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AEA Sonderausgabe 2013 - Chorvereinigung Spandau e.V.

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Nr. 1/<strong>2013</strong><br />

________________________________________________________________________<br />

<strong>Sonderausgabe</strong> anlässlich des 80. Jahrestages<br />

der Machtergreifung Hitlers<br />

von Horst Steindorf<br />

Nun, Volk, steh auf, und Sturm brich los!<br />

Vor 80 Jahren begannen für Deutschland die wohl schrecklichsten zwölf Jahre seiner<br />

Geschichte. Der nachstehende Auszug aus der Chronik des Männergesangvereins<br />

„Hoffmann’scher Liederkranz <strong>Spandau</strong> 1859“, so unser damaliger Name, will den Einfluss<br />

der Nazis auch auf das Leben der Gesangvereine dokumentieren. Wie prophezeite Hitler<br />

sehr richtig: „Gebt mir 12 Jahre Zeit, und ihr werdet Deutschland nicht wiedererkennen.“<br />

Heute noch auf stolzen Rossen, morgen durch die Brust geschossen. So könnte man<br />

das Schicksal unseres Chores beschreiben. 1933 hatten die „Hoffmänner“, wie unser Chor<br />

damals genannt wurde, fast 180 aktive Sänger, zu Beginn des 2. Weltkrieges nur noch 66,<br />

und nach dem 2. Weltkrieg begann die Chorarbeit mit gerade mal sieben Überlebenden.<br />

Es ist kaum zu glauben, mit welcher Brutalität Hitler das deutsche Volk unterdrückte und<br />

auch die Gesangvereine nicht verschonte. Ich glaube, dass es wert ist, sich diese<br />

