Das Magazin der VNG-Gruppe - Verbundnetz Gas AG
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02 | 2013<br />
mediumgas<br />
<strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>der</strong> <strong>VNG</strong>-<strong>Gruppe</strong><br />
Im Fokus: Die Baustellen<br />
<strong>der</strong> Energiewende<br />
und die Möglichkeiten,<br />
die Erdgas bietet.
inhalt<br />
Baustelle Energiewende.<br />
04<br />
MARKTBLICK<br />
Erdgas ist noch lange verfügbar! | Gazprom<br />
rechnet mit steigendem Verbrauch in Europa |<br />
Erdgas-Marketing-Verband gegründet | Nachbesserungen<br />
bei KWK gefor<strong>der</strong>t | IT-Systeme automatisieren<br />
Meldepflichten | Die Kombination macht’s |<br />
<strong>Gas</strong>motor auf’m Acker | Kommunalwirtschaft Ost gewinnt<br />
an Bedeutung | Mit Herzenswärme unterwegs |<br />
Geschafft! Mit weniger als 100 Euro durch Europa<br />
12 <strong>Das</strong><br />
TITELTHEMA Auf dem richtigen Weg?<br />
Die Baustellen <strong>der</strong> Energiewende |<br />
Erdgas-Paradox<br />
Wissen<br />
20 LNG bald die Nummer 1 unter den<br />
Schiffstreibstoffen?<br />
Verflüssigtes Erdgas erfüllt alle Umweltanfor<strong>der</strong>ungen.<br />
Die LNG-Infrastruktur soll deshalb ausgebaut<br />
werden. Doch noch scheuen viele Ree<strong>der</strong>eien<br />
allerdings die Investitionen.<br />
24<br />
PORTRÄT<br />
Ein sauberes Klima in <strong>der</strong> Zigarrenstadt<br />
Die Energie- und Wasserversorgung Bünde vereint<br />
Tradition und Mo<strong>der</strong>ne.<br />
28<br />
Hauptstadtgespräch<br />
„Wir brauchen tragfähige politische<br />
Beschlüsse und mehr Planungssicherheit für die<br />
Akteure.“<br />
VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck über<br />
die Energiewende, die För<strong>der</strong>ung Erneuerbarer Energien<br />
und die anstehende Bundestagswahl.<br />
Impressum<br />
medium gas <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>der</strong> <strong>VNG</strong>-<strong>Gruppe</strong> | 21. Jahrgang | Ausgabe 2 | August 2013 | <strong>VNG</strong> – <strong>Verbundnetz</strong> <strong>Gas</strong> Aktiengesellschaft | Braunstraße 7 | 04347 Leipzig<br />
Postfach 24 12 63 | 04332 Leipzig | Telefon +49 341 443-0 | Fax +49 341 443-2770 | www.vng.de | Redaktion Unternehmenskommunikation | Verantwortliche<br />
Redakteurin Mandy Nickel | Telefon +49 341 443-2045 | mandy.nickel@vng.de | Auflage 4.300 | Gestaltung, Herstellung, Reproduktion Militzer & Kollegen GmbH Druck<br />
Werbe- & Sofortdruck GmbH, Leipzig | Fotos atzebadekappe/fotolia (S. 11), Bianca Backert, Lutz Knoch, Stefan Militzer (S. 1–2, S. 12–17, S. 32), Brunsbüttel Ports GmbH<br />
(S. 22), Dirk Brzoska (S. 2, S. 31), Christoph Busse (S. 31), Kristina Denhof (S. 7), Gazprom (S. 4, S. 5), Michael Handelmann (S. 3), Wolfram S. C. Heidenreich (S. 18), Linde<br />
<strong>AG</strong> (S. 2, S. 21), HHM/Michael Lindner (S. 22), Fabian Mechtel (S. 10, S. 11), Photok.dk/fotolia (S. 31 ) Werner Schuering (S. 29), shocky/fotolia (S. 8), ŠKODA Auto (S. 10,<br />
S. 11), Uni Rostock (S. 8)<br />
2
medium gas 2 | 2013<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
in wenigen Tagen wird ein neuer Bundestag gewählt. Er wird sich in <strong>der</strong> kommenden Legislaturperiode<br />
mit einer Vielzahl von wegweisenden Themen beschäftigen müssen. Eines davon ist die weitere Ausgestaltung<br />
<strong>der</strong> Energiewende. Dabei geht es vor allem darum, wie die deutsche Energieversorgung zukünftig<br />
sicher bleibt und die häufig volatilen Erneuerbaren und die konventionellen Energien – darunter auch<br />
Erdgas – zusammengeführt werden. <strong>Das</strong>s dies mit den jeweils wirtschaftlichsten und versorgungssichersten<br />
Mitteln erfolgen sollte und dass die Investitionssicherheit dabei gestärkt werden müsse, das<br />
haben die Energiebranche und die Industrieverbände in den vergangenen Monaten deutlich gemacht<br />
und damit auch Gehör in <strong>der</strong> Politik gefunden.<br />
medium gas geht in dieser Ausgabe <strong>der</strong> Frage nach, wie <strong>der</strong> politische (Energiewende)-Rahmen in<br />
Deutschland aussieht, in welche Richtung er – insbeson<strong>der</strong>e nach <strong>der</strong> Wahl – steuern könnte und welche<br />
Chancen ein wettbewerbsbestimmter Energiemarkt für den Erfolg <strong>der</strong> Energiewende bietet. Unsere<br />
Heftgestaltung mit Lego ® steht symbolisch dafür, dass noch nicht alle Bausteine für die zukünftige<br />
deutsche Energieversorgung zusammenpassen.<br />
Im Hauptstadtgespräch erklärt Hans-Joachim Reck vom Verband kommunaler Unternehmen, wie er sich<br />
einen neuen Energiemarkt in Deutschland vorstellt.<br />
Im direkten Zusammenhang mit <strong>der</strong> Energiewende steht auch unser Wissensbeitrag. Wir haben uns angeschaut,<br />
wie ein mit verflüssigtem Erdgas betriebenes Tankschiff funktioniert und welche Perspektiven<br />
<strong>der</strong> umweltfreundliche Treibstoff für eine saubere, zukunftsweisende Schifffahrt hat.<br />
Übrigens: Mit den Lego ® -Figuren aus unserem Titelbeitrag spielen jetzt die Kin<strong>der</strong> im Leipziger Straßenkin<strong>der</strong><br />
e. V. Der Verein unterstützt obdachlose und von Obdachlosigkeit bedrohte Kin<strong>der</strong>, Jugendliche<br />
und junge Erwachsene und bietet ihnen eine Zufluchtsmöglichkeit.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei <strong>der</strong> Lektüre.<br />
Ihr Bernhard Kaltefleiter<br />
3
Marktblick<br />
Erdgas ist noch lange verfügbar!<br />
Im Jahr 2012 wurden 24 Prozent des Weltenergiebedarfes<br />
durch Erdgas gedeckt – so<br />
viel wie noch nie. Noch vor wenigen Jahren<br />
wurde diskutiert, ob die Erdgasreserven<br />
langfristig ausreichen, um den wachsenden<br />
Bedarf zu decken. Diese Sorge hat<br />
sich als unbegründet erwiesen. Denn<br />
durch die Industrialisierung <strong>der</strong> Schwellenlän<strong>der</strong><br />
und dem damit verbundenen<br />
Hunger nach Energie wurden weitere Ressourcen<br />
erschlossen. Die nachgewiesenen<br />
<strong>Gas</strong>reserven sind dadurch weltweit in den<br />
letzten zehn Jahren um rund 20 Prozent<br />
gestiegen. In den USA betrug <strong>der</strong> Anstieg<br />
aufgrund <strong>der</strong> Erschließung großer Schiefergasvorkommen<br />
sogar 60 Prozent.<br />
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften<br />
und Rohstoffe schätzt die globalen Erdgasreserven<br />
auf 191 Billionen Kubikmeter.<br />
Die Angaben an<strong>der</strong>er Quellen (z. B. BP, IEA)<br />
bewegen sich in vergleichbaren Größenordnungen.<br />
Bezogen auf den Verbrauch<br />
2012 würden allein die Reserven rund 60<br />
Jahre für die Versorgung reichen. Als Reserven<br />
bezeichnet man nachgewiesene, zu<br />
heutigen Preisen und mit heutiger Technik<br />
wirtschaftlich gewinnbare Mengen. Um ein<br />
Vielfaches höher sind die Erdgasressourcen,<br />
also jene Mengen, die schon nachgewiesen,<br />
aber heute technisch o<strong>der</strong><br />
wirtschaftlich (noch) nicht gewinnbar sind.<br />
Hier wird von einer Reichweite von rund<br />
175 Jahren ausgegangen.<br />
Interessant ist übrigens auch die Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Erdgasproduktion in den<br />
kommenden Jahren. Große Zuwächse in<br />
<strong>der</strong> Erdgasför<strong>der</strong>ung werden u. a. für die<br />
USA, den Iran, Katar, Australien und China<br />
prognostiziert.<br />
Die Erdgasproduktion wird weltweit zunehmen<br />
– außer in Europa (in Milliarden m 3 )<br />
Die weltweiten Erdgasreserven reichen für rund 60 Jahre, die Ressourcen sogar für rund 175 Jahre.<br />
(in Billionen m 3 )<br />
800<br />
2010<br />
2030 Reserven Ressourcen<br />
168<br />
700<br />
600<br />
500<br />
604<br />
784<br />
10<br />
101<br />
4<br />
21<br />
EUROPA<br />
80<br />
49<br />
61<br />
400<br />
300<br />
NORDAMERIKA<br />
56<br />
70<br />
NAHOST<br />
GUS-STAATEN<br />
112<br />
200<br />
100<br />
0<br />
USA<br />
201<br />
94<br />
EU<br />
143<br />
180<br />
IR<br />
121<br />
204<br />
95<br />
264<br />
49<br />
139<br />
QA CN AU<br />
8<br />
LATEINAMERIKA<br />
15<br />
AFRIKA<br />
17<br />
ASIEN und AUSTRALIEN<br />
Quelle: IEA, World Energy Outlook, Nov. 2012,<br />
„New Policies Scenario“<br />
Quelle: BGR 2012<br />
4
medium gas 2 | 2013<br />
Gazprom rechnet mit steigendem Verbrauch in Europa<br />
Russischer Produzent veröffentlicht Jahreszahlen und betont dabei die Wichtigkeit des europäischen Marktes.<br />
Im vergangenen Jahr hat <strong>der</strong> russische <strong>Gas</strong>lieferant<br />
Gazprom rund 139 Mrd. m 3 Erdgas nach Europa geliefert.<br />
Die Menge entspricht rund einem Viertel des europäischen<br />
<strong>Gas</strong>verbrauchs. Die größten Abnehmer<br />
sind Deutschland (34 Mrd. m 3 ) und Italien (15 Mrd.<br />
m 3 ). Für das laufende Jahr rechnet Gazprom zudem<br />
mit einem steigenden Verbrauch in Europa. Bereits<br />
im ersten Halbjahr 2013, so Gazprom, wären zehn<br />
Prozent mehr Erdgas geliefert worden. Weil Europa<br />
nach wie vor Gazproms Hauptexportmarkt ist und<br />
auch bleiben soll, ist das Unternehmen bestrebt, die<br />
För<strong>der</strong>ung und die Infrastruktur weiter auszubauen.<br />
Große Anstrengungen setzt Gazprom dabei vor<br />
allem in den Ausbau von För<strong>der</strong>kapazitäten in den<br />
Regionen Jakutsk, Irkutsk und Sachalin. <strong>Das</strong> neueste<br />
Leitungsprojekt ist die im Bau befindliche South<br />
Stream, die ab 2015 <strong>Gas</strong> durch das Schwarze Meer<br />
bis nach Italien transportieren soll. Außerdem erweitert<br />
Gazprom nach eigenen Aussagen auch die Speicherkapazitäten<br />
in den europäischen Märkten. Bis<br />
2015 wolle das Unternehmen hier rund 4,9 Mrd. m 3<br />
Speicherkapazitäten vorhalten.<br />
GAZPROM ...<br />
… verfügt über 18 % <strong>der</strong> Welterdgasvorräte und 72 % <strong>der</strong> russischen Erdgasvorräte.<br />
… hat eine Gesamtför<strong>der</strong>kapazität von ca. 600 Mrd. m 3 /Jahr.<br />
… hat sein Ferngasleitungsnetz auf 168.300 km ausgebaut.<br />
… ist nicht nur größter russischer Erdgas- und Erdölproduzent, son<strong>der</strong>n<br />
auch <strong>der</strong> größte Stromerzeuger im Land.<br />
... hat seit 1973 über eine Billion m³ Erdgas nach Deutschland geliefert,<br />
davon rund 250 Mrd. m³ an <strong>VNG</strong>.<br />
Erdgas-Marketing-verband gegründet<br />
Die Erdgaswirtschaft hat einen neuen<br />
Verband gegründet. Der Zukunft<br />
ERDGAS e. V. mit Sitz in Berlin soll Erdgas<br />
als zukunftsfähigen Energieträger<br />
gegenüber „Meinungsbildnern und<br />
<strong>der</strong> Politik sowie den Eigenheimbesitzern“<br />
positionieren. Bisher wurden<br />
diese Marketing-Aktivitäten unter <strong>der</strong><br />
Produkt- und Systemkampagne und <strong>der</strong><br />
Initiative Erdgas pro Umwelt (IEU)<br />
verantwortet. Zu den Gründungsmitglie<strong>der</strong>n<br />
gehören 35 Unternehmen <strong>der</strong><br />
Erdgaswirtschaft. Auch <strong>VNG</strong> ist Mitglied<br />
im neuen Verband und stellt mit<br />
seinem Vorstand Prof. Dr. Klaus-Dieter<br />
Barbknecht einen <strong>der</strong> stellvertretenden<br />
Vorsitzenden des Aufsichtsrates.<br />
Die Heizgeräteindustrie und das Handwerk<br />
unterstützen die neue Initiative als für die Energiewende zu kommunizieten<br />
und kostengünstigen Energieträger<br />
Partner, ebenso <strong>der</strong> deutsche Energiebranchenverband<br />
BDEW. Timm um die Wärmewende zu führen. Der<br />
ren und dabei eben auch eine Debatte<br />
Kehler, <strong>der</strong> Sprecher <strong>der</strong> Geschäftsführung<br />
des neuen Verbandes, betonte, übernehmen.<br />
Verband solle diese Aufgabe künftig<br />
wie wichtig es sei, Erdgas als effizien<br />
Zukunft ERDGAS e. V.<br />
Erdgas-Powerriegel<br />
www.zukunft-erdgas.info<br />
5
Marktblick<br />
Nachbesserungen bei KWK gefor<strong>der</strong>t<br />
KWK-Anlagen könnten bis zu 25 Prozent <strong>der</strong> für das Jahr 2050<br />
in Deutschland prognostizierten CO 2<br />
-Emissionen einsparen. Zu<br />
dem Ergebnis kommt eine Studie, die <strong>der</strong> Energiebundesverband<br />
BDEW und <strong>der</strong> Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte<br />
und KWK (<strong>AG</strong>FW) in Auftrag gegeben haben. Zudem könne<br />
laut Studie <strong>der</strong> Anteil von KWK an <strong>der</strong> steuerbaren Stromerzeugung<br />
im gleichen Jahr bei 63 Prozent liegen und <strong>der</strong> Anteil<br />
