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80 bis 89 - Georg Britting

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Taucht der expressionistische Mond noch einmal auf, dann wird er regelrecht<br />

entdämonisiert:<br />

„Fürchte ihn nicht,<br />

Wenn er auch<br />

Wie eine Feuerkugel<br />

Glut um sich spritzt,<br />

Die Wipfel der Bäume in Brand setzt,<br />

Sieh, er beruhigt sich jetzt,<br />

Und brennt gelassen dann<br />

Hoch in der Nacht,<br />

Die Lampe, die tröstlich<br />

Jeglichem leuchtet..." 318<br />

Mit dem Abbau der Spannungen aber dringen nun auch ältere Erlebnismuster<br />

in die Leerräume ein. Am ehesten zu dieser Zeit ist <strong>Britting</strong> Idylliker im<br />

traditionellen Sinne, wählt kleine Welt ohne Strom. Wie die Bilddynamik<br />

beschnitten wird, so wird andererseits die sinnliche Sprache mehr und mehr von<br />

konventionellen Elementen geglättet. Bei »Mondnacht«, aus dem obige Verse<br />

stammen, hat Jaspersen schon Verwandtschaft mit Goetheschen Hymnen<br />

319<br />

heraushören wollen . Ohne die Wiederentdeckung solcher tieferen Traditions–<br />

schichten ist auch die Rückwendung ins Symbolische bei dem »Windlicht«<br />

kaum zu erklären. Biedermeierlichen Ton und Szenerie wählt <strong>Britting</strong> in<br />

»Mondnacht auf dem Turm«. Die Gedichte »Dort hängt schon der Mond« und<br />

»Der Mond« enthalten Anlehnungen an jenes Claudiussche Räsonnement „Er ist<br />

nur halb zu sehen / Und ist doch rund und schön". Auch in der Zeile „Gesegnet,<br />

320<br />

wer gut schlafen kann" regt sich natürlich das »Abendlied« des ausgehenden<br />

8.Jahrhunderts.<br />

Mit der stets bewunderten Droste wird vor allem Mörike wichtig, der<br />

Lieblingsdichter <strong>Britting</strong>s überhaupt, von dem er dann 1946 auch eine Auswahl<br />

herausgibt. Gleichsam mit Mörike entdeckt der Beschwörer der gewaltigen<br />

Sonnenblumen und „Menschenfresserfratzen"-Blätter 321 jetzt das Veilchen als<br />

ein Symbol der verborgenen Beständigkeit (»Wetterwendischer Tag«). Sein<br />

Gedicht »Frühmorgens« 322 ist dem von ihm hochgeschätzten »September-<br />

Morgen« Mörikes verpflichtet. Und vergleicht man die beiden überlieferten<br />

Fassungen dieses Gedichtes von 1937 323 und 1939, so ist ohne weiteres klar, in<br />

welcher Richtung sich <strong>Britting</strong> bewegt. 1937 lautet 1, 3 f.:<br />

„Von den Schenkeln der weidenden Kühe<br />

Weiß strömend das Licht niederfällt."<br />

zwei Jahre später:<br />

„Still auf die weidenden Kühe<br />

Weiß strömend das Licht niederfällt."<br />

Kommentar: Ausg. 1939, S. 67;<br />

GA I, S. 191 (Sperrung vom Verf.).<br />

Kommentar: L 47, S. 92.<br />

Kommentar: Ausg. 1939, S. 72;<br />

GA I, S. 198.<br />

Kommentar: DER IRDISCHE<br />

TAG, 1935, S. 39; GA I, S. 41.<br />

Kommentar: Ausg. 1939, S. n;<br />

GA I, S. 141<br />

Kommentar: Das Innere Reich,<br />

Jg 4, 1937, S. 344<br />

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Der plastische Wert ist zugunsten der Stimmungsbezeichnung „still" aufgegeben.<br />

Entscheidender aber wirkt noch, daß sich dadurch auch der Ursprung<br />

des Lichtes verändert hat: Zuerst ging er vorn „irdischen" Ding aus, wodurch<br />

das später unangetastete „weiß strömend" noch ganz andere Kraft besaß, danach<br />

ist das „Niederfallen-auf" zu jener säkularisiert-verwaschenen, konventionellen<br />

Gebärde des „Von-oben" geworden.<br />

III, 1 f. in der früheren Fassung ist bewegte Landschaft wie etwa in »Marsch<br />

der österlichen Wälder«:<br />

„Es rühren die Wälder die Flügel,<br />

Wandernd am Horizont."<br />

Das spätere:<br />

„Es rühren die Wälder die Flügel,<br />

Es blitzt der Fluß durch die Au."<br />

bringt eine vergleichsweise lahmere Zeilenparallelisierung und im Wort–<br />

schatz nur wiederholtes frühes 19. Jahrhundert.<br />

Für solche Überlagerungen der nachexpressionistischen Naturlyrik durch den<br />

älteren Ausdruck ist »Frühmorgens« nur ein Einzelbeispiel. Wie aber das<br />

Grundthema der zwanziger Jahre dabei übernommen und weitergespielt wird, so<br />

