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Der »Atomismusstreit« in der Zeitschrift DIE DREI 1922/23

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1 In: Anthroposophische Geme<strong>in</strong>schaftsbildung<br />

(19<strong>23</strong>;<br />

GA 257), Dornach 1989, Vortrag<br />

vom 30.1.19<strong>23</strong>, S. 41f.<br />

1 Vgl. Stephan Stockmar:<br />

Seit 90 Jahren im Geist <strong>der</strong><br />

Zeit: <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong> – e<strong>in</strong> Geschenk<br />

zu Ste<strong>in</strong>ers Geburtstag, <strong>in</strong>: <strong>DIE</strong><br />

<strong>DREI</strong> 2/2011.<br />

2 Eugen Kolisko/Mart<strong>in</strong> Rozumek:<br />

Hypothesenfreie Chemie.<br />

Dornach 2012 (vgl. die<br />

Besprechung <strong>in</strong> diesem Heft).<br />

Die <strong>Zeitschrift</strong> <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong> wurde im Februar 1921 anlässlich Rudolf<br />

Ste<strong>in</strong>ers 60. Geburtstag begründet. Schon im folgenden Jahr begann<br />

dort e<strong>in</strong>e für die anthroposophische Bewegung folgenreiche<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung, die als sogenannter »Atomismus streit« <strong>in</strong><br />

die Geschichte e<strong>in</strong>gegangen ist. Eigentlicher Auslöser <strong>der</strong> Debatte<br />

war die Biolog<strong>in</strong> und Physiker<strong>in</strong> Gabriele Rabel mit ihrem Beitrag<br />

Über die Stellung <strong>der</strong> Anthroposophie zur Atomtheorie (Februar<br />

<strong>1922</strong>), ihr hauptsächlicher Wi<strong>der</strong>part <strong>der</strong> Chemiker Hans<br />

Theberath. Bis April 19<strong>23</strong> s<strong>in</strong>d zwölf Beiträge von acht Autoren<br />

erschienen, darunter auch Wilhelm Pelikan und Eugen Kolisko,<br />

damals Schriftleiter <strong>der</strong> <strong>Zeitschrift</strong>. In e<strong>in</strong>em Mitglie<strong>der</strong>vortrag<br />

<strong>in</strong> Stuttgart vom 30. Januar 19<strong>23</strong> nimmt auch Rudolf Ste<strong>in</strong>er auf<br />

zunächst unerwartete Weise Stellung: »Ich muss … betonen,<br />

dass durch den Atomismusstreit <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DREI</strong> die naturwissenschaftliche<br />

Diskussion auf e<strong>in</strong> totes Geleise geführt worden ist.<br />

Denn es sollte dieser Streit niemals geführt werden, dass … mit<br />

denselben Gedankenformen h<strong>in</strong>über- und herübergeschlagen<br />

wird und unter Umständen mit dem Wichtigsten sogar <strong>der</strong> sogenannte<br />

Gegner noch Recht hat. Dasjenige, um was es sich heute<br />

handelt, ist, dass gerade z.B. die physikalische Wissenschaft <strong>in</strong><br />

ihren Tatsachen … die allerwichtigste Grundlage gibt für die anthroposophische<br />

Auffassung, während das Polemisieren, ohne<br />

das H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>tragen des anthroposophischen Gestimmtse<strong>in</strong>s, eben<br />

auf e<strong>in</strong> totes Geleise führt« 1 – Ste<strong>in</strong>er mischt sich also vor allem<br />

methodisch e<strong>in</strong>, <strong>in</strong>dem er auf die Problematik des polemischen<br />

Schlagabtausches und die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er neuen Art <strong>der</strong><br />

Gedankenbildung, e<strong>in</strong>es »anthroposophischen Gestimmtse<strong>in</strong>s«<br />

h<strong>in</strong>weist. Damit ist e<strong>in</strong> Leitmotiv gegeben, das bis heute für<br />

diese <strong>Zeitschrift</strong> se<strong>in</strong>e Gültigkeit hat. 2<br />

Mart<strong>in</strong> Rozumek hat den Atomismusstreit kürzlich <strong>in</strong> dem Buch<br />

Hypothesenfreie Chemie gründlich aufgearbeitet. 3 Da die Thematik<br />

nicht nur historisch mit dieser <strong>Zeitschrift</strong> verbunden ist, son<strong>der</strong>n<br />

uns auch im Rahmen <strong>der</strong> gegenwärtigen Debatten über die<br />

»Wissenschaftlichkeit« <strong>der</strong> Anthroposophie relevant ersche<strong>in</strong>t,<br />

haben wir ihn um e<strong>in</strong>e zusammenfassende Darstellung gebeten.<br />

