HIPS - Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
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FORSCHUNGSBERICHT 2010/2011<br />
<strong>Helmholtz</strong>-<strong>Zentrum</strong> für <strong>Infektionsforschung</strong><br />
<strong>HIPS</strong>
132<br />
WISSENSCHAFTLICHER ERGEBNISBERICHT | Das <strong>Helmholtz</strong>-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (<strong>HIPS</strong>)<br />
Das <strong>Helmholtz</strong>-Institut<br />
für Pharmazeutische<br />
Forschung Saarland (<strong>HIPS</strong>)<br />
GESCHÄFTSFÜHRENDER DIREKTOR | Prof. Dr. Rolf Müller | <strong>Helmholtz</strong>-Institut für Pharmazeutische Forschung<br />
Saarland (<strong>HIPS</strong>) im <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Zentrum</strong> für <strong>Infektionsforschung</strong> (HZI) | Campus Universität des Saarlandes,<br />
Gebäude C2 3<br />
, 66123 Saarbrücken | rom@helmholtz-hzi.de<br />
MITARBEITER IN DER GESCHÄFTSFÜHRUNG | Dr. Markus Ehses | David Hofmann | Birgitta Lelarge |<br />
Natja Mellendorf | Claudia Thiele<br />
Das <strong>Helmholtz</strong>-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (<strong>HIPS</strong>) wurde im August 2009 gemeinsam vom <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Zentrum</strong><br />
für <strong>Infektionsforschung</strong> (HZI) und der Universität des Saarlandes (UdS) gegründet. Das Ziel der Gründung ist die beschleunigte<br />
Identifi zierung neuer Wirkstoffkandidaten für Antiinfektiva, deren Optimierung mit den Methoden der Molekularbiologie und der<br />
Medizinalchemie und Verbesserung des Transports an den Wirkort. Gerade das verstärkte Auftreten neuer und oft multiresistenter<br />
Pathogene erfordert eine effi zientere Vorgehensweise bei der Entwicklung von Antiinfektiva. Die Gründung des <strong>HIPS</strong> als Außenstelle<br />
des HZI ist eine logische Konsequenz einer Initiative der <strong>Helmholtz</strong>-Gemeinschaft zur Intensivierung der Translationsforschung<br />
im Bereich der Gesundheitsforschung. Die Bündelung der international anerkannten, hohen Qualität der <strong>Infektionsforschung</strong> am<br />
HZI einerseits und der Pharmazie an der Universität des Saarlandes (UdS) andererseits generiert einen deutlichen Mehrwert.<br />
Kombiniert mit den Forschungsaktivitäten regionaler Partnerinstitute ist es nun an den Standorten Braunschweig und Saarbrücken<br />
gemeinsam möglich, in der Medikamentenentwicklung das gesamte Spektrum von der frühen Wirkstoffentwicklung bis zu klinischen<br />
Studien institutsintern abzudecken. Die Implementierung der gesamten Entwicklungspipeline wird den Einsatz von Naturstoffen in<br />
klinischen Studien erheblich beschleunigen.<br />
Das Forschungsspektrum des <strong>HIPS</strong> umfasst gentechnische<br />
und genomanalytische Verfahren zur Optimierung von Naturstoffproduzenten<br />
und Leitstrukturen sowie zur medizinalchemischen<br />
Weiterentwicklung von Wirkstoffkandidaten.<br />
Zudem werden Methoden zum verbesserten Transport von<br />
Arzneistoffen über biologische Barrieren an ihren Wirkort<br />
erforscht und die Entwicklung optimaler Formulierungen<br />
vorangetrieben. Die drei Abteilungen des <strong>HIPS</strong>, „Mikrobielle<br />
Naturstoffe“ (MINS, Prof. R. Müller), „Wirkstoff-Design<br />
und –Optimierung“ (DDOP, Prof. R. W. Hartmann) sowie<br />
„Wirkstofftransport“ (DDEL, Prof. C.-M. Lehr), sind aus<br />
jeweils einer pharmazeutischen Arbeitsgruppe der UdS<br />
entstanden. In ihnen arbeiten insgesamt etwa 140 Personen,<br />
von denen Ende 2010 30 Mitarbeiter <strong>HIPS</strong>-seitig finanziert<br />
werden. Im Endausbau sollen etwa 100 Mitarbeiter in das<br />
neue <strong>HIPS</strong>-Gebäude einziehen, das in drei bis vier Jahren<br />
auf dem Campus der UdS fertig gestellt sein soll.<br />
Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist<br />
eine weitere Aufgabe des <strong>HIPS</strong>. Im Aufbau befindet sich<br />
ein Programm zur strukturierten Doktorandenausbildung,<br />
das neben der Vermittlung von fachnahen Fertigkeiten und<br />
Schlüsselkompetenzen als Besonderheit einen optionalen<br />
einjährigen Auslandsaufenthalt beinhaltet. Weiterhin sollen<br />
drei Nachwuchsforschergruppen eingerichtet werden. Die<br />
<strong>Helmholtz</strong>-Nachwuchsgruppe „Metabolisches Engineering<br />
von Actinomyceten“ (AMEG) unter der Leitung von Dr.<br />
Andriy Luzhetskyy nimmt im Januar 2011 ihre Arbeit am<br />
<strong>HIPS</strong> auf. Durch Nachberufungen auf die vakant werdenden<br />
Die Gründungsabteilungsleiter des <strong>HIPS</strong>: Claus-Michael Lehr<br />
(DDEL), Rolf Müller (MINS) und Rolf W. Hartmann (DDOP) Foto: HZI<br />
Universitätsprofessuren und neu einzurichtenden Juniorprofessuren<br />
an der UdS wird die Anzahl der Gruppen<br />
mit pharmazeutischem Arbeitsschwerpunkt am Standort<br />
Saarbrücken somit von derzeit fünf Vollprofessuren und<br />
2 Nachwuchsforschergruppen auf mittelfristig 14 Gruppen<br />
anwachsen. Die so entstehende pharmazeutische<br />
Kompetenz soll unter dem Dach des geplanten „<strong>Zentrum</strong>s<br />
für Pharmazeutische Forschung Saarland“ zukünftig eng<br />
zusammenarbeiten, um Synergien der unterschiedlichen<br />
Forschungsansätze, Methoden und Gerätschaften zu nutzen.<br />
Die enge Anbindung des <strong>HIPS</strong> an das HZI wird mit Hochdruck<br />
vorangebracht und erfolgt durch Forschungskooperationen<br />
und Verzahnung der administrativen und infrastrukturellen<br />
Aktivitäten wie Controlling, Personalverwaltung,
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Rechenzentrum sowie Öffentlichkeitsarbeit. Dem Direktor<br />
des Instituts stehen hierfür jeweils ein Verwaltungsleiter,<br />
ein wissenschaftlicher Referent und eine administrative<br />
Assistentin unterstützend zur Seite.<br />
Die Abteilung „Mikrobielle Naturstoffe“ (MINS)<br />
Abteilungsleiter | Prof. Dr. Rolf Müller | <strong>Helmholtz</strong>-Institut<br />
für Pharmazeutische Forschung Saarland (<strong>HIPS</strong>) im<br />
<strong>Helmholtz</strong>-<strong>Zentrum</strong> für <strong>Infektionsforschung</strong> (HZI) | Abteilung<br />
für Mikrobielle Naturstoffe (MINS) | rom@helmholtz-hzi.de<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiter | Dr. Daniel Krug |<br />
Dr. Silke Wenzel<br />
Den Schwerpunkt der Forschung in der Abteilung „Mikrobielle<br />
Naturstoffe“ bildet die Untersuchung der chemischen<br />
Eigenschaften, der biologischen Aktivität, der Produktion<br />
sowie der Regulation von Naturstoffen aus Myxobakterien.<br />
Diese im Boden lebenden Bakterien gehören ebenso wie die<br />
schon länger als Wirkstoffproduzenten bekannten Actinomyceten<br />
zu den wichtigsten Quellen von Naturstoffen. Sie<br />
können verschiedenste Aktivitäten aufweisen und zum Bei -<br />
spiel als Antibiotika, Krebstherapeutika, Immunsuppressiva<br />
oder Parasitenbekämpfungsmittel eingesetzt werden. Myxo -<br />
bakterien bilden eine Vielzahl von Naturstoffen, sogenannte<br />
Sekundärmetabolite, unter anderem um mikrobielle Konkurrenten<br />
oder Feinde auszuschalten. Die Erforschung des<br />
enormen Potenzials der Myxobakterien für die Herstellung<br />
biologisch aktiver Substanzen erfordert den Einsatz eines<br />
breiten Spektrums unterschiedlicher Methoden aus den<br />
Bereichen Mikrobiologie, Molekularbiologie, Genetik, Biochemie,<br />
Verfahrenstechnik und analytische Chemie.<br />
Neu isolierte Myxobakterien aus diversen Lebensräumen<br />
weltweit bilden zusammen mit der historisch gewachsenen<br />
Myxobakterien-Stammsammlung des HZI in Braunschweig<br />
(über 8000 Stämme sind dort eingelagert) die Grundlage für<br />
