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Zwei Sterne für Cutter

Buch © Andrea Rongen Autorenseite: http://andrearongen.wix.com/andrea-rongen

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<strong>Zwei</strong> <strong>Sterne</strong> <strong>für</strong> <strong>Cutter</strong><br />

>Mein Sohn hat ein besseres Leben verdient<<br />

Teil 3<br />

Es war fünf Uhr Morgens, als Nick über die Mainstreet<br />

von <strong>Cutter</strong> schlenderte um eine letzte Runde zu drehen,<br />

bevor der Betrieb auf den Straßen begann. Alles schien<br />

ruhig zu sein. Die Sonne ließ ihre ersten goldenen<br />

Strahlen über die Dächer gleiten, eine grau gestreifte<br />

Katze jagte quer über die Straße hinter einer quiekenden<br />

Maus her.<br />

Die Tür zum Hotel wurde gerade geöffnet und eine<br />

kleine, dickliche, gekrümmte Frau leerte mit Schwung<br />

einen Eimer schmutziges Wasser. Beinahe hätte sie<br />

Nicks Stiefel getroffen, wenn dieser nicht auf Seite<br />

gesprungen wäre. Ihr Kopf lief rot an, während sie eine<br />

Endschuldigung stammelte.<br />

„ Verzeihen sie Marshall, ich habe sie nicht gesehen. Es<br />

tut mir wirklich Leid.“<br />

Marshall Nick Ryder lächelte ihr beruhigend zu.<br />

„ Nicht so schlimm, Miss Jenkins. Ich konnte ja noch<br />

rechtzeitig ausweichen. War wohl wieder viel los im<br />

Restaurant gestern Abend!“<br />

Sie versuchte sich zu strecken indem sie ihre Hände in<br />

die Hüfte stemmte, um ihre verkrümmte Wirbelsäule<br />

wieder ein zu renken. Für einen kurzen Moment stand sie<br />

kerzengerade, dann fiel sie wieder in die gebückte<br />

Haltung zurück. Mit rollenden Augen sah sie auf, denn<br />

der Marshall überragte sie um zwei Häupter.<br />

„ Es war die Hölle. Den ganzen Tag dampfte es über dem<br />

Herd. Die Köchin grillte ein Steak nach dem anderen und<br />

die Kartoffeln reichten so gerade bis zum letzten Gast.<br />

Miss Peggy-Sue ist schon Unterwegs um neue Vorräte zu<br />

1


holen. Rancher Brooks kommt immer erst kurz vor<br />

Mittag. Das ist viel zu spät. Das Hotel ist <strong>für</strong> Morgen fast<br />

ausgebucht.“<br />

„ Ja ich weiß. Wie jedes Jahr zum Rinderverladen.<br />

Diesmal ist die Eagle Ranch wieder dabei. Sie haben sich<br />

mit fünfhundert Rindern angemeldet. Deshalb habe ich<br />

oben am Nordrand weitere Gatter errichten lassen. So<br />

viele Rancher, die sich dieses Jahr angemeldet haben,<br />

hatten wir noch nie. Einen schönen Tag noch.“ Nick<br />

tippte an seiner Hutkrempe, und verabschiedete sich.<br />

Schon heute Nachmittag sollten die ersten Cowboys mit<br />

ihrem Vieh eintreffen. Es gab noch viel zu tun. Nick<br />

musste alle Gatter überprüfen, denn es durfte bei dieser<br />

menge an Bullen und Stiere keine Schwachstellen in den<br />

Zäunen sein. Dreiundzwanzig Rancher hatten sich<br />

angekündigt. Den weitesten Trieb hatten die Cowboys<br />

aus Free Village. Sie mussten eine Strecke von<br />

zweihundertachtzig Meilen zurücklegen. Jedes Jahr<br />

werden zu diesem Zweck Sonderzüge eingesetzt, die <strong>für</strong><br />

den Transport der Rinder nach Dodge sorgten, wo sie auf<br />

dem Markt ihre Besitzer wechselten. Früher mussten die<br />

Rancher Wochenlang ihr Vieh bis Dodge treiben und es<br />

kam oft abgemagert und gestresst dort an, so dass nicht<br />

mehr viel da<strong>für</strong> geboten wurde. Seitdem in <strong>Cutter</strong> der<br />

Bahnhof steht, werden sie hier verladen und bis zum<br />

Rindermarkt transportiert. Den Cowboys bleibt eine<br />

Nacht der Erholung, was sie auch jedes Mal kräftig<br />

auskosten. Nick hatte in den Wochen zuvor, und auch<br />

noch danach alle Hände voll zutun. Auf seine Deputys<br />

Alex >auch Lex genannt< Cooper und Benno Walker den<br />

Sohn des Apothekers konnte er sich hundert Prozent<br />

verlassen. Die Familie Walker kam vor fünf Monaten<br />

nach <strong>Cutter</strong>. Mister Walker erkannte sofort, dass hier<br />

Bedarf an einer Apotheke war und blieb kurzerhand hier.<br />

Sein Sohn Benno freundete sich mit Lex an und so kam<br />

2


es, dass auch er immer mehr mit im Office aushalf, bis<br />

Marshall Ryder ihn vereidigte, damit er <strong>für</strong> seine Mühe<br />

auch Endgeldlich belohnt wurde.<br />

Sein Freund und Sheriff dieser Stadt, Jett Armstrong<br />

verwaltete das Bürokratische. Er stand gerade auf dem<br />

Stepwalk der Overland Postkutschen Gesellschaft und<br />

wartete auf die Kutsche, die mit einer ganzen Stunde<br />

Verspätung in <strong>Cutter</strong> einrollte. Staub wirbelte auf. Der<br />

Kutscher zog mit aller Kraft die Bremse an. Laut ertönte<br />

sein „ Hohoho!“ Jett hielt sein Halstuch vor Mund und<br />

Nase. Die seit Tagen anhaltende Trockenheit machte hier<br />

alle Leute zu schaffen. Ständig war man dem feinem<br />

Staub ausgesetzt der sich in alle Ritze verfing. Langsam<br />

legte sich die Staubwolke wieder. Oben auf dem<br />

Kutschbock saß Harry Swenson, ein Sohn schwedischer<br />

Auswanderer. Er war weiß gepudert und grinste Jett zu.<br />

„ Morgen Sheriff. Das wird wieder so ein verdammt<br />

heißer Tag werden. Hier ist die Post.“ Er zog einen Sack<br />

vom Dach der Kutsche hinunter. Mit Schwung warf<br />

Harry Swenson ihn dem Sheriff zu, der ihn geschickt<br />

auffing. Mühsam, durch die steif gewordenen Glieder,<br />

kletterte er hinunter und öffnete die Tür <strong>für</strong> den einzigen<br />