weisen andererseits einige in Rabe, Ross und Hahn beginnende Form–<br />

veränderungen bereits auf einen künftigen Werkabschnitt. Mit der Entfernung<br />

vorn nachexpressionistischen Bildgedicht setzt nämlich auf dieser Zwischen–<br />

stufe auch schon die Vergrößerung und Verfestigung der Formen ein.<br />

Monumentalität des Ganzen gleicht bereits bei den Titelgedichten »Rabe,<br />

Roß und Hahn« 324 die geringere Wucht des einzelnen aus. An die Stelle des<br />

sinnlichen Erlebnisses tritt lyrische Summierung, auch Abhandlung, Erfüllung<br />

eines selbstgestellten Themas, auf <strong>Britting</strong>sche Weise nicht unähnlich gleichzeitigen<br />

Themadurchführungen bei Weinheber. Die Wesensbestimmung wird<br />

jetzt ncu durch eine ausführliche, geradezu additive Verknüpfung von sichtbarer<br />

Tiergestalt und historischem Symbolbestand geleistet. Dabei unterstützt eine<br />

bewußt holprige Simplizität der Sprache, die einige frühere kräftige Mittel<br />

weitergrbraucht, den altertümlich-„heraldischen" Charakter dieses Tier-„Triptychons".<br />

das mit seinen Wappen-, Fahnen-, Siegel- und Münzbildern schon anl<br />

weitesten auf dem Weg zu dem späteren Sonettenzyklus Die Begegnung steht.<br />

Zu einer äußerlich gebundenen Form strebt das größere Gedicht »Verwilderter<br />

Bauplatz« mit nur zuletzt nicht mehr zusammengehaltenen sechszeiligen<br />

a-b-a-b-a-b-Strophen 325 Für das Größerwerden allein mag <strong>Britting</strong> auch<br />

noch besonders in den Legenden die Möglichkeit einer Episierung vorge–<br />

zeichnet gefunden haben. Er nutzt sie jetzt für »Die Schlangenkönigin«,<br />

»Wintermorgen am Fluß« und »Der Berg«. Das erste Gedicht, mit Schilf,<br />

Kommentar: Ausg- 1939, S. 55;<br />

GA 1, S. 184; frühere Fassung in:<br />

Das Innere Reich, Jg 3, 1936/37, S.<br />

1359.<br />

Kommentar: Ausg. 1939, S. 41;<br />

GA I, S. 173. Die Gartennatur dieses<br />

Gedichtes bietet übrigens eine<br />

mit Lehmann gemeinsame Entdekkung<br />

des Blühens aus dem Abfall,<br />

ein Motiv, an dem sich noch einmal<br />

der ganze Unterschied zwischen<br />

dem irdisch-prallen und dem ätherischen<br />

Geist der Naturlyrik zeigt.<br />

„Die Teller lichtfressend nach oben<br />

gedreht" wachsen bei <strong>Britting</strong> einige<br />

Sonnenblumen als „des Modernen<br />

lodernde Erben". - „Abwässer tränken<br />

ihn, ihn nähren Exkremente"<br />

und „auf schwanken Tisch setzt er<br />

sein Duftgericht in hellen Tellern"<br />

heißt es dagegen (1950) bei Lehmann<br />

vom Holunder (Wilhelm<br />

Lehmann: Meine Gedichtbücher,<br />

1957, S. 197).<br />

81


Binsen, Dickicht und Halmen in Drostescher Natur angesiedelt, ist eine episch<br />

bestimmte, märchenhafte Naturballade 326 Die zunehmende Vermenschlichung<br />

der Tiere und die hinzugefügten Auftritte von Kröte, Specht und Fliegenpilz,<br />

durch die sich die endgültige Gestalt von einer früheren Fassung 327 unter–<br />

5<br />

scheidet, erhellen wiederum den Weg dieser Jahre. Wie der Titel zunächst fehlte<br />

und die Anfangszeile „Wo im Schilf die wilden Enten wohnen" ihn ersetzte, so<br />

waren die Naturkräfte ursprünglich namenloser. Zuletzt ist auch die<br />

Schlangenkönigin selbst durch einen eingefügten (7.) Verskomplet und einen<br />

Passus über ihr Königrecht noch einmal stärker individualisiert.<br />

10 »Wintermorgen am Fluß« bringt eine grandiose dreigeteilte Abfolge von<br />

paradiesischer Vogelwelt, Menscheneinbruch und Aufflug der Vögel 328 . Das<br />

präterital beschreibende Gedicht zählt zu den größeren Gewinnen dieser Jahre,<br />

denn die Bändigung der Kräfte und der Ausgleich auf eine gewisse Klassizität<br />

hin waren ihm vorausgesetzt. Die Verse haben etwas von homerischer Wucht,<br />

15<br />

wie sie Knöller herausliest 329 , und wie sie auch vor allem durch zahlreiche<br />

Partizipialformen und die vorherrschend daktylische Gliederung gefördert ist.<br />