unglaubliche Zeit im damaligen „Originalton“ Revue passieren zu lassen:<br />

30. Januar 1933 Machtergreifung Hitlers<br />

Der Maler Max Liebermann, der bei<br />

der Frage nach seiner Wohnung<br />

antwortet: „Wenn du nach Berlin<br />

kommst gleich links“, also im Haus<br />

Pariser Platz 1, beobachtet den<br />

Marsch der „braunen Kolonnen“<br />

vom Fenster mit den Worten: „Ick<br />

kann ja nich so viel fressen, wie ich<br />

kotzen möchte.“<br />

27. Februar 1933 Das Reichstagsgebäude brennt.<br />

Als Täter wird der vermutlich unschuldige<br />

Kommunist Marinus van der<br />

Lubbe verhaftet. Es setzt eine Verhaftungswelle<br />

gegen KPD-Mitglieder ein.<br />

Hitler nimmt den von ihm wahrscheinlich<br />

inszenierten Reichstagsbrand als<br />

Vorwand, noch am 28. Februar dem<br />

Reichspräsidenten eine Notverordnung<br />

„zum Schutze des Staates“ vorzulegen,<br />

die die Grundrechte außer<br />

Kraft setzt.<br />

1


2. April 1933 <strong>Spandau</strong>er Zeitung Nr. 79, Montag, 3.4.1933 (Auszug)<br />

Sängertreffen des Berliner Sängerbundes<br />

Die sentimentale, trügerische Ideologie der Weltverbrüderung<br />

muss jetzt verstummen. Stattdessen gilt es, den Geist der nationalen<br />

Wiedergeburt und des Freiheitskampfes von 1813, nach dem das<br />

nationale Trachten unseres Volks ist, und der auch den echten Geist<br />

des deutschen Sängers darstellt, wieder lebendig zu machen.<br />

10. Mai 1933 Bücherverbrennung<br />

auf dem Opernplatz<br />

Die Nazis verbrennen 20.000<br />

Bücher „undeutschen Geistes“<br />

u.a. von Kurt Tucholsky, Franz<br />

Werfel, Erich Kästner, Heinrich<br />

Mann, Lion Feuchtwanger, Robert<br />

Musil und Thomas Mann.<br />

10. Juni 1933 Deutsche Sängerzeitung „Die Tonkunst“ Nr. 17 vom 10.6.1933<br />

Goldene Worte Adolf Hitlers<br />

Die Zeitung „Die Tonkunst“ veröffentlicht als Leitartikel „Goldene Worte<br />

des Volkskanzlers Adolf Hitler“ aus seinem Buch „Mein Kampf“, die<br />

nichts mit Chormusik oder mit Musik überhaupt zu tun haben. Hier<br />

geht es lediglich um die politische Gleichschaltung auch der<br />

Gesangvereine.<br />

1. Juli 1933 Deutsche Sängerzeitung „Die Tonkunst“ Nr. 19 vom 1.7.1933<br />

Die Einstellung der Sänger zur neuen Zeit<br />

Die deutsche Sängerzeitung „Die Tonkunst“ setzt ihre Reihe der<br />

Politisierung der Gesangvereine mit dem Artikel fort.<br />

14. Juli 1933 Das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien<br />

bestimmt die NSDAP zur einzigen Partei Deutschlands.<br />

1. Oktober 1933 Deutsche Sängerzeitung „Die Tonkunst“ Nr. 28 vom 1. Oktober 1933<br />

Ein Inserat wirbt für eine Liedersammlung, die das „völkische Liedgut<br />

wie „Volk ans Gewehr“, „Rettet Deutschland“, „Das braune Bataillon“<br />

u.ä. enthält.<br />

30. Oktober 1933 Deutsche Sängerzeitung „Die Tonkunst“ Nr. 30, Oktober 1933 (Auszug)<br />

Bekanntmachung des Berliner Sängerbundes<br />

1. ….<br />

2. Bundesvereine oder Ortsgruppen müssen mindestens ein Konzert<br />

zum Besten der örtlichen Winterhilfe geben.<br />

31. Oktober 1933 Der Verein hat noch mehr als 170 aktive Sänger.<br />

20. Januar 1934 Jahreshauptversammlung der „Hoffmänner“<br />

Haupt-Tagesordnungspunkt ist ein Vortrag des Kreiskulturwarts der<br />

NSDAP über die „Gleichschaltung“ des MGV Hoffmann’scher Liederkranz<br />

