medium gas 2011.2 - VNG Verbundnetz Gas AG
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Ausgabe 2 | 2011<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong><br />
Das Magazin für Kunden und Partner der <strong>VNG</strong>-Gruppe<br />
SCHWERPUNKT: Wind, Sonne und Bio<strong>gas</strong> – mit Erd<strong>gas</strong> der Energiemix der Zukunft.<br />
→ Interview mit Prof. Dr. Klaus Töpfer<br />
Die Energiewende als<br />
deutsches Gemeinschaftswerk<br />
Seite 28<br />
→ Infrastruktur<br />
Erd<strong>gas</strong>infrastruktur wird zu einem<br />
Schlüsselfaktor in Deutschland<br />
Seite 32<br />
→ 40 Jahre norwegisches Erdöl-Abenteuer<br />
Das Leben auf einer Bohrinsel<br />
Seite 38
INHALT<br />
Foto: Michael Fahrig<br />
AKTUEll<br />
Unser Titelmotiv<br />
Foto: Christian Schneider<br />
Aus überschüssigem Windstrom und Bio<strong>gas</strong> erzeugt in Kürze ein Hybridkraftwerk in der Nähe von Prenzlau Wasserstoff. Das hochenergetische <strong>Gas</strong><br />
kann als Autotreibstoff dienen oder in das Erd<strong>gas</strong>netz eingespeist werden. Auch eine Umwandlung in Methan mit Erd<strong>gas</strong>qualität ist möglich. Foto: ENERTR<strong>AG</strong><br />
2<br />
4 <strong>VNG</strong> Aktuell<br />
6 Energiepolitik Spezial<br />
7 Aktuelle Nachrichten aus der<br />
MARKT<br />
Energiepolitik und Energiewirtschaft<br />
10 Eisenhüttenstadt und ArcelorMittal<br />
Der Stahl macht Werk und Stadt<br />
16 Marktpartnerkooperation<br />
Ein Kraftwerk im Keller?<br />
Unterwegs mit dem <strong>VNG</strong>-Marktpartner<br />
Wolfgang Borz.<br />
18 Neue Serie<br />
Das <strong>VNG</strong>-Hauptstadtgespräch<br />
mit Thomas Bareiß, Mitglied des<br />
Deutschen Bundestages.<br />
SCHWERPUNKT<br />
22 Reportage<br />
Wind, Sonne und Bio<strong>gas</strong> –<br />
mit Erd<strong>gas</strong> der Energiemix der Zukunft.<br />
28 Interview<br />
Die Energiewende als deutsches<br />
Gemeinschaftswerk<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> sprach mit Prof. Dr. Klaus<br />
Töpfer über die deutsche Vorreiterrolle<br />
in Sachen Energieversorgung.<br />
30 <strong>Gas</strong>tbeitrag<br />
Erd<strong>gas</strong> im zukünftigen Energiemix<br />
Dr. Felix Christian Matthes erläutert die<br />
Bedeutung von Erd<strong>gas</strong> im Wärmemarkt<br />
der Zukunft bei der Stromversorgung<br />
und im Mobilitätssektor.<br />
32 Infrastruktur<br />
Revolution auf dem Energiemarkt –<br />
Erd<strong>gas</strong>infrastruktur wird zu einem<br />
Schlüsselfaktor in Deutschland.<br />
Uwe Barthel über die Speicherfähigkeit<br />
des Erd<strong>gas</strong>netzes.<br />
Foto: Statoil<br />
UMSCHAU<br />
34 Internationales<br />
Katar – reich an Erd<strong>gas</strong> und<br />
lNG-Exporteur Nr. 1<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> skizziert Katars<br />
wirtschaftlichen Aufstieg.<br />
36 Interview<br />
„lNG ist eine interessante Option.“<br />
Michael Ludwig im Gespräch mit<br />
dem Botschafter des Staates Katar<br />
in Deutschland.<br />
38 40 Jahre norwegisches Erdöl-Abenteuer<br />
Das leben auf einer Bohrinsel<br />
Marleen Laschet im Gespräch mit den<br />
ehemaligen Bohrinselarbeitern Jonny<br />
und Rudi.<br />
42 EU-Energiepolitik<br />
Viele Aufgaben für den neuen<br />
Europäischen Energieregulator<br />
Dr. Ralf Pastleitner über Bedeutung<br />
und Kompetenzen von ACER.
Foto: BASF <strong>AG</strong><br />
FEATURE<br />
44 Mehr Wissen. Mehr Können.<br />
Mehr Zukunft.<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> über die Leuchtturmprojek-<br />
te der „Wissensfabrik – Unternehmen<br />
für Deutschland e. V.“ und das Engage-<br />
ment der <strong>VNG</strong>-Stiftung.<br />
46 Stadtansichten<br />
10 Gründe, die thüringische<br />
landeshauptstadt Erfurt zu besuchen.<br />
Erfurt steht für die Verbindung von<br />
Tradition und Moderne.<br />
48 <strong>VNG</strong>-Bildungstour<br />
<strong>VNG</strong>-Ausstellung Mauerfälle macht<br />
in Erfurt Station<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> informiert über die<br />
bisherigen Stationen.<br />
49 Termine im nächsten Quartal<br />
49 Impressum<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
die erste Jahreshälfte war für die Energiebranche<br />
eine sehr spannende und<br />
herausfordernde Zeit.<br />
Zunächst stand die Analyse und Umsetzung<br />
des von der Bundesregierung<br />
im letzten Herbst verabschiedeten<br />
Energiekonzeptes im Fokus. Mit der<br />
Katastrophe in Japan verschob sich<br />
der Blickwinkel auf die Rolle der Kernenergie<br />
im Energiemix der Zukunft<br />
erneut.<br />
Bernhard Kaltefleiter,<br />
Nach Einberufung einer Ethik-Kom- Leiter Unternehmenskommunikation<br />
mission und vielfältigen Diskussionen im politischen Raum wurde mit dem Beschluss<br />
des vorzeitigen Atomausstiegs ein von vielen gesellschaftspolitischen<br />
Lagern akzeptierter Energiekonsens verabschiedet.<br />
In Bezug auf den Energieträger Erd<strong>gas</strong> wurde in diesem Diskussionsprozess eines<br />
besonders deutlich: Erd<strong>gas</strong> ist mehr als eine Brücke hin zu den Erneuerbaren.<br />
Insbesondere mit Blick auf die Gewährleistung des energiepolitischen Zieldreiecks<br />
aus Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit zeigt sich,<br />
dass Erd<strong>gas</strong> vielmehr der ideale Partner der erneuerbaren Energien ist.<br />
Ich freue mich sehr, dass wir für diese Ausgabe mit Herrn Prof. Dr. Klaus Töpfer,<br />
Vorsitzender der Ethik-Kommission „Sichere Energieversorgung“, sowie Herrn Dr.<br />
Felix Matthes, Forschungs-Koordinator Energie- und Klimapolitik des Öko-Instituts,<br />
zwei Persönlichkeiten gewinnen konnten, die sich in die aktuelle energiepolitische<br />
Debatte mit großen Engagement einbringen. Beide begründen die Notwendigkeit<br />
der Energiewende und stellen die Rolle von Erd<strong>gas</strong> im Energiemix der Zukunft<br />
besonders heraus.<br />
Wie in jeder Ausgabe, richtet sich unser Blick auch auf die internationalen Entwicklungen.<br />
Binnen kürzester Zeit wurde das Emirat Katar zu einem der wohlhabendsten<br />
Länder der Welt. Mittlerweile gilt das Land am Persischen Golf als weltgrößter<br />
Exporteur von verflüssigtem Erd<strong>gas</strong> (LNG). Um zu verstehen, wie es zu Katars wirtschaftlichem<br />
Aufstieg kam, skizzieren wir die Entwicklung des Landes und gehen<br />
in einem Gespräch mit dem Botschafter des Staates Katar in Deutschland den<br />
Ursachen dieses rasanten Wachstums auf den Grund.<br />
Wenn Sie sich schon immer gefragt haben, wie es sich eigentlich auf einer Bohrinsel<br />
– fern ab von zu Haus – leben lässt, empfehle ich Ihnen den äußert lesenswerten<br />
Beitrag über das harte und doch einzigartige Leben der Bohrinselveteranen Jonny<br />
Heldenius und Rudi Høksnes.<br />
Ich wünsche Ihnen eine anregende und spannende Lektüre.<br />
Ihr Bernhard Kaltefleiter<br />
3
AKTUELL<br />
<strong>VNG</strong> Aktuell<br />
Foto: Øyvind Hagen/Statoil<br />
<strong>VNG</strong> bei 21. Lizenzrunde in<br />
Norwegen erfolgreich<br />
<strong>VNG</strong> Norge AS, die norwegische E&P-<br />
Tochter von <strong>VNG</strong>, hat erfolgreich an<br />
der 21. Lizenzrunde auf dem Norwegischen<br />
Kontinentalschelf teilgenommen.<br />
Das Norwegische Ministerium für Erdöl<br />
und Energie vergab im April 2011 die<br />
Produktionslizenz PL 597 in der Norwegischen<br />
See an die <strong>VNG</strong> Norge, die<br />
einen Anteil von 40 Prozent sowie die<br />
Betriebsführerschaft der Lizenz übernehmen<br />
wird. „Mit Zuteilung der neuen<br />
Produktionslizenz kann die <strong>VNG</strong> Norge<br />
bereits bei ihrer ersten Teilnahme an<br />
einer offenen Lizenzrunde einen Erfolg<br />
verzeichnen. Dass wir darüber hinaus<br />
als eine von 13 Gesellschaften eine Betriebsführerschaft<br />
erhalten haben, freut<br />
uns besonders. Es zeigt auch, dass die<br />
norwegischen Behörden auf die Kompetenz<br />
und Zuverlässigkeit von <strong>VNG</strong> Norge<br />
vertrauen“, so Michael Ludwig, Vorstand<br />
<strong>Gas</strong>beschaffung von <strong>VNG</strong>.<br />
4<br />
www.vng.no<br />
Foto: Jörg Singer<br />
Inbetriebnahme einer<br />
Ejektoranlage am Untergrund<strong>gas</strong>speicher<br />
Bernburg<br />
Am <strong>VNG</strong>-Untergrund<strong>gas</strong>speicher in Bernburg<br />
wurde Ende Juni 2011 eine Ejektoranlage<br />
feierlich in Betrieb genommen.<br />
Die in Zusammenarbeit von <strong>VNG</strong> mit<br />
der OAO Gazprom projektierte Anlage<br />
wird für die <strong>Gas</strong>speicherbefüllung eingesetzt.<br />
Die Nutzung der Ejektoranlage<br />
führt zur Erhöhung der Einspeiseleistung<br />
von <strong>Gas</strong> innerhalb eines hohen Druckbereiches<br />
bei gleichzeitiger Einsparung<br />
von Verdichterenergie. „Wir freuen uns,<br />
gemeinsam mit OAO Gazprom, erstmals<br />
diese Technologie auf unserem Untergrund<strong>gas</strong>speicher<br />
einzusetzen. Dadurch<br />
wird die Leistungsfähigkeit unserer Infrastruktur<br />
weiter gesteigert. Es ist geplant,<br />
zu den bisher projektierten Ejektoren in<br />
den nächsten Jahren zwei weitere zu<br />
errichten“, betonte Uwe Barthel, <strong>VNG</strong>-<br />
Vorstand Infrastruktur/Technik anlässlich<br />
der Inbetriebnahme. <strong>VNG</strong> betreibt<br />
derzeit in der Nähe von Bernburg in<br />
Sachsen-Anhalt einen Kavernenspeicher<br />
mit insgesamt 35 Kavernen und einem<br />
Arbeits<strong>gas</strong>volumen von fast 1,1 Mrd. m³.<br />
www.vng.de<br />
Grundstein für neuen<br />
Erd<strong>gas</strong>speicher Etzel gelegt<br />
Im Rahmen eines Frühlingsfestes fand im<br />
Mai 2011 die Grundsteinlegung für den<br />
Erd<strong>gas</strong>speicher Etzel (ESE) statt. Zu diesem<br />
Anlass hatte die E.ON <strong>Gas</strong> Storage<br />
(EGS) zusammen mit ihren Konsortialpartnern,<br />
<strong>VNG</strong> und dem österreichischen<br />
Energiekonzern OMV eingeladen. Bisher<br />
sind über 500.000 Arbeitsstunden in den<br />
Aufbau der Anlage aufgewendet worden.<br />
Der neue Kavernenspeicher hatein projektiertes<br />
Arbeits<strong>gas</strong>volumen von rund zwei<br />
Milliarden Kubikmetern. Dabei beträgt<br />
der Anteil von <strong>VNG</strong> am Arbeits<strong>gas</strong>volumen<br />
150 Millionen Kubikmeter. Geplant<br />
ist, dass der Speicher stufenweise von<br />
2012 bis 2014 in Betrieb geht. Der Erd<strong>gas</strong>speicher<br />
Etzel wird dann im Auftrag<br />
des Konsortiums durch die EGS technisch<br />
betrieben, dieVermarktung der jeweiligen<br />
Kapazitätsanteile an dem Speicher wird<br />
von den Partnern jedoch eigenständig<br />
vorgenommen.<br />
www.speicherportal.vng.de
<strong>VNG</strong> Aktuell<br />
Foto: FSU/Kasper<br />
<strong>VNG</strong> schließt Kooperationsvertrag<br />
mit der Friedrich-<br />
Schiller-Universität Jena<br />
Ende April 2011 schloss <strong>VNG</strong> mit dem<br />
Institut für Energiewirtschaftsrecht der<br />
Universität Jena einen Kooperationsver-<br />
trag. Ziel ist die dauerhafte Zusammenar-<br />
beit bei der Durchführung von Vortrags-,<br />
Seminar- und Weiterbildungsveran-<br />
staltungen, in der universitären Lehre,<br />
bei Praktika und in der Forschung. Im<br />
Rahmen der Kooperation ist außerdem<br />
geplant, <strong>VNG</strong> bei der Erfüllung ihrer<br />
Aufgaben als <strong>Gas</strong>versorgungsunter-<br />
nehmen wissenschaftlich zu begleiten.<br />
„Energiefragen sind hochaktuell und<br />
stehen im Fokus der Öffentlichkeit. Die<br />
Zusammenarbeit zwischen <strong>VNG</strong> und dem<br />
Energierechtsinstitut Jena ermöglicht es,<br />
praxisrelevante Fragestellungen wissen-<br />
schaftlich zu behandeln und Studenten<br />
für energierechtliche Themen zu interes-<br />
sieren“, betont Michael Ludwig, Vorstand<br />
<strong>Gas</strong>beschaffung bei <strong>VNG</strong>.<br />
www.rewi.uni-jena.de<br />
Foto: Dirk Brzoska<br />
<strong>VNG</strong> übernimmt Zeitungspatenschaften<br />
für Thüringer<br />
Grundschulen<br />
Im Rahmen ihres gesellschaftlichen<br />
Engagements in Thüringen hat <strong>VNG</strong> die<br />
Patenschaft für insgesamt 100 Abonnements<br />
der Thüringer Kinderzeitung<br />
„Meine Kleine“ übernommen. Die Abos<br />
wurden an Schulen in Waltershausen,<br />
Bad Langensalza, Östertal, Greiz und<br />
Zeulenroda übergeben. Die Zeitung,<br />
herausgegeben vom Thüringer Kinderzeitung<br />
e. V., richtet sich vor allem an<br />
Kinder im Vorschul- und Grundschulalter.<br />
Ziel des Vereins ist es, mit Hilfe eines<br />
regelmäßig erscheinenden, aktuellen<br />
Print<strong>medium</strong>s für Kinder und der kindgerechten<br />
Aufmachung von Informationen<br />
und Nachrichten den Auf- und Ausbau<br />
der Lesekompetenz zu fördern. „Mit diesen<br />
Patenschaften möchten wir unser<br />
gesellschaftliches Engagement hier in<br />
Thüringen unterstreichen. Wir sind uns<br />
der unternehmerischen Verantwortung<br />
gegenüber den Jüngsten in unserer Gesellschaft<br />
bewusst und leisten gern einen<br />
Beitrag für die Bildung der Kinder“,<br />
so Karel Schweng, Prokurist und Leiter<br />
der Erfurter Verkaufsdirektion von <strong>VNG</strong>.<br />
www.kinderzeitung-thueringen.com<br />
Foto: Dirk Brzoska<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
ONTRAS: Neue Produkte bei<br />
GATRAC<br />
Die von der ONTRAS – <strong>VNG</strong> <strong>Gas</strong>transport<br />
GmbH und NET4GAS initiierte deutschtschechische<br />
Kooperation GATRAC hat<br />
mit der GRTgaz Deutschland GmbH einen<br />
dritten europäischen Fern<strong>gas</strong>netzbetreiber<br />
hinzugewonnen. Transportkunden<br />
können seit Anfang Mai 2011 auch<br />
grenzüberschreitende Day-ahead-Kapazitäten<br />
am Punkt Waidhaus buchen. Die<br />
im Rahmen der Kooperation von GRTgaz<br />
Deutschland und NET4GAS angebotenen<br />
Produkte verbinden den Virtuellen<br />
Handelspunkt im Marktgebiet der Net-<br />
Connect Germany (NCG) mit dem Virtuellen<br />
Handelspunkt der Tschechischen<br />
Republik. Seit 6. Juni 2011 bietet GATRAC<br />
zudem auch ein unterbrechbares Kapazitätsprodukt<br />
am Grenzübergangspunkt<br />
Deutschneudorf/Hora Svaté Kateriny-<br />
Sayda an. Transportkunden können unterbrechbare<br />
gebündelte Kapazität über<br />
GATRAC bei ihrem organisierenden Fern<strong>gas</strong>netzbetreiber<br />
ONTRAS oder NET4GAS<br />
dann buchen, wenn bei ONTRAS keine<br />
feste Kapazität frei ist.<br />
www.gatrac.com<br />
5
Foto: Deutscher Bundestag / Arndt Oehmichen<br />
AKTUELL<br />
Energiepolitik Spezial<br />
6<br />
Die Energiewende ist mehr als der Atomausstieg<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> gibt einen Überblick über die im Juli 2011 durch Bundestag und<br />
Bundesrat beschlossenen Vorhaben bei der Energiegesetzgebung.<br />
Novelle des Atomgesetzes<br />
Biszum Ende des Jahres 2022 werden alle<br />
Kernkraftwerke abgeschaltet. Die bereits<br />
im März 2011 abgeschalteten acht Kraft-<br />
werke gehen nicht wieder ans Netz. Von<br />
diesen Atommeilern bislang nicht ver-<br />
brauchte Reststrommengen können aber<br />
auf andere Anlagen übertragen werden.<br />
Bis September 2011 soll die Bundesnetz-<br />
agentur entscheiden, ob eines der abge-<br />
schalteten Kernkraftwerke als sogenannte<br />
„kalte Reserve“ vorgehalten wird.<br />
Förderung der erneuerbaren Energien<br />
Der Anteil der Stromerzeugung aus er-<br />
neuerbaren Energien soll kontinuierlich<br />
erhöht werden und bis 2020 auf 35 %,<br />
bis 2030 auf 50%, bis 2040 auf 65% und<br />
bis 2050 auf 80% steigen. Zugleich soll<br />
derStromverbrauch biszum Jahr 2020 um<br />
10% sinken. Im Rahmen einer Novelle des<br />
Erneuerbare-Energien-Gesetzes(EEG) sol-<br />
len Offshore-Windparks und Geothermie<br />
stärker gefördert werden. Durch Ände-<br />
rungen des Baurechts soll der Neubau<br />
von Windkraftanlagen an Land sowie der<br />
Ersatz älterer Anlagen durch neue, leis-<br />
tungsstärkere erleichtert werden.<br />
Klima- und Energiefonds<br />
Ab 2012 fließen die Einnahmen aus dem<br />
Verkauf von CO 2 -Zertifikaten in den dafür<br />
eingerichteten Fonds. Die Bundesregie-<br />
rung rechnet nach Ausweitung des Zerti-<br />
fikatehandels ab 2013 mit jährlich rund<br />
drei Milliarden Euro Einnahmen. Ab 2013<br />
sollen Zuschüsse in Höhe von bis zu 500<br />
Millionen Euro jährlich an stromintensive<br />
Unternehmen zur Abfederung der Folgen<br />
durch die Energiewende gezahlt werden.<br />
Ausbau der Energienetze<br />
Die Bundesnetzagentur soll bei Höchst-<br />
spannungsleitungen von grenzüber-<br />
schreitender oder länderübergreifender<br />
Bedeutung die Raumverträglichkeit bun-<br />
deseinheitlich prüfen und in bestimmten<br />
Fällen die Planfeststellung übernehmen.<br />
Geregelt wird im Gesetz auch die Anbindung<br />
von Offshore-Windenergieanlagen<br />
im Meer und ausländischer Stromnetze.<br />
Energiewirtschaftsgesetz<br />
Neben strengeren Entflechtungsregeln für<br />
Transportnetze will die Bundesregierung<br />
mit der Novelle des EnWG Fristen beim<br />
Wechsel des Strom- und <strong>Gas</strong>anbieters<br />
kürzen. Zudem sollen Stromkunden, die<br />
mehr als 6.000 kWh im Jahr verbrauchen,<br />
zukünftig bei Neuanschlüssen „intelligente<br />
Zähler“ installieren, die die Kontrolle<br />
des Stromverbrauches erleichtern. Auch<br />
Stromrechnungen sollen aussagekräftiger<br />
werden. Zudem ist die Einrichtung einer<br />
Schiedsstelle geplant, die Streitigkeiten<br />
zwischen Kunden und Versorgern ausräumt.<br />
Klimaschutz in Städten und Gemeinden<br />
Die Bundesregierung gewährt den<br />
Kommunen größere Spielräume in der<br />
Planung örtlicher Klimaschutzmaßnahmen.<br />
Durch eine Klimaschutzklausel<br />
werden die Festsetzungsmöglichkeiten<br />
zum Einsatz und zur Nutzung erneuerbarer<br />
Energien sowie von Energien aus<br />
Kraft-Wärme-Kopplung erweitert. Zudem<br />
werden Sonderregelungen für die Windenergienutzung<br />
geschaffen und die Nutzung<br />
von Photovoltaikanlagen erleichtert.<br />
Energetische Gebäudesanierung<br />
Die von der Bundesregierung vorgesehene<br />
Förderung der Gebäudesanierung fand<br />
im Bundesrat keine Mehrheit. Das Gesetz<br />
kann damit nicht in Kraft treten. Ziel der<br />
Bundesregierung war es, die Mittel für die<br />
energetische Gebäudesanierungzunächst<br />
bis zum Jahr 2014 auf jährlich 1,5 Mrd.<br />
Euro aufzustocken. Zudem sollten Energiesparmaßnahmen<br />
an Gebäuden ab<br />
sofort leichter steuerlich absetzbar sein.
