Neues kann nur entstehen, wenn Altes - Handelsverband
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MAGAZIN FÜR HANDEL & E-COMMERCE EINE PUBLIKATION DES HANDELSVERBANDES<br />
retail<br />
02.2008<br />
„P.b.b.“, 1010 Wien. Vertragsnummer: 07Z037641M<br />
INNOVATIONEN & AKTUELLE TRENDS IM HANDEL<br />
Kreative<br />
Zerstörung<br />
<strong>Neues</strong> <strong>kann</strong> <strong>nur</strong> <strong>entstehen</strong>,<br />
<strong>wenn</strong> <strong>Altes</strong> zerstört wird.<br />
Handelstechnologie<br />
GS1 Austria und Handel<br />
gründen Arbeitskreis<br />
für neuen Strichcode.<br />
Wissenschaft<br />
Wirtschaftsnobelpreis<br />
ging an amerikanische<br />
„Spieltheoretiker“.<br />
Marktbeobachtung<br />
Das Kopf-an-Kopf-<br />
Rennen von Lidl und<br />
Aldi spitzt sich zu.<br />
Warenwirtschaft<br />
Hersteller- und Handelsmarken<br />
– ein „Kampf“<br />
ohne Ende?
EDITORIAL<br />
Inhalt<br />
COVERSTORY<br />
Kreative Zerstörung<br />
<strong>Neues</strong> <strong>kann</strong> <strong>nur</strong> <strong>entstehen</strong>, <strong>wenn</strong><br />
<strong>Altes</strong> zerstört wird.<br />
Editorial<br />
Homo ludens<br />
oder:<br />
das Kind im Mann<br />
FACILITY MANAGEMENT<br />
Eine Frage der Einteilung . . 13<br />
HANDELSTECHNOLOGIE<br />
Revolution in der<br />
Strichcode-Technologie... 14<br />
WISSENSCHAFT<br />
Gut gespielt!........................... 16<br />
MARKETING<br />
Blödmänner sind geil! ...... 18<br />
MARKTBEOBACHTUNG<br />
Aldi & Lidl: The Race ...... 20<br />
KLIMASCHUTZ<br />
Konzern rettet Eisbären.. 22<br />
TOURISMUS<br />
Welt der Kristalle............... 24<br />
WARENWIRTSCHAFT<br />
Freund oder Feind? ........ 26<br />
UMWELTSCHUTZ<br />
Die ökologischen<br />
Fußabdrücke der<br />
Österreicher......................... 28<br />
SPONSORING<br />
Ein Herz für „starke“<br />
Kinder....................................... 30<br />
Dr. Stefan Mumelter<br />
Herausgeber<br />
Wie sind wir doch alle rational!<br />
Wir planen. Wir rechnen aus. Wir gestalten. Wir entscheiden.<br />
Wir machen.<br />
Wie handeln wir?<br />
Haben Sie je darüber nachgedacht, die Regeln, nach denen Sie Ihr<br />
Leben führen, so zu ändern, dass es lebenswerter wird? Ja? Dann<br />
werden Sie schnell darauf kommen, dass Sie, <strong>wenn</strong> Sie nicht wie einst<br />
der Eremit Meinrad von Einsiedeln Ihr Dasein fristen, die Spielregeln,<br />
nach denen Ihr Leben spielt, nicht alleine ändern können!<br />
Was bleibt also? Manipulation? Das wäre auf die Dauer wohl mehr<br />
als deprimierend.<br />
Spieltheoretiker setzen auf Wettbewerb. Im Wettstreit mit den Besten<br />
können wir Regeln (weiter)entwickeln, welche die erfolgreichsten<br />
Strategien auf dem Markt auswerten. Nach der Erkenntnis sollte freilich<br />
die Aneignung folgen.<br />
Übrigens auch eine Art und Weise, wie Kinder am erfolgreichsten und<br />
– wie man hört, auch mit großem Vergnügen – lernen.<br />
Viel Glück bei Ihrem persönlichen Spiel<br />
und viel Vergnügen bei der Lektüre von retail<br />
wünscht Ihr<br />
Dr. Stefan Mumelter<br />
IMPRESSUM: Offenlegung gem. § 25 MedienG. retail - Informationen für Handel und E-Commerce. Eine Publikation des <strong>Handelsverband</strong>es. Medieninhaber, Herausgeber: <strong>Handelsverband</strong>,<br />
Verband österreichischer Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels, 1080 Wien, Alser Straße 45, Telefon (01) 406 22 36, Fax (01) 408 64 81, e-mail@handelsverband.at, www.handelsverband.at.<br />