1859 e.V. mit den nationalsozialistischen Zielen.<br />

Bei Neuwahl der Vereinsführung dürfen nur noch „verantwortliche<br />

Männer im Sinne der Aufgaben des Nationalsozialismus“, also<br />

Parteigenossen, gewählt werden. Vorsitzender wird der „Pg“ Otto Hille.<br />

2


13. Mai 1934 <strong>Spandau</strong>er Zeitung Nr.111, Montag, 14.5.1934 (Auszug)<br />

Einweihung des Gemeindehauses Klosterfelde<br />

Der Hoffmann’sche Liederkranz singt zur Einweihung. Das Haus ist<br />

mit Hakenkreuzfahnen geschmückt. Der Einzug der Gemeindemitglieer,<br />

„Deutsche Christen“ genannt, erfolgt mit der noch zu weihenden<br />

Fahne, die mitten im Christuskreuz das Hakenkreuz zeigt.<br />

Der Geistliche weist auf die Zeiten hin, als Kommunismus und<br />

Marxismus in diesem Lokale noch ein- und ausgingen und Pläne<br />

schmiedeten, wie man die christliche Kirche vernichten und die<br />

Menschen aus den Kirchen entfernen könnte. Aber Jesus hat gesiegt.<br />

Ein einfacher Mann ist ausersehen worden, der voll Gottvertrauen,<br />

gleich einem Siegfried, diese Gegner überwandt und der Kirche zur<br />

Freiheit verhalf. Daher werde der Führer Adolf Hitler auch so geachtet,<br />

weil er das Werkzeug zur Überwindung dieser finsteren Macht<br />

gewesen ist.<br />

31. Dezember 1934 Der Chor verfügt nur noch über mehr als 160 Sänger.<br />

18. März 1935 Erste Luftschutzübung in Berlin<br />

mit Verdunklungsübungen<br />

31. Dezember 1935 Der Chor hat nur noch 86 Aktive.<br />

20. Januar 1936 Deutsche Sängerzeitung „Die Tonkunst“ Nr. 3, 20.1.1936 (Auszug)<br />

Berliner Sängerbund<br />

Eine Durchsicht der Bestandsbogen hat ergeben, dass bei einer<br />

Anzahl von Vereinen ein Wechsel des Führers oder Chorleiters<br />

vorgenommen worden ist. Ich mache darauf aufmerksam, dass jeder<br />

derartige Wechsel meiner Bestätigung bedarf.<br />

Dr. Carl Naumann, Sängerkreisführer<br />

6. Oktober 1936 <strong>Spandau</strong>er Zeitung Nr. 234, Dienstag, 6.10.1936 (Auszug)<br />

Wegen Rassenschande festgenommen<br />

Der 62 Jahre alte Jude Theodor Weiß aus der Oranienstraße wurde<br />

wegen fortgesetzter Rassenschande festgenommen. Weiß hatte auch<br />

nach dem Inkrafttreten des „Gesetzes zum Schutze des deutschen<br />

Blutes“ die Beziehung zu einem arischen Mädchen nicht aufgegeben.<br />

Drei uneheliche Kinder sind diesem rassenschänderischen Treiben<br />

entsprossen.<br />

3


31. Dezember 1936 Der Chor hat nur noch 84 aktive Sänger.<br />

28. Juli 1937 <strong>Spandau</strong>er Zeitung Nr. 175, Donnerstag, 29.7.1937 (Auszug)<br />

Das 12. Deutsche<br />

Sängerfest<br />

mit rund 130.000 Sängern<br />

wird in der Jahrhunderthalle<br />

in Breslau eröffnet. Die<br />

Ansprachen von Hitler und<br />

Goebbels werden von der<br />

Presse als Höhepunkte des<br />

Festes bezeichnet.<br />

31. Dezember 1937 Der Chor hat nur noch 75 aktive Sänger. Als Gründe für die hohe<br />

Zahl der Abgänge sind zu vermuten die Verpflichtung in politischen<br />

Organisationen, die Aversion gegen die vom Dirigenten verlangte<br />

„moderne“ Chorliteratur, vor allem aber Verhaftung oder Flucht von<br />

jüdischen und sozialdemokratischen Sangesbrüdern. Hinweise auf die<br />

Zahl der aus politischen Gründen ausgeschiedenen Sänger gibt das<br />

gerettete Protokollbuch der „Hoffmänner“. Dort werden unter<br />