die Suche nach bislang unbekannten Naturstoffen. Dabei ist<br />
es bereits gelungen, neue Bakterienarten, -gattungen und<br />
-familien sowie zahlreiche Kandidaten für neue Naturstoffe<br />
Sonja Burkart aus der Abteilung MINS kontrolliert eine Kultur<br />
im Schüttler. Foto: HZI, Bellhäuser<br />
(A) Schwarm von Byssovorax cruenta verlässt ein Cellulosestück<br />
auf einer Agar-Platte und (B) lichtmikroskopische<br />
Aufnahme eines Fruchtkörpers von Chondromyces crocatus)<br />
Fotos: R. Garcia<br />
zu identifizieren. Bei der Isolierung eines neuen Myxobakteriums<br />
ist es häufig unumgänglich, eine aufwendige<br />
Optimierung von mikrobiologischen Arbeitsweisen und<br />
Kultivierungsbedingungen zu betreiben, denn Myxobakterien<br />
pflegen einen ausgesprochen komplexen „Lebensstil“:<br />
Sie sind in der Lage sich in Schwärmen gleitend fortzubewegen<br />
und sich von anderen Mikroorganismen zu ernähren,<br />
indem sie diese regelrecht vertilgen. Unter Hungerbedingungen<br />
dagegen bilden Myxobakterien multizelluläre<br />
Strukturen, die sogenannten Furchtkörper, in deren Inneren<br />
sie als Myxosporen auch Stress wie z.B. Hitze oder Trockenheit<br />
überdauern können.<br />
Sobald es gelingt, ein Myxobakterium unter Laborbedingungen<br />
zu kultivieren, setzt die Abteilung MINS moderne<br />
massenspektrometrische Methoden ein, um das Metabolitenprofil<br />
auf die Anwesenheit bereits bekannter myxobakterieller<br />
Sekundärmetaboliten zu untersuchen. Gleichzeitig<br />
dient eine Reihe mikrobiologischer und zellbiologischer<br />
Aktivitätstest dazu, möglicherweise vorhandene neue<br />
Sekundärmetaboliten mit interessanter Wirkung zu entdecken.<br />
Deren Produktion wird sodann optimiert und nach<br />
Fermentation des Produzentenstamms im vergrößerten<br />
Maßstab mit flüssigkeitschromatographischen Verfahren<br />
aufgereinigt und der Strukturaufklärung zugeführt. Außerdem<br />
folgen häufig weitere zellbiologische Untersuchungen,<br />
um den Wirkmechanismus eines vielversprechenden neuen<br />
Naturstoffs im Detail aufzuklären. Diese Arbeiten werden<br />
in enger Kooperation mit der Arbeitsgruppe Mikrobielle<br />
Wirkstoffe (MWIS) am HZI durchgeführt.
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WISSENSCHAFTLICHER ERGEBNISBERICHT | Das <strong>Helmholtz</strong>-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (<strong>HIPS</strong>)<br />
Ebenso wichtig wie die Entdeckung neuer Myxobakterien<br />
und Naturstoffe ist MINS die Erforschung der Naturstoffbiosynthese<br />
einschließlich der Funktion der einzelnen daran<br />
beteiligten Enzyme. Die resultierenden Grundlagenkenntnisse<br />
werden dann genutzt, um über regulatorische Prozesse<br />
die Ausbeute zu optimieren und gezielt in die Biosynthesen<br />
einzugreifen, um neue und veränderte Strukturen herzustellen.<br />
Zu diesem Zweck sequenzieren die Forscher der<br />
Abteilung MINS die ungewöhnlich großen Genome einer<br />
Reihe von Myxobakterien, nachdem sie vor einigen Jahren<br />
das bislang größte entdeckte Bakteriengenom des Myxobakteriums<br />
Sorangium cellulosum vorgestellt haben. Es zeigt<br />
sich dabei regelmäßig, dass Myxobakterien eine außerordentlich<br />
große „genetische Kapazität“ zur Herstellung von<br />
Naturstoffen haben: jedes einzelne Myxobakterium ist in der<br />
Lage, neben den bereits bekannten Substanzen eine weitaus<br />
größere Anzahl bisher unbeschriebener Sekundärmetabolite<br />
zu produzieren. Die bioinformatisch entschlüsselten Genome<br />
der Mikroben bilden so die Grundlage dafür, mit hochempfindlichen<br />
analytischen Methoden, etwa massenspektrometrischen<br />
Metabolomics-basierten Ansätzen, nach bisher<br />
unbekannten Naturstoffen zu suchen. Weiterhin nutzt MINS<br />
die genetischen Daten, um die Produktion der myxobakteriellen<br />
