Stenographischer Bericht 87. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Rainer Brüderle<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode – <strong>87.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2000 7987<br />
Sie verhindern vor allem das Entstehen neuer, wettbewerbsfähiger<br />
Arbeitsplätze.<br />
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen<br />
Lage hat zu Recht drei Reformblöcke<br />
aufgezeigt, die vor allem die Wirtschaftspolitik<br />
dringend in Angriff nehmen muss: die Reform des Arbeitsmarktes,<br />
die Steuerreform und die Reform der Sozialversicherung,<br />
hier insbesondere der Reform der Alterssicherung.<br />
(Beifall bei der F.D.P.)<br />
Zum Arbeitsmarkt. Im Jahreswirtschaftsbericht<br />
stellt die Bundesregierung zu Recht fest, dass die Erstarrungen<br />
auf den Güter- und Faktormärkten den Abbau<br />
der Arbeitslosigkeit verhindern. Das ist interessant.<br />
Noch interessanter wird es, wenn im gleichen <strong>Bericht</strong><br />
Dänemark und die Niederlande lobend erwähnt werden.<br />
Diese konnten ihre Erfolge am Arbeitsmarkt durch moderate,<br />
beschäftigungsorientierte Lohnabschlüsse und<br />
flexible Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitregelungen erzielen.<br />
(Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Sehr richtig!)<br />
Diese Einsicht ist erstaunlich. Die Worte des Jahreswirtschaftsberichtes<br />
stehen aber, wie bei dieser Bundesregierung<br />
üblich, wieder einmal in krassem Widerspruch<br />
zu ihren Taten. Grün-Rot sorgt mit seiner Politik dafür,<br />
dass sich die Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt<br />
weiter verschlechtern. Die Bundesregierung setzt auf<br />
Arbeitsumverteilung statt auf neue Jobs, sie redet, Arm<br />
in Arm mit den Gewerkschaften, dem Überstundenabbau,<br />
der Frühverrentung und der Arbeitszeitverkürzung<br />
das Wort. Sie erstickt mit ihrer Politik das zarte Flexibilisierungspflänzchen<br />
und zieht das Korsett des Arbeitsmarktes<br />
enger, als es ohnehin schon ist.<br />
Des Kanzlers Funktionärsstammtisch, das Bündnis<br />
für Arbeit, hat bis heute nichts bewegt, aber vieles verhindert.<br />
Der so genannte Durchbruch bei dieser Gesprächsrunde<br />
hat beschäftigungsfeindlichen Lohnforderungen<br />
und der volkswirtschaftlich unsinnigen Rente mit<br />
60 den Weg geebnet. Welche Gefahren von diesem<br />
Frühverrentungsmodell für den Arbeitsmarkt ausgehen,<br />
sollten Sie einmal genau im Sachverständigengutachten<br />
nachlesen. Die fünf Wirtschaftsweisen haben das Milliarden<br />
teure IG Metall-Modell als Irrweg bezeichnet.<br />
(Fritz Schösser [SPD]: Wer zahlt denn das? –<br />
Weiterer Zuruf von der SPD: Quatsch!)<br />
– Sie mit Sicherheit nicht.<br />
Das Bündnis für Arbeit ist längst ein Bündnis gegen<br />
Reformen geworden. Es ist ein letzter verzweifelter Versuch,<br />
das Tarifkartell zu retten. Die Interessen derjenigen,<br />
die arbeitslos sind oder Angst um ihren Arbeitsplatz<br />
haben, werden durch den Schulterschluss von Verbandsfunktionären<br />
und Bundesregierung nicht beachtet. Dabei<br />
ächzt der Arbeitsmarkt immer mehr unter der Selbstblockade<br />
eines erstarrten Tarifkartells. Das Holzmann-<br />
Debakel belegt eindrucksvoll die Schwäche und Unbeweglichkeit<br />
des Tarifvertragsystems. Der Flächentarif-<br />
vertrag, der alles bis in kleinste Detail regelt, verhindert<br />
neue Arbeitsplätze.<br />
(Beifall bei der F.D.P.)<br />
Er wird zudem von der Wirklichkeit längst ausgehöhlt.<br />
Die Mitglieder laufen den Tarifparteien scharenweise<br />
davon. Die Tarifverträge werden besonders in den<br />
neuen Bundesländern unterlaufen. 60 Prozent der Arbeitsplätze<br />
dort befinden sich außerhalb des Tarifvertragsrechts.<br />
(Uwe Hiksch [PDS]: Sauerei!)<br />
In Ostdeutschland haben bereits 75 Prozent der Unternehmen<br />
den Arbeitgeberverbänden den Rücken gekehrt.<br />
Gerade hier werden Tarifverträge in Übereinstimmung<br />
von Unternehmen und Mitarbeitern immer wieder bewusst<br />
verletzt. Die Wirklichkeit in den neuen Ländern<br />
ist weiter als das Gesetz.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. – Fritz<br />
Schösser [SPD]: Ein echter Fortschritt!)<br />
Dieses Beispiel belegt einmal mehr, dass gerade aus<br />
Ostdeutschland wichtige Anstöße für Reformen kommen.<br />
Beispiele hierfür sind der Ladenschluss und das<br />
Abitur nach dem 12. Schuljahr, was de facto eine Verlängerung<br />
der Lebensarbeitszeit bedeutet. Die ostdeutschen<br />
Bürgerinnen und Bürger haben sich selbst zur<br />
Chefsache Ost erklärt. Dazu brauchen sie keinen Kanzler,<br />
der nur warme Worte, aber keine Taten für sie übrig<br />
hat.<br />
(Beifall bei der F.D.P. – Lachen des Abg.<br />
Detlev von Larcher [SPD])<br />
Meine Damen und Herren, eine Reform des Tarifvertragsrechts<br />
ist überfällig. Die F.D.P. fordert deshalb die<br />
Einführung von gesetzlichen Öffnungsklauseln, die<br />
freiwillige Betriebsvereinbarungen zwischen Unternehmen<br />
und Belegschaft ermöglichen. Wir wollen zudem<br />
das gesetzliche Günstigkeitsprinzip erweitern. Lohnund<br />
Arbeitszeitzugeständnisse müssen möglich sein,<br />
wenn dadurch Arbeitsplätze gesichert werden.<br />
(Beifall bei der F.D.P.)<br />
Wir wollen außerdem der Tendenz zu Verbandsklagen<br />
im Arbeitsrecht gesetzlich entgegenwirken. Es kann<br />
nicht sein, dass – wie im Falle Viessmann – dann, wenn<br />
98 Prozent der Belegschaft, um ihre Arbeitsplätze, ihr<br />
Werk in Hessen zu halten, länger arbeiten wollen, dies<br />
durch eine Klage der IG Metall verhindert wird.<br />
(Beifall bei der F.D.P.)<br />
Wir wollen die Rechte des einzelnen Mitarbeiters stärken<br />
und die Fremdbestimmung durch Verbände zurückdrängen.<br />
(Beifall bei der F.D.P.)<br />
Wir brauchen ordnungspolitisch klare Rahmenbedingungen,<br />
die den einzelnen Unternehmen und Beschäftigten<br />
mehr Spielräume für arbeitsplatzsichernde und arbeitsplatzschaffende<br />
Vereinbarungen lassen. Statt einer<br />
Strategie, die alleine auf die Umverteilung von Arbeit<br />
setzt, brauchen wir einen Befreiungsschlag –<br />
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