Sehr wahrscheinlich sind Anregungen von den »Gedichten« (1934) und dem<br />

»Taurus« (1937) von Friedrich <strong>Georg</strong> Jünger verwertet, der sehr viele solcher<br />

Flußszenen hat, und dessen antikisch gefärbte, glühend-kalte Art <strong>Britting</strong><br />

20<br />

damals sehr schätzte.<br />

Um des Vorwurfs willen vielleicht noch bedeutender ist schließlich »Der<br />

Berg«, das zweite von <strong>Britting</strong>s mit rund 130 Zeilen umfangreichsten Gedichten<br />

330 Die Art der freien Rhythmen und der Wortwahl (die Typisierung des<br />

Subjektiven: der Kühne; der Fremde; der Schreitende; ihn, der schauend<br />

25<br />

verweilte), überhaupt auch die Reisesituation und die Lebensform des Wanderers<br />

erinnern an Goethes »An Schwager Kronos« und »Harzreise im Winter«.<br />

Alverdes hatte gerade 1935, als das Gedicht entstand, das Goethesche Bergerlebnis<br />

bei der »Harzreise« in Rundfunk und ›Innerem Reich‹ interpretiert.<br />

331<br />

Für <strong>Britting</strong> gab der Hirschberg bei Kreuth, südlich des Tegernsees, den Anstoß,<br />

30<br />

doch es könnte auch ein anderer Berg gewesen sein, sagt er, viele andere„', In<br />

dem Gedicht herrscht die alte <strong>Britting</strong>sche Natur: „Der Berg war allein und für<br />

sich, ganz ohne Verbindung / Zu andern, vereinsamt in furchtbarem Stolz." Den<br />

sich nähernden Menschen weist er mit Eis und Hagel, mit Sturm, Schneebruch<br />

und Nebel zurück. Eine Schutzhütte findet der Mensch verschlossen: „Fenster<br />

35<br />

vernagelt und Tür." Und: „Es hoben die Disteln Abweisende Spieße / Auf gegen<br />

den Fremden." Der aber reagiert auf die Zurückweisung mit der Waffe des<br />

Schwächeren, mit Zorn: Ein Fußtritt befördert ein Auerhahngerippe rauschend<br />

hinab in einen Dornenstrauch. Zuletzt erst - die Zeit der Spannungslockerung<br />

hat für <strong>Britting</strong> begonnen - erblickt der Wanderer „das Dorf, das er kannte, /<br />

332<br />

40<br />

Tief unten, doch tröstlich schon nahe gerüekt" Eine Hymne im strengen Sinn<br />

ist dieses Gedicht nicht, einige Züge weisen zur freirhythmischen Ode, andere<br />

Kommentar: Der Titel wäre beinahe<br />

Dublette geworden. Ernst Jüngers<br />

im gleichen Jahr erschienener<br />

Roman »Auf den Marmorklippen«<br />

trug nach der Anführerin der Lanzenottern<br />

lange Zeit den Arbeitstitel<br />

»Schlangenkönigin« (E. Jünger:<br />

Gärten und Straßen, 195o, S. 5ff.).<br />

Persönliche Bekanntschaft <strong>Britting</strong>s<br />

mit den Brüdern jünger datiert erst<br />

ab1949.<br />

Kommentar: Das Innere Reich,<br />

Jg 4, 1937, S. 567.<br />

Kommentar: Ausg. 1939, S. 85;<br />

GA 1, S. 208. Die Fassung im Inneren<br />

Reich, Jg 5,1938/39, S. 1466,<br />

weicht in einzelnen Wendungen ab<br />

und enthält - auch dies wieder für<br />

die Entwicklung sehr bezeichnend -<br />

noch nicht den Verskomplex „Friedlich<br />

war es...".<br />

Kommentar: L 36, S. 848.<br />

Kommentar: Ausg. 1939, S. 48;<br />

GA 1, S. 179.<br />

Kommentar: Das Innere Reich,<br />

Jg 1, 1934/35, S. 487-400<br />

Kommentar: Sperrung vom Verf.<br />

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treffen sich mit keiner von beiden Formen. Eine modern objektivierende<br />

Formenmodifikation muß dabei allerdings zugestanden werden. Und dazu die<br />

konkret beschreibende Art <strong>Britting</strong>s und seine ganze stilistische Vergangenheit<br />

eingerechnet, ist eine Disposition zum Odisch-Hymnischen jetzt doch zweifellos<br />

festzustellen. Da das Visionäre und das Abstraktionsvermögen wie in »Der<br />

Morgen« inzwischen abgebaut war, blieb der Griff zur größeren lyrischen Form,<br />

um einem Bild wie dein eines Berges schlechthin gerecht zu werden. <strong>Britting</strong><br />

hatte so unter dem Einfluß der Hauptströmung der Zeit die Sprache auch merklich<br />

erhöht. Längst hatte, was einmal als Neue Sachlichkeit hervorgetreten war,<br />

im Kunstklima des „Dritten Reiches" einen Gegenimpuls von seiten des<br />

„Gesteigert-Anspruchsvollen" erhalten. Weniger im Thema, aber in der Form<br />

hatte sich der Lyriker <strong>Britting</strong> in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre<br />

angeglichen. Er hatte begonnen, sich etwa zwischen Carossa, F. G. Jünger und<br />