Metabolite in den Bakterien zu optimieren oder deren<br />
Synthese in geeigneten Fremdorganismen mit erhöhter Ausbeute<br />
zu veranlassen. Darüber hinaus ist es möglich, Wirk -<br />
stoffe durch gezielte genetische Veränderungen zielgerichtet<br />
strukturell umzugestalten. Die Erkenntnisse aus der Analyse<br />
der myxobakteriellen Genome helfen nicht zuletzt auch dabei,<br />
die Mikrobiologie dieser Organismen besser zu verstehen.<br />
Die Abteilung „Wirkstoff-Design und Optimierung“ (DDOP)<br />
Abteilungsleiter | Prof. Dr. Rolf W. Hartmann | <strong>Helmholtz</strong>-<br />
Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (<strong>HIPS</strong>)<br />
im <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Zentrum</strong> für <strong>Infektionsforschung</strong> (HZI) |<br />
Abteilung für Wirkstoff-Design und Optimierung (DDOP) |<br />
rwh09@helmholtz-hzi.de<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiter | Dr. Johannes De Jong |<br />
Dr. Jörg Haupenthal | Dr. Matthias Negri | Dr. Anke Steinbach<br />
| Dr. Christina Zimmer<br />
Aufgrund der stetig steigenden Anzahl an multiresistenten<br />
Pathogenen und deren weltweiter Ausbreitung – insbesondere<br />
in Krankenhäusern – stellt die Behandlung von<br />
Infektionskrankheiten mehr denn je ein zunehmendes<br />
Problem für das Gesundheitswesen dar. Die Entwicklung<br />
neuer, antibiotisch wirksamer Substanzen besitzt daher<br />
eine wachsende Aktualität und höchste Priorität für die<br />
Pharmazeutische Forschung. Herkömmliche Antibiotika<br />
greifen gezielt in lebensnotwendige Vorgänge in Bakterien<br />
ein, um so die Krankheitserreger abzutöten. Ein alternativer<br />
Ansatz zielt darauf ab, durch Interferenz des Wirkstoffs<br />
mit dem Kommunikationssystem der Bakterien die Zell-<br />
Zell-Kommunikation der Bakterien zu unterbinden. Dieses<br />
Kommunikationssystem basiert auf dem Austausch von<br />
Signalmolekülen und reguliert unter Anderem die Produktion<br />
von Virulenzfaktoren und die Biofilmbildung. Beide<br />
könnten somit über diesen Weg abgeschwächt oder gar<br />
unterbunden werden.<br />
Die Fortschritte in der Erforschung von Mikroorganismen<br />
haben zu einer erhöhten Anzahl an Naturstoffen mit anti -<br />
biotischer Wirkung geführt. In der Antibiotikaforschung<br />
werden allerdings oft Naturstoffe als besonders wirksam<br />
identifiziert, die nachteilige pharmakokinetische Eigenschaften<br />
aufweisen, wie beispielsweise eine geringe Lös -<br />
lichkeit oder eine schwierige Synthese in großem Maßstab.<br />
Die Abteilung DDOP beschäftigt sich mit der Entwicklung<br />
von neuartigen, synthetischen Antiinfektiva. Diese werden<br />
entweder von Naturstoffen abgeleitet und nachfolgend<br />
optimiert, oder sie werden einem rationalen Wirkstoffdesign<br />
folgend neu konzipiert. Verschiedene medizinisch-chemische<br />
Strategien werden hierfür angewandt, von der Vereinfachung<br />
der chemischen Komplexität der Substanzen bis hin zum<br />
Computer-gestützten Wirkstoffdesign.<br />
In der Abteilung DDOP werden zwei Hauptprojekte<br />
bearbeitet, die entweder auf das Bakterienwachstum oder<br />
ihr Zell-Zell-Kommunikationssystem abzielen.<br />
Entwicklung von potenten Hemmstoffen der bakteriellen<br />
RNA-Polymerase Dieses Projekt befasst sich mit der<br />
Aufgabe, einen neuartigen, potenten Hemmstoff herzustellen,<br />
der das Ablesen der genetischen Information in<br />
Bakterien verhindert. Der Angriffspunkt dieses Hemmstoffes<br />
ist die sogenannte RNA-Polymerase (RNAP), ein Enzym,<br />
das für das Überleben von Bakterien essenziell ist.<br />
Jeannine Jung und Cenbin Lu aus der Abteilung DDOP diskutieren<br />
die Synthese eines neuen Inhibitors. Foto: HZI, Bellhäuser
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RNAP ist das Enzym, das für die Bildung von RNA in Zellen<br />