von Erdgas in KWK-Anlagen von <strong>der</strong>zeit rund 50 auf 75 Prozent<br />
steigen. Mikro- und Mini-BHKW-Anlagen hätten ein Potenzial<br />
von zehn Prozent am Heizungsmarkt. Um die Möglichkeiten<br />
von KWK für die Energiewende auch auszuschöpfen, schlagen<br />
beide Verbände zahlreiche Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> energiewirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen vor. So müssten unter an<strong>der</strong>em<br />
<strong>der</strong> Emissionshandel belebt, die Zuschläge im KWK-Gesetz<br />
überprüft und die För<strong>der</strong>ung von Wärme- und Kältenetzen bzw.<br />
Speichern verbessert werden. Bei <strong>der</strong> Kraft-Wärme-Kopplung<br />
wird gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt, was zu einer sehr<br />
effizienten Brennstoffnutzung führt.<br />
IT-Systeme automatisieren Meldepflichten<br />
Europäische Verordnungen REMIT und EMIR verlangen nach intelligenten IT-Lösungen.<br />
Ab 2014 müssen Unternehmen im Energiesektor<br />
ihre Handelstransaktionen<br />
umfangreicher als bisher offenlegen.<br />
Grund sind die europäischen Verordnungen<br />
EMIR und REMIT. Die damit verbundenen<br />
Meldepflichten betreffen insbeson<strong>der</strong>e<br />
den außerbörslichen Handel<br />
mit Finanz<strong>der</strong>ivaten. So müssen unter<br />
EMIR beispielsweise die bisher im „Overthe-Counter“-Handel<br />
getätigten Transaktionen<br />
besichert abgewickelt und an<br />
zentrale Transaktionsregister gemeldet<br />
werden. Um diese Datenübermittlung<br />
durchzuführen, benötigen die Unternehmen<br />
vor allem IT-Systeme, welche die<br />
Schnittstellen zum Transaktionsregister<br />
herstellen. „Unternehmen müssen kontinuierlich<br />
die Handelsdaten aller Derivatekontrakte<br />
melden, das sind extrem<br />
hohe Anfor<strong>der</strong>ungen an ein IT-System.<br />
Eine Vielzahl von Quellen und eine Vielzahl<br />
von Empfängern können dabei zu<br />
unklaren Meldungen, Fehlmeldungen,<br />
Verzug bei Meldungen o<strong>der</strong> völliger<br />
Verletzung von Meldepflichten führen“,<br />
erklärt Helge Andrä vom IT-Dienstleister<br />
ECG. <strong>Das</strong> Unternehmen – eine <strong>VNG</strong>-Tochter<br />
– hat dafür eine eigene IT-Lösung zur<br />
Erfüllung <strong>der</strong> Meldepflichten entwickelt.<br />
Diese sammelt alle meldepflichtigen Daten<br />
aus <strong>der</strong> bestehenden IT-Landschaft<br />
eines Unternehmens, aggregiert sie in einer<br />
Melde- und Reportingdatenbank und<br />
schickt sie dann zentral an verschiedene<br />
Empfänger in den jeweils gefor<strong>der</strong>ten Datenformaten.<br />
„Die Software gewährleistet<br />
eine nachhaltige Konformität mit den<br />
Regulierungsvorgaben, weil sie in ihrer<br />
Architektur sehr flexibel und anpassbar<br />
ist. Außerdem archiviert sie alle Datenströme<br />
und gewährleistet je<strong>der</strong>zeit die<br />
Nachvollziehbarkeit <strong>der</strong> Meldeprozesse“,<br />
so Andrä weiter. Übrigens: ECG arbeitet<br />
auch an <strong>der</strong> IT-Umsetzung für die<br />
so genannte REMIT-Verordnung. Diese<br />
Verordnung soll Marktmanipulationen<br />
und Insi<strong>der</strong>handel durch ebenso umfangreiche<br />
Meldepflichten vorbeugen und<br />
überwachen. Somit müssen auch hier<br />
Unternehmens- und Transaktionsdaten<br />
zu allen Strom- und <strong>Gas</strong>verträgen zukünftig<br />
an die EU-Regulierungsbehörde<br />
ACER o<strong>der</strong> eine von ACER benannte Transparenzplattform<br />
übermittelt werden. Allerdings<br />
fehlen <strong>der</strong>zeit auf europäischer<br />
Ebene noch entsprechende Vorschriften,<br />
die die technischen Standards für die Datenübertragung<br />
definieren.<br />
Informationen zur<br />
technischen Umsetzung<br />
von EMIR auf<br />
www.ecg-leipzig.de<br />
MTS<br />
Meldepflichtige Daten MTS Transparency Meldedatenbank Transaktionsregister<br />
6
medium gas 2 | 2013<br />
Die Kombination macht’s<br />
HTWK-Wissenschaftler forschen zusammen mit <strong>VNG</strong> an einem Konzept zur dezentralen<br />
Energieversorgung auf dem Trakehnerhof nahe Leipzig.<br />
Info<br />
Trakehner Pferde stammen ursprünglich<br />
aus Ostpreußen. Die<br />
Anfänge <strong>der</strong> Zucht gehen bis ins<br />
13. Jahrhun<strong>der</strong>t zurück. Die Pferde<br />
eigenen sich für alle Arten<br />
des Reitsports, werden jedoch<br />
vor allem beim Vielseitigkeitsreiten<br />
eingesetzt. Der Pferdehof<br />
in Gordemitz vor den Toren<br />
Leipzigs hat sich auf die Zucht<br />
und die Reitausbildung <strong>der</strong><br />
Vollblut-Rasse spezialisiert.<br />
www.trakehnerhof-gordemitz.de<br />
Florian Müller von <strong>der</strong> HTWK und Trakehnerhof-Inhaber Ulrich Buschmann<br />
Text Stephan Thomas (HTWK)<br />
Steigende Strompreise – die bringen<br />
Florian Müller auf den Trakehner-Pferdehof<br />
Gordemitz nahe Leipzig nicht zum<br />
Schwitzen. Florian Müller ist Forschungsprojektingenieur<br />
<strong>der</strong> HTWK Leipzig und<br />
setzt auf dem Pferdehof ein Projekt um,<br />
mit dessen Hilfe aus Erneuerbaren Energien<br />
und mo<strong>der</strong>ner BHKW-Technik steigende<br />
Stromkosten abgefe<strong>der</strong>t werden können.<br />
Unter Leitung von Professor Michael<br />
Kubessa arbeitet er an einem System, das<br />
auf einen Mix aus Kraft-Wärme-Kopplung<br />
(KWK) auf Erdgasbasis, Solarenergie und<br />
einer intelligenten Steuerung setzt.<br />
„Momentan installieren wir die Hardware<br />
– bestehend aus Photovoltaikpanels<br />
sowie einer innovativen Kraft-<br />
Wärme-Kopplung, um die Strom und<br />
Wärmeversorgung im Wohnhaus sicherzustellen.<br />
Im zweiten Schritt werden dann<br />
ein für das Haus optimal ausgelegter<br />
Stromspeicher sowie ein intelligentes<br />
Energieerzeugermanagement eingebaut.<br />
Der hinterlegte Regelalgorithmus, <strong>der</strong> aus<br />
prognostizierten Verbrauchsdaten und<br />
aktuellen Wetterdaten das Haus bedarfsgerecht<br />
mit Wärme und Strom versorgt,<br />
wird dabei untersucht und optimiert“, so<br />
Florian Müller. Der Energie- und Umwelttechniker<br />
hat nach seinem Studium als<br />
Projekt- und Entwicklungsingenieur in <strong>der</strong><br />
Verpackungs- und Biogasbranche gearbeitet.<br />
Er ist nun nach dreieinhalb Jahren<br />
wie<strong>der</strong> an „seine“ Hochschule zurückgekommen.<br />
„Forschen ist abwechslungsreicher<br />
und mit meinen bisher gemachten<br />
Praxiserfahrungen ein Spielplatz für den<br />
technischen Geist“, sagt er.<br />
Inhaber des Trakehnerhofes in Gordemitz<br />
ist Ulrich Buschmann: „Unser Hof<br />
verbraucht viel Energie. <strong>Das</strong> ist teuer, die<br />
Stromrechnung ist jeden Monat ein großer<br />
Batzen. Natürlich suchen wir da nach Alternativen.<br />
Deshalb habe ich dem Vorschlag,<br />
hier dieses Forschungsprojekt durchzuführen,<br />
gleich zugestimmt: Sicher ist das mit<br />
Aufwand verbunden, aber sobald das System<br />
funktioniert, produzieren wir genau<br />
die Menge an Strom, die wir benötigen,<br />
komplett selber“, so Ulrich Buschmann.<br />
Buschmanns Hof wurde ausgewählt,<br />
weil schon wegen <strong>der</strong> Pferde immer jemand<br />
vor Ort ist und die Techniker so unkompliziert<br />
365 Tage im Jahr an die BHKW-<br />
Technik herankommen können. „<strong>Das</strong> ist<br />
jetzt in <strong>der</strong> Testphase beson<strong>der</strong>s wichtig,<br />
um die Steuerung und das Zusammenspiel<br />
<strong>der</strong> Komponenten so detailliert wie<br />
möglich auf das Verbrauchsprofil abzustimmen“,<br />
sagt Florian Müller. Die intelligente,<br />
selbstlernende Steuerung ist dabei<br />
das Herzstück des Projektes. Später soll<br />
sie „selbstlernend“ alleine funktionieren<br />
und den erzeugten Strom bedarfsgerecht<br />
an die Verbraucher im Haus verteilen o<strong>der</strong><br />
zwischenspeichern.<br />
<strong>Das</strong> Ziel des Forschungsprojektes ist ein<br />
dezentrales Energieversorgungssystem:<br />
„Die Anlage wird Erdgas und Solarenergie<br />
nutzen und damit Strom und Wärme produzieren.<br />
Optimal wäre eine Energieversorgung<br />
ohne die Notwendigkeit, Strom<br />
aus dem öffentlichen Netz zu beziehen<br />
o<strong>der</strong> einzuspeisen. Denn wenn das System<br />
sinnvoll eingestellt wird, kann <strong>der</strong><br />
Kunde vielleicht eine fast 100-prozentige<br />
Eigenstromdeckung erreichen.“ so Prof.<br />
Kubessa.<br />
7
Marktblick<br />
Stichwort<br />
<strong>Gas</strong>motor auf΄m Acker<br />
Ein Forschungsteam <strong>der</strong> Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik an <strong>der</strong><br />
Universität Rostock tüftelt gemeinsam mit <strong>der</strong> Deutz <strong>AG</strong> aus Köln an <strong>Gas</strong>motoren<br />
für die Landwirtschaft. medium gas hat bei Prof. Dr.-Ing. Harndorf, dem Leiter des<br />
Lehrstuhls für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren nachgefragt.<br />
Info<br />
In Rostock wird ein monovalentes<br />
Fahrzeug<br />
erforscht, d. h. es wird ausschließlich<br />
mit Erdgas o<strong>der</strong><br />
Bioerdgas betrieben.<br />
<strong>Das</strong> Projekt wird von <strong>der</strong><br />
Deutschen Bundesstiftung<br />
Umwelt geför<strong>der</strong>t, um die<br />
Entwicklung und Umsetzung<br />
eines Gesamtkonzeptes für<br />
eine erdgas- bzw. biomethanbetriebene<br />
Landmaschine einzuleiten.<br />
eine neue Stufe zu heben. Zur<br />
schaft gewissen Ausnahme<br />
im ländlichen Raum. Es ist<br />
zeit laufen erste Entwicklungs<br />
tatbeständen, deshalb hatte<br />
aber durchaus denkbar, dass<br />
schritte zur Optimierung des<br />
Erdgas als Kraftstoff nur einen<br />
irgendwann dezentrale Kom<br />
<strong>Gas</strong>-Brennverfahrens.<br />
geringen betriebswirtschaft<br />
pressorstationen entstehen,<br />
lichen Anreiz. Hinzu kommt,<br />
die an das bestehende Erd<br />
Ab wann werden die ersten<br />
dass sich die Erdgasspeiche<br />
gasnetz angebunden sind und<br />
Traktoren auf den Äckern mit<br />
rung im Traktor aufwendiger<br />
das Erdgas aus <strong>der</strong> Leitung auf<br />
Erdgas unterwegs sein?<br />
gestaltet als beim PKW. Auf<br />
den vom Traktor benötigten<br />
Wir erwarten, dass sich in<br />
grund <strong>der</strong> geführten CO 2<br />
-<br />
Druck verdichten.<br />
Sie forschen zurzeit an <strong>Gas</strong>-<br />
den nächsten zehn Jahren<br />
Debatte und ambitionierter<br />
motoren für die Landwirt-<br />
erdgasbetriebene Traktoren in<br />
Schadstoffgrenzwerte – auch<br />
Wie viel Potenzial sehen Sie<br />
schaft. Wie steht es um das<br />
<strong>der</strong> Landwirtschaft etablieren<br />
für off-road-Anwendungen –<br />
für Erdgas-Traktoren?<br />
Projekt?<br />
werden, da mehrere Gründe<br />
werden Erdgas und Bioerdgas<br />
Motoren im Erdgasbetrieb<br />
Wir haben Ende März 2013<br />
für den Einsatz dieses umwelt<br />
aber im landwirtschaftlichen<br />
können gegenüber Diesel-<br />
erstmals einen für die Land<br />
freundlichen und zugleich CO 2<br />
-<br />
Umfeld zunehmend an Bedeu<br />
und Benzinmotoren eine CO 2<br />
-<br />
wirtschaft bestimmten <strong>Gas</strong><br />
sparenden Kraftstoffes spre<br />
tung gewinnen.<br />
Einsparung von bis zu 25 %<br />
motor erfolgreich in Betrieb<br />
chen. <strong>Das</strong> ist allerdings nur<br />
erreichen, daher wird <strong>der</strong> Ein<br />
genommen. <strong>Das</strong> Projekt mit<br />
unsere Sicht als wissenschaft<br />
Wie werden die Traktoren ei-<br />
satz dieses zukunftweisenden<br />
einer Laufzeit von zunächst<br />
liche Forschungseinrichtung.<br />
gentlich betankt?<br />
Kraftstoffes auch in <strong>der</strong> Land<br />
zwei Jahren beinhaltet die<br />
Im Regelfall haben die Trak<br />
wirtschaft zunehmend an Be<br />
anwendungsorientierte For<br />
Erdgas-PKWs gibt es ja schon<br />
toren <strong>Gas</strong>druckspeicher mit<br />
deutung gewinnen. Die Frage<br />
schung an einem monovalent<br />
seit vielen Jahren. Warum<br />
einem Speicherdruck von<br />
nach dem konkreten Potenzial<br />
betriebenen <strong>Gas</strong>motor. Ziel ist<br />
noch keine Erdgas-Traktoren?<br />
maximal 200 bar. Noch gibt<br />
können aber nur die Motoren-<br />
es, die Motorenentwicklung<br />
Die Besteuerung von Diesel<br />
es lei<strong>der</strong> kaum Tankstellen für<br />
und Fahrzeughersteller beant<br />
und den Emissionsschutz auf<br />
unterliegt in <strong>der</strong> Landwirt<br />
die CNG-Druckgasbetankung<br />
worten.<br />
8
medium gas 2 | 2013<br />