Weinheber einzuordnen.<br />

Bei den insgesamt zwanzig Erzählungen, die nach einer vierjährigen Pause<br />

seit dem Treuen Eheweib in den Bänden von 1937, 1938 und 1941 veröffentlicht<br />

wurden, ist zuerst in ähnlicher Weise wie bei den Gedichten Älteres von<br />

Jüngerem zu scheiden. Die Erscheinungsdaten sind gerade hier in jedem Fall ein<br />

nur bedingter Anhalt zur geschichtlichen Betrachtung. Nach mehr als einem<br />

Jahrzehnt wurden in Das Gerettete Bild (1938 die vorerst letzten Erzählungen<br />

aus Michael und das Fräulein (1927) übernommen: »Der Berg Thaneller«,<br />

vorher nur »Der Berg«, zeigt dabei gegenüber dem Erstdruck nur beringe<br />

Veränderungen, die wahrscheinlich auch schon früh getroffen w erden. Darüber<br />

hinaus aber tastet <strong>Britting</strong> die expressive Wucht dieser sprachmächtigen<br />

Meditation, dieser, wie es heißt, „magischen Wandlung" 333 von Zeitengsbild und<br />

-bericht in feste Dichtersprache, nicht mehr an. Zu dem gewachsenen Abstand<br />

kommt das Bewußtsein, daß an diesem Stück Prosa nichts zu verändern istt,<br />

wenn nicht die Substanz aufgelöst werden soll. Die dagegen auf eine starke<br />

Fabel gestützte Erzählung »Der törichte Knecht«, die in der ersten Fassung<br />

334<br />

spätestens 1926 fertig vorlag , erlaubte eher einige stilistisch umbildende<br />

Eingriffe. Inhaltliche Veränderungen heben dann die schon erwähnte<br />

Pansgeschichte »Märchen vom dicken Liebhaber« von ihrem dreizehn Jahre<br />

älteren Abdruck in der ›Jugend‹ des Jahres 1928 ab 335 Sie dienen der<br />

Geschlossenheit der Sphäre, zugleich auch einer Bereicherung an „Poetischem".<br />

Noch zu einer zweiten Erzählung aus Der Schneckenweg von 1941 existiert eine<br />

Urform, und in diesem Fall bestehen zwischen »Ulrich unter der Weide« und<br />

der Erstkonzeption »Josef am See«, die im April 1929 in der ›Deutschen<br />

336<br />

Rundschau‹ veröffentlicht worden war wohl wieder die stärksten<br />

II<br />

Kommentar: Ausg. 1938, S. 102;<br />

GA IV, S. 223.<br />

Kommentar: s.o., S. 32.<br />

Kommentar: s. o., Anm. 49.<br />

Kommentar: Deutsche Rundschau,<br />

Jg 55, Bd 219, April 1929, S.<br />

15-27.<br />

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Unterschiede. »Der Sturz in die Wolfsschlucht«, 1937 in Der bekränzte<br />

Weiher 337 , gehört nach Schauplatz und Erzähllage eng zu den Kindheitsgeschichten<br />

der Kleinen Welt am Strom. <strong>Britting</strong> glaubt sich hier auch an<br />

eine Entstehung um 1932, erinnern zu können. Wieder ältere, <strong>bis</strong> in die<br />

zwanziger Jahre zurückreichende Wurzeln haben die Erzählungen »Der<br />

Flüchtling« und »Die Base aus Bayern« (beide in Der Schneckenweg), was bei<br />

geringem Einblick in die Werkentwicklung auch sofort evident ist. Sie sind<br />

beide nach Aussage <strong>Britting</strong>s damals öfter, stets mehr oder weniger verändert,<br />

gedruckt worden, doch ließ sich keiner der durchweg wohl in Tageszeitungen<br />

erschienenen Texte ermitteln. Der Selbstmord als umsichtig geplantes<br />

Davonstehlen aus dem Leben, das Grübeln über die Gebundenheit einer Tat an<br />

ihre Umwelt, schließlich die Faszination durch so kräftige Bilder wie den<br />

grausam schreienden, dottergelben mechanischen Papagei, die primitive<br />

Wasserfarbenmalerei der sich vom Turm herabstürzenden Jungfrau, vielleicht<br />

auch die rotglänzenden Kälberhälften in den Metzgerbuden - das gehört wohl<br />

zum Kern der Erzählung »Der Flüchtling«. Davon meint man, die ausmalenden<br />

oder betrachtenden Partien, die <strong>bis</strong> zu der 1941 vorgelegten Fassung dazu–<br />

gekommen sind, ohne Anstrengung scheiden zu können.<br />

Bei der »Base aus Bayern« ist es vor allem die unaufgelöste Wirklichkeit, das<br />

harte Rätsel des Erlebnisses, das diese Erzählung von dein Erscheinungsjahr<br />