Stephan Stockmar<br />

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Wichtige Argumente für und wi<strong>der</strong> den mo<strong>der</strong>nen Atomismus<br />

begegnen uns im anthroposophischen Umfeld bereits <strong>in</strong> dem sogenannten<br />

<strong>»Atomismusstreit«</strong>, <strong>der</strong> <strong>1922</strong>/<strong>23</strong> <strong>in</strong> dieser <strong>Zeitschrift</strong><br />

ausgetragen worden ist. Dessen Hauptprotagonisten waren<br />

Hans Theberath (1891-1971), damals Chemiker am Forschungs<strong>in</strong>stitut<br />

des Unternehmensverbandes »<strong>Der</strong> Kommende Tag AG«, 2<br />

und die Biolog<strong>in</strong> und Physiker<strong>in</strong> Gabriele Rabel (1880-1963), die<br />

von Rudolf Ste<strong>in</strong>er <strong>in</strong> den Stuttgarter Zweig <strong>der</strong> Anthroposophischen<br />

Gesellschaft e<strong>in</strong>geladen worden war, »um die Anthroposophie<br />

gründlich kennenzulernen«. 3 Beide fanden allerd<strong>in</strong>gs<br />

ke<strong>in</strong>en Weg aus dem Zwiespalt heraus. Erst Ste<strong>in</strong>ers E<strong>in</strong>greifen<br />

eröffnete hier Perspektiven. In se<strong>in</strong>er ungewöhnlich deutlichen<br />

Kritik an Art und Ausrichtung <strong>der</strong> Diskussion rückte Ste<strong>in</strong>er<br />

den Streit außerdem <strong>in</strong> unmittelbaren Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />

Krise <strong>der</strong> Anthroposophischen Gesellschaft, die mit dem Brand<br />

des Ersten Goetheanums Silvester <strong>1922</strong>/<strong>23</strong> aufgebrochen war.<br />

<strong>Der</strong> Atomismusstreit und Ste<strong>in</strong>ers Umgang mit dessen Thematik<br />

werden damit zugleich zum Lehrstück über Anthroposophie,<br />

Naturwissenschaft und Zeitgenossenschaft.<br />

1 <strong>Der</strong> Text ist e<strong>in</strong>e stark gekürzte<br />

und umgearbeitete<br />

Zusammenfassung von Teil<br />

III des Buches Hypothesenfreie<br />

Chemie. <strong>Der</strong> ›Atomismusstreit‹<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Zeitschrift</strong><br />

›die Drei‹ <strong>1922</strong>/<strong>23</strong> von Eugen<br />

Kolisko/Mart<strong>in</strong> Rozumek,<br />

Dornach 2012 (vgl. die Besprechung<br />

<strong>in</strong> diesem Heft).<br />

2 Zur Person vgl. http://biographien.kulturimpuls.org/<br />

detail.php?&id=694, besucht<br />

3.1.2011. Zum »Kommenden<br />

Tag« vgl. Christoph L<strong>in</strong>denberg:<br />

Rudolf Ste<strong>in</strong>er. Stuttgart<br />

1997, S. 696-717.<br />

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3 Zur Person vgl. die biografischen<br />

Angaben zum Nachlass<br />

im Churchill Archives<br />

Centre, Cambridge: http://janus.lib.cam.ac.uk/db/node.p<br />

?id=EAD%2FGBR%2F0014<br />

%2FRABL, besucht 2.1.2011.<br />

4 Außer Theberath und Rabel<br />

s<strong>in</strong>d dies: Hermann von<br />

Baravalle, Franz Halla, Eugen<br />

Kolisko, Ernst Lehrs, Wilhelm<br />

Pelikan und G. Ullmann.<br />

5 Hans Theberath: Vortrag<br />

Prof. Regener: Beweise <strong>der</strong> atomistischen<br />

Struktur <strong>der</strong> Materie<br />

und <strong>der</strong> Elektrizität, <strong>in</strong>:<br />

Dreiglie<strong>der</strong>ung des sozialen<br />

Organismus, Jg. 3, 1.12.1921.<br />

6 Gabriele Rabel: Fragen<br />

und E<strong>in</strong>wände. 1. Über die<br />

Stellung <strong>der</strong> Anthroposophie<br />

zur Atomtheorie 2. Über Geist<br />

und Materie, <strong>in</strong>: <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong>, Jg.<br />

1, H. 11 (Feb. <strong>1922</strong>), S. 1107-<br />

1114.<br />

Die Diskussion wurde im Februarheft <strong>1922</strong> <strong>der</strong> <strong>Zeitschrift</strong> <strong>DIE</strong><br />