„Abgänge“ die Toten, die Ausgetretenen sowie das häufig verwendete<br />

Wort „gestrichen“ aufgeführt.<br />

10. Juni 1938 Deutsche Sängerzeitung „Die Tonkunst“ Nr. 17, 10.6.1938 (Auszug)<br />

Dr. Goebbels stellt 10 Grundsätze für die deutsche Kunst auf<br />

1. Die Melodie macht das Wesen der Musik aus.<br />

2. Die Musik hat die Aufgabe, das Volk mit Erholung und Unterhaltung<br />

zu erquicken.<br />

3. Die Kraft der Musik ist im Volkstum verwurzelt und muss dem Musiziertrieb<br />

des Volkes entsprechen. Judentum und deutsche Musik<br />

stehen ihrer Natur nach im schroffsten Widerspruch zueinander.<br />

4. Musik ist die sinnlichste aller Künste. Es ist daher die Pflicht unserer<br />

Musikführung, das ganze Volk an den Stützen der deutschen<br />

Musik teilnehmen zu lassen.<br />

5. Unmusikalisch sein ist für den musikalischen Menschen soviel wie<br />

blind oder taub sein.<br />

6. Musik ist die Kunst, die das Gemüt am tiefsten bewegt.<br />

7. Wenn die Melodie der Ursprung der Musik ist, muss sie immer<br />

wieder zur bewegten Melodie zurückkehren.<br />

8. Nirgendwo liegen die Schätze der Vergangenheit so reich und<br />

unerschöpflich ausgebreitet wie in der Musik. Sie zu heben und an das<br />

Volk heranzutragen ist unsere wichtigste Aufgabe.<br />

9. Die Sprache der Töne ist manchmal durchschlagender als die<br />

Sprache der Worte.<br />

10. Die großen Meister (der Tonschöpfung) sind die eigentlichen<br />

Majestäten unseres Volkstums.<br />

10. September<br />

1938<br />

Deutsche Sängerzeitschrift „Die Tonkunst“ Nr. 26 vom 10.9.1938 (Auszug)<br />

Unerwünschte Musik.<br />

Alle Werke, die von der Reichsmusikprüfstelle für unerwünscht erklärt<br />

worden sind, (Chronist: u.a. alle Werke von Irving Berlin), dürfen in<br />

Deutschland weder vertrieben noch öffentlich aufgeführt werden.<br />

4


9. November 1938 „Reichskristallnacht“.<br />

Der Reichsminister für Volksaufklärung<br />

und Propaganda,<br />

Goebbels, organisiert „spontane“<br />

Kundgebungen gegen<br />

die Juden. Es kommt zu<br />

Brandstiftungen an 191 Synagogen,<br />

jüdische Friedhöfe<br />

werden geschändet, 7.500<br />

jüdische Läden zerstört.<br />

10. November 1938 Laut Archiv der <strong>Spandau</strong>er Luther-Kirche verließ der wohl beste<br />

Dirigent der „Hoffmänner“, Manfred Langer, fluchtartig Deutschland<br />

und tauchte in Chile unter. Grund war seine Befürchtung, von den<br />

Nazis wegen seiner Nebentätigkeit als Organist in jüdischen Synagogen<br />

verhaftet und ermordet zu werden. Er starb in Chile. Seine<br />

nach Deutschland zurückgekehrte Ehefrau erhielt keine Pension,<br />

weil er seinen Beruf als Organist drei Wochen vor Beginn seiner<br />

Pensionszeit aufgegeben hatte!!! O, Sanctus Bürocratius!<br />

15. November 1938 Jüdischen Kindern<br />

wird der Besuch öffentlicher Schulen untersagt.<br />

5. Dezember 1938 <strong>Spandau</strong>er Zeitung Nr. 284, Montag, 5.12.1938<br />

Juden dürfen u.a. die Wilhelmstraße und die Straße „Unter den<br />

Linden“ nicht mehr betreten.<br />

31. Dezember 1938 Der Chor hat nur noch 66 Aktive.<br />

20. März 1939 Entartete Kunst verbrannt<br />

In der Hauptfeuerwache in der Köpenicker Straße werden rund<br />

5.000 Gemälde, Aquarelle und Grafiken „entarteter Kunst“ verbrannt.<br />

4. Juli 1939 Die Reichsvereinigung der Juden<br />