verantwortlich ist. Es ist ein komplexes, sehr großes Enzym<br />
mit einer Masse von ca. 400 kDa, das aus verschiedenen<br />
Protein-Untereinheiten besteht. Dabei handelt es sich um<br />
das katalytisch aktive Core-Enzym (α2ββ‘ω) und den<br />
Sigma-Faktor. Diese beiden Proteine interagieren während<br />
der Transkription miteinander. Da RNAP essenziell für das<br />
Bakterienwachstum ist und dabei spezifisch zwischen<br />
Bakterien wirkt, ist es ein attraktives Ziel für die Entwicklung<br />
eines Breitbandantibiotikums beim Menschen. Die<br />
Hemmung der RNAP hat zur Folge, dass für das Bakterium<br />
lebenswichtige Funktionen blockiert werden, die letztendlich<br />
dessen Tod bewirken. Als Zielbakterien sind solche<br />
besonders interessant, die beim Menschen schwerwiegende<br />
Erkrankungen hervorrufen. Hierzu zählt insbesondere<br />
Mycobacterium tuberculosis (Mtb), der Erreger der Tuberkulose,<br />
der weltweit zwei Millionen Tote pro Jahr verursacht.<br />
Da viele Bakterien eine wirkungsvolle Resistenz gegen<br />
derzeit auf dem Markt erhältliche Antiinfektiva entwickeln,<br />
steigt der Bedarf an neuen Wirkstoffen kontinuierlich. Ziel<br />
dieses Projektes ist es, neuartige Hemmstoffe der bakteriellen<br />
RNAP zu entwickeln und deren Wirkmechanismus zu<br />
verstehen. Der Wirkstoff soll nicht nur hinsichtlich seiner<br />
Potenz optimiert werden, sondern dahingehend, dass er in<br />
pathogene Bakterien eindringen kann, um dort letztlich<br />
seine antibiotische Funktion zu entfalten.<br />
Im Rahmen der Wirkstofffindung werden zweierlei Ansätze<br />
verfolgt:<br />
Der erste Ansatz hat zum Ziel, das Core-Enzym direkt zu<br />
hemmen. Da die Struktur der RNAP und verschiedene<br />
Hemmmechanismen weitgehend bekannt sind, nutzt die<br />
Abteilung DDOP intelligente Computer-gestützte Methoden,<br />
um potenzielle Hemmstoffe virtuell ausfindig zu machen.<br />
Diese „virtuellen Hits“ werden in experimentellen Tests auf<br />
ihre Wirksamkeit überprüft. Hits, die dabei als aktiv<br />
hervorgehen, werden in einem chemischen Optimierungszyklus<br />
weitergeführt, aus dem potente RNAP-Hemmstoffe<br />
hervorgehen sollen. Auch dieser Zyklus wird von virtuellen<br />
Designkonzepten und abgeleiteten Strukturwirkungsbeziehungen<br />
unterstützt.<br />
Der zweite Ansatz hat zum Ziel, die Interaktion zwischen<br />
Core-Enzym und Sigma-Faktor, und somit die Bildung des<br />
Holoenzyms zu unterbinden. Deren Interaktionsfläche (das<br />
„Interface“) ist bereits eingehend untersucht und wurde<br />
durch verschiedene Mutagenesestudien charakterisiert.<br />
Diese Informationen werden in der Abteilung DDOP genutzt,<br />
um eine geeignete Region für die Bindung und folglich für<br />
eine Inhibition durch einen Hemmstoff ausfindig zu<br />
machen. Erste RNAP-Hemmstoffe wurden bereits identifiziert.<br />
Das Ziel besteht nun darin, diese Verbindungen, zum<br />
Darstellung der Struktur der RNA Polymerase, die die fünf<br />
Untereinheiten hervorhebt. Ligand- und Struktur-basierte Ansätze<br />
werden im Design neuer RNAP Inhibitoren verfolgt.<br />
Teil kurzkettige Peptide, hinsichtlich ihrer Hemmwirkung<br />
und verschiedener pharmakologischer Eigenschaften zu<br />
verbessern. Daraus soll letztlich ein Wirkstoff erhalten<br />
werden, der seine antibiotische Wirkung gezielt im<br />
Menschen entfalten kann.<br />
RNAP aus E. coli und Mycobacterium tuberculosis soll<br />
kloniert und für biologische Tests der synthetisierten<br />
Verbindungen verwendet werden. Die vermuteten Bindungsstellen<br />
der neuen potenten Inhibitoren sollen dann durch<br />
Mutagenese charakterisiert werden.<br />
Entwicklung von Verbindungen, die mit dem PQS quorum<br />
sensing Kommunikationssystem in P. aeruginosa interferieren<br />