Präsident: Dr. Stephan Mayer-Heinisch. Geschäftsführer: Dr. Stefan Mumelter. Produktion: sma, 1010 Wien, Rotenturmstraße 17, Telefon (01) 533 32 60-0, Fax: (01) 533 32 60-10. Produktions leitung:<br />
Mag. Barbara Doninger, Reinhard Winiwarter. Redaktion: Mag. Sonja Knotek. Grafik: Ligia Fonseca, BA. Art Direction: Ing. Simon Alber. Anzeigenkontakt: Andrea Ipsmiller. Druck: Friedrich<br />
VDV. Titelbild: DHL. Grundlegende Richtung: Das Magazin „retail“ informiert die Unternehmen des österreichischen Einzelhandels über neue Technologien und Aspekte der Betriebsführung.<br />
retail | 3
COVERSTORY<br />
Neu und alt: Gegensätze<br />
sind der Ursprung jedes<br />
schöpferischen Aktes.<br />
Foto: Corbis<br />
Foto: Corbis<br />
retail | 4
COVERSTORY<br />
INNOVATIONEN & AKTUELLE Trends im Handel<br />
Kreative<br />
Zerstörung<br />
Titelgeschichte von<br />
Sonja Knotek<br />
<strong>Neues</strong> <strong>kann</strong> <strong>nur</strong> <strong>entstehen</strong>, <strong>wenn</strong> <strong>Altes</strong> zerstört wird. Damit „Innovation“ nicht<br />
<strong>nur</strong> ein leeres Schlagwort bleibt, ist mehr notwendig als bloße Erfindungsgabe,<br />
nämlich der Bruch mit verstaubten Strukturen und Gewohnheiten.<br />
F<br />
ür den be<strong>kann</strong>ten österreichischen<br />
Volksökonomen<br />
Joseph A. Schumpeter ist<br />
die wichtigste Einflussgröße auf die<br />
wirtschaftliche Entwicklung der<br />
„schöpferische Unternehmer“, der<br />
den Markt durch immer wieder neue<br />
Kom binationen von Produkten und<br />
Ideen herausfordert. Diesen Pro zess<br />
bezeichnete Schumpeter als „Innovation“,<br />
im Gegensatz zu dem Begriff<br />
„Erfindung“, dem dieser Verlaufscharakter<br />
nicht inhärent ist (vgl.<br />
Grafiken 1+2, S. 6). Jede ökonomische<br />
Ent wicklung baut auf dem Vorgang<br />
der schöpferischen beziehungsweise<br />
kreativen Zerstörung auf: Durch die<br />
Des truktion von alten Strukturen<br />
werden die Produktions faktoren<br />
immer wieder neu geordnet. Auslöser<br />
für die schöpferische Zerstörung sind<br />
Innovati onen, die von den<br />
Unternehmern mit dem Ziel vorangetrieben<br />
werden, sich auf dem<br />
Markt durchzusetzen. Die Konkurrenz<br />
zwischen dem Alten, dem<br />
Überlebten, und dem Neuen ist „der<br />
mächtige Sauerteig, der auf lange<br />
Sicht die Produktion ausdehnt und<br />
die Preise herunterdrückt“.<br />
Von der Postkutsche zur<br />
Eisenbahn<br />
Bloßes Wirtschaftswachstum reprä<br />
Infobox 1<br />
5 Fälle von Innovation laut<br />
Joseph A. Schumpeter:<br />
1) Herstellung eines neuen Produktes oder einer neuen Produktqualität.<br />
2) Einführung einer neuen, in einem Industriezweig noch unbe<strong>kann</strong>ten Produktions-<br />
methode, die jedoch nicht auf einer neuen Erfindung beruhen muss.<br />
3) Erschließung eines neuen Absatzmarktes, auf dem ein Industriezweig noch nicht<br />
eingeführt war, egal ob dieser Markt schon vorher existierte oder nicht.<br />
4) Erschließung einer neuen Bezugsquelle von Rohstoffen und<br />
Halbfabrikaten.<br />
5) Durchführung einer Neuorganisation wie Schaffung einer Monopolstellung oder<br />
Durchbrechung einer Monopolstellung.<br />
Quelle: Joseph A. Schumpeter, „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“, 1912<br />
sentiert für Schumpeter keinen Entwicklungsvorgang<br />
an sich, da es keine<br />
qualitativ neuen Erschei n un gen<br />
hervorruft, sondern lediglich An <br />
passungsreaktionen, die letztendlich<br />
vom Wirtschaftssystem absorbiert<br />
werden. Damit verwirft er die bis<br />
heute dominante Sichtweise der<br />
Gleich setzung von Entwicklung und<br />