Fahrgast, der in Tucson zugestiegen war.<br />

Jett blieb noch auf dem Stepwalk stehen, denn er sah sich<br />

die Reisenden immer an, die nach <strong>Cutter</strong> kamen. Mit<br />

geübtem Blick konnte er sich meistens schon beim ersten<br />

hinsehen ein Urteil über die Personen bilden. An diesem<br />

Morgen stieg ein Fahrgast aus der Kutsche, der Jett einen<br />

riesigen Schrecken versetzte.<br />

Der hoch gewachsene Mann, in einen grau gestreiften<br />

Anzug, lüftete seinen Zylinder und fuhr sich durch sein<br />

leicht angegrautes Haar. Wer ein gutes Auge besaß,<br />

konnte in dem ältern Mann eine gewisse Ähnlichkeit mit<br />

dem Sheriff erkennen. Jett ließ den Postsack auf seine<br />

Füße fallen. Sprachlos stand er vor dem Ankömmling<br />

3


und wurde dabei von Harry erstaunt beobachtet. Eine<br />

volle Minute verging, bis der Mann die Stille brach.<br />

„ Guten Morgen mein Sohn. Schön dich gesund wieder<br />

zu sehen.“ Beim öffnen seines Mundes blitzten zwei<br />

Goldzähne auf. Der Kutscher schluckte und schlug sich<br />

mit der flachen Hand gegen seine Stirn.<br />

„ Ich verdammter Hornochse. Wie konnte ich nur diese<br />

Ähnlichkeit übersehen. Sie müssen der Vater von<br />

unserem Sheriff sein. Mister Armstrong ich freue mich,<br />

dass ich die Ehre hatte sie nach <strong>Cutter</strong> zu fahren.“ Er<br />

reichte seinem Fahrgast die von Wetter und Sonne<br />

gebräunte Hand hin, bekam aber keine Beachtung. Harry<br />

sah das nicht ärgerlich, wie konnte er auch von einem so<br />

fein gekleideten Mann erwarten, dass dieser seine<br />

schmutzige, grobe Hand schüttelte. Fröhlich gelaunt<br />

setzte er seine Kutsche wieder in Bewegung, denn sein<br />

Zeitplan erlaubte ihm nur einen schnellen Imbiss und das<br />

Auswechseln der Pferde. Wobei ihm der Mietstall Owner<br />

Murphy immer half damit er sich im Saloon noch einen<br />

Whisky gönnen konnte.<br />

Sheriff Jett Armstrong hatte seinen Schrecken<br />

überwunden, er sah seinem Vater direkt in die Augen.<br />

„ Was willst du hier?“ war seine kurze Frage.<br />

„ Ich habe lange nach dir gesucht um mit dir zu reden.“<br />

„ Du hast mich gefunden. Na und? aber zwischen uns<br />

gibt es nichts mehr zu bereden. Harry fährt in einer<br />

Stunde weiter. Steig wieder ein und fahr wohin du<br />

willst.“ Über Jetts Gesicht zog eine dunkle Wolke. Er<br />

schluckte seinen Zorn hinunter, hob den Sack auf und<br />

wollte gehen, doch die Hand des Vaters zog ihn an der<br />

Schulter zurück.<br />

„ Ich habe diese weite Reise nicht gemacht um so von dir<br />

behandelt zu werden. Du bist immer noch mein Sohn, ein<br />

Armstrong, vergiss das nicht.“ Jetzt war Jett an dem<br />

Punkt angekommen, an dem er sich nicht mehr halten<br />

4


konnte. Er stieß wütend die Hand von seiner Schulter und<br />

schrie seinen Vater an.<br />

„ Oh Nein. Ich bin nicht mehr dein Sohn, hast du dass<br />

vergessen? Das waren deine Worte als ich dir sagte, das<br />

ganze feine Getue um deine Bank kann ich nicht mehr<br />

ertragen. Ich bin gegangen um mein eigenes Leben zu<br />

finden und ich habe es gefunden.“<br />

„ Was denn! Du schlägst dich hier mit allem Gesindel<br />

herum und das ganze noch <strong>für</strong> einen Hungerslohn. Jett,<br />

ich gebe dir hiermit noch eine Chance. Komm zurück<br />

und übernehme die Bankgeschäfte. Ich kann dich zu<br />

einem reichen, einflussreichen Mann machen. Du bist der<br />

einzige Erbe der Armstrong Bank.“<br />

„ Nein, bin ich nicht. Du hast mich enterbt als ich fort<br />

ging.“ Sagte Jett in trockenem Ton. Als er sich umblickte<br />

bemerkte er die vielen Leute, die stehen geblieben waren,<br />

um die Szene zwischen ihm und seinem Vater neugierig<br />

zu verfolgen. Ohne noch ein Wort zu sagen ging Jett<br />

zurück zum Office, schlug die Tür hinter sich zu und ließ<br />

sich in den Stuhl hinterm Schreibtisch fallen. Deputy<br />

Cooper war gerade dabei den Boden in den Zellen zu<br />

wischen, als er den knall der zuschlagenden Tür hörte. Er<br />

sah um die Ecke.<br />

„ Alles in Ordnung?“ fragte Lex obwohl er gleich<br />

erkannte, dass nichts in Ordnung war.<br />

„ Lass mich einfach <strong>für</strong> ein paar Minuten allein.“<br />

Grummelte ihm Jett entgegen. Bitter kamen ihm die<br />

Gedanken an die Zeit seiner Kindheit und Jugend zurück.<br />

Nach dem spurlosen verschwinden seines besten<br />

Freundes Nick Ryder war das Leben in seiner Familie<br />

eine reine Qual. Sein Vater eröffnete weitere Banken und<br />

war nur noch damit beschäftigt möglichst viel Geld zu<br />

daraus zu schlagen. Mutter Armstrong sorgte <strong>für</strong> den<br />

Haushalt. Sie rutschte jeden Abend auf Knien vor ihm,<br />

um seine Füße zu waschen und ihn die Pantoffeln an zu<br />

5


ziehen. Eine Aushilfe kam nicht in Frage, sie kostete dem<br />

Geizkragen ja schließlich Geld. Immer wieder versuchte<br />

ihm sein Vater einzureden wie gut es doch war, dass<br />

endlich die Familie Ryder nicht mehr in der<br />

Nachbarschaft wohnte. Dieser versoffene Ryder mit<br />

seinem verzogenem Bengel Nick.<br />

Er zwang Jett ins Bankgeschäft hinein und erwartete<br />

Höchstleistungen von ihm. Jett Armstrong war zwar sehr<br />

begabt in allem was mit Geld und Zahlen zu tun hatte,<br />

und konnte durchaus eine eigene Bank leiten, aber er<br />

hatte die Nase voll davon. Er wollte nicht mehr abhängig<br />

sein von seinem Vater sein. Und vor allem konnte er es<br />

nicht mehr ertragen täglich mit ansehen zu müssen, wie<br />

Ronald Armstrong aus seiner Mutter eine Sklavin<br />

machte.<br />

Das er nach langer, rastloser Reise hier in <strong>Cutter</strong> seinen<br />

tot geglaubten Freund wieder fand und gleichzeitig auch<br />

die Frau seines Lebens, war schon mehr als ein Wunder<br />

<strong>für</strong> ihn. Jett liebte sein Leben so wie es jetzt war. Da<br />

sollte auch sein steinreicher Vater nichts mehr dran<br />

ändern.<br />

Ein lautes Scheppern riss Jett aus seinen Gedanken. Aus<br />

dem Zellenraum erschallte ein Fluch.<br />

„ Verdammter Mist. Du blöder Eimer! Jetzt kann ich hier<br />

alles noch mal wischen.“<br />

Als Jett seinen Kopf durch den Türspalt steckte, sah er<br />

den umgekippten Eimer in der Ecke liegen. Eine<br />

Wasserpfütze verteilte sich über den Boden und Lex<br />

fuchtelte wild mit dem Besen herum.<br />

„ Was ist denn los. Warum wischst du den Boden, hat<br />

Miss Weiler heute einen freien Tag?“<br />

„ Nein sie war heute früh schon hier. Doch eben hat<br />

unser ewiger Trunkenbold Boldie noch schnell hier hin<br />

gekotzt bevor er das Jail verließ.“<br />

6


„ Wir sollten uns mal Gedanken über ihn machen. Er<br />

kann ja nicht jede Nacht hier verbringen und kostenloses<br />

Frühstück erhalten, nur weil er sich Tagsüber den<br />

Whisky in den Hals laufen lässt.“<br />

„ Ja. Rede am besten gleich mit Nick darüber. Und sag<br />

ihm bitte auch, dass das Schloss an der ersten Zellentür<br />

kaputt ist.“<br />

„ Das wird ihn wohl wenig erfreuen. Er hat letzte Woche<br />

daran rum gebastelt und mir gesagt, dass es wieder<br />

funktioniert.“ Jett machte sich wieder an die<br />

Schreibarbeiten ran.<br />

„ Aber was ist heute schon erfreuliches gewesen. Nichts.<br />

Der Tag fing ja mehr als unerfreulich an.“ Murmelte er.<br />

An der Rezeption in Peggy-Sues Hotel stand Mister<br />

Ronald Armstrong und schlug mehrfach mit flacher Hand<br />

auf die goldene Klingel, die auf dem Pult stand. Es<br />

dauerte eine Weile bis Misses Peggy-Sue durch den<br />

Samtvorhang trat um den Gast zu empfangen. Noch<br />

bevor sie ein Morgengruß sagen konnte wurde sie von<br />

Mister Armstrong beschimpft.<br />

„ Sind sie immer so langsam? Ich möchte mit dem<br />

Hoteleigner sprechen.“ Sie lächelte ihm trotz dieser<br />

Beleidigung freundlich entgegen und erwiderte.<br />

„ Das bin ich. Womit kann ich ihnen helfen?“ Sein<br />

erstaunen über eine Weibliche Hotelmanagerin hatte er<br />

schnell überwunden. Als Chef einer ganzen Bankkette<br />

hatte er schon viele Sonderbare Dinge erlebt und war nie<br />

um eine schlagfertige Antwort verlegen.<br />

„ Was ist das <strong>für</strong> eine Frage? Ein Zimmer möchte ich<br />

natürlich. Warum sollte ich sonst hier an der Rezeption<br />

eines Hotels stehen!“<br />

„ Da haben sie aber Glück. Heute geht das große<br />

Viehverladen los. Ich habe noch genau ein Zimmer frei.<br />

Ich möchte sie allerdings informieren, dass es etwas laut<br />

7


und hektisch werden kann heute Nacht, denn wir sind<br />

völlig ausgebucht. Mister….“ Sie versuchte immer noch<br />

höflich zu lächeln und wartete auf eine Antwort.<br />

„ Mister Armstrong. Ronald Armstrong. Ich nehme das<br />

Zimmer. Man hat mir ihr Hotel empfohlen. Ich hoffe sie<br />

erfüllen meine Ansprüche.“ Ronald setzte seinen<br />

Zylinder auf, den er noch in seiner Hand hielt. Peggy-Sue<br />

war verstört, dass konnte Ronald in ihren Augen sehen.<br />

„ Ja, sie haben richtig gehört. Mein Name ist Armstrong.<br />

Ich bin der Vater von Jett, der hier den Sheriff spielt.“<br />

„ Spielt, Sagen sie? Er und Marshall Ryder sind die<br />

besten Gesetzeshüter die sich eine Stadt wünschen kann.“<br />

Jetzt war Armstrong doch überacht, und riss vor<br />

erstaunen die Augen auf.<br />

„ Der Marshall heißt Ryder? Doch nicht etwa der<br />

versoffene alte Paul Nikolas Ryder.“<br />

„ Nein. Er ist weder alt noch versoffen. Nick Ryder ist<br />

ein kräftiger, junger Mann und sieht auch noch sehr gut<br />

aus. Er ist einfach unbeschreiblich…..“ Sie biss sich bei<br />

diesem Satz auf die Zunge. Noch nie hatte sie offen<br />

zugegeben wie sehr sie Nick mochte und nun erzählt sie<br />

einem völlig Fremden ihre inneren Sehnsüchte.<br />

„ Folgen sie mir Bitte. Ich zeige ihnen ihr Zimmer. Die<br />

Nummer 3 ist es.“<br />

Ronald lehnte sich Zimmer ans Fensterbrett und<br />

beobachtete die Mainstreet.<br />

„ Nick Ryder.“ Murmelte er vor sich hin. „ Wie kann es<br />

wahr sein, dass du noch lebst!“<br />

Auf der Straße ging es lebhaft zu. Kutschen, moderne<br />

Highlander und Reiter durchquerten die Stadt. Im<br />

Hotelflur war reges treiben. Türen schlugen zu, klirrende<br />

Sporen waren zu hören. Eine Frau stritt sich lauthals mit<br />

einem Mann, bis wieder eine Tür knallte und hastige<br />

Schritte die Treppenstufen runter rannten.<br />

8


In Gedanken versunken starrte Ronald immer noch auf<br />

die Straße. Plötzlich schob er die Gardine weiter auf und<br />

rieb sich die Augen. Er sah einen Mann, der mitten auf<br />

der Mainstreet stehen blieb, und mit seinen Hut durch die<br />

Luft schwenkte. Er war in schwarz gekleidet, trug ein<br />

rotes Halstuch und sein blau-schwarzes Haar glänzte in<br />

der Sonne. Es war Marshall Nick Ryder, der versuchte<br />

die Straße zu räumen. Er drängte alle Wagen und Reiter<br />

an den Straßenrand, die Fußgänger wurden aufgefordert<br />

sich auf den Stepwalk zu begeben. Er machte seine Sache<br />

gut, denn es dauerte nur knappe fünf Minuten, da war die<br />

Mainstreet wie leergefegt.<br />

Wie bei einem leichten Erdbeben erzitterte die Erde unter<br />

den Hufen der brüllenden Rinder, die von sechs Cowboys<br />

vorwärts getrieben wurden. Es war ein beeindruckendes<br />

Bild, das sich Ronald bot. Noch nie zuvor hatte er einen<br />

Rindertrieb gesehen. Es waren sehr erfahrene Cowboys,<br />

die mit pfiffen und Geheul die Tiere vorwärts trieben.<br />

Nicht eines der riesigen Rinder brach aus oder verließ<br />

seine Herde. In geschlossener Gruppe trampelten sie<br />

durch die Straße bis ans andere Ende der Stadt.<br />

Eine riesige Staubwolke überdeckte das Geschehen. Nur<br />

langsam senkte sich erst wieder, als alle Rinder längst<br />

schon vorbei waren. Das treiben auf der Straße ging<br />

augenblicklich weiter als wäre nichts geschehen. Nur der<br />

aufgewühlte Sand am Boden, hinterließ noch die Spuren<br />

der vielen Rinderhufen. Marshall Ryder stand vor dem<br />

Generalstore und schlug sich mit dem Hut den Staub aus<br />

den Hosenbeinen. Jetzt konnte Ronald ganz deutlich das<br />

Gesicht erkennen. Es bestand kein <strong>Zwei</strong>fel mehr <strong>für</strong> ihn.<br />

Dieser Mann da Unten war Nick Ryder. Der Junge der<br />

damals von zu Hause fort lief weil sein betrunkener Vater<br />

ihn zusehen ließ, wie ein Fremder Misses Ryder<br />

vergewaltigte und niederstach. Man suchte Tagelang<br />

nach ihm. Später fand man seine zerfetzte Jacke, und<br />