Energiepolitik Aktuell<br />
Foto: Dirk Brzoska<br />
Förderprogramm für<br />
<strong>Gas</strong>kraftwerke geplant<br />
Das Bundesmisterium für Wirtschaft und<br />
Technologie (BMWi) plant nach Aussa-<br />
ge von Staatssekretär Jochen Homann<br />
ein Förderprogramm für den Neubau<br />
konventioneller Kraftwerke aufzulegen.<br />
Über eine solche Förderung verhandle<br />
das Ministerium derzeit mit der EU-<br />
Kommission. Neben den bereits im Bau<br />
befindlichen <strong>Gas</strong>- und Kohlekraftwerken<br />
mit einer Leistung von 10.000 MW seien<br />
bereits im Jahr 2020 weitere Neubauten<br />
in gleicher Größenordnung erforderlich,<br />
so Homann bei einer Diskussion zur Ener-<br />
giegesetzgebung mit Abgeordneten der<br />
CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Darüber<br />
hinaus kündigte er eine Novelle des Ge-<br />
setzes zur Förderung der Kraft-Wärme-<br />
Kopplung für das Jahresende 2011 an.<br />
www.bmwi.de<br />
Foto: Dirk Brzoska<br />
BMWi will Bioerd<strong>gas</strong> im<br />
Markt etablieren<br />
Das Bundesministerium für Wirtschaft<br />
und Technologie (BMWi) sieht großen politischen<br />
Handlungsbedarf, um Bioerd<strong>gas</strong><br />
als wichtigen Energieträger der Zukunft<br />
voranzubringen und im Markt zu etablieren.<br />
Das betonte FrankBonaldo, Leiter des<br />
Referats Energiepolitische Fragen der nationalenundinternationalenMineralöl-und<br />
<strong>Gas</strong>märkte sowie Krisenvorsorge, in Vertretung<br />
des Bundeswirtschaftsministers<br />
Dr. Philipp Rösler bei der Abschlusskonferenz<br />
der Veranstaltungsreihe „Bio<strong>gas</strong>plattform<br />
2011“. Der Ordnungsrahmen<br />
solle so gestaltet werden, dass Bioerd<strong>gas</strong><br />
diskriminierungsfrei im fairen Wettbewerb<br />
mit anderen regenerativen Energieträgern<br />
in allen Verwendungsformen zum Einsatz<br />
kommen kann. Dies gelte auch für den<br />
Wärmemarkt. Bei der Überarbeitung des<br />
Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetzes<br />
(EEWärmeG) werde man die Verwendung<br />
von Bioerd<strong>gas</strong> in moderner Brennwerttechnik<br />
auch bei einer Einbeziehung des<br />
Wohnungsbestandesdiskriminierungsfrei<br />
ermöglichen.<br />
www.bio<strong>gas</strong>rat.de<br />
Foto: EU<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Entwurf der EU-Energieeffizienzrichtlinie<br />
vorgelegt<br />
Die EU-Kommission will das Energie-<br />
sparen durch Vorgaben zum Sanieren<br />
von öffentlichen Gebäuden, Privathäu-<br />
sern und Unternehmen weiter voran-<br />
treiben. EU-Energiekommissar Günther<br />
Oettinger stellte dazu den Entwurf für<br />
eine Energieeffizienzrichtline vor, der<br />
den EU-Staaten aufgibt, pro Jahr drei Pro-<br />
zent des öffentlichen Gebäudebestandes<br />
zurenovieren.DerzeitliegtdieseRatenach<br />
Kommissionsangaben bei 1,5 Prozent. In<br />
der Gebäudesanierung schlummert laut<br />
EU-Kommission eines der größten Poten-<br />
ziale, um das Ziel einer um 20 Prozent<br />
verbesserten Energieeffizienz in Europa<br />
bis 2020 zu erreichen. Der Entwurf sieht<br />
dazu eine Reihe weiterer Maßnahmen vor,<br />
darunter die Verpflichtung der Versorger<br />
zu häufiger versandten und ausführliche-<br />
ren Strom- und <strong>Gas</strong>rechnungen. So sollen<br />
die Kunden aufStromfresser aufmerksam<br />
werden und ihre Verbrauchsgewohnhei-<br />
ten überdenken.<br />
www.ec.europa.eu/energy<br />
7
AKTUELL<br />
Energiepolitik Aktuell<br />
Foto: Christoph Busse<br />
Energieminister beraten<br />
langfristige Perspektiven der<br />
europäischen Energiepolitik<br />
Im Juni 2011 haben sich die EU-Energie-<br />
minister im Ministerrat mit den Themen<br />
Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz,<br />
Kernenergiesicherheit und den Langfrist-<br />
perspektiven der europäischen Energie-<br />
politik befasst. Zum Vorschlag für eine<br />
Verordnung zur Integrität und Transpa-<br />
renz der Energiegroßhandelsmärkte sind<br />
die Verhandlungen weit vorangeschrit-<br />
ten. Mit der Verordnung sollen Verbote<br />
für Marktmissbrauch und Insiderhandel<br />
auf den Energiegroßhandel erstreckt<br />
werden. Weiterhin schlug die EU-Kom-<br />
mission im Rahmen eines EU-Energieeffi-<br />
zienzplans Maßnahmen vor, damit die EU<br />
ihr Ziel, die Energieeffizienz bis zum Jahr<br />
2020 um 20 Prozent zu steigern, tatsäch-<br />
lich erreicht. Darüber hinaus diskutierte<br />
man die Notwendigkeit des Ausbaus der<br />
Energieinfrastruktur in Europa.<br />
8<br />
www.consilium.europa.eu<br />
Foto: Dirk Brzoska<br />
Überarbeitung der Kooperationsvereinbarung<br />
zum Netzzugang<br />
<strong>Gas</strong> verabschiedet<br />
Der Bundesverband der Energie- und<br />
Wasserwirtschaft (BDEW), der Verband<br />
kommunaler Unternehmen (VKU) und<br />
der europäische Verband der unabhängigen<br />
privaten und öffentlichen Stromund<br />
<strong>Gas</strong>verteilerunternehmen (GEODE)<br />
haben die Überarbeitung der Kooperationsvereinbarung<br />
zum Netzzugang <strong>Gas</strong><br />
verabschiedet. In die überarbeitete Vereinbarung<br />
sind zahlreiche Regelungen<br />
eingeflossen, die einen transparenten,<br />
diskriminierungsfreien, effizienten und<br />
massengeschäftstauglichen Netzzugang<br />
zu angemessenen Bedingungen<br />
weiter verbessern. Durch die vorgenommene<br />
weitreichende Standardisierung<br />
der Verträge, die die Netzbetreiber mit<br />
den Marktteilnehmern über den Netzzugang<br />
abschließen, sollen die Prozesse<br />
zum Transport von Erd<strong>gas</strong> und Bioerd<strong>gas</strong><br />
durch die Transportleitungen der<br />
verschiedenen Netzbetreiber insbesondere<br />
für bundesweit tätige Netznutzer<br />
erheblich erleichtert werden.<br />
www.bdew.de<br />
Foto: Uwe Steinbrich/pixelio<br />
Internationale <strong>Gas</strong> Union<br />
verabschiedet Deklaration<br />
Mit einer Initiative will die Internationale<br />
<strong>Gas</strong> Union (IGU) den Nutzen des Energieträgers<br />
Erd<strong>gas</strong> für eine kohlenstoffarme<br />
Wirtschaft offensichtlicher machen.<br />
„Erd<strong>gas</strong> ist vor allem in Anbetracht der<br />
finanziellen Lage öffentlicher Haushalte<br />
eine verfügbare Lösung, die die beiden<br />
Pole Klimawandel und Energiesicherheit<br />
verbindet“, betonte Datuk Rahim Hashin,<br />
Präsident der IGU. Erd<strong>gas</strong> sei sauber, aus<br />
einer Vielzahl von Quellen über Pipelines<br />
und LNG ausreichend verfügbar und der<br />
perfekte Partner für die erneuerbaren<br />
Energien. Insbesondere der Einsatz der<br />
Erneuerbaren mache eine verlässliche<br />
Komplementärenergie unabdingbar,<br />
heißt es in einer gemeinsamen Erklärung<br />
von 33 hochrangigen Vertretern der <strong>Gas</strong>industrie<br />
aus insgesamt 17 Ländern. Die<br />
IGU ist eine globale Organisation zur Förderung<br />
der technischen und wirtschaftlichen<br />
Entwicklung der <strong>Gas</strong>wirtschaft.<br />
www.igu.org
Energiewirtschaft Aktuell<br />
Foto: GASPOOL<br />
GASPOOL und Aequamus<br />
fusionieren<br />
GASPOOL und Aequamus legen ihre<br />
Marktgebiete zusammen. Zum 1. Okto-<br />
ber 2011 entsteht ein neues qualitäts-<br />
übergreifendes Marktgebiet unter dem<br />
Namen GASPOOL. Zu diesem Zweck<br />
werden die beiden Gesellschaften Ae-<br />
quamus GmbH und GASPOOL Balan-<br />
cing Services GmbH verschmolzen. Das<br />
neue Marktgebiet GASPOOL wird rund<br />
400 <strong>Gas</strong>netze verbinden und somit etwa<br />
die Hälfte des deutschen <strong>Gas</strong>marktes<br />
abdecken. Im Vorfeld der Fusion erhält<br />
die GASPOOL Balancing Services GmbH<br />
eine neue Geschäftsführung. Bereits<br />
am 1. Juni 2011 hat Dr. Dirk Bessau sein<br />
Amt als Geschäftsführer angetreten. Zu<br />
einem späteren Zeitpunkt wird Stefan<br />
Müller-Reinisch die Geschäftsführung<br />
komplettieren. Die bisherigen GASPOOL-<br />
Geschäftsführer Ingrid Peters, Dr. Ulf<br />
Kreienbrock und Ludger Hümbs wenden<br />
sich nun wieder ihren Hauptaufgaben in<br />
den Mutterhäusern zu.<br />
www.<strong>gas</strong>pool.de<br />
Foto: Militzer & Kollegen GmbH<br />
Primärkapazitätsplattform<br />
startet am 16. August 2011<br />
Die erste Version der Plattform zur Versteigerung<br />
von <strong>Gas</strong>transportkapazitäten<br />
ist fertig. Ab dem 16. August 2011 können<br />
auf ihr die ersten primären Transportkapazitäten<br />
versteigert werden. Ab dem<br />
1. August 2011 können sich Netznutzer<br />
registrieren. Über die Plattform wird jeder<br />
der zwölf Netzbetreiber für Jahres-,<br />
Quartals- und Monatsprodukte nach einem<br />
festgelegten Auktionskalender feste<br />
Kapazitäten versteigern. Betreiber der<br />
neuen Auktionsplattform für <strong>Gas</strong>kapazitäten<br />
ist die Leipziger trac-x Transport<br />
Capacity Exchange GmbH, die bislang<br />
eine Plattform für Sekundärvermarktung<br />
von Erd<strong>gas</strong> im europäischen <strong>Gas</strong>fernleitungs-<br />
und <strong>Gas</strong>verteilernetz betreibt.<br />
www.trac-x.de<br />
Foto: B.KWK<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Berthold Müller-Urlaub neuer<br />
Präsident des B.KWK<br />
Auf seiner letzten Mitgliederversammlung<br />
wählte der Bundesverband Kraft-<br />
Wärme-Kopplung (B.KWK) einen neuen<br />
Vorstand und ein neues Präsidium. Neuer<br />
Präsident ist Berthold Müller-Urlaub, der<br />
in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender<br />
der Energiegemeinschaft Halle/<br />
Saale e.V. angetreten war. Der 58-jährige<br />
Diplomkaufmann begann seine Karriere<br />
in der Industrie und war hier unter anderem<br />
in leitenden Positionen für MAN und<br />
AEG tätig. Seit 1994 ist er Vorsitzender<br />
Geschäftsführer der Energie Versorgung<br />
Halle (EVH). Zu neuen Vizepräsidenten<br />
wählte der Vorstand Heinz Ullrich Brosziewski<br />
(beta), Hagen Fuhl (Senertec)<br />
und Prof. Dr. Martin Maslaton (Rechtsanwaltskanzlei<br />
Maslaton).<br />
www.bkwk.de<br />
9
MARKT<br />
10
Eisenhüttenstadt und ArcelorMittal<br />
Einer der Eingänge zum Areal von ArcelorMittal.<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Der Stahl macht<br />
Werk und Stadt<br />
Ziel unserer Exkursion ist die im Ostbrandenburgischen, am<br />
Oder-Spree-Kanal gelegene Stadt und speziell das diesen<br />
lebensraum prägende Unternehmen ArcelorMittal Eisenhüt-<br />
tenstadt, ein erfolgreiches und leistungsstarkes Mitglied der<br />
ArcelorMittal Gruppe, dem größten Stahlkonzern der Welt.<br />
Das Werk wird seit 1991 von <strong>VNG</strong> mit Erd<strong>gas</strong> versorgt.<br />
von Helmut Rosan, freier Redakteur | Fotos Christian Schneider<br />
Es ist ein Wiedersehen und Déjà-vu-Erlebnis der besonderen<br />
Art. Vor 11 Jahren besuchte ich schon einmal das damals<br />
als EKO Stahl GmbH (ehemals Eisenhüttenkombinat Ost) fir-<br />
mierende Unternehmen und war überaus stark beeindruckt<br />
von den vielfältigen technischen Anlagen und nicht zuletzt<br />
von der enormen Flächenausdehnung. Daran hat sich nichts<br />
geändert, etliches Neue ist indes dazu gekommen. Das ge-<br />
samte Industrieareal beträgt 12 Quadratkilometer, das von<br />
ArcelorMittal dominierte 8,8 Quadratkilometer. Ohne die vom<br />
Pressesprecher Jürgen Schmidt übermittelte Anfahrtkarte<br />
hätten wir den Sitz der Geschäftsführung wohl nur unter größ-<br />
ten Mühen gefunden. Jedenfalls konnte das Informationsge-<br />
spräch bei Jürgen Schmidt pünktlich beginnen.<br />
Schmidt beschreibt den Stahlkonzern so: „ArcelorMittal<br />
ist der weltgrößte Stahlerzeuger sowie globaler Marktführer<br />
für Stahllieferungen in die Automobil-, Bau-, Haushaltsgerä-<br />
te- und Verpackungsindustrie. Diese Führungsposition wird<br />
durch das ständige Streben nach forschungs- und entwick-<br />
lungsfundierter Spitzentechnologie gefestigt. Die Gruppe<br />
verfügt außerdem über umfangreiche konzerneigene Roh-<br />
stoffvorkommen sowie ein ausgedehntes Vertriebsnetz und<br />
gewährleistet somit sowohl Nachhaltigkeit als auch Wert-<br />
schöpfung entlang der gesamten Lieferkette.<br />
11
MARKT<br />
Zahlen und Fakten für das Jahr 2010<br />
Produktion in Mio. Tonnen<br />
Roheisen 1,7 (2009: 1,3)<br />
Rohstahl 2,0 (2009: 1,5)<br />
Warmband 1,4 (2009: 1,1)<br />
Flachstahl 1,2 (2009: 1,1)<br />
Umsatz in EUR 1,1 Mrd. (2009: 809 Mio.)<br />
Belegschaft 2413 ( 2009: 2489)<br />
12<br />
Die Präsenz von ArcelorMittal in über zwanzig europäischen,<br />
asiatischen, afrikanischen und amerikanischen Ländern gibt<br />
dem Konzern direkten Zugang zu den Hauptabsatzmärkten in<br />
den Industrie- und Schwellenländern, einschließlich der großen<br />
Wachstumsmärkte China und Indien.“<br />
Die Erholung der Weltwirtschaft nach der Krise ist 2010 weiter<br />
voran gekommen. Nach den Verlusten im Jahr 2009 beendete<br />
ArcelorMittal das Jahr 2010 mit einem Gewinn von 2,9 Mrd. Dol-<br />
lar. Der Umsatz stieg dabei um gut ein Viertel auf 78 Mrd. Dol-<br />
lar. Grund für die Verbesserung war vor allem ein Anstieg des<br />
Absatzes um 22 Prozent auf 85 Mio. Tonnen.<br />
Auf den hiesigen Standort bezogen ergänzt Jürgen Schmidt:<br />
„Als größter industrieller Entwicklungskern in Ostbrandenburg<br />
sind etwa 2.400 gut ausgebildete Mitarbeiter bei ArcelorMittal<br />
Eisenhüttenstadt beschäftigt. Mit ca. 200 Ausbildungsplätzen,<br />
überwiegend für technische Berufe, ist das Unternehmen eine<br />
der wichtigsten Ausbildungsstätten der Region. Für ArcelorMit-<br />
tal Eisenhüttenstadt sind gesellschaftliche Verantwortung in<br />
allen Bereichen der Unternehmenstätigkeit und gemeinwohl-<br />
orientierte Aktivitäten seit Jahren gelebte Realität.<br />
ArcelorMittal Eisenhüttenstadt steht für Flexibilität, Zuver-<br />
lässigkeit und Qualität. Als zuverlässiger Anbieter hochwerti-<br />
ger Güter und Serviceleistungen hat sich unser Unternehmen<br />
bei seinen Kunden einen hervorragenden Ruf erworben. Zu<br />
unseren Kunden zählen namhafte Unternehmen. Ein bedeu-<br />
tender Absatzbereich ist die Automobilindustrie. Hochwertige<br />
oberflächenveredelte Karosseriebleche aus Eisenhüttenstadt<br />
findet man in vielen Automarken ( Audi, VW, BMW, Opel, Skoda,<br />
Toyota, Fiat, Citroën, Peugeot, Suzuki).“<br />
Das Eisenerz kommt heute aus Brasilien, Schweden und Nor-<br />
wegen, aber auch wieder aus Russland und der Ukraine. Koks<br />
und Kalk kommen nach wie vor aus Polen. Das Erd<strong>gas</strong> von <strong>VNG</strong><br />
wird vor allem in den Öfen im Kaltwalzwerk, den Verzinkungs-<br />
anlagen und im Warmwalzwerk eingesetzt.<br />
Firmengeschichte<br />
Werk und Stadt begingen im Jahr 2010 ihr 60jähriges Jubiläum.<br />
Erst war der Stahl, dann kam die Stadt. Es sind Geschwister,<br />
sogar Zwillinge. Mit unverkennbarem Stolz erklärt Jürgen<br />
Schmidt: „Im Juni 1950 beschloss die DDR-Führung den Bau<br />
des Eisenhüttenkombinates Ost (EKO) und einer Wohnstadt bei<br />
der Kleinstadt Fürstenberg, eines der ungewöhnlichsten Kapitel<br />
deutscher Industriegeschichte nahm damit seinen Anfang.<br />
Die Entwicklung des Stahlproduzenten an der Oder ist eine<br />
sehr wechselvolle und spannende Unternehmensgeschichte.<br />
Sie wurde von Menschen geschrieben, die oft ihr ganzes Leben<br />
‚ihrem EKO‘ gewidmet haben. Das Besondere an diesen Menschen<br />
ist, dass sie im Kampf um das Leben und Überleben des<br />
Unternehmens niemals aufgaben.<br />
Mit diesen Menschen konnte das Werk alle Herausforderungen<br />
meistern. ArcelorMittal Eisenhüttenstadt, das ist heute<br />
nicht nur das Herz einer aufstrebenden Industrieregion, das ist<br />
inzwischen ein international anerkannter Begriff für Leistungsfähigkeit<br />
und Qualität, ein starkes Mitglied im weltgrößten<br />
Stahlkonzern.“<br />
Aus der Firmengeschichte, die sich übrigens sehr detailliert<br />
auf der Internetpräsentation (www.arcelormittal-ehst.com) des<br />
Unternehmens nachlesen lässt, seien im Folgenden einige herausragende<br />
Daten und Ereignisse genannt.<br />
28. Juni 1968<br />
Das Kaltwalzwerk nimmt die Produktion von Blechen und<br />
Bändern auf: Bis Ende 1962 existierte noch immer kein verbindlicher<br />
Beschluss über den weiteren Ausbau des EKO. Trotz<br />
zahlreicher Konsultationen von Experten und intensiver Gespräche<br />
auf höchster Ebene war es nicht gelungen, zwischen<br />
der UdSSR und der DDR Einvernehmen über die Perspektiven<br />
der DDR-Metallurgie zu erzielen.<br />
Mit der Inbetriebnahme des Kaltwalzwerkes begann für das<br />
EKO eine neue Etappe. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde lediglich<br />
Roheisen produziert, jetzt kamen hochwertige Stahlprodukte<br />
hinzu. Kaltgewalzte Bleche und Bänder aus Eisenhüttenstadt<br />
wurden nun zu einem begehrten Produkt im In- und Ausland.<br />
Januar bis Oktober 1974<br />
Moderne Anlagen zur Oberflächenveredlung von Blechen werden<br />
in Betrieb genommen: Die Herstellung von kaltgewalzten,<br />
oberflächenveredelten Blechen und Bändern gehörte Anfang<br />
der 1970er Jahre zu den Aufgaben, die eine besondere Förderung<br />
erfuhren. Für das Eisenhüttenkombinat stand deshalb das<br />
Investitionsvorhaben oberflächenveredelte Konstruktionsbleche
<strong>Gas</strong>tfreundliche Experten: Pressesprecher Dipl.-Ing. Jürgen Schmidt (re.) und unser Begleiter Gerald Zocher (li.).<br />
mit den Ausbaustufen Verzinkung, Kunststoffbeschichtung, Pro-<br />
filierung an erster Stelle.<br />
7. März 1984<br />
Bei EKO nimmt eines der modernsten Konverterstahlwerke Eu-<br />
ropas den Betrieb auf.<br />
Eisenhüttenstadt verfügte nun über eines der modernsten<br />
Stahlwerke Europas. Jedoch verursachte der noch immer nicht<br />
geschlossene metallurgische Zyklus enorme Verluste. Der Bau<br />