1941 abrückt. Die beiden toten schwarzen Albaner und der blonde deutsche<br />

Oberleutnant, dem gleich ihnen eine Kugel in der Stirn bestimmt ist, die<br />

fremden Toten im Bett und die „rotlippige Base" im Bett, dies alles schmilzt zu<br />

einer untergründigen Identität der reinen Bilder zusammen, wie es sie nur in den<br />

frühen Erzählungen gibt. Aus der absoluten Anschauung trifft da ein Schock,<br />

geschieht die magische Berührung. Erzählrahmen und einige Kommentare<br />

muten als spätere Einfügung an. Wie gegen diesen wirkungsstarken Entwurf<br />

eine bildhafte Gestaltung um 1940 aussieht, zeigt die damals entstandene<br />

Erzählung »Der Eisläufer«. Das Bild der glatten Straße, die sich als brüchig<br />

zugefrorener Fluß erweist, und nur dieses eine, zuletzt dann geheimnislose,<br />

nurmehr plan-gleichnishafte Bild wird in einer weiten, detailliert gestaffelten<br />

Einzügigkeit ausgeführt. Solches einhellige Zeugnis aber aus dieser Zeit ist<br />

selten, die Mischformen herrschen vor, und es zeigt sich bei den Fragen nach<br />

den Fundamenten oder Keimzellen immer wieder, wie sehr die größte<br />

Produktivität eigentlich vor und während des Erscheinens der Werke von<br />

1932/35 gelegen hat, wie immens damals die <strong>Britting</strong> bewegenden Einfälle und<br />

künstlerischen Pläne gewesen sein müssen und wie lange, wenn nicht eigentlich<br />

immer (wofür Belege noch folgen werden), <strong>Britting</strong> auf diese Zeit des<br />

Nachexpressionismus bezogen bleibt.<br />

Zu der 1937 in Der bekränzte Weiher aufgeführten Erzählung »Donaufischer<br />

und Mädchenhändler« (in der Gesamtausgabe: »Der Mädchenhändler«) gibt es<br />

Kommentar: Eine etwas abweichende<br />

Fassung in: Europäische Revue,<br />

Jg 12, 1936, S. 329-337, enthält<br />

vor allem noch einen Absatz mit einem<br />

Fisch-Bild, der offenbar wegen<br />

Ähnlichkeit mit einer Partie in »Die<br />

Schwestern« (s. S. 87) später weggelassen<br />

wurde.<br />

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für die erste Hälfte eine Frühfassung aus der Münchener ›Jugend‹ von 1929,<br />

erschienen dort unter dem Titel »Erinnerungen an einen Mädchenhändler« 338 .<br />

Die Entwicklung, die sich zwischen diesen beiden Fassungen parallel zur Lyrik<br />

in der Prosa abzeichnet, ist besonders unter zwei Tendenzen zu fassen: erstens<br />

Neigung zur „Entgegenständlichung" oder umgekehrt: Spiritualisierung, zwei–<br />

tens Schwellung der Erzählform im Kleinen wie im Großen als Entsprech–ung<br />

zum Spannungsabbau. Aus<br />

„Die Nußbäume über uns rauschten 339<br />

wird innerhalb der Spanne von acht Jahren:<br />

„Über uns rauschte es in den Nußbäumen, wie Atem holend, tief. 340<br />

Der konzentriert wiedergegebene Vorgang<br />

„Er zog also das Pferd- 339<br />

wird in der späteren Fassung aufgefächert zu:<br />

„Er zog also das Pferd nach kurzem, scharfen Nachdenken, wobei er die Augenbrauen<br />

zusammenschob, und setzte es hart klappernd auf ein neues Feld. 340<br />

Gleichzeitig nimmt Reflexion und eine das Imaginative zerstörende Detaillierung<br />

zu. 1929 heißt es:<br />

„Was ist für einen Sechzehnjährigen, nach Abenteuern gierig, ein Mädchenhändler?<br />

Halb ein Scheusal, halb ein Held! 341<br />

1937 dann:<br />

ist für einen Sechzehnjährigen, nach Abenteuern gierig, ein Mädchenhändler? Ein<br />

Kerl, kühn und verschlagen, mit allen Wassern gewaschen, mit allen Hunden gehetzt,<br />

Siael, gerecht, unwiderstehlich und grausam und tückisch, funkelnd in bösem ein<br />