9


man erklärte den Jungen <strong>für</strong> Tot. Von einem Puma oder<br />

Wolf gerissen. Doch nun stand er da unten. In voller<br />

Lebensgröße. Ein erwachsener Mann. Wie konnte er<br />

überleben in der Wildnis!<br />

Jett trat auf Nick zu, der Hustend gegen einen Pfosten<br />

lehnte.<br />

„ Alles in Ordnung? „ fragte ihn sein Freunds besorgt.<br />

Mit rauer Stimme krächzte Nick,<br />

„ Ja. Hab nur ein bisschen zu viel Staub geschluckt. Ist<br />

aber auch wieder mal ein heißer, trockener Tag heute.<br />

Für den nächsten Viehtrieb durch die Stadt sollten wir die<br />

Straße einnässen. Wenn nicht auch noch das Wasser<br />

knapp wäre.“ Wieder musste Nick husten und plötzlich<br />

stand eine wunderschöne schlanke Frau vor ihm.<br />

Gekleidet in einem hellblauen Kleid. Sie reichte ihm ein<br />

Glas. Ihr Blondes Haar hing offen bis auf die Schultern.<br />

„ Hier ein Glas Wasser. Das hilft.“ Dankbar nahm Nick<br />

das Glas und leerte es in einem Zug.<br />

„ Vielen dank Mary. Das tat gut.“<br />

„ Und ich?“ fragte Jett und lachte.<br />

„ Deinen eigenen Mann lässt du verdursten?“<br />

„ Für dich habe ich etwas Besseres.“ Sagte sie und gab<br />

ihm einen Kuss auf die Wange. Jett zog Mary zu sich<br />

heran um ihr einen leidenschaftlichen Kuss auf die<br />

Lippen drücken. Mary lief rot an im Gesicht, wehrte sich<br />

aber nicht dagegen. Erst als er von ihr los ließ sagte sie<br />

verlegen.<br />

„ Jett! Doch nicht hier mitten auf der Straße wo uns alle<br />

Leute sehen.“<br />

„ Warum nicht. Es wissen doch alle wie sehr ich dich<br />

liebe. Sollen sie nur neidisch werden, dass ich der<br />

Einzige bin, der die hübscheste Frau von ganz Arizona<br />

küssen darf.“<br />

„ Nur von Arizona?“<br />

10


„ Nun ja. Ich hab noch nicht viel von dem Rest der Welt<br />

gesehen. Wer weiß was da noch <strong>für</strong>…“<br />

„ Sheriff Jett Armstrong! Unterstehe dir diesen Satz zu<br />

Ende zu führen.“ Lachend verabschiedete sie sich. Ihre<br />

Hüfte schwang verführerisch als sie den Stepwalk<br />

entlang ging.<br />

Jett sah ihr verträumt nach.<br />

„ Ist sie nicht wunderschön!“ hauchte er. Auch Nick sah<br />

ihr hinterher, dachte dabei aber an seine Carol-Ann.<br />

Sie war nun schon seit zwei Wochen in San Francisco.<br />

Ihre Tante erlitt einen Herzanfall und Carol-Ann sah sich<br />

in der Pflicht ihr zu helfen, bis man sie Transport fähig<br />

war und die weite Reise hoch nach Colorado Springs<br />

machen konnte. Dort gab es ein Sanatorium in dem sie<br />

sich Erholung hoffte. Wie lange Carol-Ann noch in San<br />

Francisco bleiben würde stand noch nicht fest. In ihrem<br />

letzten Brief schrieb sie, wie sehr sie Nick vermisse, aber<br />

hier gäbe es noch so viel zu tun.<br />

Nach einer Weile sagte Jett zögernd,<br />

„ ich muss dir noch sagen. Es wird dir bestimmt nicht<br />

gefallen. Heute Morgen, mit der Kutsche, da kam<br />

mein…“<br />

„ Hey Marshall! Es gibt Probleme beim Gatter. Einer der<br />

Cowboys ist zwischen die Rinder geraten. Sieht böse<br />

aus!“ rief Deputy Lex Cooper zu Nick rüber, während er<br />

auf das Haus von Doktor Brown und Doktor Leonard zu<br />

rannte.<br />

Nick zögerte keine Sekunde. Mit großen Schritten<br />

überquerte er die Mainstreet, Richtung Bahnhof. Hinter<br />

dem großen Wassertank befand sich das Gatter <strong>für</strong> die<br />

Rinder der Backet Ranch. Sie hatten einen Trieb von vier<br />

Tagen hinter sich und waren die ersten, die hier in <strong>Cutter</strong><br />

ankamen. Morgen Fünf Uhr früh sollte der erste Zug<br />

einrollen.<br />

11


Schon von Weiten hörte Nick die in Panik geratenen<br />

Rinder brüllen und ihre Huftritte gegen die Eisengitter.<br />

Drei Cowboys versuchten die verängstigten Tiere in eine<br />

Ecke zu drängen, aber sie hatten keine Chance. Bei den<br />

Vierbeinern war die Panik ausgebrochen. Mittendrin lag<br />

ein Mann am Boden. Die zwei Cowboys versuchten sich<br />

schützend vor ihn zu Stellen, und ihn aus der<br />

Gefahrenzone raus zu ziehen.<br />

„ Macht das Tor auf! Lasst sie raus. Wir treiben sie ins<br />

Gatter am Ende des Bahnhofs.“ Rief Nick ihnen<br />

entgegen. Cooper kam aus der Seitengasse. Er hörte den<br />

Befehl des Marshalls und rannte gleich los um das Tor<br />

am oberen Gatter zu öffnen.<br />

Wild stampfend preschten die Rinder in alle Richtungen<br />

aus. Nur mit Einsatz ihrer Gewehre konnten die Cowboys<br />

die Herde wieder zusammentreiben, so dass sie sich in<br />

das zweite Gatter leiten ließen. Nick lief zurück um nach<br />

dem Verletzten zu sehen. Als er ankam, kniete schon<br />

Doktor Jim Leonard am Boden. Etwa zwei Schritte von<br />

ihm entfernt blieb Nick stehen. In dem Gesicht des<br />

Arztes sah er schon, dass es keine Hoffnung mehr gab.<br />

Leonard hob den Kopf. Seine Blutverschmierte Hand lag<br />

noch auf der Brust des Toten, als er sagte,<br />

„ Tut mir Leid. Ich kann nichts mehr <strong>für</strong> ihn tun.“ Die<br />

Gefährten des Verunglückten standen sprachlos da. Sie<br />

nahmen ihre Hüte ab und starrten auf den Toten, der noch<br />

vor einer halben Stunde mit ihnen zusammen Witze<br />

machte.<br />

„ Ich sage dem Undertaker bescheid. Euch Beide möchte<br />

ich gleich in mein Office bitten. Ich brauche eure<br />

Aussagen <strong>für</strong> den Bericht.“ Nick kannte die Jungs, die<br />

hier um ihren Freund trauerten. Sie waren zum dritten<br />

Mal dabei und hatten sich jedes Jahr anständig<br />

benommen, wie alle Cowboys der Anderson Ranch.<br />

12


Im Office saß Major Flint auf dem Stuhl hinter dem<br />

Schreibtisch. Er wühlte in dem Haufen Briefe herum, die<br />

er aus dem Postsack auf dem Tisch geschüttet hatte. Er<br />

schaute nur kurz auf als, Nick eintrat und murrte,<br />

„ es soll ein wichtiger Brief von Sheriff Solter dabei<br />

sein.“<br />

„ Wenn er sich unter diesen Briefen befindet, ist er wohl<br />

kaum an sie Adressiert. Also geht sie das nichts an.<br />

Außerdem wird Sheriff Armstrong dieses Chaos nicht<br />

gefallen. Und würden sie so nett sein, und meinen Stuhl<br />

wieder freigeben?“ ein scharfer unterton klang in dieser<br />

Aufforderung mit. Etwas eingeschüchtert tapste Major<br />

Flint ein paar Schritte rückwärts. Er war clever genug,<br />

den Marshall nicht zu unterschätzen. Nick sah ihn fest in<br />

die Augen. Er konnte das leichte Blitzen in den Pupillen<br />

sehen. Major Flint wich ihm zwar aus, dennoch hatte er<br />

genug stolz vor dem Schreibtisch stehen zu bleiben und<br />

Kontor zu geben.<br />

„ Sheriff Solter schickt uns den Steckbrief von einem<br />

Bankräuber, der schon in fünf Städten erfolgreich die<br />

Tresore gelehrt hat. Ich möchte das Gesicht dieses<br />

Mannes unbedingt sehen. Jeder muss es sehen. Einen<br />

Bankraub in <strong>Cutter</strong> können wir uns nicht leisten!“<br />

hochrot vor Aufregung, lief Flints Gesicht an bei seiner<br />

Rede. Der runde Bauch und sein rosafarbenes Hemd<br />

erinnerten an ein Schwein. Nur der Ringelschwanz fehlte<br />

noch. Nick konnte sich ein grinsen nicht verkneifen und<br />

traf damit Empfindlich Flints Ego.<br />

„ Was gibt es da zu lachen! Sollte hier ein Banküberfall<br />

stattfinden, mache ich sie Persönlich da<strong>für</strong><br />

verantwortlich. Die Post kam schon vor vier Stunden und<br />

sie haben noch nicht einen Brief geöffnet. Es könnten<br />

wichtige Dokumente dabei sein. Oder eben Steckbriefe.<br />

Ich verlange…“<br />

13


„ Major Flint! Gehen sie nicht zu weit mit ihren<br />

Äußerungen. Sie haben hier gar nichts zu verlangen. Sie<br />

verlassen am besten sofort mein Office bevor ich meine<br />

Manieren vergesse.“ Mit erhobenem Finger drohte Flint,<br />

„ Das werden sie noch bereuen. Niemand redet so mit<br />

mir.“ Er schlug die Tür so feste hinter sich zu, dass die<br />

Scheiben in den Fenstern vibrierten. Laut schimpfend<br />

entfernte Flint sich. In der Tür erschien Jett. In der Tür<br />

erschien Jett. Sprachlos schaute er auf den Berg von<br />

Briefen.<br />

„ Sag besser nichts. Du kannst dich später beim Major<br />

da<strong>für</strong> Bedanken.“ Sagte Nick.<br />

„ Was zum Teufel hat er hier in unserer Post zu suchen?“<br />

„ Wieder mal so ein Tick von ihm. Um unsere Arbeit zu<br />

Kontrollieren und etwas zu finden, dass er bei den<br />

nächsten Wahlen gegen uns einsetzen kann. Wo warst du<br />

eben? Ich hätte dich bei den Rindern gebrauchen können.<br />

Der Junge ist tot.“<br />

„ Hab ich schon gehört. Ich wurde aufgehalten. Du wirst<br />

nie erraten, wer….“<br />

Nick stand am Fenster und beobachtete den Verkehr auf<br />

der Straße. Gegenüber fingen zwei ältere Männer nach<br />

heftigem Gerede eine Schlägerei an.<br />

„ Da draußen haben sich zwei in der Wolle. Regel du<br />

das, “ fiel er Jett ins Wort. Er hatte ihm gar nicht richtig<br />

zugehört, seine Gedanken hingen immer noch dem<br />

Unfall nach. Als Jett draußen war, sah er seufzend auf<br />

den Schreibtisch. Da fiel ihm ein Brief auf, dessen<br />

Absender Sheriff Solter trug.<br />

Nick öffnete ihn und las die steil geschriebenen Zeilen.<br />

Marshall Ryder,<br />

ich möchte ihnen hiermit von dem Tot der Familie<br />

Sandermann berichten, da ich weiß, dass sie diese gut<br />

kannten. Sie wurden ermordet von einer Bande dessen<br />

Anführer Cliff Lawrence heißt. Vielleicht hat sie die<br />

14


Nachricht von seiner Flucht aus dem Lager ja schon<br />

erreicht. Ich konnte ihn wieder festnehmen, aber seine<br />

drei Freunde haben mich nieder geschlagen und ihn<br />

befreit. Dabei ist mein Office in Flammen aufgegangen.<br />

Mir geht es wieder einigermaßen gut. Cliff macht sie<br />

verantwortlich <strong>für</strong> den Tot an seinem Bruder und hat in<br />

meinem Jail Rache an sie geschworen. Seien sie<br />

Vorsichtig, er ist gefährlich.<br />

Es grüßt sie Sheriff John Solter<br />

„ Auch das noch. Cliff Lawrence. Als hätte ich diese<br />

Woche nicht genug am Hals.“ Murmelte Nick und<br />

steckte den Brief in seine Weste.<br />

Auf dem Tisch lag ein weiterer Zettel, den Nick auffiel.<br />

Die Schrift musste von seinem Deputy Cooper sein.<br />

Das Schloss der ersten Zellentür ist wieder Defekt!<br />

Stand da. Unterschrieben mit den Initialen A.C.<br />

„ Dann muss ich wohl noch mal nach dem verflixten<br />

Schloss sehen. Könnte voll hier werden die nächsten<br />

Tage.“<br />

Jett Armstrong konnte den Streit der beiden Männer<br />

schnell schlichten. Trotzdem musste einer zum Doktor<br />

gebracht werden, weil er eine Platzwunde über dem Auge<br />

erlitt. Ronald Armstrong hatte alles mit angesehen, und<br />

kam auf Jett zu.<br />

„ Ist es das, was dich hier hält, Streitigkeiten schlichten<br />

und Rinder durch die Stadt treiben? Jett du hast besseres<br />

verdient. Vergeude nicht dein Talent.“<br />

„ Hör auf damit. Ich werde meine Endscheidung nicht<br />

ändern. Hier ist mein zu Hause. Meine Familie und<br />

meine Freunde. Aber das kannst du ja nicht verstehen.<br />

Du hattest ja nie welche.“ Zorn stieg in Ronald auf. Er<br />

ballte die Fäuste und wäre Jett nicht sein Sohn, hätte er<br />

bestimmt zugeschlagen. So hielt er ihn nur am Arm fest<br />

und drehte ihn zu sich rum. Jett sah ihn wütend an. So<br />

15


was konnte er gar nicht leiden. Niemand reißt einfach so<br />

an seinem Arm. Er streifte die Hand von seinem<br />

Hemdsärmel wie ein lästiges Insekt ab und wollte seine<br />

Meinung sagen, aber Ronald war schneller im Wort.<br />

„ Wie redest du nicht mit mir?“<br />

„ Was willst du denn dagegen tun? Mich enterben?<br />

Macht nichts, dass hatten wir doch schon. Ich brauche<br />

weder dich noch dein Geld.“<br />

„ Ist es wegen diesem Ryder? Ja ich habe ihn gesehen. Es<br />

war ein Schock <strong>für</strong> mich, zu erfahren, dass er noch lebt.“<br />

KLATSCH. Schallend knallte die Ohrfeige die Jett<br />

seinem Vater verpasste. Nie hätte er gedacht, dass er zu<br />

so was fähig sein würde, aber diese Aussage übertraf<br />

alles. Das er Nick schon immer hasste war seine Sache,<br />

doch so durfte er nicht über ihn reden. Ronald sagte kein<br />

Wort. Er stand mit offenem Mund da. Damit hatte er<br />

nicht gerechnet. Sie sahen sich noch einige Sekunden in<br />

die Augen. Jetts Blick war voller Wut, in den Pupillen<br />

seines Vaters stand Verwirrung. Ohne weitere Worte<br />

drehte sich Jett ab und ging weg.<br />

<strong>Zwei</strong> Meilen östlich von <strong>Cutter</strong> döste Boldie Wince im<br />