<strong>DREI</strong> mit e<strong>in</strong>em Artikel Gabriele Rabels eröffnet, <strong>der</strong> unter an<strong>der</strong>em<br />

auf e<strong>in</strong>en Bericht Hans Theberaths vom Dezember 1921 <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Wochenzeitung Dreiglie<strong>der</strong>ung des sozialen Organismus reagiert.<br />

Bis April 19<strong>23</strong> beschäftigten sich elf weitere Beiträge von<br />

acht Autoren mit dem Thema. 4 Darüber h<strong>in</strong>aus ist anzunehmen,<br />

dass die Hauptkontrahenten auch mündlich im Austausch standen.<br />

Rudolf Ste<strong>in</strong>ers entscheidende Stellungnahmen erfolgten <strong>in</strong><br />

Vorträgen und Besprechungen zwischen Ende Dezember <strong>1922</strong><br />

und Ende Januar 19<strong>23</strong>. Außerdem hat sich Ste<strong>in</strong>er bereits im<br />

März <strong>1922</strong> mäßigend und klarstellend geäußert, allerd<strong>in</strong>gs ohne<br />

erkennbaren Wi<strong>der</strong>hall.<br />

Theberath hatte die Antrittsvorlesung des Physikers Erich Regener<br />

an <strong>der</strong> Technischen Hochschule Stuttgart über »Die experimentellen<br />

Beweise für die atomistische Struktur <strong>der</strong> Materie<br />

und <strong>der</strong> Elektrizität« mit den Worten kritisiert, es handle sich<br />

um »die übliche Ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>reihung mit Vore<strong>in</strong>genommenheit<br />

ausgewählter Tatsachen, die man unter Vermeidung scharfer Begriffsbildungen<br />

[…] vorzubr<strong>in</strong>gen pflegt«, e<strong>in</strong>seitig vom Standpunkt<br />

<strong>der</strong> »atomistischen Weltanschauung« aus. 5<br />

Dies war für Rabel Anlass, ihr wie<strong>der</strong>holt begegnende Positionen<br />

zu h<strong>in</strong>terfragen: Die »Atomtheorie« würde »von anthroposophischer<br />

Seite beständig als phantastische Spekulation<br />

gebrandmarkt […], während sie uns nichtanthroposophischen<br />

Physikern als e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> bestfundierten Lehren ersche<strong>in</strong>t, die es <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Naturwissenschaft überhaupt gibt«. Es sei ihr unverständlich,<br />

dass man den klaren Gedankengängen vom Experiment<br />

zum atomistischen Begriff nicht folgen wolle, zumal sogar Rudolf<br />

Ste<strong>in</strong>er sich im Unterschied zu se<strong>in</strong>er früheren Haltung ihr<br />

gegenüber von <strong>der</strong> Existenz <strong>der</strong> Atome überzeugt gezeigt habe:<br />

»Er erklärte e<strong>in</strong>mal mir gegenüber, dass er jetzt auch genau<br />

so wie wir die Existenz <strong>der</strong> Atome für experimentell bewiesen<br />

halte, dass er aber nicht alle Konsequenzen mitmachen wolle,<br />

die man aus <strong>der</strong> Atomistik zieht«. 6<br />

Wie weit Ste<strong>in</strong>ers Zustimmung tatsächlich g<strong>in</strong>g, wird sich im<br />

Folgenden noch zeigen. Die Annahme im gegenständlichen S<strong>in</strong>ne<br />

existieren<strong>der</strong> Atome hielt er jedoch nicht für berechtigt, hatte<br />

er doch die pr<strong>in</strong>zipielle Wahrnehmbarkeit des Angenommenen<br />

als Abgrenzungskriterium für berechtigte Hypothesenbildungen<br />

angegeben. Hypothesen, bei denen das Denken über das h<strong>in</strong>ausgeht,<br />

was »unmittelbar gesehen, beobachtet werden kann, […]<br />

unmittelbar Phänomen ist«, seien »durchaus gerade zum frucht-<br />

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br<strong>in</strong>genden Forschen notwendig«. Ihre Berechtigung verlören<br />

sie, wenn sie wie »die Vorstellungen über Atomistik, Molekularismus«<br />

etwas annehmen, was ȟberhaupt niemals wahrgenommen<br />

werden« kann. 7 »Die atomistische Hypothese ist e<strong>in</strong>e völlig<br />

unbegründete, wenn sie nicht bloß als e<strong>in</strong> Hilfsmittel des abstrahierenden<br />

