April 1999 - Der Fels
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„Regina caeli“<br />
- Betrachtungen über den österlichen Jubel Mariens<br />
Von Joseph Overath<br />
Im österlichen Jubel Mariens klingt mit, was die Mutter Gottes von<br />
der Verkündigung des Engels in Nazareth an durchlebt und erlitten<br />
hat und nun in das Magnifikat des Ostermorgens verwandelt ist. Es<br />
ist die Erfahrung der Erfüllung aller Verheißungen Gottes. Maria<br />
erlebt diesen Osterjubel auch als das Bild der Kirche für alle mit<br />
dem Osterglauben erfüllten Menschen.<br />
Regina caeli, laetare, alleluja,<br />
quia, quem meruisti portare,<br />
alleluja<br />
resurrexit sicut dixit, alleluja<br />
ora pro nobis Deum, alleluja<br />
(Freu Dich Du Himmelskönigin,<br />
alleluja, den Du zu tragen<br />
würdig warst alleluja, er ist<br />
erstanden, wie er gesagt, alleluja<br />
bitt Gott für uns, alleluja)<br />
Es gibt Gesänge, und dazu gehört<br />
auch die Marienantiphon „Regina<br />
caeli“, die sind nicht mehr aus der<br />
kirchlichen Liturgie wegzudenken;<br />
es sind klassische Texte, die den<br />
Glauben der Kirche in Form und Inhalt<br />
schön wiedergeben.<br />
Wir müssen uns an den Abend des<br />
Karfreitags zurückerinnern, um die<br />
Botschaft des „Regina caeli“ erfassen<br />
zu können. An diesem Abend<br />
steht Maria als Pieta vor unseren Augen:<br />
Sie hält uns den toten Sohn entgegen,<br />
der als „hostia“, als Opfergabe<br />
für unsere Sünden sich ans Kreuz<br />
gegeben hatte. Maria ist in diesem<br />
Augenblick die ganze Kirche: Sie<br />
führt uns vor Augen, daß Jesus alles<br />
ist, was sie uns geben kann - daß die<br />
Kirche, deren Typus sie ist, nur und<br />
alleine uns Jesus zeigen muß und<br />
kann.<br />
In dieser schmerzlichen Stunde<br />
der Pieta (und der ganzen Kirche) erinnert<br />
sich Maria an das Wort des<br />
Erzengels Gabriel: „Nicht kraftlos<br />
wird sein jedes Wort von Gott her“<br />
(Lk. 1, 37).<br />
Das „Regina caeli“ nimmt diese<br />
Dynamik Gottes auf. Zunächst soll<br />
Maria sich freuen, Maria, die jetzt<br />
nach der Auferweckung Jesu zur<br />
Himmelskönigin geworden ist. Maria<br />
ist als erste aller Menschen, ohne<br />
Erbsünde belastet, heim zum göttlichen<br />
Vater gegangen, und dieses<br />
österliche Geschehen erhebt sie als<br />
Mutter des Herrn zur himmlischen<br />
Königin. Sie erlebt jetzt, daß Gottes<br />
Worte nie ohne Kraft sind; ja Gottes<br />
Worte erheben den Menschen über<br />
die menschlichen Vorstellungen und<br />
Kräfte hinaus.<br />
Die Freude, die nun Maria in der<br />
österlichen Wirklichkeit empfindet,<br />
übersteigt alles an Freude, was der<br />
Mensch erleben kann. Die Freude ist<br />
die angemessene Antwort auf die<br />
Überwindung des Todes, des Reiches<br />
der Verwesung.<br />
Die Freude, Mutter des Herrn zu<br />
werden, den Messias zu gebären, ist<br />
nur die Vorfreude der österlichen<br />
Freude, derer Maria jetzt gewürdigt<br />
wird von ihrem auferstandenen<br />
Sohn.<br />
<strong>Der</strong> Gruß des Gottesboten Gabriel<br />
damals in Nazareth, in dem Maria als<br />
Begnadete bezeichnet worden war,<br />
ist jetzt vollkommen in Erfüllung gegangen:<br />
mit der Auferstehung Jesu<br />
von den Toten wird auch Maria erhoben;<br />
sie wird, wie es im Magnificat<br />
heißt, als demütige Magd erhoben.<br />
Diese Erhöhung führt sich auf ihr<br />
Fiat in Nazareth zurück. Sie war gewürdigt<br />
worden, Jesus zu den Menschen<br />
zu tragen.<br />
Ging es damals um die Mensch-<br />
werdung Gottes, so geht es jetzt im<br />
österlichen Geheimnis um die<br />
Vergöttlichung, um die Erhöhung<br />
des Menschen.<br />
Folge des Ostermorgens ist die Erhöhung<br />
des Menschen. <strong>Der</strong> neue<br />
Adam, Jesus Christus, löst den ersten<br />
Adam der Sünde ab. Maria wendet<br />
Evas Namen und hat durch den neuen<br />
Adam Anteil an der österlichen<br />
Wirklichkeit durch ihre Aufnahme in<br />
den Himmel. Deswegen hat nicht<br />
nur Maria allen Grund zur Freude,<br />
sondern sie wird für uns zur „Causa<br />
nostrae laetitiae“ - zur Ursache unserer<br />
Freude“ -, wie die Lauretanische<br />
Litanei singt.<br />
Diese Freude Mariens wird begründet<br />
durch den auferstandenen<br />
Christus, weil er als zweiter Adam<br />
den Tod entmachtet und der zweiten<br />
Eva schon Anteil an seiner Auferstehungsherrlichkeit<br />
schenkt, die<br />
er der Kirche über die Mutter der<br />
Kirche und seine Mutter anfanghaft<br />
mitgeteilt hat. Die Freude Mariens ist<br />
auch allen versprochen, die sie als<br />
Typus der Kirche annehmen, die<br />
ihre ganze Hoffnung auf sie setzen.<br />
Unsere Antiphon bezieht sich aber<br />
nicht nur auf die österlich -<br />
eschatologische Seite des Heilsgeschehens.<br />
„Resurrexit sicut dixit“, erinnert<br />
an Mt 28,6. <strong>Der</strong> Engel spricht aus<br />
dem Ort des Grauens und der Hoffnungslosigkeit<br />
die Worte: „Nicht ist<br />
er hier, denn er wurde auferweckt,<br />
wie er es gesagt hat.“ Jesus ist im<br />
Tod und im Leben das Wort, das<br />
nicht trügen kann. Er hält Wort, aber<br />
so, wie es menschliche Vorstellungen<br />
nicht mehr ausmalen können.<br />
Maria hatte diesem Wort Gottes<br />
vorbehaltlos zugestimmt. Sie weiß<br />
durch ihr Leben hindurch, daß keines<br />
der Worte Gottes ohne Kraft ist.<br />
Auf der Hochzeit zu Kana hatte sie<br />
den Menschen geraten, das zu tun,<br />
was das Wort sagt (Joh. 2,3).<br />
Noch als Pieta verzweifelt sie<br />
nicht an Gott und den Menschen; sie<br />
ist selbst jetzt noch fähig, den Menschen<br />
Jesus zu zeigen und verkündet<br />
damit den Tod des Herrn.<br />
Dieses „sicut dixit“ trägt ihr Leben.<br />
Sie weiß, daß sie sich nicht irgendwem<br />
anvertraut, sondern sie<br />
weiß um das Wort Gottes, das sich in<br />
Jesus einsenkt in menschliches<br />
Fleisch, inkarniert in unser Menschenleben.<br />
Sie weiß, daß sie den in ihrem<br />
DER FELS 4/<strong>1999</strong> 101