hohen Gras und beobachtete die vorbei ziehenden<br />

Wolken. Neben ihm lag sein bester Freund, die Flasche<br />

Whisky.<br />

Golden schimmerte der Alkohol unter der heißen Sonne.<br />

Boldie war wieder mal betrunken. Wie zu jeder Tageszeit<br />

mal mehr und mal weniger.<br />

Wenn er so zugelaufen war, dass er nicht mehr bis nach<br />

Hause zu seiner Tochter fand, schlief er seinen Rausch<br />

im Jail aus. Dann er war unberechenbar. Nie würde<br />

Boldie einem Menschen etwas antun, aber er belästigte<br />

sie. Warf alles durch die Gegend was er in die Finger<br />

bekam und stellte Dinge an, die man nicht unter einem<br />

Scherz gelten lassen konnte. So hatte er vor einigen<br />

16


Tagen die Pferde vor dem Saloon mit blauer Farbe<br />

angemalt. Und später mit den Tomaten des Gemüse<br />

Händler Baseball gespielt.<br />

An diesem Sonnigen warmen Tag machte Boldie es sich<br />

in der Natur gemütlich. Niemand stieß ihn umher oder<br />

lachte ihn aus hier draußen, mitten im Grünen. Er wollte<br />

gerade die Flasche ansetzen und einen kräftigen Zug<br />

daraus nehmen, da hörte er Hufe klappern.<br />

Erst reagierte Boldie nicht darauf, denn es reiten immer<br />

wieder irgendwelche Leute dort vorbei. Schließlich ist<br />

dieser Weg auch die Kutschverbindung von <strong>Cutter</strong> nach<br />

Tucson. In vielen Arbeitsstunden haben kräftige Hände<br />

den Weg von Stein und Geröll befreit damit eine Fahrt in<br />

der schaukelnden Kutsche nicht noch qualvoller verlief.<br />

Es sollten schließlich so viele Leute wie möglich nach<br />

<strong>Cutter</strong> gereist kommen, denn viele Geschäftsleute sind<br />

auf die Geldbringenden Gäste angewiesen.<br />

Erst als das Hufgeklapper so plötzlich aufhörte wurde er<br />

neugierig. Auf allen vieren kroch Boldie durch das Gras,<br />

bis er Sicht zur Straße hatte.<br />

Drei Reiter hielten vor der scharfen Rechtskurve an und<br />

unterhielten sich. Boldie konnte ihre Gesichter nicht<br />

erkennen, aber der schöne Rotfuchs fiel ihm gleich auf.<br />

Die beiden anderen Pferde waren eher unauffälliger<br />

Natur. Er wollte sich schon wieder zurückziehen, als er<br />

hörte wie einer der Reiter, „ verdammter Marshall“,<br />

aussprach.<br />

Boldie legte sich flach auf den Bauch und lauschte.<br />

„ Larry, du hältst dich vorwiegend im Hotel auf. Bo, du<br />

treibst dich ein bisschen auf der Straße rum. Beobachtet<br />

den Marshall genau, aber lasst euch ja nicht erwischen.<br />

Denkt daran, Cliff hat gesagt, dass dieser Ryder wie ein<br />

Wolf ist.“<br />

„ Und wo bist du die ganze Zeit über?“ fragte einer der<br />

Reiter.<br />

17


„ Ich halte mich im Saloon auf. Lawrence sagt, dass er<br />

genau gegenüber vom Office sei. Von dort aus habe ich<br />

die beste Aussicht. Er wird den Marshall in der Mitte der<br />

Mainstreet herausfordern.<br />

„ Das war ja klar. Du amüsierst dich im Saloon während<br />

ich mich im Hotel langweilen darf.“<br />

„Du hast vom Hotelzimmer aus eine gute Position. Und<br />

du Bo, suchst dir irgendwo Deckung. Ihr habt genug Zeit<br />

den Sternschlepper aus zu spähen. Beobachtet ihn genau<br />

und versucht seine schwächen zu erkennen. Wir reiten<br />

Einzeln ein, niemand soll uns in Verbindung bringen.“<br />

„ Ich will auch etwas zu trinken haben. Das beruhigt<br />

meine Nerven.“<br />

„ Halts Maul Larry. Wenn ich auch nur einen von euch<br />

mit Whisky sehe, kriegt er es mit mir zu tun. Es steht zu<br />

viel auf dem Spiel. Es wird so gemacht wie ich es sage,<br />

und Schluss.“<br />

„ Darüber ist noch nicht das letzte Wort gefallen. Wenn<br />

Cliff Lawrence Morgen kommt werde ich ihm schon<br />

noch erzählen, wie du dich hier zum Boss aufspielst.“<br />

„ So lange Cliff nicht da ist, bin ich der Boss: Ist das<br />

allen Klar?“ Mit gezogenem Revolver versuchte der<br />

dritte Mann sich Respekt zu verschaffen, und bekam es<br />

auch. Bo und Larry duckten sich mürrisch. Beide<br />

wussten, dass Calef sie ohne zu zögern abknallen würde,<br />

wenn sie jetzt noch ein Widerwort gaben. Dieser Calef<br />

war ein ernst zu nehmender verrückter, der über jede<br />

Leiche ging.<br />

Sie zogen ihre Pferde rum und jagten weiter der Stadt zu.<br />

Boldie blieb noch in seiner Deckung. Hatte er sich auch<br />

nicht verhört? Sollte dieser Schurke Cliff Lawrence es<br />

tatsächlich wagen sich noch einmal in <strong>Cutter</strong> sehen zu<br />

lassen?<br />

Es geschah vor etwas mehr als sieben Jahren. Cliff<br />

Lawrence kam nach <strong>Cutter</strong> und überfiel mit seinen vier<br />

18


Kumpanen und seinem jungen Bruder Budd die Bank.<br />

Kaltblütig erschoss er die junge Frau, die am Schalter<br />

stand und vor Angst zu schreien begann, und der junge<br />

Bankangestellte sitzt heute noch im Rollstuhl, weil ihm<br />

ein Querschläger die Wirbelsäule verletzte.<br />

Budd hielt den Jungen der erschossenen Frau als Geisel<br />

und wollte mit ihm fliehen. Marshall Ryder konnte das<br />

Kind retten und Budd ließ dabei sein Leben. Lawrence<br />

und seine Kumpanen kamen ebenfalls nicht weit.<br />

Cliff wollte seine Haut in einem Duell retten. Er glaubte<br />

der Schnellste zu sein, aber Nick ging als Sieger hervor.<br />

Er wurde festgenommen und zu zehn Jahre Straflager<br />

verurteilt. Man konnte nicht beweisen, wer nun den<br />

tödlichen Schuss abgegeben hatte. Jedoch der<br />

Querschläger war eindeutig aus Cliffs Waffe<br />

abgeschossen worden. Wie schon so viele Outlaws zuvor,<br />

drohte auch Cliff Lawrence mit gnadenloser Rache an<br />

Ryder, wenn er wieder Frei kam.<br />

„ Ich muss den Marshall warnen.“ Sprach Boldie sich zu.<br />

Er griff nach seiner Flasche, nahm einen kräftigen<br />

schluck und machte sich wankend auf den Weg zurück in<br />

die Stadt. Er mochte Marshall Ryder, denn er war der<br />

Einzige, der ihn immer in Schutz nahm vor denen, die<br />

ihn immer nur hänselten und rum schubsten.<br />

Boldie brauchte fast zwei Stunden. Immer wieder<br />

brauchte er Trinkpausen, wo er sich den Whisky in die<br />

Kehle laufen ließ. Nach und nach tauchten endlich die<br />

ersten Häuser von <strong>Cutter</strong> auf und er konnte die Kreuze<br />

auf dem Friedhofshügel erkennen.<br />

Im Zellentrakt kniete Nick vor der Tür der ersten Zelle<br />

und versuchte das Schloss zu reparieren. <strong>Zwei</strong>mal schon<br />

glaubte er es, funktioniere wieder, doch es sprang immer<br />

wieder auf, wenn er sich kraftvoll dagegen warf. Nick<br />

versuchte es erneut, mit etwas Öl und einer Feile. Er hielt<br />

19


die Tür mit der rechten Hand fest während er im<br />

Schlüsselloch herumfeilte und die Melodie des alten<br />

Ohio Songs dabei pfiff. Dass Boldie das Office betrat<br />

hörte er nicht. Zu laut war das raspeln der Feile an dem<br />

Metallenen Schloss. Boldie stürmte herein und blieb vor<br />

dem Schreibtisch stehen, völlig verschwitz und außer<br />

Atem. Verzweifelnd sah er sich um. Niemand war zu<br />

sehen, aber aus dem Zellentrakt hörte er den Marshall<br />

Pfeifen.<br />

„ Marshall!“ rief Boldie und riss die Tür zum Nebenraum<br />

auf. Krachend schlug diese gegen die offen stehende<br />

Zellentür, die Nick immer noch festhielt. Ein stechender<br />

Schmerz zuckte durch seine Finger. Mit zusammen<br />

gebissenen Zähnen presste er seine Hand an die Brust,<br />

bis der Schmerz etwas nachließ, dann fluchte er.<br />

„ Verdammt Boldie! Schon mal was von anklopfen<br />

gehört?“<br />

„ Es, es tut mir Leid.“ Stotterte Boldie. „ ich wusste doch<br />

nicht ……..tut es sehr weh? Ich wollte ihnen etwas<br />

Wichtiges sagen. Lawrence Cliff kommt Morgen hier<br />

her.“<br />

„ Du stürmst in mein Office, brichst mir meine Finger,<br />

nur um mir zu erzählen, dass dieser Lawrence kommt?<br />

Prima, das weiß ich schon!“<br />

Boldie zog sich verängstigt zurück. Wie ein Hund, der<br />

stets geschlagen wurde, drückte er sich gegen die Wand,<br />

ging in die Hocke und nahm die Arme über den Kopf, als<br />

wolle er diesen vor Schläge schützen. Ein leises<br />

Wimmern brach aus seiner Kehle als Nick das Office<br />

betrat. Er sah den hilflosen, alten Mann an, der seit seiner<br />

Trinksucht von den Bürgern <strong>Cutter</strong>s verstoßen wurde.<br />

Mit tröstenden Worten versuchte Nick ihn zu beruhigen.<br />

„ Endschuldigung Boldie. Du konntest ja nicht wissen,<br />

dass ich schon von Cliff gehört habe. Ich danke dir <strong>für</strong><br />

diese Nachricht. Setz dich und erzähl mir erst mal woher<br />

20


du das weißt.“ Boldie starrte Nick immer noch ängstlich<br />

an. Erst als Nick ihm die Hand anbot, um ihm beim<br />

Aufstehen zu helfen, torkelte zum Stuhl und ließ sich<br />

zwischen die Lehnen fallen. Stolz erzählte er, was er von<br />

seinem versteck aus beobachtet hatte. Nick hörte ihm<br />

gespannt zu, während er sein Halstuch um die<br />

geschwollenen Finger wickelte.<br />

„ Cliff hat also ein paar Späher voraus geschickt. Kannst<br />

du sie mir zeigen?“<br />

„ Nein. Ich habe keine Gesichter erkennen können.“<br />

„ Wie viele Whiskys hattest schon getrunken?“ fragte<br />

Nick weil er langsam skeptisch wurde bei der<br />

Geschichte.<br />

„ Nur einen….zwei….die halbe Flasche, aber ich habe<br />

sie gesehen und gehört. Meine Ohren sind noch sehr gut.<br />

Das hat Doktor Leonard mir gesagt.“<br />

„ Ich kann dir zwar keinen Whisky anbieten, aber<br />

vielleicht bist du ja auch mit einem Kaffe zufrieden. Hier<br />

nimm, der wird dir gut tun.“ Boldies Hände zitterten als<br />

er die Tasse nahm. Ein schluck aus seiner Flasche wäre<br />

ihm lieber gewesen, jedoch hatte der Marshall recht<br />

gehabt und der Kaffe gab ihm ein wohliges Gefühl.<br />

„ Einer ritt auf einer prächtigen Fuchsstute mit langer<br />

Mähne.“ Sagte er beiläufig. Nick ging zum Fenster,<br />

winkte Boldie zu sich und deutete auf ein Pferd, welches<br />

gegenüber vorm Saloon angebunden war.<br />

„ Meinst du so wie dieses Tier da?“<br />

„ Das ist es! Marshall das ist die Stute. Ich erkenne sie<br />

genau. Mit Pferden kenne ich mich aus. Besser als mit<br />

den Menschen.“<br />

„ Danke Boldie, aber jetzt solltest du dich auf den Weg<br />

nach Hause machen. Sandra macht sich sonst Sorgen um<br />

dich.“<br />

„ Meine Tochter macht sich immer Sorgen. Ich habe<br />

keine Freie Zeit mehr <strong>für</strong> mich. Ständig nörgelt sie<br />

21


herum, tue dies nicht, tue das nicht.“ Nick klopfte dem<br />

verärgerten Mann auf die Schulter und lachte.<br />

„ Hey, ich habe eine Idee. Im Murphys Mietstall steht ein<br />

alter Hengst. Er gehörte dem kürzlich verstorbenen<br />

Mister Smith. Das Tier ist zwar schon sehr alt aber es<br />

braucht seine regelmäßige Bewegung. Murphy flucht nur<br />

jeden Tag, denn zum vermieten eignet es sich nicht mehr.<br />

Geh hin und sag ihm, dass ich dir das Pferd in Pflege<br />

gebe. Du kommst doch jeden Tag in die Stadt, dann hat<br />

das Tier seinen Auslauf.“<br />

Boldie bekam glänzende Augen.<br />

„ Ein Pferd <strong>für</strong> mich? Danke Marshall. Das werde ich<br />

ihnen nie vergessen. Und das mit ihrer Hand tut mir<br />

wirklich leid.“<br />

Nick versuchte seine Finger zu bewegen, was höllisch<br />

schmerzte. Er atmete tief ein und sagte durch die<br />

zusammen gebissenen Zähne.<br />

„ Schon gut. Du kannst ja nichts da<strong>für</strong>.“<br />

Es war Mittag. Im Saloon saßen viele Cowboys, die sich<br />

das Essen schmecken ließen. In Peggy Sues Restaurant<br />

waren alle Plätze besetzt. Mittlerweile hatten sich drei<br />

weitere Rancher eingefunden, die ihre Rinder in den<br />

Gattern verteilten und nun auf den frühen Morgenzug des<br />

nächsten Tages warteten. Laute Musik erklang bis auf die<br />

Straße. Bill, der Klavierspieler verstand es Stimmung mit<br />

seinem Instrument zu verbreiten. Irgendein fremder<br />

Cowboy hatte sich zu ihm gesellt und stimmte mit seiner<br />

Mundharmonika dazu ein, was einige zum Tanzen<br />

verleitete.<br />

Nick betrat den Saloon so unauffällig wie immer. Locker<br />

schlenderte er zum Tresen und bestellte sich ein Bier. Er<br />

genoss sein kühles Getränk, während er mit dem Rücken<br />

angelehnt am Tresen stand, den rechten Ellbogen<br />

aufgestützt. Viele der Cowboys kannte Nick. Sie kamen<br />

jedes Jahr mit dem Viehtrieb hierher. Einige, aus den<br />

22


nahe liegenden Ranges, waren schon öfters hier. Sie<br />

kamen meistens an Wochenenden um ihren Lohn in<br />

Whisky und Girls zu investieren.<br />

Aus den Augenwinkeln beobachtete Nick jeden Gast. Es<br />

war schwierig hier den Richtigen heraus zu finden. Zu<br />

viele fremde Gesichter tummelten sich um die Tische,<br />

saßen zum Pokerspiel oder tanzten mit den Bargirls.<br />

Nick blieb nichts anderes übrig, als den Saloon wieder zu<br />

verlassen und vom Office aus das Pferd im Auge zu<br />

behalten. Irgendwann musste der Besitzer der schönen<br />

Fuchsstute ja rauskommen, dann kann er ihn zur Rede<br />

stellen. Nick überquerte gerade die Mainstreet, da kam<br />

Jett aus dem Hotel. Er sah Nick und lief gleich auf ihn<br />

zu.<br />

„ Hey Nick. Es sind weitere drei Rancher eingetroffen.<br />

Ich habe sie auf die vorderen Gatter verteilt. Heute Nacht<br />

fährt noch ein Sonderzug. Dann haben wir Morgen<br />

wieder Platz, wenn Gardler mit seiner Riesenherde hier<br />

auftaucht.“<br />

„ Das sind mal gute Nachrichten.“<br />

„ Wieso, was ist denn los?“ fragte Jett neugierig.<br />

Ich habe einen Brief von Sheriff Solter erhalten.<br />

Lawrence Cliff ist geflohen und sucht nun <strong>Cutter</strong> auf. Er<br />

soll Morgen hier eintreffen. Drei Späher von ihm sind<br />

schon in der Stadt. Einem gehört der Fuchs da drüben.<br />

Dieser Cliff hat sich wirklich den ungünstigsten<br />

Zeitpunkt <strong>für</strong> seine Rache ausgesucht.“<br />

Jett wollte ihm noch von der Ankunft seines Vaters<br />

erzählen, aber nach dieser Nachricht ließ er es besser<br />

bleiben. Nick hatte schon genug um die Ohren.<br />

Außerdem würde er sich nicht über diesen Besuch<br />

freuen, es wäre nur eine weitere schlechte Nachricht.<br />

„ Was hast du nun vor?“ wollte Jett besorgt wissen.<br />

„ Weiß nicht. Vielleicht wäre es besser ihm entgegen zu<br />

reiten und die Sache draußen zu erledigen. Eine<br />

23


Schießerei in der Stadt, kann ich mir gerade jetzt nicht<br />

leisten.“<br />

„ Lawrence ist eine feige Ratte. Er wird dich zum Duell<br />

auffordern, aber seine drei Helfer sind garantiert im<br />

Hintergrund, weil er bestimmt noch weiß, dass du<br />

schneller bist.“<br />

„ Er hatte genug Zeit zum trainieren. Unterschätze deine<br />

Gegner nicht Jett. Außerdem muss ich wohl mit links<br />

schießen.“ Nick wickelte das Tuch von seiner Hand und<br />

betrachtete die blau angelaufenen Finger. Er hielt sie<br />

etwas verdeckt, damit es nicht jeder sieht. Nur Jett sah<br />

die Verletzung und verzog mitfühlend seine Mine.<br />

„ Wie ist das denn passiert?“<br />

Nick schilderte ihn in kurzen Worten, wie es dazu kam<br />

und meinte anschließend.<br />

„ Wir sollten ins Office gehen. Wenn der Kerl mich<br />

tatsächlich beobachtet, kommt er nie raus, so lange ich<br />

hier stehe. Außerdem will ich nicht, dass er hiervon<br />

etwas mitbekommt. Das fehlte mir noch, wenn Cliff<br />

meine Schwachstellen kennt.“<br />

„ Wenn er dich vom Saloon aus beobachten will, dann<br />

geht das doch nur so lange, wie du dich hier vorne<br />

aufhältst. Ich behalte den Gaul im Auge und du gehst<br />

hoch zu Doktor Leonard. Vielleicht kann er noch etwas<br />

daran tun.“<br />

„ Ist auch eine Idee.“ Sagte Nick kurz und ging die<br />

Mainstreet rauf zum Haus vom Doc.<br />

Jett stand unauffällig hinter dem Fenster des Office.<br />

Niemand näherte sich dem Pferd, das mit hängendem<br />

Kopf in der Sonne döste. Die Fuchsstute war die einzig<br />

Spur zu einem der Anhänger die sich Cliff Lawrence<br />

angeschlossen hatten. Nach seinem Besuch bei Doktor<br />

Leonard, ging weiter seiner Arbeit nach.<br />

Die Finger waren zum Glück nicht gebrochen, aber doch<br />

sehr verstaucht. Nick verzichtete auf eine Verband, es<br />

24


sollte ja niemand gleich sehen, dass er die Rechte nicht<br />

mehr richtig nutzen konnte.<br />

Seine Deputys Alex Cooper und Benno Walker hatten<br />

den Auftrag, ihn nicht aus den Augen zu lassen und alles<br />

um ihn herum zu beobachten. Selbst Mietstall Owner<br />

Murphy war eingeweiht und hielt die Augen offen, aber<br />

niemand verhielt sich auffällig. Keine Spur von den<br />

dreien. Im Saloon ging es rein und raus, doch kein Mann<br />

ging auf den Rotfuchs zu.<br />

Es war ein purer Zufall, dass Alex am Hoteleingang<br />

stand und sah, wie Peggy-Sue ein Tablett mit Essen die<br />

Treppe hinauf trug. Er eilte zur Treppe und fing Peggy-<br />

Sue ab.<br />

„ Das sieht ja mal wieder köstlich aus. Peggy du bist die<br />

beste Köchin weit und breit.“ Sie blieb genervt auf der<br />

fünften Stufe stehen. Wenn sie auch sonst mit Alex gerne<br />

rum flirtete, war er ihr im Moment im Wege. Sie hatte so<br />

viel zu tun, dass keine Zeit blieb sich mit dem jungen<br />

Burschen zu necken, wie sie es sonst immer tat. Obwohl<br />

sie nie etwas in Richtung Liebe von Alex wollte, mochte<br />

sie trotzdem seine liebevolle Art ihr gegenüber.<br />

Alex war immer <strong>für</strong> eine Überraschung gut. Manchmal<br />

standen Blumen auf ihrem Schreibtisch oder ein sie fand<br />

ein stück Schokolade auf dem Rezeptionstisch.<br />

„ Jetzt nicht Alex. Ich habe alle Hände voll zu tun!“ sagte<br />

sie in einem schroffen Ton.<br />

„ Für wen dieses gute Essen? Wer hat es denn verdient,<br />

von dir auf seinem Zimmer bewirtet zu werden?“<br />

„Was soll diese Frage?“ sagte sie. „ Was geht es dich an,<br />

wen ich wo bewirte?“<br />

„ Warum kommt er denn nicht runter zum Essen.<br />

Vielleicht will noch etwas mehr von dir?“<br />

„ Alex! Was sind das denn <strong>für</strong> Gedanken? Er hat sein<br />

Abendbrot auf sein Zimmer bestellt. Genauso wie das<br />

Mittagessen und das Frühstück. Und er zahlt gut da<strong>für</strong>.“<br />

25


„ Ist er einer der Rancher, kenne ich ihn“<br />

„ Sag mal, du bist doch nicht etwa eifersüchtig? Oder<br />

machst du dir tatsächlich Sorgen um mich? Er kam erst<br />

heute Morgen. Ohne Rinder. Er hat mir das Doppelte<br />

gezahlt, wenn ich ihn <strong>für</strong> eine Übernachtung ein Zimmer<br />

zur Straße gebe. Er wäre so fasziniert von den Cowboys<br />

und möchte zu sehen, wenn sie ihr Vieh durch die Stadt<br />

treiben. Mehr nicht.“<br />

„ Das kann er doch viel besser von hier unten.“<br />

Peggy-Sue wurde ungeduldig. Sie schob den lästigen<br />

Deputy mit ihrem Ellbogen bei Seite um ihren Weg nach<br />

oben fort zu setzten.<br />

„ Was soll die ganze Fragerei? Das Essen wird kalt. Lass<br />

mich meine Arbeit verrichten, Cooper!“ schimpfte sie,<br />

aber Alex ließ nicht locker.<br />

„Wie ist seine Zimmernummer?“<br />

„ Vier. Und nun lass mich bitte in Ruhe mit deiner<br />

Detektivarbeit.“<br />

Alex lief zum Gästebuch. Es ließ ihn keine Ruhe. Ein<br />

Mann der so komisch verhält und sein Zimmer den<br />

ganzen Tag lang nicht verließ musste einfach überprüft<br />

werden. Das Buch lag auf dem Tresen in der<br />

Empfanghalle. Sein Finger glitt über die letzte Seite und<br />

blieb bei dem Namen, John Smith stehen.<br />

„ Natürlich, “ dachte er, „ wer ist auch schon so blöd und<br />

trägt seinen richtigen Namen ein, wenn er etwas im<br />

Schilde führt. Der Kerl heißt ganz bestimmt nicht so.<br />

Jetzt bin noch mehr davon überzeugt, dass er nicht<br />

Normal ist.“ Alex stockte plötzlich. Wie ein Blitz kam<br />

ihm ein Gedanke.<br />

„Was wäre, wenn er den Marshall erschießen will. Er<br />

hatte ein Fenster zur Straße verlangt. Ob er zu Cliffs<br />

Leuten gehörte?“<br />

Wieder eilte Cooper die Treppe rauf. Er blinzelte durch<br />

das Schlüsselloch und konnte den Mann am Fenster<br />

26


stehen sehen. Den Teller musste er wohl auf dem<br />

Fensterbrett stehen haben, denn in seiner Hand hielt er<br />

die Gabel, die er immer wieder zum Mund führte. Für<br />

Heute Abend war kein Viehtrieb mehr vorgesehen.<br />

Warum also nahm er das Essen am Fenster ein?<br />

Alex hatte die strickte Anweisung nichts auf eigene Faust<br />

zu Unternehmen. Also entschloss er sich seine Theorie<br />

erstmal Sheriff Armstrong zu erzählen.<br />

Im Office blieb es ruhig. Die Leute waren mit Feiern<br />

beschäftigt. Die strengen Regeln, die Marshall Ryder<br />

jedes Jahr aushing, wurden meistens befolgt. Ausnahmen<br />

mussten mit hohen Strafen rechnen. Es war verboten in<br />

der Stadt zu schießen oder die Einwohner zu belästigen.<br />

Er wollte nicht, dass die Bürger von <strong>Cutter</strong> nur Nachteile<br />

des jährlichen Viehtriebes hatten. Die Geschäfte<br />

profitierten reichlich daran, denn die Cowboys und<br />

Rancher ließen viel Geld zurück. Nicht nur im Saloon<br />

oder in Mama Olgas Frauenhaus. Sie mussten auch<br />

essen, übernachten und Vorräte <strong>für</strong> die rückreise kaufen.<br />

Den größten Anteil verdiente dabei die Bahn. Die<br />

Viehverladung war ein Bestandteil des Vertrages<br />

zwischen der Bahn und der Stadt <strong>Cutter</strong>. Sonst hätten sie<br />

die Schienen nie bis hier her gelegt. <strong>Cutter</strong> lebte nun mal<br />