des geplanten Warmwalzwerkes wurde 1987 abgebrochen.<br />
16. Mai 1990<br />
AlsUnternehmen derTreuhandanstalt wird EKOStahl eine Aktiengesellschaft<br />
und beginnt seinen Weg in die Marktwirtschaft. Mit<br />
der Sanierungskonzeption, dem Zukunfts- und Personalkonzept,<br />
war von 1990 bis 1991 ein komplexes Unternehmenskonzept der<br />
EKO Stahl <strong>AG</strong> entstanden, das nun als strategische Grundlage<br />
für eine erfolgreiche Privatisierung dienen konnte.<br />
22. Dezember 1994<br />
Die EKO Stahl GmbH wird durch die belgische Gruppe Cockerill<br />
Sambre privatisiert. Am 22. Dezember 1994 unterzeichneten<br />
Cockerill Sambre und die Treuhandanstalt den Vertrag zur Privatisierung<br />
der EKO Stahl GmbH.<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
2. April und 22. Juli 1997<br />
Mit der Inbetriebnahme des Hochofens 5A und des Warmwalzwerkes<br />
wird die technische Restrukturierung umgesetzt und der<br />
metallurgische Zyklus am Standort geschlossen.<br />
Mit der erfolgreichen Privatisierung stand EKO Stahl vor einer<br />
weiteren Herausforderung: Das von der Europäischen Kommission<br />
genehmigte Investitionsprogramm zur weiteren Modernisierung<br />
und zum Ausbau des Unternehmens musste umgesetzt<br />
werden. Dies umfasste Instandsetzungsarbeiten, vor allem in<br />
der Rohstahlproduktion, die Modernisierung der Sinter- und<br />
Kaltwalzanlagen sowie des Kraftwerkes, die Errichtung eines<br />
neuen hochmodernen Hochofens und einer modernen Warmbreitbandanlage.<br />
Nach nur 22 Monaten Bauzeit erfolgte am 2. April 1997 der<br />
technologische Start am Hochofen 5A. Größtes Projekt im Investitionszeitraum<br />
1995 bis 1997 war die Errichtung des Warmwalzwerkes.<br />
Am 1. Juli begann der Probebetrieb und schon am<br />
22. Juli 1997 fand nach nur 16 Monaten Bauzeit der offizielle<br />
Festakt zur Inbetriebnahme des Warmwalzwerkes statt.<br />
1999 – Neue Perspektiven bei USINOR<br />
Nach der Übernahme von Cockerill Sambre durch den französischen<br />
Stahlkonzern USINOR Anfang 1999 wurde EKO Stahl<br />
im Rahmen der Konzernstrategie in erster Linie für den deutschen<br />
Markt und strategisch für den Aufbau einer verstärkten<br />
13
MARKT<br />
Kleine Details des großen Warmwalzwerkes. Auf einer mehrere 100 m langen Strecke werden in einem komplizierten technischen Prozess Bleche gewalzt.<br />
Marktpräsenz in den Ländern Osteuropas zuständig. Industriell<br />
orientierte sich EKO auf die Produktion von hochwertigem und<br />
oberflächenveredeltem Flachstahl.<br />
14<br />
Mit der Inbetriebnahme der zweiten Verzinkungsanlage am<br />
10. Dezember 1999 gelang es, den hohen Ansprüchen der Auto-<br />
mobilkunden in punkto Oberflächenqualität, Umformbarkeit und<br />
Korrosionsverhalten Rechnung zu tragen und die Marktanteile<br />
vor allem in diesem Segment zu erweitern.<br />
2006 – Fusion von Arcelor und Mittal Steel<br />
Als im Juni 2006 der Arcelor Verwaltungsrat der Fusion mit Mittal<br />
Steel zustimmt, entsteht der mit Abstand größte Stahlhersteller<br />
der Welt. Im September 2006 besucht der Präsident des neuen<br />
Verwaltungsrates Lakshmi Mittal überraschend Eisenhütten-<br />
stadt. Unter dem Dach der neuen Gruppe agiert Arcelor Eisen-<br />
hüttenstadt – wie das Unternehmen seit Juni 2006 kurzzeitig<br />
hieß – ab 2007 weiterhin als ArcelorMittal Eisenhüttenstadt<br />
erfolgreich auf den Märkten – insbesondere denen im Osten.<br />
Der Lieferumfang nach Osteuropa steigt auf 48 Prozent.<br />
2009 – Bewältigung der schweren Wirtschaftskrise<br />
Die von der Krise der Finanzmärkte ausgelöste Rezession ver-<br />
ursacht erstmals seit 1946 einen Rückgang der Weltwirtschaft.<br />
Auch die Stahlproduzenten können sich aufgrund des starken<br />
Rückgangs der Nachfrage dieser Krise nicht entziehen. Die<br />
Situation auf den Absatzmärkten führt auch bei ArcelorMittal<br />
Eisenhüttenstadt zu einem massiven Produktions- und Absatz-<br />
rückgang. Die Rohstahlproduktion muss im ersten Halbjahr 2009<br />
im Vergleich zum Vorjahrszeitraum um 53 % gesenkt werden. Der<br />
Flachstahlabsatz reduziert sich um 29 %. In allen Produktions-<br />
bereichen kommt es zu Stillständen, die von Kurzarbeit begleitet<br />
sind. Der Hochofen I wird 2009 nicht in Betrieb genommen, der<br />
Bau der Verzinkungsanlage 3 vorübergehend gestoppt.<br />
Impressionen<br />
Nach den Kerndaten der Firmengeschichte nun einige kurze Informationen<br />
über unseren <strong>Gas</strong>tgeber.<br />
Dipl.-Ing. Jürgen Schmidt, der seit 1993 im Unternehmen beschäftigt<br />
ist, agiert seit 2001 als Pressesprecher. Er vertritt seine<br />
Firma mit spürbarer Leidenschaft und enormer Sachkenntnis.<br />
Der 55-jährige Schmidt kommt aus Magdeburg, wo er an der<br />
dortigenTechnischen UniversitätMaschinenbau undTechnologie<br />
studiert hat. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter und eines<br />
Sohnes, die beide schon erwachsen sind. Seine Hobbys sind<br />
Fußball und Aquaristik.<br />
Für die folgende, fast drei Stunden lange Besichtigung des Industrieareals<br />
hat Jürgen Schmidt für einen brillant sachkundigen<br />
Begleiter samt PKW gesorgt.<br />
Unser Betreuer Gerald Zocher, 67, ist den größten Teil seines<br />
Lebens der Stadt und dem Werk eng verbunden, wo er 1958
Blick in Verzinkungsanlage. Beim Verzinken wird Stahl mit einer dünnen Schicht Zink versehen, um ihn vor Korrosion zu schützen.<br />
als Lehrling begann. Der überaus rüstige Rentner arbeitet noch<br />
immer sehr gern als ehrenamtlicher Delegationsbegleiter. Den<br />
beiden Männern sei hier ausdrücklich für ihre herzliche <strong>Gas</strong>t-<br />
freundschaft gedankt.<br />
Der Fotograf ist nachgerade außer sich vor Begeisterung über<br />
die Vielfalt der möglichen Bildmotive; wäre es nach ihm gegan-<br />
gen, hätte auch die doppelte Zeit nicht ausgereicht.<br />
Außer der bereits genannten großen Flächenausdehnung (hier<br />
gibt es weitere rund 60 Firmen mit etwa 3.000 Mitarbeitern)<br />
beeindrucken die riesigen Produktionshallen mit modernster<br />
Technik. Trotz teilweiser starker Hitze herrscht überall Ordnung<br />
und Sauberkeit. Die Mitarbeiter, denen wir begegnen, geben uns<br />
freundliche Auskunft und machen einen kompetenten Eindruck.<br />
Sie sind mit vollem Recht sichtlich stolz auf ihre Arbeit.<br />
Eisenhüttenstadt<br />
In Eisenhüttenstadt, das gegenwärtig ca. 30.000 Einwohner<br />
zählt, mündet der Oder-Spree-Kanal in die Oder. Die Stadt an<br />
der Grenze zu Polen liegt etwa 25 km südlich von Frankfurt (Oder),<br />
25 km nördlich von Guben und 110 km von Berlin entfernt.<br />
1950 wurde der Beschluss zum Bau des Eisenhüttenkombinats<br />
Ost (EKO) und einer Wohnstadt bei Fürstenberg (Oder) gefasst.<br />
Fürstenberg selbst wurde bereits 1225 gegründet.<br />
1953 wurde die neue Stadt Stalinstadt genannt und zählte<br />
2.400 Einwohner. Eisenhüttenstadt gilt somit als die erste „sozi-<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
alistische“ Stadt der DDR und ist als reine Planstadt entstanden.<br />
1961 wurden die Städte Fürstenberg mit dem Ortsteil Schönfließ<br />
und Stalinstadt zu Eisenhüttenstadt zusammengeschlossen,<br />
um im Rahmen einer letztlich halbherzigen Entstalinisierung<br />
den unerwünscht gewordenen Namen zu tilgen.<br />
Mit dem Werk wächst die Stadt, die 1989 immerhin 53.000<br />
Einwohner zählte. Die Häuser, erbaut in Karrees mit sehr viel<br />
Grün undSpielplätzen, beherbergenvergleichsweise großzügige,<br />
ja komfortable und vor allem preisgünstige Wohnungen, die für<br />
das kleine Land beispielhaft und hoch begehrt waren. Es gibt<br />
sieben sogenannte Wohnkomplexe, die auch an verschiedenen<br />
Baustilen gutzu unterscheiden sind. Der ursprüngliche Stadtkern<br />
ist denkmalgeschützt und wurde aufwändig saniert.<br />
Etliche Veranstaltungsorte stehen für die Kultur: das Friedrich-<br />
Wolf-Theater, die kleine Bühne, die Freilichtbühne, die städtischen<br />
Museen. Dazu gehören auch das Kulturzentrum, die<br />
Stadtbibliothek, das Dokumentationszentrum „Alltagskultur der<br />
DDR“, der Klub Marchwitza sowie eine vielschichtige Vereinslandschaft.<br />
Das beachtliche Kulturangebot, das heutzutage in<br />
der gängigen Kommunalpolitik leider keine so große Rolle mehr<br />
spielt, ergänzt den Anspruch als attraktiven Wirtschaftsstandort<br />
mit einer hohen Lebensqualität. Auch das Engagement Arcelor-<br />
Mittals für Kunst und Kultur unterstreicht dies nachhaltig.<br />
Stahl macht Werk und Stadt. Logisch auch: Werk macht Stahl<br />
und Stadt. Auf jeden Fall machen sich Werkund Stadt sehr gut.<br />
15
MARKT<br />
Marktpartnerkooperation<br />
Ein Kraftwerk im Keller?<br />
In der neuen Serie „Marktpartnerkooperationen“ stellen wir Akteure vor, die als unsere „Marktpartner im<br />
Wärmemarkt“ ihr Know-how über Erd<strong>gas</strong> und dessen positive Eigenschaften an ihre Kunden weitergeben.<br />
Zu Besuch bei einem Beratungsgespräch mit Wolfgang Borz, SHK-Handwerker aus Bad Klosterlausnitz.<br />
von Janet Schönfeld, freie Redakteurin<br />
Fotos Christian Schneider<br />
16<br />
Wolfgang Borz ist Geschäftsführer der<br />
Borz Heizungs-, Lüftungs- und Sanitär-<br />
technik GmbH. Seit 1928 hat die Firma<br />
ihren Sitz in dem kleinen Städtchen<br />
Bad Klosterlausnitz in Thüringen. Er und<br />
seine achtzehn Mitarbeiter bieten maß-<br />
geschneiderte Lösungen für Wohn- und<br />
Gewerbebauten. Der SHK-Fachbetrieb<br />
saniert derzeit dreißig Wohnungen im<br />
Objektgeschäft, das heißt im Auftrag von<br />
Wohnungsbaugenossenschaften. Als<br />
„Marktpartner im Wärmemarkt“ von <strong>VNG</strong><br />
berät Wolfgang Borz seine Kunden auch<br />
in Fragen der Kraft-Wärme-Kopplungstech-<br />
nik. Die Borz GmbH agiert hauptsächlich<br />
im Umkreis von hundert Kilometern, aber<br />
auch im Münchner Raum, in Frankfurt am<br />
Main und Köln. Oder nur einen Steinwurf<br />
vom Firmensitz entfernt – im Keller des<br />
Einfamilienhauses von Günter Litzke.<br />
Der Hausherr will seine technisch ver-<br />
altete Ölheizung auf <strong>Gas</strong> umstellen.<br />
Sie ist eine von etwa vier Millionen Hei-<br />
zungsanlagen in Deutschland, die durch<br />
moderne, energiesparende Wärmetech-<br />
nik ersetzt werden müssten. Jahr für Jahr<br />
kommen 300.000 Heizungen hinzu, die<br />
die maximale Altersgrenze von 25 Jahren<br />
überschreiten.<br />
„Unsere Anlage ist knapp zwanzig Jahre<br />
alt“, meint Litzke, „durch die steigenden<br />
Energiepreisemussicheinfachumdenken.<br />
Ich könnte mir ein Mikro-BHKW vorstellen<br />
oder auch eine <strong>Gas</strong>-Wärme-Pumpe.“ Für<br />
eine intensive Beratung braucht Wolfgang<br />
Borz Informationen aus dem Gebäudebe-<br />
stand. Wie hoch ist der Energieverbrauch<br />
des Einfamilienhauses? Welche Geräte<br />
hat der Haushalt im Einsatz? Haben die<br />
Fenster schon Isolierverglasung? Sind<br />
die Fassade und die Heizungsrohre im<br />
Keller gedämmt? Die überdimensionier-<br />
te Umwälzpumpe der Heizung läuft mit<br />
einer hohen Drehzahl und sorgt dafür,<br />
dass ständig warmes Wasser zwischen<br />
Heizkessel und Heizkörpern zirkuliert.<br />
Ein stiller Stromfresser, vergleichbar mit<br />
einem Kühlschrank. „Dieses Einfamilien-<br />
haus verbraucht in etwa 3.500 bis 4.000<br />
Liter Heizöl im Jahr. Wenn man hochrech-<br />
net, entspricht das etwa 35.000 Kilowatt-<br />
stunden. Bei solchen Energieverbräuchen<br />
bietet sich eine Anlage an, die auch sel-<br />
ber Strom erzeugt, also ein <strong>Gas</strong>motor als<br />
BHKW in Einheit mit dem Pufferspeicher<br />
Wolfgang Borz<br />
und dem Spitzenlastgerät als Brennwert-<br />
gerät“, rät Borz, „auch eine Kombination<br />
von <strong>Gas</strong> und Solar wäre denkbar.“ Machen<br />
müsse man in jedem Fall etwas. Borz zeigt<br />
auf die Heizkreispumpe und das Über-<br />
strömventil, mittlerweile alles technisch<br />
überholt. „So, wie die Wärmeverteilung<br />
in dem Wohnhaus hier noch ist, kann man<br />
das gar nicht mehr bauen.“<br />
Der Fachmann schlägt eine Kraft-Wärme-<br />
Kopplungstechnik (KWK) von Vaillant vor,<br />
bei der durch die Verbrennung von Erd<strong>gas</strong><br />
Strom für den eigenen Bedarf produziert<br />
wird. Die dabei entstehende Wärme wird<br />
zurWarmwasseraufbereitungundzumHei-<br />
zen genutzt. Zusätzlich wird mechanische<br />
Energie bereitgestellt, die einen Genera-<br />
tor antreibt, der wiederum Strom erzeugt.<br />
Diese Eigenproduktion verringert den not-
Wolfgang Borz im Beratungsgespräch mit Günther Litzke.<br />
wendigen Strombezug und senkt die Energiekosten.<br />
„Bis zu dreißig Prozent weniger<br />
Primärenergie sind möglich“, sagt Borz,<br />
„und die CO -Emissionen gehen über die<br />
2<br />
Hälfte zurück.“ Kein unwesentlicher Fakt.<br />
Denn die Betreiber von KWK-Anlagen erhalten<br />
Investitionszuschüsse im Rahmen<br />
des CO -Gebäudesanierungsprogramms<br />
2<br />
von der Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />
(KfW). Hinzu kommen Energiesteuerbefreiungen<br />
und Vergütungen für nicht direkt<br />
genutzten Strom, der in das Netz der lokalen<br />
Energieversorger eingespeist wird. Als<br />
zertifizierter Fachhandwerker kann Wolfgang<br />
Borz seinem Kunden zusätzlich das<br />
Programm Kraftpaket.plus anbieten: Mit<br />
Hilfe der bereitgestellten Herstellerprogramme<br />
würde im Vorfeld unkompliziert<br />
eine objektbezogene Wirtschaftlichkeitsberechnung<br />
durchgeführt, und wenn<br />
Günther Litzke sich für ein Mikro-BHKW<br />
entscheidet, wird für ihn eine Aktionsprämie<br />
reserviert. Momentan haben die<br />
Litzkes nur ein Problem, ein entscheidendes:<br />
Es gibt noch keinen <strong>Gas</strong>anschluss.<br />
Die Anfrage bei der Netzgesellschaft ist<br />
gestellt. Die Borz Heizungs-, Lüftungs- und<br />
Sanitärtechnik GmbH ist einer von rund<br />
50.000 Fachbetrieben in Deutschland. Als<br />
Mitglied der Innung Saale-Holzland-Kreis<br />
und des FachverbandesSHKThüringen ist<br />
die Firma schon lange ein Marktpartner<br />
von <strong>VNG</strong>. Die Kompetenz zu den neuen<br />
Technologien eignet sich Wolfgang Borz<br />
bei den von <strong>VNG</strong> initiierten Marktpartnergesprächen<br />
an, die mittlerweile zum 18.<br />
Mal stattfanden. Ein Forum von Architekten,<br />
Planern, Gebäudeeigentümern, dem<br />
SHK-Handwerk und der <strong>Gas</strong>wirtschaft.<br />
„Beim Thema stromerzeugende Heizung<br />
haben wir dadurch einen großen Wissensvorsprung.Wir<br />
sind mitderTechnikin ihren<br />
Entwicklungsstufen vertraut, noch bevor<br />
diese überhaupt auf den Markt kommt.<br />
Wir können so unsere Leute frühzeitig zu<br />
Schulungsmaßnahmen schicken und sind<br />
optimal vorbereitet, wenn es an die Installation<br />
geht“, resümiert Borz das kürzlich<br />
besuchte Marktpartnergespräch in Halle.<br />
Unter der Überschrift „Chancen gemeinsam<br />
nutzen“ hatten auch zehn Hersteller<br />
von Mikro-KWK-Technologien ihre Exponate<br />
ausgestellt. SHK-Handwerker und Planer<br />
erhielten in einem praxisbezogenen<br />
Gedankenaustausch Informationen aus<br />
erster Hand zum Entwicklungsstand, zu<br />
Möglichkeiten der Installation, zu Perspektiven,<br />
Vertrieb und Kosten. „Der Infor-<br />
Ansprechpartner bei <strong>VNG</strong><br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
mationsaustausch mit den verschiedenen<br />
Marktpartnern ist für uns sehr wichtig. Wir<br />
profitieren als Betrieb direkt davon, weil<br />
wir unsere Kunden dadurch fachlich kompetent<br />
beraten können.“<br />
Seine Firma favorisiert die Heizungsumstellung<br />
im Erd<strong>gas</strong>bereich, weil sie<br />
vorwiegend im Gebäudebestand arbeitet<br />
und dort der Wärmebedarf höher ist als<br />
bei einem Neubau, der sich im Niedrigenergiebereich<br />
bewegt. Außerdem sei die<br />
Entwicklung bei <strong>Gas</strong>geräten am weitesten<br />
fortgeschritten. Im Vergleich zu anderen<br />
Brennstoffen könne dort die Energie am<br />
effizientesten eingesetzt werden, so Borz.<br />
Die Litzkes sind schon jetzt von den Vorteilen<br />
der neuen Erd<strong>gas</strong>-KWK-Anlage überzeugt.<br />
„Sobald der <strong>Gas</strong>anschluss gelegt<br />
ist, werden die Öltanks entsorgt. Dann haben<br />
wir eine neue Heizung und auch noch<br />
Platz für eine neue Sauna im Keller.“<br />
www.verbundnetzplus.de<br />
Klaus-Dieter Grumm<br />
Verkaufsleiter Marktpartnerbetreuung<br />
Tel. +49 341 443-2903 | Fax +49 341 443-2922<br />
klaus-dieter.grumm@vng.de<br />
17
MARKT<br />
Fotos Michael Fahrig<br />
Herr Bareiß, in derVergangenheit war Energiepolitikausschließlich<br />
etwas für Spezialisten, heute beschäftigt sich auch der<br />
Endverbraucher mit energiepolitischen Fragen. Welchen Stellenwert<br />
schreiben Sie dem Thema Energiepolitik zukünftig zu?<br />
Das Spannende an der Energiepolitik ist, dass wir unglaublich<br />
viele Technologien und Innovationen haben und dass diese<br />
Bereiche zentraler Bestandteil unserer Wirtschaftspolitik sind.<br />
Insofern werden energiepolitische Rahmenbedingungen in Zukunft<br />
noch eine wesentlich größere Rolle spielen.<br />
Wenn wir die kommenden zwei Jahrzehnte betrachten, stellt<br />
sich die Frage, woher die Wachstumsimpulse in Deutschland<br />
kommen. Die Energiepolitiksehe ich hier in einer zentralen Funktion.<br />
So muss die Politik auch ein verstärktes Augenmerk darauf<br />
legen, die Energiewirtschaft in die Lage zu versetzen, auf die<br />
bestehenden Herausforderungen reagieren zu können.<br />
18<br />
Die Welt wird in den nächsten Jahrzehnten einen enormen<br />
Energiehunger erleben. Allein in den nächsten 15 Jahren wird<br />
der weltweite Energiebedarf um 40 bis 50 Prozent zunehmen.<br />