wird zwangsweise gegründet. Sie organisiert unter Aufsicht der<br />

Gestapo die „Auswanderung“ der Juden unter Zurücklassung des<br />

gesamten Besitzes.<br />

31. August 1939 <strong>Spandau</strong>er Zeitung Nr. 203, Freitag, 1.9.1939<br />

Hitler inszeniert einen Angriff auf den Sender Gleiwitz. Er nutzt das<br />

Szenario als Vorwand für eine Kriegserklärung an Polen.<br />

5


1. September 1939 <strong>Spandau</strong>er Zeitung Nr. 203, Freitag, 1.9.1939<br />

Der Zweite Weltkrieg ist ausgebrochen!<br />

1. September 1939 Euthanasie-Verordnung erlassen<br />

Die Verordnung sieht die physische Vernichtung von unheilbar Kranken<br />

vor.<br />

8. Oktober 1939 Deutsche Sängerzeitung „Die Tonkunst“ Nr. 31, 11.11.1939 (Auszug)<br />

Die Front der Herzen<br />

Mag der Einsatz der Chöre für die Verwundeten in den Lazaretten und<br />

Krankenhäusern auch selbstverständlich erscheinen, mag es vergeblich<br />

sein, die Wirkung dieser Vorträge auf Hörer, aber auch auf Sänger, in<br />

Worte zu kleiden, die Namen der Vereine verdienen festgehalten zu werden,<br />

damit eine spätere Generation von dieser Front der Herzen erfährt:<br />

(Chronist: Unter den aufgeführten Chören befindet sich auch der<br />

Hoffmann’sche Liederkranz, der wiederholt in Lazaretten singt.)<br />

31. Dezember 1939 Vermutlich hat der Chor etwa 69 aktive Sänger.<br />

14. März 1940 Hermann Göring ruft zur Opferbereitschaft auf<br />

Die Bevölkerung möge alle Metalle wie Bronze, Messing usw.<br />

spenden.<br />

1. Juni 1940 Deutsche Sängerzeitung „Die Tonkunst“ Nr. 16, 1.6.1940<br />

4. Juli 1940 Juden<br />

dürfen nur noch zwischen 17 und 18 Uhr Lebensmittel einkaufen.<br />

24. August 1940 Die deutsche Luftwaffe greift zum ersten Male London an.<br />

25. August 1940 Bombenangriff auf Berlin<br />

In der Nacht vom 25. auf den 26. August 1940 greifen 81 britische<br />

Bomber als Vergeltungsschlag die Reichshauptstadt an. Es ist der<br />

erste Luftangriff auf Berlin.<br />

20. September 1940 Deutsche Sängerzeitung „Die Tonkunst“ Nr. 27, 20.9.1940 (Auszug)<br />

Nur sieben Prozent stellten die Chorarbeit ein<br />

Da der deutsche Sängerbund zu 90% aus Männern besteht, wirkt<br />

sich die Einberufung von Mitgliedern und Chorleitern entscheidend<br />

aus. Über 150.000 Sänger standen am 1. Januar 1940 unter den<br />

Waffen. Aber von den 25.000 im DSB erfassten Vereinen verloren<br />

nur 7 Prozent den Mut und stellten die Chorarbeit ein.<br />

6


31. Dezember 1940 Nur noch 56 Aktive singen im Chor.<br />

1. Januar 1941 Die Deutsche Sängerzeitschrift „Die Tonkunst“ umbenannt<br />

Neuer Name: „Die Tonkunst“, Zeitschrift des Singenden Deutschlands.<br />

22. Juni 1941 Krieg gegen Russland<br />

Deutschland überfällt die Sowjetunion.<br />

19. September 1941 Juden müssen ab sofort den<br />

Judenstern tragen.<br />

18. Oktober 1941 Massendeportationen der Juden<br />

beginnen mit 1.013 Menschen von der Rampe des Bahnhofs<br />

Grunewald Richtung Lodz. Ende 1941 werden nur noch 55.000<br />

Juden in Berlin leben.<br />

16. November 1941 „Die Tonkunst“ Nr. 34 vom 1.12.1941<br />

Der Hoffmann’sche Liederkranz 1859 <strong>Spandau</strong><br />

veranstaltete im Turmzimmer des Ratskellers in <strong>Spandau</strong> einen<br />

Hausmusikabend, der bewies, dass diese <strong>Chorvereinigung</strong> vor den<br />