Wirt schaftswachstum. Von wirtschaft<br />
li cher Entwicklung <strong>kann</strong> nach<br />
Schum peter erst dann gesprochen<br />
werden, „<strong>wenn</strong> das wirtschaftliche<br />
Leben selbst seine Daten ruckweise<br />
ändert“, „<strong>wenn</strong> fundamentale Veränderungen<br />
in der Sphäre der Produktion<br />
im weitesten Sinn“ auftreten.<br />
Als Beispiel einer solchen führt<br />
er den Übergang von der Postkutsche<br />
zur Eisenbahn an: „Es können noch<br />
so viele Postkutschen produziert werden,<br />
und es wird dabei keine Ei <br />
senbahn <strong>entstehen</strong>.“ Inno vation<br />
bedeutet demgemäß „die neue und<br />
andersartige Kombination vorhandener<br />
Dinge und Kräfte“ (siehe<br />
Infobox 1). Die Aufgabe des Unterneh<br />
mers ist die Durchsetzung einer<br />
neuen Kom bination, erst in diesem<br />
Fall <strong>kann</strong> er als „schöpferischer Un <br />
ter nehmer“ in Schumpeterschem<br />
Sinne verstanden werden.<br />
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COVERSTORY<br />
Ausschöpfen statt<br />
zerstören<br />
D<br />
ie evolutionäre Inno vations<br />
forschung à la Sch umpeter<br />
beschäftigte sich mit<br />
der Frage nach dem Ziel von Innovation<br />
und nach der Real isie rungsmöglichkeit<br />
derselben. Im Mittelpunkt<br />
ihrer Betrachtungs weise standen<br />
Prozesse. In den neueren An <br />
sätzen gilt das Interesse zunehmend<br />
der sogenannten „Pfad ab hän gigkeit“<br />
von Innovations vorgängen<br />
und deren Ergebnissen. Im Zentrum<br />
steht die Annahme, dass die Entwicklungsvergangenheit<br />
ei ner<br />
Inno vation künftige Verände rungsmöglichkeiten<br />
beeinflusst be ziehungsweise<br />
begrenzt. Demgemäß<br />
ist also nicht jedes beliebige Innovationsziel<br />
unabhängig von vorherrschenden<br />
Bedingungen erreichbar.<br />
Es steht also nicht mehr der prozesshafte<br />
Charakter im Vordergrund,<br />
sondern der situative. Der innovative<br />
Unter nehmer soll hinsichtlich<br />
der Ein führung neuer Konzepte in<br />
erster Linie aus individuellen Po <br />
tenzialen und deren historischer<br />
Formierung schöpfen, anstatt mo <br />
dischen Schlagwörtern zu folgen<br />
(vgl. Infobox 2).<br />
Chips verändern die Welt<br />
Rechner verkauft, die meisten mit<br />
eingebautem WLAN-Chip. Öffentliche<br />
und kommerzielle WLAN-<br />
Access-Points mit Internet-Anbindung,<br />
sogenannte „Hot Spots“,<br />
ermöglichen an vielen Or ten den<br />
Zugriff auf das weltweite Datennetz.<br />
EAN oder RFID?<br />
Radio Frequency Identification<br />
wurde von der Öffent lichkeit ur <br />
Grafik 1<br />
Linearer<br />
Innovationsprozess:<br />
Invention<br />
Ideengenerierung<br />
(außerökonomisch)<br />
Grafik 2<br />
Vernetzter<br />
Innovationsprozess:<br />
Innovation<br />
sprüng lich als „Chip, der unser Le <br />
ben verändert“ gepriesen. In der Tat<br />
sind die Anwendungsmöglichkeiten<br />
dieser Technologie, die zur automatischen<br />
Identifizierung von Gegenständen<br />
und Lebewesen mittels<br />
Hoch frequenz herangezogen wird,<br />
heutzutage enorm. Fahrzeug identifikation,<br />
Banknotenüberprüfung,<br />
Personen kennung in Reisepässen,<br />
Echtheits kontrolle bei Medika menten,<br />
Dieb stahl sicherung in der Be <br />
Imitation<br />
Markteinführung und<br />
Verbreitung (ökonomisch)<br />
Diffusion<br />
Quelle: www.isi.tu-berlin.de<br />
Zu den wichtigsten Technologien<br />
der Zukunft zählen heute Wireless<br />
LAN, RFID und Voice Over IP. Wi <br />
reless Local Area Network (zu<br />
Deutsch „drahtloses lokales Netzwerk“)<br />