Das heißt, die Nation, die es schafft, die besten Technologien<br />
anzubieten, um diesen Energiehunger auf einer nachhaltigen<br />
Basis zu stillen, wird auch die besten Arbeitsplätze und Unter-<br />
nehmen im Land haben.<br />
Das klingt fast so, als wäre Energiepolitik gleichbedeutend mit<br />
Wirtschafts- und Technologiepolitik?<br />
Energiepolitik besitzt natürlich zusätzlich auch eine erhebliche<br />
sozialpolitische Komponente. Wir müssen stets darauf achten,<br />
dass ein Normalbürger sich seine Energieversorgung auch leisten<br />
kann. Dies gilt im Übrigen auch für die Industrie. Und auch<br />
hier geht es wieder um Arbeitsplätze. Im Mittelpunkt unserer
Neue Serie<br />
Arbeit steht daher das energiepolitische Zieldreieck mit einem<br />
Dreiklang aus Umweltverträglichkeit,Versorgungssicherheit und<br />
Wirtschaftlichkeit.<br />
Sie setzten sich für die Schaffung eines Energieministeriums<br />
ein. Was bringt dies für Vorteile mit sich?<br />
Derzeit ist die Energiepolitik auf sechs verschiedene Ressorts<br />
verteilt. Wir haben bereits über die zentrale Rolle von Energiepolitik<br />
gesprochen. Um ernstgenommen zu werden, müssen wir<br />
zukünftig die Interessen bündeln und im energiepolitischen Bereich<br />
mit einer Stimme sprechen. Dies vor allem auch gegenüber<br />
der EU. Es kann nicht sein, dass der Bundeswirtschaftsminister<br />
und der Bundesumweltminister in Brüssel zwei unterschiedliche<br />
Sprachen sprechen.<br />
Thomas Bareiß vor dem Paul-Löbe-Haus. Hier befindet sich sein Abgeordnetenbüro. Das Parlamentsgebäude<br />
ist zugleich Startpunkt der Erd<strong>gas</strong>-Tour durch Berlin.<br />
Zur Person Thomas Bareiß<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Das <strong>VNG</strong>-Hauptstadtgespräch<br />
Teil 1: Karl Krüger im Gespräch mit Thomas Bareiß, Mitglied des Deutschen Bundestages<br />
und energiepolitischer Koordinator der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.<br />
„Wir fahren mit Erd<strong>gas</strong>“. Diese Antwort werden die Abgeordneten des Deutschen<br />
Bundestages nun häufiger hören, wenn die Frage nach Art der Motorisierung der<br />
neuen Fuhrpark-Fahrzeuge aufkommt. Denn seit Juni 2011 werden 37 erd<strong>gas</strong>betrie-<br />
bene Mercedes E-200 im Fuhrpark des Bundestages eingesetzt. Der Einsatz dieser<br />
Fahrzeuge reduziert nicht nur die CO 2 -Emissionen erheblich. Auch die Feinstaubbe-<br />
lastung ist im Vergleich zu Dieselfahrzeugen deutlich geringer.<br />
Dies nehmen wir zum Anlass, um im „<strong>medium</strong> <strong>gas</strong>“ eine neue Serie zu starten.<br />
Der leiter Energiepolitik bei <strong>VNG</strong>, Karl Krüger, fährt mit einem politischen Ent-<br />
scheider zu beliebten Plätzen der Hauptstadt. Dort sprechen beide über ein breit<br />
gefächertes Themenspektrum rund um Energie, Umwelt, Mobilität. Anschließend<br />
geht es mit der Erd<strong>gas</strong>-E-Klasse zum nächsten Termin.<br />
Sind die Interessenlagen der angesprochenen Ressorts nicht<br />
so divergierend, dass sie sich gar nicht bündeln lassen?<br />
Wenn wir die Wende im Energiebereich schaffen wollen, müssen<br />
wir diese Bündelung hinbekommen. Priorität Nummer eins liegt<br />
auf dem Ausbau erneuerbarer Energien. Das bedingt, dass wir<br />
auch im Leitungsbau schneller vorankommen müssen. Um dies<br />
zu erreichen, kann es auch dazu kommen, dass Dinge wie der<br />
geboren am 15. Februar 1975 in Albstadt-Ebingen (Baden-Württemberg)<br />
Dipl.-Betriebswirt (BA) | 1999–2005 Leiter Controlling und Organisation<br />
beim Textilunternehmen SANETTA Gebrüder Ammann GmbH & Co. KG<br />
seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages (Wahlkreis Zollernalb –<br />
Sigmaringen) | seit 2010 Beisitzer im Fraktionsvorstand und Koordinator<br />
für Energiepolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion<br />
19
MARKT<br />
Entlang des Spreebogens, südlich des Berliner Hauptbahnhofs, geht es zum Berliner Zollpackhof, einem beliebten Biergarten im Parlamentsviertel.<br />
Landschaftsschutz zukünftig auch einmal hinten anstehen.<br />
Entscheidend ist die sichere und klimaschonende Energiever-<br />
sorgung des Landes. Genau dort könnte das Energieministerium<br />
sehr wichtige Dienste leisten.<br />
Früher ging es der Politik vordringlich um günstige Preise.<br />
Heute spricht man nur noch von „Bezahlbarkeit“. Wie werden<br />
sich die Preise zukünftig verändern?<br />
Der Kernkraftausstieg bedeutet zugleich, dass wir auf andere<br />
Energieträger umsteigen müssen. Das werden die fossilen<br />
Energieträger, aber auch verstärkt die Erneuerbaren sein. Die<br />
erneuerbaren Energien sind derzeit noch nicht marktfähig und<br />
müssen deshalb zunächst weiterhin unterstützt werden. Diese<br />
Übergangsphase müssen wir gestalten. Daraus werden auch<br />
Wettbewerbsvorteile entstehen, die eine herausragende Bedeutung<br />
für den Wirtschaftsstandort Deutschland besitzen.<br />
Aber klar ist: Energie wird in den nächsten Jahren teurer.<br />
MERCEDES-BENZ E 200 NGT BlueEFFICIENCY<br />
Technische Informationen<br />
Hubraum 1.796 ccm | leistung 163 PS | Höchstgeschwindigkeit 224 km/h<br />
Beschleunigung (0–100 km/h) 10,4 s | Getriebe 5-Gang | Automatikschaltung<br />
| leergewicht 1.735 kg | Verbrauch (l/100km) 11,5l (innerorts), 6,1l<br />
(außerorts), 8,1 l (kombiniert) | CO 2 -Ausstoß 132 g/km<br />
20<br />
In der Solarbranche wurden insbesondere durch staatliche<br />
Förderung zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen. Welche Bedeutung<br />
hat die Solarenergie im Energiemix der Zukunft?<br />
Wir haben bei der Förderung der Erneuerbaren einen großen<br />
Fehler gemacht. Wir haben vergessen, die notwendigen Speicher<br />
zu entwickeln. Die Photovoltaik macht nur im Zusammenspiel<br />
mit Speichern Sinn. Derzeit gibt es noch keine Speicher,<br />
d. h. derzeit ist die Photovoltaik nicht der Energieträger, der<br />
unseren Energiebedarf decken kann. Deswegen halte ich die<br />
enormen Zubauraten in diesem Umfang auch nicht mehr für<br />
akzeptabel. Wir müssen in die Bereiche investieren, bei denen<br />
wir auch Potenziale haben. Das sind die Windenergie aber auch<br />
die Biomasse.<br />
Kurz noch einmal zurück zum Thema Regulierung und Markt.<br />
Kann es hier gelingen, ein Gleichgewicht herzustellen? Das<br />
heißt, so viel Markt wie möglich und so viel Regulierung wie<br />
nötig?<br />
Wir müssen schauen, dass wir die erneuerbaren Energien in<br />
den nächsten Jahren stärker in den Markt bekommen. Gleichzeitig<br />
müssen wir unseren Blick auf herkömmliche Energieträger<br />
richten, denn diese stehen bereits im Markt. Hier setzen wir<br />
insbesondere auf den Einsatz von <strong>Gas</strong>kraftwerken, die den großen<br />
Vorteil besitzen, flexibel auf mögliche Fluktuationen in der
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Vor der Kulisse des Bundeskanzleramts diskutieren Karl Krüger und Thomas Bareiß über den Stellenwert von Energiethemen im politischen Alltagsgeschäft.<br />
Stromversorgung reagieren zu können. Aber auch diese Kraftwer-<br />
ke müssen im Markt platziert werden. Daher bedarf es an dieser<br />
Stelle eines besseren Investitionsklimas. Deshalb muss auch<br />
überlegt werden, wie ein neues Marktdesign geschaffen werden<br />
kann, dass den Wettbewerb auf dem Energiemarkt stärkt und<br />
genügend Investitionen in <strong>Gas</strong>- und Kohlekraftwerke zulässt.<br />
Im Verkehrssektor konzentriert sich die Bundesregierung<br />
mit der Elektromobilität auf eine einzige Technologieform.<br />
Wäre es nicht ratsam, Energieeffizienzziele in den Fokus zu<br />
stellen und die Zielerreichung technologieoffen zu gestalten?<br />
In der Tat steht die E-Mobilität im Fokus der Politik. Technolo-<br />
gieoffenheit ist aber ein sehr wichtiges Thema und spielt nicht<br />
nur im Bereich Mobilität eine zentrale Rolle.<br />
Andere Antriebe wie zum Beispiel Erd<strong>gas</strong> als Kraftstoff müs-<br />
sen in ihrer Bedeutung weiter gestärkt werden. Wir müssen<br />
stets im Hinterkopf behalten, dass individuelle Mobilität – auch<br />
global gesehen – enorm an Bedeutung zunehmen wird. Diese<br />
Bedeutungszunahme kann mit Sicherheit nicht allein durch<br />
Elektrofahrzeuge gestillt werden. Darüber hinaus besitzt die<br />
deutsche Automobilindustrie auch global einen herausragen-<br />
den Stellenwert. Die Zukunft dieser Branche ist auch mit der<br />
Frage der Technologieoffenheit eng verknüpft.<br />
In der Öffentlichkeit nimmt man aber nur dasThema E-Mobilität<br />
wahr.<br />
Der Mensch ist in seiner Natur eher statisch. Wir müssen daher<br />
auch bestimmte Technologien puschen, sowohl in der Politik<br />
als auch in der Wirtschaft. Wie bereits gesagt, halte ich eine<br />
technologieoffene Herangehensweise für sinnvoll. Gerade mit<br />
Blick auf die Erd<strong>gas</strong>technologie lässt sich der Entwicklungssprung<br />
erkennen. Dieser Antrieb ist heute schon marktreif<br />
und braucht keine staatliche Förderung. Darüber hinaus spart<br />
Erd<strong>gas</strong> als Kraftstoff eine Menge CO . Hier gilt es, vermehrt<br />
2<br />
das Bewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen, um diese<br />
Technologie noch bekannter zu machen. Mit dem Einsatz von<br />
Erd<strong>gas</strong>fahrzeugen im Fuhrpark des Bundestages setzt die Politik<br />
auch hier ein Zeichen.<br />
Herzlichen Dank für das Gespräch.<br />
21
SCHWERPUNKT<br />
Reportage<br />
Wind, Sonne und Bio<strong>gas</strong> –<br />
mit Erd<strong>gas</strong> der Energiemix der Zukunft.<br />
Für Jochen Flasbarth, dem Chef des Umweltbundesamtes, gibt es keinen Zweifel mehr an Sinn und Möglichkeit einer<br />
zielstrebigen Umstellung der Energieversorgung auf regenerative Quellen. In vierzig Jahren, so der frühere Chef des<br />
Naturschutzbundes Deutschland (NABU), sei ein Wandel auch noch über den von der Bundesregierung angestrebten Wert<br />
von 80 Prozent möglich, verkündete Flasbarth während eines Kolloquiums am Umweltforschungszentrum in leipzig. Das<br />
Ausschöpfen der Effizienzpotenziale, lastenmanagement in Industrie und dem privaten Bereich, Investitionen in Erzeugung<br />
von Windstrom, Solartechnik und die anderen erneuerbaren Quellen und der Ausbau von Netzen und Speichern setzt<br />
Flasbarth dabei voraus. Wobei er allen möglichen schön klingenden und zeitweilig ernsthaft diskutierten Ideen wie die der<br />
Batterien einer Elektro-Auto-Flotte oder Pumpspeicherwerken eher eine ergänzende Rolle zuweist: „Es geht in der notwendigen<br />
Größenordnung nur mit solarem oder aus der Windkraft gewonnenem Methan“, sagt der UBA-Chef. Mehr noch: Nur<br />
das riesige Erd<strong>gas</strong>netz und die in Deutschland wie auch in den Nachbarländern vorhandenen unterirdischen <strong>Gas</strong>speicher<br />
können die Energie-Schwankungen bei Wind und Sonne ausgleichen.<br />
von Martin Hainbucher, freier Redakteur<br />
Fotos Christian Schneider<br />
Schon heute hat das <strong>Gas</strong>netz in Deutschland Speicherkapazitäten<br />
von 200 Terrawattstunden, das ist ein Drittel des Jahresbedarfs,<br />
haben die Mitarbeiter von Flasbarth errechnet,<br />
wobei die Speicherkapazitäten seit Jahren kontinuierlich weiter<br />
wachsen. Die 47 Kavernenspeicher allein in Deutschland mit<br />
einem Speichervolumen von 21 Milliarden Kubikmetern werden<br />
zudem ständig erweitert.<br />
Das mit überschüssigem Strom aus thermo-solaren Wüstenkraftwerken<br />
oder den Windparks elektrolytisch aufgespaltene<br />
Wasser lässt sich mit Kohlendioxid zu Methan umwandeln, was<br />
chemisch dem Erd- oder auch aufbereiteten Bio<strong>gas</strong> entspricht.<br />
Und das könnte sowohl in Deutschland oder sogar aus den<br />
sonnenscheinreichen Staaten importiert und in den vorhandenen<br />
Pipelines gemeinsam mit dem noch für Jahrzehnte notwendigem<br />
Erd<strong>gas</strong> in fast jeden Winkel des Landes transportiert<br />
werden. Wenn Windräder oder die Sonne mehr Strom liefern,<br />
als verbraucht wird, produzieren sie künstliches Erd<strong>gas</strong>. Viele<br />
neue Höchstspannungsleitungen wären damit überflüssig.<br />
Denn überschüssiger Strom kann unmittelbar in der Nähe der<br />
Windräder oder Solarkraftwerke in gut transportfähiges <strong>Gas</strong><br />
umgewandelt werden – und das <strong>Gas</strong>leitungsnetz in Deutschland<br />
ist sehr engmaschig. Der benötigte Strom lässt sich dann<br />
22<br />
in wind- und sonnenschwachen Zeiten in <strong>Gas</strong>kraftwerken<br />
klimaneutral und zugleich auch dezentral dort erzeugen, wo<br />
Abnehmer für Strom und Wärme konzentriert sind. Zukunftsund<br />
Wunschdenken – oder doch eine Vision, die gar nicht so<br />
utopisch ist?<br />
Bio<strong>gas</strong> ergänzt Erd<strong>gas</strong> im Netz<br />
Dr. Tilman Werner schaut recht zufrieden auf seine 15 Meter<br />
hohen Fermenter, Nachgärer und die silbernen Kolonnen. Der<br />
Gruppenleiter Energiedienstleistungen bei der DREW<strong>AG</strong> ist<br />
verantwortlich für den Neubau einer großen Bio<strong>gas</strong>anlage in<br />
Mittelsachsen, unmittelbar an der Bundesautobahn A14. Im Juli<br />
werden hier die Substrate mit Gülle vermischt, dann beginnen<br />
die Bakterien ihr Werk. Wenn alles wie erwartet läuft, sollen<br />
dann ab August 2011 stündlich rund 1.400 Kubikmeter Bio<strong>gas</strong><br />
entstehen, was nach der Reinigung rund der Hälfte Bioerd<strong>gas</strong><br />
entspricht. „Wir speisen das in das Erd<strong>gas</strong>netz ein und sorgen<br />
damit dafür, dass einerseits CO aus dem natürlichen Kreislauf<br />
2<br />
genutzt werden kann und andererseits unsere Kunden auch<br />
mit einem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien versorgt<br />
werden können“, sagt der Dresdner.<br />
Sein Vertragspartner für die Einspeisung sieht den Tag der<br />
ersten in das Mitteldrucknetz strömenden Kubikmeter Bioerd<strong>gas</strong><br />
gelassen. „Für ein <strong>Gas</strong>netz sind das vergleichsweise kleine<br />
Mengen, sieht man einmal von sehr verbrauchsschwachen
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Bio<strong>gas</strong> aus Pflanzenresten will die DREW<strong>AG</strong> in Mittelsachsen ab dem Spätsommer in einer für 15 Millionen Euro gebauten neuen Anlage erzeugen und nach<br />
der Aufbereitung in das Erd<strong>gas</strong>netz der ONTRAS einspeisen.<br />
Sommertagen ab“, erklärt Frank Jachmann, Projektleiter bei<br />
<strong>VNG</strong>. Im Vertrag sei klar geregelt, welche Qualität das Bioerd<strong>gas</strong><br />
haben müsse, damit es mit dem im Leitungsnetz vorhandenen<br />
Energieträger zusammen passe. Nach der Wäsche enthält Bioerd<strong>gas</strong><br />
mindestens 96 Prozent Methan und werde auf 25 bar<br />
Druck komprimiert, bevor es über eine knapp einen Kilometer<br />
lange Stichleitung in das Netz der ONTRAS eingespeist wird.<br />
„Die Kunden spüren keinen Unterschied bei den Eigenschaften,<br />
das können wir garantieren“, sagt Jachmann.<br />
Die Technik ist zuverlässig und auch nicht sonderlich aufwändig,<br />
wenngleich einige Dinge beachtet werden müssen.<br />
So vertragen die Bakterienstämme einen abrupten Wechsel<br />
ihres „Energiefutters“ nicht, so dass möglichst ein konstanter<br />
Nachschub aus Mais- und Grünsilage sowie Gülle gesichert werden<br />
muss. Dafür haben die Betreiber langfristige Verträge mit<br />
Lieferanten geschlossen, die alle im näheren Umkreis sitzen.<br />
„Mehr als 20 Kilometer sollten die Transportwege nicht lang<br />
sein“, sagt Dr. Werner. 15 Millionen Euro hat die DREW<strong>AG</strong> in<br />
die Bio<strong>gas</strong>anlage Hasslau investiert, Geld, das sich langfristig<br />
auszahlen wird. „Wir sehen das aber erst als einen Anfang, wir<br />
arbeiten bereits mit dem Fraunhofer-Institut für Keramische<br />
Technologien und Systeme (IKTS) daran, hier auch schwierigere<br />
Substrate nutzen zu können oder den Durchsatz zu erhöhen“,<br />
so der DREW<strong>AG</strong>-Experte. Auch über eine Kombination der Bio<strong>gas</strong>anlage,<br />
in der nahezu reines C0 aus der Reinigung des<br />
2<br />
Roh<strong>gas</strong>es anfällt, mit einer Wind<strong>gas</strong>anlage werde mittelfristig<br />
zu entscheiden sein. „Wir sehen auch, dass es unbedingt effiziente<br />
und leistungsstarke Speicher für die Erneuerbaren geben<br />
muss“, sagt Dr. Werner.<br />
Wird Bio<strong>gas</strong> direkt in einem Blockheizkraftwerk in Strom und<br />
Wärme gewandelt, wie es derzeit vor allem bei vielen kleineren<br />
und mittelgroßen Anlagen in Deutschland erfolgt, so laufen<br />
diese Anlagen meist im Grundlastbetrieb, um die hohen Investitionskosten<br />
zu rechtfertigen. Die Anlage in Hasslau produziert<br />
zwar ebenfalls rund um die Uhr Bio<strong>gas</strong>, doch der Umweg über<br />
das Erd<strong>gas</strong>netz lässt die Energie in Anlagen nutzbar werden,<br />
die im Netz mit Regelenergie die Schwankungen ausgleichen.<br />
Etwa in modernen <strong>Gas</strong>kraftwerken, die sich aufgrund ihrer<br />
Technologie und Größe besonders gut für die Kraft-Wärme-<br />
Kopplung eignen und sich bei Bedarf schnell hochfahren lassen.<br />
Unter den neuen Prämissen, das bestätigt auch Dr. Anke<br />
Tuschek, Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie<br />
und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW), wird mit dem Ausstieg aus<br />
der Kernenergie dem <strong>Gas</strong> eine neue Rolle zufallen. „Erd<strong>gas</strong> ist<br />
der natürliche Partner der erneuerbaren Energien, es hat die<br />
geringsten CO -Emissionen unter den fossilen Energieträgern<br />
2<br />
und es gibt weltweit noch sehr reichliche Vorkommen“, so die<br />
