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80 bis 89 - Georg Britting

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auch der Formanspruch des Lyrikers auf die Prosa im ganzen etwas zurückgedrängt<br />

scheint. Die Sätze haben, auch wenn sie lang sind, an Schwerelosigkeit<br />

gewonnen. Sie sind der temperierten Schreibweise etwa von Alverdes, Carossa<br />

und Ina Seidel, überhaupt also der stilkonservativen Richtung, näher gerückt,<br />

vor allem die schön-gleichgewichtige und dabei doch kräftige Prosa eines Emil<br />

Strauß wird von <strong>Britting</strong> jetzt bewundert. Wo früher der Zorn stimulierte,<br />

kommt mit nachträglicher Versöhnlichkeit (etwa in einigen Partien der<br />

»Schwestern«) der Humor herauf. Auch ist die Prosa jetzt weniger Formung der<br />

Oberfläche und „Beschreibung" des „Scheins", sondern sie läßt den Sinnkern<br />

mehr durchscheinen, als daß sie ihn umkreist; symbolische Schlüssigkeit tritt<br />

also auch hier auf. Zu welchen Höhepunkten an neuer Intensität die <strong>Britting</strong>sche<br />

Sprache kommen kann, mag die Stelle vom Fisch ini Brunnen aus »Die<br />

Schwestern« zeigen:<br />

„Oft auch neigten die Mädchen ihre Gesichter über das Brunnenrund, da kniend, wo<br />

die brennende Nessel nicht hinloderte, und sahen in die Tiefe hinab....Und manchmal sahen<br />

sie auch den Fisch. Da stand er, aus derTiefe gestiegen, unbeweglich, der geschuppte Wächter,<br />

der Herr des Brunnens. Er stand dicht unter der Oberfläche und rührte sich nicht. Sie<br />

sahen seinen dicken Kopf, den gewölbten Nacken und glaubten seine Augen zu<br />

erkennen, und seine rötliche Schwanzflosse leuchtete. Scheu blickten sie inab auf den<br />

Einsiedler in seinem kühlen Reich, ewig stumm, der lautlose, wie die stumme Flut, die<br />

er beherrschte. Dann redeten sie ihn an, mit sanften zögernden Worten, und fragten ihn, wie es<br />

da unten denn sei, auf immer allein, im tiefen Schacht? Sie beklagten sein Schicksal und riefen<br />

ihm leise Liebesnamen zu und bedauerten ihn, daß er nicht mit seinesgleichen in den grünen,<br />

schnell strömenden Flüssen jagen dürfe oder sein Lehen habe im blattbesetzten Teich unter<br />

Wasserrosen und im Binsengesträuch. So sagten e viel rlei zu ihm, tröstend und schmeichelnd.<br />

Er hörte es und rührte sich nicht und gab Antwort. Dann plötzlich ließ er sich sinken, ganz<br />

langsam, seine Umrisse wurden undeutlich, silbern blinkte es noch herauf, Blasen<br />

stiegen, und unbeweglich lag das Wasser wieder.“ 346<br />

Die ruhige Schönheit dieser Stelle wie der ganzen Erzählung zeigt, daß ein<br />

anderes Stilideal auf <strong>Britting</strong>s Prosa Einfluß gewonnen hat. Deutsche Klassik<br />

und nachklassischer Realismus liefern die Maßstäbe. Diese mit den dreißiger<br />

Jahren vordringenden Tendenzen mag man mit zu der Wirkung des<br />

Konservativen nach der literarischen Revolution rechnen. In Kontakt mit den<br />

repräsentativen Absichten im „Dritten Reich" kann hin und wieder auch von<br />

einem Neoklassizismus gesprochen werden. Allgemein herrscht eine restaurative<br />

und traditionalistische Orientierung, durch die sich-sekundär ob mit, neben<br />

oder entgegen staatlichen Direktiven und quer oft durch die Lager - mitunter<br />

fast eine gewisse Stileinheit abzeichnet.<br />

<strong>Britting</strong> hat damals von dem „Charakteristischen" seiner Prosa so viel abgegeben,<br />

daß sie ohne Schwierigkeit einem Mädchen als Erzählerfigur<br />

anvertraut werden kann. Das Mädchen in »Der bekränzte Weiher« berichtet ein<br />

Erlebnis der Wandervogelzeit, stofflich also in Nähe von »Degen und Fiedel«<br />

Kommentar: Ausg. 1937, S.93f.;<br />

GAIV, S. 86f.<br />

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