Kommunalwirtschaft Ost gewinnt an bedeutung<br />
23 Jahre nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung sind die ostdeutschen<br />
Kommunen noch immer wirtschaftlich strukturschwacher als<br />
ihre westdeutschen Pendants. Zu diesem Ergebnis kommt eine<br />
Studie vom <strong>Verbundnetz</strong> für kommunale Energie (VfkE). Trotz<br />
erheblicher Transferleistungen seien die wirtschaftlichen Unterschiede<br />
zwischen Ost und West nach wie vor eklatant und hätten<br />
sich in den vergangenen zehn Jahren auch nicht verän<strong>der</strong>t. In<br />
Ostdeutschland herrsche noch immer eine strukturschwache<br />
und von Westdeutschland abhängige Wirtschaft, die vor allem<br />
durch kleine, kommunale Unternehmen geprägt sei.<br />
Diese Unternehmen, darunter auch Stadtwerke und Kranken<br />
häuser, hätten deshalb – so ein wichtiges Fazit des VfkE – für<br />
viele Menschen eine wichtige Funktion, zählen sie doch zu den<br />
größten Arbeitgebern überhaupt. Initiiert wurde die Studie vom<br />
VfkE, das vor zehn Jahren von ostdeutschen Kommunalpolitikern<br />
und <strong>VNG</strong> als kommunale Dialogplattform gegründet wurde und<br />
sich vorrangig mit <strong>der</strong> Wirtschaftstätigkeit von Kommunen in den<br />
neuen Län<strong>der</strong>n befasst. Für die Studie wurden Oberbürgermeister<br />
und Bürgermeister befragt. Zusätzlich zu diesem Stimmungsbild<br />
wurden ausgewählte volkswirtschaftliche Kenngrößen über einen<br />
Zeitraum von zehn Jahren analysiert.<br />
www.vfke.org<br />
Mit Herzenswärme unterwegs<br />
Im Frühjahr dieses Jahres hat das „<strong>Verbundnetz</strong><br />
<strong>der</strong> Wärme“ erneut sechs ehrenamtlich<br />
tätige Männer und Frauen<br />
aus Ostdeutschland zu „Botschaftern<br />
<strong>der</strong> Wärme 2013“ ernannt. Sie stehen<br />
stellvertretend für die ehrenamtliche Tätigkeit<br />
in ihrem Bundesland und machen<br />
damit auf ein besseres gesellschaftliches<br />
Miteinan<strong>der</strong> aufmerksam. Um<br />
das Interesse an den Botschaftern und<br />
<strong>der</strong>en Arbeit noch weiter zu erhöhen,<br />
wird es bis Jahresende in den Städten<br />
Berlin, Halle/Dessau, Neubrandenburg,<br />
Oelsnitz, Jena und Cottbus auch eine<br />
Wan<strong>der</strong>ausstellung geben. Diese zeigt<br />
unter dem Motto „Engagement zeigt<br />
Gesicht“ eine Auswahl an Porträts aller<br />
<strong>Verbundnetz</strong>-Botschafter und soll auch<br />
dazu anregen, selber ehrenamtlich aktiv<br />
zu werden. <strong>Das</strong> „<strong>Verbundnetz</strong> <strong>der</strong><br />
Wärme“ ist eine in Deutschland einmalige<br />
Plattform, die das gemeinnützige<br />
Engagement för<strong>der</strong>t. Dem von <strong>VNG</strong> vor<br />
12 Jahren initiierten Netzwerk gehören<br />
mittlerweile mehr als 200 Ehrenamtliche<br />
an. Schirmherr ist Bundestagsvizepräsident<br />
Wolfgang Thierse.<br />
HESSEN<br />
www.verbundnetz-<strong>der</strong>-waerme.de<br />
MECKLENBURG-VORPOMMERN<br />
THÜRINGEN<br />
Jena<br />
Botschafterin Ulrike Eistert<br />
engagiert sich für die<br />
Jenaer Bürgerstiftung<br />
„Zwischenraum“.<br />
Neubrandenburg<br />
Botschafterin Ursula<br />
Rutsch ist Vorsitzende im<br />
Verein „Neubrandenburger<br />
Volkschor“.<br />
SACHSEN-<br />
ANHALT<br />
Halle<br />
Botschafter Sven Weise<br />
ist Vorstand <strong>der</strong> Stiftung<br />
Marthahaus und Vorsitzen<strong>der</strong><br />
des Arbeitskreises<br />
Armut in Halle.<br />
BERLIN<br />
Botschafterin Florence<br />
Klement gründete den<br />
Verein Kulina, <strong>der</strong> junge<br />
Menschen über bewusste<br />
Ernährung aufklärt.<br />
BRANDENBURG<br />
SACHSEN<br />
Oelsnitz<br />
Botschafter Daniel<br />
Seltmann unterstützt die<br />
Freiwillige Feuerwehr in<br />
Oelsnitz und leitet die<br />
Jugendgruppe.<br />
Cottbus<br />
Botschafter Kay Havenstein<br />
engagiert sich für<br />
Sport und Sozialarbeit,<br />
u. a. bei <strong>der</strong> brandenburgischen<br />
Sportjugend.<br />
9
Marktblick<br />
Geschafft! Mit weniger als<br />
100 Euro durch Europa<br />
Der Österreicher Gerhard Plattner sorgte wie<strong>der</strong> für einen Spritspar-Rekord. Mit einem erdgasbetriebenen<br />
Škoda Citigo CNG fuhr er quer durch Europa – mit weniger als 100 Euro an Tankkosten.<br />
Die Geschichte<br />
Von Italien nach Schweden mit dem Auto<br />
fahren, eine Woche dafür Zeit haben und<br />
nur 100 Euro Tankgeld ausgeben: Dieser<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung stellte sich Ende Juli <strong>der</strong><br />
Österreicher Gerhard Plattner. Mit seiner<br />
außergewöhnlichen Fahrt wollte er beweisen,<br />
dass die Erdgastechnologie nicht nur<br />
umweltschonend und effizient, son<strong>der</strong>n<br />
auch kostengünstig, zuverlässig und alltagstauglich<br />
ist.<br />
Die Strecke<br />
2.619 km lang war die Strecke, die Gerhard<br />
Plattner von Vicenza (Italien) bis<br />
Stockholm (Schweden) zurückgelegt<br />
hat. Neun europäische Län<strong>der</strong> – Italien,<br />
Österreich, Ungarn, Slowakei, Tschechische<br />
Republik, Polen, Deutschland, Dänemark<br />
und Schweden – hatte er dabei<br />
durchquert.<br />
Der Fahrer<br />
Gerhard Plattner ist ein ehemaliger österreichischer<br />
Langstrecken-Rennfahrer und<br />
gilt als offizieller Spritspar-Weltmeister. Im<br />
Guinness-Buch <strong>der</strong> Rekorde wird Plattner<br />
als „vielseitigster Autofahrer <strong>der</strong> Welt“ betitelt.<br />
Er hat in den vergangenen 30 Jahren<br />
den Globus in <strong>der</strong> kürzesten Zeit und mit<br />
dem geringsten Verbrauch „umrundet“<br />
und auch Europa mehrmals durchquert<br />
und dabei stets Strecken- und Sparrekorde<br />
aufgestellt. Für ihn zählt immer nur die<br />
Devise, ein Auto unter Idealbedingungen<br />
mit weniger als dem Normverbrauch ins<br />
Ziel zu bringen. Plattner ist 75 Jahre alt<br />
und lebt in Innsbruck.<br />
Gerhard Plattner (im Auto) beim Start zu seiner Rekordfahrt im<br />
italienischen Vicenza.<br />
Gerhard Plattner mit seinem ŠKODA Citigo und dem ŠKODA-<br />
Maskottchen Yeti in Berlin.<br />
10
medium gas 2 | 2013<br />
100 €<br />
Tankgeld<br />
2.619 km<br />
9 Län<strong>der</strong><br />
Ohne <strong>Gas</strong> an rote Ampeln heranrollen und den Motor ausmachen,<br />
wenn man länger als 20 Sekunden stehen muss – das ist nur<br />
einer <strong>der</strong> vielen Tipps von Spritsparweltmeister Gerhard Plattner.<br />
Stockholm<br />
<strong>Das</strong> Auto<br />
Der ŠKODA Citigo CNG ist ein Kleinwagen,<br />
<strong>der</strong> als Erdgasvariante seit 2013 auf dem<br />
Markt ist. Die beiden Tanks fassen 12 kg<br />
Erdgas und 10 Liter Benzin. Im Erdgasbetrieb<br />
reicht eine Tankfüllung für rund<br />
380 km, im bivalenten Betrieb kommt<br />
<strong>der</strong> Wagen auf eine Gesamtreichweite<br />
von 600 km. Laut Hersteller liegt <strong>der</strong> Verbrauch<br />
des Stadtflitzers bei 2,9 kg Erdgas<br />
pro 100 km. Gerhard Plattner hatte diesen<br />
Durchschnittsverbrauch sogar noch<br />
unterboten.<br />
berlin<br />
Jönköping<br />
Die Kosten<br />
100 Euro durfte Gerhard Plattner für seine<br />
Rekordfahrt ausgeben – 81,24 Euro<br />
an Kraftstoffkosten hat er tatsächlich<br />
gebraucht. Am Ziel in Stockholm hatte er<br />
noch eine Restmenge Erdgas im Tank, die<br />
für weiter 300 Kilometer gereicht hätte.<br />
Insgesamt hat Plattner 62,66 Kilogramm<br />
Erdgas getankt – und damit nur 2,39 Kilogramm<br />
pro 100 Kilometer verbraucht.<br />
Der Stopp in Berlin<br />
Auf seinem Weg nach Skandinavien hat<br />
Gerhard Plattner auch einen Tankstopp an<br />
<strong>der</strong> TOTAL-Tankstelle <strong>der</strong> <strong>VNG</strong> Erdgastankstellen<br />
GmbH (<strong>VNG</strong>-T) in Berlin eingelegt.<br />
Die Tankstelle in <strong>der</strong> Berliner Chausseestraße<br />
61 war eine von 12 Tankstopps auf<br />
Plattners Strecke.<br />
mladá boleslav<br />
wien<br />
vicenza<br />
Gerhard Plattner hat es geschafft – nur 81,24 Euro<br />
an Kraftstoffkosten hat <strong>der</strong> Österreicher für seine<br />
Rekordfahrt mit dem erdgasbetriebenen ŠKODA<br />
Citigo durch neun europäische Län<strong>der</strong> gebraucht.<br />
Tankstopp an <strong>der</strong> <strong>VNG</strong>-T-Tankstelle in Berlin.<br />
11
Titel<br />
Achtung Baustelle!<br />
Deutschland baut die Energieversorgung um.<br />
Bei <strong>der</strong> Energiewende gibt es viele Baustellen. Die<br />
Strompreise steigen, <strong>der</strong> Netzausbau hinkt hinterher,<br />
die Sanierungsraten im Altbau gehen nicht nach oben,<br />
Speicherkapazitäten fehlen. Ein Blick auf anstehende<br />
Aufgaben und mögliche Lösungen beim Umbau <strong>der</strong><br />
deutschen Energieversorgung.<br />
12
medium gas 2 | 2013<br />
Reform des Erneuerbare-<br />
Energien-Gesetzes (EEG)<br />
<strong>Das</strong> Erneuerbare Energien-Gesetz gilt als das zentrale Instrument<br />
zur Gestaltung <strong>der</strong> Energiewende in Deutschland.<br />
Es trat im Jahr 2000 in Kraft und garantiert dem Ökostrom<br />
seither einen gesetzlich garantierten Einspeisevorrang sowie<br />
eine staatliche Fixpreisvergütung. Was vor 13 Jahren als<br />
Starthilfe begann, droht jetzt die Grenzen des Energiemarktes<br />
zu sprengen. In <strong>der</strong> Kritik stehen vor allem die steigende<br />
EEG-Umlage, die je<strong>der</strong> Stromkunde zahlt, um den Ökostrom<br />
zu finanzieren sowie die wenig systemorientierte För<strong>der</strong>ung<br />
von Erneuerbaren. Mittlerweile herrscht Einigkeit darüber,<br />
dass das EEG schnellstmöglich reformiert werden muss. Die<br />
Bundesregierung, alle Oppositionsparteien und zahlreiche<br />
Verbände betonen seit Monaten die Notwendigkeit, die<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien und das Strommarktdesign<br />
neu zu strukturieren. Im Kern geht es beson<strong>der</strong>s<br />
darum, die Erzeuger von erneuerbarem Strom stärker an<br />
den Kosten des Netzausbaus zu beteiligen und den Ausbau<br />
nur dort fortzuführen, wo auch Netze vorhanden sind<br />
o<strong>der</strong> zeitnah gebaut werden können. Gleichzeitig werden<br />
auch die Vergünstigungen <strong>der</strong> Industrie bei verschiedenen<br />
Strompreiskomponenten etwa den Netzentgelten o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
EEG-Umlage auf dem Prüfstand stehen. <strong>Das</strong> Thema hatte<br />
jüngst die EU-Kommission auf den Plan gerufen, die gerade<br />
prüft, ob die Netzentgeltbefreiung wettbewerbsrechtlich<br />
zulässig ist.<br />
Wir haben das Ziel vor Augen.<br />
Wärmemarkt<br />
Allein 40 % des gesamten Energieverbrauches und rund<br />
ein Drittel <strong>der</strong> CO 2<br />
-Emissionen in Deutschland entfallen auf<br />
Gebäude. Insofern hat <strong>der</strong> Wärmemarkt erhebliche Klimaschutzpotenziale<br />
und eine große Bedeutung für die Energiewende.<br />
Zwar hat die Bundesregierung das Ziel für den<br />
Wärmemarkt klar umrissen – 20 % weniger Wärmebedarf<br />
bis 2020 – allerdings konzentriert sich die Diskussion um<br />
die Energiewende fast ausschließlich auf den Strommarkt.<br />
<strong>Das</strong> Ergebnis: Die notwendige energetische Sanierung von<br />
Gebäuden und die Erneuerung von Heizanlagen kommt nur<br />
langsam voran. Die Mo<strong>der</strong>nisierungsquote im Heizungskeller<br />
liegt z. B. bei 3 % pro Jahr. Der Bundesindustrieverband<br />
Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) for<strong>der</strong>t deshalb<br />
Impulse für den Wärmemarkt, mehr Markttransparenz und<br />
ein einfaches Anreizsystem, um den Austausch alter Heizanlagen<br />
zu beflügeln. Erdgastechnologien spielen dabei<br />
übrigens eine immer wichtigere Rolle: Sie könnten den CO 2<br />
-<br />
Ausstoß um 45 Millionen Tonnen verringern – und das mit<br />
vergleichsweise geringen Kosten. Bei einer Innovationsoffensive<br />
mit Erdgas im Wärmemarkt würden pro Tonne CO 2<br />
nur 30 Euro anfallen. Zum Vergleich: Bei Umsetzung des<br />
aktuellen Energiekonzepts <strong>der</strong> Bundesregierung (Gebäudedämmung<br />
plus Heizungstausch) müssten rund 120 €/t<br />
eingespartes CO 2<br />
investiert werden.<br />
Wenn die EU die<br />
CO 2<br />
-Emissionen kostengünstig<br />
reduzieren will,<br />
geht kein Weg an Erdgas<br />
vorbei.<br />
13
Titel<br />
Netzausbau strom<br />
Energiespeicher<br />
<strong>Das</strong> <strong>der</strong>zeitige Grundproblem im Stromnetz ist die unausgewogene<br />
Verteilung von Angebot und Nachfrage bei <strong>der</strong><br />
Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien. So wird zwar<br />
beispielsweise an <strong>der</strong> norddeutschen Küste ein Großteil des<br />
Windstroms erzeugt, gebraucht wird er aber vornehmlich in<br />
den Industriezentren im süddeutschen Raum. Bis 2022 sieht<br />
<strong>der</strong> von den Stromnetzbetreibern vorgestellte Netzentwicklungsplan<br />
deshalb insgesamt 3.800 km neue Stromtrassen<br />
vor. Zusätzlich sollen rund 4.000 km bereits bestehende<br />
Leitungen aufgerüstet werden. Die Kosten liegen bei rund 20<br />
Mrd. Euro. Wer diesen Kostenblock tragen soll, darüber wird<br />
aktuell noch diskutiert. Einigkeit besteht zumindest darin,<br />
dass sich die Erzeuger von Erneuerbaren Energien stärker<br />
am Netzausbau und den Kosten beteiligen müssen. Ein fertiges<br />
Konzept, wie diese Partizipation aussieht, gibt es indes<br />
noch nicht. Weitere Probleme im Netzausbau existieren bei<br />
<strong>der</strong> technischen Anbindung <strong>der</strong> Offshore-Windparks sowie<br />
bei <strong>der</strong> Akzeptanz <strong>der</strong> Bürger für zusätzliche Freileitungen.<br />
Zumindest im Hinblick auf den zeitlichen Rückstand<br />
beim Netzausbau konnte im April ein Fortschritt vermeldet<br />
werden: Mit dem Beschleunigungsgesetz zum<br />
Netzausbau wurden die Planungs- und Bauzeiten für<br />
geplante Höchstspannungsleitungen erheblich<br />
verkürzt und damit <strong>der</strong> Ausbau<br />
erleichtert.<br />
Mit <strong>der</strong> Energiewende steigt die Notwendigkeit, Strom zu<br />
speichern um damit die Erzeugung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />
vom Verbrauch zeitlich zu entkoppeln. Schon heute<br />
kann <strong>der</strong> Strom in Batterien, in Druckluftspeichern und in<br />
Pumpspeicherkraftwerken (PSW) gespeichert und über mehrere<br />
Stunden bereitgestellt werden. <strong>Das</strong> Volumen dieser<br />
Stromspeicher ist allerdings gering und die Erweiterungsmöglichkeiten,<br />
speziell für PSW, sind begrenzt. Die 30 deutschen<br />
PSW verfügen beispielsweise nur über eine Kapazität<br />
von 0,076 TWh. Prognosen gehen jedoch davon aus, dass<br />
<strong>der</strong> Stromspeicherbedarf ab 2020 bei circa 20 TWh liegen<br />
dürfte. Eine Chance, dieses drängende Speicherproblem zu<br />
lösen, liegt in <strong>der</strong> Power-to-<strong>Gas</strong>-Technologie. Mit ihr wird<br />
<strong>der</strong> überschüssige Ökostrom zu Wasserstoff und synthetischem<br />
Erdgas umgewandelt. Beides kann anschließend<br />
in die vorhandene <strong>Gas</strong>infrastruktur eingespeist werden.<br />
Danach kann die Energie wie<strong>der</strong> zur Stromerzeugung, als<br />
Brennstoff, Kraftstoff und Chemierohstoff genutzt werden.<br />
Rund 220 TWh Speichervolumen stellen allein die deutschen<br />
Erdgasspeicher bereit. Je nach Wirkungsgrad bei <strong>der</strong> Rückverstromung<br />
entspricht das dem 1.500-fachen <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />
Stromspeicherkapazitäten. Die Technologie ist zwar<br />
vielversprechend, aber noch nicht marktreif. Derzeit wird in<br />
zahlreichen Pilotanlagen die technische und wirtschaftliche<br />
Umsetzbarkeit weiterentwickelt.<br />
„<strong>Das</strong> Volumen <strong>der</strong> Erdgasinfrastruktur<br />
reicht, um Strom für<br />
2 Monate vorzuhalten.“<br />
<strong>Das</strong> deutsche Erdgasnetz<br />
ist mit einer Gesamtlänge<br />
von 470.000 km bereits<br />
sehr gut ausgebaut.<br />
14
medium gas 2 | 2013<br />
Kraftwerke UND Strommarkt-<br />
Design<br />
Weil die Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien<br />
starken Schwankungen unterworfen ist, braucht es für eine<br />
sichere Energieversorgung auch ergänzende Erzeugungskapazitäten,<br />
so auch effiziente <strong>Gas</strong>kraftwerke. Viele dieser<br />
Anlagen können allerdings <strong>der</strong>zeit keine ausreichenden<br />
Deckungsbeiträge erwirtschaften, da sie wegen niedriger<br />
Preise für Importkohle und des Vorrangs <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />
immer schlechter ausgelastet sind. Der Energiebundesverband<br />
BDEW warnt bereits seit langem davor, dass<br />
Bestandskraftwerke außer Betrieb gehen würden und<br />
Neubauinvestitionen nicht wirtschaftlich seien. Engpässe<br />
drohten spätestens ab 2017. Vor diesem Hintergrund werden<br />
aktuell verschiedene Modelle zur Sicherung <strong>der</strong> Netzstabilität<br />
und Versorgungssicherheit diskutiert. Dabei wird<br />
unter an<strong>der</strong>em über sogenannte Kapazitätsmechanismen<br />
nachgedacht, die die Vorhaltung von Stromerzeugungskapazitäten<br />
honorieren sollen. Die Europäische Kommission<br />
steht <strong>der</strong>artigen Regelungen auf rein nationaler Ebene allerdings<br />
skeptisch gegenüber.<br />
Energieeffizienz<br />
Die beste Energie ist die, die nicht gebraucht wird. Insofern ist<br />
das Thema Energieeffizienz ein ganz Entscheidendes für die<br />
Energiewende. Bis 2050 soll <strong>der</strong> Primärenergieverbrauch um<br />
50 % gegenüber 2008 und <strong>der</strong> Stromverbrauch um 25 % gesenkt<br />
werden. Deutschland setzt dafür auf ein marktbasiertes<br />
Energieeffizienzsystem mit Energieeinsparverordnung, Informations-<br />
und Beratungsangeboten sowie För<strong>der</strong>programmen.<br />
Die Deutsche Energie-Agentur dena attestierte den Maßnahmen<br />
bereits, dass sie grundsätzlich zielführend wären,<br />
aber noch erhebliches Potenzial bei <strong>der</strong> Energieeinsparung<br />
bestünde. Bis 2020 könne 15 % Energie gegenüber 2008<br />
eingespart werden. <strong>Das</strong> größte Sparpotenzial liege im Wärmemarkt,<br />
gefolgt vom Bereich Mobilität sowie Strom. Dena-Chef<br />
Stephan Kohler for<strong>der</strong>te in diesem Zusammenhang vor allem,<br />
die Informations- und Beratungsprogramme zu vereinfachen<br />
und attraktive, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen.<br />
Diese wären notwendig, damit die privaten Haushalte<br />
und Unternehmen weiter in Effizienzmaßnahmen investieren.<br />
Einen wesentlichen Beitrag zur Effizienzsteigerung würde<br />
übrigens die Mo<strong>der</strong>nisierung von Heizungsanlagen bringen.<br />
Mo<strong>der</strong>ne Heizsysteme – vor allem auf Erdgasbasis – haben<br />
sehr hohe Wirkungsgrad und eine hohe Umwelteffizienz. Alte<br />
Heizsysteme arbeiten dagegen meist ineffizient mit schlechtem<br />
Wirkungsgrad, hohen Abstrahlverlusten und verursachen<br />
somit hohe Energiekosten und Emissionen.<br />
Am Umbau <strong>der</strong> Versorgung<br />
wird gearbeitet.<br />
Bitte haben Sie etwas<br />
Geduld.<br />
„Da geht<br />
noch was!“<br />
15
Titel<br />
mobilität<br />
Investitionsbedarf<br />
30 % des deutschen Energieverbrauchs und 20 % des CO 2<br />
-<br />
Ausstoßes entfallen auf Autos, Busse und Lastwagen. Insofern<br />
ist <strong>der</strong> Mobilitätssektor ein entscheiden<strong>der</strong> Bereich,<br />
um die angestrebten Klimaziele zu erreichen. Die EU und<br />
die Bundesregierung för<strong>der</strong>n deshalb alternative Kraftstoffe<br />
für PKW, LKW, den öffentlichen Nahverkehr und<br />
Schiffe, insbeson<strong>der</strong>e mit Strom, Erdgas und Bioerdgas.<br />
Gleichzeitig setzen sie auf technische Innovationen, die<br />
den Verbrauch und die Abgas-Emissionen min<strong>der</strong>n. Trotz<br />
<strong>der</strong> Bemühungen von Politik und Wirtschaft kommen beson<strong>der</strong>s<br />
die alternativen Kraftstoffe nicht in großem Maße<br />
voran. Mit knapp 100.000 Erdgasfahrzeugen und gut 900<br />
Erdgastankstellen gehört Deutschland in Europa zwar zu<br />
den Vorreitern <strong>der</strong> Erdgasmobilität. <strong>Das</strong> Potenzial ist damit<br />
aber bei weitem nicht ausgereizt. Auch Elektro- und Hybridfahrzeuge<br />
verzeichnen kein signifikantes Wachstum.<br />
Die Herausfor<strong>der</strong>ung für alternative Kraftstoffe dürfte vor<br />
allem darin liegen, die offensichtlichen Markteintrittsbarrieren<br />
zu beseitigen. Erreichen könnte man das etwa durch<br />
Anreizsysteme für den Kauf <strong>der</strong> Fahrzeuge o<strong>der</strong> durch Steuerbefreiungen.<br />
Letztere sind bei Erdgas als Kraftstoff beispielweise<br />
bis 2018 festgeschrieben, eine Verlängerung<br />
wird weiterhin angestrebt. Auch die kürzlich beschlossene<br />
Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie sieht übrigens diese<br />
Verlängerung <strong>der</strong> Steuerbefreiung vor.<br />
Der Umbau <strong>der</strong> deutschen Energiewirtschaft wird einen erheblichen<br />
Investitionsbedarf auslösen. Die Bundesregierung<br />
spricht in ihren Szenarien zum Energiekonzept von bis zu<br />
550 Mrd. Euro bis 2050, die unter an<strong>der</strong>em in neue Erzeugeranlagen,<br />
den Ausbau <strong>der</strong> Netze und Speicher o<strong>der</strong> die<br />
energetische Sanierung von Gebäuden fließen müssen. Die<br />
Verantwortung für diese Investitionen liegt zum überwiegenden<br />
Teil bei den Unternehmen. Die äußerten sich jedoch in<br />
jüngster Zeit sehr verhalten. BDI-Präsident Ulrich Grillo –<br />
immerhin Repräsentant von über 100.000 Unternehmen in<br />
Deutschland – etwa kritisierte, dass die Energiewende so<br />
wie sie bislang angegangen werde, zu steigenden Strompreisen<br />
aber nicht zu mehr Klimaschutz führe. <strong>Das</strong> gefährde<br />
die Industrie und <strong>der</strong>en Investitionsbereitschaft. Er for<strong>der</strong>te<br />
eine „Neujustierung“ <strong>der</strong> Energiewende unter an<strong>der</strong>em mit<br />
bezahlbaren Energiepreisen und einer stärker marktwirtschaftlichen<br />
Ausrichtung, die den Unternehmen ausreichend<br />
Luft zum Atmen ließe. Übrigens: Auch die Bundesregierung<br />
ist davon überzeugt, dass die Realisierung <strong>der</strong> energie- und<br />
klimapolitischen Ziele soweit wie möglich dem Markt überlassen<br />
werden müsse, da nur <strong>der</strong> Wettbewerb selbst die<br />
wirtschaftlichsten Maßnahmen zur Zielerreichung hervorbringt.<br />
Wie konkret sich diese politische Zusage für mehr<br />
Wettbewerb in <strong>der</strong> weiteren Umsetzung <strong>der</strong> Energiewende<br />
auswirkt, bleibt jetzt abzuwarten.<br />
„Mein Auto ist umweltfreundlicher<br />
als<br />
ein Diesel.“<br />
Die Energiewende<br />
funktioniert nur mit<br />
den wirtschaftlichsten<br />
und versorgungssichersten<br />
Mitteln!<br />
16
medium gas 2 | 2013<br />
Projektmanagement<br />
Weitere Verwendung ...<br />
Als einer <strong>der</strong> Ersten schlug Klaus Töpfer, Ex-Umweltminister<br />
und ehemaliger Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ethikkommission „Sichere<br />
Energieversorgung“, einen Projektmanager für die<br />
Energiewende vor. Dieser sollte gegenüber Regierung und<br />
Bundestag verantwortlich sein und jährlich Bericht erstatten<br />
über den Fortschritt des Projektes. Töpfers Empfehlung<br />
von 2011 ist bis heute nicht umgesetzt und immer mehr<br />
Politiker, Unternehmen und Verbände üben auch deshalb<br />
harsche Kritik am Energiewende-Management. Eine zentrale<br />
Koordination tue not, so <strong>der</strong> einheitliche Tenor, um die<br />
Abstimmung zwischen Bund, Län<strong>der</strong>n und Kommunen zu<br />
steuern und gegenüber <strong>der</strong> EU mit einer Stimme zu sprechen.<br />
Wer diese Leitungsfunktion innehaben soll – ein<br />
eigens bestimmter Manager o<strong>der</strong> ein bestehendes o<strong>der</strong><br />
neu zu schaffendes Ministerium – darüber wird <strong>der</strong>zeit<br />
noch debattiert. Der BDEW und <strong>der</strong> WWF haben indes eine<br />
gemeinsame Initiative vorgeschlagen, das „Nationale Forum<br />
Energiewende“. Es soll auf Basis <strong>der</strong> Überlegungen<br />
<strong>der</strong> Ethikkommission als Plattform alle energiepolitischen<br />
Akteure zusammenbringen und den öffentlichen Energiewende-Diskurs<br />
organisieren. Hier besteht die Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
darin, dass sich die Initiative auch aussagekräftig<br />
positioniert und <strong>der</strong>en For<strong>der</strong>ungen von Legislative und<br />
Exekutive umgesetzt werden.<br />
Die LEGO ® -Steine und Figuren, die wir für die Gestaltung unseres<br />
Titelbeitrages genutzt haben, werden in keinem Archiv<br />
verstauben. Wir haben sie dem Leipziger Straßenkin<strong>der</strong> e. V.<br />
geschenkt. Der Verein unterstützt Kin<strong>der</strong>, Jugendliche und<br />
