Gedruckte Ausgabe (herunterladen) - Comparis.ch
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GESUNDHEITSPOLITIK<br />
Risikoausglei<strong>ch</strong> – der S<strong>ch</strong>lüssel zum Leistungswettbewerb<br />
Der Bundesrat und die nationalrätli<strong>ch</strong>e Gesundheitskommission sind si<strong>ch</strong> uneins, wie der Risikoausglei<strong>ch</strong> verbessert werden soll.<br />
Der Streit um die «ri<strong>ch</strong>tigen» Indikatoren der Krankheitsrisiken ist ni<strong>ch</strong>t im Interesse der Versi<strong>ch</strong>erten.<br />
Ein Plädoyer für einen Wettbewerb um gute Qualität zu tiefen Kosten von Felix S<strong>ch</strong>neuwly.<br />
Wenn jeweils im Herbst die Krankenkassen<br />
um Kunden werben, folgt<br />
pünktli<strong>ch</strong> hars<strong>ch</strong>e Kritik an der «Risikoselektion».<br />
Die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> guten<br />
Kunden ist jedo<strong>ch</strong> eine Kernaufgabe<br />
im Versi<strong>ch</strong>erungsges<strong>ch</strong>äft. Der<br />
Versi<strong>ch</strong>erer gruppiert Versi<strong>ch</strong>erte mit<br />
ähnli<strong>ch</strong>en Gesundheitsrisiken, damit<br />
diese untereinander mit der glei<strong>ch</strong>en<br />
Prämie solidaris<strong>ch</strong> sind. Das<br />
Krankenversi<strong>ch</strong>erungsgesetz (KVG)<br />
s<strong>ch</strong>reibt jedo<strong>ch</strong> eine Einheitsprämie<br />
unabhängig vom Krankheitsrisiko<br />
vor. Au<strong>ch</strong> ein Krankenversi<strong>ch</strong>erer<br />
muss die Grundversi<strong>ch</strong>erung risikogere<strong>ch</strong>t<br />
finanzieren, um die Kosten<br />
zu decken. Deshalb gehört der Risikoausglei<strong>ch</strong><br />
zur Einheitsprämie.<br />
Glei<strong>ch</strong> viel Geld für glei<strong>ch</strong>e Risiken<br />
Damit ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> der Krankenversi<strong>ch</strong>erer<br />
mit den gesündesten Versi<strong>ch</strong>erten<br />
den grössten Wettbewerbsvorteil<br />
hat, muss jede Kasse für «gute<br />
Risiken» in den Risikoausglei<strong>ch</strong> einzahlen;<br />
umgekehrt bekommt sie aus<br />
diesem Topf Geld für Versi<strong>ch</strong>erte, die<br />
statistis<strong>ch</strong> mehr versi<strong>ch</strong>erte medizinis<strong>ch</strong>e<br />
Leistungen benötigen. Würden<br />
gesunde und kranke Versi<strong>ch</strong>erte<br />
von ihrer Wahlfreiheit in glei<strong>ch</strong>em<br />
Masse Gebrau<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en, wäre ein<br />
Risikoausglei<strong>ch</strong> überflüssig, weil<br />
dann jede Kasse etwa das glei<strong>ch</strong>e<br />
Verhältnis guter und s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter Risiken<br />
hätte. Allerdings we<strong>ch</strong>seln primär<br />
gesunde Versi<strong>ch</strong>erte die Kasse.<br />
Folgli<strong>ch</strong> ist die Prämienhöhe einer<br />
Krankenkasse stark von der Risikostruktur<br />
der Kunden abhängig.<br />
Wirkung der stationären Aufenthalte<br />
ist bes<strong>ch</strong>ränkt und nimmt ab<br />
Seit 2012 erfolgt die Bere<strong>ch</strong>nung<br />
des Risikoausglei<strong>ch</strong>s mit einem zusätzli<strong>ch</strong>en<br />
Indikator. Neben dem Alter<br />
und dem Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t werden au<strong>ch</strong><br />
stationäre Aufenthalte von mehr als<br />
drei Tagen in Spitälern oder Pflegeheimen<br />
berücksi<strong>ch</strong>tigt. Das erhöhte<br />
die via Risikoausglei<strong>ch</strong> umverteilte<br />
Summe im ersten Jahr nur um 61 Mio.<br />
Franken, nämli<strong>ch</strong> von 1,497 Milliarden<br />
Franken (6,34 Prozent der Prämien<br />
2011) auf 1,559 Milliarden Franken<br />
(6,37 Prozent der Prämien 2012).<br />
Die geringe Zunahme der umverteilten<br />
Prämien zeigt, wie gering die<br />
Verbesserung des Risikoausglei<strong>ch</strong>s<br />
ist. Langfristig wird diese bes<strong>ch</strong>eidene<br />
Wirkung verpuffen, weil mit<br />
dem medizinte<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritt<br />
immer mehr Behandlungen ambulant<br />
dur<strong>ch</strong>geführt werden.<br />
Versi<strong>ch</strong>erer müssen den Konkurrenzkampf<br />
von der «Jagd auf gute Risiken»<br />
auf ein anderes Ziel verlagern:<br />
einen besseren Service (zum Beispiel<br />
dur<strong>ch</strong> Case-Management) und mehr<br />
Effizienz (keine Mehrfa<strong>ch</strong>untersu<strong>ch</strong>ungen<br />