bezeichnet, vereinfacht ausgedrückt,<br />
ein Funk netz. Die starke<br />
Verbreitung von WLAN in den letzten<br />
Jahren unterstreicht den Trend<br />
zu mehr Mobilität und flexibleren<br />
Arbeitsbedingungen. Mittlerweise<br />
werden in der Euro päischen Union<br />
bereits mehr Note books als Desktop-<br />
Invention<br />
Innovation<br />
Nutzen steigt mit der Anzahl der<br />
Benützer (z. B.: Handy, DVD, ...)<br />
Imitation<br />
Diffusion<br />
Quelle: www.isi.tu-berlin.de<br />
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COVERSTORY<br />
kleidungs industrie mittels RFID-<br />
Tags, Con tainer-Versiegelung, automobile<br />
Weg fahr sperre, Systeme zur<br />
Zutritts kontrolle und Zeiterfassung<br />
sowie Positionsbestimmung sind<br />
die wichtigsten RFID-Gebrauchs felder.<br />
Beim Kassier vorgang selbst<br />
steht die RFID-Technologie allerdings<br />
derzeit noch in der Anfangsphase<br />
und macht damit dem altbe<strong>kann</strong>ten<br />
EAN-Strichcode Kon kur renz.<br />
Aus für Kassierer?<br />
Der digitalisierte Mensch:<br />
Handy und Laptop<br />
gehören heute zur<br />
„Mindestausstattung“.<br />
Im Bereich der Radiofrequenz-<br />
Warenidentifikation geht der Trend<br />
dahin, dass der Kunde lediglich ein<br />
Lesegerät passiert und anschließend<br />
per Kreditkarte bezahlt – der Einsatz<br />
von Kassierern wird somit überflüssig.<br />
Technisch ist dies derzeit jedoch<br />
noch nicht umsetzbar, da das Auslesen<br />
eines gemischten Waren korbes<br />
durch wasserhaltige Produkte<br />
wie Obst erheblich erschwert wird.<br />
Darüber hinaus ist diese Tech nologie<br />
aus datenschutzrechtlichen<br />
Grün den umstritten.<br />
Wenn der Computer zum<br />
Tele fon wird ...<br />
Voice over IP, eine Technik zum Te lefonieren<br />
über Computer netz werke,<br />
wird innerhalb von Unter nehmen<br />
in zunehmendem Maße dazu ge <br />
nutzt, das Telefonnetz und das<br />
Com pu ternetzwerk zusammenzuführen.<br />
Der Datentransport der<br />
Telefongespräche, sowohl für die<br />
Signal isierung als auch für die Übertragung<br />
der digitalisierten Sprache,<br />
erfolgt über das EDV-Netzwerk<br />
(LAN). Somit lassen sich die In frastrukt<br />
urkosten durch die Einheitlichkeit<br />
von Verkabelung und ak <br />
tiven System komponenten reduzieren.<br />
Voice over IP wird in der Regel<br />
wie ein Arbeits platz-PC am Netzwerk<br />
anschluss angesteckt (vgl. auch<br />
In fobox 3, S. 9).<br />
Foto: Corbis<br />
Infobox 2<br />
Welche Faktoren beeinflussen den<br />
Innovationserfolg?<br />
Neoklassischer Ansatz:<br />
n Ökonomische Chancen<br />
und Reize:<br />
Wettbewerb<br />
Marktstruktur<br />
Marktanteil<br />
Nachfragepotenzial<br />
Evolutionärer Ansatz:<br />
n Technische Möglichkeiten<br />
und Know-how:<br />
Absorptive Fähigkeiten<br />
Kreativität<br />
Lernen<br />
Kontakte zur Wissenschaft<br />
Quelle: www.isi.tu-berlin.de<br />
VoIP, SRTP und andere<br />
Helferlein<br />
Die VoIP-Pakete werden über ein sogenanntes<br />
Shared Medium übertragen,<br />
über ein Netz, das sich mehrere<br />
Teilnehmer und unterschiedliche<br />
Dienste teilen. Unter gewissen Voraussetzungen<br />
<strong>kann</strong> es Angreifern<br />
möglich sein, die Daten auf dem<br />
Übertragungsweg abzufangen und<br />
das Gespräch aufzuzeichnen. Es<br />
besteht zwar die Möglichkeit, die<br />
Übertragung mit Secure Real-Time<br />
Transport Protocol (SRTP) zu verschlüsseln,<br />
doch wird dies häufig<br />
von Anbietern und Anwendern<br />
nicht genutzt, da dadurch die<br />