junge Erwachsene, die in Obdachlosigkeit leben bzw. von<br />
Obdachlosigkeit bedroht sind.<br />
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17
Titel<br />
<strong>Gas</strong>tbeitrag<br />
<strong>Das</strong> Erdgas-Paradox<br />
Warum die Subvention <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien ausgerechnet den saubersten<br />
fossilen Energieträger verdrängt.<br />
Text Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge<br />
Deutschland hat sich mit seiner<br />
„Energiewende“ das ehrgeizige<br />
Ziel gesetzt, seine Stromversorgung<br />
langfristig nahezu vollständig auf Erneuerbare<br />
Energien (EE) umzustellen.<br />
In <strong>der</strong> öffentlichen Diskussion über<br />
diese Transformation <strong>der</strong> deutschen<br />
Stromversorgung spielen Erdgaskraftwerke<br />
eine wichtige Rolle. Sie sollen<br />
als Back-up-Kraftwerke die Stromversorgung<br />
übernehmen, wenn Wind- o<strong>der</strong><br />
Solarkraftwerke witterungsbedingt<br />
nicht genügend Strom liefern. Erdgaskraftwerke<br />
sind flexibel und im Vergleich<br />
zu an<strong>der</strong>en fossilen Kraftwerken<br />
CO 2<br />
-arm. Damit gelten sie allgemein als<br />
idealer Partner für die volatilen Erneuerbaren<br />
Energien. Tatsächlich positionieren<br />
sich beispielsweise ausländische<br />
Erdgasunternehmen als „Partner<br />
<strong>der</strong> deutschen Energiewende“ und betonen<br />
die Bedeutung des Rohstoffes<br />
für die Zukunft <strong>der</strong> Energieversorgung.<br />
In <strong>der</strong> Realität zeigt sich allerdings<br />
ein deutlich differenzierteres Bild.<br />
Trotz stetig steigendem Anteil <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />
Energien an <strong>der</strong> deutschen<br />
Stromversorgung ist die Verstromung<br />
von Erdgas in den letzten Jahren rückläufig<br />
gewesen, von 87 TWh im Jahre<br />
2010 auf 70 TWh in 2012. Gleichzeitig<br />
drückt die marktferne Subvention<br />
von Wind und Solar den Börsenstrompreis<br />
bereits heute in erheblichem<br />
Ausmaß. Dadurch gelingt es vor allem<br />
<strong>Gas</strong>kraftwerken nicht mehr, ausrei<br />
Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge ...<br />
... ist seit 2007 Professor für Volkswirtschaftslehre<br />
an <strong>der</strong> Universität zu Köln<br />
sowie gleichzeitig geschäftsführen<strong>der</strong><br />
Direktor und Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geschäftsleitung<br />
des Energiewirtschaftlichen Instituts<br />
an <strong>der</strong> Universität zu Köln (EWI).<br />
Er befasst sich mit Grundsatzfragen <strong>der</strong><br />
Energiewirtschaft und Energiepolitik.<br />
chend Volllaststunden zu erreichen<br />
und so genügend Deckungsbeiträge<br />
für ihren wirtschaftlichen Betrieb zu<br />
generieren. In <strong>der</strong> Folge werden auch<br />
mo<strong>der</strong>nste <strong>Gas</strong>kraftwerke entwe<strong>der</strong><br />
stillgelegt – wie dies beispielsweise<br />
GDF Suez in Frankreich angekündigt<br />
hat – o<strong>der</strong> müssen durch regulatorische<br />
Son<strong>der</strong>vereinbarungen am Netz gehalten<br />
werden – wie beispielsweise das<br />
<strong>Gas</strong>kraftwerk Irsching 5 bei München.<br />
Auch in den kommenden Jahren werden<br />
wachsende Anteile von Erneuerbaren<br />
Energien tendenziell mit weiter sinkenden<br />
<strong>Gas</strong>absatzmengen im Stromsektor<br />
einhergehen. Statt nach einer zunächst<br />
augenscheinlichen Symbiose sieht es<br />
also eher nach einem Konkurrenzverhältnis<br />
zwischen Erdgas und den Erneuerbaren<br />
aus.<br />
Zwar ist die Überlegung richtig, dass<br />
in kostenoptimalen Szenarien für einen<br />
weiteren EE-Ausbau ab etwa 2020 vor<br />
allem schnell startende <strong>Gas</strong>turbinen die<br />
Absicherung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />
übernehmen würden – in einer Studie<br />
für das Bundeswirtschaftsministerium<br />
aus dem Jahre 2012 beispielsweise<br />
nennt das EWI einen (theoretischen)<br />
Wert von 15 GW für das Jahr 2020 und<br />
weiteren 24 GW bis zum Jahre 2030.<br />
Aber diese Kraftwerke wären selbst<br />
in solchen Szenarien nicht beson<strong>der</strong>s<br />
stark ausgelastet und würden somit<br />
auch nur geringe Mengen von Erdgas<br />
verbrauchen. Energiewirtschaftlich<br />
spricht man vom Unterschied zwischen<br />
Leistung (o<strong>der</strong> Kapazität) und Arbeit<br />
(o<strong>der</strong> Energie). Fluktuierende Erneuerbare<br />
brauchen zur Absicherung viel<br />
Kapazität, doch diese Kapazität muss –<br />
bei <strong>der</strong> politischen Zielvorstellung eines<br />
hohen EE-Ziels – vergleichsweise wenig<br />
Energie liefern. Diese Energie wird <strong>der</strong>zeit<br />
vor allem durch die CO 2<br />
-intensive<br />
Braun- und Steinkohle und nicht durch<br />
das sauberere Erdgas erbracht, weil<br />
Erdgaskraftwerke mit ihren höheren<br />
Grenzkosten bei den gegenwärtigen<br />
CO 2<br />
-Preisen im Vergleich zu Kohlekraftwerken<br />
nicht konkurrenzfähig sind.<br />
Bevor Erdgaskraftwerke zum Einsatz<br />
kommen, werden zunächst günstigere<br />
18
medium gas 2 | 2013<br />
Energiewirtschaftliches Institut an <strong>der</strong> Universität zu Köln (EWI)<br />
<strong>Das</strong> EWI wurde vor über 60 Jahren gegründet. Es untersucht vor allem, wie sich politische<br />
und wirtschaftliche Entscheidungen sowie technologische Entwicklungen<br />
auf die Märkte und Marktergebnisse auswirken. <strong>Das</strong> EWI hat sich zum Ziel gesetzt,<br />
zu einem <strong>der</strong> führenden europäischen Forschungsinstitute, einem Think Tank für<br />
Energieökonomik, zu werden.<br />
www.ewi.uni-koeln.de<br />
Kohlekraftwerke zur Deckung <strong>der</strong> Stromnachfrage<br />
eingesetzt.<br />
Wenn <strong>der</strong> CO 2<br />
-Preis stiege, und damit<br />
<strong>der</strong> Abstand des Brennstoffpreises<br />
zwischen Kohle und Erdgas (<strong>Gas</strong>-Kohle-<br />
Spread) kleiner würde, könnte es zu einem<br />
Brennstoffwechsel von Kohle zu<br />
Erdgas kommen. Betrachtet man nur<br />
den CO 2<br />
-Preis wäre – in einer überschlägigen<br />
Rechnung – ein Emissionspreis<br />
von rund 25 €/t notwendig, um bei den<br />
<strong>der</strong>zeitigen Abständen <strong>der</strong> Brennstoffpreise<br />
einen Wechsel von einem durchschnittlichen<br />
Steinkohlekraftwerk zu<br />
einem hocheffizienten GuD-Kraftwerk<br />
zu vollziehen. Tatsächlich liegt <strong>der</strong> CO 2<br />
-<br />
Preis <strong>der</strong>zeit bei rund 4 €/t. Alternativ<br />
würden <strong>Gas</strong>kraftwerke natürlich auch<br />
von einer Verringerung des <strong>Gas</strong>-Kohle-<br />
Spreads in Europa profitieren, die <strong>der</strong>zeit<br />
allerdings nicht absehbar ist.<br />
Die aktuelle Renaissance <strong>der</strong> Kohleverstromung<br />
wird gemeinhin als<br />
Klimasünde kritisiert. Dabei wird aber<br />
übersehen, dass mit <strong>der</strong> gestiegenen<br />
Kohleverstromung <strong>der</strong> CO 2<br />
-Ausstoß in<br />
<strong>der</strong> EU nicht erhöht wird. Denn die maximal<br />
verfügbare Menge an CO 2<br />
-Emissionen<br />
wird durch das europäische<br />
Emissionshandelssystem (EU-ETS) gedeckelt.<br />
Die starke Nutzung von Kohle<br />
ist, energiewirtschaftlich betrachtet,<br />
<strong>der</strong>zeit die effiziente Reaktion des<br />
Marktes auf die vorgegebene Emissionsgrenze<br />
– bei einer unerwarteten,<br />
durch die Wirtschaftskrise in Europa<br />
hervorgerufenen, Min<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> CO 2<br />
-<br />
Emissionen und einem gleichzeitig<br />
niedrigen relativen Kohlepreis. Aber<br />
auch die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />
spielt in diesen Zusammenhang hinein.<br />
Denn <strong>der</strong> staatlich verordnete Ausbau<br />
<strong>der</strong> Erneuerbaren verdrängt zwar<br />
zunehmend fossile Kraftwerke, sorgt<br />
aber – wegen des EU-übergreifenden<br />
Deckels – nicht für eine entsprechende<br />
Verringerung <strong>der</strong> CO 2<br />
-Emissionen.<br />
Die nichtverbrauchten Emissionsrechte<br />
gehen nicht verloren, son<strong>der</strong>n stehen<br />
Emittenten weiterhin zur Verfügung. In<br />
<strong>der</strong> Folge sinkt <strong>der</strong> Preis für CO 2<br />
-Zertifikate,<br />
was wie<strong>der</strong>um den Wechsel von<br />
Kohle- zu Erdgaskraftwerken (sogenannter<br />
Fuel Switch) verhin<strong>der</strong>t.<br />
Ökonomisch betrachtet ist die Koexistenz<br />
von EU-ETS und EE-För<strong>der</strong>ung<br />
fragwürdig. Denn <strong>der</strong> Brennstoffwechsel<br />
von Kohle zu <strong>Gas</strong> ist die um ein<br />
Vielfaches günstigere CO 2<br />
-Vermeidungsoptionen<br />
im Vergleich zur Umstellung<br />
auf Erneuerbare Energien. Eine<br />
Stärkung des EU-ETS bei gleichzeitigem<br />
Verzicht auf die Subventionierung von<br />
bestimmten, staatlich verordneten CO 2<br />
-<br />
Vermeidungsoption würde also erhebliche<br />
Effizienzpotenziale für die europäische<br />
Klimastrategie bergen. Dieser<br />
Zusammenhang gilt immer, auch wenn<br />
man politisch die Zertifikate weiter<br />
verknappen und damit den CO 2<br />
-Preis<br />
erhöhen würde: Die technologiespezifische<br />
Privilegierung einer einzelnen<br />
Vermeidungsoption erhöht insgesamt<br />
die Vermeidungskosten.<br />
Doch selbst wenn sich Brennstoffund<br />
CO 2<br />
-Preise vorteilhaft für das Erdgas<br />
entwickeln sollten und damit einen<br />
Brennstoffwechsel weg von <strong>der</strong> Kohle<br />
einleiten könnten, würden Erdgaskraftwerke<br />
in einem EE-Ausbauszenario<br />
langfristig einen schrumpfenden Anteil<br />
am Strommarkt haben, insbeson<strong>der</strong>e<br />
wenn unsere Nachbarlän<strong>der</strong> gleichzeitig<br />
an <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Kernenergie<br />
festhalten.<br />
Es ergibt sich also ein Paradox: Europa<br />
will die Emission von Treibhausgasen<br />
reduzieren und dabei eine im<br />
globalen Kontext wettbewerbsfähige<br />
Stromversorgung behalten, verzichtet<br />
dabei aber gleichzeitig weitgehend auf<br />
die kostengünstige Vermeidungsoption<br />
des Brennstoffwechsels hin zu Erdgas.<br />
Auch im Wärme- und im Transportsektor<br />
stellt die Umstellung auf Erdgas<br />
eine wettbewerbsfähige CO 2<br />
-Vermeidungsoption<br />
dar, die zudem bereits<br />
kurzfristig umgesetzt werden könnte.<br />
Darüber hinaus würde eine solche Strategie<br />
auch eine Infrastruktur sichern<br />
und entwickeln, die langfristig für den<br />
Einsatz von erneuerbar erzeugtem<br />
<strong>Gas</strong> von großer Bedeutung wäre. Ein<br />
starker, sektorübergreifen<strong>der</strong> Emissionshandel<br />
würde diese effizienten<br />
CO 2<br />
-Vermeidungsoptionen aktivieren,<br />
doch im öffentlichen Diskurs spielt <strong>der</strong><br />
Energieträger Erdgas und die mit ihm<br />
verbundenen Chancen kaum eine Rolle.<br />
Geht es in <strong>der</strong> Energiepolitik dann<br />
vielleicht doch weniger um die Gewährleistung<br />
von effizientem Klimaschutz,<br />
als viel mehr um die Verfolgung ganz<br />
an<strong>der</strong>er Ziele?<br />
19
Wissen<br />
LNG bald<br />
die Nummer 1 unter<br />
den Schiffstreibstoffen?<br />
Der Flüssigerdgasmarkt zählt zu den spannendsten Wachstumsfel<strong>der</strong>n<br />
weltweit. Nur als Schiffstreibstoff kommt das<br />
Liquefied Natural <strong>Gas</strong>, kurz LNG genannt, noch nicht richtig<br />
in Fahrt. Senkt die Internationale Seeschifffahrts-Organisation<br />
(IMO) 2015 die Grenzwerte für Schwefelemissionen<br />
in <strong>der</strong> Nord- und Ostsee auf 0,1 Prozent, könnte dies jedoch<br />
eine rasante Entwicklung auf diesem Gebiet auslösen.<br />
keine<br />
Partikelemissionen<br />
Text Claudia Koslowski<br />
Die neuen ab 2015 geltenden Schwefel-<br />
Grenzwerte zwingen die Ree<strong>der</strong><br />
dazu, mehr und mehr vom Schweröl und<br />
Diesel wegzukommen. Dabei gilt LNG als<br />
zukunftsfähige Alternative. Wird Erdgas<br />
bis auf seinen Siedepunkt bei minus<br />
161,5 °C abgekühlt, geht es nicht nur<br />
in den flüssigen Zustand über, son<strong>der</strong>n<br />
schrumpft dabei auf ein Sechshun<strong>der</strong>tstel<br />
seines Volumens – und das bei<br />
normalem Umgebungsdruck. So passt<br />
ein Kubikmeter Erdgas in eine 1,5-Liter-<br />
Thermosflasche. LNG ist eine ungiftige,<br />
glasklare und geruchlose Flüssigkeit.<br />
LNG-betriebene Schiffe werden zwar ungefähr<br />