oder unnötige Operationen).<br />
Dazu brau<strong>ch</strong>t es einen besseren<br />
Risikoausglei<strong>ch</strong>.<br />
Damit jede Kasse ein Interesse<br />
daran hat, ihre kranken Versi<strong>ch</strong>erten<br />
medizinis<strong>ch</strong> besser und kostengünstiger<br />
zu versorgen als die Konkurrenz<br />
es tut, sind die Indikatoren<br />
und das Umverteilungsvolumen<br />
des Risikoausglei<strong>ch</strong>s elementar für<br />
einen funktionierenden Wettbewerb<br />
unter den Kassen und au<strong>ch</strong> unter<br />
den Leistungserbringern. Weil für<br />
den Risikoausglei<strong>ch</strong> Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittswerte<br />
gelten, hat jede Kasse ein Interesse,<br />
die eigenen Versi<strong>ch</strong>erten im<br />
Krankheitsfall qualitativ besser und<br />
kostengünstiger zu versorgen als<br />
die Konkurrenz.<br />
Ein zuverlässiger Indikator der Gesundheit<br />
eines Patienten ist sein Medikamentenkonsum.<br />
Die Kassen verfügen<br />
über zuverlässige Daten zu<br />
Menge und Preis der Medikamente,<br />
die zu Lasten der Grundversi<strong>ch</strong>erung<br />
abgegeben werden. Ents<strong>ch</strong>eidend<br />
wird also sein, wel<strong>ch</strong>e Präparate<br />
eingere<strong>ch</strong>net werden und<br />
wel<strong>ch</strong>e Beträge die Kassen für definierte<br />
Risikogruppen aus dem Ausglei<strong>ch</strong>topf<br />
bekommen bzw. für die<br />
Versi<strong>ch</strong>erten in den Topf einzahlen<br />
müssen, die ni<strong>ch</strong>t zu diesen<br />
Gruppen gehören.<br />
Versi<strong>ch</strong>erer mit besserer Qualität<br />
und tiefen Kosten im Krankheitsfall müssen<br />
einen Konkurrenzvorteil haben.<br />
S<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>e Verzögerungen<br />
Bundesamt für Gesundheit und<br />
Kassen haben die Daten, um vers<strong>ch</strong>iedene<br />
Szenarien zu simulieren. Nun<br />
beharrt der Bundesrat auf einer anderen<br />
Lösung als die Gesundheitskommission<br />
des Nationalrats. Damit geht<br />
wertvolle Zeit verloren. Die Leidtragenden<br />
sind die Versi<strong>ch</strong>erten. Dabei<br />
könnten gerade sie von einem wirksameren<br />
Risikoausglei<strong>ch</strong> profitieren.<br />
Denn ein sol<strong>ch</strong>er ist der beste Anreiz<br />
für einen Leistungswettbewerb um<br />
gute Medizin und tiefe Prämien.<br />
KRANKENKASSEN<br />
S<strong>ch</strong>lei<strong>ch</strong>endes Ende der Mehrkassen-Strategie<br />
ssa. Diverse Krankenkassen haben To<strong>ch</strong>terkassen gegründet. Eine<br />
Analyse von comparis.<strong>ch</strong> zeigt nun: Die Prämien dieser To<strong>ch</strong>terkassen<br />
nähern si<strong>ch</strong> sukzessive den Prämien der Mutterkassen an. Bei allen vier<br />
Konzernen mit dieser Strategie, nämli<strong>ch</strong> bei CSS, Helsana, Sanitas und<br />
Visana, zeigt si<strong>ch</strong> diese Entwicklung.<br />
Die Zahlen dazu: Im Jahr 2010 lagen die Standardprämien zwis<strong>ch</strong>en den<br />
Mutter- und den To<strong>ch</strong>terkassen im S<strong>ch</strong>nitt um 14 Prozent auseinander.<br />
Der Abstand ist seither von Jahr zu Jahr auf aktuell 7 Prozent ges<strong>ch</strong>molzen.<br />
Die Prämien der ehemaligen «Billigkassen» sind inzwis<strong>ch</strong>en glei<strong>ch</strong><br />
ho<strong>ch</strong> wie die dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>e Prämie sämtli<strong>ch</strong>er Krankenkassen.<br />
Das heisst: Die günstigen To<strong>ch</strong>terkassen haben si<strong>ch</strong> überproportional<br />
verteuert. Umgekehrt entwickelten si<strong>ch</strong> die Prämien der Mutterkassen<br />
ungefähr parallel zum Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt – und sind no<strong>ch</strong> heute<br />
wesentli<strong>ch</strong> teurer.<br />
425 CHF/Mt<br />
400<br />
375<br />
350<br />
14%<br />
2010<br />
Mutterkassen<br />
○/ alle Kassen<br />
12%<br />
11%<br />
2012<br />
2013<br />
2014<br />
2011<br />
Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>e Krankenkassenprämien<br />
für einen Erwa<strong>ch</strong>senen mit Standardmodell, 300 Franken<br />
Fran<strong>ch</strong>ise, ohne Unfalldeckung, wohnhaft in Züri<strong>ch</strong>.<br />
9%<br />
To<strong>ch</strong>terkassen<br />
7%<br />
Quelle: comparis.<strong>ch</strong><br />
DIE KONSUMENTENSTIMME NOVEMBER 2013 | SEITE 3