Sprach qualität beeinträchtigt wird.<br />
retail | 7
COVERSTORY<br />
Foto: Corbis<br />
Alles <strong>kann</strong> heute schon<br />
„gescannt“ werden: ein Produkt,<br />
ein Tier und sogar der Mensch.<br />
retail | 8
COVERSTORY<br />
Self-Service ist<br />
voll im Trend<br />
W<br />
as Neuerungen auf der<br />
tech nischen Seite betrifft,<br />
ist und bleibt für den Handel<br />
die Zuverlässigkeit eines Kassensystems<br />
das wichtigste Entschei <br />
d ungs kriterium bei der Auswahl<br />
ne u er Hard- und Software. Zunehmend<br />
bedeutender wird die Offen <br />
heit eines Kassensystems: Die Handelsunter<br />
nehmen wünschen Lösungen,<br />
die Zukunftssicherheit hinsichtlich<br />
Peri pheriegeräten und ak <br />
tueller Technolo gien gewährleisten,<br />
das Ergänzen zu sätzlicher Funk tionalitäten<br />
ermöglichen und den kosten<br />
günstigsten Austausch einzelner<br />
Komponenten garantieren. Vor al <br />
lem die Integration von Zahlungssys<br />
temen ist in diesem Zusam menhang<br />
von großer Wichtig keit. Der<br />
Trend zu Linux als Betriebs system<br />
für das Kassensystem besteht nach<br />
wie vor.<br />
„Selbstständige“ Kunden<br />
Allerdings werden die Kunden im <br />
mer selbstständiger: Eine aktuelle<br />
IBM Verbraucherstudie unter USameri<br />
ka nisch en Kunden hat ergeben,<br />
dass die Nutzungsrate von Self<br />
Service-Tech nologien im Jahr 2007<br />
um 50 Prozent gestiegen ist. Siebzig<br />
Prozent der Befragten waren sich<br />
einig, dass sie von Unternehmen<br />
ei nen Ausbau der Self Service-Optionen<br />
erwarten. Die Mehrheit der<br />
1000 Befragten gab an, dass sie das<br />
Self Service-Angebot wahrnehmen,<br />
um auch außerhalb der Geschäftszeiten<br />
Zugang zu Informat ionen<br />
und Services zu haben. Kürzere<br />
Wartezeiten, eine einfache Handhabung<br />
und die Möglichkeit, be <br />
stimmte Transaktionen in höherer<br />
Vertraulichkeit durchführen zu<br />
können, wurden ebenfalls genannt.<br />
Diese Tendenz wird in den kommenden<br />
Jahren Veränderungen am<br />
Kassen platz nach sich ziehen. Re <br />
gistrieren und Kassieren werden<br />
nicht mehr ausschließlich Aufgaben<br />
für die Mit arbeiter des Handels sein,<br />
Scannen und Bezahlen werden Konsumenten<br />
zukünftig teilweise oder<br />
ganz in immer größerem Aus maß<br />
selbst übernehmen.<br />
Flaute im Einzelhandel<br />
Apropos selbstständige Kunden: Die<br />
Bilanz über das Geschäftsjahr 2007<br />
fiel für den österreichischen Handel<br />
eher ernüchternd aus: Laut einer<br />
Studie der Wirtschaftskammer verzeichnete<br />
der Einzelhandel in Österreich<br />
ein nominelles Umsatzplus<br />
von 2,4 Prozent gegenüber 2006.<br />
Erst mals seit Jahren fielen die Preissteigerungen<br />
mit durchschnittlich<br />
2,4 Prozent hö her aus als die In flationsrate,<br />
die im Jahresschnitt bei<br />
2,2 % lag. Da mit kam es im Einzelhandel<br />
real zu einer Um satz stagnation.<br />
„Nach ei nem Um satz plus<br />
von nominell 3,6 % im ersten Halbjahr<br />
sackte der Um satz in der zwei<br />
Infobox 3<br />
Gründe für den Einsatz von<br />
Voice over IP:<br />
n Gebühren sparen: Als Endgeräte können sowohl über spezielle Adapter<br />
(ATA, ITA) angeschlossene analoge oder ISDN-Endgeräte, soundfähige<br />
Computer (vorzugsweise mit Handset oder Headset) als auch spezielle<br />
IP-Telefone verwendet werden.<br />
n Für Gespräche zwischen zwei IP-Teilnehmern fallen in der Regel keine<br />
Gesprächsgebühren an.<br />
n Auch die Verbindung zu und von Teilnehmern am herkömmlichen Telefonnetz<br />