Verstandes, son<strong>der</strong>n als e<strong>in</strong>e Aussage über wirkliche,<br />

außerhalb <strong>der</strong> Empf<strong>in</strong>dungsqualitäten liegende wirkliche Wesen<br />

gedacht werden soll.« 8 – Ste<strong>in</strong>ers Begriff von berechtigten bzw.<br />

unberechtigten Hypothesen zielt damit auf an<strong>der</strong>es als den von<br />

Rabel angeführten Grad experimenteller Bestätigung.<br />

Rabel erlebt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anthroposophischen Gesellschaft e<strong>in</strong>er<br />

antiatomistischen Haltung gegenüber, <strong>der</strong>en argumentativer<br />

Boden ihr nicht greifbar wird, ja, e<strong>in</strong>em »fanatischen Kampf<br />

<strong>der</strong> Anthroposophie gegen die Atomlehre«. 9 Nur Rudolf Ste<strong>in</strong>er,<br />

zum<strong>in</strong>dest dessen Spätwerk, nimmt sie davon aus. Tatsächlich<br />

schreibt Theberath, als bestünde e<strong>in</strong> unausgesprochener antiatomistischer<br />

Konsens. Rabel wun<strong>der</strong>t sich dagegen, dass die<br />

Atomhypothese allen wissenschaftlichen Belegen zum Trotz als<br />

unberechtigt und weltanschaulich begründet angesehen wird.<br />

Sie bittet »die Gegenseite [...] zuerst e<strong>in</strong>mal diese e<strong>in</strong>e Frage klar<br />

und scharf zu beantworten, ob sie die physikalische Atomtheorie<br />

anerkennt o<strong>der</strong> bestreitet. [...] gibt es Atome o<strong>der</strong> gibt es sie<br />

nicht?« 10 – Experimente stehen hier gegen philosophische Grundfragen,<br />

ohne die Wissenschaft an ungeklärte Voraussetzungen<br />

gebunden und damit Weltanschauung bliebe. 11 Verständigung<br />

sche<strong>in</strong>t daher kaum möglich, zumal sich die Erkenntnisziele<br />

fundamental unterscheiden. So sieht Theberath die Aufgabe von<br />

Wissenschaft dar<strong>in</strong>, »die erklärenden Pr<strong>in</strong>zipien […] <strong>in</strong> Ideen«<br />

zu suchen, nicht »<strong>in</strong> erdachten materiellen Teilchen o<strong>der</strong> Vorgängen«,<br />

aus denen die Ersche<strong>in</strong>ungen im S<strong>in</strong>ne mechanikartiger<br />

Verursachung abgeleitet werden, 12 die tatsächlich aber »vor die<br />

gesuchten Ideen den Schleier ihrer mechanischen Vorstellungen«<br />

zögen und »statt Erkenntnissen Bil<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er mo<strong>der</strong>nen Mythologie<br />

<strong>der</strong> Naturersche<strong>in</strong>ungen« lieferten. 13<br />

Wirklichkeit o<strong>der</strong> Hypothese, experimentelle Wissenschaft o<strong>der</strong><br />

Philosophie, mechanische Erklärungen o<strong>der</strong> ideelle Zusammenhänge<br />

– die Positionen liegen weit ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Zwar gibt es<br />

e<strong>in</strong>e vor<strong>der</strong>gründige Sachebene, auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Annäherung vergleichsweise<br />

leicht möglich gewesen wäre. Das Gespräch litt jedoch<br />

von Beg<strong>in</strong>n an an Missverständnissen, Pauschalisierungen<br />

und möglicherweise auch unterschiedlich guter Sachkenntnis.<br />

Dass sich diese Mängel nicht haben ausräumen lassen, mag<br />

<br />

7 Vortrag Dornach 7.10.1920,<br />

<strong>in</strong>: Rudolf Ste<strong>in</strong>er: Physiologisch-Therapeutisches<br />

auf<br />

Grundlage <strong>der</strong> Geisteswissenschaft<br />

(GA 314), Dornach<br />

1989, S. 14 f. Ähnlich auch<br />

im Vortrag Zürich 4.6.1921,<br />

<strong>in</strong>: Rudolf Ste<strong>in</strong>er: Das Verhältnis<br />

<strong>der</strong> Anthroposophie<br />

zur Naturwissenschaft (GA<br />

75), Dornach 2010, S. 134 f.<br />

8 Rudolf Ste<strong>in</strong>er: Me<strong>in</strong> Lebensgang<br />

(19<strong>23</strong>-25; GA 28),<br />

Dornach 1982, S. 201.<br />

9 Gabriele Rabel: Über die<br />

Stellung <strong>der</strong> Anthroposophie<br />

zur Atomtheorie (Fortsetzung),<br />

<strong>in</strong>: <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong>, Jg. 2, H. 5<br />