Scheusal und halb ein Held!" 342<br />

An allen drei Beispielen wird deutlich, daß die eingefügten Teile<br />

traditioneller, um nicht zu sagen: konventioneller Natur sind. Um eine<br />

gleichsam zum Gerüst herabgesetzte frühere Erzählung in dem Maß, wie es hier<br />

geschieht, aufzufüllen, bot die zweite Hälfte der dreißiger Jahre auch kaum ein<br />

anderes Material. Zug1eich aber zeichnet sich doch mit der wachsenden Auf–<br />

lösung ein kontinuierlicher Zug in der Stilentwicklung etwa von »Die Wind–<br />

hunde« I(1927 zur Stufe Die Windhunde«II (1933) / »Der Mädchenhändler« 1<br />

(1929 und weiter zu dieser dritten Stufe »Der Mädchenhändler« II (1937 ab.<br />

Von den Endpunkten nun wird in der neuen zweiten Hälfte von »Donaufischer<br />

und Mädchenhändler – schon etwas deutlich. Das Motiv pubertärer<br />

Unordnung nämlich wird dort eingeführt, in der Rückwirkung auch den<br />

abenteuerlichen, leicht phantastischen Charakter der ersten Hälfte dämpfend.<br />

Kommentar: Jugend, Jg 34,<br />

1929, S. 666-668.<br />

Kommentar: ebd., S. 666.<br />

Kommentar: Ausg. 1937, S. 32;<br />

GA IV, S. 30 (Sperrung vom Verf.).<br />

Kommentar: ebd., S. 666.<br />

Kommentar: Ausg. 1937, S. 32;<br />

GA IV, S. 30 (Sperrung vom Verf.).<br />

Kommentar: Jugend, Jg 34,<br />

1929, S. 667.<br />

Kommentar: Ausg. 1937, S. 35;<br />

GA IV, S. 32f.<br />

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Dabei wird eine ähnliche Abfolge von Leidenschaftsausbruch, Beschämung<br />

und Reife dargestellt wie noch in der Erzählung »Das Fliederbäumchen«, die<br />

von der vergeblichen Liebe eines Siebzehnjährigen zu einer unbekannten Frau<br />

handelt. <strong>Britting</strong> hat sich also von der relativ vordergründigen Handlung der<br />

Mordgeschichten zur feineren Vielschichtigkeit innerer Vorgänge hinbewegt,<br />

von einer balladesken Äußerlichkeit zur Gestaltung des seelischen Konflikts mit<br />

positivem Ausgang. Die Motive der Vitalität und Leidenschaft, bei denen er<br />

vorher verharrte, sind überwunden. Eine Psychologisierung, wie sie in ex–<br />

pressionistischer Tradition verpönt war, taucht in Umrissen auf. Dabei ist die<br />

Thematik gemessener geworden, überall herrscht jetzt ein Streben nach<br />

Harmonisierung vor.<br />

Am besten repräsentieren die Erzählungen »Die Schwestern« und »Der<br />

Schneckenweg« diesen neuen Ausdrucksbereich. Die erste ist nach <strong>Britting</strong>s<br />

Angaben wahrscheinlich schon 1936 geschrieben, die zweite stammt aus dem<br />

Jahr 1939 und erscheint mit geringfügigen Abweichungen von der Buchfassung<br />

zuerst im April 1940 im ›Inneren Reich‹ 343 . Keine harte Wirklichkeit, nicht die<br />

reinen Vorgänge oder ein frappierendes Ereignis bestimmen diese Erzählungen,<br />

seelische Landschaft vielmehr wird darin ausgebreitet. Die Schwestern, zwei<br />

Mädchengestalten auf einem pommerschen Gutshof, mit denen sich <strong>Britting</strong><br />

merklich in Fontanesche Welt begibt, sind zarteste, feinste Wesen, denen schon<br />

die reine Luft eine schmerzhafte Berührung sein kann. Sie sind – und man<br />

bedenke dagegen die früheren Gestalten des Knechts Michael, des unflätigen<br />

Hirten, der Monika oder des treuen Eheweibs Maria – sogar im äußersten Sinne<br />

empfindsame und in den Gefühlen etwas ausschweifende Geschöpfe. Ihre<br />

intensive gegenseitige Bindung und Liebe wird von einem sehr verfeinerten, in<br />

die Seelen gelegten „melusinischen" Naturzauber durchzittert.<br />

Und für die Künstler-Hauptfigur in »Der Schneckenweg«, den Freiherrn von<br />

Zeeh, den Maler und ehemaligen Reiteroffizier, haben Binding und der<br />

Münchener Maler von Habermann Modell gestanden. Das heißt also, auch diese<br />

Figur stellt einen erzogenen, kultivierten Menschentyp dar, von dem eine<br />

Bändigung der Affekte erwartet wird, auch wenn ein Anteil am Elementaren<br />

vorhanden ist. Denn den Freiherrn überfällt ja mit den zertretenen Schnecken<br />

die gleiche Angst wie den Jungen an der Donau mit dem zertretenen Fisch -<br />

offenbar ein altes, nicht abzuwerfendes Erlebnis <strong>Britting</strong>s. Aber ein aus–<br />

gewogenes Lebensganzes statt punktueller Betroffenheit erscheint als Ideal der<br />

Erzählung, wenn es heißt, der Freiherr lebe nach einem malaiischen Sprichwort,<br />