10 Prozent teurer sein als Schiffe<br />
mit herkömmlichem Kraftstoff, die Investition<br />
zahle sich jedoch laut <strong>der</strong> Klassifikationsgesellschaft<br />
Det Norske Veritas<br />
(DNV) durch reduzierte Wartungskosten,<br />
einen geringeren Treibstoffverbrauch<br />
und günstigeren Kraftstoff über den<br />
gesamten Lebenszyklus eines Schiffes<br />
aus. So dauere beispielsweise die<br />
Amortisationszeit nach <strong>der</strong> Installation<br />
von LNG-Antriebsmotoren auf einem<br />
Kurzstreckenschiff mit einem Leergewicht<br />
von 8.000 Tonnen nur zirka sechs<br />
Jahre – vorausgesetzt, das Schiff fährt<br />
nur in Gebiete, in denen die Schadstoffgrenzwerte<br />
für Schwefelemissionen von<br />
0,1 Prozent verbindlich gelten.<br />
Für Kapitän Jörg D. Stäussler, Dipl.-<br />
Wirtschaftsingenieur für Seeverkehr<br />
und Leiter <strong>der</strong> europäischen Energiemanagementagentur<br />
(IEE), hat <strong>der</strong> Einsatz<br />
von LNG „dramatische Vorteile“: Keine<br />
Partikelemissionen, keine Schwefeldioxidemissionen,<br />
80 Prozent weniger<br />
Stickstoffoxidemissionen, 25 Prozent<br />
weniger Treibhausgasemissionen. „LNG<br />
als Brennstoff ist die einzige Technologie,<br />
die alle Anfor<strong>der</strong>ungen erfüllt. Besser<br />
kann Klimaschutz nicht umgesetzt<br />
werden“, betont er. „Darüber hinaus<br />
sind LNG-angetriebene Schiffe leiser<br />
und haben einen deutlich geringeren<br />
Verschleiß. Ich erinnere mich an einen<br />
Besuch auf einem Fährschiff in <strong>der</strong> Nähe<br />
von Bergen. Dort zeigte mir <strong>der</strong> 1. Ingenieur<br />
voller Stolz den Peilstab für sein Motorenöl.<br />
Obwohl normalerweise gerade<br />
in <strong>der</strong> ersten Zeit nach Indienststellung<br />
eines Schiffes beziehungsweise Motors<br />
<strong>der</strong> größte Abrieb stattfindet und damit<br />
auch stark verschmutzt ist, war dieses<br />
Öl klar wie Bernstein. Beim <strong>Gas</strong>motor<br />
kommen schlicht keine Verbrennungs<br />
20
medium gas 2 | 2013<br />
keine<br />
Schwefeldioxidemissionen<br />
80 % weniger<br />
Stickstoffoxidemissionen<br />
25 % weniger<br />
Treibhausgasemissionen<br />
bestandteile ins Motorenöl.“ Gründe,<br />
weshalb LNG nur langsam zum Einsatz<br />
kommt, sieht er in <strong>der</strong> Wirtschaftskrise<br />
und in <strong>der</strong> anhaltenden Krise <strong>der</strong> Schifffahrt:<br />
„Dadurch werden wichtige Investitionen<br />
in umweltfreundliche Schiffe<br />
ausgebremst. Den Schiffseignern fehlt<br />
einfach das Kapital, um in alternative Antriebe<br />
zu investieren. Die Ree<strong>der</strong> haben<br />
Interesse, es gibt Pläne, aber bis etwas<br />
passiert, ist es ein langer Weg. Schuld<br />
am Engpass ist auch, dass viele Banken<br />
den Ree<strong>der</strong>n keine Kredite mehr geben.“<br />
Eine weitere Hürde für den LNG-Einsatz<br />
ist die noch fehlende Infrastruktur<br />
in Deutschland. Die Vorreiterrolle hat<br />
Norwegen. Dort befüllen vier Bunkerstationen<br />
Seeschiffe mit LNG. Zehn weitere<br />
Hafenterminals sind entsprechend<br />
ausgelegt. Ende 2011 zählte die DNV in<br />
Kapitän Jörg D. Stäussler<br />
„Besser kann Klimaschutz<br />
N<br />
nicht umgesetzt werden.“<br />
W<br />
NW<br />
NO<br />
21
Wissen<br />
LNG-Vorreiter Norwegen<br />
25 LNG-betriebene Schiffe | LNG-Tankstationen an 4 Häfen<br />
Kommt bald das LNG-Tanklager in den Hamburger Hafen?<br />
EU-weite LNG-Initiative<br />
Die EU will bis 2050 den CO 2<br />
-Ausstoß<br />
im Verkehrssektor um 60 Prozent senken<br />
– und das mit einem Netzwerk aus<br />
alternativen Kraftstoffen. Neben dem<br />
PKW- und LKW-Verkehr hat sie dafür<br />
auch die Schifffahrt ins Visier genommen.<br />
In einem ersten Vorschlag für eine<br />
EU-Kraftstoffstrategie plant die EU 139<br />
LNG-Tankstellen an vielen See- und<br />
Binnenhäfen des transeuropäischen<br />
Verkehrsnetzes. Diese sollen bis spätestens<br />
2025 gebaut werden.<br />
In Brunsbüttel können Schiffe schon seit 2011<br />
mit LNG betankt werden.<br />
22
medium gas 2 | 2013<br />
Norwegen bereits 25 LNG-betriebene<br />
Schiffe, darunter Fähren, Chemietanker,<br />
Patrouillenschiffe und Versorgungsschiffe<br />
für Plattformen – ein schwimmen<strong>der</strong><br />
Beweis für die Zukunftsfähigkeit von<br />
LNG in <strong>der</strong> Seeschifffahrt. Außerhalb<br />
Norwegens entstehen kleinere Bunkereinheiten<br />
für LNG-Schiffe in den Terminals<br />
von Zeebrügge und Rotterdam. Der<br />
Betrieb läuft 2014 an. Darüber hinaus<br />
gibt es Pläne für kleinere LNG-Terminals<br />
mit einer Speicherkapazität von weniger<br />
als 100.000 Kubikmeter in Rostock, Gothenburg<br />
und Turku (Finnland).<br />
In Rostock soll das Tanklager für Flüssig-Erdgas<br />
im Seehafen gebaut werden.<br />
Arbeitsgruppen beraten <strong>der</strong>zeit technische<br />
und organisatorische Fragen. Wenn<br />
alle Punkte geklärt sind, kann die LNG-<br />
Tankstelle bis Anfang 2016 den Betrieb<br />
aufnehmen. Noch offen ist, ob in Rostock<br />
kleine Tankschiffe o<strong>der</strong> Tanklastzüge<br />
den Kraftstoff zu den Frachtern und<br />
Fähren im Hafen bringen werden. Bevor<br />
das <strong>Gas</strong> verteilt werden kann, muss die<br />
Tankstelle selbst betankt werden. <strong>Das</strong><br />
sollen LNG-Tanker übernehmen, die<br />
verflüssigtes Erdgas zum Beispiel aus<br />
Skandinavien o<strong>der</strong> Russland nach Rostock<br />
bringen.<br />
Die im vergangenen Jahr gegründete<br />
Bomin Linde LNG GmbH & Co. KG plant<br />
ihr erstes Flüssiggasterminal zur Schiffsbetankung<br />
im Hamburger Hafen. Auf<br />
dem Gelände des im Hafen gelegenen<br />
Terminals <strong>der</strong> Marquard & Bahls Tochter<br />
Oiltanking werden bereits Wege zur<br />
Umsetzung eines LNG-Terminals unter<br />
genehmigungsrechtlichen Gesichtspunkten<br />
geprüft. Bomin Linde LNG sieht<br />
in diesem Projekt einen wesentlichen<br />
Schritt für den raschen Ausbau einer<br />
LNG-Infrastruktur in vielen europäischen<br />
Häfen. „Es gilt, das Henne-Ei-Problem<br />
bei <strong>der</strong> Einführung eines neuen Treibstoffs<br />
für die Schifffahrt in Europa zu lösen.<br />
Mit einem zuverlässigen Partner für<br />
die Bereitstellung von LNG als Treibstoff<br />
in strategisch wichtigen Häfen wird <strong>der</strong><br />
Bau von Schiffen mit LNG-Antrieb deutlichen<br />
Aufwind erfahren“, sagt Mahinde<br />
Abeynaike, Geschäftsführer für den<br />
Infrastrukturaufbau und Finanzen bei<br />
Bomin Linde LNG. „Der Hamburger Hafen<br />
hat es sich zur Aufgabe gemacht, Wirtschaft<br />
und Umweltschutz in Einklang zu<br />
bringen. Der Einsatz von LNG als Schiffskraftstoff<br />
ist hier ein wichtiger Schritt“,<br />
ergänzt Jens Meier, Geschäftsführer <strong>der</strong><br />
Hamburg Port Authority (HPA). Die HPA,<br />
als Infrastrukturbetreiber des Hamburger<br />
Hafens möchte auch einer <strong>der</strong> ersten<br />
LNG-Nutzer werden: Für das Jahr 2014<br />
plant sie ein Peil- und Messboot mit LNG-<br />
Technologie in Betrieb zu nehmen.<br />
Bei <strong>der</strong> Meyer Werft ist das verflüssigte<br />
Erdgas ebenfalls ein wichtiges<br />
Thema. Anfang des Jahres wurde <strong>der</strong><br />
Tanker „CORAL ENERGY“ für die nie<strong>der</strong>ländische<br />
Ree<strong>der</strong>ei Anthony Ve<strong>der</strong><br />
ausgeliefert. Es ist <strong>der</strong> erste <strong>Gas</strong>tanker<br />
einer neuen Generation, <strong>der</strong> mit einem<br />
umweltfreundlichen Dual-Fuel-Motor<br />
ausgestattet ist. <strong>Das</strong> Schiff ist knapp 155<br />
Meter lang, 22,70 Meter breit, hat eine<br />
Ladekapazität von 15.600 Kubikmeter<br />
und fährt bis zu 15,80 Knoten schnell<br />
(rund 33 Kilometer pro Stunde). Der<br />
Tiefgang bei voller Ladung LNG liegt bei<br />
8,20 Meter. „<strong>Das</strong> Schiff ist eine Beson<strong>der</strong>heit“,<br />
erläutert Meyer Werft-Sprecher<br />
Peter Hackmann. „Bei <strong>der</strong> innovativen<br />
Antriebstechnik dient das transportierte<br />
Flüssiggas gleichzeitig als Treibstoff.“<br />
Nach Angaben <strong>der</strong> Werft werden dadurch<br />
extrem niedrige Abgaswerte erreicht, die<br />
das Schiff zu einem <strong>der</strong> umweltfreundlichsten<br />
seiner Art machen. Die Meyer<br />
Werft will den Antrieb weiterentwickeln<br />
und künftig auch bei Passagierschiffen<br />
einsetzen.<br />
Die Frage, ob ein grundlegen<strong>der</strong> Wandel<br />
<strong>der</strong> Schifffahrt ansteht – vergleichbar<br />
mit dem historischen Wechsel von Kohle<br />
zu Dieselöl, beantwortet Dirk Thum mit<br />
Ja. Der Leiter <strong>der</strong> Abteilung Emissionen<br />
und <strong>Gas</strong> in <strong>der</strong> Anwendungsentwicklung<br />
im Bereich Medium Speed, MAN Diesel &<br />
Turbo, hält die Einschätzung für gar nicht<br />
so unrealistisch: „Mittelfristig wird es<br />
sicherlich einen massiven Trend hin zu<br />
LNG geben. Die Vorkommen an Erdgas<br />
sind so groß, dass es auf viele Jahre ein<br />
Überangebot geben wird, das die Preise<br />
niedrig hält.“ Technisch gesehen ist<br />
es heute kein Problem, Schiffe mit LNG<br />
fahren zu lassen. Am Motor sind im Vergleich<br />
zu einer Dieselmaschine nur kleine<br />
Verän<strong>der</strong>ungen nötig. „Die Bohrung<br />
und <strong>der</strong> Hub werden vergrößert“, sagt<br />
Dirk Thum. „Im Prinzip machen wir aus<br />
einem Diesel- einen Ottomotor.“<br />
Und laut einer Studie <strong>der</strong> dänischen<br />
Seeschifffahrtsbehörde wird das Bedarfspotenzial<br />
allein für den maritimen<br />
Sektor in Nordsee, Ostsee und Ärmelkanal<br />
im Jahr 2020 auf rund vier Millionen<br />
Tonnen LNG geschätzt. Somit stehen<br />
die Zeichen auf Grün, dass sich LNG in<br />
<strong>der</strong> Schifffahrt zu einem bedeutenden<br />
Treibstoff entwickeln kann.<br />
23
Porträt<br />
Für sauberes<br />
Klima in <strong>der</strong><br />
Zigarrenstadt<br />
Bünde liegt im Nordosten von Nordrhein-Westfalen und ist seit <strong>der</strong> Industrialisierung vor<br />
allem als Zigarrenstadt bekannt. Tradition und Mo<strong>der</strong>ne begegnet man überall in Bünde –<br />
auch beim hiesigen Energieversorger EWB.<br />
Text Martin Hainbucher | Foto Dirk Brozska<br />
Es ist schon früh am Morgen warm an diesem Sommertag<br />
in Bünde, <strong>der</strong> „Zigarrenstadt“ in Ostwestfalen. Eigentlich<br />
kein guter Tag für Alfred Würzinger, Geschäftsführer <strong>der</strong> Energie-<br />
und Wasserversorgung Bünde GmbH (EWB) – würde man<br />
es ganz eng auf den zu erwartenden Absatz bei Wärme und<br />
<strong>Gas</strong> betrachten. Doch <strong>der</strong> Chef des gerade mit <strong>der</strong> Übernahme<br />
von Stromkonzessionen beschäftigten Regionalstadtwerkes ist<br />
erstens kein Mann von allzu kurzfristigen Betrachtungen und<br />
zweitens ein Charakter, <strong>der</strong> selbst bei wirklichen Problemen<br />
nie ganz die gute Laune verliert – schon gar nicht am Beginn<br />
seines Arbeitstages.<br />
Der kleine Chef-Besprechungsraum in dem pragmatischen<br />
Verwaltungsbau im Ortsteil Ahle ist <strong>der</strong> erste Anlaufpunkt. Die<br />
letzten Zahlen für den Geschäftsbericht, <strong>der</strong> dem Aufsichtsrat<br />
vorgelegt werden muss, sind noch einmal<br />
zu überprüfen, ein paar Dokumente zu unterzeichnen<br />
und gegen Mittag steht noch<br />
ein Termin beim Bürgermeister an. Im Rathaus<br />
will man nicht nur einen ordentlichen<br />
Ertrag sehen, <strong>der</strong> die Finanzierung des Nahverkehrs,<br />
<strong>der</strong> Bä<strong>der</strong> und manch weiterer<br />
kultureller Leistungen ermöglicht, auch<br />
das Unternehmen selbst soll eine gesunde<br />
Entwicklung nehmen. „<strong>Das</strong>s ich das hier<br />
umsetzen kann, macht meinen Job so reizvoll“,<br />
bekennt Würzinger. Er verantworte<br />
als Chef von gut 80 Mitarbeitern praktisch<br />
die gesamte Breite <strong>der</strong> Energiewirtschaft<br />
und habe im operativen Geschäft auch<br />
die nötigen Spielräume. „Natürlich muss<br />
<strong>der</strong> Aufsichtsrat zustimmen, wenn wir ins<br />
24
medium gas 2 | 2013<br />
Der Bürgermeister von Bünde Wolfgang Koch und EWB-Geschäftsführer Alfred Würzinger (re.)<br />
Stromgeschäft einsteigen, natürlich gehen Investitionen in einen<br />
Windpark, die Solaranlagen auf unserem Dach o<strong>der</strong> die<br />
Biogasanlage nicht ohne den Segen von oben“, so <strong>der</strong> Manager.<br />