Energieexpertin. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften<br />
und Rohstoffe (BGR) hat in einer Studie von 2009 die Reichweite<br />
der konventionellen nutzbaren Erd<strong>gas</strong>vorräte auf 188<br />
23
SCHWERPUNKT<br />
Steffen und Ines Eller aus Schkeuditz sind stolze Besitzer einer der ersten <strong>Gas</strong>-Wärmepumpen, die Sonnenenergie nutzt.<br />
Billionen Kubikmeter geschätzt – mehr als je zuvor und bei ei-<br />
nem Verbrauch auf heutigem Niveau ausreichend für mehr als<br />
60 Jahre. Dazu komme, dass Erd<strong>gas</strong> sich auch als Treibstoff etwa<br />
für Fahrzeuge eigne und in modernen Heizsystemen besonders<br />
hohe Wirkungsgrade bei einem geringen CO 2 -Ausstoß liefere.<br />
„Die Kraft-Wärme-Kopplung in einem Blockheizkraftwerk oder<br />
die Verbindung einer Brennwerttherme mit einem Solarkollektor<br />
auf dem Dach sind heute technisch ausgereifte Systeme mit sehr<br />
hoher Energieeffizienz“, so Dr. Tuschek.<br />
<strong>Gas</strong>therme nutzt zusätzlich Sonnenenergie<br />
Steven Eller ist mächtig stolz auf sein Eigenheim. Als er das<br />
Siedlungshaus in Schkeuditz vor knapp drei Jahren bei einer<br />
Zwangsversteigerung günstig erwarb, hat er das damals lange<br />
leer stehende Haus vom Keller bis zum Dach saniert. Besonders<br />
wichtig waren ihm und seiner Frau Ines eine hohe Wärmedäm-<br />
mung nach den KfW-Richtlinien für Energiesparhäuser und eine<br />
möglichst effiziente Heizung. Schließlich arbeitet Eller bei einem<br />
Energiedienstleister – da weiß man besonders gut, was das für<br />
die Zukunft bedeutet.<br />
24<br />
Die Ellers hatten Glück, die Firma Vaillant suchte damals gerade<br />
Referenzstandorte für ihre Weltneuheit in Sachen Hausheizung:<br />
Eine solar gekoppelte Wärmepumpe mit <strong>Gas</strong>- Brennwerttechnik –<br />
so die etwas sperrige Beschreibung. Eller zeigt im Keller gern das<br />
kleine Heizwerk, das äußerlich nicht viel anders aussieht, als<br />
viele andere Heizungen: Ein kühlschrankgroßer heller Metall-<br />
kasten, viele Rohre, Messgeräte und der 300-Liter-Wassertank.<br />
Drei Flachkollektoren auf dem Dach liefern Wärme in den Keller.<br />
Dort sorgt im Kessel ein sogenannter Zeolith dafür, dass aus der<br />
im Winter nur geringen Sonnen-Wärme ein Wohlbehagen bei den<br />
Bewohnern werden kann: Das Hightech-Mineral sorgt durch die<br />
Aufnahme von Feuchtigkeit für einen Wärmeüberschuss. Die <strong>Gas</strong>-<br />
brennwerttherme trocknet dann den Zeolith wieder. 20 Prozent<br />
weniger Energieverbrauch verspricht Vaillant für die inzwischen<br />
am Markt befindliche Hightech-Heizung. Steven Eller ist mitt-<br />
lerweile sicher, sich richtig entschieden zu haben. Die jüngste<br />
Jahresabrechnung der Stadtwerke Schkeuditz wies lediglich ei-<br />
nen Verbrauch von 11.000 kWh und einen Betrag von 828 Euro<br />
auf. Und das, obwohl Familie Eller es durchaus wohlig warm<br />
mag und der Winter 2010 um fast zwei Grad kälter war, als der<br />
langjährige Durchschnitt. „Ich finde es schon toll, wenn man mit<br />
einer <strong>Gas</strong>therme die Sonne so intelligent anzapfen kann, dass<br />
man Umwelt und Geldbeutel schont. Und das, ohne auf Komfort<br />
verzichten zu müssen“, meint Eller.<br />
Windkraft füllt Tanks und Erd<strong>gas</strong>netz<br />
Noch ein Stück weiter in die Zukunft der <strong>Gas</strong>wirtschaft blickt<br />
Michael Wenske. Anfang der 1990er Jahre bereits hatte er sich<br />
mit einer auf Wasserstoff-Elektrolyse spezialisierten Firma zu-<br />
nächst selbstständig gemacht. Heute pendelt er seit Monaten
Stromnetz 3 Windkraftanlagen<br />
2 Blockheizkraftwerke<br />
Fernwärme<br />
Strom<br />
Wärme<br />
Strom Strom<br />
variable Mischung<br />
Mischventile<br />
Bio<strong>gas</strong><br />
Wasserstoff<br />
Bio<strong>gas</strong>-Speicher<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Wasserstofferzeugung<br />
Wasserstoff<br />
Wasserstoffspeicher<br />
Wasserstoff<br />
Kraftstoffe<br />
Mit der Wasserstoff-/Methanerzeugung lassen sich zeitweilig anfallende große Energiemengen aus Sonne und Wind im Erd<strong>gas</strong>netz speichern. Bei Flaute und<br />
sonnenschwachen Jahreszeiten sorgen dann <strong>Gas</strong>kraftwerke für zusätzliche Power im Netz. Grafik: Römer<br />
im Auftrag des Energieunternehmens Enertrag zwischen Berlin<br />
und einem Acker in der Nähe von Prenzlau hin und her. „Wir<br />
errichten hier das erste Hybridkraftwerk der Welt, das sowohl<br />
Windenergie als auch Bio<strong>gas</strong> nutzt. Aus einem Teil dieser Energie<br />
stellen wir mit einem eigens konstruierten Elektrolyseur<br />
Wasserstoff her“, erzählt der Elektroingenieur, als sei das die<br />
normalste Sache der Welt. Das Gerät spaltet ganz normales<br />
Wasser mittels zugeführter Energie chemisch auf – in hochenergetischen<br />
Wasserstoff und Sauerstoff.<br />
Er leitet inzwischen den Bereich Wasserstofftechnik bei der<br />
Enertrag und sorgt dafür, dass die containergroße Anlage möglichst<br />
bald eine Leistung von bis zu 600 kW bringt – im Herbst<br />
soll alles funktionieren. Es ist nicht weniger, als das Herzstück<br />
des gesamten Hybridkraftwerks, denn hier wird eine der wohl<br />
zukunftsträchtigsten Speicher- und Puffertechnologien erstmals<br />
in einer solchen Größe getestet und kommerziell genutzt. „Es<br />
wird schon sehr lange über eine effiziente Speichertechnologie<br />
geredet, aber wir können damit nicht ewig warten“, sagt Wenske.<br />
Die Windkraft stößt gerade in Brandenburg, wo sie reichlich an-<br />
fällt, aber nur wenig Verbraucher sind, schon heute an Grenzen,<br />
weil sie entweder bei Flaute fehlt oder die Netze an die Leistungs-<br />
grenzen bringt.Wenn hier keine Pufferspeicher installiertwerden,<br />
müssen immer häufiger die Windräder notabgeschaltet werden,<br />
das kostet dann sowohl dem Verbraucher über den Strompreis<br />
zusätzlich Geld wie auch den Windstromerzeuger.<br />
Die Alternative bringt jedoch der Wind ebenfalls mit: Mit Hilfe<br />
seiner Energie lässt sich aus Wasser Wasserstoff herstellen,<br />
ein brennbares <strong>Gas</strong> mit hoher Energiedichte. 3,54 kWh liefert<br />
rechnerisch der Normkubikmeter, den man verdichten und bei<br />
Bedarf sogar in Methan, also dem chemischen Äquivalent zum<br />
Erd<strong>gas</strong>, umwandeln kann.<br />
Bei Prenzlau liefern die drei Windturbinen der Enertrag mit<br />
ihren jeweils zwei Megawatt Leistung genug Strom, um neben<br />
der Netzeinspeisung über ein eigenes Kabel die Elektrolyse<br />
anzutreiben. Auch die Bio<strong>gas</strong>anlage liefert über zwei Blockheiz-<br />
kraftwerke Energie und kann windschwache Zeiten zumindest<br />
teilweise ausgleichen. Mit 700 kW elektrischer Leistung reicht<br />
auch ihre Power, um die Wasserspaltung fortzuführen. Das H 2<br />
wird zunächst in drei Tanks mit einer Kapazität von 1.300 kg<br />
zwischen gelagert. Der Energiekonzern Total wird den Brenn-<br />
stoff zu einer Tankstelle in Berlin-Schönefeld transportieren, wo<br />
er von Fahrzeugen mit Brennstoffzellen getankt werden kann.<br />
Ähnlich geht inzwischen auch die Audi <strong>AG</strong> vor, die dazu eine<br />
Kooperation mit der schwäbischen SolarFuel aus Stuttgart ein-<br />
gegangen ist und die Kraft von vier Windrädern mit je 3,6 MW<br />
Leistung teilweise zur Wasserstoff- und Methanproduktion<br />
nutzen will – mit immerhin 6,3 MW Leistung. Zu den wissen-<br />
schaftlichen Begleitern zählt Marc Simon Löffler vom Zentrum<br />
fürSonnenenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Württem-<br />
berg. „Wir haben bereits seit 2009 eine kleine Pilotanlage<br />
25
SCHWERPUNKT<br />
Frank Jachmann, Projektleiter bei <strong>VNG</strong>, bei der technischen Abnahme der Bio<strong>gas</strong>einspeiseanlage vor Ort in Hasslau.<br />
und arbeiten jetzt an größeren Maschinen“, sagt Löffler, der<br />
Wasserstoff und vor allem Methan für „das einzige Speicherme-<br />
dium mit dem notwendigen Langzeit-Potenzial“ hält. Vor allem<br />
müssten jetzt die vorhandenen Elektrolyseure so weiter entwi-<br />
ckelt werden, dass sie nicht nur – wie bislang bei zahlreichen<br />
industriellen Einsatzgebieten – gleichmäßig unter Dauerlast<br />
arbeiten, sondern auch bei den im Windstromsektor üblichen<br />
schnellen Lastwechseln einsatzfähig sind. Bisher brauchen<br />
die Maschinen, die es durchaus auch im Leistungsbereich von<br />
mehreren MW gibt, bis zu mehreren Stunden, um hochgefahren<br />
werden zu können. Bis 2013 allerdings soll das gelöst sein, dann<br />
werden drei Windräder im Emsland im Großversuch verschie-<br />
dene Energieformen liefern: Strom für eine 1.000 Fahrzeuge<br />
umfassende Testflotte, Wasserstoff für Brennstoffzellen und<br />
Methan für Erd<strong>gas</strong>fahrzeuge oder die Einspeisung. Das benö-<br />
tigte CO 2 für die chemische Methanisierung stammt von einer<br />
ebenfalls hier errichteten Bio<strong>gas</strong>anlage. Spätestens 2015, so<br />
der Experte, werden dann Wind<strong>gas</strong>-Anlagen auch rein kom-<br />
merziell in Betrieb gehen können. Bis dahin, so rechnet Löffler,<br />
werde auch die Politik die erforderlichen Rahmenbedingungen<br />
etwa für die Einspeisevergütung von mit Wind erzeugtem Was-<br />
serstoff oder Methan geregelt haben.<br />
„Die Vielfalt der Nutzung des Energie-Speicher<strong>medium</strong>s<br />
Wasserstoff ist auch für uns ein entscheidender Vorteil“, sagt<br />
Wenske. Das <strong>Gas</strong> lässt sich einfach auf 700 bar komprimieren<br />
26<br />
und sorgt dann dafür, dass bereits heute verfügbare Pkw mit<br />
einem Kilogramm Treibstoff rund 100 km weit fahren – bei einem<br />
realistischen Marktpreis von rund 10 Euro netto. Doch Wasser-<br />
stoff lässt sich auch problemlos ins Erd<strong>gas</strong>netz einspeisen, bis<br />
zu fünf Prozent sind derzeit möglich. Die Methanisierung sieht<br />
Michael Wenske vor allem im Mitteldruck- und Niederdrucknetz<br />
als lukrativ an.<br />
Allerdings: Wird der Windstrom nicht mehr direkt zum Ver-<br />
braucher geführt, entstehen zusätzliche Umwandlungsver-<br />
luste: Bei der Elektrolyse und Methanisierung ebenso wie bei<br />
der notwendigen Kompression und schließlich auch bei der<br />
erneuten Verstromung in <strong>gas</strong>betriebenen Kraftwerken oder<br />
den Pkw – unter dem Strich stehen damit Wirkungsgrade von<br />
meist weniger als 60 Prozent. „Doch sollte man hier nicht mehr<br />
so rechnen, als würde Kohle, <strong>Gas</strong> oder ein anderer Rohstoff<br />
eingesetzt – schließlich handelt es sich bei der Energiequelle<br />
um eine unerschöpfliche, der Rohstoff an sich steht kostenlos<br />
zur Verfügung. Investiert werden muss dennoch, in die Anlagen<br />
zur Erzeugung, Umwandlung und Einspeisung – das wird künftig<br />
den Strompreis bestimmen“, so der Experte von Enertrag. Mit<br />
dem Wind<strong>gas</strong> lassen sich schon in absehbarer Zeit die Spitzen<br />
auskompensieren und die Prognosen für die Belastung des<br />
Netzes verfeinern.<br />
Das sieht auch Jochen Flasbarth vom UBA nicht anders, für den<br />
die althergebrachte Effizienzberechnung von Kraftwerken für
Dr. Tilmann Werner von der DREW<strong>AG</strong> Stadtwerke Dresden GmbH und sein Kollege Frank Jachmann von <strong>VNG</strong> arbeiten bei dem Projekt der großen Bio<strong>gas</strong>anlage<br />
mit Einspeisung eng zusammen. (v. l.)<br />
die erneuerbaren Energiesysteme nicht mehr gelten. „Da geht<br />
es bei der Umwandlung nicht mehr primär um die Verluste in<br />
Prozent. Es geht um die verfügbaren Flächen für die Nutzung<br />
der Energie, es geht um die Kosten der Gesamtsysteme“, sagt<br />
er. Und wenn es gelänge, den nach bisherigem Stand im Milliardenumfang<br />
notwendigen Strom-Netzausbau zu reduzieren,<br />
könnte das nicht nur die Strompreissteigerungen dämpfen –<br />
sondern auch die Sorgen und Widerstände von Anwohnern.<br />
Ob Jochen Flasbarth mit seiner Prognose recht behält, dass<br />
in Deutschland bereits in 40 Jahren sämtliche Energie von den<br />
Erneuerbaren stammt oder es vielleicht ein paar Jahre länger<br />
dauert, ist dabei zweitrangig. Doch die Zeit bis zu diesem Umstieg,<br />
hier sind sich ausnahmsweise die Energieexperten aller<br />
Denkrichtungen einig, wird nur zusammen mit der Erd<strong>gas</strong>technologie<br />
funktionieren. Mit einem leistungsfähigen Erd<strong>gas</strong>netz<br />
als Rückgrat der Infrastruktur, mit modernen <strong>Gas</strong>- und Blockheizkraftwerken,<br />
mit Kavernenspeichern und auch neuen Technologien.<br />
Was ist Elektrolyse?<br />
Wasserstoff (H 2 ) ist als Rohstoff und Energiequelle von hoher Bedeutung.<br />
H 2 wird in großen Mengen in der chemischen Industrie und Raffinerien<br />
erzeugt, wobei anfallendes Methan und schwere Heizöle genutzt und<br />
im Dampfreformer bei etwa 25 bar und 900 °C aufgespalten werden. Bei<br />
der partiellen Oxidation entstehen unter Sauerstoffmangel bei hohen<br />
Temperaturen Wasserstoff und Kohlenmonoxid – hierbei wird Energie<br />
freigesetzt. Eine weitere großtechnische Methode ist das Kvaerner-<br />
Verfahren, bei dem Kohlenwasserstoffe bei 1.600 °C in Aktivkohle und<br />
Wasserstoff gespalten werden. In kleineren Mengen wird Wasserstoff<br />
heute bereits durch Elektrolyse, die chemische Aufspaltung von Wasser<br />
mit hohem Energieeinsatz, erzeugt. Die Anlagen werden etwa in der<br />
Chemieindustrie kontinuierlich betrieben und müssen für den zyklischen<br />
Einsatz an Windkraftanlagen weiter entwickelt werden. Vorteil: Wasser<br />
und (überschüssige) regenerative Energie stehen reichlich zur Verfügung.<br />
Zudem ist die Elektrolyse aus erneuerbaren Energien absolut CO 2 -neutral.<br />
Erneuerbare<br />
Windstrom<br />
Wasser<br />
Wasserstoff<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Erd<strong>gas</strong><br />
Elektrolyseur Erd<strong>gas</strong>netz Haushalt<br />
27
SCHWERPUNKT<br />
Interview<br />
Die Energiewende als deutsches<br />
Gemeinschaftswerk<br />
Die tragischen Ereignisse in Japan führten in Deutschland zu einer energiepolitischen Zäsur. Binnen weniger Monate<br />
wurde das erreicht, was vorher in mehr als einem Jahrzehnt nicht gelang. Deutschland steigt endgültig aus der Kern-<br />
energie aus. <strong>medium</strong> <strong>gas</strong> sprach mit dem Vorsitzenden der Ethik-Kommission, Prof. Dr. Klaus Töpfer, über die deutsche<br />
Vorreiterrolle in Sachen Energieversorgung und die Bedeutung von Erd<strong>gas</strong> im zukünftigen Energiemix.<br />
Herr Professor Töpfer, der Bundestag hat den Ausstieg aus der<br />
Kernenergie beschlossen. lässt sich rückblickend sagen, dass<br />
die Vorschläge der Ethik-Kommission die richtigen waren?<br />
Wir haben einen Beitrag zu einer wohl nicht nur aus meiner Sicht<br />
sehr wichtigen Entscheidung geleistet. Die Probleme lagen und<br />
liegen aber nicht nur in der Grundsatzentscheidung Atomkraft<br />
ja oder nein und bis wann der Ausstieg zu erfolgen hat, sondern<br />
auch in vielen Details. Für die Ethik-Kommission war es beson-<br />
ders wichtig, den Umsetzungsprozess in den Mittelpunkt zu stel-<br />
len mit einem unabhängigen Beauftragten für die Energiewende<br />
und einem breitem Forum Energiewende. Die Entscheidung über<br />
die weitere Ausgestaltung liegt selbstverständlich beim Parla-<br />
ment und bei der Bundesregierung.<br />
Sie sprechen im Abschlussbericht vom „Gemeinschaftswerk<br />
Energiezukunft Deutschland“. Was ist darunter zu verstehen?<br />
Ich glaube, dass es eine ganz große Herausforderung ist, sowohl<br />
in Deutschland als auch weltweit, aus der Kernenergie auszustei-<br />
gen. In vielen Ländern wird Kernenergie als die Zukunftsenergie<br />
gesehen, aus der man nicht hinausgeht, sondern in die man noch<br />
stärker einsteigt. Deswegen ist es umso wichtiger, dass sich<br />
alle gesellschaftlichen Gruppierungen, also Parteien, Verbände,<br />
NGOs, die Wirtschaft und Verbraucher, im Klaren darüber sind,<br />
dass man die zukünftige Energieversorgung Deutschlands nur<br />
gemeinsam gestalten kann. Ein Gemeinschaftswerk ermöglicht<br />
Investitionssicherheit und eröffnet damit große Chancen auch<br />
für den Wirtschaftsstandort Deutschland.<br />
28<br />
Es deuten sich bereits heute politische Grabenkämpfe über<br />
den Weg der Zielerreichung einer Energiewende an. Was<br />
muss getan werden, damit die Energiewende auch tatsächlich<br />
gelingt?<br />
Um zu gewährleisten, dass die Energiewende auch verbrauchergerecht<br />
umgesetzt werden kann, hat die Ethik-Kommission<br />
einen Begleitprozess empfohlen. So soll jährlich evaluiert werden,<br />
wo wir stehen, was gemacht worden ist und was noch<br />
gemacht werden muss. Dies ist ein riesiges Langzeitprojekt. Es<br />
bedarf eines klaren Projektmanagements. Wir schlagen deshalb<br />
den Einsatz eines Projektmanagers vor, der sich mit den<br />
Umsetzungsfragen intensiv auseinandersetzt. Wir dürfen nicht<br />
abwarten, sondern müssen gemeinsam aktiv handeln, um die<br />
Energiewende zu schaffen. Daher nochmals der Hinweis, dass<br />
das Gemeinschaftswerk nur über die Parteigrenzen hinweg<br />
gelingen kann.<br />
Ist trotz Kernenergieausstieg die Stabilität des energiepolitischen<br />
Zieldreiecks auch zukünftig gewährleistet?<br />
Deutschland ist die viertstärkste Wirtschaftsnation der Welt.<br />
Der Wohlstand in Deutschland hängt entscheidend von der<br />
Wettbewerbsfähigkeit unserer Exportindustrie ab. Daher<br />
muss alles dafür getan werden, dass die Energieversorgung<br />
auch in Zukunft wettbewerbsfähig, sozial ausgewogen, verlässlich<br />
und ökologisch verantwortbar ist. Die Vorschläge der<br />
Ethik-Kommission machen den Erhalt des energiepolitischen<br />
Zieldreiecks zu einer Grundvoraussetzung der Energiewende.
