Hedwigsbote - St. Hedwigs-Kathedrale Berlin
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nerung, waren doch dessen klavierpädagogische<br />
Werke wie „Die Schule der Geläufigkeit“<br />
oder „Die Schule der Fingerfertigkeit“<br />
langjährige Begleiter auf dem Weg<br />
zur pianistischen Perfektion. Als Kirchenmusiker<br />
ist er der Gegenwart jedoch völlig<br />
unbekannt geblieben – die Aufführung<br />
des erst in diesem Jahr publizierten Offertoriums<br />
„Cantate Domino“ wird beim Hörer<br />
völlig neue Facetten eines Komponisten<br />
zu entdecken helfen, der in Wien immerhin<br />
Schüler des großen Beethoven<br />
und Lehrer des nachmals großen Franz<br />
Liszt war und in Kollegenkreisen und beim<br />
Publikum hohes Ansehen genoss (das<br />
allenfalls von einigen Klavierschülern nicht<br />
gern geteilt wurde …).<br />
Felix Mendelssohn Bartholdys umfangreiches<br />
Oeuvre weist Kirchenmusik<br />
unterschiedlichen Formats und Anspruchs<br />
auf, wobei das Spektrum der <strong>St</strong>ile und<br />
Möglichkeiten von einfachsten Liedsätzen<br />
bis hin zu ambitionierten Psalmkantaten<br />
reicht. Lateinische Texte sind im Schaffen<br />
Mendelssohns, das vornehmlich mit den<br />
Anforderungen und Erwartungen der protestantischen<br />
Kirchenmusiktradition rechnete,<br />
eher selten. Die Vertonung des bekannten<br />
marianischen Hymnus „Ave maris<br />
stella“ ist das Werk eines Neunzehnjährigen.<br />
Als Libretto für seine 1952/53 entstandene<br />
Weihnachtskantate stellte der Komponist<br />
Arthur Honegger Texte in lateinischer,<br />
französischer und deutscher Sprache<br />
zur spannenden Folge eines „Durch<br />
Nacht zum Licht“ zusammen, beginnend<br />
mit dem alten Bußpsalm „De profundis<br />
clamavi“ über verschiedene Weihnachtslieder<br />
wie „Es ist ein Ros entsprungen“,<br />
„Vom Himmel hoch“ oder „<strong>St</strong>ille Nacht“ bis<br />
zum jubelnden Lobgesang des „Laudate<br />
Dominum omnes gentes“, verteilt auf<br />
Soli, gemischten Chor und Kinderchor,<br />
Orchester und Orgel.<br />
Obwohl César Franck als Organist, Improvisator<br />
und Lehrer hochgeschätzt war,<br />
vermochten sich seine Kompositionen erst<br />
spät Anerkennung und Achtung der Zeitgenossen<br />
zu erringen. Zudem entstanden<br />
seine bedeutendsten Werke erst in seinem<br />
letzten Lebensjahrzehnt, darunter<br />
auch die Vertonung des 150. Psalms für<br />
Chor, Orchester und Orgel. 1884 war das<br />
Werk vollendet, in dem sich Franck durch<br />
das jubelnde „Halleluja“ des Textbeginn<br />
nicht gleich zu einem massiven Fortissimo<br />
hinreißen lässt, sondern den Psalm verhalten<br />
anstimmt, so dass die <strong>St</strong>eigerungen<br />
um so wirkungsvoller herausgearbeitet<br />
werden können.<br />
John Rutters 1990 uraufgeführtes<br />
Magnificat – wirkungsvoll und schmissig –<br />
scheint noch am ehesten den Erwartungen<br />
des unvoreingenommenen Musikfreunds<br />
zu entsprechen. Getreu dem<br />
Psalmwort „Lobet Gott mit Pauken und<br />
Tanz“ und dem Vorbild von Leonard Bernsteins<br />
„Chichester Psalms“ aus dem Jahre<br />
1965 folgend, halten moderne Tanzrhythmen<br />
Einzug in die Liturgie. Doch nur ein<br />
engherziger Zuhörer wird darin einen Tabubruch<br />
sehen, denn Rutters Komposition<br />
wirbt mit Liebenswürdigkeit um den Hörer<br />
und erweist sich als durchaus legitime<br />
Lesart der Bibelworte. Die biblischen Worte<br />
des Magnificats erfuhren durch Rutter<br />
eine zusätzliche Kommentierung durch<br />
einen altenglischen Text aus dem 15.<br />
Jahrhundert: Maria wird besungen als der<br />
Rosenstock, dem fünf segensbringende<br />
Zweige entsprossen.<br />
Dietmar Hiller<br />
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