In diesem Projekt beschäftigen sich die Wissenschaftler<br />
der Abteilung DDOP mit der Entwicklung von<br />
Verbindungen, die mit dem PQS quorum sensing Kommunikationssystem<br />
in Pseudomonas aeruginosa interferieren.<br />
Lungeninfektionen durch dieses opportunistisch pathogene<br />
Bakterium werden als Haupttodesursache für Patienten mit<br />
Zystischer Fibrose angesehen. Resistenzen gegen herkömmliche<br />
Antibiotika sind oft assoziiert mit der Bildung von<br />
Biofilmen, die das Eindringen von eingesetzten Antibiotika<br />
durch diese physikalische Barriere verhindern und die<br />
Immunantwort herabsetzen. Sowohl die Bildung eines<br />
Biofilms als auch die Produktion von Virulenzfaktoren<br />
werden durch ein kompliziertes quorum sensing Kommunikationssystem<br />
gesteuert. Darüber nehmen Bakterien<br />
beispielsweise ihre Populationsdichte wahr und steuern<br />
eine Art Gruppenverhalten. Neben den zwei quorum sensing
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Systemen LasR und RhlR, die in vielen Bakterienarten<br />
existieren, gibt es in P. aeruginosa ein drittes, einzigartiges<br />
Kommunikationssystem, das durch PQS (Pseudomonas<br />
Quinoline Signal, 2-Heptyl-3-Hydroxy-4-Chinolon) als<br />
Signalmolekül reguliert wird. Das Ziel des Projektes ist die<br />
Entwicklung von Verbindungen, die mit dem PQS quorum<br />
sensing Kommunikationssystem interferieren, um die<br />
Bildung eines Biofilms sowie die Produktion von verschiedenen<br />
Virulenzfaktoren zu verhindern – dieses jedoch,<br />
ohne das Wachstum der Bakterien zu beeinflussen. Zwei<br />
Ansätze werden verfolgt: einerseits soll die Wirkung von<br />
PQS am Rezeptor PqsR antagonisiert werden, andererseits<br />
soll die Biosynthese von HHQ, dem direkten Vorläufer von<br />
PQS, durch die Hemmung des Enzyms PqsD blockiert werden.<br />
Entwicklung von Antagonisten des Transkriptionsregulators<br />
PqsR Ein Fokus liegt in der Synthese von Analoga von<br />
PQS, welche an PqsR binden und dieses blockieren sollen.<br />
Der Transkriptionsregulator PqsR steuert nach Aktivierung<br />
durch PQS die Expression von Virulenzfaktoren. Die PQS-<br />
Analoga werden in einem gerade etablierten β-Galaktosidase-<br />
Reportergen-Assay getestet. Dabei wird die transkriptionale<br />
Aktivierung des PqsA-Promoters als Folge der PQS-Bindung<br />
an PqsR gemessen. Des Weiteren sollen SPR-Methoden zur<br />
kinetischen Charakterisierung von Hits mit dem verkürzten<br />
PqsR ( C87 PqsR) entwickelt und für ein medium-throughput<br />
screening einer Fragmentbibliothek eingesetzt werden.<br />
Daraus resultierende Hits werden mittels ITC (Isothermische<br />
Titrationskalorimetrie) thermodynamisch charakterisiert.<br />
Hemmung des zweiten Enzyms der PQS-Biosynthese PqsD<br />
Um potenzielle PqsD-Inhibitoren biochemisch zu evaluieren,<br />
wurde ein PqsD LC-MS/MS basierter Hemmungsassay<br />
etabliert. Neue PqsD-Hemmstoffe, strukturelle Analoga des<br />
nativen Substrats Anthraniloyl-CoA, wurden bereits<br />
synthetisiert. In einem SPR-basierten medium-throughput<br />
screening werden aktuell eine hauseigene Substanzbibliothek<br />
sowie kommerzielle Fragment-Datenbanken getestet.<br />
Daraus resultierende Hits werden nachfolgend kinetisch<br />
charakterisiert. Begleitend zum SPR-Ansatz wird auch ein<br />
virtuelles Screening an PqsD durchgeführt. Erste bindende<br />
Fragmente wurden bereits identifiziert und werden in<br />
einem fragment-growing-Ansatz als neue Grundgerüste<br />
benutzt. Die Identifizierung von Fragmenten und ihren<br />
Bindungsmodi wird mit hoch-auflösender NMR-Spektroskopie<br />
begleitet. Weiterhin sollen kinetische Studien, die<br />
sowohl computergestützt, als auch biochemisch (biologische<br />
Assays, SPR, ITC) durchgeführt werden, die Entwicklung von<br />