(Aug. <strong>1922</strong>), S. 401-409.<br />

10 Rabel a.a.O. (Anm. 9).<br />

11 Hans Theberath: Erwi<strong>der</strong>ung<br />

auf vorstehenden Aufsatz<br />

Ȇber die Stellung <strong>der</strong><br />

Anthroposophie zur Atomtheorie«,<br />

<strong>in</strong>: <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong>, Jg. 1, H. 11<br />

(Feb. <strong>1922</strong>), S. 1114-1119.<br />

12 Theberath a.a.O. (Anm.<br />

11).<br />

13 Hans Theberath: Zur Diskussion<br />

über die Atomtheorie,<br />

<strong>in</strong>: <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong>, Jg. 2, H. 7/8<br />

(Okt./Nov. <strong>1922</strong>), S. 628-631.<br />

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14 Vgl. Thomas S. Kuhn: Die<br />

Struktur wissenschaftlicher<br />

Revolutionen (1962/1970),<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1989.<br />

15 Anregungen, auf die paradigmatische<br />

und weltanschauliche<br />

Ebene zu blicken,<br />

wurden von Rabel und Theberath<br />

nicht aufgegriffen. So<br />

hatte Hermann von Baravalle<br />

versucht, Weltanschauungen<br />

durch den Blick auf die geistigen<br />

Entwicklungsbewegungen<br />

zu charakterisieren,<br />

aus denen sie hervorgehen,<br />

<br />

<br />

um sie zu an<strong>der</strong>en Weltanschauungen<br />

<strong>in</strong>s Verhältnis<br />

zu setzen (vgl. Hermann von<br />

Baravalle: Atomismus, <strong>in</strong>: <strong>DIE</strong><br />

<strong>DREI</strong>, Jg. 2, H. 2/3 (Mai/Juni<br />

<strong>1922</strong>), S. 172-174). Dies hätte<br />

erfor<strong>der</strong>t, sich sowohl positiver<br />

als auch negativer Beurteilungen<br />

des Atomismus<br />

zu enthalten und die Paradigmen<br />

selbst wie<strong>der</strong>um als<br />

Phänomene e<strong>in</strong>er Art übergeordneter<br />

Wissenschaftstheorie<br />

zu behandeln. Wilhelm<br />

Pelikan hatte relativierend<br />

die Zeitgebundenheit des<br />

Atomismus angeführt (vgl.<br />

Wilhelm Pelikan: Das Ost-<br />

West-Problem als Lebensfrage<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> heutigen Naturwissenschaft,<br />

<strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong>, Jg. 2, H. 2/3<br />

(Mai/Juni <strong>1922</strong>), S. 182-201).<br />

Ernst Lehrs schließlich sah <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Wert und<br />

Würde unseres Menschse<strong>in</strong>s<br />

e<strong>in</strong> Kriterium, anhand dessen<br />

Weltanschauungen betrachtet<br />

werden sollten (Ernst<br />

Lehrs: Physik und Weltanschauung,<br />

<strong>in</strong>: <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong>, Jg. 2,<br />

H. 5 (Aug. <strong>1922</strong>), S. 351-365).<br />

<br />

auch den Persönlichkeiten <strong>der</strong> Beteiligten geschuldet se<strong>in</strong>, hat<br />

jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hauptsache e<strong>in</strong>en tieferen Ursprung <strong>in</strong> ihrer Stellung<br />

zum Atomismus.<br />

Dieser spielt e<strong>in</strong>e paradigmatische Rolle im S<strong>in</strong>ne Thomas S.<br />

Kuhns. 14 Rabels verzweifelte Frage nach <strong>der</strong> Anerkennung <strong>der</strong><br />

Existenz <strong>der</strong> Atome me<strong>in</strong>t doch: Bewegen wir uns <strong>in</strong> demselben<br />

Paradigma o<strong>der</strong> nicht? Diese Klärung ist für sie grundlegend<br />

und muss daher allem an<strong>der</strong>en vorangehen. <strong>Der</strong> Atomismus<br />

gibt e<strong>in</strong>en Rahmen vor, <strong>in</strong>nerhalb dessen Fragen gestellt und<br />

beantwortet werden können. Damit erfüllt er die Hauptfunktion<br />

e<strong>in</strong>es Paradigmas – und ist zugleich Weltanschauung <strong>in</strong> dem<br />

von Theberath und an<strong>der</strong>en kritisierten S<strong>in</strong>ne. 15<br />

