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Thema<br />

Menschen<br />

machen Fehler<br />

Ethik im Zeitungsjournalismus<br />

<br />

„Aber das stand doch in der Zeitung!“<br />

Dieser Satz hat etwas Endgültiges, er<br />

eröffnet nicht etwa, sondern er beendet<br />

eine Diskussion. Denn: Was in der<br />

Zeitung stand, hat einen hohen Grad<br />

an Glaubwürdigkeit. Diese These ist<br />

nicht aus der Luft gegriffen. Umfragen<br />

sagen, dass trotz aller Lesemüdigkeit,<br />

trotz Auflagenverlusten und Falschmeldungen<br />

die Tageszeitung beim Nutzer<br />

das höchste Vertrauen genießt, mit<br />

deutlichem Abstand dahinter folgen<br />

Fernsehen, Radio und Internet.<br />

Warum ist das so? Eine Antwort darauf<br />

mag sein, dass ein gedrucktes Wort<br />

mehr ist als eine bloße Information.<br />

Seit Johannes Gutenbergs großer Erfindung<br />

der beweglichen Druckbuchstaben<br />

können Texte in großer Zahl vervielfältigt<br />

werden. Der erste auf diese<br />

Weise vertriebene Text dieser Art war<br />

die Bibel. Logos, griechisch das Wort,<br />

das war am Anfang. „Das kannst du<br />

schriftlich haben.“ Wem man solches<br />

Freundlicherweise übernahm auf<br />

unsere Anfrage hin Herr Schröder<br />

das „Thema“.<br />

Stefan Schröder ist 49 Jahre alt,<br />

verheiratet, Vater dreier Kinder<br />

und arbeitet seit 1999 als stellvertretender<br />

Chefredakteur für die<br />

<strong>Mainz</strong>er Allgemeine Zeitung. Die<br />

Schröders sind ebenso lange Mitglied<br />

der evangelischen Gemeinde<br />

in Hechtsheim.<br />

sagt, der darf sich auf Ernstes gefasst<br />

machen, das Folgen hat.<br />

Was hat das mit der Zeitung zu tun?<br />

Wer etwas liest, muss sich konzentrieren.<br />

Da sind die Augen, meist die Hände,<br />

vor allem aber die kleinen grauen<br />

Zellen gleichermaßen in Aktion. Eifersüchtig<br />

beansprucht die Zeitung den<br />

ganzen Geist, duldet kein Gespräch,<br />

kein Computerspiel, kein Autofahren<br />

zur selben Zeit, während Radio<br />

und Fernsehen zum Beispiel durchaus<br />

nebenher „konsumiert“, also regelrecht<br />

verbraucht werden können. Ein<br />

weiterer Unterschied: Das Schwarzauf-weiß,<br />

das heute immer häufiger<br />

vielfarbig bebildert ist, kann in dieser<br />

Form aufbewahrt, jederzeit wieder<br />

hervorgeholt und aufs neue von vorne<br />

nach hinten, von hinten nach vorne<br />

studiert werden. Anders herum: Was<br />

drin steht, muss Bestand haben. Und<br />

der Satz „nichts ist älter als die Zeitung<br />

von gestern“ heißt nicht, dass deren<br />

Inhalt sich immer überholt hätte. Im<br />

Gegenteil: Vieles kehrt wieder.<br />

Daraus folgt die hohe Verantwortung,<br />

der ein Zeitungsmacher, vor allem<br />

ein Journalist unterliegt. Die Glaubwürdigkeit<br />

zu verlieren, nicht mehr<br />

das Vertrauen der Leser zu haben, ist<br />

so ziemlich das Schlimmste, was dem<br />

Journalisten passieren kann. Daher<br />

durchlaufen Mitarbeiter einer Redaktion<br />

eine lange Ausbildung, bis sie einen<br />

Anstellungsvertrag als Redakteur<br />

erhalten. Ein Hochschulstudium, langjährige<br />

freie Mitarbeit und ein zweijähriges<br />

Volontariat sind Standards. Nebenbei<br />

bemerkt: Nach solchermaßen<br />

ausgebildeten Mitarbeitern lecken sich<br />

auch die Chefs anderer Medien wie<br />

Fernsehen und Radio die Finger.<br />

Und dennoch: In der Zeitung steht<br />

Falsches, wird behauptet – nicht bewiesen,<br />

stecken Fehler, werden Personen<br />

verleumdet. Wie kommt das? Die Antwort:<br />

Die Zeitung ist von Menschen<br />

gemacht, und Menschen machen<br />

Fehler. Übrigens: Nach Zählungen in<br />

unserer Redaktion keineswegs mehr<br />

(Schreib- oder Grammatik-)Fehler als<br />

früher. Die Zeitung bleibt bei aller Beständigkeit<br />

auch ein aktuelles Medium.<br />

Sie entsteht alle 24 Stunden neu, wird<br />

unter zeitlichem Hochdruck hergestellt.<br />

Wer einmal in Mombach dabei<br />

war, wie sich dort die Rotationszylinder<br />

vielhundertfach in der Minute drehen,<br />

kann das nachvollziehen. Und jeder ist<br />

hiermit herzlich zur Besichtigung der<br />

Zeitung eingeladen!<br />

Eine Zeitungsmannschaft tut gut daran,<br />

sich zu ihren Mängeln zu bekennen.<br />

Wer einen Inhaltsfehler macht,<br />

korrigiert ihn und entschuldigt sich.<br />

Dann hat nach unserer Erfahrung ein<br />

Großteil der Leser auch Verständnis.<br />

Eine Lokalzeitung wie die AZ und ihre<br />

Leser bilden schließlich eine Einheit, wir<br />

leben zusammen. Wir sitzen nicht in<br />

Berlin oder Frankfurt, sondern nur auf<br />

dem Lerchenberg; und viele von uns<br />

wohnen in Bretzenheim, Hechtsheim<br />

oder Gonsenheim. Die Leser schreiben<br />

an uns und mit uns. Die Journalisten informieren<br />

nicht nur, sie sind Ratgeber,<br />

Dienstleister, manchmal sogar Helfer<br />

und umgekehrt. Ich kann hier nicht für<br />

alle meiner Zunft sprechen. Die Moral<br />

einer Bild-Zeitung erschließt sich mir<br />

nicht. Wer heute Menschen an den<br />

Pranger mit den roten Balken stellt, sie<br />

nach allen Regeln der Kunst fertig macht<br />

und morgen dem Papst eine Bibel<br />

schenkt, folgt eigenen Regeln. Letztlich<br />

aber ist der Journalist ein Überbringer<br />

von Nachrichten, er hat die Nachrichten<br />

nicht verursacht. Er schreibt über<br />

den Krieg oder die Klimakatastrophe,<br />

aber er hat beides nicht angezettelt –<br />

und er ist mindestens genau so betroffen<br />

wie seine Leser. Darüber kann auch<br />

ein leichter Zynismus, also eine gewisse<br />

Überheblichkeit im Umgang mit den<br />

Nachrichten nicht hinwegtäuschen. Da<br />

geht es uns wie dem Chirurgen, der<br />

nur operieren kann, wenn er innerlich<br />

ein wenig Abstand wahrt, damit ihm<br />

nicht aus Mitleid mit dem Patienten die<br />

Hände zittern.<br />

Stefan Schröder

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