von Durchreisenden, die neben der Kutsche auch nun mit<br />

dem Eisenross anreisten.<br />

Jett behielt immer noch seinen Platz am Fenster mit einer<br />

Kaffeetasse in der Hand. Seufzend sah er Ronald<br />

Armstrong den Stepwalk entlang kommen und schon<br />

klopfte es an der Tür.<br />

„ Jett, Junge, ich muss dir unbedingt noch etwas sagen.<br />

Etwas Wichtiges.“ Sagte er und trat ohne Aufforderung<br />

herein.<br />

„ Wenn es schon wieder um die Selbe Sache geht,<br />

kannst du gleich wieder gehen. Meinen Standpunkt<br />

27


kennst du.“ Jett wandte sich von ihm ab um weiterhin<br />

den Saloon zu beobachten. Ronald fuhr fort mit seiner<br />

Rede.<br />

„ Ich will nicht lange um den heißen Brei herum reden.<br />

Ich habe Krebs.“ Er machte eine kurze Pause und wartete<br />

Jetts Reaktion ab. Aber Jett hob nur den Kopf und sagte<br />

nichts. In seinem Gesicht regte sich kein Muskel. Ronald<br />

sprach weiter.<br />

„ Es ist die Wahrheit. Ich war schon bei vier<br />

verschiedenen Ärzten. Alle haben mir das gleiche<br />

bestätigt.“ Belanglos, wie nebenbei fragte Jett,<br />

„ bist du deshalb hier, um Mitleid von zu erwarten?“<br />

„ Nein. Ich weiß wie sehr du mich hasst. Aber es geht<br />

hierbei nicht um mich oder unsere Familiäre Beziehung.<br />

Mir geht es nur um die Bank. Wenn du nicht zurück<br />

kommst und die Geschäfte übernimmst, geht das ganze<br />

Vermögen an deinen Onkel. Mein Bruder ist ein<br />

Träumer. Er kann so ein riesiges Unternehmen nicht<br />

Leiten. Er würde es in einem Jahr zu Nichte machen.<br />

Aber du bist fähig die Banken zu führen. Verschwende<br />

doch nicht dein Talent in dieser Kuhstadt. Jett ich bitte<br />

dich. Soll denn alles zu Grunde gehen, was ich in den<br />

Jahren so Mühevoll aufgebaut habe?“<br />

„ Du kommst einfach nach so vielen Jahren hierher,<br />

erzählst mir was davon, dass du nicht mehr lange Lebst<br />

und erwartest von mir, dass ich alles hier so einfach<br />

aufgebe um dein Imperium zu retten? Deine Arbeit hat<br />

unsere ganze Familie auseinander gebracht. Sie hat fast<br />

meine Freundschaft zu Nick gekostet, weil du mir<br />

jeglichen Kontakt zu ihm verboten hattest. Aber glaube<br />

mir, er war und ist immer noch der einzige Freund, der<br />

immer zu mir steht. Er war da, als ich dich brauchte.<br />

Selbst Mutter hatte Angst vor dir und wendete sich ab.“<br />

Jett stellte wütend seine Tasse auf das Fensterbrett. Der<br />

28


Kaffe schwappte über. Eine Pfütze bildete sich auf dem<br />

Brett, die langsam zum Rand hin lief und runtertropfte.<br />

„ Ich sterbe. Reicht das nicht. Ich bin immer noch dein<br />

Vater.“ Rief Ronald bestimmend in seinem gewohnten<br />

Befehlston.<br />

„ Du warst nie ein richtiger Vater <strong>für</strong> mich. Also komm<br />

mir jetzt nicht auf diese Weise. Geh! Verlass mein<br />

Office, verlass <strong>Cutter</strong> und lass mich in Ruhe.“<br />

Ronald öffnete die Tür. Er schaute noch einmal zu<br />

seinem Sohn hin, aber dieser hatte seinen Blick<br />

abgewandt. Ohne noch ein Wort zu sagen ging er hinaus.<br />

Sein Hass gegenüber Nick Ryder hatte sich in diesem<br />

Gespräch noch mehr verhärtet. Langsam wurde ihm klar,<br />

der Marshall stand wieder seinem Plan im Wege. Schon<br />

damals beeinflusste er Jett, so glaubte Ronald jedenfalls.<br />

Dass Nick einfach nur ein guter Freund war, und seinem<br />

Sohn mehrmals half, in Problemen die eigentlich ein<br />

Vater regeln sollte, verdrängte er. Nick war der Sohn<br />

eines Säufers und Jett durfte als Sohn eines angesehenen<br />

Bankiers nicht mit so einem zusammen sein.<br />

Roland war noch nicht lange fort, da stürmte Alex das<br />

Büro. Aufgeregt erzählte er Jett von seiner Entdeckung.<br />

Er war sich nun sicher, einen der Späher gefunden zu<br />

haben.<br />

„ Bleib an ihm dran.“ War Jetts Anweisung. „ Mach<br />

keine Dummheiten hörst du? Nur beobachten.“<br />

Kurz nach Mitternacht kam auch Nick ins Office. Müde<br />

warf er seinen Hut auf den Schrank und ließ sich<br />

gähnend in den Stuhl fallen.<br />

„ Gibt es was Neues?“ fragte er seinen Freund.<br />

„ Ja. Alex beobachtet einen im Hotel. Er benimmt sich<br />

höchst verdächtig. Benno hält die Augen offen, hat aber<br />

bisher noch nichts Auffälliges gesehen. Unser Mann im<br />

Saloon ist immer noch nicht aufgetaucht. Ich war ein<br />

paar Mal drüben, doch dort ist nach wie vor eine Menge<br />

29


los. Da jemanden zu finden den man nicht kennt ist<br />

ausgeschlossen.“<br />

„ Alex soll dran bleiben. Ob er unser Mann ist, wird sich<br />

Morgen zeigen. Spätestens wenn tatsächlich Cliff<br />

Lawrence hier auftaucht.“<br />

„ Hast du einen Plan?“<br />

„ Nein. Mir bleibt nichts anderes übrig, als meiner Arbeit<br />

weiter nach zu gehen. Ich kann nicht den ganzen Tag<br />

damit verschwenden auf Cliffs Ankunft zu warten. Eben<br />

wurden die ersten Rinder verladen, Morgen sind die<br />

nächsten dran. Wenn Lawrence was von mir will, muss<br />

er sehen wie er mich findet. Im Moment bin ich nur<br />

Müde und leg mich etwas hin. Gib nur eine Stunde dann<br />

löse ich dich bei Wache ab. Gute Nacht.“<br />

Besorgt sah Jett ihm nach, wie er ins Nebenzimmer ging<br />

um auf dem harten, abgelegenen Lager etwas Schlaf zu<br />

finden. Cliff wird Nick zum Duell auffordern und er wird<br />

garantiert nicht Fair dabei bleiben. Außerdem kann Nick<br />

seine Rechte nicht benutzen. Er war zwar nicht schlecht,<br />

im schießen, mit der Linken, aber dennoch um einige<br />

wichtige Sekunden langsamer. Cliff war ein Killer. Er<br />

lebte von seiner Waffe, seiner schnellen Hand und die<br />

war mit Sicherheit schneller als Nicks Linke.<br />

Jett ließ seinen Freund schlafen. Er wechselte sich mit<br />

Benno ab. Es dauerte Endlose Stunden, aber schließlich<br />

um fünf Uhr frühen Morgens ging ein dicklicher Mann<br />

auf die Stute zu.<br />

Benno trat nervös von einem Bein auf das andere. Nur<br />

<strong>für</strong> einen kurzen Moment blickte er zu Jett rüber, der am<br />

Schreibtisch saß und mit dem Kopf auf der Tischplatte<br />

lag. Er wollte sich nur ein bisschen ausruhen, war aber<br />

schon nach kurzer Zeit in dieser unbequemen Haltung<br />

eingeschlafen.<br />

„ Hey Jett. Wach auf. Da drüben tut sich was.“<br />

30


Sofort war er wach. Mit zwei Sätzen sprang er zum<br />

Fenster. Gebannt starrten Beide auf den Mann, der um<br />

die Stute herum ging und ihren Hals tätschelte.<br />

Armstrong schnappte seinen Hut. Noch im hinausgehen<br />

rief er.<br />

„ Wecke Nick. Ich glaube es geht los. Wir haben ihn.“<br />

Er überquerte die Mainstreet. Ein kleiner dicklicher<br />

Mann führte das schöne Tier am Zügel.<br />

„ Hey du da!“ Jett hatte ihn mit seinen großen Schritten<br />

schnell eingeholt und drückte ihm seinen Revolver in den<br />

Rücken. Plump drehte sich der Mann zu ihm um. In<br />

seinem Gesicht stand Angst und erschrecken. Jett stellte<br />

schnell fest, dass er weder einen Gürtel noch einen Colt<br />

trug.<br />

„ Wer bist du und wo willst du mit dem Gaul hin?“ fragte<br />

Jett ihn mit harter Stimme.<br />

„ Ich soll ihn in den Stall bringen. Er hat mir einen viertel<br />

Dollar da<strong>für</strong> gegeben.“ Stammelte der Dicke.<br />

„ Das fällt ihm aber früh ein, dass sein Pferd hier<br />

Stundenlang ohne Wasser und Futter rum steht. Wie sah<br />

der Mann aus der dich bezahlt hat?“<br />

„ Weiß ich nicht. Der Salooner gab mir den Auftrag.“<br />

„ Sieh zu, dass sie was zu fressen bekommt und vor<br />

allem genug Wasser. Das arme Tier steht schon seit heute<br />

Mittag angebunden da.“<br />

Sein nächstes Ziel war der Saloon. Der Späher musste<br />

mit George gesprochen haben, also wusste der Barkeeper<br />

auch wie der gesuchte Unbekannte aussah. Sein weg<br />

wurde von Benno unterbrochen, der aus dem Office<br />

gestürmt kam.<br />

„ Jett!“ rief er „ Nick ist schon weg. Er muss hinten raus<br />

gegangen sein. Hier ist ein Zettel <strong>für</strong> dich.<br />

Er schwenkte mit einem stück Papier durch die Luft und<br />

reichte es Jett der leise vorlas.<br />

31


„ Wollte euch nicht stören. Bin hinten raus damit die<br />

Späher mich nicht sehen. Bin bei den Rindern. Bis<br />

gleich, Nick.“ Jett schüttelte den Kopf.<br />

„ Der hat vielleicht Nerven.“ Sagte er und sah im letzten<br />

Moment seinen Vater auf dem Stepwalk gehen.<br />

„ Ich muss noch was erledigen!“ Jett beeilte sich. Er<br />

wollte weg bevor ihn sein Vater wieder ansprach. Der<br />

Weg zum Saloon war jetzt wichtiger. Sie mussten den<br />

Späher finden, ehe Cliff Lawrence einreitet. Er war noch<br />

nicht ganz im Saloon verschwunden, da hielt ein Reiter<br />

mitten auf der Straße an. Lässig stieg er von seinem Pferd<br />

und blieb vor dem Office stehen. Er war ein sehr<br />

kräftiger Kerl mit breiten Schultern. Die Augen standen<br />

weit auseinander, die Nase schien viel zu dick mit ihren<br />

breiten Nasenflügeln. Darunter saß ein dünner<br />

Schnauzer, der so gar nicht zu diesem Kantigen Gesicht<br />

passen wollte. Er trug ein Kragenloses, ausgewaschenes<br />

Hemd das sicher einmal Blau war, eine graue Hose und<br />

abgelaufene Stiefel dessen Spitzen schon Löcher<br />

aufwiesen. Breitbeinig postierte er sich mitten auf der<br />

Straße, die Hände in die Hüfte gestützt und rief.<br />

„ Marshall Ryder, komm raus!“<br />

Jeder wusste, was gleich hier auf der Mainstreet<br />

geschehen würde. Es wäre nicht das Erste Duell, in<br />

<strong>Cutter</strong>s Straßen.<br />

Die Leute auf dem Stepwalk verzogen sich in die Häuser<br />

um, hinter den Fenstern in sicherem Abstand alles<br />

beobachten zu können. Der Verkehr auf der Straße<br />

stoppte. Wer bisher auf einem Wagen saß, war nun<br />

abgesprungen und suchte Schutz in einem der Läden und<br />

Häuser. In kürzester Zeit herrschte Totenstille. Deputy<br />

Benno Walker versteckte sich hinter einem Pfeiler. Er<br />

überlegte, was er tun könnte. Sollte er ihm klar machen,<br />

dass Nick nicht im Office war? Er biss sich auf die<br />

Unterlippe, was er immer tat, wenn er nervös wurde.<br />

32


Wo war Nick, und wieso zeigte Jett sich nicht. Er war<br />

doch in den Saloon gegangen. Er musste das doch<br />

mitbekommen?<br />

Wieder hallte die scharfe Stimme zum Office hinüber.<br />

„ Hast du angst du Feigling? Versteckst dich in deinem<br />

Office wie ein Erdhörnchen. Hahahaha!“ Es war ein<br />

eiskaltes Lachen was den Leuten von <strong>Cutter</strong> bis ins Mark<br />

fuhr. Viele kannten Cliff Lawrence noch und wussten,<br />

wie gefährlich dieser Mann war. Niemand würde sich<br />

ihm Freiwillig in den Weg stellen. Der schrecken der<br />

Vergangenheit saß noch Tief in ihren Gliedern. Cliff<br />

blieb unbeweglich auf seinem Platz stehen. Mit<br />

zusammen gekniffenen Augen starrte er auf die Tür zum<br />

Marshall Office, aber nichts rührte sich.<br />

Dann erklang die scharfe Stimme des Marshalls.<br />

„ Ich bin hier Cliff.“ Nick stand wie aus dem Boden<br />

gewachsen plötzlich auf der Mainstreet. Zehn Yards nur<br />

entfernt von seinem Herausforderer.<br />

Cliff wandte sich zu ihm. Er hielt seine Hände immer<br />

noch an der Hüfte. Langsam musterte er seinen Gegner.<br />

„ Hallo Marshall. Lange habe ich auf diesen Moment<br />

gewartet. Jeden Tag habe ich mich danach gesehnt.“<br />

Krächzte Cliff. Nick stand gelassen da. Seine Arme vor<br />

der Brust verschränkt, die Beine Schulterbreit<br />

auseinander. Er sah Lawrence direkt in die Augen, die<br />

kalt und voller hass waren.<br />

„ Wusste gar nicht, dass du mich so sehr vermisst hast.<br />

Du bist drei Jahre zu früh dran. Ich muss dich also wieder<br />

verhaften und zurück ins Lager schicken.“ Wieder hallte<br />

die kalte Lache von den Lippen des Geflüchteten<br />

Sträflings.<br />

„ Dazu musst du mich erst mal besiegen. Ich hatte genug<br />

Zeit meine Schnelligkeit noch zu verbessern. Und wie ich<br />

sehe warst du auch nicht Faul. Trägst jetzt einen<br />

<strong>Zwei</strong>handgurt. Bin beeindruckt.“ Hinter dem Pfeiler<br />

33


stand immer noch Benno, dem jetzt erst erstaunt auffiel,<br />

dass Ryder einen Gurt mit zwei Holstern trug. Das hatte<br />

er bei ihm noch nie gesehen. Überhaupt hatte er Nick<br />

noch nie mit links schießen gesehen. Er fragte sich, wieso<br />

er wohl zu diesem Duell einen solchen Waffengurt um<br />

hatte.<br />

„ Bringen wir es hinter uns, ich habe noch einiges vor.“<br />

Sagte Cliff. Seine Hände ließ er runterfallen. Sie<br />

schwebten nun neben der Hüfte. Die Rechte gefährlich<br />

nahe am Coltgriff. Er spannte eine Faust, und ließ die<br />

Finger wieder locker. Seine Augen waren nur noch einen<br />

Spalt weit offen. Auch Nick nahm seine Arme runter und<br />

ließ die Hände in der Nähe der Colts hängen. Er<br />

konzentrierte sich auf den Blick des Gegners. Die<br />

Beobachter hinter den Scheiben hielten den Atem an.<br />

Jeden Moment würden die Schüsse fallen und einer der<br />

Beiden würde Tot am Boden liegen. Sie hegten alle<br />

Hoffnungen auf ihren Gesetzeshüter von dem sie<br />

wussten, wie schnell er war. Doch auch Cliff war<br />

keinesfalls zu unterschätzen. Sekunden schlichen endlos<br />

lange dahin.<br />

Ein blitzen in Cliffs Augen, ließ Nicks Rechte zum<br />

Holster zucken. Lawrence zog seien Colt fast<br />

gleichzeitig.<br />

Dann hallten zwei Schüsse durch die Stadt. Nur um<br />

zehntel Sekunden versetzt. Noch standen sich Beide<br />

gegenüber. Sie hielten ihre rauchenden Revolver in den<br />

Händen. Einigen Beobachtern viel sofort auf, dass Nick<br />

seinen Colt in der linken Hand hielt.<br />

Cliff machte einen Schritt vorwärts, doch er kam nicht<br />

weiter. Sein Bein knickte ein und er fiel auf das rechte<br />

Knie. Ein Versuch wieder auf zu stehen gelang ihm nicht.<br />

Das Knie brach wieder ein und er stürzte zu Boden. In<br />

dem Moment fielen zwei weitere Schüsse. Nick warf sich<br />

zur Seite. Aus dem Fenster des Hotels fiel eine Person<br />

34


über die Brüstung in den Straßenstaub. Dem Hotel<br />

gegenüber stand Deputy Lex Cooper. Lässig pustete er<br />

die kleine Rauchwolke, die aus seinem Lauf stieg, weg<br />

und rief.<br />

„ Einer der Späher. Ich habe mich also nicht geirrt.“<br />

Der zweite Schuss kam aus Bennos Waffe. Er hatte den<br />

Schützen hinter dem Fass entdeckt und ihm eine Kugel<br />

geschickt, als dieser seine Winchester auf Nick richtete.<br />

Stolz grinste er zu seinem Boss rüber.<br />

Auf dem Balkon über dem Saloon tauchte Jett auf. Er<br />

hielt einen Mann vor sich, der an den Händen gefesselt<br />

war und einen Knebel trug.<br />

„ Nummer drei.“ Rief er runter.“ George war so nett, mir<br />

seine Zimmernummer zu sagen. Er ist unser<br />

Fuchsstutenreiter.“<br />

Nick musste lächeln. Er hatte ein wirklich gutes Team<br />

um sich und war mächtig Stolz auf seine Deputys und<br />

seinem, besten Freund Sheriff Armstrong.<br />

„ Steh auf!“ sagte Nick zu Cliff, der noch immer am<br />

Boden hockte und sein Bein festhielt.<br />

„ Ich habe dir absichtlich nicht den Gefallen getan und<br />

dich umgebracht. Ich finde du solltest deine Strafe<br />

absitzen und diesmal bekommst du noch ein paar Jahre<br />

oben drauf. Mit strengster Aufsicht. Darauf kannst du<br />

dich verlassen.“ Er zog Cliff grob am Arm hoch und<br />

schob ihn vor sich her bis zum Jail. In wenigen Minuten<br />

ging der Alltag auf der Mainstreet weiter, als wäre nichts<br />

geschehen. Wagen rollten wieder, Frauen bildeten kleine<br />

Grüppchen und unterhielten sich mit ihren<br />

Einkaufskörben in den Händen.<br />

Im Office versammelten sich Cooper, Walker und<br />

Armstrong um Nick zu gratulieren. Jett war der Erste, der<br />

nach dem ungewöhnlichen Gurt fragte.<br />

„ Sag mal, wo hast du eigentlich diesen <strong>Zwei</strong>handgürtel<br />

her?“<br />

35


„ Den hat mir unser Schmied Ole geliehen. Er gehörte<br />

mal seinem Vater. Ich musste Cliff doch irgendwie<br />

bluffen. Er hatte sich zu sehr auf meine Rechte<br />

konzentriert darauf habe ich spekuliert, da ich mit Links<br />

nicht so schnell bin, musste ich ihn irgendwie davon<br />

ablenken.“<br />

„ Nicht schlecht. Das ist dir ja wohl auch gelungen.“<br />

Sagte Cooper und Walker lenkte ein,<br />

„ Wer sagt, dass du mit Links nicht so schnell bist? du<br />

warst um einen Deut schneller als Cliff. Ich habe es<br />

genau gesehen. Dein Schuss kam schneller. Du hättest<br />

den Bluff gar nicht gebraucht.“<br />

„ Meinst du?", gab Nick zur zurück, “ aber dennoch<br />

haben wir keine Zeit uns hier auszuplaudern. Heute<br />

Nachmittag kommen die nächsten Rancher. Cooper, du<br />

holst bitte Doktor Leonard hier her. Er muss noch die<br />

Kugel aus Cliffs Bein ziehen. Benno, du siehst bitte nach,<br />

ob die Gatter noch alle in Ordnung sind. Ich möchte<br />

keine freilaufenden Rinder in der Stadt haben. Bleib du<br />

beim Gefangenen Jett, wenn Leonard ihn behandelt. Ich<br />

kann seine Visage heute nicht mehr sehen. Bin froh wenn<br />

er abgeholt wird. Hoffentlich bekommt er<br />

Lebenslänglich.“<br />

„ Was wird aus dem Späher?“<br />

„ Der muss warten bis Richter Sally wieder da ist. Ich<br />

denke, dass wird noch eine Woche dauern.“<br />

Nick ging zur Tür. Beim rausgehen rief ihm Jett<br />

hinterher.<br />

„ Sieht gefährlich aus, dein neuer Gurt. Steht dir.“<br />

In sich hinein Lachend verließ Nick das Office um seine<br />

Runde durch die Stadt zu gehen.<br />

Wo er auch vorbeikam, grüßten ihn die Leute freundlich<br />

zu. Einige legten ihre Hände auf seine Schulter und<br />

sagten,<br />

36


„ Gut gemacht,“ oder „ Toller Schuss.“ Nick war das<br />

alles zu viel. Er hatte seinen Job getan und einen<br />

Verbrecher fest genommen, nur das zählte <strong>für</strong> ihn.<br />

Lächelnd wich er den Leuten aus. Nur vor Peggy-Sue<br />

blieb er stehen. Sie kam gerade aus ihrem Hotel um einen<br />

Eimer Wasser auf die Straße zu schütten.<br />

„ Vorsicht. Gestern wäre ich auch schon fast nass<br />

geworden. Ist eine Gefährliche Stelle hier vor ihrem<br />

Hotel.“<br />

„ Oh, Marshall Verzeihung. Ist alles in Ordnung?“ fragte<br />

sie mit ihrer feinen Frauenstimme.<br />

„ Sicher. Sie haben mich ja nicht getroffen.“<br />

„ Nein das meinte ich nicht. Ich dachte an das Duell. Es<br />

war schrecklich. Ich hatte solche Angst um sie. Muss es<br />

denn immer so weit kommen?“ In ihrem<br />

Gesichtsausdruck lag Besorgnis.<br />

„ Es lässt sich leider nicht immer umgehen. Aber ich bin<br />

Sicher, es wird sich in weiter Zukunft ändern. Dann<br />

braucht man nicht mehr mit der Waffe in der Hand<br />

spazieren zu gehen.“<br />

„ Ja so wie bei dem feinen Mister Armstrong. Da wo er<br />

herkommt ist alles Zivilisierter.“ Überrascht sah Nick sie<br />

an. Was hatte sie da gerade gesagt?<br />

„ Von wem reden sie da Miss Sue?“ fragte er.<br />

„ Na von Mister Ronald Armstrong. Der Vater vom<br />

Sheriff. Er ist seit Gestern hier. Wussten sie das denn<br />

noch nicht?“<br />

„ Sind sie da sicher?“<br />

„ Natürlich. Er wohnt in der Fünf. Sie können…“ Nick<br />

hörte nicht weiter zu, denn in diesem Moment trat<br />

Ronald Armstrong aus der Empfangshalle des Hotels. „<br />

„Wolltest du zu mir, Nick Ryder?“ ein grauhaariger Kopf<br />

sah um die Ecke. Es war eindeutig das Gesicht von<br />

Ronald Armstrong. Um einige Jahre gealtert, mit vielen<br />

37


Falten rund um die Nase und den Mund, aber<br />

unverkennbaren Gesichtszügen.<br />

„ Marshall Ryder.“ Sagte Nick mit tiefer verachtender<br />

Stimme. „ Ich habe kein Interesse auf ein Gespräch mit<br />

ihnen.“<br />

„ Aber ich möchte mit dir reden. Lass uns auf mein<br />

Zimmer gehen. Es muss nicht jeder gleich mithören.“<br />

Nick überhörte die Frechheit, der Persönlichen Anrede.<br />

Er hatte keine Lust sich mit dem alten Mann auf offener<br />

Straße zu streiten. Und begleitete ihn ins Hotelzimmer.<br />

Ronald Armstrong kam wie immer gleich zur Sache, als<br />

Nick den ersten Schritt ins Zimmer setzte und die Tür<br />

hinter sich schloss.<br />

„ Ich bin hier, um meinen Sohn zurück zu holen. Er hat<br />

besseres verdient, als dein Laufbursche zu sein.“<br />

In aller Ruhe goss sich Ronald ein Glas Whisky ein, ging<br />

damit zum Fenster um die goldene Farbe des Whiskys im<br />

Sonnenschein schwenkend zu betrachten. Seinem Gast<br />

bot er kein Glas an. Nick hätte auch keins angenommen.<br />

Er trank selten Whisky und schon gar nicht um die<br />

Mittagszeit.<br />

„ Jett ist ein erwachsener Mann. Er kann sehr gut <strong>für</strong> sich<br />