Warum aber blieb es den Hauptkontrahenten weitgehend unmöglich,<br />

die Gebundenheit an ihr Paradigma zum<strong>in</strong>dest vorübergehend<br />

zu verlassen? Diese Frage führt nochmals tiefer auf<br />

e<strong>in</strong>e formal erkenntnistheoretische Ebene, die hier aber <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Weise des tatsächlich gelebten In-<strong>der</strong>-Welt-Stehens zur Geltung<br />

kommt. Sie besteht im Verhältnis des Erkennenden zur Welt<br />

sowie zu se<strong>in</strong>em Wahrnehmen und Denken. Im Unterschied<br />

zum mehr <strong>in</strong>haltlich bestimmten Paradigma geht es hier um<br />

die <strong>in</strong>dividuelle Artung des seelisch-geistigen Untergrunds, auf<br />

dem die Erkenntnistätigkeit aufruht und sich entfaltet. Theberath<br />

und an<strong>der</strong>e haben verschiedentlich auf dieser Ebene argumentiert,<br />

aber ihr Bedürfnis, hier anzusetzen, nicht explizit<br />

gemacht. Rabel h<strong>in</strong>gegen ist auf erkenntnistheoretische Fragen<br />

nicht e<strong>in</strong>gegangen bzw. hat sie als nachgeordnet zurückgestellt<br />

und auf <strong>der</strong> vorrangigen Klärung <strong>der</strong> Bekenntnisfrage zur Atomtheorie<br />

bestanden.<br />

Rabel selbst steht nach eigenem Bekunden »<strong>der</strong> anthroposophischen<br />

Wissenschaft mit großer Skepsis gegenüber«: »Da b<strong>in</strong><br />

ich Gegner<strong>in</strong>. Ich b<strong>in</strong> nicht nur sogenannter Gegner, […] ich<br />

b<strong>in</strong> wirklicher Gegner.« 16 Obwohl sie große Sympathie für den<br />

<strong>in</strong> ihren Augen »religiösen Charakter« <strong>der</strong> Anthroposophie hegt,<br />

erkennt sie im verehrend aufblickenden Verhalten vieler Anthroposophen<br />

gegenüber Ste<strong>in</strong>er und allem Geistigen e<strong>in</strong>e »religiöse<br />

Ges<strong>in</strong>nung«, die ihrer eigenen »wissenschaftlichen Ges<strong>in</strong>nung«<br />

diametral entgegenstehe und mit <strong>der</strong>selben unvere<strong>in</strong>bar<br />

sei. »<strong>Der</strong> wissenschaftliche Mensch muss vollständig frei se<strong>in</strong><br />

Urteil sich bilden […] frei und unabhängig se<strong>in</strong>«. 17 – In dieser<br />

Gegenüberstellung kl<strong>in</strong>gt <strong>der</strong> zeitgenössische neopositivistische<br />

Gegensatz von Wissenschaft und Weltanschauung an. Dieser<br />

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verstellt allerd<strong>in</strong>gs den Blick auf die immer vorhandenen weltanschaulichen<br />

Untergründe von Wissenschaft, <strong>in</strong>dem er sich<br />

verme<strong>in</strong>tlich weltanschaulich neutralen »Tatsachen« zuwendet.<br />

Aus dieser Haltung kann o<strong>der</strong> will sich Rabel nicht herauslösen.<br />

Anthroposophie beg<strong>in</strong>nt jedoch gerade mit <strong>der</strong> Aufklärung <strong>der</strong><br />

Voraussetzungen des eigenen Denkens als Ausgangspunkt und<br />

erstem Schritt zu dessen Weiterentwicklung. 18<br />

H<strong>in</strong>ter diesen Befangenheiten vermutet <strong>der</strong> Physiker und Anthroposoph<br />

Franz Halla e<strong>in</strong>en unterbewussten Willen <strong>der</strong> Protagonisten,<br />

atomistisch bzw. nicht atomistisch zu denken. 19 Es<br />

geht demnach nicht nur um <strong>in</strong>tellektuelle Fragen wissenschaftlicher<br />

Richtigkeit, son<strong>der</strong>n um tieferliegende, kaum bewusste<br />

Vore<strong>in</strong>stellungen, vor allem um unterschiedliche Weisen an die<br />

Welt heranzutreten und sich mit ihr <strong>in</strong>s Verhältnis zu setzen.<br />

