Sachlicher Romanze
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Wichtig ist noch die zweite Zeile, der Hinweis auf die Dauer der Beziehung: Kästner bleibt hier<br />
im Rahmen der allgemeinen Erfahrung, die sich ja in der Wendung vom „verflixten 7. Jahr“ einer<br />
Beziehung verdichtet hat – im 8. Jahr hat man dann das, was im 7. Jahr passiert ist.<br />
Während der kleine Nachtrag eben durchaus in das bisher entworfene Gesamtbild passt, sieht das<br />
anders aus, wenn man sich die 3. Zeile noch einmal genauer anschaut: Da ist ja davon die Rede,<br />
dass die Liebe „plötzlich“ abhanden kam – das widerspricht der Vorstellung von einer allmählich<br />
auslaufenden Beziehung. Erklären kann man es aber doch wohl dadurch, dass man es eben dann<br />
plötzlich merkt – nur so macht diese Zeile Sinn.<br />
Die zweite Strophe<br />
Die zweite Strophe beschreibt die Reaktion der beiden ehemals Liebenden: Sie behalten die äußere<br />
Form bei, während sie sich in Wirklichkeit natürlich ganz anders fühlen: Objektiv handelt es<br />
sich um Lüge, was sie treiben – subjektiv ist es überaus verständlich. Sie sehen sich zwar noch an,<br />
aber das hilft ihnen in keiner Weise, sie haben keine Lösung für ihre Probleme.<br />
Das Ende der Strophe zeigt dann eine Situation, wie sie wohl für viele Beziehungen typisch ist,<br />
wenn sich Mann und Frau im Rahmen ihrer Rollenklischees (die zu Kästners Zeit natürlich noch<br />
fester waren als heute!) verhalten: Die Frau weint, der Mann versucht, Haltung zu bewahren –<br />
eine Haltung, die aber nur ein Sich-Entziehen ist, mehr nicht.<br />
Die dritte Strophe<br />
In der dritten Strophe verlässt der Sprecher das traurige Innenleben dieser Beziehung, dazu gibt es<br />
ja auch zunächst nichts mehr zu sagen: Stattdessen wendet er sich der Umgebung zu, die natürlich<br />
einen Kontrast bildet, dort geht das Leben nämlich ganz normal weiter. Jetzt ist es der Mann, der<br />
aus der Starrheit ausbricht, aber nicht in der Weise, dass er ihre Situation thematisieren würde, sondern<br />
nur mit dem einfachen Hinweis auf die Zeit und die Gewohnheit – der Sprecher interessiert<br />
sich dann auch gar nicht weiter für ihn und das Gesagte, sondern wendet sich wieder der Außenwelt<br />
zu – diesmal ist es ein Klavierspieler im Nachbarzimmer oder Nachbarhaus.<br />
Die vierte Strophe<br />
Offensichtlich geht die Frau darauf ein, vielleicht erhofft sie sich doch noch ein klärendes Gespräch,<br />
eine Rückkehr ihrer alten Liebe: Aber die zweite Zeile nimmt diese Hoffnung weg – sie sitzen<br />
schweigend nebeneinander, nur durch einfachste Alltagstätigkeiten verbunden, die nichts mit Gemeinsamkeit<br />
zu tun haben: Jeder rührt in seiner Tasse. Man könnte auch unter völlig fremden Menschen<br />
sitzen.<br />
Fast schon ironisch ist die dritte Zeile: „Am Abend saßen sie immer noch dort.“ Aber vielleicht<br />
nimmt der Sprecher auch die traurige Situation auf, jedenfalls fasst er sie ganz deutlich in den letzten<br />
zwei Zeilen zusammen.<br />
Deutlicher kann man das Problem dieser beiden Ex-Liebenden nicht beschreiben: Sie sind allein,<br />
obwohl sie noch zu zweit an einem Tisch sitzen, sie sprechen nicht miteinander, d.h. sie versuchen<br />
nicht einmal, eine Erklärung zu finden – und das können sie auch gar nicht, wie die letzte Zeile<br />
zeigt. Sie steht übrigens in deutlichem Kontrast zur Ausgangssituation: Hier gibt es keine Leichtigkeit<br />
des Tons mehr, zwar herrscht immer noch Sachlichkeit, aber nicht die provozierende der ersten<br />
Strophe.<br />
Zusammenfassung<br />
Dieses Gedicht zeigt eine ganz alltägliche Situation, die jedem Liebespaar zustoßen kann und in<br />
vielen Fällen auch zustößt. Aber gezeigt wird diese Situation auf eine einmalige Weise, indem über<br />
die frühere „<strong>Romanze</strong>“, was hier wohl für Liebe steht, in einem schon quälend, provozierend sachlichen<br />
Ton gesprochen wird.