selbst entscheiden.“ Sagte Ryder.<br />

„ Das kann er eben nicht. Er ist verblendet. Ich weiß<br />

nicht wie du ihm immer wieder beeinflussen kannst, aber<br />

er hat schon als Kind mehr auf deine Meinung gehört, als<br />

auf die seiner Eltern.“<br />

Nick musste nun doch ein wenig lächeln.<br />

„ Sie sind doch nicht etwa Eifersüchtig. Denken sie mal<br />

über ihre Rolle als Vater nach, dann werden sie schnell<br />

feststellen, warum ihre Beziehung zu Jett fehlte.“<br />

„ Du willst mir doch jetzt nicht erzählen, dass ich ein<br />

schlechter Vater war. Ausgerechnet der Sohn eines<br />

Säufers will mir Schuldgefühle einreden. Du weißt doch<br />

gar nicht, was ein richtigerVater ist.“<br />

38


Mit einer Anspielung auf sein Elternhaus hatte Nick<br />

gerechnet. Ronald hatte sogar Recht. Sein Vater war ein<br />

Trinker, aber er war es nicht immer. Paul Nikolas Ryder<br />

war ein guter Mann. Er verfiel erst dem Alkohol<br />

nachdem einige Dürreperioden seine Ernten vernichteten<br />

und er die kleine Ranch nicht mehr halten konnte. Er<br />

hatte versucht mit der Bank zu verhandeln. Machte<br />

unzählige Angebote und legte einen fünf Jahresplan vor,<br />

der <strong>für</strong> die Bank keinerlei Risiko bedeutete. Die Banken<br />

aber blieben hart. Er bekam keine zweite Chance. Der<br />

Verlust seiner kleinen Ranch brach ihm das Herz. Er<br />

hatte das Gefühl seine Familie im Stich gelassen zu<br />

haben, weil er sie nicht mehr ernähren konnte. Sein<br />

ganzer Stolz war gebrochen und er fand Trost im<br />

Alkohol. Es war absolut nicht richtig seine Familie allein<br />

zu lassen und sogar am Tot seiner eigenen Frau mit<br />

schuldig zu sein, aber er war in einem tiefen Loch der<br />

Verzweiflung, und die Armstrong Banking Company war<br />

mit Schuld daran.<br />

Nick schluckte diese Beleidigung runter. Er hatte keine<br />

Lust sich mit Ronald über die Vergangenheit zu streiten.<br />

„ Wann reisen sie wieder ab?“ fragte er während er sich<br />

der Tür zuwandte.<br />

„ Erst wenn Jett bereit ist mit mir zu kommen. Ich weiß<br />

nicht was er dir schon alles erzählt hat, aber mir bleibt<br />

nicht mehr viel Zeit. Ich habe Krebs. Die Ärzte geben<br />

noch maximal ein halbes Jahr. Jett soll meine<br />

Bankgeschäfte übernehmen. Er mein einziger Sohn.“<br />

„ Es bleibt trotz allem seine Entscheidung. So Long.“<br />

Nick war schon auf Flur, da rief Ronald ihm noch nach.<br />

„ Solltest du versuchen meinen Jungen zu Beeinflussen,<br />

oder ihn um zu stimmen, mache ich dich fertig.“<br />

„ Sie haben Recht. Sie sind ein kranker Mann.“ In Nicks<br />

Gesicht stand so viel Verachtung, dass Ronald<br />

erschrocken einen Schritt zurück machte.<br />

39


„ Du weißt gar nicht welche Macht ich habe. Ganz <strong>Cutter</strong><br />

erfährt von deiner Vergangenheit, wenn du dich weiter in<br />

Jetts Leben einmischst.“<br />

Nick blieb auf der Treppe stehen. Und wieder traf Mister<br />

Armstrong ein Blick, der ihn einen eiskalten Schauer<br />

versetzte.<br />

„ Versuchen sie es. Ich habe keine Geheimnisse was<br />

mich und meiner Vergangenheit anbelangt. Aber<br />

vielleicht fallen ihnen ja noch dreckigere Methoden ein.<br />

Viel Glück!“ Mit diesen Worten verließ Nick das Hotel.<br />

Vor dem Office fand er Jett, der gerade zwei Steckbriefe<br />

anschlug. Nick postierte sich hinter ihm und sah ihm eine<br />

Weile zu, dann sagte er,<br />

„ hast du mir nicht noch etwas zu sagen?“ er sprach in<br />

einem ruhigen Ton und wartete geduldig auf die Antwort.<br />

„ Ich weiß nicht wo von du sprichst!“ Gab Jett zurück,<br />

ohne von seiner Arbeit auf zu schauen.<br />

„ Ich war eben im Hotel. Was glaubst du wohl, wen ich<br />

da getroffen habe? Es war schon so wie früher, kein<br />

vergnügen, sich mit ihm zu Unterhalten.“<br />

Jett hielt mitten im ausholen inne. Der Hammer in seiner<br />

Hand wäre ihm fast entglitten. Wie eine Statue verharrte<br />

er dieser Stellung, bis er schließlich den Kopf zu Nick<br />

drehte.<br />

„ Du hast ihn also getroffen, was hat er gesagt?“ In seiner<br />

Stimme klang Unsicherheit.<br />

„ Warum hast du mir nichts davon gesagt, weißt du wie<br />

überrascht ich war, deinen Vater hier zu sehen? Es wäre<br />

mir lieber gewesen, wenn ich darauf vorbereitet gewesen<br />

wäre.“<br />

„ Ich habe mehrmals versucht es dir zu sagen, aber<br />

irgendwie kam immer etwas dazwischen. Außerdem ist<br />

er nur meinet wegen hier. Er hat gar kein Interesse an<br />

dir“<br />

40


„ Das sehe ich anders, Jett. Dein Vater ist hier um dich zu<br />

holen und er hat mir gedroht, mich darin ein zu mischen.<br />

Abgesehen von seinen Beleidigungen waren seine<br />

Drohungen ernst gemeint.“<br />

„ Was <strong>für</strong> Drohungen?“<br />

„ Ich stehe ihm im Weg.“<br />

„ Ach. Ich dachte du kennst ihn besser. Er spielt sich nur<br />

mal wieder auf. Er ist immer noch der Meinung, alles ist<br />

käuflich. Ich gehe hier ganz bestimmt nicht weg. Ich will<br />

sein Geld nicht. Ich will auch nicht seine Intrigen<br />

Geschäfte übernehmen.“ Nick sah tief in die Augen<br />

seines Freundes.<br />

„ Damit wird er sich nicht zufrieden geben. Damals war<br />

sein Grundsatz: Was ich will, dass bekomme ich auch:<br />

Erinnerst du dich noch?“<br />

„ Er ist alt und krank.“<br />

„ Aber mir drohen, dass kann er noch.“<br />

„ Was willst du denn, soll ihn einsperren? Geh ihm<br />

einfach aus den Weg, er wird schon noch begreifen, dass<br />

er mich nicht zurückholen kann.“<br />

„ Hättest du mir gesagt, dass er hier ist, wäre ich ihm<br />

vorhin nicht so ahnungslos über den Weg gelaufen!“<br />

Jett schlug seinen Nagel jetzt wütend in die Wand und<br />

warf den Hammer anschließen im hohen Bogen in die<br />

hölzerne Werkzeugkiste.<br />

„ Gib mir noch die Schuld da<strong>für</strong>. Ich wollte es dir ja<br />

sagen, aber du hattest ja keine Zeit mir zu zuhören.“<br />

Deputy Lex Cooper kam aus dem Office. Er hörte die<br />

Beiden streiten und stellte sich zwischen ihnen.<br />

„ Ich schlage vor, dass ihr euer Gespräch hiermit beendet.<br />

Die ganze Stadt kann ja mithören wie ihr euch anbrüllt.“<br />

Nick schob Lex grob zur Seite und ging ohne ein<br />

weiteres Wort fort.<br />

Seufzend sah Jett ihm nach. Nahm seinen<br />

Werkzeugkasten und ging ins Office zurück.<br />

41


„ Er hat keinen Grund wütend zu sein. Macht hier aus<br />

einer Mücke einen Elefanten. Verdammt!“ unsanft<br />

schmiss Jett die Kiste in den Schrank und schlug die<br />

Türen zu.<br />

Unterdessen blieb Ronald Armstrong nicht untätig. Sein<br />

Hass Nick gegenüber hatte sich nach dem letzten<br />

Gespräch noch mehr verhärtet. Er holte sich von überall<br />

Informationen über Cliff Lawrence ein, von dem er, seit<br />

dem Duell, genau wusste, dass dieser Mann ebenfalls<br />

dem Marshall den Tot wünschte. Er musste ihn nur aus<br />

dem Jail raus holen. Einen Helfer da<strong>für</strong> zu finden, war<br />

<strong>für</strong> ihn kein Problem, denn Ronald war reich. Wer mit<br />

genügend Dollars winken kann, findet immer jemanden.<br />

Der beste Ort da<strong>für</strong> war der Saloon. Hier trieb sich alles<br />

rum.<br />

Er schaute sich im Saloon um und fand schon bald eine<br />

Gelegenheit.<br />

An einem der hinteren Tische saßen drei Männer beim<br />

Pokern. Niemand beachtete sie, denn ihr Spiel verlief<br />

eher uninteressant. In der Mitte des runden Spielfeldes<br />

lagen eine Dollarnoten und nach und nach wurden ein<br />

paar Scheine dazu gelegt. Einer stieg schon aus dem<br />

Spiel aus. Er warf seine Karten verdeckt hin und fluchte<br />

über sein schlechtes Blatt. Die beiden anderen grinsten<br />

sich hämisch an.<br />

„ Was ist. Gehst du mit?“ fragte der größere der Beiden.<br />

Er war unrasiert und der Schaum seines Bieres hing noch<br />

im Schnauzbart. Die eingeschlagene Boxernase machte<br />

aus seinem Gesicht eine hässliche Fratze. Fettig hingen<br />

ihm mehrere Strähnen seines Braunen Haares über den<br />

glanzlosen Augen. Er saß da und wartete auf Antwort.<br />

Während sein Spielpartner noch überlegte, machte er<br />

plötzlich eine kleine unauffällige Handbewegung. Es<br />

ging so schnell, dass sein Gegenüber es gar nicht mit<br />

42


ekam. Aber Ronald hatte es gesehen und <strong>für</strong> ihn war die<br />

Sache klar.<br />

Er postierte sich hinter den Betrüger und wartete ab, bis<br />

dieser seine Karten offen legte und sich lachend über die<br />

Dollarnoten legte um sie auf seine Tischhälfte zu ziehen.<br />

Sein Gegenüber warf wütend die Karten hin. Er hatte<br />

sein letztes Geld verspielt und war sich doch so sicher<br />

mit diesem Blatt den Einsatz zu gewinnen.<br />

Ronald beugte sich vor um in das Ohr des Gewinners zu<br />

flüstern.<br />

„ Ich habe einen Auftrag <strong>für</strong> sie. Sollten sie ihn ablehnen,<br />