auf dem Gebiet des Männerchorwesens sich zeigenden Härten des<br />

Krieges nicht kapituliert.<br />

(Chronist: Die Meldung zeigt, dass die „Hoffmänner“ wegen des<br />

Kriegsdienstes ihrer Sänger eigentlich nicht mehr konzertfähig sind.<br />

Außerdem befindet sich der Chormeister Hanns-Klaus Langer im<br />

Kriegsdienst.)<br />

31. Dezember 1941 Nur noch 44 Aktive singen im Chor.<br />

20. Januar 1942 Wannseekonferenz<br />

unter Reinhard Heydrich.<br />

Beraten wird am Großen<br />

Wannsee die „Endlösung<br />

der Judenfrage.<br />

31. Dezember 1942 Nur noch 37 Aktive hat der Chor, davon sind viele eingezogen!<br />

7


17. Januar 1943 Bomben auf Berlin<br />

256 britische Bomber werfen 700 t. Die Deutschlandhalle brennt<br />

aus, in der noch am Abend vor 16.000 Besuchern die Veranstaltung<br />

„Menschen, Tiere, Sensationen“ stattgefunden hat.<br />

18. Februar 1943 <strong>Spandau</strong>er Zeitung Nr. 42, Freitag, 19.2.1943<br />

Wollt ihr den totalen Krieg?<br />

(Chronist: Kurz vor der Verkündigung des „totalen Krieges“ hat sich<br />

die 6. Armee in Stalingrad ergeben. Von den 70.000 Gefangenen<br />

kehren nur 6.000 Soldaten nach Deutschland zurück.)<br />

1. August 1943 Die Evakuierung der Berliner Bevölkerung beginnt.<br />

In einem Aufruf fordert Goebbels jeden Einzelnen auf, der nicht aus<br />

beruflichen oder sonstigen Gründen zum Verbleiben in Berlin verpflichtet<br />

ist, die Stadt zu verlassen. Das gilt insbesondere für Frauen,<br />

Kinder, Pensionäre usw.<br />

21. Oktober 1943 Protokollbuch<br />

Übungsstunden nur noch sonntags<br />

Infolge der durch die Kriegszeit bedingten längeren Arbeitszeit<br />

sowie wegen der immer früher stattfindenden Luftangriffe werden<br />

die Übungsstunden auf jeden 2. Sonntag im Monat verlegt.<br />

18. November 1943 Großangriffe auf Berlin<br />

Die Briten fliegen bis zum 3. Dezember fünf schwere Bombenangriffe<br />

auf Berlin. Allein in der ersten Nacht fallen 1.600 t Sprengund<br />

Brandbomben auf die Innenstadt. Ende 1943 haben 400.000<br />

Berliner keine Wohnung mehr, 68.999 Häuser sind total zerstört.<br />

31. Dezember 1943 Nur noch 30 Aktive verzeichnet das Protokollbuch.<br />

3. Januar 1944<br />

Battle of Berlin<br />

Es beginnt eine bis 1. Februar andauernde intensive Bombardierung<br />

Berlins durch die britische Luftwaffe.<br />

8


30. Januar 1944<br />

Die alte Berliner Philharmonie<br />

vor dem Bombenangriff<br />

Die Berliner Philharmonie<br />

nach dem Luftangriff ein<br />

6. Juni 1944 <strong>Spandau</strong>er Zeitung Nr. 130, Dienstag, 6.6.1944<br />

Mitte Juni 1944<br />

Beginn der V 1 – Angriffe auf London<br />

Laut <strong>Spandau</strong>er Zeitung werden täglich 17.000 Häuser zerstört<br />

oder beschädigt.<br />

21. Juni 1944 Tagesangriffe auf Berlin<br />

2.500 US-Bomber bombardieren Berlin.<br />

20. Juli 1944<br />

Das Attentat des<br />

Claus Schenk Graf von<br />

Stauffenberg<br />

auf Hitler misslingt.<br />

9


20. Juli 1944 Im Hof des Bendler-Blocks<br />

werden noch am 20. Juli standrechtlich<br />

erschossen:<br />

Claus Schenk Graf von Stauffenberg<br />

Generaloberst Ludwig Beck<br />

General Friedrich Olbricht<br />

Ritter Mertz von Quirnheim<br />

Oberleutnant von Haeften<br />

Wenige Tage später<br />

Beginn der Prozesse gegen die Männer des 20. Juli<br />

Hinrichtungsstätte Plötzensee<br />

Schon einen Tag später werden Erwin von Witzleben, Erich<br />

Hoeppner, Hellmuth Stieff, Paul von Hase, Robert Bernardis, Peter<br />

Graf Yorck von Wartenburg, Albrecht von Hagen und Friedrich Karl<br />

Klausing in Berlin-Plötzensee „wie die Schweine am Fleischerhaken“<br />

gehenkt. Insgesamt werden in Plötzensee bis zum Kriegsende<br />

89 Widerstandskämpfer durch den Strang hingerichtet.<br />

10. August 1944 Öffentliche Veranstaltungen verboten<br />

Goebbels untersagt alle öffentlichen Veranstaltungen „nicht kriegsmäßigen<br />

Charakters“. Die Schauspieler werden zur Wehrmacht<br />

eingezogen, die Frauen in der Kriegswirtschaft eingesetzt.<br />

25. September 1944 Volkssturm gebildet<br />

Alle waffenfähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren (700.000 in<br />