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Prof. Dr. Klaus Töpfer appelliert an alle gesellschaftlichen Akteure, dass die Energiewende und die Gestaltung der zukünftigen Energieversorgung Deutschlands<br />
nur durch ein „Gemeinschaftswerk“ erfolgreich realisiert werden kann.<br />
Durch einen Monitoring-Prozess müssen diese Ziele auch stets<br />
überwacht werden.<br />
Im öffentlichen Meinungsbild herrscht über die politischen<br />
lager hinweg Einigkeit darüber, dass Erd<strong>gas</strong> der ideale Partner<br />
der erneuerbaren Energien ist. Welche Rolle werden Erd<strong>gas</strong><br />
und Bioerd<strong>gas</strong> Ihrer Auffassung nach im Energiemix der<br />
Zukunft spielen?<br />
Erd<strong>gas</strong> und Bioerd<strong>gas</strong> werden in Deutschland, aber auch weltweit<br />
eine zunehmend große Rolle spielen. Erd<strong>gas</strong> hat unter<br />
den konventionellen Energieträgern den Vorteil, dass es mit<br />
Abstand die geringsten CO -Emissionen pro Energieeinheit<br />
2<br />
verursacht. Auch die deutsche Bevölkerung sieht Erd<strong>gas</strong> als<br />
leistungsfähigen Energieträger an. Erd<strong>gas</strong> hat eine hohe gesellschaftliche<br />
Akzeptanz. Es ist also kein Wunder, dass man sich<br />
seitens der Politik auf diesen Energieträger in ganz besonderer<br />
Weise bezieht. Ich freue mich darüber, dass wir in Deutschland<br />
eine sehr leistungsfähige und erfahrene <strong>Gas</strong>wirtschaft haben.<br />
Diese Branche wird dazu beitragen, dass uns unter Berücksichtigung<br />
des energiepolitischen Zieldreiecks die Energiewende<br />
auch gelingt, ohne dass Abstriche von der Klimapolitik gemacht<br />
werden dürfen.<br />
Welche Faktoren werden die Energielandschaft in zwei Jahrzehnten<br />
prägen?<br />
Momentan sind wir im Jahr 2011 und haben mit der Entscheidung<br />
zum Kernkraftausstieg eine große Herausforderung vor<br />
uns. Noch einmal: Der Ausstieg aus der Kernenergie muss so<br />
gelingen, dass dadurch unsere klimapolitischen Ziele in keiner<br />
Weise in Frage gestellt oder gefährdet werden. Dazu ist<br />
Deutschland auch gegenüber der EU verpflichtet. Um diese Ziele<br />
zu erreichen, werden uns Erd<strong>gas</strong> und vor allem auch Bioerd<strong>gas</strong><br />
eine große Hilfe sein. Wie die Energielandschaft in zwanzig oder<br />
dreißig Jahren konkret aussehen wird, lässt sich heute nicht mit<br />
absoluter Sicherheit sagen.<br />
Viele Mitgliedsstaaten der EU sehen die Vorreiterrolle<br />
Deutschlands kritisch. Global schaut man sehr genau auf<br />
die deutschen Beschlüsse. Besitzt die deutsche Position<br />
Vorbildcharakter für andere Staaten?<br />
Ich glaube nicht, dass es gut ist, dass wir uns eine Vorbildrolle<br />
anmaßen. Wir sollten unsere Chancen, die sich durch den<br />
Ausstieg aus der Kernenergie ergeben, systematisch und klug<br />
nutzen. Richtig ist, dass die Welt sehr genau auf uns blickt.<br />
Wenn es Deutschland mit seiner spezifischen Wirtschaftsstruktur<br />
gelingt, ohne Kernenergie und mit einem immer geringeren<br />
CO -Ausstoß die Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit<br />
2<br />
der Industrie zu erhalten, dann ist das ein Beleg dafür, dass<br />
es andere Staaten auch schaffen können. Insbesondere in<br />
den Entwicklungsländern weiß man, dass der Umgang mit der<br />
Energiefrage von zentraler Bedeutung für eine eigenständige<br />
Wohlstands- und Wirtschaftsentwicklung ist.<br />
Herr Professor Töpfer, herzlichen Dank für das Gespräch.<br />
29<br />
Foto: Liesa Johannssen/photothek.
SCHWERPUNKT<br />
<strong>Gas</strong>tbeitrag<br />
Erd<strong>gas</strong> im zukünftigen Energiemix<br />
Erd<strong>gas</strong> war in den letzten Dekaden der einzige fossile Energieträger, der im deutschen Energiemix Anteile gewonnen hat<br />
und dessen Verbrauch auch absolut gewachsen ist. Im lichte der aktuellen Energie- und Klimapolitik stellt sich die Frage,<br />
welche Rolle Erd<strong>gas</strong> zukünftig spielen wird. Antworten darauf ergeben sich aus den zukünftigen Einsatzbereichen für<br />
Erd<strong>gas</strong> sowie der Anschlussfähigkeit zum aufkommenden Zeitalter der erneuerbaren Energien.<br />
von Dr. Felix Christian Matthes,<br />
Öko-Institut<br />
Die zweifache Wende der deutschen<br />
Energiepolitik in den Jahren 2010 und<br />
2011 schafft eine neue Ausgangsposition<br />
für die Energie- und Klimapolitik. So<br />
sollen mit den Beschlüssen vom Herbst<br />
2010 die Treibhaus<strong>gas</strong>emissionen bis<br />
2020 um 40% sowie bis zur Mitte dieses<br />
Jahrhunderts um 80 bis 95% reduziert,<br />
die Stromversorgung soll bis 2020 zu<br />
35% und bis 2050 zu mindestens 80 %<br />
auf erneuerbare Energien umgestellt<br />
und der Gebäudebestand so saniert werden,<br />
dass die Gebäude in Deutschland<br />
bis 2050 praktisch CO -neutral werden.<br />
2<br />
Verbunden damit ist seit Frühsommer<br />
2011 der beschleunigte Verzicht auf die<br />
Hochrisiko-Technologie Kernenergie. Vor<br />
diesem Hintergrund stellt sich die Frage,<br />
welche Rolle dem Energieträger Erd<strong>gas</strong><br />
im zukünftigen Energiemix zukommen<br />
wird. Bei allen prognostischen Unsicherheiten<br />
zeigt sich dabei, dass sich die Einsatzfelder<br />
von Erd<strong>gas</strong> in den nächsten<br />
Jahren und Jahrzehnten im Kontext ambitionierter<br />
Energie- und Klimapolitik sehr<br />
deutlich ändern, wobei hier sehr gegenläufige<br />
Entwicklungen zu erwarten sind.<br />
Der erste Megatrend ergibt sich aus<br />
der abnehmenden Rolle von Erd<strong>gas</strong> im<br />
30<br />
Wärmemarkt. Nachdem Erd<strong>gas</strong> im Wärmemarkt<br />
seine Rolle während der letzten<br />
Dekaden stetig ausbauen konnte (aktuell<br />
werden fast drei Viertel des in Deutschland<br />
insgesamt gelieferten Erd<strong>gas</strong>es im<br />
Wärmemarkt verbraucht), so zeigen sich<br />
seit einigen Jahren Sättigungstendenzen.<br />
Dr. Felix Christian Matthes ist Forschungskoordinator<br />
für Energie- und Klimapolitik am Öko-<br />
Institut, Berlin.<br />
Zukünftig wird hier ein eher schrumpfender<br />
Markt erwartet. Besonders stark<br />
wird der Verbrauchsrückgang für die<br />
Raumwärmeerzeugung ausfallen. Hoch<br />
effiziente neue Gebäude und zunehmende<br />
Sanierungsanstrengungen (mit dem<br />
Langfrist-Ziel des CO -neutralen Gebäu-<br />
2<br />
debestandes im Jahr 2050) werden hier<br />
mittel- und langfristig zu einem deutlichen<br />
Rückgang des <strong>Gas</strong>absatzes führen,<br />
auch und gerade weil durch moderne<br />
Erd<strong>gas</strong>anlagen noch erhebliche Energieeffizienzpotenziale<br />
gehoben werden<br />
können. Für den Bereich der Warmwasserbereitung<br />
wird Erd<strong>gas</strong> weniger dramatisch<br />
vom insgesamt schrumpfenden<br />
Markt betroffen sein, da mit Erd<strong>gas</strong> eine<br />
vergleichsweise flexible Ergänzungsoption<br />
zum Beispiel für die Warmwasserbereitung<br />
mit Solarkollektoren verfügbar<br />
ist. Für industrielle Wärmeanwendungen<br />
als das zweite große Absatzsegment für<br />
Erd<strong>gas</strong> wird der Verbrauch in der Tendenz<br />
ebenfalls abnehmen, wenn auch mit<br />
geringerer Dynamik bzw. im Zeitverlauf<br />
deutlich später.<br />
Der zweite Megatrend betrifft die Stromerzeugung.<br />
Heute werden in Deutschland<br />
auf der Basis von Erd<strong>gas</strong> derzeit nur 13%<br />
des gesamten Stromaufkommens bereitgestellt,<br />
weniger als ein Fünftel des<br />
gesamten Erd<strong>gas</strong>verbrauchs in Deutschland<br />
entfällt auf diesen Sektor. Zukünftig<br />
wird die Rolle von Erd<strong>gas</strong> hier vor allem<br />
aus zwei Gründen deutlich zunehmen.<br />
Zunächst ist Erd<strong>gas</strong> ein geeigneter<br />
Brennstoff für die Stromerzeugung in<br />
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), eine<br />
Technologie, bei der die Abwärme der<br />
Stromerzeugung für Heiz- und Prozess-
Sauberes Erd<strong>gas</strong>, schmutzige Kohle<br />
CO 2 -Emissionen in Gramm pro Kilowattstunde Strom Quelle: Öko-Institut<br />
1.200<br />
1.100<br />
1.000<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
Braunkohle-Kraftwerk<br />
1.142<br />
Steinkohle-Kraftwerk<br />
897<br />
Braunkohle-Heizkraftwerk<br />
703<br />
Steinkohle-Heizkraftwerk<br />
wärmezwecke sinnvoll genutzt werden<br />
kann. KWK-Anlagen erreichen Gesamtwirkungsgrade<br />
von über 85% und können<br />
damit den Brennstoffbedarf für die CO - 2<br />
arme Stromerzeugung auf Erd<strong>gas</strong>basis<br />
minimieren helfen. Darüber hinaus werden<br />
in einem durch erneuerbare Energien<br />
geprägten Stromversorgungssystem (für<br />
Deutschland vor allem auf Basis von Wind<br />
und Solarenergie) hoch flexible Kraftwerke<br />
benötigt, die die Schwankungen der<br />
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien<br />
ausgleichen und in diesem Kontext<br />
auch wirtschaftlich betrieben werden<br />
können. Erd<strong>gas</strong>kraftwerke, die höhere<br />
Brennstoffkosten haben, dafür aber vergleichsweise<br />
wenig Investitionskapital<br />
erfordern und sehr flexibel eingesetzt<br />
werden können, bilden damit für die<br />
nächsten Jahrzehnte eine wichtige Säule<br />
des Stromversorgungssystems. Erd<strong>gas</strong>kraftwerke<br />
haben darüber hinaus den<br />
Vorteil, dass sie sowohl als Großanlagen<br />
(mit Leistungen von mehreren Hundert<br />
Megawatt) als auch sehr kleine dezentrale<br />
Anlagen (mit Leistungen von bis zu wenigen<br />
Kilowatt) verfügbar sind und damit<br />
eine große Bandbreite von Einsatzfällen<br />
und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
abdecken können. Die Kapazitäten<br />
der Erd<strong>gas</strong>kraftwerke werden sich damit<br />
in den nächsten Jahren und Jahrzehnten<br />
508<br />
Erd<strong>gas</strong>-GuD-Kraftwerk<br />
398<br />
Erd<strong>gas</strong>-GuD-Heizkraftwerk<br />
116<br />
0,3<br />
deutlich erhöhen, die Stromerzeugung in<br />
Erd<strong>gas</strong>kraftwerken wird leicht zunehmen<br />
und der Erd<strong>gas</strong>absatz für die Stromerzeugung<br />
zunächst auf einem vergleichsweise<br />
robusten Niveau verbleiben.<br />
Mit hohen Unsicherheiten verbunden<br />
ist ein möglicher dritter Trend. Der<br />
Einsatz von Erd<strong>gas</strong> im Verkehrssektor<br />
bildet grundsätzlich eine interessante<br />
Übergangsstrategie für ein CO -freies<br />
2<br />
Verkehrssystem. Die erheblichen Unsicherheiten<br />
für dieses Verbrauchssegment<br />
ergeben sich vor allem aus den<br />
Entwicklungen bei alternativen Antriebskonzepten.<br />
Wenn bei der Entwicklung von<br />
Elektrofahrzeugen schnelle Durchbrüche<br />
bei Technik und Kosten erzielt werden, so<br />
wird der großflächige Ausbau einer Infrastruktur<br />
von Erd<strong>gas</strong>tankstellen schnell<br />
an seine Grenzen kommen. Wenn sich<br />
jedoch entsprechende Durchbrüche im<br />
Bereich der Brennstoffzellenantriebe<br />
einstellen, dann bildet die Kombination<br />
vonErd<strong>gas</strong>-undWasserstoffinfrastruktur<br />
sicher eine interessante neue Option für<br />
den Verkehrssektor.<br />
Die vierte Facette für die Rolle von<br />
Erd<strong>gas</strong> im zukünftigen Energiesystem<br />
ergibt sich aus der Ergänzung von fossilem<br />
Erd<strong>gas</strong> durch Bio<strong>gas</strong> oder auch<br />
die Anschlussfähigkeit zur chemischen<br />
Speicherung von Energie. Bio<strong>gas</strong> kann<br />
19,6<br />
11,7<br />
27,0<br />
Raumwärme (direkt)<br />
Warmwasser (direkt)<br />
sonstige Prozesswärme<br />
(direkt)<br />
2008<br />
5,6<br />
35,8<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Erd<strong>gas</strong>-Anwendungsbereiche in %<br />
Quelle: <strong>AG</strong> Energiebilanzen, Berechnungen des Öko-Instituts<br />
mechanische Antriebe<br />
(direkt)<br />
Stromerzeugung<br />
andere Anwendungen<br />
(Fernwärme, nichtenergetischer<br />
Einsatz etc.)<br />
sich zukünftig, wenn auch eingeschränkt<br />
durch die nicht unbegrenzten Potenziale<br />
nachhaltig bereitgestellter Biomasse,<br />
als eine Ergänzung für die Erd<strong>gas</strong>versorgung<br />
erweisen. Auch die Umwandlungvon<br />
Überschussstrom aus erneuerbaren Energien<br />
in Wasserstoff und die (begrenzte)<br />
Beimischung zu Erd<strong>gas</strong> oder aber die Weiterverarbeitung<br />
zu anderen <strong>gas</strong>förmigen<br />
Speichermedien bilden interessante und<br />
– in gewissen Grenzen – zur heutigen Erd<strong>gas</strong>versorgung<br />
anschlussfähige Entwicklungsoptionen<br />
für die Erd<strong>gas</strong>wirtschaft,<br />
die weiter verfolgt werden müssen.<br />
Die zunehmend an Moment gewinnende<br />
Umstellung des Energiesystems auf<br />
CO -freie Energiequellen wird damit auch<br />
2<br />
am Erd<strong>gas</strong>markt nicht spurlos vorbeigehen.<br />
Unter allen fossilen Energieträgern<br />
wird jedoch Erd<strong>gas</strong> noch für die längste<br />
Frist, wenn auch mit einer Verschiebung<br />
der Verbrauchsschwerpunkte, noch eine<br />
erhebliche Rolle spielen können und<br />
müssen. Dies resultiert einerseits aus der<br />
vergleichsweise geringen Klimabelastung<br />
durch die Erd<strong>gas</strong>verbrennung, aber andererseits<br />
auch aus der erheblichen Flexibilität<br />
des Erd<strong>gas</strong>einsatzes sowie des<br />
noch großen Innovationspotenzials für<br />
erd<strong>gas</strong>basierte Technologien und deren<br />
Anschlusslösungen für ein CO -freies<br />
2<br />
Energieversorgungssystem.<br />
31
SCHWERPUNKT<br />
Infrastruktur<br />
Revolution auf dem Energiemarkt –<br />
Erd<strong>gas</strong>infrastruktur wird zu einem Schlüsselfaktor<br />
in Deutschland.<br />
von Uwe Barthel, <strong>VNG</strong>-Vorstand<br />
Infrastruktur/Technik<br />
Der Energiemarkt steht vor einer Revolution.<br />
Die Potenziale sind groß, die Risiken<br />
allerdings auch. Der rasche Umbau der<br />
Energieversorgung in Deutschland, ist<br />
eine Aufgabe, deren Dimension und Dramatik<br />
sich den meisten Menschen erst<br />
nach und nach erschließen wird.<br />
Vor allem die Ereignisse in Japan haben<br />
die Diskussion der Kernenergie so<br />
verbreitert und verschärft, dass darunter<br />
nicht selten der notwendige besonnene<br />
Blick auf die sachlichen, die energiefachlichen<br />
Fragen leidet. <strong>VNG</strong> kann hier<br />
wertvolle Hilfestellung geben, vor allem<br />
aber Lösungen anbieten, die bisher in der<br />
Öffentlichkeit noch unzureichend wahrgenommen<br />
werden.<br />
Umreißen wir kurz die Situation: Heute<br />
stammen 16,5 % derStromproduktion aus<br />
erneuerbaren Energien. Bis 2050 sollen<br />
es 80 % der Stromerzeugung Deutschlands<br />
sein. Gemäß dem Energiekonzept<br />
der Bundesregierung sind 35 % am Bruttostromverbrauch<br />
schon bis 2020 vorgesehen.<br />
Dies bedeutet eine Verdopplung<br />
des Anteiles der erneuerbaren Energien<br />
in nur 9 Jahren.<br />
Schon heute bereitet die volatile Einspeisung<br />
erneuerbarer Energien aus<br />
32<br />
Foto: Dirk Brzoska<br />
Windkraft und Photovoltaik den Betreibern<br />
von Stromübertragungs- und Verteilnetzen<br />
große Sorgen. Steigt dieser Anteil<br />
weiter, ohne dass tiefgreifende Investitionen<br />
vorgenommen werden, kompliziert<br />
sich die Versorgung durch das Nord-Süd-<br />
Gefälle bei Produktion und Verbrauch. Der<br />
Bedarf an Speicherung zur Harmonisierung<br />
von Produktion und Verbrauch erreicht<br />
beachtliche Dimensionen.<br />
Die vorhandenen und in der Entwicklung<br />
befindlichen Verfahren zur Stromspeicherung<br />
können nur kurze Zeitspannen<br />
überbrücken. Windflauten und Wochen<br />
verminderter Sonneneinstrahlung bedeuten<br />
Ungewissheit. Der dringende Bedarf an<br />
Speicherverfahren, die längere Zeiträume<br />
abdecken können, liegt auf der Hand.<br />
Der Stromspeicherbedarf erreicht möglicherweise<br />
bereits im Jahre 2020 etwa<br />
40 Mrd. kWh. Ein Ausbau erneuerbarer<br />
Energien in den geplanten Größenordnungen<br />
verlangt entsprechend belastbare<br />
Langzeitspeicher. Ähnlich beurteilt das die<br />
Ethik-Kommission „Sichere Energieversorgung“<br />
in ihrem Abschlussbericht und regt<br />
an, eine nationale, respektive EU-weite<br />
Stromversorgungsreserve in Höhe einer<br />
halben Jahresproduktion aufzubauen.<br />
Erfolgversprechend – und in seiner Kapazität<br />
konkurrenzlos – erscheint hierfür<br />
das durch das Fraunhofer Institut IWES<br />
entwickelte Konzept der Methanisierung.<br />
Es handelt sich um die Umwandlung von<br />
Wasser mittels regenerativ gewonnenen<br />
Stroms durch Elektrolyse in den Energieträger<br />
Wasserstoff und die nachfolgende<br />
katalytische Reaktion mit Kohlendioxid zu<br />
Methan, dem Hauptbestandteil des natürlichen<br />
Erd<strong>gas</strong>es. Auf diesem Wege könnte<br />
die existierende <strong>Gas</strong>infrastruktur in völlig<br />
neuen Dimensionen genutzt werden.<br />
Bereits heute erreicht das Speichervolumen<br />
der <strong>Gas</strong>infrastruktur ca. 230 Mrd.<br />
kWh. (Zum Vergleich: Die Speichermöglichkeiten<br />
derStromnetze betragen gegenwärtig<br />
0,04 Mrd. kWh, hauptsächlich in<br />
Pumpspeicherwerken.) In <strong>Gas</strong>kraftwerken<br />
