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Stellungnahme zur Regelbedarfsermittlung in der Grundsicherung ...

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Zu diesem ersten tritt e<strong>in</strong> weiterer Zirkelschlusseffekt h<strong>in</strong>zu, denn § 4 RBEG gibt das bisherige e<strong>in</strong>heitliche<br />

Abstellen auf die unteren 20 % <strong>der</strong> erfassten Haushalte teilweise auf. Diese s<strong>in</strong>d nur noch für Familienhaushalte<br />

(§ 2 Nr. 2 RBEG) maßgeblich. Für E<strong>in</strong>personenhaushalte nach § 2 Nummer 1 werden ohne<br />

h<strong>in</strong>reichende sachliche Begründung nur noch die unteren 15 % <strong>der</strong> Haushalte als Referenzgruppe herangezogen.<br />

Auch mit dieser Weichenstellung greift das Gesetz <strong>in</strong> das zunächst zugrunde gelegte Statistikmodell<br />

e<strong>in</strong>, ohne dafür fachliche Gründe vorweisen zu können. Alle<strong>in</strong> die letztlich f<strong>in</strong>anzpolitische Vorgabe,<br />

<strong>in</strong> bestimmten Konstellationen den Regelsatz zu m<strong>in</strong><strong>der</strong>n, ist für das Berechnungsergebnis maßgeblich 15 .<br />

Problematisch an <strong>der</strong> vorgenommenen Lösung ist, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber mit den §§ 3 und 4 RBEG willkürlich<br />

Faktoren än<strong>der</strong>t, die Grundlage für die Ermittlung <strong>der</strong> relevanten Regelbedarfe s<strong>in</strong>d. Damit entfernt<br />

er sich aber von dem Erfor<strong>der</strong>nis, auf reale Bedürfnisse abzustellen und das unter den bestehenden gesellschaftlichen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen erfor<strong>der</strong>liche Existenzm<strong>in</strong>imum sicherzustellen. An<strong>der</strong>s als das Bundessozialgericht<br />

dies annimmt, vermag <strong>der</strong> vom Bundesverfassungsgericht gesetzte enge Zeitrahmen diese Fehler<br />

nicht zu rechtfertigen 16 . Wie dargestellt beruht die Abgrenzung <strong>der</strong> Referenzgruppen auf e<strong>in</strong>er Grundentscheidung<br />

bei <strong>der</strong> Fragestellung an die statistische Datenauswertung, die <strong>in</strong>haltliche Verzerrungen im<br />

Ergebnis offenbar <strong>in</strong> Kauf genommen hat. Gemessen an <strong>der</strong> Auswirkung dieser Verzerrungen wäre e<strong>in</strong>e<br />

weitere Verzögerung beim Inkrafttreten e<strong>in</strong>er korrekt reformierten <strong>Regelbedarfsermittlung</strong> weniger belastend<br />

gewesen, zumal sich die negativen Folgen <strong>der</strong> Verzögerung mit e<strong>in</strong>em rückwirkenden Inkrafttreten<br />

<strong>der</strong> Neuregelung hätte kompensieren lassen.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund erweist sich die sachliche Ungleichbehandlung und <strong>der</strong> Verzicht auf e<strong>in</strong>heitliche<br />

Kriterien für den Zuschnitt <strong>der</strong> Referenzgruppen auch unter dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> Gleichbehandlung im<br />

S<strong>in</strong>ne von Art. 3 Abs. 1 GG als nicht haltbar.<br />

1.3 Auswahl regelbedarfsrelevanter Verbrauchsausgaben<br />

Auch die noch näher darzustellenden Ausnahmen von den Bedarfen nach <strong>der</strong> EVS erweisen sich als verfassungsrechtlich<br />

bedenklich. Obwohl auch das Bundesverfassungsgericht solche Abschläge grundsätzlich<br />

zulässt, verlangt es hierfür sachliche Gründe 17 . Methodisch stellen diese Abschläge nämlich Abweichungen<br />

von <strong>der</strong> dem Gesetzgeber überlassenen Methodenwahl dar und begründen so stets die Gefahr,<br />

gegen die Gebote von Transparenz und Folgerichtigkeit zu verstoßen. Diese Gefahr hat sich im RBEG –<br />

wie im Folgenden dargelegt wird – <strong>in</strong> mehrfacher Weise verwirklicht. Die Folgen für die Leistungsberechtigten<br />

und die Regelsatzhöhe s<strong>in</strong>d erheblich 18 .<br />

Die un<strong>zur</strong>eichenden Begründungen für das methodische Vorgehen und die fehlende Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit den gegen dieses Vorgehen erhobenen E<strong>in</strong>wänden lassen den E<strong>in</strong>druck entstehen, dass die im RBEG<br />

„ermittelten“ Regelsätze politisch gesetzt s<strong>in</strong>d. Die vom Gesetzgeber gewählte Fassung und Darstellung<br />

genügt <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>sicht den Anfor<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e rechtsstaatliche Umsetzung des Grundrechtes auf<br />

e<strong>in</strong> menschenwürdiges Existenzm<strong>in</strong>imum.<br />

Die bereits angesprochene Auswahl regelbedarfsrelevanter Verbrauchsausgaben und <strong>der</strong> damit e<strong>in</strong>hergehende<br />

Ausschluss bestimmter Verbrauchsausgaben als nicht angemessen erfolgt getrennt nach E<strong>in</strong>personen-<br />

und Familienhaushalten <strong>in</strong> §§ 5 und 6. Im Rahmen von § 6 f<strong>in</strong>den dabei beson<strong>der</strong>e familienspezifische<br />

Ausgaben nur Berücksichtigung, wenn sie dem K<strong>in</strong>d zu<strong>zur</strong>echnen s<strong>in</strong>d.<br />

Die Beschwerdeführer weisen zu Recht auf offenkundige Wertungs- und Begründungsausfälle bei <strong>der</strong><br />

Festlegung <strong>der</strong> regelbedarfsrelevanten Verbrauchskosten h<strong>in</strong>. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Auswahl<br />

von unangemessenen Aufwendungen stellt e<strong>in</strong>e Wertungsentscheidung dar, die nachhaltig <strong>in</strong> die<br />

Lebensgestaltung <strong>der</strong> Betroffenen e<strong>in</strong>greift, zugleich aber e<strong>in</strong>e nachvollziehbare und tragbare Begründung<br />

dieser Wertungen vermissen lässt. Hier seien nur e<strong>in</strong>ige Beispiele genannt:<br />

15 Drs. 17/3404 S. 89<br />

16 BSG Urteil vom 28.3.2013 Rn. 28<br />

17 BVerfG Urteil vom 9.2.2010 Rn. 170<br />

18 Siehe dazu die Aufstellungen am Ende dieser <strong>Stellungnahme</strong><br />

Diakonie-<strong>Stellungnahme</strong> <strong>zur</strong> <strong>Regelbedarfsermittlung</strong> – Seite 7 von 25

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