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Der »Atomismusstreit« in der Zeitschrift DIE DREI 1922/23

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verstellt allerd<strong>in</strong>gs den Blick auf die immer vorhandenen weltanschaulichen<br />

Untergründe von Wissenschaft, <strong>in</strong>dem er sich<br />

verme<strong>in</strong>tlich weltanschaulich neutralen »Tatsachen« zuwendet.<br />

Aus dieser Haltung kann o<strong>der</strong> will sich Rabel nicht herauslösen.<br />

Anthroposophie beg<strong>in</strong>nt jedoch gerade mit <strong>der</strong> Aufklärung <strong>der</strong><br />

Voraussetzungen des eigenen Denkens als Ausgangspunkt und<br />

erstem Schritt zu dessen Weiterentwicklung. 18<br />

H<strong>in</strong>ter diesen Befangenheiten vermutet <strong>der</strong> Physiker und Anthroposoph<br />

Franz Halla e<strong>in</strong>en unterbewussten Willen <strong>der</strong> Protagonisten,<br />

atomistisch bzw. nicht atomistisch zu denken. 19 Es<br />

geht demnach nicht nur um <strong>in</strong>tellektuelle Fragen wissenschaftlicher<br />

Richtigkeit, son<strong>der</strong>n um tieferliegende, kaum bewusste<br />

Vore<strong>in</strong>stellungen, vor allem um unterschiedliche Weisen an die<br />

Welt heranzutreten und sich mit ihr <strong>in</strong>s Verhältnis zu setzen.<br />

So richtet sich Rabels Erkenntnisbedürfnis vorrangig auf Tatsachen<br />

und <strong>der</strong>en logische Verknüpfung. Die Ersche<strong>in</strong>ungen sollen<br />

durch materielle D<strong>in</strong>ge und Vorgänge erklärt werden. Rabel<br />

orientiert sich dafür an scharf def<strong>in</strong>ierten Begriffen, wie sie sie<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Physik erlebt. Sie sucht nach klaren Konturen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Welt unabhängig von uns bestehen<strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge bzw. Entitäten.<br />

Theberath möchte mit Goethe und Ste<strong>in</strong>er »die Ideen […] suchen,<br />

welche die Ersche<strong>in</strong>ungen durchsichtig machen«. 20 Damit<br />

fragt er nicht nach verme<strong>in</strong>tlich unabhängig vom Erkennenden<br />

bestehenden materiellen Erklärungsgrößen, son<strong>der</strong>n<br />

nach geistigen Zusammenhängen, die nur im Bewusstse<strong>in</strong> des<br />

Erkennenden durch dessen Tätigkeit zur Ersche<strong>in</strong>ung kommen<br />

können. Er möchte <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Phänomene <strong>in</strong>nehalten, »Beziehungen<br />

und Verhältnisse« im Wahrnehmbaren 21 verfolgen<br />

und ergründen, welchem Gesetz die Ersche<strong>in</strong>ungen gehorchen,<br />

nicht aber sie aus an<strong>der</strong>em ableiten. Es geht um e<strong>in</strong> ›Lesen‹ o<strong>der</strong><br />

›Hören‹ im Erkennen. Indem sich das erkennende Subjekt dem<br />

Sichaussprechen <strong>der</strong> Phänomene zur Verfügung stellt, entsteht<br />

›Wirklichkeit‹ durch die Erkenntnistätigkeit, aber nicht ›draußen‹,<br />

im gegenständlichen S<strong>in</strong>ne, son<strong>der</strong>n zwischen Subjekt<br />

und Objekt. An die Stelle objektivistischer Beziehungslosigkeit<br />

tritt damit e<strong>in</strong> <strong>der</strong> Tätigkeit und dem jeweiligen Blickw<strong>in</strong>kel<br />

nach an das Subjekt gebundener, <strong>in</strong>haltlich jedoch, da die Welt<br />

sich aussprechen darf, unbestimmter Weltbezug. 22 – E<strong>in</strong> größerer<br />

Gegensatz zu Rabel ist kaum vorstellbar.<br />

<strong>Der</strong> von Rabel abgewiesenen »Realitätsfrage« nach <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />

<strong>der</strong> Atome kommt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang entscheidende<br />

Bedeutung zu, denn sie vermag uns für die Beziehungs-<br />

<br />

16 Nach: Carl Unger/Walter<br />

Johannes Ste<strong>in</strong>: Bericht über<br />

die Delegiertenversammlung<br />

<strong>der</strong> Anthroposophischen Gesellschaft<br />

<strong>in</strong> Deutschland vom<br />

25. bis 28. Februar 19<strong>23</strong> <strong>in</strong><br />

Stuttgart, <strong>in</strong>: Rudolf Ste<strong>in</strong>er:<br />

Das Schicksalsjahr 19<strong>23</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Anthroposophischen<br />

Gesellschaft (GA<br />

259), Dornach 1991, S. 361-<br />

462, hier S. 439).<br />

17 Nach: ebd., S. 441.<br />

18 Vgl. Rudolf Ste<strong>in</strong>er:<br />

Die Philosophie <strong>der</strong> Freiheit<br />

(1894/1918; GA 4), Dornach<br />

1995.<br />

19 Franz Halla: Über die Stellung<br />

<strong>der</strong> Anthroposophie zur<br />

Atomtheorie, <strong>in</strong>: <strong>DIE</strong> <strong>DREI</strong>, Jg.<br />

2, H. 7/8 (Okt./Nov. <strong>1922</strong>),<br />

S. 631-635.<br />

20 Theberath a.a.O. (Anm.<br />

13).<br />

21 Halla a.a.O. (Anm. 19).<br />

22 Vgl. Ste<strong>in</strong>er a.a.O. (Anm.<br />

18), bes. Kap. III-V.<br />

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