PqsD-Hemmstoffen vorantreiben. Insbesondere die Überprüfung<br />
der kinetischen Mechanismen mittels Moleküldynamiksimulationen<br />
ermöglicht einen Einblick in die Flexibilität<br />
des Proteins und kann dazu beitragen mögliche induced-fit<br />
Mechanismen aufzudecken und zu erklären.<br />
Die Abteilung „Wirkstofftransport“ (DDEL)<br />
Abteilungsleiter | Prof. Dr. Claus-Michael Lehr | <strong>Helmholtz</strong>-<br />
Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (<strong>HIPS</strong>) im<br />
<strong>Helmholtz</strong>-<strong>Zentrum</strong> für <strong>Infektionsforschung</strong> (HZI) | Abteilung<br />
für Wirkstofftransport (DDEL) / cle09@helmholtz-hzi.de<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiter | Dr. Eva-Maria Collnot |<br />
Dr. Nicole Daum | Dr. Steffi Hansen | Dr. Brigitta Loretz<br />
Wirkstofftransport über biologische Barrieren hinweg<br />
Fortschritte in der molekularen Biotechnologie und der<br />
medizinischen Chemie haben dazu geführt, dass eine<br />
Vielzahl neuer Substanzen entdeckt wurde, die eine<br />
potenzielle Affinität zum Zielrezeptor aufweisen. Jedoch<br />
müssen bei der Weiterentwicklung solcher Wirkstoffmoleküle<br />
zum Medikament mehrere Aspekte beachtet werden.<br />
Sie müssen auf die Durchlässigkeit, ihren Transport und<br />
die Bioverfügbarkeit durch biologische Barrieren untersucht<br />
werden. Des Weiteren ist die Entwicklung neuer Technologien<br />
erforderlich, um ihren sicheren und effizienten Transport<br />
zum Wirkort zu gewährleisten. Daher liegt der Forschungsschwerpunkt<br />
der Abteilung „Wirkstofftransport“ zum einen<br />
in der Erforschung der biologischen Barrieren selbst,<br />
namentlich der Lunge, des Magen-Darm-Traktes und der<br />
Haut. Zum anderen beschäftigt sich DDEL mit der Entwicklung<br />
geeigneter Trägersysteme, die in der Lage sind, diese<br />
epithelialen Barrieren zu überwinden, um das Wirkstoffmolekül<br />
an den Zielort zu bringen.<br />
Entwicklung eines neuen in vitro-Modells der Blut-Luft-<br />
Schranke Die so genannte „Blut-Luft-Schranke“, die vom<br />
Alveolarepithel der Lunge gebildet wird, ist nicht nur von<br />
Bedeutung für den pulmonalen Transport von Wirkstoffen,<br />
sondern auch im Rahmen von Krankheiten, die durch<br />
Aerosole übertragen werden, wie z. B. Schweinegrippe und<br />
Tuberkulose. Um die in vivo-Situation nachzuahmen, gibt es<br />
bereits einige in vitro-Zellkulturmodelle (z. B. Tumorzellen,<br />
primäre Zellen tierischen Ursprungs), denen allerdings auf<br />
Nico Mehl bringt Kolben mit Proben zum Gefriertrocknen am<br />
Lyophilisator an. Foto: HZI, Bellhäuser
WISSENSCHAFTLICHER ERGEBNISBERICHT | Das <strong>Helmholtz</strong>-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (<strong>HIPS</strong>)<br />
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Grund ihrer geänderten Barriereeigenschaften größtenteils<br />
die biologische Relevanz fehlt. Primäre humane Zellen<br />
spiegeln die in vivo-Situation am besten wider, allerdings<br />
sind sie nur sehr begrenzt verfügbar und ihre Isolation<br />
gestaltet sich zeit- und kostenintensiv.<br />
Daher wird eine neue Zelllinie entwickelt, mit deren Hilfe<br />
ein in vitro-Modell etabliert wird, das nicht von Tumorzellen<br />
abgeleitet ist und intakte Barriereeigenschaften aufweist.<br />
Dieses System wird es ermöglichen, Infektionspfade über<br />
den Respirationstrakt aufzuklären und die Entdeckung von<br />
Wirkstoffen zu erleichtern, mit denen solche Infektionskrankheiten<br />
behandelt werden können.<br />
Nadelfreie Impfung über die Haut Die meisten Impfungen<br />
werden heutzutage über eine intramuskuläre Injektion<br />
verabreicht. Allerdings kann mit dieser Applikationsart<br />
der Impfstoff die antigenpräsentierenden Zellen der Haut,<br />
die die weitere Immunantwort auslösen, nicht optimal<br />