„daß nur der einen Mann sich nennen dürfe, der ein Kind gezeugt, einen Feind<br />

getötet, einen Baum gepflanzt und einen Vers gemacht habe" 344<br />

Formal entsprechend, ist es natürlich jetzt nicht mehr möglich, wie es vordem<br />

geschah, dieses oder jenes bei <strong>Britting</strong> als „saftig" zu bezeichnen 345 . Die<br />

Erzählung fließt ohne manieristische Wirbel, glatt gefügt und gelenkig, so daß<br />

Kommentar: Das Innere Reich,<br />

Jg 7, 1940, S. 17-25.<br />

Kommentar: Ausg. 1941, S. 14f;<br />

GA V, S. 1o f.<br />

Kommentar: L 23.<br />

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auch der Formanspruch des Lyrikers auf die Prosa im ganzen etwas zurückgedrängt<br />

scheint. Die Sätze haben, auch wenn sie lang sind, an Schwerelosigkeit<br />

gewonnen. Sie sind der temperierten Schreibweise etwa von Alverdes, Carossa<br />

und Ina Seidel, überhaupt also der stilkonservativen Richtung, näher gerückt,<br />

vor allem die schön-gleichgewichtige und dabei doch kräftige Prosa eines Emil<br />

Strauß wird von <strong>Britting</strong> jetzt bewundert. Wo früher der Zorn stimulierte,<br />

kommt mit nachträglicher Versöhnlichkeit (etwa in einigen Partien der<br />

»Schwestern«) der Humor herauf. Auch ist die Prosa jetzt weniger Formung der<br />

Oberfläche und „Beschreibung" des „Scheins", sondern sie läßt den Sinnkern<br />

mehr durchscheinen, als daß sie ihn umkreist; symbolische Schlüssigkeit tritt<br />

also auch hier auf. Zu welchen Höhepunkten an neuer Intensität die <strong>Britting</strong>sche<br />

Sprache kommen kann, mag die Stelle vom Fisch ini Brunnen aus »Die<br />

Schwestern« zeigen:<br />

„Oft auch neigten die Mädchen ihre Gesichter über das Brunnenrund, da kniend, wo<br />

die brennende Nessel nicht hinloderte, und sahen in die Tiefe hinab....Und manchmal sahen<br />

sie auch den Fisch. Da stand er, aus derTiefe gestiegen, unbeweglich, der geschuppte Wächter,<br />

der Herr des Brunnens. Er stand dicht unter der Oberfläche und rührte sich nicht. Sie<br />

sahen seinen dicken Kopf, den gewölbten Nacken und glaubten seine Augen zu<br />

erkennen, und seine rötliche Schwanzflosse leuchtete. Scheu blickten sie inab auf den<br />

Einsiedler in seinem kühlen Reich, ewig stumm, der lautlose, wie die stumme Flut, die<br />

er beherrschte. Dann redeten sie ihn an, mit sanften zögernden Worten, und fragten ihn, wie es<br />

da unten denn sei, auf immer allein, im tiefen Schacht? Sie beklagten sein Schicksal und riefen<br />

ihm leise Liebesnamen zu und bedauerten ihn, daß er nicht mit seinesgleichen in den grünen,<br />

schnell strömenden Flüssen jagen dürfe oder sein Lehen habe im blattbesetzten Teich unter<br />

Wasserrosen und im Binsengesträuch. So sagten e viel rlei zu ihm, tröstend und schmeichelnd.<br />

Er hörte es und rührte sich nicht und gab Antwort. Dann plötzlich ließ er sich sinken, ganz<br />

langsam, seine Umrisse wurden undeutlich, silbern blinkte es noch herauf, Blasen<br />

stiegen, und unbeweglich lag das Wasser wieder.“ 346<br />

Die ruhige Schönheit dieser Stelle wie der ganzen Erzählung zeigt, daß ein<br />

anderes Stilideal auf <strong>Britting</strong>s Prosa Einfluß gewonnen hat. Deutsche Klassik<br />

und nachklassischer Realismus liefern die Maßstäbe. Diese mit den dreißiger<br />

Jahren vordringenden Tendenzen mag man mit zu der Wirkung des<br />

Konservativen nach der literarischen Revolution rechnen. In Kontakt mit den<br />

repräsentativen Absichten im „Dritten Reich" kann hin und wieder auch von<br />

einem Neoklassizismus gesprochen werden. Allgemein herrscht eine restaurative<br />

und traditionalistische Orientierung, durch die sich-sekundär ob mit, neben<br />

oder entgegen staatlichen Direktiven und quer oft durch die Lager - mitunter<br />

fast eine gewisse Stileinheit abzeichnet.<br />

<strong>Britting</strong> hat damals von dem „Charakteristischen" seiner Prosa so viel abgegeben,<br />

daß sie ohne Schwierigkeit einem Mädchen als Erzählerfigur<br />

anvertraut werden kann. Das Mädchen in »Der bekränzte Weiher« berichtet ein<br />

Erlebnis der Wandervogelzeit, stofflich also in Nähe von »Degen und Fiedel«<br />