ist möglich. Sie wird dabei durch einen vom Anbieter bereitgestellten<br />
Übergang, dem Gateway-Dienst, hergestellt. Für über Gateways ausgehende<br />
Gespräche fallen jedoch normalerweise besondere Gebühren an.<br />
n Unabhängig vom Aufenthaltsort ist die Erreichbarkeit immer unter derselben<br />
Adresse bzw. Rufnummer gegeben.<br />
ten Jahreshälfte auf 1,2 Prozent ab“,<br />
so Bundes spar ten ob mann Erich<br />
Lemler gegenüber der Wiener<br />
Zeitung. Auch die Kun den frequenz<br />
war in der zweiten Jah res hälfte<br />
rückläufig.<br />
Marodes Weihnachtsgeschäft<br />
Demzufolge ist auch des Weihnachts<br />
geschäft im Vorjahr nicht so<br />
gut als erhofft verlaufen: Das Um <br />
satzminus von 3 % bis zum 18. De <br />
zember 2007 haben zahlreiche Spä t<br />
einkäufer zwar wettgemacht, dennoch<br />
war ein Rückgang von 2 % zu<br />
verzeichnen. Ins gesamt wurden im<br />
Weih nachts ge schäft 2007 landesweit<br />
rund 1,43 Mil li arden Euro um <br />
gesetzt. Der Grund für diese weniger<br />
erfreuliche Handels bilanz seien<br />
laut Wirt schaft kammer die Preissteigerungen<br />
in der zweiten Hälfte<br />
des Vorjahres, die vor allem gegen<br />
Jahresende ein eklatantes Aus maß<br />
annahmen: Im Gesamt jahres schnitt<br />
wurden etwa Lebens mittel um 3,4<br />
Prozent teurer, im zweiten Halb jahr<br />
um 4,2 % und im letzten Quartal<br />
2007 sogar um 5,3 %.<br />
Quelle: Wikipedia<br />
retail | 9
COVERSTORY<br />
Boom im<br />
Onlinehandel<br />
D<br />
er Onlinehandel in der Eu <br />
ropäischen Union blüht:<br />
Im letzten Jahr kauften 27<br />
Prozent der Verbraucher in der EU<br />
mindestens einmal im Internet ein,<br />
so die Ergebnisse der aktuellen Eu <br />
robarometer-Umfrage der Tele kom<br />
Austria über den Verbraucherschutz<br />
im Binnenmarkt. Mit einem Um <br />
satzvolumen im Onlinehandel von<br />
43 Milliarden Euro ist Großbri tannien<br />
die Nummer eins des E-Commerce<br />
in der Europäischen Union,<br />
gefolgt von Deutschland mit etwa<br />
23 Milliarden Euro im Jahr 2006.<br />
Dies wird sich nach einer Studie des<br />
Marktforsch ungs hauses Forrester<br />
Research auch in den kommenden<br />
Jahren nicht ändern.<br />
Vierfacher Umsatz in Österreich<br />
Die britischen Konsumenten werden<br />
das Umsatzvolumen im Online<br />
han del von 43 Milliarden Euro<br />
im Jahr 2006 auf 76 Milliarden Eu <br />
ro im Jahr 2011 heben. Der Umsatz<br />
in Deutsch land soll von 23 Milliarden<br />
auf 62 Milliarden Euro ansteigen.<br />
Beachtlich ist, dass sich das<br />
Umsatzvolumen im Onlinehandel<br />
in Österreich und der Schweiz mehr<br />
als vervierfachen wird. Wäh rend<br />
der Umsatz in Österreich auf fast<br />
sieben Milliarden anwachsen wird,<br />
wird das Volumen in der Sch weiz<br />
auf 5,4 Milliarden Euro ansteigen,<br />
so die Ergebnisse der Forrester-<br />
Studie „E-Commerce in Europa von<br />
2006 bis 2011“.<br />
Internet ohne Grenzen?<br />
Derartige Nutzungsformen des In <br />
ter nets wie Onlineshopping sind je <br />
doch nicht für alle Menschen einfach<br />
und selbstverständlich. Men<br />
Grafik 3<br />
Was bedeutet für Sie umweltfreundliches Einkaufen?<br />
Geringe<br />
Verpackung<br />
Herkunftsland<br />
Österreich<br />
Biologisch und aus<br />
Österreich<br />
Gekennzeichnet mit<br />
„Fairtrade”<br />
Quelle: Nielsen Bio Factbook<br />
Telefonbefragung von 1.000 Österreichern im Sommer 2007<br />
schen mit Behinderungen sowie Be <br />
nutzer mit technischen und altersbedingten<br />
Einschränkungen sind<br />
vom World Wide Web mehr oder<br />