Doch vertrauen <strong>der</strong> Bürgermeister und auch die Entschei<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> am regionalen Stadtwerk beteiligten Kommunen in hohem<br />
Maße seiner Expertise. „Wir verfolgen hier seit Jahren keine<br />
kurzfristige Gewinnstrategie, son<strong>der</strong>n ein solides Wachstum.<br />
<strong>Das</strong>s wir viele innovative Projekte anpacken ist richtig in <strong>der</strong><br />
Zeit <strong>der</strong> Energiewende, aber wir machen das mit Augenmaß“,<br />
sagt <strong>der</strong> gelernte Diplom-Ingenieur. Vorrang hätten dabei solche<br />
Technologien, bei denen sich ein wirtschaftlicher wie auch <strong>der</strong><br />
Klimaeffekt mit optimalem Aufwand realisieren lasse.<br />
Und das zahlt sich aus. 90 Prozent <strong>der</strong> Haushalte mit einem<br />
entsprechenden Anschluss beziehen das <strong>Gas</strong> von ihrem kommunalen<br />
Anbieter, und seit das Angebot mit Stromlieferungen 2010<br />
komplettiert wurde, wächst auch in diesem Segment <strong>der</strong> Anteil<br />
schnell. „Die Bün<strong>der</strong> sind sehr bodenständig. Und wenn sich <strong>der</strong><br />
lokale Versorger in ihrer Mitte als sozial verantwortungsvolles<br />
Unternehmen beweist, das die Gewinne wie<strong>der</strong> hier investiert,<br />
das sich vor Ort für die Kultur einsetzt und dessen Mitarbeiter<br />
man persönlich kennt, dann ist das ein ganz wichtiges Argument<br />
für einen <strong>Gas</strong>-, Strom- o<strong>der</strong> Wärmevertrag“, meint Würzinger,<br />
„beson<strong>der</strong>s, wenn wir wettbewerbsfähige Konditionen bieten“.<br />
Dazu kommt, dass die Bürger <strong>der</strong> Stadt nicht mehr auf „Discounter“<br />
stehen. Anbieter, die es hier versuchten, haben wenig<br />
Freunde und Freude. Selbst ein großes Regionalunternehmen<br />
hat inzwischen den aktiven Vertrieb vor Ort wie<strong>der</strong> aufgegeben.<br />
Ein bisschen tragen sicher auch die auffällig lackierten<br />
Fahrzeuge o<strong>der</strong> die Infostände bei allen Stadt-Events bei. „Wir<br />
sind immer sehr präsent, aber wir haben auch konkrete Argumente<br />
zu bieten“, meint Alfred Würzinger. Dazu gehören<br />
zum Beispiel attraktive Hilfen für die Umrüstung von Heizkesseln<br />
auf die neueste Technologie, die über Nachlässe bei den<br />
Energierechnungen gegeben werden. Wer beispielsweise ein<br />
BHKW anschafft, bekommt je nach Größe bis zu 30.000 kWh<br />
geschenkt. Und die Hausanschlusspreise, die bei einigen Versorgern<br />
zwischen 3.000 und 5.000 Euro kosten, gibt’s in Bünde<br />
zum Volkspreis: „Wir berechnen Gesamtkosten, die bei den<br />
meisten Grundstücken zwischen 1.100 bis 1.500 Euro liegen“,<br />
versichert <strong>der</strong> Geschäftsführer.<br />
„Wir verfolgen hier seit Jahren keine kurzfristige<br />
Gewinnstrategie, son<strong>der</strong>n ein solides Wachstum.<br />
<strong>Das</strong>s wir viele innovative Projekte anpacken ist richtig in <strong>der</strong><br />
Zeit <strong>der</strong> Energiewende, aber wir machen das mit Augenmaß.“<br />
25
Porträt<br />
„Wir sind für die<br />
Bürger die ersten<br />
Energieberater vor<br />
Ort.“<br />
Alfred Würzinger und Petra Eggert-Höfel, Vorstandsvorsitzende <strong>der</strong> Bau- und Siedlungsgenossenschaft<br />
in Bünde, planen eine Einfamilienhaussiedlung mit mo<strong>der</strong>nem Mikro-BHKW.<br />
Im Rathaus zu Bünde, wo im großen Ratssaal die alten Wappen<br />
jener sächsischen Ritter des Mittelalters zeigen, <strong>der</strong>en Bund zur<br />
Eroberung Englands <strong>der</strong> Stadt ihren Namen gab, empfängt Bürgermeister<br />
Wolfgang Koch seinen Versorgungschef ohne jedes<br />
Protokoll. Es ist eine von vielen kurzen Besprechungen in seinem<br />
Büro, bei denen es um die Erschließung eines Neubaugebietes<br />
ebenso geht wie um die laufenden Geschäfte. Konfliktstoff, sagt<br />
Koch, gibt es ganz selten, das meiste lasse sich gleich am Telefon<br />
klären. „Ich würde das am besten mit einer konstruktiven<br />
Begleitung eines sehr kompetenten und leistungsstarken Unternehmenslenkers<br />
umschreiben“, sagt <strong>der</strong> Bürgermeister über<br />
Würzinger. Doch <strong>der</strong> Rathaus-Chef will auch Hintergründe für<br />
anstehende Entscheidungen kennen, so dass das persönliche<br />
Gespräch heute wichtig ist. Für den Reporter schließen sich hier<br />
die Türen. Nur so viel wird noch gesagt, dass es um Kooperationen<br />
o<strong>der</strong> auch gesellschaftsrechtliche Verbindungen mit an<strong>der</strong>en<br />
kommunalen Versorgern geht, um für die Zukunft gewappnet<br />
zu sein. Auf dem Rücksitz von Alfred Würzingers Dienstwagen<br />
Alfred Würzinger<br />
Was macht Bünde lebens- und liebenswert?<br />
Es ist eine sehr grüne Region mit viel Natur<br />
und Raum, zugleich aber auch einer<br />
schönen Innenstadt und einer kompletten<br />
Infra struktur. Hier kann man sehr gut leben,<br />
entspannen und auch Kultur genießen.<br />
Haben Sie eine Lieblingskneipe?<br />
Ich bin kein typischer Kneipengänger. Aber<br />
wo ich gern hingehe ist das Universum, ein<br />
denkmalgeschütztes Lichtspieltheater, wo<br />
es häufig gute Kleinkunst gibt.<br />
Was ist Ihr Lieblingsplatz?<br />
Gern bin ich im Steinmeisterpark o<strong>der</strong> am<br />
Else-Flussufer, wo man sehr schön spazieren<br />
gehen kann. Mitten in <strong>der</strong> Stadt,<br />
aber wun<strong>der</strong>volles Grün.<br />
Viele kleine Städte haben ein demografisches<br />
Zukunftsproblem. Wie sieht<br />
die Perspektive von Bünde aus?<br />
Die Stadt ist wirtschaftlich gesund, die Arbeitslosigkeit<br />
ist u. a. dank <strong>der</strong> hier angesiedelten<br />
Küchenmöbelhersteller niedrig,<br />
die Lebensqualität hoch. Deshalb mache<br />
ich mir da wenig Sorgen, die Einwohnerzahl<br />
ist vergleichsweise recht stabil.<br />
26
medium gas 2 | 2013<br />
Bünde in aller Kürze<br />
Bünde und die heute noch vorhandene Laurentius-Kirche wurden<br />
853 erstmals urkundlich erwähnt.<br />
Wirtschaftlich lebte die Region lange Zeit von <strong>der</strong> Weberei, als<br />
Ersatz wurde nach <strong>der</strong> Erfindung des Webstuhls die Tabakverarbeitung<br />
etabliert – nicht zuletzt wegen günstiger Zollbedingungen,<br />
<strong>der</strong> Nähe von Bremen und <strong>der</strong> damals geringen Löhne. Von den<br />
einst mehr als 100 Zigarrenfabriken gibt es heute noch drei.<br />
Im Dammtorhaus, dem Deutschen Tabakmuseum, können die<br />
größte Zigarre (1,60 Meter lang) und die Geschichte <strong>der</strong> Tabakindustrie<br />
besichtigt werden.<br />
Bünde hat etwa 46.000 Bewohner, das gesamte Versorgungsgebiet<br />
<strong>der</strong> EWB mit weiteren Gemeinden wie Kirchlengern, Rödinghausen<br />
und Spenge beherbergt rund 90.000 Einwohner.<br />
Bremen<br />
Bünde<br />
Hamburg<br />
Hannover<br />
hängt ein Fan-Schal von Borussia Dortmund, was fast zu einem<br />
kleinen Eklat führt. Petra Eggert-Höfel, Vorstandsvorsitzende <strong>der</strong><br />
Bau- und Siedlungsgenossenschaft, ist bekennende Unterstützerin<br />
von Schalke 04, was im Umkreis des Bielefel<strong>der</strong> Fußballs<br />
eine ebenso eigenartige wie kribbelnde Konstellation ist. Doch<br />
die beiden Chefs verbinden viele wirtschaftliche Interessen<br />
und können über Fußball durchaus scherzen. Und so findet die<br />
gemeinsame Tour zu einer Baustelle am Rande <strong>der</strong> Stadt dann<br />
trotzdem statt – natürlich unter Protest. <strong>Das</strong> Unternehmen baut<br />
hier Einfamilienhäuser, aber auch einige größere Bauten, etwa<br />
für eine Seniorenhausgemeinschaft. <strong>Das</strong> Beson<strong>der</strong>e daran ist,<br />
dass die EWB hier ein Mikro-BHKW aufstellen wird, das neben<br />
<strong>der</strong> Heizung zugleich noch einen Teil des benötigten Stromes<br />
liefert. „Wir nutzen gern das angebotene Contracting-Modell, bei<br />
dem die Anlage Eigentum <strong>der</strong> EWB bleibt und auch <strong>der</strong> komplette<br />
Service bis hin zur Abrechnung mit den Mietern dort erledigt<br />
wird“, berichtet Petra Eggert-Höfel.<br />
<strong>Das</strong> Genossenschafts-Unternehmen hatte bald nach dem Krieg<br />
1.500 Wohnungen errichtet, um die damalige Wohnungsnot zu<br />
lin<strong>der</strong>n. Viele <strong>der</strong> Mehrgeschosser von damals wurden inzwischen<br />
durch Neubauten ersetzt, etliche aber auch energetisch<br />
saniert – ebenfalls mit Hilfe <strong>der</strong> Stadtwerke. Auch wenn sich<br />
die Kosten nicht voll auf die Mieten umlegen lassen, so sei die<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung dennoch lohnenswert. Statt Nachtspeicheröfen<br />
bieten die Wohnungen dann Fußbodenheizung und vor allem<br />
deutlich niedrigere Nebenkosten. Bis zu 80 Prozent <strong>der</strong> Energiekosten<br />
lassen sich mit dem Umbau etwa zu einem Passivhaus<br />
einsparen, versichert die Wohnungsbau-Chefin, was ja<br />
eigentlich bei Alfred Würzinger eher Sorgenfalten aufs Gesicht<br />
„In ein paar Jahren werden<br />
die jungen Leute selbst einen<br />
Haushalt gründen, und dann<br />
sollen sie in <strong>der</strong> Lage sein,<br />
richtig zu entscheiden.“<br />
zaubern müsste. „Nein, da sind wir voll dabei, Energieeffizienz<br />
ist eine ganz wichtige Säule <strong>der</strong> Energiewende, und wir sind für<br />
die Bürger die ersten Energieberater vor Ort“, sagt er. Und dafür<br />
stehen nun mal die kommunalen, lokalen Stadtwerke, denen es<br />
um Nachhaltigkeit und nicht um den kurzfristigen Gewinn geht.<br />
„<strong>Das</strong> ist schon eine wichtige Gemeinsamkeit zwischen unseren<br />
beiden Unternehmen“, pflichtet ihm auch Petra Eggert-Höfel bei.<br />
In <strong>der</strong> Hauptschule von Bünde trifft Alfred Würzinger eine Stunde<br />
später die Schulleiterin Brigitte Lubitz. Es geht um ein Lernprojekt,<br />
bei dem die Schüler <strong>der</strong> achten Klasse viel über Klimaschutz<br />
und die Kraft-Wärme-Kopplung hören. Die dafür angereisten<br />
Experten von <strong>der</strong> Deutschen Umwelt-Aktion finanziert die EWB,<br />
weil die junge Generation über solch zukunftsrelevante Dinge<br />
möglichst anschaulich und aus erster Hand unterrichtet werden<br />
soll, wie Würzinger findet. <strong>Das</strong> Projekt soll fortgesetzt werden,<br />
möglichst auch an an<strong>der</strong>en Schulen. „Ich denke, das ist in mehrfacher<br />
Hinsicht eine Investition in die Zukunft. Denn in ein paar<br />
Jahren werden die jungen Leute selbst einen Haushalt gründen,<br />
und dann sollen sie in <strong>der</strong> Lage sein, richtig zu entscheiden.“<br />
27
Hauptstadtgespräch<br />
„Wir brauchen tragfähige politische<br />
Beschlüsse und mehr Planungssicherheit<br />
für die Akteure.“<br />
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sieht es als Pflichtprogramm <strong>der</strong> neuen Bundesregierung an,<br />
sowohl die Reform des EEG anzugehen, als auch ganz grundlegend die Rollenverteilung zwischen konventionellen<br />
und Erneuerbaren Energien zu überarbeiten. VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck erklärt<br />
im Interview mit medium gas, welchen Grundsätzen die Politik bei <strong>der</strong> Neuaufstellung <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
folgen sollte und mit welchem „Masterplan“ sie gelingen könnte.<br />
1. Der VKU hat sich in die Debatte um<br />
die richtige Gestaltung <strong>der</strong> Erneuerbaren-För<strong>der</strong>ung<br />
mit einem eigenen Strommarktmodell<br />
eingebracht. Was sind die<br />
Eckpunkte?<br />
Wir müssen die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />
Energien im Rahmen eines Gesamtkonzepts<br />
neu ordnen. Hier setzt unser integriertes<br />
Energiemarktdesign an. Darin<br />
schlagen wir ein neues und wettbewerbliches<br />
För<strong>der</strong>system für Erneuerbare Energien<br />
vor. Anstelle <strong>der</strong> bisherigen festen<br />
Einspeisevergütung sollen Neuanlagen<br />
zukünftig Investitionskostenzuschüsse<br />
erhalten, <strong>der</strong>en Höhe in Versteigerungen<br />
auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Ausbauziele des<br />
Bundes und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> ermittelt wird. Der<br />
in diesen Anlagen erzeugte Strom wird<br />
direkt vermarktet. Dadurch lässt sich<br />
letztlich ein Höchstmaß an Markt- und<br />
Systemintegration Erneuerbarer Energien<br />
erreichen. Idealerweise wird die Anlage<br />
über ihre gesamte Abschreibungsdauer<br />