oder – noch effizienter – mittels Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen<br />
kann die Rückver-
Stromspeichervolumen<br />
2011<br />
0,04 Mrd. kWh<br />
Prognose 2020<br />
benötigtes Stromspeichervolumen<br />
20 Mrd. kWh<br />
stromung dann je nach Bedarf erfolgen.<br />
Eine Pilotanlage läuft bereits am Zentrum<br />
für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung<br />
in Stuttgart.<br />
Das dichte <strong>Gas</strong>netz bietet eine geradezu<br />
verblüffende Option, erneuerbare<br />
Energien bedarfsgerecht und am Ort<br />
des Verbrauchs bereitzustellen. <strong>VNG</strong> ist<br />
für Projekte dieser Art ein ebenso leistungsfähiger<br />
wie erfahrener Partner. Wir<br />
alle werden zusammen agieren müssen,<br />
wenn der gigantische Strukturumbau unseres<br />
Energiesystems gelingen soll. Der<br />
Dialog zwischen Transportnetzbetreibern<br />
für Strom und <strong>Gas</strong> über die optimale Form<br />
der Netznutzung und eines notwendigen<br />
Netzausbaus zur Einbindung der Erneuerbaren<br />
steht auf der Agenda ganz oben.<br />
Gemäß der dena II–Studie existiert ein<br />
Ausbaubedarf des Übertragungsnetzes<br />
auf der Stromseite von 3.600 km bis zum<br />
Jahre 2020. Doch bereits jetzt zeigen sich<br />
vielerorts Probleme, die aus der mangelnden<br />
Akzeptanz dieser Maßnahmen in der<br />
Bevölkerung und der Höhe der Investitionen<br />
resultieren. Es wäre unentschuldbar,<br />
diesen Punkt je wieder irgendwo und irgendwann<br />
zu vernachlässigen. Wir haben<br />
meines Erachtens anzuerkennen, dass aus<br />
dem Zieldreieck der Energiewirtschaft –<br />
Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit,<br />
Umweltverträglichkeit – einViereckgewor-<br />
<strong>Gas</strong>speichervolumen 2011<br />
<strong>Gas</strong>infrastruktur 230 Mrd. kWh<br />
<strong>VNG</strong> <strong>AG</strong><br />
27,5 Mrd. kWh<br />
den ist. Die vierte Ecke ist die Akzeptanz.<br />
Wer Netzlücken schließen will, sollte unbedingt<br />
auch Kenntnislücken schließen.<br />
So werden Nichtfachleute wohl verblüfft<br />
sein zu erfahren, dass man 300 MW pro<br />
Stunde statt über eine Höchstspannungsleitung<br />
auch mittelseiner nur 10 cm dicken<br />
<strong>Gas</strong>leitung transportieren kann. Diese ist<br />
naturgemäß unsichtbar und erdverlegt<br />
oder ist gar längst vorhanden. Mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit ist im Dialog eine<br />
volkswirtschaftliche Optimierung erreichbar,<br />
diezugleich eine Beeinträchtigung der<br />
Landschaft beim unvermeidlichen Netzausbau<br />
in Deutschland deutlich verringert<br />
oder mancherorts gar ausschließt.<br />
<strong>VNG</strong> befasst sich intensiv damit, ihren<br />
Weg und ihren Beitrag beim Umbau der<br />
Energiestruktur zu bestimmen. Neben<br />
der Beteiligung an der DVGW-Innovationsoffensive<br />
prüft <strong>VNG</strong> z. B. ein eigenes<br />
Pilotprojekt, um die Wirksamkeit der Gesamtkette<br />
von der Methanisierung bis<br />
zur Wiederverstromung auszuloten und<br />
abzubilden.<br />
Ausdrücklich begrüßen wir die gemeinsame<br />
Förderinitiative Energiespeicher von<br />
BMWi, BMU und BMBF, wofür Fördermittel<br />
in Höhe von 200 Millionen Euro zur Entwicklung<br />
von Technologien der Stromspeicherung<br />
bereitgestellt werden sollten. Die<br />
Politikhat offenbar weitgehend dieSchlüs-<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Die Grafik zeigt (v. l. n. r.) das<br />
Volumen der Stromspeicher in<br />
Deutschland, den Mittelwert des<br />
Bedarfs an Stromspeichern aus<br />
unterschiedlichen Studien für<br />
2020 und das aktuelle Speichervolumen<br />
der <strong>Gas</strong>infrastruktur in<br />
Deutschland.<br />
selrolle der Energiespeicherung erkannt.<br />
Dem Erd<strong>gas</strong> gebührt aus Sicht von <strong>VNG</strong> bei<br />
der ausstehenden Neufassung des Energiekonzeptes<br />
der Bundesregierung eine<br />
vorrangige Berücksichtigung.<br />
Niemand sollte heute von Unternehmen<br />
Prognosen, also letztlich Vermutungen<br />
darüber erwarten, welches Problem, mit<br />
welcher Wahrscheinlichkeit wo auftaucht,<br />
was überhaupt „nach menschlichem Ermessen“<br />
passieren könnte. Zukunft lässt<br />
sich – ironisch gesagt – bekanntlich erst<br />
dann korrekt darstellen, wenn sie bereits<br />
Vergangenheit ist. Bei unserem energiepolitischen<br />
Denken geht es um unternehmerische<br />
Entscheidungen und um hohe<br />
VerantwortunggegenüberderGesellschaft.<br />
Es ist daher nebensächlich, was wir uns<br />
alles vorstellen können. Die Hauptsache<br />
ist, dass wir uns darauf einstellen, jegliche<br />
neuen Situationen schnell, entschlossen<br />
und auch mit „unkonventionellen“ Mitteln<br />
und Methoden zu beherrschen.<br />
Bisher hat Deutschland energiepolitisch<br />
nurdieRichtungfestgelegt.Diepraktischen<br />
Probleme kommen erst noch. Deshalb erstens:<br />
Wenn die Politik Investitionen in die<br />
<strong>Gas</strong>infrastruktur haben will, muss sie der<br />
<strong>Gas</strong>wirtschaft langfristige Perspektiven<br />
geben. Und zweitens: Jetzt ist die Zeit der<br />
zigtausenden Unternehmer und aller umweltbewusst<br />
engagierten Bürger.<br />
33
UMSCHAU<br />
Internationales<br />
Katar – reich an Erd<strong>gas</strong> und<br />
LNG-Exporteur Nr. 1<br />
Als weltweit größter Produzent von verflüssigtem Erd<strong>gas</strong> (lNG) trägt das Emirat Katar zu einer Veränderung<br />
des globalen Erd<strong>gas</strong>marktes bei. <strong>medium</strong> <strong>gas</strong> gibt einen Überblick über die Entwicklung von lNG und skizziert<br />
Katars wirtschaftlichen Aufstieg.<br />
In den letzten Jahren hat verflüssigtes Erd<strong>gas</strong> (LNG) den weltwei-<br />
ten Erd<strong>gas</strong>markt erheblich verändert und zu einer Neuordnung<br />
der vormals regionalen Märkte in Amerika, Asien und Europa<br />
geführt. So haben die für den US-amerikanischen Markt vorge-<br />
sehenen Mengen an LNG, welche aufgrund der dortigen sprung-<br />
haft angestiegenen Produktion von unkonventionellem Erd<strong>gas</strong><br />
und des Preisverfalls umgeleitet werden, teilweise zum derzeit<br />
bestehenden Überangebot von Erd<strong>gas</strong> auf dem europäischen<br />
Markt beigetragen.<br />
lNG schafft nachhaltige Verbindungen<br />
Durch Verflüssigung und anschließenden Transport per Schiff<br />
spielt LNG eine verbindende Rolle. So lässt es Erd<strong>gas</strong>produzenten<br />
und Erd<strong>gas</strong>verbraucher, die bislang nicht über Transportrouten<br />
in Form von Erd<strong>gas</strong>leitungen miteinander verbunden waren,<br />
zusammenrücken. Von den im Jahr 2010 weltweit verbrauchten<br />
rund 3.000 Milliarden m³ Erd<strong>gas</strong> wurden ca. 304 Milliarden m³<br />
in Form von LNG geliefert. Dies entspricht einem Anteil von<br />
rund 10 Prozent.<br />
lNG-lieferungen nach Europa kontinuierlich gestiegen<br />
Für die europäische Erd<strong>gas</strong>versorgung stellt LNG mit Blick auf<br />
eine weitere Diversifizierung der Quellen, Lieferpartner und<br />
Transportwege eine echte Alternative dar. So sind die LNG-Lieferungen<br />
nach Europa in den letzten drei Jahren kontinuierlich<br />
gestiegen. 2010 betrugen diese bereits rund 82 Milliarden m³.<br />
Dies entspricht einem Anteil von rund 16 Prozent am europäischen<br />
<strong>Gas</strong>verbrauch. Die größten Abnehmer von LNG sind Län-<br />
34<br />
der, die keine bzw. nur eingeschränkte Möglichkeiten haben,<br />
die Erd<strong>gas</strong>versorgung über Rohrleitungen zu gewährleisten. Zu<br />
diesen gehören unter anderem Japan, Südkorea und China. In<br />
Europa zählen Spanien, Frankreich, Italien und Großbritannien<br />
zu den wichtigsten LNG-Importeuren.<br />
Katar ist größter Produzent von lNG<br />
Neben Lieferländern wie Algerien, Indonesien, Malaysia, Australien,<br />
Ägypten, Nigeria und Trinidad & Tobago ist das Emirat<br />
Katar der größte Produzent und Exporteur von LNG.<br />
Mit ca. 1,7 Mio. Einwohnern – davon lediglich rund 250.000<br />
Staatsbürger – ist das Land ein Emirat der arabischen Halbinsel.<br />
Geführt wird Katar seit 1972 vom Herrschaftshaus der<br />
Al-Thani Familie. Unter der Herrschaft von Scheich Hamad Bin<br />
Khalifa Al-Thani – seit 1995 an der Macht – fanden erhebliche<br />
Investitionen und ein rascher Auf- und Ausbau der Erdöl- und<br />
Erd<strong>gas</strong>förderung katarischer Vorkommen statt. Katar wurde damit<br />
binnen kürzester Zeit zu einem der wohlhabendsten Länder<br />
der Welt. Heute stammt mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes<br />
aus dem Erdöl- und Erd<strong>gas</strong>sektor.<br />
Aktuellen Schätzungen zu Folge verfügt Katar über Erd<strong>gas</strong>reserven<br />
in Höhe von rund 25.000 Milliarden m³ und hat damit<br />
hinter Russland und dem Iran die weltweit drittgrößten Erd<strong>gas</strong>reserven.<br />
Rasantes Wachstum der Erd<strong>gas</strong>förderung<br />
Sämtliche Erd<strong>gas</strong>reserven Katars befinden sich im Offshore<br />
North Field. Das North Field wurde 1971 entdeckt und liegt im
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
LNG Tanker mit einer Ladekapazität von 87.500 bis 154.600 m 3 gelten heute als Standardgröße. Die „Q-Max-Tanker“ aus Katar können sogar bis zu<br />
266.000 m 3 LNG transportieren.<br />
Persischen Golf vor der Küste Katars. Es bildet zusammen mit<br />
dem iranischen South Pars Field das größte Erd<strong>gas</strong>feld der Welt.<br />
Etwa 14 Prozent aller weltweit bekannten Erd<strong>gas</strong>vorkommen<br />
liegen hier.<br />
Die Förderung des Erd<strong>gas</strong>es begann erst im Jahr 1989. 2010<br />
lag sie bei ca. 117 Milliarden m³. 2005 verhängte Katar ein Mo-<br />
ratorium zur weiteren Erschließung der Vorkommen bis 2014.<br />
Anschließend soll in einer Studie der Zustand des North Field<br />
evaluiert und darauf aufbauend die Strategie für die nächsten<br />
20 Jahre abgeleitet werden.<br />
Bereits 1991 – zwei Jahre nach der ersten Förderung von ka-<br />
tarischem Erd<strong>gas</strong> – wurde mit dem Bau von Anlagen zur Ver-<br />
flüssigung begonnen. Exportiert wurde LNG erstmals im Jahr<br />
1997. Seither hat die LNG-Produktion eine rasante Entwicklung<br />
genommen. Im Dezember 2010 fand die offizielle Einweihung<br />
der vorerst letzten LNG-Produktionsanlage statt. Nunmehr ver-<br />
fügt Katar über eine jährliche LNG-Produktionskapazität von<br />
rund 107 Milliarden m³ an verflüssigtem Erd<strong>gas</strong>. Dies macht<br />
Katar offiziell zum weltweit größten LNG-Produzenten.<br />
Unternehmensstruktur im lNG-Bereich<br />
Die staatliche Qatar Petroleum ist als integriertes Energieunternehmen<br />
für alle Upstream- und Downstream-Aktivitäten<br />
zuständig.<br />
Für den raschen Auf- und Ausbau des Erd<strong>gas</strong>sektors sorgten<br />
internationale Energiekonzerne wie ExxonMobil, Shell, ConocoPhillips<br />
und Total. Sie beteiligten sich an den im LNG-Bereich<br />
dominierenden staatlichen Unternehmen Qatar<strong>gas</strong> Liquefied<br />
<strong>Gas</strong> Company Ltd. und Ras<strong>Gas</strong> Company Limited sowie am Bau<br />
und dem Betrieb der Verflüssigungsanlagen. Um den eigenen<br />
Einfluss zu wahren, hält Katar in jedem Konsortium der insgesamt<br />
14 Verflüssigungsanlagen einen Anteil von mindestens<br />
65 Prozent.<br />
Mobilität der Zukunft durch Gtl<br />
Relativ neu ist die Umwandlung des Erd<strong>gas</strong>es in umweltfreundliche<br />
Ersatzprodukte wie Diesel oder Schmierstoffe (sog.<br />
<strong>Gas</strong>-to-Liquids, GtL), die unter anderem im Transport- und im<br />
Luftverkehr als Antriebsstoff oder als Einsatzstoffe in der verarbeitenden<br />
Industrie angewendet werden. Im ersten Halbjahr<br />
2011 wird die weltgrößte GtL-Anlage mit einer täglichen<br />
Kapazität von 140.000 Barrel GtL die Produktion aufnehmen.<br />
Gemeinsam mit Shell wurde die Anlage für rund 19 Mrd. US-<br />
Dollar (14 Mrd. Euro) errichtet.<br />
Fazit<br />
Der weitere wirtschaftliche Aufstieg Katars scheint bereits<br />
heute gesichert. Durch Erforschung und Entwicklung umweltfreundlicher<br />
Kraftstoffe setzt das Land ein nachhaltiges Zeichen<br />
und gilt damit als Pionier bei der Entwicklung klimaschonender<br />
Mobilitätsstrategien. Lesen Sie auf den folgenden Seiten in<br />
einem Interview mit S. E. Abdulrahman bin Mohammed Al-<br />
Khulaifi, dem Botschafter Katars in Deutschland, und Michael<br />
Ludwig, <strong>VNG</strong>-Vorstand <strong>Gas</strong>beschaffung, was das Emirat Katar<br />
auszeichnet und welchen Stellenwert Deutschland für die Entwicklung<br />
des Landes besitzt.<br />
35<br />
Foto: © Carabay – Fotolia.com
UMSCHAU<br />
Interview<br />
„LNG ist eine interessante Option.“<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> sprach mit dem Botschafter des Staates Katar, S. E. Abdulrahman bin Mohammed Al-Khulaifi, und<br />
Michael ludwig, <strong>VNG</strong>-Vorstand <strong>Gas</strong>beschaffung, über die Rolle Katars als weltgrößter Exporteur von lNG und die<br />
Beziehungen zu Deutschland.<br />
S. E. Abdulrahman bin Mohammed Al-Khulaifi<br />
Exzellenz, in den letzten Jahren hat Ka-<br />
tar seine Kapazitäten für Produktion und<br />
Verflüssigung von Erd<strong>gas</strong> massiv auf<br />
nunmehr 77 Millionen Tonnen pro Jahr<br />
ausgebaut und ist damit heute weltweit<br />
größter Produzent von lNG. Wo liegen<br />
die Anfänge dieser Erfolgsgeschichte?<br />
Botschafter: Erkundungsingenieure ent-<br />
deckten 1971 vor der Nordostküste Katars<br />
Erd<strong>gas</strong>vorkommen. Das North Field ist das<br />
weltweit größte <strong>Gas</strong>feld. Es erstreckt sich<br />
über eine Fläche von 6.000 Quadratkilo-<br />
metern.<br />
Welches sind die wichtigsten Kunden<br />
Katars in Bezug auf den lNG-Export?<br />
Botschafter: Japan, Südkorea, Taiwan,<br />
China, Indien sowie Belgien gehören zu<br />
den größten Abnehmern unseres Erd<strong>gas</strong>es.<br />
Großbritannien und viele andere<br />
36<br />
Foto: Botschaft des Staates Katar in Deutschland<br />
europäische Staaten planen den Import<br />
von LNG aus Katar.<br />
Deutschland ist in dieser Aufzählung<br />
nicht explizit genannt. Ist der Bezug von<br />
lNG für deutsche <strong>Gas</strong>importeure nicht<br />
interessant?<br />
Michael Ludwig: Doch, das ist er. LNG<br />
stellt eine interessante Option zur weiteren<br />
Diversifizierung der deutschen Erd<strong>gas</strong>bezüge<br />
dar und kann zur Erhöhung<br />
der Versorgungssicherheit unserer heimischen<br />
Industrie und der deutschen Privathaushalte<br />
beitragen. Da das Erd<strong>gas</strong> in<br />
verflüssigter Form per Schiff transportiert<br />
wird, können neueTransportwege und damit<br />
auch neue Lieferquellen für Deutschland<br />
erschlossen werden. LNG-Mengen für<br />
den deutschen Markt stehen allerdings<br />
in einem starken Wettbewerbsverhältnis<br />
zu den herkömmlich nach Deutschland<br />
gelieferten Erd<strong>gas</strong>mengen, also dem<br />
Pipeline<strong>gas</strong>.<br />
Wie sehen Sie die Chancen, Deutschland<br />
und seine <strong>gas</strong>importierenden Unternehmen<br />
langfristig als Kunden gewinnen zu<br />
können?<br />
Botschafter: Deutschland zählt zu unseren<br />
guten Partnern. Innerhalb eines Jahres<br />
haben wir es geschafft, unsere Verbindungen<br />
im politischen und wirtschaftlichen<br />
Bereich zu stärken. Wir sind daran interessiert,<br />
mit deutschen <strong>Gas</strong>unternehmen<br />
zu kooperieren. Katar ist ein Partner, auf<br />
den sich Deutschland verlassen kann. Wir<br />
wissen, dass Deutschland, welches einen<br />
Großteil seines Erd<strong>gas</strong>bedarfs aus Russland<br />
deckt, zusammen mit der EU auf der<br />
Suche nach anderen Quellen ist.<br />
Welche Bedeutung hat lNG, wenn es um<br />
die langfristige Gewährleistung einer sicheren<br />
Erd<strong>gas</strong>versorgung Europas geht?<br />
Michael Ludwig: Es ist davon auszugehen,<br />
dass die Erd<strong>gas</strong>versorgung Europas auch<br />
in naher Zukunft zu einem Großteil von<br />
Russland und Norwegen sichergestellt<br />
wird. Voraussetzung dafür sind allerdings<br />
wirtschaftlich angemessene Konditionen<br />
zu denen der Bezug erfolgt. Zu hohe Preise<br />
würden eine erfolgreiche Vermarktung<br />
dieser Mengen unmöglich machen. In der<br />
Frage des Preises kann gerade LNG eine<br />
entscheidende Rolle spielen. So ist zu<br />
erwarten, dass LNG u. a. aufgrund des<br />
weltweiten Ausbaus von Verflüssigungskapazitäten<br />
und einem weitgehend importunabhängigen<br />
US-amerikanischen<br />
Markt weiterhin in ausreichendem Maße<br />
für Europa zur Verfügung stehen wird und<br />
dabei die Rolle des „Pricemakers“ einnehmen<br />
kann.<br />
Welche Absichten hat <strong>VNG</strong> mit Blick auf<br />
den Bezug von lNG?<br />
Michael Ludwig: LNG ist eine interessante<br />
Option. Es ermöglicht sogar eine<br />
Diversifizierung in mehrfacher Hinsicht:<br />
Diversifizierung der Transportwege, der<br />
Bezugsquellen und der Bezugspunkte.<br />
Insbesondere letzteres ist für <strong>VNG</strong> vor
LNG ermöglicht den wirtschaftlichen Transport<br />
