Medikamente<br />

führen unter Umständen in eine andere Kopfschmerzkategorie,<br />

in den Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch.<br />

Dann verursacht das Kopfschmerzmedikament<br />

selbst Kopfschmerzen! Da hilft dann oft nur noch ein stationärer<br />

Medikamentenentzug.<br />

Für die chronische Migräne mit mindestens 15 Tagen<br />

Migräne-Kopfschmerz pro Monat über mehr als 3 Monate,<br />

gibt es aber eine neue Behandlungsoption. In einer großen,<br />

doppelblinden, plazebokontrollierten Studie konnte die<br />

Wirksamkeit von Botoxinjektionen überzeugend nachgewiesen<br />

werden. Dabei wird das Medikament an mehr<br />

als 30 Stellen an Kopf und Nacken injeziert. Nicht jeder Patient<br />

profitiert von der Therapie, bei vielen konnte aber ein<br />

deutlicher Rückgang der Attackenfrequenz nachgewiesen<br />

werden.<br />

Wenn die Voraussetzungen stimmen und alle anderen<br />

Behandlungstrategien versagt haben, wird die Behandlung<br />

in aller Regel von der Kasse übernommen.<br />

Chronische Migräne führt zu einer erheblichen<br />

Einbuße an Lebensqualität.<br />

Mit dieser neuen Behandlungsstrategie<br />

können wir einem Teil der Patienten<br />

ein Stück Lebensqualität<br />

zurückgeben.<br />

Termine für ein Beratungsgespräch<br />

können über das Sekretariat der Neurologie<br />

in Brandenburg vereinbart<br />

werden.<br />

12 <strong>aktuell</strong> Winter 2013/14<br />

<strong>aktuell</strong> Winter 2013/14 13<br />

Fachkliniken Brandenburg GmbH<br />

Fachkliniken Brandenburg GmbH

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