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Hedwigsbote - St. Hedwigs-Kathedrale Berlin

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Religion im postkommunistischen<br />

Kontext: Beispiel<br />

Polen<br />

Die Religiosität drückt sich heute<br />

viel weniger in den Formen aus,<br />

die sie nach 1989 in einer Explosion<br />

neuer religiöser Bewegungen<br />

und Sekten angenommen hatte.<br />

Sie findet wieder mehr zurück<br />

zum klassischen Rahmen der traditionellen<br />

Religion in Polen, das<br />

heißt des Katholizismus. In ganz<br />

Mitteleuropa und zumal in Polen<br />

wird der Katholizismus von einer<br />

ganz anderen Dynamik als in<br />

Westeuropa getragen. Praktisch<br />

mein ganzes bewusstes Christenleben<br />

lang habe ich auf die Krise<br />

der Religion gewartet, von der<br />

die Fachleute im Westen zu Beginn<br />

der 1990er Jahre sprachen.<br />

Doch die Realität sieht überraschenderweise<br />

anders aus. So ist<br />

die Religion zum Beispiel angesichts<br />

der europäischen Integration<br />

und der verschiedenen Formen,<br />

die der Globalisierungsprozess<br />

annimmt, zu einem bei jungen<br />

Leuten häufig anzutreffenden<br />

Identifikationsmerkmal geworden.<br />

Die älteren Menschen haben oft<br />

die Neigung, ihren Glauben als<br />

etwas zu betrachten, was sie von<br />

der „Zivilisation“ trennt. Für die<br />

Jungen gilt das nicht. Die Generation,<br />

die heute ins Erwachsenenalter<br />

eintritt, hat keine Erfahrung<br />

mit dem Kommunismus und<br />

muss auch nicht den Westen seines<br />

Reichtums und seiner <strong>St</strong>rukturen,<br />

seiner Laizität und seiner<br />

Säkularisierung wegen bewundern.<br />

In Polen kann man nicht eigentlich<br />

von einer „Rückkehr des Religiösen“<br />

sprechen. Das „Religiöse“<br />

ist hier immer präsent gewesen,<br />

gewiss je nach Epoche unterschiedlich<br />

– heute ist der Zugang<br />

wohl stärker persönlich –, aber<br />

ohne je ganz zu verschwinden<br />

Wenn ich ausländischen Touristen,<br />

die in Krakau zu Besuch weilen,<br />

die vielen jungen Leute zeige,<br />

die in unserer Kirche beten,<br />

betone ich immer, dass sie dieselben<br />

Mobiltelefone besitzen<br />

und benutzen wie die Jungen auf<br />

der ganzen Welt, dass sie dieselbe<br />

Musik hören, dieselben Filme<br />

anschauen, dieselben Fremdsprachen<br />

sprechen und viel reisen.<br />

Aber das hindert sie nicht, die<br />

gute Nachricht zu hören, aufmerksam<br />

zu sein für ihre Botschaft<br />

vom gerechten, ernsten<br />

und frohen Leben, das in Christus<br />

möglich ist. Ist das eine Wunder?<br />

Eher wohl doch die Bestätigung<br />

dafür, dass Modernisierung und<br />

Demokratisierung nicht notwendig<br />

zu Säkularisierung und Laizisierung<br />

nach westlichem Muster<br />

führen. Die Religion bleibt ichtbar,<br />

und sie ist auch eine Bezugs-<br />

3<br />

August / September 2010

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