akut 19 - Psychopharmaka in der Suchttherapie - Die Alternative
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Peter Burkhard, Gesamtleiter DIE ALTERNATIVE<br />
02<br />
Das eigene Leben zu eigen machen<br />
Gesellschaft und Individuum – Drogenpolitik und die Betroffenen<br />
Im vorliegenden Bericht geht Peter Burkhard auf die verän<strong>der</strong>ten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Suchtarbeit e<strong>in</strong>, zeigt die gestiegenen Anfor<strong>der</strong>ungen sowohl<br />
bei Betreuten als auch Betreuenden auf und benennt Ungereimtheiten, die uns<br />
alle als Gesellschaft betreffen.<br />
Vom ‚Entwe<strong>der</strong> o<strong>der</strong>’ zum ‚Sowohl als<br />
auch’ – so könnte man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er absoluten<br />
Kürzestfassung die Entwicklung <strong>der</strong> schweizerischen<br />
Drogenpolitik <strong>in</strong> den vergangenen<br />
40 Jahren beschreiben. Gab es <strong>in</strong> den<br />
Anfängen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Drogenpolitik<br />
nur Abst<strong>in</strong>enz o<strong>der</strong> Strafe, so ist heute die<br />
Suchtarbeit mit e<strong>in</strong>er breiten Interventionspalette<br />
ausgestattet. Menschen, denen<br />
es (noch) nicht gel<strong>in</strong>gt aus <strong>der</strong> Sucht auszusteigen,<br />
erhalten vom Psychiater o<strong>der</strong><br />
Arzt sowohl ihre Drogen verordnet als auch<br />
therapeutische Betreuung – zum Beispiel<br />
<strong>in</strong> unserem Betreuungsnetz.<br />
Was heute selbstverständlicher Alltag <strong>in</strong><br />
unseren Institutionen ist, musste <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
langwierigen Prozess erstritten und erarbeitet<br />
werden. Wir haben um den «richtigen»<br />
Weg gerungen und – das sei auch<br />
gesagt – wir r<strong>in</strong>gen noch immer. Dabei<br />
wird schon lange nicht mehr um die eigentliche<br />
Substitutionsbehandlung gestritten;<br />
im Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />
steht vielmehr die Verschreibung<br />
verschiedenster – durchaus auch süchtig<br />
machen<strong>der</strong> – <strong>Psychopharmaka</strong>. Wie hoch<br />
soll die Dosierung ausfallen? In welchem<br />
Ausmass darf man psychische Probleme<br />
mit <strong>Psychopharmaka</strong> ‚zudecken’? Wie<br />
‚nüchtern’ müssen KlientInnen se<strong>in</strong>, damit<br />
Entwicklungen überhaupt möglich s<strong>in</strong>d?<br />
Gehören Schmerzen und Trauer auch heute<br />
noch zum Leben, obwohl man alle<br />
ungeliebten Emotionen problemlos medikamentös<br />
‚abfe<strong>der</strong>n’ kann? <strong>Die</strong>s s<strong>in</strong>d nur<br />
e<strong>in</strong>ige Fragestellungen, die uns <strong>in</strong> diesem<br />
Zusammenhang beschäftigen.<br />
Da entfachen sich schon mal hitzige Diskussionen.<br />
Enttäuschungen, unerfüllte Erwartungen<br />
hüben und Stress drüben. Immer<br />
wie<strong>der</strong> f<strong>in</strong>den Grenzverletzungen statt, <strong>der</strong><br />
Sozialtherapeut befasst sich mit Dosierungsfragen,<br />
<strong>der</strong> Arzt votiert für mehr therapeutische<br />
Interventionen und dafür tiefere<br />
Medikation, <strong>der</strong> Psychiater weiss um die<br />
beruhigende Wirkung des Medikaments<br />
und kann nicht verstehen, was dagegen<br />
e<strong>in</strong>zuwenden ist, usw. usf…. und ich b<strong>in</strong><br />
überzeugt, das ist gut so! Wir brauchen<br />
diese Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung, weil wir hier<br />
nicht e<strong>in</strong>fach von klar abgegrenzten mediz<strong>in</strong>isch-psychiatrischen<br />
Fachfragen sprechen,<br />
im Gegenteil: Es geht um viel Geld,<br />
den Arbeitsalltag, um Bevormundung und<br />
neue Abhängigkeiten. Letztlich geht es<br />
um nicht mehr und nicht weniger als<br />
um unser Verständnis vom Leben, um<br />
unser Menschenbild. Wenn Wirtschafts-