ganz Deutschland) werden zum Volkssturm zur Verteidigung des<br />

Heimatbodens eingezogen. Spruchbänder wie „Volk ans Gewehr“<br />

und „Der Führer hat gerufen“ kennzeichnen die Straßen.<br />

6. Oktober 1944 <strong>Spandau</strong>er Zeitung Nr. 240, Donnerstag, 12.10.1944<br />

St. Nikolai und St. Marien werden durch Bomben beschädigt<br />

10


7. Oktober 1944 <strong>Spandau</strong>er Zeitung Nr. 240, Donnerstag, 12.10.1944<br />

Generalfeldmarschall Rommel<br />

ist nicht den „Kopfverletzungen in vorderster<br />

Front“ erlegen. Er wurde vielmehr<br />

aufgefordert, sich „ehrenhaft“<br />

selbst zu erschießen, um nicht wegen<br />

seiner Verbindung zum Widerstandskreis<br />

vom 20. Juli vor dem Volksgerichtshof<br />

angeklagt zu werden.<br />

13. November 1944 Judenverbot<br />

Juden dürfen sich nicht in den öffentlichen Wärmehallen der Stadt<br />

aufhalten. In Berlin leben z. Zt. noch etwa 6.000 Juden, davon ein<br />

Drittel im Untergrund.<br />

Dezember 1944<br />

V 2 –Angriffe auf die britische<br />

Hauptstadt<br />

Die <strong>Spandau</strong>er Zeitung berichtet<br />

ungewöhnlich kurz und verhalten über<br />

den Einsatz der neuen „Wunderwaffe<br />

V 2“, der Vorgängerin der späteren<br />

Saturn-Rakete. Offenbar stehen Hitler<br />

nicht genügend Raketen zur Verfügung.<br />

10. Dezember 1944 <strong>Spandau</strong>er Zeitung Nr. 289, Freitag, 8.12.1944<br />

MGV Hoffmann’scher Liederkranz 1859: Sonntag, den 10.<br />

Dezember, 10 Uhr, wichtige Übungsstunde.<br />

(Chronist: Dies ist die letzte angekündigte Übungsstunde vor<br />

Kriegsende.)<br />

3. Februar 1945 Der schwerste Bombenangriff auf Berlin<br />

durch die US-Luftwaffe fordert rund 2.600 Tote.<br />

28. März 1945 <strong>Spandau</strong> im zweiten Weltkrieg (Buch-Auszug)<br />

Der schwerste Angriff trifft <strong>Spandau</strong> am 28. März 1945, fünf Wochen,<br />

vor Ende des schrecklichen Krieges auf deutschem Boden.<br />

Das Ziel ist die <strong>Spandau</strong>er Neustadt. Die ersten Bomben fallen<br />

bereits, als um 10.04 Uhr Vollalarm gegeben wird. Erst nachdem die<br />

Sirenen um 12 Uhr durch einen Dauerton Entwarnung geben, trauen<br />

sich die Menschen auf die Straße und sehen das Ausmaß der Zerstörung,<br />

sehen ihre brennenden Häuser, die von Stabbrandbomben<br />

und Phosphorbomben getroffen worden sind. Die Hausbewohner<br />

sind nur in wenigen Fällen in der Lage, die Flammen wirksam zu<br />

bekämpfen. Die Feuerwehr darf nur bei kriegswichtige Zielen den<br />

Brand bekämpfen.<br />

Die Toten werden in den kommenden Tagen mit Pferdefuhrwerken<br />

von der Lutherkirche zum „Friedhof in den Kisseln“ gefahren<br />

und dort beerdigt.<br />

11


28. März 1945 Sawades Festsäle von Bomben zerstört<br />

Der Chor verliert durch den Luftangriff sein Vereinsheim „Sawade“ in<br />

der Schönwalder Straße 98-99 und damit seinen riesigen Noten-<br />

Fundus, das neue Vereinsbanner, das Klavier, das umfangreiche<br />

Vereins-Archiv und viele Erinnerungsstücke.<br />

„Sawades Kaisersäle“ vor und nach der Zerstörung<br />

21. April 1945 Der Verbrauch von Gas und Strom wird verboten.<br />

30. April 1945 Hitler und Eva Braun begehen Selbstmord<br />

Die Leichen werden mit Benzin übergossen und verbrannt, jedoch<br />

von der Roten Armee gefunden und nach Magdeburg in die<br />

Pathologie gebracht. Heute sollen sich die Reste im NKWD-<br />

Museum in Moskau befinden.<br />

1. Mai 1945 Joseph Goebbels begeht mit seiner Familie Selbstmord<br />

2. Mai 1945 Berlin kapituliert<br />

Der Kampfkommandant von Berlin, General Helmuth Weidling,<br />

unterzeichnet im Gefechtsstand von General Wassili Tschuikow am<br />

Tempelhofer Schulenburgring den Kapitulationsbefehl an die ihm<br />

unterstellten Truppen.<br />

8. Mai 1945<br />

Wie die Saat, so die Ernte!<br />

Da wurden Menschen zu Hyänen und trieben mit Entsetzen Scherz.<br />

Noch zuckend mit des Panthers Zähen zerrissen sie des Feindes Herz.<br />

Nichts Heiliges war mehr, es lösten sich alle Bande frommer Scheu.<br />

Das Gute räumte den Platz dem Bösen und alle Laster walteten frei.<br />

(frei nach Friedrich von Schiller)<br />

*************************************************************<br />

Quellen:<br />

Quellen dieser Ausarbeitung sind<br />

die angegebenen Presseorgane,<br />

das Protokollbuch des MGV „Hoffmann’scher Liederkranz <strong>Spandau</strong> 1859“,<br />

das Buch „<strong>Spandau</strong> im 2. Weltkrieg“,<br />

„Die Chronik Berlins“ (Chronik-Verlag).<br />

Die Fotos wurden weitgehend dem „Stadtgeschichtlichen Archiv <strong>Spandau</strong>“<br />

oder dem Internet entnommen.<br />

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