So richtet sich Rabels Erkenntnisbedürfnis vorrangig auf Tatsachen<br />

und <strong>der</strong>en logische Verknüpfung. Die Ersche<strong>in</strong>ungen sollen<br />

durch materielle D<strong>in</strong>ge und Vorgänge erklärt werden. Rabel<br />

orientiert sich dafür an scharf def<strong>in</strong>ierten Begriffen, wie sie sie<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Physik erlebt. Sie sucht nach klaren Konturen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Welt unabhängig von uns bestehen<strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge bzw. Entitäten.<br />

Theberath möchte mit Goethe und Ste<strong>in</strong>er »die Ideen […] suchen,<br />

welche die Ersche<strong>in</strong>ungen durchsichtig machen«. 20 Damit<br />

fragt er nicht nach verme<strong>in</strong>tlich unabhängig vom Erkennenden<br />

bestehenden materiellen Erklärungsgrößen, son<strong>der</strong>n<br />

nach geistigen Zusammenhängen, die nur im Bewusstse<strong>in</strong> des<br />

Erkennenden durch dessen Tätigkeit zur Ersche<strong>in</strong>ung kommen<br />

können. Er möchte <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Phänomene <strong>in</strong>nehalten, »Beziehungen<br />

und Verhältnisse« im Wahrnehmbaren 21 verfolgen<br />

und ergründen, welchem Gesetz die Ersche<strong>in</strong>ungen gehorchen,<br />

nicht aber sie aus an<strong>der</strong>em ableiten. Es geht um e<strong>in</strong> ›Lesen‹ o<strong>der</strong><br />

›Hören‹ im Erkennen. Indem sich das erkennende Subjekt dem<br />

Sichaussprechen <strong>der</strong> Phänomene zur Verfügung stellt, entsteht<br />

›Wirklichkeit‹ durch die Erkenntnistätigkeit, aber nicht ›draußen‹,<br />

im gegenständlichen S<strong>in</strong>ne, son<strong>der</strong>n zwischen Subjekt<br />

und Objekt. An die Stelle objektivistischer Beziehungslosigkeit<br />

tritt damit e<strong>in</strong> <strong>der</strong> Tätigkeit und dem jeweiligen Blickw<strong>in</strong>kel<br />

nach an das Subjekt gebundener, <strong>in</strong>haltlich jedoch, da die Welt<br />

sich aussprechen darf, unbestimmter Weltbezug. 22 – E<strong>in</strong> größerer<br />

Gegensatz zu Rabel ist kaum vorstellbar.<br />

<strong>Der</strong> von Rabel abgewiesenen »Realitätsfrage« nach <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />

<strong>der</strong> Atome kommt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang entscheidende<br />

Bedeutung zu, denn sie vermag uns für die Beziehungs-<br />

<br />

16 Nach: Carl Unger/Walter<br />

Johannes Ste<strong>in</strong>: Bericht über<br />

die Delegiertenversammlung<br />

<strong>der</strong> Anthroposophischen Gesellschaft<br />

<strong>in</strong> Deutschland vom<br />

25. bis 28. Februar 19<strong>23</strong> <strong>in</strong><br />

Stuttgart, <strong>in</strong>: Rudolf Ste<strong>in</strong>er:<br />

Das Schicksalsjahr 19<strong>23</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Anthroposophischen<br />

Gesellschaft (GA<br />

259), Dornach 1991, S. 361-<br />

462, hier S. 439).<br />

17 Nach: ebd., S. 441.<br />

18 Vgl. Rudolf Ste<strong>in</strong>er:<br />

Die Philosophie <strong>der</strong> Freiheit<br />

(1894/1918; GA 4), Dornach<br />

1995.<br />

19 Franz Halla: Über die Stellung<br />

<strong>der</strong> Anthroposophie zur<br />

Atomtheorie, <strong>in</strong>: <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong>, Jg.<br />

2, H. 7/8 (Okt./Nov. <strong>1922</strong>),<br />

S. 631-635.<br />

20 Theberath a.a.O. (Anm.<br />

13).<br />

21 Halla a.a.O. (Anm. 19).<br />

22 Vgl. Ste<strong>in</strong>er a.a.O. (Anm.<br />

18), bes. Kap. III-V.<br />

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<strong>23</strong> Gabriele Rabel: Über die<br />

Stellung <strong>der</strong> Anthroposophie<br />

zur Atomtheorie, <strong>in</strong>: <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong><br />

Jg. 3, H. 1 (Apr. 19<strong>23</strong>), S. 61-<br />

69.<br />

24 Theberath a.a.O. (Anm.<br />

11).<br />

25 Rabel a.a.O. (Anm. 9).<br />

26 Die Schriftleitung: Was<br />

gewollt ist, <strong>in</strong>: <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong>, Jg.<br />