werde ich ihre Mitspielern auf das versteckte Ass in<br />

ihrem rechten Ärmel hinweisen.“<br />

Sofort erstarrte sein hämisches Grinsen. Er stapelte die<br />

Münzen vor sich auf und fragte.<br />

„ Was wollen sie? Ich habe ehrlich gewonnen.“<br />

„ Na schön. Dann können sie ja getrost den Hemdsärmel<br />

hochkrempeln. Wenn nicht, dann stehen sie jetzt auf und<br />

unterhalten sich mit mir. Ich bin auch bereit <strong>für</strong> ihre<br />

Mitarbeit zu zahlen.“ Ronald hielt ihm die Faust vors<br />

Gesicht und öffnete diese. In seiner Hand lag ein<br />

zusammen gerolltes Bündel Hundert Dollar Scheine.<br />

Die Augen des Spielers wurden groß. Das war ein<br />

Einsatz um den er noch nie gepokert hatte. Und dieses<br />

Geld konnte er sich ohne Kartentricks haben. Langsam<br />

stand er auf und musterte den fein gekleideten Mann von<br />

Kopf bis Fuß.<br />

„ Was muss ich da<strong>für</strong> tun Mister?“<br />

„ Mein Name tut nichts zur Sache. Kommen sie mit.“<br />

Er führte den Spieler hinaus und bog mit ihm in eine<br />

kleine Gasse.<br />

„ Kommen wir gleich zur Sache. Diese dreihundert<br />

Dollar gehören dir, da<strong>für</strong> musst du mir nur das Office<br />

freihalten.“<br />

„ Wie soll ich das verstehen?“<br />

43


„ Frag nicht, sieh einfach zu, dass mich niemand stört,<br />

wenn ich diesen Lawrence da raus hole.“<br />

„ Sie wollen Cliff Lawrence befreien? Ich bin dabei. Ich<br />

mache alles mit, was gegen einen Sternschlepper geht<br />

und wenn dazu noch die Kasse stimmt ist alles klar.“<br />

„ Also sind wir im Geschäft?“<br />

„ Sie können sich auf mich verlassen. Übrigens ich bin<br />

Huck Ohio.“<br />

Ronald reagierte nicht auf die ausgestreckte Hand die<br />

Huck ihm bot. Es war ihm zuwider einem solchen noch<br />

die Hand zu schütteln. Er sagte nur,<br />

„ Ich komme um sechs Uhr Heute Abend und erwarte ein<br />

leeres Office. Wie sie die Sternschlepper ablenken ist<br />

ihre Sache. Hier sind Hundert im Voraus, den Rest gibt<br />

es, wenn Lawrence frei ist.“ Mit diesen Worten trennte<br />

sich das ungleiche Paar.<br />

Huck Ohio bekam seinen Nachnamen in einem<br />

Kinderheim in Ohio. Er wurde dort im Alter von zwei<br />

Jahren als Findelkind abgegeben. Das einzige Wort, dass<br />

er sprechen konnte, war Hak, so gab man ihm den<br />

Namen Huck aus Ohio. Seine Kindheit verlief lieblos. Er<br />

war eines unter vielen, die durchgefüttert wurden und ein<br />

Dach über dem kopf hatten, mehr nicht. Mit zwölf<br />

Jahren rannte er davon. Seitdem schlug er sich mit<br />

Diebstahl, illegalen Geschäften und Falschspielerei<br />

durchs Leben. Dreihundert Dollar waren eine Menge<br />

Kohle <strong>für</strong> so einen Mittellosen Streuner. Für so viel Geld<br />

würde er ohne mit der Wimper zu zucken auch einen<br />

Menschen töten. Er war nur nicht schnell genug sein<br />

Geld mit derartigen Aufträgen zu verdienen. So sehr er<br />

auch mit seinem Colt übte, es sollte ihm nicht gelingen,<br />

schnell zu ziehen und dabei noch treffsicher zu sein.<br />

44


Nick war den ganzen Tag mit den Ranchern beschäftigt,<br />

die fast im stunden Rhythmus kamen und gingen.<br />

Er musste sogar sein Abendbrot ausfallen lassen, da er<br />

überall gebraucht und verlangt wurde. Jett überließ das<br />

Office seinen Deputys Cooper und Walker. Sie waren<br />

erfahren genug auf einen Gefangenen auf zu passen, der<br />

hinter Gitter saß. Auch er hatte einen arbeitsreichen Tag<br />

hinter sich und wollte bei seiner Frau Mary zu Abend<br />

essen. Allmählich wurde es stiller auf der Mainstreet.<br />

Das rege Nachtleben fand in den Saloons statt, wo Musik<br />

spielte und Frauen tanzten. Nicht nur bei George war der<br />

Schankraum gut mit zahlenden Gästen gefüllt, sondern<br />

auch bei Mama Olga, die im Westlichen Teil der Stadt<br />

ihr Frauenhaus besaß und ebenfalls eine<br />

Ausschankgenehmigung hatte.<br />

Lex Cooper saß mit Benno Walker an einem Tisch und<br />

spielte Dame. Beide waren sehr konzentriert und ließen<br />

dem anderen keine Chance zu gewinnen.<br />

„ Eins, zwei, drei, ich bekomme noch eine Dame.“ Sagte<br />

Lex freudestrahlend. Missmutig rückte Benno einen Stein<br />

heraus und reichte ihn seinem Freund.<br />

„ Mann. Da hab ich wohl keine Chance mehr. Mit deinen<br />

zwei Damen räumst du mir gleich meine restlichen<br />

Steine weg.“ Benno streckte seine Glieder und gähnte.<br />

Schon über eine Stunde saßen sie an dem Spieltisch, und<br />

so langsam bekam auch er Hunger.<br />

„ Was meinst du, soll ich uns was zu Essen besorgen?“<br />

fragte er und rieb seinen knurrenden Bauch.<br />

„ Ich weiß nicht. Jett hat gesagt, wir sollen zusammen auf<br />

ihn warten. Wenn er gleich hier ist, können wir essen<br />

gehen.“ Sagte Lex besorgt.<br />

„ Aber ich brauche doch nur fünf Minuten. Ich laufe nur<br />

schnell zu Peggy-Sue rüber und sage ihr, sie möchte uns<br />

was zum Office bringen.“ Lex grübelte nach. Auch sein<br />

45


Magen knurrte und wenn Benno wirklich nur fünf<br />

Minuten brauchte, was sollte da schon geschehen?<br />

„ Du kannst auf die Uhr schauen Lex, in weniger als fünf<br />

Minuten bin ich wieder hier.“ Er sprintete zur Tür hinaus.<br />

Lex ging in den Zellentrakt um nach dem Gefangenen zu<br />

sehen. Cliff lag auf der Pritsche und schien zu schlafen.<br />

Es war genau sechs Uhr Abend. Die Tür zum Office<br />

wurde geöffnet und leise Schritte betraten die alten<br />

Dielen. Lex hörte das Quietschen einzelner Bretter und<br />

rief vom Nebenzimmer.<br />

„ Das ging aber schnell Benno. Das waren ja nicht mal<br />

drei Minuten.“<br />

Als Lex seinen Kopf durch die Tür steckte um ins Office<br />

zu schauen traf ihn <strong>für</strong>chterlicher Schlag auf dem Kopf.<br />

Benommen sank er in die Knie, sah wie durch einen<br />

Nebelschleier den Mann vor sich stehen, der hämisch<br />

lachend ein Messer in der Hand hielt und es im selben<br />

Moment in die Brust des jungen Deputys stieß. Lex<br />

verspürte nur noch einen kleinen Stich, so sehr waren<br />

ihm die Sinne, durch den Kopfschlag, geraubt worden.<br />

Dann wurde es schwarz um ihn herum.<br />

Ronald betrat das Office und sah entsetzt auf die am<br />

Boden liegende Gestalt. Unter dem Körper des Jungen<br />

verbreitete sich Blut wie eine Wasserpfütze.<br />

„ Bist du Wahnsinnig?“ stammelte er. Huck hingegen<br />

hielt ihm einen Eisenring hin, an dem mehrere Schüssel<br />

baumelten.<br />

„ Auftrag erledigt. Holen sie den Kerl aus der Zelle und<br />

dann will ich meinen restlichen Lohn.“<br />

„ Sie haben einen Sheriff umgebracht!“<br />

„ Nein. Nur einen Deputy. Man sollte sie alle Töten<br />

bevor sie groß werden.“ Knirschte Huck. „ Mein Auftrag<br />

war, dass Office frei zu halten, dass habe ich getan.“<br />

Noch immer verstört über die Kaltblütigkeit seines<br />

Helfers ging Ronald zu der Zelle, in der Cliff eingesperrt<br />

46


war. Lawrence stand an den Gitterstäben und starrte auf<br />

das Geschehnis. Er war überrascht, dass ein Fremder zu<br />

ihm kam, um ihn raus zu holen.<br />

„ Wer sind sie, was soll das?“ fragte er und zögerte noch<br />

durch die offene Tür zu gehen.<br />

„ Ich werde alle ihre Fragen beantworten, aber zunächst<br />

müssen wir hier verschwinden. Na los kommen sie<br />

schon.“ Cliff nahm dieses Angebot an. Was sollte schon<br />

geschehen? Gegen diesen Stadtfrack konnte er sich doch<br />

wehren, sollte dies eine Falle sein.<br />

Während Cliff durch die Officetür ins dunkel der Nacht<br />

humpelte, weil ihm der Beinschuss immer noch<br />

schmerzte, befreite Ronald auch den zweiten<br />

Gefangenen, den Späher Calef.<br />

Sie mussten über den Deputy steigen, der genau in der<br />

Türöffnung lag und verschwanden ebenfalls um die<br />

nächste Ecke.<br />

Benno brauchte etwas länger als fünf Minuten, denn auf<br />

dem Rückweg traf er auf Alice. Sie war seine geheime<br />

Liebe und er musste ihr einfach nachsehen, wie sie ihre<br />

Hüfte schwang beim gehen. Wie sie ihn anlächelte beim<br />

vorbei gehen und ihn freundlich grüßte.<br />

Gedankenverloren sah er ihr nach, bis sie im<br />

Dämmerlicht verschwunden war. Überglücklich rannte er<br />

den Stepwalk entlang und konnte es gar nicht abwarten<br />

seinem Freund davon zu erzählen. Denn er wusste, dass<br />

auch Lex ein Auge auf sie hatte. Er stürmte ins Office<br />

und rief.<br />

„ Hey Lex, du glaubst ja gar nicht wer mir eben über den<br />

Weg gelaufen ist!“ Er machte noch zwei Schritte<br />

vorwärts und sah erst dann Cooper am Boden liegen.<br />

Trotz des schwachen Lichtscheins war nun auch deutlich<br />

das Blut zu sehen, welches sich auf den Dielen verteilte.<br />

„ Alex…“ stammelte er und blieb wie angewurzelt<br />

stehen. Es sah wie versteinert auf den Leblosen Körper<br />

47


seines Freundes. Erst ein paar Stimmen auf der Straße<br />

rissen ihn aus seiner Starre. Er rannte raus auf die<br />

Mainstreet und schrie.<br />

„ Hilfe, Hilfe! Alex ist tot. Cliff ist geflohen!“ Mitten auf<br />

der Straße kniete Benno nieder. Er hielt sich die Hände<br />

vors Gesicht, tränen rannen die Wangen hinunter. Die<br />

ersten Neugierigen lugten ins Office und blieben entsetzt<br />

stehen. George, der Barmann drängte sich vor. Er bückte<br />

sich zu dem jungen Deputy runter und drehte ihn auf den<br />

Rücken.<br />

„ Er lebt noch. Holt den Arzt und den Sheriff. Sucht auch<br />

den Marshall, na los beeilt euch.“<br />

Sheriff Armstrong war schnell gefunden, auch Doktor<br />

Leonard kam zügig mit seiner Tasche gelaufen. Sie<br />

legten Cooper auf das Lager in dem kleinen Nebenraum.<br />

Jett besorgte noch ein paar Kerosinlampen damit der Arzt<br />

genügend Licht bei der Operation hatte. Peggy-Sue war<br />

ebenfalls eingetroffen und sorgte <strong>für</strong> heißes Wasser und<br />

frische Tücher. Mary Armstrong kümmerte sich um<br />

Benno, der noch immer unter Schock stand.<br />

Unterdessen suchte man Marshall Ryder und man fand<br />

ihn am Bahnhof mitten zwischen dreihundert Rindern,<br />

die gerade verladen wurden. Nick kontrollierte die<br />

Brandzeichen, denn im letzten Jahr wurden einige Tiere<br />

geklaut und unter die anderen gemischt.<br />

Der Schmied Ole Swenson sah ihn als erster.<br />

„ Marshall!“ rief er mit seiner tiefen Stimme, die nur sehr<br />

leise im Gebrüll der Rinder zu hören war. Nick sah zu<br />

ihm auf. Staub wirbelte durch die Luft, aber Nick<br />

erkannte das Sorgenvolle Gesicht des Schmiedes und<br />

ahnte schon Schlimmes.<br />

„ Was ist passiert?“ reif er zurück. Mit großer Mühe<br />

schob er das Vieh auseinander und erkämpfte sich einen<br />

Weg.<br />

48


„ Kommen sie schnell ins Office. Cliff Lawrence ist<br />

geflohen. Er hat Deputy Cooper niedergestochen.“<br />

„ Was?“ Nick rannte sofort los. In kürzester Zeit<br />

erreichte er sein Office. Ein Menschenauflauf stand<br />

versammelt davor.<br />

„ Lasst mich durch!“ rief Nick und schob die Leute grob<br />

zu Seite. Lex Cooper war <strong>für</strong> Nick, wie sein eigener<br />

Sohn. Als die Eltern des Jungen starben, zog er ihn auf,<br />

als niemand anderer sich verantwortlich fühlte, <strong>für</strong> den<br />

damals zehnjährigen. Major Flint wollte ihn ins nächste<br />

Kinderheim stecken, aber Nick war dagegen. Er sorgte<br />

<strong>für</strong> ihn so gut er konnte und Lex hielt das Office sauber.<br />

Er kochte sogar manchmal <strong>für</strong> ihn, denn nach dem Tot<br />

seiner ersten Frau Lea war Nick lange Zeit in tiefer<br />

Trauer.<br />

Im Office stellte Jett sich ihm in den Weg.<br />

„ Du kannst jetzt nicht da rein. Leonard operiert ihn<br />

gerade.“ Jett packte Nick so fest an den schultern, dass<br />

dieser sich nicht so schnell losreißen konnte.<br />

„ Er ist in guten Händen. Leonard ist der beste Arzt weit<br />

und breit.“<br />

„ Wie ist das geschehen?“ wollte Nick wissen. Sein Blick<br />

hing dabei auf dem Blutfleck am Boden. Er hatte Mühe<br />

seinen Zorn zu unterdrücken, aber er musste sich<br />

zusammen reißen und klar Denken.<br />

„ Cliff ist ausgebrochen. Ich weiß nicht wie er es<br />

geschafft hat. Ich war zu Hause zum Abendbrot. Benno<br />

und Lex hielten hier die Stellung.“<br />

„ Wo ist Benno?“<br />

„ Drüben im Saloon. Mary ist bei ihm. Er ist völlig<br />

durcheinander.“<br />

Nick verließ sofort das Office und betrat den Saloon.<br />

Benno saß an einem der Tische. Sein Gesicht in den<br />

Händen vergraben. Mary goss ihm gerade einen Whiskey<br />

49


ins Glas. Als sie den Marshall sah, stand sie auf und bot<br />

ihm ihren Stuhl an.<br />

„ Benno. Ich bin es, Nick. Benno, was ist im Office<br />

passiert? Wie konnte Lawrence fliehen?“<br />

Benno sah auf. Seine Augen waren rot unterlaufen, seine<br />

Wangen glühten.<br />

„ Ich war doch nur fünf Minuten weg. Wir hatten beide<br />

Hunger und ich lief zu Misses Sue um sie zu bitten, uns<br />

was zu Essen ins Office zu bringen. Als ich zurück kam<br />

lag Lex da und……Blut, überall war Blut.“<br />

„ Hast du noch irgendetwas gesehen? Überleg mal. Ist dir<br />

sonst nichts aufgefallen?“<br />

„ Nein. Alex muss sterben, weil ich es nicht unter fünf<br />

Minuten geschafft habe. Weil ich Alice bewundert habe.<br />

Ich bin schuld an seinem Tot.“ Jammerte Benno und<br />

bekam einen erneuten Weinkrampf.<br />

Mary legte ihre zarte Hand auf Bennos Schulter.<br />

Zu Nick sagte sie.<br />

„ Er steht völlig unter Schock Marshall. Von ihm wirst<br />

du nichts mehr erfahren.“<br />

Nick stand seufzend auf. Mit seiner Hand fuhr er durch<br />

die wuscheligen Haare des Jungen.<br />

„ Ist schon gut Benno. Du trägst keine Schuld. Ich hätte<br />

wissen müssen, dass Cliff noch irgendwelche Freunde<br />

draußen hatte.“<br />

„ Wie kommst du darauf?“ fragte Mary.<br />

„ Er ist niemals allein ausgebrochen. Lex kann ich<br />

vertrauen, er würde nie zu nahe an die Zelle treten oder<br />

die Zellentür aufsperren, wenn er allein ist. Nein, da<br />

muss noch jemand im Spiel sein, und werde ihn finden.“<br />

Wieder überquerte Nick die Straße und suchte vor<br />

seinem Office nach Spuren. Außer ein paar Abdrücke,<br />

die in die Nebengasse führten war nichts mehr zu finden.<br />

Ob diese Spuren den Tätern gehörten war ebenfalls<br />

unklar.<br />

50


Nick suchte alle Gassen auf. Er verschaffte sich Eintritt<br />

bei sämtlichen Leuten, denen er zutraute, dass sie einen<br />

gesuchten Verbrecher bei sich versteckten würden. Er<br />

ging die Zimmer der Mädchen durch, die <strong>für</strong> Mama Olga<br />

arbeiteten, weil er wusste, dass sie ihn nicht leiden<br />

konnte und jeden unterstützte, der gegen ihn war.<br />

Nick brauchte die halbe Nacht um den Westlichen Teil<br />

der Stadt zu untersuchen, denn dort hielt sich das<br />

Gesindel meistens auf, in den abbruchreifen Häusern.<br />

Er fand nichts. Nicht einmal eine Spur. Nick beschloss,<br />

gleich bei Tagesanbruch los zu reiten, denn nun war er<br />

sich sicher, Cliff Lawrence hat die Stadt verlassen.<br />

Alex Cooper wurde mit einer Trage in die Praxis von<br />

Doktor Leonard gebracht. Er lag dort im Krankenzimmer<br />

in einem sauber bezogenen Bett. Leonard erlaubte Nick<br />

ihn einen Augenblick zu Besuchen.<br />

Alex war bleich, wie das Kissen auf dem er lag. Sein<br />

Gesicht war eingefallen, und er schwitzte so sehr, dass<br />

die Haare an seiner Stirn klebten. Quer über seiner Brust<br />

war ein Verband angelegt worden. Stumm stand Nick am<br />

Fußende des Bettes. Erst als er Leonard in der Tür<br />

auftauchen sah fragte er.<br />

„ Wie geht es ihm?“ Leonard senkte den Kopf. Er konnte<br />

es seinem Freund Nick Ryder nicht ins Gesicht sagen.<br />

„ Er hat sehr viel Blut verloren. Die Beule am Kopf<br />

macht mir auch Sorgen. Wir müssen abwarten, die<br />

nächsten vier und zwanzig Stunden werden es<br />

Entscheiden.“<br />

Nick ging um das Bett herum, und nahm die Hand des<br />

Verletzten. Er erschrak bei der Berührung, denn die Hand<br />

war kalt und steif. Cooper atmete flach. Nur schwer<br />

konnte man sehen, wie sich die Bauchdecke,<br />

gleichmäßigen Rhythmus, hob und senkte.<br />

„ Bei Sonnenaufgang reite ich los. Ich werde diesen Cliff<br />

finden und er wird <strong>für</strong> das bezahlen, was er Cooper<br />

51


angetan hat.“ Mit diesen Worten verließ Nick die Praxis.<br />

Draußen war alles still. Im Saloon saßen nur noch eine<br />

Handvoll Männer, die sich über das Ereignis unterhielten.<br />

Benno lag in seinem Bett und wurde von seinem Vater<br />

betreut. Leonard gab ihm eine Spritze zur Beruhigung,<br />

damit er etwas Schlaf findet. Ob Benno noch etwas<br />

gesehen hatte, konnte frühestens am nächsten Tag Fest<br />

gestellt werden. Nick ließ sich kraftlos auf einen Stein<br />

sinken, lehnte sich gegen den Pfeiler des Arzthauses und<br />

schloss die Augen. Er fiel in einen tiefen Schlaf, der auch<br />

ihn gut tat, nach diesem stressigen Tag.<br />

Im Hotelzimmer mit der Nummer fünf hockten drei<br />

Gestalten, schmutzig wie sie waren, auf dem sauberen<br />

Bett. Ronald Armstrong stand an der Kommode und hielt<br />

sein Whiskyglas in der Hand.<br />

„ wagt es ja nicht auch noch eure dreckigen Stiefel auf<br />

mein Bett zu legen. Es ist so wie so schon sehr unhöflich<br />

sich so schmutzig darauf nieder zu lassen.“<br />

„ Ach red keinen Unsinn. Komm zur Sache.“ Befehlte<br />

Cliff, der es gewohnt war das Kommando zu haben.<br />

„ Nur nicht so laut. Niemand hat euch gesehen, und so<br />

soll es auch bleiben. Der Marshall glaubt bestimmt<br />

schon, ihr seid aus der Stadt. Ich garantiere euch, dass er<br />

bei Sonnenaufgang los reitet. Ihr folgt ihm. Wartet eine<br />

gute Gelegenheit ab und macht ihn fertig. Wie ist mir<br />

egal, Hauptsache er ist tot.“<br />

„ Was springt dabei <strong>für</strong> uns raus?“ krächzte Huck. „ Die<br />

dreihundert Bucks waren schließlich nur <strong>für</strong> seine<br />

Befreiung.“<br />

„ Außerdem, “ Cliff sprang vom Bett und hob den<br />

Zeigefinger“, ist er kein gewöhnlicher Mann. Wir reden<br />

hier von einem Marshall der Vereinigten Staaten. Dieser<br />

Ryder ist zu dem noch gefährlich. Und Sheriff Armstrong<br />

52


sollten wir auch nicht unterschätzen. Wenn Ryder etwas<br />

zustößt, haben wir ihn auf den Fersen.“<br />

„ Um den Sheriff braucht ihr euch keine Gedanken zu<br />

machen. Er hat dann andere Pläne. Er wird sein Amt<br />

niederlegen und von hier weg ziehen.“<br />

„ Was macht sie da so sicher?“ wollte Calef wissen.<br />

Ronald drehte ihm den Rücken zu. Er wusste, dass sie<br />

ihn nicht von hinten angreifen würden, denn dann würde<br />

der Marshall sie hier finden. Mit dem Blick zur Straße<br />

hinaus sagte er.<br />

„ Ich weiß es. Ihr habt mein Wort. Jett wird ein<br />

gebrochener Mann sein und von hier weg wollen.“<br />

Die Drei sahen sich erstaunt an. Dieser Ronald sagte es in<br />

einem so sicheren Ton und er nannte den Sheriff beim<br />

Vornamen, dass kam ihnen etwas merkwürdig vor. Aber<br />

keiner der Drei wagte nach zu fragen oder machte sich<br />

weitere Gedanken darüber. Nur Huck wollte noch etwas<br />

wissen.<br />

„ Warum wollen sie den Marshall Tot sehen?“<br />

„ Das geht euch nichts an.“<br />

„ wenn es ihnen so wichtig ist, dann muss auch eine<br />

ordentliche Summe dabei raus springen, sonst gehen wir<br />

das Risiko nicht ein.“ Drohte Cliff.<br />

„ Fünfhundert <strong>für</strong> jeden von euch, wenn er tot ist und ihr<br />

von hier verschwindet. Ich will euch nie wieder sehen.“<br />

Calef fiel die Kinnlade runter. Für ihn war das Summe,<br />

die er noch nie besessen hatte. Cliff plante in seinem<br />

Kopf schon die nächste Gemeinheit.<br />

Er würde die <strong>Zwei</strong> brauchen, um den Marshall zu<br />

erledigen, aber danach wären sie ihm nur lästig. Wer<br />

würde schon Calef oder diesen schäbigen Huck<br />

vermissen. Eintausend und fünfhundert Dollar sollten<br />

dann ihm gehören. Und mit etwas Glück besaß der<br />

Trottel die Dreihundert auch noch bei sich. In seinen<br />

Augen glühte es. Hasserfüllt stierte er Calef und Huck an,<br />

53


die schon wie wandelnde Dollarscheine in seiner Fantasie<br />

da standen.<br />

Mit viel Geduld und Ruhe warteten die Vier Männer den<br />

Tagesanbruch ab, um den Marshall draußen in den<br />

Bergen in den Rücken zu fallen.<br />

Noch bevor die Sonne hinter den Bergen hervor lugte,<br />

wachte Nick aus seinen Träumen auf. Er wunderte sich<br />

selber, wie er in einer so unbequemen Haltung schlafen<br />

konnte. Aber er fühlte sich ausgeschlafen und erholt. In<br />

Murphys Mietstall herrschte noch die Nachtruhe. Die<br />

Pferde standen in ihren Boxen und schnaubten leise, als<br />

Ryder an den einzelnen Parzellen vorbei ging. Sein<br />

Hengst Ladigo stand in der Hintersten Box neben Sheriff<br />

Armstrongs Stute Tenzer. Mit geübten Griffen war<br />

Ladigo schnell gesattelt und aufgezäumt.<br />

Im Office holte er seine Winchester, eine Packung<br />

Patronen und eine Decke, denn er ging von mehreren<br />

Tagen Verfolgung aus. Auf dem Schreibtisch ließ er eine<br />

Nachricht <strong>für</strong> Jett liegen. In der er nur kurz schrieb, dass<br />