Kommentar: Ausg. 1937, S.93f.;<br />

GAIV, S. 86f.<br />

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von Alverdes, und nirgends sonst vielleicht wird jetzt das Sinnbildliche so<br />

weit in den Vordergrund geschoben wie bei diesem Beispiel. Zu sinnbildlichem<br />

Zusammenhang von Leben und Tod, Zeugung und Sterben führen ebenso die<br />

Erzählungen »Das Liebespaar und die Greisin« und »Die Totenfeier«, für deren<br />

Handlung der Münchener Fasching und - in der zweiten - der Englische Garten<br />

mit dem Monopteros den Hintergrund abgeben. Solchen ersten und<br />

vereinzelt bleibenden Aufnahmen von München als Erzählraum kommt<br />

gerade jetzt auch vielleicht eine klassizistische Note zu. Dabei macht allerdings<br />

eine ungleich straffere Erstfassung von »Das Liebespaar und die Greisin«<br />

347 noch keineswegs den geglätteten Eindruck, sie ballt Gegensätzliches<br />

und bricht energisch ab, wo die Endform noch in drei Absätzen oder anderthalb<br />

Druckseiten behutsam ausläuft. Ähnliche Wucht dringt nur in »Die Rettung«<br />

noch durch, wo die Härte des Vorfalls eine gewisse Knappheit notwendig<br />

macht und auch sprachlich noch einzelne frühere Elemente stehengeblieben<br />

sind. Aber in der Vorbereitung des Geschehens ist <strong>Britting</strong> auch hier wieder<br />

bemerkenswert breit. Bezeichnendes Detail ist noch einmal, daß, wo im<br />

Nachexpressionismus die dämonische Identifikation von Bäuerin und Huhn<br />

stand, es hier von einem Mann nur heißt: „Wie einem Tier fast war ihm<br />

zumute." 348<br />

<strong>Britting</strong> scheint schließlich <strong>bis</strong>weilen die Gefahr einer allzu starken<br />

Auflösung selber empfunden zu haben; ein Beispiel für die Gegenbewegung<br />

liegt jedenfalls vor. Die in Dürnstein in der Wachau spielende Erzählung »Der<br />

Verräter« ist in der Endform von 1941 gegenüber einem 1938 unter dem Titel<br />

»Die bestohlenen Äbte« erfolgten Abdruck<br />

349 wesentlich gestrafft und in der<br />

Durchführung des Themas zusammengenommen.<br />

Für »Das gerettete Bild« kann eine zuverlässige zeitliche Fixierung nicht<br />

getroffen werden. Möglicherweise liegt es an der bayerisch-ländlichen Welt, der<br />

„Donaustadt Peinting" und der bäuerlichen Leidenschaftshandlung, daß die alte<br />

Bündigkeit und der entsprechende Rhythmus noch wirksam blieben. Das<br />

unheimliche Mädchen Hanna, maßlos und unbedingt, eine zauberische<br />

Unholdin, echt <strong>Britting</strong>sche Frauengestalt und Schwester der Ophelia, steht<br />

inmitten auch des Dingrepertoires naturmagischer Welt, zwischen Pilz, Kukkuck,<br />

Bach, Mond und Wald. Der andere noch bäuerliche Stoff, »Valentin und<br />

Veronika« 350 bringt zwar den Kampf zwischen rivalisierenden Liebhabern, aber<br />

nicht mehr wie in »Der törichte Knecht« mit dem Tod des einen, sondern nun<br />

mit einer Versöhnung endend.<br />

Für den so auch in der bäuerlichen Sphäre wirksamen Spannungsabbau nach<br />

1933/35 hat <strong>Britting</strong> das Schlüsselwort, das schon in den Gedichten anzutreffen<br />

war, wie in früheren Fällen, auch noch einmal in eine Erzählung eingelassen. In<br />

»Die Schwestern« heißt es<br />

Kommentar: Ausg. 1937, S. 58;<br />

GA IV, S. 54 (Sperrung vom Verf.).<br />

Kommentar: Das Innere Reich,<br />

Jg 5, 1938, S. 247-254.<br />

Kommentar: Als »Veronika« in:<br />

Das Innere Reich, Jg 6, 1939, S.<br />

628-645; ohne das Feuer-Motiv<br />

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,, ... schrieben wohl auch ein Gedicht ab, das ihnen, als sie es lasen, besonders schön<br />

oder tröstend oder Furcht erregend erschienen war, und schickten es der Schwester, daß<br />

sie sich auch tröste oder sich fürchte." 351<br />

<strong>Britting</strong> hat also von den in diesem Satz genannten Wirkungsmöglichkeiten<br />

der dichterischen Sprache, da ihm die Wirklichkeit in einem geringeren Maße<br />

Gegenmagie und furchterregendes Schaffen abzuverlangen schien, die <strong>bis</strong>her<br />

noch weniger erprobte gewählt: Sein Dichten hat sich, Schönheit einbezogen,<br />

zum Trösten gewandt.<br />

Kommentar: Ausg. 1937, S. 92;<br />

GA IV, S. 85.<br />

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