geför<strong>der</strong>t, um sie auch tatsächlich am<br />
Netz zu halten und Mitnahmeeffekte zu<br />
verhin<strong>der</strong>n.<br />
2. Gleichzeitig for<strong>der</strong>t <strong>der</strong> VKU auch<br />
einen Leistungsmarkt und neue Regulierungsbedingungen<br />
…<br />
Ja, das sind zwei weitere Elemente in<br />
unserem Modell. Durch den Leistungsmarkt<br />
sollen hochflexible konventionelle<br />
Kraftwerke, die gesicherte Stromerzeugung<br />
anbieten, zukünftig schon für die<br />
Bereitstellung ein Entgelt erhalten. Damit<br />
können diese Kraftwerke am Netz bleiben<br />
und auch weiterhin Investitionen<br />
in gesicherte Kraftwerks- o<strong>der</strong> Speicherleistung<br />
erfolgen. Nur so kann die<br />
große Herausfor<strong>der</strong>ung, dass an wind-<br />
o<strong>der</strong> sonnenarmen Tagen<br />
Versorgungsengpässe in <strong>der</strong><br />
Stromversorgung bestehen,<br />
bewältigt werden. Und auch<br />
die Regulierungsbedingungen<br />
für die Stromnetze sind<br />
aus unserer Sicht neu zu<br />
gestalten. Dazu bedarf es<br />
geeigneter Instrumente, die<br />
es erlauben, die Verteilnetze<br />
zu intelligenten Netzen um- und auszubauen.<br />
<strong>Das</strong> bestehende System <strong>der</strong><br />
„Die Erneuerbaren<br />
müssen<br />
sich möglichst<br />
schnell ohne<br />
För<strong>der</strong>ung am<br />
Markt behaupten<br />
können.“<br />
Anreizregulierung muss aus VKU-Sicht<br />
weg von <strong>der</strong> reinen Kostenbetrachtung<br />
beziehungsweise -senkung hin zu einer<br />
För<strong>der</strong>ung innovativer Investitionen. Der<br />
Netzausbau ist die kostengünstigste Investition<br />
in die Energiewende und sollte<br />
daher vordringlich erfolgen.<br />
3. Ein weiterer Bestandteil des Konzeptes<br />
ist die verpflichtende Direktvermarktung<br />
bei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />
Energien. Wie ist das gemeint?<br />
Der Strom, den die Anlagen erzeugen,<br />
wird – wie je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Strom auch –<br />
am Strommarkt vermarktet.<br />
<strong>Das</strong> kann durch den Betreiber<br />
<strong>der</strong> Anlage selbst o<strong>der</strong><br />
durch einen Dienstleister<br />
erfolgen. Durch die Wettbewerbssituation<br />
werden sich<br />
die Konzepte durchsetzen,<br />
die durch Effizienz und Flexibilität<br />
optimal auf Angebot<br />
und Nachfrage reagieren. Die<br />
Erneuerbaren Energien lassen sich damit<br />
in den Strommarkt integrieren und<br />
28
medium gas 2 | 2013<br />
ihr Ausbau ist so besser regional, aber<br />
auch technologiespezifisch steuerbar.<br />
Wichtigstes Ziel dabei ist, dass die Erneuerbaren<br />
Energien möglichst schnell<br />
Marktparität erreichen, sich also ohne<br />
För<strong>der</strong>ung am Markt behaupten können.<br />
4. Wie europäisch sind ihre For<strong>der</strong>ungen<br />
angelegt?<br />
Auch wenn <strong>der</strong> Fokus unseres Energiemarktdesigns<br />
auf dem deutschen Energiesystem<br />
liegt, orientieren sich unsere<br />
For<strong>der</strong>ungen an den europäischen Langfristzielen.<br />
Denn damit muss es langfristig<br />
kompatibel sein. <strong>Das</strong> gilt<br />
vor allem für die übergeordneten<br />
und EU-weit verbindlichen<br />
Ziele, also den Ausbau<br />
<strong>der</strong> Erneuerbaren Energien,<br />
die Energieeffizienz und den<br />
Klimaschutz. <strong>Das</strong> europäische<br />
Ziel, einen wettbewerbsorientierten<br />
Binnenmarkt für<br />
Energie zu verwirklichen,<br />
passt perfekt zu unseren wettbewerblichen<br />
Ansätzen zum Leistungsmarkt und<br />
„Ohne die notwendige<br />
Weitsicht<br />
sehe ich<br />
dem Gelingen<br />
<strong>der</strong> Energiewende<br />
mit großer<br />
Sorge entgegen.“<br />
<strong>der</strong> verpflichtenden Direktvermarktung<br />
<strong>der</strong> Erneuerbaren Energien.<br />
5. Welche Antworten liefert das Marktmodell<br />
auf die Frage nach <strong>der</strong> Rentabilität<br />
von hochmo<strong>der</strong>nen <strong>Gas</strong>kraftwerken?<br />
In welchem Verhältnis müssen Wettbewerb<br />
und staatliche Eingriffe stehen?<br />
Wir for<strong>der</strong>n einen Leistungsmarkt, <strong>der</strong><br />
die Bereitstellung von verlässlicher Versorgungsleistung<br />
aus hocheffizienten,<br />
flexiblen konventionellen Kraftwerken<br />
honoriert. Denn gesicherte Leistung<br />
braucht einen Wert, da eine sichere und<br />
wirtschaftliche Energieversorgung<br />
die Grundlage für die industrielle<br />
Produktion und die<br />
Volkswirtschaft insgesamt ist!<br />
Durch einen Leistungsmarkt<br />
wird die Stromversorgung<br />
auch zukünftig sichergestellt<br />
und diejenigen Kraftwerke,<br />
die dazu einen Beitrag liefern,<br />
können wie<strong>der</strong> wirtschaftlich<br />
betrieben werden. Der heutige Strommarkt<br />
vergütet ausschließlich das Bereitstellen<br />
elektrischer Arbeit. Vor allem<br />
<strong>Gas</strong>kraftwerke werden infolge des steigenden<br />
Anteils von Wind- und Solarstrom<br />
seltener eingesetzt und können nicht<br />
mehr kostendeckend betrieben werden.<br />
Neuinvestitionen in hochflexible <strong>Gas</strong>kraftwerke,<br />
die mit Blick auf den weiteren Zubau<br />
<strong>der</strong> Erneuerbaren Energien und die<br />
Abschaltung <strong>der</strong> Atomkraftwerke dringend<br />
nötig sind, finden deshalb <strong>der</strong>zeit kaum<br />
statt. Mit unserem Energiemarktdesign<br />
geben wir <strong>der</strong> Politik einen konstruktiven<br />
Lösungsvorschlag an die Hand. Dabei wird<br />
<strong>der</strong> heutige Strommarkt nicht komplett<br />
umgekrempelt, son<strong>der</strong>n vielmehr auf dem<br />
bewährten Energy-Only-Markt aufgebaut,<br />
<strong>der</strong> sinnvoll ergänzt wird.<br />
Hans-Joachim Reck ...<br />
... ist seit 2007 Hauptgeschäftsführer<br />
des Verbandes kommunaler Unternehmen.<br />
Zuvor war er unter an<strong>der</strong>em bei<br />
<strong>der</strong> Deutschen Telekom beschäftigt und<br />
begleitete zahlreiche Ämter in Politik<br />
und kommunaler Verwaltung.<br />
29
Hauptstadtgespräch<br />
KU<br />
95 Mrd. € Umsatz<br />
1.400 kommunale Unternehmen<br />
8,1 Mrd. € Investitionen<br />
235.000 Mitarbeiter<br />
6. Stichwort Masterplan: Die Diskussion<br />
um das Management <strong>der</strong> Energiewende<br />
ist <strong>der</strong>zeit in vollem Gange. Wie<br />
optimistisch sind Sie, dass es nach <strong>der</strong><br />
Bundestagswahl die vielgefor<strong>der</strong>te Gesamtkoordination,<br />
vielleicht in Form<br />
eines Energieministeriums geben wird?<br />
Ohne die notwendige Weitsicht sowie<br />
ein qualifiziertes Projektmanagement<br />
sehe ich dem<br />
Gelingen <strong>der</strong> Energiewende<br />
mit großer Sorge entgegen.<br />
Wir brauchen tragfähige<br />
politische Beschlüsse und<br />
mehr Planungssicherheit für<br />
die Akteure. Deshalb appellieren wir hier<br />
ganz klar in Richtung Bundesregierung,<br />
die energiepolitischen Verantwortlichkeiten<br />
zukünftig in einer Instanz zu<br />
bündeln. <strong>Das</strong> kann zum Beispiel in Form<br />
eines Bundesministeriums o<strong>der</strong> durch einen<br />
Staatsminister im Bundeskanzleramt<br />
gelingen. Die Bundesregierung könnte so<br />
besser auf die komplexen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
reagieren, die die Energiewende an den<br />
zukünftigen Strommarkt stellt.<br />
7. Im VKU-Eckpunktepapier zur Bundestagswahl<br />
for<strong>der</strong>n Sie, dass die kommunale<br />
Energieversorgung gestärkt werden<br />
müsse. Was meinen Sie damit?<br />
Der VKU und die Stadtwerke stehen klar<br />
„Der VKU und<br />
die Stadtwerke<br />
stehen klar zur<br />
Energiewende.“<br />
zur Energiewende – trotz aller Kritik an<br />
einzelnen Umsetzungsdefiziten. Allerdings<br />
ist das wirtschaftliche Risiko für<br />
Investitionen in hocheffiziente und flexible<br />
Kraftwerke <strong>der</strong>zeit viel zu hoch. Aber<br />
auch die sich regelmäßig än<strong>der</strong>nden gesetzlichen<br />
Rahmenbedingungen bringen<br />
große Unsicherheiten mit sich. Zukünftig<br />
müssen sich Investitionen<br />
in konventionelle Anlagen<br />
wie<strong>der</strong> lohnen. Dazu muss<br />
<strong>der</strong> Energiemarkt in einem<br />
integrierten Ansatz weiterentwickelt<br />
werden. Trotz<br />
Wahljahr und beginnendem<br />
Wahlkampf brauchen wir eine schnelle<br />
Verständigung zwischen Politik und<br />
Energiewirtschaft auf ein konsistentes<br />
und zukunftsfähiges Energiemarktdesign.<br />
8. Ein wesentlicher Baustein <strong>der</strong> Energiewende<br />
ist auch die Lösung <strong>der</strong> Speicherfrage.<br />
Die Erdgasinfrastruktur stellt<br />
bereits heute ein riesiges und flächendeckendes<br />
Speichermedium für Strom<br />
aus Erneuerbaren Energien dar. Welche<br />
Rolle wird Power-to-<strong>Gas</strong> aus Ihrer Sicht<br />
in Zukunft spielen?<br />
Power-to-<strong>Gas</strong> ist eine zukunftsträchtige<br />
Langzeitspeichermöglichkeit, die einige<br />
unserer Mitgliedsunternehmen bereits<br />
in Pilotanlagen erproben. Im „Zeitalter<br />
<strong>der</strong> Erneuerbaren“ kann Power-to-<strong>Gas</strong><br />
einen wertvollen Beitrag zum Ausgleich<br />
von Erzeugungsschwankungen leisten<br />
und damit ein wichtiger Baustein für<br />
das Gelingen <strong>der</strong> Energiewende werden.<br />
Es liegt jetzt an <strong>der</strong> Politik, dieses<br />
Potenzial durch geeignete Anreize zu<br />
erschließen. Dann kann die Power-to-<br />
<strong>Gas</strong>-Technologie zum Klimaschutz beitragen<br />
und als weiteres Instrument zur<br />
Flexibilisierung unseres Energiesystems<br />
genutzt werden.<br />
Verband kommunaler Unternehmen<br />
(VKU)<br />
Die Interessenvertretung <strong>der</strong> kommunalen<br />
Versorgungs- und Entsorgungswirtschaft<br />
in Deutschland. Sitz des 1949<br />
gegründeten Verbandes ist Berlin. Der<br />
VKU vertritt über 1.400 kommunalwirtschaftliche<br />
Unternehmen in den Bereichen<br />
Energie, Wasser/Abwasser und<br />
Abfallwirtschaft. Mit 235.000 Beschäftigten<br />
wurden 2010 Umsatzerlöse von<br />
rund 95 Milliarden Euro erwirtschaftet<br />
und etwa 8 Milliarden Euro investiert.<br />
www.vku.de<br />
30
medium gas 2 | 2013<br />
…, dass ein EU-Gesetz rund<br />
22 Monate bis zur<br />
Implementierung braucht?<br />
…, dass 81 Prozent <strong>der</strong><br />
nationalen energie- und<br />
umweltpolitischen Gesetze<br />
auf einem Impuls <strong>der</strong> EU<br />
basieren?<br />
Wussten Sie …<br />
Mit unseren unterhaltsamen und interessanten Memory können Sie nach<br />
den passenden energiepolitischen Kartenpaaren suchen.<br />
…, dass die Losung von<br />
200 Zwergkaninchen,<br />
umgewandelt in Biogas,<br />
ein Einfamilienhaus mit<br />
Energie versorgen kann?<br />
…, dass es in Deutschland<br />
nicht nur ein nationales<br />
Energiewendekonzepte<br />
gibt, son<strong>der</strong>n auch 16 Län<strong>der</strong>strategien<br />
zur Senkung<br />
<strong>der</strong> CO 2<br />
-Emissionen und<br />
zum Ausbau <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />
Energien?<br />
…, dass die Bundeswehr<br />
die Höhe für nächtliche<br />
Tiefflüge wegen <strong>der</strong> vielen<br />
Windrä<strong>der</strong> um 100 Meter<br />
anheben musste?<br />
…, dass die CO 2<br />
-Emissionen<br />
laut den vorläufigen Zahlen<br />
des Bundesumweltministeriums<br />
2012 wie<strong>der</strong> um<br />
1,5 Prozent angestiegen<br />
sind?<br />
…, dass das Erneuerbare-<br />
Energien-Wärmegesetz<br />
im Jahr 1998 überschaubare<br />
19 Paragraphen<br />
hatte und es jetzt bereits<br />
118 Paragraphen sind?<br />
…, dass <strong>der</strong> DTV-Band<br />
„Energierecht“ in <strong>der</strong><br />
1. Auflage (2001) 496<br />
Seiten und in <strong>der</strong> 9. Auflage<br />
(2011) bereits 1.465<br />
Seiten dick war?<br />
31
Ohne Erdgas geht es nicht! Nicht heute, nicht morgen, nicht übermorgen. Erdgas<br />
ist zuverlässig, günstig, sauber und steht noch sehr lange zur Verfügung. Nicht<br />
umsonst ist es in Deutschland die Nummer 1 im Wärmemarkt. Und: Erdgas ist ein<br />
sicherer Anker im von den Erneuerbaren geprägten Energiemix. Es kann alle wetterbedingten<br />
Schwankungen mit <strong>der</strong> notwendigen Flexibilät ausgleichen.<br />
<strong>VNG</strong> – <strong>Verbundnetz</strong> <strong>Gas</strong> Aktiengesellschaft<br />
Braunstraße 7 | 04347 Leipzig | Telefon + 49 341 443-0 | Fax + 49 341 443-1500 | info@vng.de | www.vng.de