1, Eröffnungsheft Februar<br />

1921, vgl. auch Götz Deimann<br />

(Hg.): Die anthroposophischen<br />

<strong>Zeitschrift</strong>en von<br />

1903 bis 1985. Bibliographie<br />

und Lebensbil<strong>der</strong>, Stuttgart<br />

1987, S. 75-84 sowie Stephan<br />

Stockmar: Seit 90 Jahren im<br />

Geist <strong>der</strong> Zeit: <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong> – e<strong>in</strong><br />

Geschenk zu Ste<strong>in</strong>ers Geburtstag,<br />

<strong>in</strong>: <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong> , 2/2011, S.<br />

45-58.<br />

<br />

<br />

<br />

haftigkeit unseres Weltverhältnisses aufzuwecken. Die Atomhypothese<br />

entspr<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>em objektivistischen Denken und dehnt<br />

es auf Gebiete aus, die jenseits des s<strong>in</strong>nlich Wahrnehmbaren<br />

liegen. Von anthroposophischer Seite wurde sie daher als »unberechtigte«<br />

Hypothese bekämpft. Sie bereichert den Bestand<br />

<strong>der</strong> Gegenstandswelt um zusätzliche, jedoch nur verme<strong>in</strong>tlich<br />

gegenständliche Objekte, die selbst nicht s<strong>in</strong>nlich <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung<br />

treten können. Dies kann umso mehr erzürnen, wenn<br />

sich ke<strong>in</strong>e Rechenschaft über den ontologischen Status dieser<br />

Objekte, also über die Realitätsfrage gegeben und naiverweise<br />

<strong>der</strong>en Realität im gegenständlichen S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>fach angenommen<br />

o<strong>der</strong> sogar vorausgesetzt wird. – Lässt man sich dagegen auf die<br />

Realitätsfrage e<strong>in</strong>, erschüttert sie notwendigerweise den naiven<br />

Glauben an e<strong>in</strong>e ›objektiv‹ bestehende, gegenständliche Welt<br />

und wirft den Erkennenden auf sich selbst zurück: Ich werde<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, me<strong>in</strong>e eigene Erkenntnistätigkeit und damit me<strong>in</strong>en<br />

Anteil an <strong>der</strong> ›Realität‹ <strong>in</strong>s Auge zu fassen.<br />

Diesen Schritt von e<strong>in</strong>em gegenstands- zu e<strong>in</strong>em beziehungsgetragenen<br />

Weltbezug sche<strong>in</strong>t Rabel nicht gegangen zu se<strong>in</strong>.<br />

Trotz manch naiv-realistischer Formulierung ist sie jedoch ke<strong>in</strong>e<br />

Materialist<strong>in</strong> im klassischen S<strong>in</strong>ne. Als sie Theoretische Physik<br />

u.a. bei Max Planck und Albert E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> studierte,<br />

hat sie den durch die Entdeckung <strong>der</strong> Röntgenstrahlen e<strong>in</strong>geleiteten<br />

Umsturz <strong>der</strong> klassischen Physik und die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Quantenphysik aus nächster Nähe erleben können. So bemerkt<br />

sie, die »gesamte Naturwissenschaft« sei »gegenwärtig<br />

phänomenalistisch gestimmt« und komme ohne metaphysische<br />

(ontologische) Aussagen aus. <strong>23</strong> Als Theberath kritisiert, die Wissenschaft<br />

würde sich nicht trauen, »das Wesen <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong><br />

etwas Geistigem zu suchen«, 24 hält Rabel ihm die Auffassung<br />

des deutschen Physikers, Philosophen und Mitglieds des Wiener<br />

Kreises Moritz Schlick (1882-1936) entgegen, e<strong>in</strong> Atom, e<strong>in</strong><br />

Elektron sei ke<strong>in</strong> »substanzielles D<strong>in</strong>g«, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> »Verband<br />

von Qualitäten, die durch bestimmte Gesetze mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verknüpft<br />

s<strong>in</strong>d«. Materie, dar<strong>in</strong> seien sich die Naturphilosophen<br />

e<strong>in</strong>ig, ist »bestimmt nichts Materielles«. 25<br />

Die 1921 begründete <strong>Zeitschrift</strong> <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong> sollte »an <strong>der</strong> Erneuerung<br />

von Wissenschaft, Kunst und sozialem Leben mitarbeiten«,<br />

so das Eröffnungsheft (Februar 1921). 26 Rudolf Ste<strong>in</strong>er hatte ihr<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Geleitwort zum ersten regulären Heft (April 1921) aufgegeben,<br />

»dem wahren Wirklichkeitss<strong>in</strong>n [zu] dienen im vollbe-<br />

<br />

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