erreichen. Neue Strategien zur nadelfreien Impfung über<br />
die Haut schädigen die schützende Hornschichtbarriere<br />
über einen signifikanten Zeitraum und sind daher für<br />
flächendeckende Impfungen in Ländern mit kritischen<br />
Hygienebedingungen ungeeignet.<br />
Kürzlich wurde über eine alternative Impfstrategie berichtet,<br />
wobei Nanopartikel über die Haarfollikel zum Hautimmunsystem<br />
vordringen. Da bekannt ist, dass Pollenantigene die<br />
talggefüllten Follikel schnell durchdringen und bei entsprechend<br />
sensibilisierten Personen eine allergische Reaktion<br />
auslösen können, soll dieser Mechanismus mit künstlichen,<br />
partikulären Impfstoffträgersystemen nachgeahmt werden.<br />
Diese Strategie für die Umsetzung der nadelfreien Impfung<br />
über die intakte Hautbarriere ist sehr vielversprechend und<br />
wird in der Abteilung Wirkstofftransport nun intensiv weiter<br />
entwickelt.<br />
Nano- und mikropartikuläre Arzneistoffformulierungen<br />
zur Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen<br />
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie die Kolitis<br />
ulzerosa sind Autoimmunerkrankungen des Magen-Darm-<br />
Trakts. Die Patienten leiden schubweise unter starken<br />
Schmerzen, Magen-Darm-Krämpfen und heftigem, oft<br />
blutigem Durchfall. Zudem ist das Risiko, an Darmkrebs zu<br />
erkranken, wesentlich erhöht.<br />
In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass sich Teilchen<br />
im Nano- bis Mikrometerbereich gezielt im entzündeten<br />
Darmgewebe anreichern. Daher könnten nano- und<br />
mikropartikuläre Arzneistoffformulierungen die Therapie<br />
chronisch entzündlicher Darmerkrankungen in naher<br />
Zukunft verbessern. In der Abteilung „Wirkstofftransport“<br />
Caco-2 Zelle mit an die Zellmembran adhärierten Propylstärke-<br />
Nanopartikeln Foto: <strong>HIPS</strong> / HZI<br />
werden zur Zeit solche neuartigen Formulierungen für eine<br />
ganze Reihe unterschiedlicher antiinfektiöser Wirkstoffe<br />
entwickelt. Zusätzlich wurde ein neuartiges Zellkulturmodell<br />
der entzündeten Darmmukosa etabliert, das Studien<br />
zum Mechanismus der Anreicherung erlaubt.<br />
Design neuer Transportsysteme für Nukleinsäuren<br />
In der nicht-viralen Gentherapie verschiebt sich der Fokus<br />
von der Behandlung mutationsbedingter Krankheiten hin<br />
zur Anwendung als Schutzimpfung oder Allergiebehandlung.<br />
Das erneut zunehmende Interesse ist auf die Entdeckung der<br />
RNA-Interferenz zurückzuführen. Es handelt sich dabei um<br />
einen Mechanismus zur sequenzspezifischen Inhibition<br />
eines Zielgens, der als Therapie für viele unterschiedliche<br />
Krankheiten genutzt werden kann. Die physikochemischen<br />
Eigenschaften von Nukleotidketten sowie die epithelialen<br />
Barrieren verhindern jedoch den effektiven Transport zum<br />
Wirkort. Deshalb ist zur Nutzung dieser Therapien ein<br />
geeignetes Transportsystem notwendig, welches effizient,<br />
sicher und klinisch anwendbar ist. Hierzu entwickeln die<br />
Wissenschaftler der Abteilung DDEL aus aktuellen Ansätzen<br />
der Polymerchemie und Nanotechnologie eigene Formulierungen.<br />
In diesen wird der Wirkstoff entweder komplex<br />
gebunden (Polyrotaxane als kationische Partner zur<br />
Komplexierung der anionischen Nukleinsäuren) oder in<br />
Nanopartikeln eingekapselt (core-shell Trägerpartikel auf<br />
Basis biodegradierbarer Polymere wie Chitosan-umhüllte<br />
PLGA-Partikel). Ziel ist die Entwicklung von Trägersystemen,<br />
die durch kontrollierbare physikalische und pharmakokinetische<br />
Eigenschaften an unterschiedliche Applikationsrouten<br />
anpassbar sind. Zunächst werden diese Transportsysteme für<br />
die Aufnahme über die Lunge und in späteren Projekten<br />
auch über den Verdauungstrakt optimiert werden.