TIMON ALTWEGG
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neigte immer dazu, seine Kompositionen zu überstrahlen, zu denen nicht weniger als sieben Sinfonien (die siebte<br />
ist ein Chorwerk) und zehn Konzerte gehören, darunter je eines für Violine, Cello und Flöte, drei für Klavier,<br />
eines für zwei Klaviere und eines für drei Klaviere. Das letztere Werk nahm er gemeinsam mit Gaby und Jean für<br />
Columbia auf. Zu den Familienaufnahmen gehören auch einige Werke für zwei Klaviere von Milhaud, mit dem<br />
Casadesus ein Leben lang befreundet war.<br />
Casadesus’ Capriccio ist im Grunde ein viersätziges Konzert mit Streichorchester. Wie nicht anders zu<br />
erwarten, ist die Klavierstimme von ausgesprochener Brillanz und Eindruckskraft. Vom Aufbau her ist das Werk<br />
wunderbar ausbalanciert und – wie sämtliche auf dieser CD enthaltene Musik – eindeutig dazu gedacht, den<br />
Zuhörer zu erfreuen.<br />
Jean Rivier wurde im gleichen Jahr wie Wiener (1896) geboren, nur vier Jahre nach Milhaud. Während<br />
des Zweiten Weltkrieges konnten Milhaud und seine Familie aus dem Vichy-Frankreich in die Vereinigten<br />
Staaten fliehen. Nach Kriegsende kehrten sie jedoch nach Paris zurück. Von 1948 an war Milhaud Professor<br />
für Komposition am Pariser Konservatorium. Diese Stellung teilte er sich mit Rivier (jeder lehrte für jeweils<br />
zwei Jahre im Wechsel), bis er 1962 das Konservatorium verließ. Rivier blieb Professor, bis auch er 1966 in<br />
den Ruhestand ging. Riviers Musik gehört mehr als die von Milhaud der neo-klassischen Schule an und zeigt<br />
Einflüsse von Strawinski und Prokofjew. Das ist in Riviers faszinierenden Concerto Breve deutlich zu hören,<br />
seinem zweitem Konzert für Klavier und eines der insgesamt elf Konzerte dieses produktiven Komponisten für<br />
verschiedene Instrumente. Rivier schrieb insgesamt 220 Werke (im Vergleich zu Milhauds 443), darunter acht<br />
Sinfonien. Er war Präsident der Organisation für zeitgenössische Musik „Triton“, auch wenn seine eigene Musik<br />
kaum als Avantgarde bezeichnet werden kann. Obwohl er im August 1918 schwere Verletzungen durch Senfgas<br />
erlitt, konnte er noch seinen 91. Geburtstag feiern – vier Monate vor seinem Tod im Jahr 1987.<br />
Der jüngste unserer Komponisten ist Jacques Castérède (geboren 1926 in Paris). Er ging 1944, zur Zeit der<br />
Libération, an das Pariser Konservatorium, wo er große Aufmerksamkeit erregte. 1953 gewann er den Grand Prix<br />
du Rome und blieb natürlich in der italienischen Hauptstadt in der legendären Villa Medici (was eine an den Preis<br />
geknüpfte Bedingung war). 1954, als seine Zeit in Rom begann, komponierte Castérède auch sein Erstes Konzert<br />
für Klavier und Streichorchester.<br />
Castérèdes Konzert ist – ebenso wie das Capriccio von Casadesus – in vier Sätzen gehalten. Der erste,<br />
Pastorale, ist ein Rückblick auf den Neo-Klassizismus, besitzt aber auch jenen ausgesprochen gallischen Zug<br />
einer relativ einfachen melodischen Form. Darin gleicht er durchaus Milhauds ganz ähnlich benanntem Werk<br />
La Fantaisie pastorale für Klavier und Orchester von 1938. Es hat den Anschein, als könnte Castérèdes ländliche<br />
Atmosphäre in dieser Musik durch nichts gestört werden; damit steht das Werk ganz eindeutig in der lyrischen<br />
Tradition von Faurés melodischem Wohlklang.<br />
Der einem Scherzo ähnelnde zweite Satz ist quasi ein moto perpetuo, das die gleiche Funktion hat wie jenes in<br />
Prokofjews zweitem Klavierkonzert. Es ist von nicht weniger hektischer Kraft, wenn auch nicht ganz so stürmisch<br />
und von etwas geringerer Intensität.<br />
Der dritte Satz trägt das emotionale Herz des Werkes. Hier übernimmt das Orchester eine wichtigere Rolle<br />
im Hinblick auf den Ausdruck. Die erhöhte Intensität der Musik, die sich hier fast schon loslöst von den neoklassischen<br />
Prinzipien, ist für das Werk ausgesprochen bemerkenswert. Im munteren Rondo-Finale kehrt der<br />
Neo-Klassizismus zurück und bekräftigt damit noch einmal formal – nach der Intensität des langsamen Satzes<br />
– den Rahmen und Umfang der Komposition, die so ihrem kultivierten und entzückenden Abschluss entgegen<br />
strebt.<br />
© Robert Matthew-Walker, 2013<br />
Übersetzung: Peter Kathe<br />
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