weniger ausgeschlossen (vgl. Infobox<br />
4, S. 12). Im Zuge der Verbreitung<br />
neuer Technologien wird auf Menschen<br />
mit Behin der ungen meist keine<br />
Rücksicht genommen. Daher ist<br />
gerade für diesen Teil der Bevölkerung<br />
der Gemeinschafts gedanke<br />
des Internets besonders interessant,<br />
um soziale Kontakte zu pflegen.<br />
Technikern und Wis senschaftlern<br />
sollten diese Zahlen zu denken<br />
geben: In der EU gibt es 38 Millionen<br />
Menschen mit unterschiedlich<br />
schweren Behinderungen, von<br />
lei ch ten (Sehsch wä chen) bis hin zu<br />
schweren Handicaps (wie Blindheit<br />
oder sch we ren Mehr fachbeein trächtigungen).<br />
Der Anteil älterer Menschen<br />
an der Gesamt bevölkerung<br />
nimmt stetig zu. Derzeit sind zirka<br />
20 Prozent der Bevölkerung über 60<br />
Jahre alt.<br />
Bio im Vormarsch<br />
62 %<br />
83 %<br />
82 %<br />
87 %<br />
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 %<br />
Interessante Ergebnisse hinsichtlich<br />
des Konsumentenverhaltens bei Bio-<br />
Lebensmitteln liefert die aktuelle<br />
Stu die „Nielsen Bio Factbook“: Demnach<br />
geben 85 Prozent der Österreicher<br />
an, zumindest gelegentlich<br />
die Bio-Alternative zu wählen (neun<br />
Pro zent kaufen fast ausschließlich<br />
Bio-Produkte). Im Jahr 2007 wurden<br />
bis zur Kalenderwoche 33 im Le <br />
bens mittelhandel 360,5 Millionen<br />
Euro für Bio-Produkte ausgegeben,<br />
das sind 4,4 Prozent des Gesamtumsatzes<br />
im Food-Bereich. Am stärksten<br />
greifen die Österreicher bei Ba <br />
bynahrung zu biologischen Produkten:<br />
39 Prozent entfallen in diesem<br />
Bereich bereits auf das Bio-Sor <br />
timent. „Der österreichische Han del<br />
hat das Potenzial Bio bereits sehr<br />
früh er<strong>kann</strong>t und mit starken Eigenmarken<br />
besetzt“, so AC Niel sen-Geschäfts<br />
führer Martin Prantl, „Die se<br />
sind bei den Konsumenten be liebt<br />
und be<strong>kann</strong>t. Auch die Dis kon ter<br />
haben rasch nachgezogen, so lie gen<br />
die Bio-Anteile bei Hofer und Lidl<br />
vor allem im Frischebereich etwa<br />
gleich hoch wie im klassischen Le <br />
bensmittelhandel.“ Die Konsum enten<br />
sehen das Merkmal „Bio“ stark<br />
in Zusammenhang mit Umweltfreund<br />
lich keit: Geringe Verpackung<br />
spielt hierbei die größte Rolle (siehe<br />
Grafik 3). 28 Prozent sind sogar<br />
bereit, für Bio-Produkte einen höheren<br />
Preis zu bezahlen.<br />
retail | 10
COVERSTORY<br />
Vor allem ältere<br />
Personen kämpfen mit<br />
Barrieren im Internet.<br />
Foto: Corbis<br />
retail | 11
COVERSTORY<br />
Russisches<br />
Roulette?<br />
D<br />
ie klassischen neuen Märkte<br />
Osteuropas – Polen,<br />
Tsch e ch ien und Ungarn –<br />
sind mittlerweile EU-Mitglieder und<br />
stehen nicht mehr im absoluten<br />
Brenn punkt der Auslandsexpan sionen<br />
mitteleuropäischer Unternehmen.<br />
Das Interesse an einem En <br />
ga ge ment in Russland hat sich in<br />
den ver gangenen Jahren spürbar<br />
vergrößert. Auch die russische Wirtschaft<br />
wächst bereits im 7. Jahr in<br />
Folge überdurchschnittlich.<br />
Zwei Wirtschaftszentren<br />
Der Schwerpunkt der be trieblichen<br />
Tä tigkeiten liegt vornehmlich in<br />
Mos kau und St. Peters burg. Der<br />
Grund für die Attraktivität Russ lands<br />
ist neben dem gesamtwirtschaftli<br />
chen Aufschwung aus Ein zel handels<br />
sicht die noch vorherrschende<br />
starke Marktzersplit te rung. Im<br />
Lebens mittelhandel vereinigen die<br />
f ü n f u m s a t z s t ä r k s t e n A nb i et e r<br />