er die Verfolgung nach Cliff Lawrence und Calef<br />

aufnimmt. Und er meldet sich, sobald er eine Stadt<br />

erreicht hat, die ein Telegrafenbüro besitzt.<br />

Niemand, außer vier Männern, sahen den Marshall aus<br />

der Stadt reiten. Ronald stand am Fenster seines<br />

Hotelzimmers und nickte Cliff zu, der mit seinem Pferd<br />

aus dem Schatten des Nebengebäudes trat und nach oben<br />

blickte. Sie ließen Nick einen kleinen Vorsprung, und<br />

ritten seiner Spur nach. Lawrence, Huck und Calef.<br />

Nick hatte keine Spuren entdecken können. Nur ein<br />

Gefühl leitete ihn. Sein Ziel war Tucson, denn um diese<br />

Stadt zu erreichen musste man durch felsiges Gebirge. Es<br />

wäre der günstigste Weg zum flüchten, denn auf dem<br />

steinigen Boden hinterließen die Hufen kaum Spuren,<br />

54


und hinter den Felsen gab es drei<br />

Richtungsmöglichkeiten.<br />

Da sie wahrscheinlich ohne Proviant Hals über Kopf die<br />

Stadt verlassen hatten, mussten sie in Tucson ihre<br />

Vorräte auffüllen. Die beiden anderen Wege führten zum<br />

Llano Estacado, der gnadenlos heißen Wüste oder weiter<br />

die Berge hinauf. Für beide Strecken sollte man gut<br />

ausgerüstet sein.<br />

Nick durchritt den Engpass. Auf beiden Seiten<br />

erstreckten sich Meterhohe Felswände. Ein ungutes<br />

Gefühl erschlich ihn und er führte sein Pferd dicht an den<br />

Fels heran. Beruhigend streichelte er den Hals des Tieres<br />

und sprach mit ihm.<br />

„ Du spürst es auch, nicht wahr? Wir sollten wachsam<br />

sein.“ Nick hatte kaum ausgesprochen, da fiel der erste<br />

Schuss. Schallend prallte der Querschläger vom<br />

Felsgestein ab, Haarscharf an seinem Hut vorbei. Nick<br />

warf sich vom Pferd, riss im fallen die Winchester aus<br />

dem Holster und drückte sich so eng wie möglich in eine<br />

Nische im Fels. Ladigo trabte alleine weiter. Er war<br />

darauf trainiert, sich in Sicherheit zu bringen.<br />

Deutlich waren die Schritte zu hören, die jemand über<br />

ihm verursachte, dann hallte eine ihm bekannte Stimme<br />

durch das Tal.<br />

„ Geben sie auf Marshall. Sie sitzen in der Falle. Es hat<br />

keinen Zweck sich zu verstecken, wir kriegen sie!“<br />

Nick machte einen Satz nach vorne, schoss auf den<br />

Vorsprung, der sich über seine Nische hervortat, schmiss<br />

sich auf den Bauch und rollte wieder in die Deckung<br />

zurück. Der Angreifer über ihm ließ einen erstickten<br />

Schrei los, dann fiel er Kopfüber runter und landete vor<br />

Ryders Füßen. Es war Huck Ohio der tot am Boden lag.<br />

Nie hätte er damit gerechnet, dass der Marshall seine<br />

Deckung aufgab um in seine Richtung zu schießen.<br />

55


Nick sah erstaunt auf die Leiche. Diesen Mann kannte er<br />

nicht. Wo war dann aber Calef, und wie viele Männer<br />

hatte Cliff noch bei sich?<br />

Plötzlich fielen Steine von der gegenüberliegenden<br />

Felswand runter. Nick schoss in die Richtung aber nichts<br />

geschah. Wieder war Cliffs Stimme zu hören.<br />

„ Ihnen geht irgendwann die Munition aus Marshall. Sie<br />

sollten sparsamer damit sein.“<br />

„ Wie nett, dass du dich Sorgen um mich machst, Cliff.<br />

Aber du entkommst mir nicht. Du hast meinen Deputy<br />

erstochen, dass nehme ich nicht so einfach hin, da<strong>für</strong> wist<br />

du bezahlen!“ rief Nick zurück und ermahnte sich selbst,<br />

jetzt nur keine überstürzten Wutattacken zu unternehmen.<br />

„ Ich war das nicht. Dieser Huck Ohio hat es getan. Sie<br />

haben ihn eben erschossen.“ Verteidigte sich Cliff. Ryder<br />

sah auf den Toten nieder. Ob Cliff die Wahrheit sagte?<br />

Oder wollte er nur die Schuld auf einen Toten<br />

abschieben, der sich sowie so nicht wehren mehr konnte.<br />

Ein nächster Schuss fiel und traf knapp über Nicks Kopf<br />

in das Gestein. Hier war er nicht mehr Sicher. Calef<br />

konnte ihn von Oben treffen, aber wenn er seinen Platz<br />

verlässt, wird Cliff von vorne schießen. Es blieb nur eine<br />

Wahl, er musste alles riskieren, alles auf eine Karte<br />

setzen. Er warf seine Winchester weit nach vorne. Im<br />

Hechtsprung verließ er seine Nische und feuerte aus<br />

beiden Revolvern. Ein stich durchzuckte seine rechte<br />

Hand, als er den Finger krümmte um den Abzug zu<br />

betätigen, aber er schoss weiter in beide Richtungen.<br />

Cliff kam einen Schritt aus seiner Deckung um genauer<br />

zielen zu können. Eine Kugel streifte seinen Arm, eine<br />

zweite seinen Kopf aber er blieb stehen und legte sein<br />

Gewehr an. Er hatte schließlich immer noch genügend<br />

Deckung und Nick befand sich völlig im Freien.<br />

„ Ich mach dich fertig!“ schrie er legte an und schoss.<br />

Aber seine Kugel zischte über Nick hinweg, der im<br />

56


Fallwurf nach seiner Winchester griff, abdrückte und<br />

Cliff genau zwischen die Augen traf. Lawrence hatte<br />

nicht mal mehr die Kraft einen weiteren Schuss<br />

abzugeben. Mit weit aufgerissenen Augen fiel er wie ein<br />

gefällter Baum um. Nick sprang wieder in Deckung,<br />

zielte nach oben und gab einige Schüsse ab. Es blieb ein<br />

paar Sekunden ruhig, dann fiel ein Revolver runter. Mit<br />

erhobenen Händen stand Calef auf und rief hinunter.<br />

„ Nicht schießen. Ich ergebe mich.“<br />

„ Schnall deinen Gürtel ab und komm runter. Solltest du<br />

irgendeinen Trick versuchen, kenne ich keine Gnade.“<br />

Calef hörte die schärfe in der Stimme, er wusste, der<br />

Marshall meinte es ernst.<br />

Nick beobachtete jeden Schritt, den Calef machte und trat<br />

ein paar Schritte vor.<br />

„ Wer ist noch hier?“ fragte er. Calef blieb stehen, hob<br />

wieder seine Hände in die Höhe und versicherte,<br />

„ niemand Marshall. Nur wir Drei.“<br />

Es kam so ängstlich aus seiner Kehle, dass Nick ihm<br />

Glauben schenkte.<br />

„ Hör auf zu zittern und komm endlich runter.“ Sagte er,<br />

da fiel ein weiterer Schuss.<br />

Ryder wurde zurück gestoßen, stolperte rücklings über<br />

einen Fels und blieb bewusstlos am Boden liegen. Aus<br />

dem Schatten heraus trat eine vierte Person. Sie hielt ein<br />

Gewehr im Arm und zielte damit auf Calef.<br />

„ Habe ich doch gewusst, dass ihr das wieder vermasselt.<br />

Und du Feigling ergibst dich diesem Hund.“<br />

„ Aber Mister, er hat doch…“ weiter kam Calef nicht.<br />

Die Kugel aus dem Gewehr des Fremden traf ihn direkt<br />

in die Brust. Röchelnd brach er zusammen.<br />

Nick kam durch den knall wieder zu sich. Die linke<br />

Schulter schmerzte, als er sich erheben wollte. Mühevoll<br />

zog er sich an dem Stein hoch und sah vor sich einen<br />

Mann stehen, den er hier nie erwartet hätte.<br />

57


„ Ronald Armstrong?“ fragte Ryder verblüfft.<br />

„ Du siehst richtig. Und es wird das Letzte sein was du<br />

siehst.“<br />

„ Warum? Glauben sie allen Ernstes, Jett würde ihnen<br />

folgen, wenn sie mich töten?“<br />

„ Er wird es nie Erfahren. Es sieht doch wohl so aus, als<br />

wäre alles von diesem Lawrence ausgegangen. Calef<br />

musste ich erschießen, weil er sonst geplaudert hätte. Die<br />

Feige Ratte hatte sich dir ja schon ergeben. Jett wird<br />

glauben, dass du hier in der Schießerei mit den Dreien<br />

getroffen wurdest.“<br />

„ Nicht schlecht ausgedacht. Aber er wird <strong>Cutter</strong> nicht<br />

verlassen, auch nicht, wenn ich nicht mehr da bin.<br />

Glauben sie allen Ernstes, dass Jett nur meinetwegen hier<br />

bleibt?“<br />

Nick versuchte so lange wie möglich das Gespräch zu<br />

erhalten. Seine Chancen standen schlecht, denn er stand<br />

einem Bewaffneten gegenüber, der ihn auf jeden Fall tot<br />

sehen wollte. Ronald hatte den Revolver in der Hand, die<br />

Mündung auf ihn gerichtet.<br />

„ Du warst mir immer im Weg. Damals schon und Heute<br />

wieder. Damit mache ich jetzt Schluss.“<br />

Fest entschlossen zog Ronald den Hahn zurück. Nick<br />

hatte nur noch eine Sekunde Zeit zu reagieren. Er machte<br />

ein überraschtes Gesicht und sah über Ronalds Schulter<br />

hinweg.<br />

„ Cliff?“<br />

Armstrong fiel tatsächlich darauf rein, und riskierte<br />

einen Blick nach hinten. Diesen kurzen Moment nutzte<br />

Nick. Er hechtete zwei Schritte zurück, warf sich zu<br />

Boden und griff nach seinem Colt. Dass Armstrong so<br />

schnell war, hatte er ihm gar nicht zu getraut. Drei<br />

Kugeln sausten über Nicks Kopf hinweg, eine streife<br />

seine Stirn, die beiden anderen schlugen in den Fels.<br />

Nick hatte keine Wahl. Er riss seine Waffe hoch und<br />

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schoss zurück. Zum Zielen war keine Zeit. Ronald<br />

torkelte zur Seite, seine Waffe entglitt seiner Hand. Er<br />

starrte Nick mit ungläubigem Blick an, bis er in auf die<br />

Knie sank und vorn über kippte. Ronald Armstrong war<br />

tot. Die Kugel traf ihn mitten ins Herz. Wortlos stand<br />

Nick vor der Leiche und schloss einen Moment lang die<br />

Augen. Bilder der Vergangenheit zogen vorbei. Er hörte<br />

Ronalds Stimme, wie sie sagte, „ Ich will dich hier nie<br />

mehr wieder sehen. Und von Heute an wünsche ich<br />

keinen Kontakt mehr zu Jett. Hast du das verstanden?“<br />

Warum dieser Mann die Freundschaft zwischen Nick und<br />

Jett nie akzeptierte, hatte er nie verstanden.<br />

Nach einem kurzen Pfiff, kam Ladigo angetrabt, der sich<br />

aus der Gefahrenzone begeben hatte. Nick zog sich in<br />

den Sattel, ließ den linken Arm kraftlos hängen und ritt<br />

zurück nach <strong>Cutter</strong>.<br />

Jett hatte inzwischen längst den Zettel gelesen, der auf<br />

dem Schreibtisch lag. Besorgt sah er Richtung Westen.<br />

Am liebsten wäre er hinter her geritten, um Nick zu<br />

sagen, dass der Streit mal wieder überflüssig war.<br />

Er stand immer noch auf dem Stepwalk, als Marshall<br />

Ryder geritten kam, und vor dem Office vom Pferd stieg.<br />

Sie schauten sich in die Augen. Nick fehlten die Worte.<br />

Er wusste nicht wie er es seinem Freund sagen sollte.<br />

Ronald und Jett standen sich zwar nicht nahe, aber sie<br />

waren Vater und Sohn.<br />

„ Du bist verletzt?“ fragte Jett, der das Blut an Nicks<br />

Schulter, und an der Stirn sah. Nick sagte immer noch<br />

nichts. Er ging ins Office, drehte Jett den Rücken zu und<br />

sprach dann mit hängendem Kopf.<br />

„ Jett ich muss dir was sagen.“ Er machte eine kurze<br />

Pause, um tief einzuatmen.<br />

„ Es tut mir Leid. Aber ich hatte keine andere Wahl. Er<br />

hat auf mich geschossen. Mir blieb keine Zeit zum<br />

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Zielen, ich habe nur zurück geschossen und…“ Nick<br />

drehte sich um und sah seinen Freund an. Die nächsten<br />

Worte fielen ihm schwer, aber er musste es ihm sagen.<br />

„ Ich habe deinen Vater erschossen.“ Jett stand wie<br />

erstarrt da. Er glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Was<br />

sollte sein Vater mit der ganzen Sache zu tun haben?<br />

„ Jett, ich habe es nicht gewollt.“ Ryder ging zur Tür,<br />

auf dem Weg dorthin sagte er,<br />

„ Ich bin beim Doc.“ Dann verließ er das Office.<br />

Er konnte einfach nicht weiter mit seinem Freund<br />

darüber reden.<br />

Jett konnte immer noch nicht verstehen, was da<br />

geschehen war. Zu viele Fragen gingen ihm durch den<br />

Kopf. Aus dem Zellentrakt kam Benno hervor. Er hatte<br />

alles mit angehört.<br />

„ Mein Beileid.“ Sagte er. Jett spürte, wie ihm die Knie<br />

weich wurden. Er setzte sich in den Stuhl und vergrub<br />

sein Gesicht in den Händen. Er wusste nicht ob er weinen<br />

oder lachen sollte.<br />

„ Warum?“ fragte er Benno.<br />

„ Ich bin sicher, dass Nick ihn nicht erschießen wollte.<br />

Hätte er einen Weg gehabt, dass zu verhindern…..“<br />

„ Aber das Meine ich nicht. Warum war mein Vater darin<br />

verwickelt? Was hatte er damit zu tun? Und warum hat er<br />

auf Nick geschossen? Ich versteh das alles nicht?“<br />

„ Du solltest besser noch mal mit Nick reden. Er kann dir<br />

sicher alles erklären. Außerdem solltest du ihm sagen wie<br />

du darüber denkst. Er trägt gerade eine schwere Last mit<br />

sich.“<br />

„ Nick hat ihn nicht absichtlich erschossen, dass glaube<br />

ich ihm. Ich werde es ihm auch nie vorhalten.“<br />

„ Dann geh zu ihm und sag ihm das.“ Benno erkannte in<br />

welcher Lage sich Jett befand. Er wusste auch wie sich<br />

Nick fühlen musste und wollte den Beiden helfen sich<br />

auszureden.<br />

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Doktor Leonard hatte die Kugel aus Nicks Schulter<br />

schnell gezogen. Auch der Streifschuss an der Stirn war<br />

nur ein Kratzer und mit einem Pflaster abgedeckt.<br />

Ryder trug seinen Arm in einer Schlinge, als er zurück<br />

ins Office kam.<br />

„ Was hatte Ronald mit Cliff Lawrence zu tun?“<br />

Jett hatte nur die eine Frage an ihm. Er konnte es kaum<br />

glauben, als Nick erzählte, wie sich das ganze abgespielt<br />

hatte. Das Huck seinen Deputy Cooper überfallen und<br />

erstochen hatte und das Ronald ihn mit Hilfe von Cliff,<br />

Huck und Calef aus dem Weg räumen wollte um seinen<br />

Sohn nach Hause zu holen.<br />

Am Ende des Berichtes fügte Nick hinzu,<br />

„ Sorry, aber du hattest Recht. Ich habe überreagiert, ich<br />

wollte mich nicht streiten mit dir.“<br />

Jett sah ihn ernst an, fing aber dann an zu lachen und<br />

klopfte Nick auf die Schulter.<br />

„ Eine wahre Freundschaft hält das aus. Komm lass uns<br />

ein Bier trinken.“<br />

Nick lachte mit. Er sah auf die immer noch<br />

geschwollenen Finger seiner rechten Hand und auf den<br />

linken Arm, der in der Schlinge steckte und meinte,<br />

„ und mit welcher Hand soll ich jetzt das Bierglas<br />

heben?“<br />

Ende<br />

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