w e n i g e r a l s f ü n f P r o z e n t M a r k ta n <br />
teil auf sich. Gute Chancen werden<br />
vor allem Diskontern eingeräumt,<br />
die bisher kaum vertreten sind. Russl<br />
a n d s M a r k t f ü h r e r „ P y a t er oc h k a “<br />
zählt sich zwar zu diesem For mat,<br />
doch im Vergleich zu Hofer und<br />
Lidl hat dieser eher den Cha rak ter<br />
eines klassischen Super mark tes.<br />
Indische Räucherstäbchen<br />
Indien ist auf dem besten Weg, sich<br />
neben China und Japan als neuer<br />
Wachstumsmotor der Welt wirtschaft<br />
zu etablieren. Das bedeutet<br />
nicht <strong>nur</strong> enorme Möglichkeiten für<br />
den Handel, sondern auch in In <br />
dien. Der Markt ist in diesem Land<br />
rapiden Ver änderungen unterworfen:<br />
Die verfügbaren Ein kom men<br />
steigen deutlich an und es bilden<br />
Infobox 4<br />
Die Barrieren im Internet:<br />
n Blindheit: Blinde Menschen lesen einen gut strukturierten Text über eine<br />
Braillezeile mit entsprechender Software (Screenreader). Bilder — oder<br />
Text, der in Bildern enthalten ist — sind für Blinde unzugänglich und<br />
sollten daher mit einem alternativen Text ergänzt werden.<br />
n Sehschwäche: Insbesondere ältere Menschen müssen die Schrift<br />
im Browser skalieren können, um die Schriftgröße an ihre Sehleistung<br />
anzupassen.<br />
n Personen mit einer Farbfehlsichtigkeit, z. B. einer Rot/Grün-Seh-<br />
schwäche, brauchen starke Kontraste und klare Schriften sowie<br />
Kontrolle über die Farbe von Schrift und Hintergrund. Blinkende oder<br />
animierte Texte stellen eine Barriere dar.<br />
n Sehbehinderung: Bei einer Navigation, die aus Bildern, Java-Applets<br />
oder Flash-Objekten besteht, sind Menschen mit Sehbehinderung<br />
benachteiligt.<br />
n Personen mit motorischen Störungen, die keine Maus bedienen kön-<br />
nen, müssen mit der Tastatur navigieren. Sie bewegen sich meist mit<br />
der Tabulatortaste durch die Links, Formularelemente und andere aktive<br />
Objekte auf der Seite. Damit eine Webseite gut mit der Tastatur bedien-<br />
bar ist, ist es wichtig, dass die Elemente in einer sinnvollen Reihen<br />
folge angesteuert werden und dass jederzeit deutlich erkennbar ist,<br />
welches Element gerade im Fokus liegt.<br />
n Taubheit: Gehörlose Menschen haben oft als erste Sprache die<br />
Gebärdensprache erlernt. Für sie ist die Schriftsprache eine Fremd-<br />
sprache und meist schwer verständlich. Akustische Inhalte können<br />
von gehörlosen Menschen ebenfalls nicht aufgenommen werden.<br />
Sie sollten deswegen durch visuell wahrnehmbare Inhalte ersetzt<br />
oder von ihnen begleitet werden. Barrierefrei sind Webseiten, die in<br />
Gebärdensprache dargestellt werden.<br />
n Menschen mit kognitiven Behinderungen haben oft Probleme, lange<br />
und umständlich formulierte Texte mit schwierigen Schachtelsätzen<br />
und Fremdwörtern sowie komplexe Navigationen zu verstehen. Des-<br />
wegen ist es sinnvoll, Webseiten oder Überschriften in sogenannter<br />
„leichter Sprache“zu verfassen.<br />
sich auf lange Sicht trendbewusste<br />
Konsumenten her aus, die bisher<br />
nicht wahrzunehmen waren. Be son <br />
ders in den Bereichen Textil und<br />
Per sonal Care sind be<strong>kann</strong>te Mar <br />
ken gefragt. Eine der größten He r<br />
Quelle: Wikipedia<br />
aus for derungen in Indien stellt aufgrund<br />
der schlechten Infra struk tur<br />
die Distribution dar. Weitere Hür den<br />
sind die mehr oder weniger stren <br />
gen gesetzlichen Bestimmun gen<br />
bezüglich ausländischer Inves toren.<br />
retail | 12