über weite Strecken. Damit kann Europa aus weit<br />
entfernten Erd<strong>gas</strong>vorkommen, wie beispielsweise<br />
denen aus Katar versorgt werden.<br />
dem Hintergrund unseres angestrebten<br />
verstärkten Ausbaus unserer ausländischen<br />
Handelsaktivitäten von besonderem<br />
Interesse. Kurz- bis mittelfristig<br />
sind wir zunächst an der Lieferung von<br />
Spotcargos, d. h. von Mengen auf kurzfristiger<br />
Basis, interessiert und führen<br />
dazu entsprechende Verhandlungen mit<br />
verschiedenen LNG-Produzenten und<br />
-händlern. Mittel- bis langfristig kommt<br />
für uns auch ein langfristiger Bezugsvertrag<br />
in Betracht.<br />
Katar hat gemeinsam mit Shell eine Anlage<br />
zur Herstellung von sog. <strong>Gas</strong>-toliquids-Produkten<br />
(Gtl) gebaut. Qatar<br />
Airways nutzt schon heute einen 50%igen<br />
Anteil von Gtl in ihrem konventionellen,<br />
ölbasierten Flugzeugtreibstoff.<br />
Wie sind die Aussichten für Gtl?<br />
Botschafter: Katar widmet sich dem<br />
Schutz des Weltklimas, in dem wir auf den<br />
internationalen Märkten umweltfreundliches<br />
GtL anbieten. Ich glaube, dass Qatar<br />
Airways mit dem Treibstoff, den sie in<br />
ihren Flugzeugen nutzen, auch als gutes<br />
Beispiel für andere Airlines dienen kann.<br />
Katar befindet sich in einem permanenten<br />
Veränderungsprozess. Welche Projekte<br />
werden innerhalb des landes als<br />
besonders wichtig erachtet?<br />
Botschafter: Katars Bereitschaft, Projekte<br />
zu begleiten, von denen die katarische Bevölkerung<br />
profitiert, kennt keine Grenzen.<br />
Wir werden unsere Infrastruktur erneuern<br />
Michael Ludwig<br />
EUROPA<br />
und verbessern, nicht nur im Hinblick auf<br />
die Fußball-Weltmeisterschaft 2022. So<br />
sind unter anderem der Bau der Stadien,<br />
Stadt- und Eisenbahnprojekte und auch<br />
eine Brücke zur Verbindung Katars mit<br />
Bahrain geplant. Ich glaube nicht, dass<br />
sich an dieser Entwicklung in den nächsten<br />
zehn Jahren etwas ändern wird.<br />
Katar hat vor kurzem angekündigt, Aktien<br />
des deutschen Baukonzerns Hochtief zu<br />
kaufen. 2009 erwarb Katar einen Anteil<br />
an Porsche. Diese Investitionen lassen<br />
auf eine hohe Wertschätzung deutscher<br />
Unternehmen seitens Katars schließen.<br />
Botschafter: Als Katar sich dafür entschied,<br />
in den deutschen Automobilsektor<br />
zu investieren, waren wir uns des<br />
weltweit guten Rufes dieser Branche bewusst.<br />
Katar schätzt deutsche Unterneh-<br />
Katar<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
men sehr. Vor kurzem war der katarische<br />
Finanzminister zu Besuch in Berlin und<br />
hat verkündet, dass Katar bereit ist, seine<br />
Investitionen in die deutsche Wirtschaft<br />
weiter auszubauen.<br />
Welche Beziehungen pflegt <strong>VNG</strong> zu katarischen<br />
Vertretern des politischen und<br />
wirtschaftlichen lebens? Sind bereits<br />
gemeinsame Projekte geplant?<br />
Michael Ludwig: <strong>VNG</strong> pflegt gute Kontakte<br />
nach Katar. Seit etwa zwei Jahren führen<br />
wir regelmäßige Gespräche mit Katars<br />
Erd<strong>gas</strong>lieferanten über einen Bezug von<br />
LNG und tauschen uns dabei auch über<br />
aktuelle Marktentwicklungen und -prognosen<br />
aus. Darüber hinaus ist mir der<br />
persönliche Kontakt zu den politischen<br />
Vertretern des Staates Katar sehr wichtig.<br />
Mit dem Botschafter in Deutschland, S. E.<br />
Abdulrahman bin Mohammed Al-Khulaifi,<br />
habe ich ein ausgesprochen offenes und<br />
sehr angenehmes Gesprächsverhältnis.<br />
Bei verschiedenen Anlässen, wie etwa<br />
dem Staatsbesuch des Emirs des Staates<br />
Katar in Deutschland imvergangenen Jahr,<br />
habe ich mich wiederholt mit dem ehemaligen<br />
Energieminister, S. E. Abdullah<br />
Bin Hamad Al-Attiyah und seinem Nachfolger,<br />
S. E. Mohammed Saleh Al-Sada,<br />
getroffen. Konkrete Projekte mit Katar sind<br />
zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber noch<br />
nicht geplant.<br />
Exzellenz, Herr ludwig, wir danken Ihnen<br />
für das Gespräch.<br />
37
UMSCHAU<br />
40 Jahre norwegisches Erdöl-Abenteuer<br />
Das Leben auf<br />
einer Bohrinsel<br />
Der Auftrag lautete: Einen Artikel über leben und Arbeiten auf einer Bohrinsel. Wir<br />
luden die beiden Bohrinselveteranen Jonny (62) und Rudi (47) zum Interview ein<br />
und bereiteten eine ganze Reihe von Fragen vor. Diese Fragen brauchten wir aber<br />
nie zu stellen. Wir hatten nicht mal die Gelegenheit dazu. Kaum hatten wir uns<br />
hingesetzt, da flossen die Geschichten von alleine. Wir wurden zu faszinierten und<br />
fleißig notierenden Zuhörern. Es ist die Rede von harter Arbeit und schwierigen Bedingungen,<br />
aber beide Männer blicken stolz und mit glänzenden Augen auf diese<br />
vergangenen Zeiten zurück.<br />
von Marleen Laschet, <strong>VNG</strong> Norge<br />
Jonny und Rudi haben teilweise zu unter-<br />
schiedlichen Zeiten auf Bohrinseln vor<br />
der Küste Norwegens gearbeitet. Heute<br />
sind beide für die <strong>VNG</strong> Norge tätig. Rudi<br />
ist als Leiter Bohrung und Bohrplanung<br />
angestellt und arbeitet in Oslo, Jonny ist<br />
einer unserer festen Berater und wohnt<br />
in Stavanger.<br />
38<br />
DerSchwedeJonnyHeldeniusistgelern-<br />
ter Wirtschaftler vom Frans Schartaus<br />
Foto: <strong>VNG</strong> Norge<br />
Handelsinstitut in<br />
Stockholm. 1973<br />
kam er nach Nor-<br />
wegen um Arbeit<br />
zu suchen. Es war<br />
der Anfang des<br />
Erdöl-Abenteuers<br />
auf dem norwegi-<br />
Jonny Heldenius schenKontinentalschelf, und Jonny<br />
versuchte sein Glück auch offshore. Dort<br />
konnte man damals als junger Hilfsarbeiter<br />
50 Prozent mehr verdienen, als in<br />
einem Büro als Wirtschaftler. Noch dazu<br />
brauchte man weder Ausbildung noch<br />
Erfahrung, um offshore zu arbeiten. Ein<br />
einfaches Gesundheitszeugnis genügte.<br />
Es gab damals auch gar keine ordentliche<br />
Ausbildung. Man fing ganz unten an und<br />
stieg allmählich auf.<br />
Was als kurze, abenteuerliche Probe<br />
gedacht war, wurde für Jonny zu 24 Jahren<br />
Bohrinselarbeit.<br />
Jonnys erster Bohrinselaufenthalt war<br />
im Auftrag der amerikanischen Firma<br />
Moran Brothers und dauerte acht Tage.<br />
Seine Aufgaben bestanden hauptsächlich<br />
aus dem Reinigen von Bohrleitungsverkleidungen,<br />
Anstreichen sowie<br />
dem Entgegennehmen von Containern<br />
der Anlieferschiffe. Heute würde man<br />
„Roustabout“ 1 sagen. Jonny machte sehr<br />
schnell Karriere. Schon bei seinem zweiten<br />
Aufenthalt war er zum sogenannten<br />
„Roughneck“ 2 aufgestiegen, zum Bohrungsdeckarbeiter,<br />
der Rohrverkopplungen<br />
montiert. Damals geschah das alles<br />
noch vorwiegend manuell. Es war ein<br />
gefährlicher Job und Sicherheitsmaßnahmen<br />
gab es kaum. Beim Gedanken an diese<br />
Zeit blickt Jonny auf seine Hände: „Es<br />
ist ein kleines Wunder, dass ich noch alle<br />
zehn Finger habe. Vielen „Roughnecks“<br />
wurden damals nach Unfällen Finger am-<br />
Foto: Christoph Busse<br />
putiert – sie arbeiteten aber weiter auf<br />
der Bohrinsel, mit Fingerstummeln. Mit<br />
der Sicherheit hat man es wirklich nicht<br />
sehr ernst genommen.“<br />
Damals wurde auch auf dem Bohrdeck<br />
geraucht. Bereits ab vier Uhr morgens<br />
gab es regelmäßig jemanden, der schon<br />
mit dem Rauchen angefangen hatte. Das<br />
ganze Zimmer wurde schnell verqualmt<br />
– für viele sicher ein anstrengender Tagesanfang.<br />
Malochen auf der Bohrinsel<br />
„Häufig wurde man schon nach drei Stunden<br />
wieder geweckt und musste ohne<br />
zu murren aufstehen, um mitzuhelfen.<br />
Solche Arbeitsverhältnisse waren natürlich<br />
sehr anstrengend. Heute sind sie<br />
verboten. Aber es hat immerhin bis in<br />
die 1990er Jahre gedauert, bis die norwegischen<br />
Behörden mit der Einführung<br />
von Stundenlisten die Arbeitszeiten neu<br />
regelten. Wer zu viele Stunden nacheinander<br />
gearbeitet hatte, wurde an Land<br />
geschickt.“<br />
Auch 48-Stunden-Schichten waren keine<br />
Seltenheit. Erst nach einigen ernsthaften<br />
Unfällen fing man an, die Sicherheit
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Insgesamt 53 Anlagen zur Öl- und <strong>Gas</strong>exploration und -produktion liegen im Kontinentalschelf vor der Küste Norwegens. In den nächsten Jahren werden<br />
weitere hinzukommen.<br />
an Bord der Bohrinseln ernst zu nehmen.<br />
Heute arbeitet man an Bord in der Regel<br />
zwei Wochen lang in 12-Stunden-Schicht<br />
und hat dann vier Wochen frei.<br />
Mit dem Komfort war es damals auch<br />
so eine Sache. Man übernachtete in einer<br />
4- bis 8-Mann-Kabine. Damals haben<br />
noch keine Frauen auf den Bohrinseln gearbeitet.<br />
Es gab nur halb so viele Betten,<br />
wie Mannschaft an Bord. Auch die Betten<br />
wurden in zwei Schichten benutzt. Da das<br />
Bett nach dem Schichtwechsel von einem<br />
Kollegen benutzt werden sollte, mussten<br />
die persönlichen Gegenstände immer<br />
wieder zur Seite geschoben werden. Duschen<br />
und Toiletten gab es nur auf dem<br />
Flur – eine Tür hatten sie nicht. Heute gibt<br />
es auf den Bohrinseln auf dem norwegischen<br />
Kontinentalschelf nur noch Einzelkabinen<br />
mit eigener Toilette und Dusche.<br />
Auf älteren Bohrinseln hat man einfach<br />
Zwischenwände eingebaut. Die Kabinen<br />
sind zwar klein, aber die „eigenen“ vier<br />
Wände gewährleisten doch ein Minimum<br />
an Privatleben. Diese Maßnahme hat die<br />
Lebensqualität auf den Bohrinseln sehr<br />
verbessert und zur Zufriedenheit unter<br />
den Mitarbeitern geführt.<br />
1975 wurde Jonny „Derrickmann“ 3 auf<br />
der Ekofisk Delta, von 1976 bis 1977 war<br />
er Kernbohrer bei Christensen Diamonds<br />
(heute Baker Hughes) in Stavanger. Zwischendurch<br />
absolvierte er ein Studium –<br />
die Ausbildung fand zeitweise offshore,<br />
zeitweise an Land, unter anderem in den<br />
Niederlanden statt.<br />
Jonny hat auch auf deutschen Anlagen<br />
gearbeitet, unter anderem in Bochum-<br />
Hövel. Die Unterkunft dort bestand aus<br />
einer Art Parkbank als Bett, die Dusche<br />
glich einem Gartenschlauch, der durch<br />
eine durchlöcherte Konservenbüchse<br />
geleitet wurde. Dort war es auch keine<br />
Ausnahme, 28 Tage nacheinander<br />
24-Stunden-Wache zu halten.<br />
1984 brachte Jonny es zum Bohrleiter<br />
bei Statoil.<br />
Ausbildung und Sicherheit<br />
Es hat sich viel geändert, seit Jonny als<br />
Hilfsarbeiter anfing. Die Arbeit wurde<br />
nach und nach komplizierter, so auch<br />
die Ausrüstung. Wo man früher als Unausgebildeter<br />
einfach in der Kneipe zum<br />
Bohrinselarbeiter geworben wurde, ist<br />
das jetzt undenkbar. Jeder, der auf der<br />
Bohrinsel arbeitet, hat eine spezifische<br />
Fachausbildung. Außerdem sind die<br />
Mitarbeiter auch rechtlich viel besser<br />
geschützt. Es gibt streng geregelte Abkommen,<br />
Betriebsräte und „Verneombud“<br />
Rudi Høksnes<br />
4 .<br />
Nach dem Kentern der Bohrinsel Alexander<br />
L. Kielland im Jahr 1980, bei dem<br />
es insgesamt 123 Tote gab, änderten<br />
sich die Arbeitsbedingungen abrupt.<br />
Nun kam es endlich zur Einführung<br />
strengerer Sicherheitsvorschriften. Auch<br />
die Pflichtausbildung<br />
wurde immer<br />
umfassender. So<br />
bot Statoil ihren<br />
Mitarbeitern nun<br />
eine sehr gute<br />
Weiterbildung an,<br />
vergleichbar mit<br />
einem Ingenieurstudium.<br />
Rudi Høksnes, Jahrgang 1964, absolvierte<br />
in Stavanger ein Studium zum<br />
Erdöl-Ingenieur. Nebenbei arbeitete er<br />
abends und am Wochenende als Busfahrer<br />
und Physiklehrer. Dadurch brauchte er<br />
sechs Jahre für das dreijährige Studi-<br />
Foto: <strong>VNG</strong> Norge<br />
39
Foto: Statoil<br />
UMSCHAU<br />
Früher brachte die Arbeit vor allem enorme körperliche Anstrengungen mit sich. Heute gleichen viele Arbeitsplätze eher denen moderner Rechenzentren.<br />
um. Aber das nimmt Rudi sehr gelassen:<br />
„Alles nützliche Erfahrung, sowohl für<br />
die Arbeit, wie auch fürs Leben.“ 1988<br />
bekam Rudi seinen ersten Job auf einer<br />
Bohrinsel, als Mitglied der Bohrcrew. Da-<br />
mals verlief das Leben im Elf-Wochen-<br />
Takt: vier Wochen arbeiten, sieben<br />
Wochen frei.<br />
Die Familie und die „Offshore-Welt“<br />
Die Herausforderungen des Alltagslebens<br />
beschränkten sich nicht auf den Arbeitsplatz.<br />
Der Rhythmus „zwei Wochen<br />
Bohrinsel, vier Wochen frei“ ist auch jetzt<br />
noch eine Zumutung für eine Familie.<br />
In den 70er Jahren war das aber noch<br />
schlimmer. 1975 lernte Jonny in Stavanger<br />
seine norwegische Frau kennen. Vier<br />
Kinder haben sie, aber Jonny hat damals<br />
nicht sehr viele Windeln gewechselt.<br />
Auch mit Rücksicht auf die Liebe ist dieser<br />
Job nicht gerade optimal. „Abends um<br />
23 Uhr konnte man zum Beispiel angerufen<br />
werden und Bescheid bekommen,<br />
dass man am nächsten Morgen um sieben<br />
Uhr bereit zu stehen hatte. Außerdem<br />
wusste man nie, wann genau man<br />
zurückkehren würde. Man konnte also<br />
40<br />
getrost vergessen, ein gemütliches Wochenende<br />
mit seiner Liebsten zu planen.“<br />
„Man führt ja eigentlich ein Doppelleben“,<br />
sagt Rudi. „Einerseits gibt es<br />
die Bohrinsel, wo man sich total auf<br />
die Arbeit konzentriert. Danach ist man<br />
wochenlang Familienvater. Ich habe immer<br />
das Gefühl gehabt, einen Schalter<br />
umzulegen. Sobald ich auf der Bohrinsel<br />
ankam, war die Familie zwar nicht<br />
vergessen, aber irgendwie doch mental<br />
weit weg. Umgekehrt aber auch: In der<br />
wochenlangen Pause war ich ganz und<br />
gar für die Familie da.“<br />
Ab und zu konnte Rudi zu Hause so<br />
gut abschalten, dass er gar nicht mehr<br />
wusste, auf welcher Bohrinsel er gewesen<br />
war. Nicht mal mit wem oder mit<br />
welcher Ausstattung er am vorigen Tag<br />
gearbeitet hatte. „Also nichts mit wilden<br />
Strohwitwer- oder Junggesellengeschichten?“<br />
Beide Männer schmunzeln. „Naja,<br />
es gab schon eine jugendliche Zeit, wo<br />
70 Prozent der Freizeit an Wein, Weib und<br />
Gesang ging. Aber das ist lange her“, beteuert<br />
Rudi.<br />
„Meine Frau hat sich einmal besonders<br />
stark darüber beschwert, dass ich wo-<br />
Foto: Christoph Busse<br />
chenlang weg war“, erzählt Rudi. „Da hat<br />
meine Oma mich verteidigt und meiner<br />
Frau streng zugesprochen: „Du weißt gar<br />
nicht, wie gut es dir geht!“<br />
Seine Großmutter hat darauf hingewiesen,<br />
wie der Großvater sie und ihre kleinen<br />
Kinder monatelang alleine zu Hause ließ,<br />
um am Walfang teilzunehmen. Er fuhr im<br />
Oktober los und kam erst im Mai wieder<br />
zurück. Nach dieser Geschichte hat Frau<br />
Høksnes sich nicht wieder beschwert –<br />
„jedenfalls nicht laut“, grinst Rudi.<br />
Ansonsten ist das Gesellschaftsleben<br />
für Bohrinselmitarbeiter auch eine Herausforderung.<br />
Mit diesem Arbeitsrhythmus<br />
ist es schwierig, in einem Verein<br />
tätig zu sein. Auch Freundschaften muss<br />
man ganz anders pflegen.<br />
leckeres Essen<br />
Die Bohrinselkantinen gelten mitunter als<br />
die besten Restaurants Norwegens. Aufgrund<br />
der Schichtarbeit sind sie rund um<br />
die Uhr geöffnet. Über das Essen kommt<br />
von beiden ausschließlich Lob. Obwohl<br />
die Qualität selbstverständlich unterschiedlich<br />
war, je nachdem auf welcher<br />
Bohrinsel sie sich befanden, sind beide
Die Bohrinselköche versorgen die Arbeiter rund<br />
um die Uhr mit ausgezeichnetem Essen.<br />
sich darüber einig, dass die kulinarischen<br />
Erlebnisse stets ausgezeichnet waren.<br />
„Selbst auf den schlimmsten Plattformen<br />
gab es immer Speisekarten mit<br />
einigen Variationen, wie zum Beispiel<br />
Pfannkuchen, gebratene und gekochte<br />
Eier, Brot und einen Haufen von Aufschnitt“,<br />
sagt Rudi begeistert und meint<br />
weiter: „Ich habe oft Steak zum Frühstück<br />
gegessen!“ Unterernährt sieht Rudi auch<br />
heute nicht aus. Aber wir bekommen<br />
schon entschieden das Gefühl, dass im<br />
Hause Høksnes morgens keine Steaks<br />
gebraten werden.<br />
Neben dem guten Essen haben die Bohrinseln<br />
heutzutage auch sehr angenehme<br />
Aufenthaltsräume, wo sich die Mitarbeiter<br />
zwischen den Schichten entspannen<br />
können. Es wird gespielt, es wird Sport<br />
getrieben und es werden Filme geschaut.<br />
Die Bohrinseln sind immer noch stark<br />
von Männern dominiert, obwohl sich in<br />
den letzten Jahren doch einiges geändert<br />
hat–„zumGuten“,meintRudi.1995hater<br />
auf der Ekofisk Alta Weihnachten gefeiert.<br />
Es war keine einzige Frau anwesend, was<br />
dazu führte, dass alle ganz schlampig zu<br />
Tisch kamen. Für wen hätte man sich auch<br />
Foto: Christoph Busse<br />
Die Arbeit auf einer Plattform verlangt stets ein hohes Maß an Konzentration.<br />
schick anziehen sollen? „Das Arbeitsklima<br />
wird mit Frauen viel gemütlicher und<br />
mit vielen Frauen an Bord pflegen sich<br />
sogar die Arbeiter jeden Tag viel besser“,<br />
erklärt Rudi. „In Großbritannien gibt es<br />
auf den Bohrinseln fast überhaupt keine<br />
Frauen. Das sieht man sofort, wenn man<br />
dort ankommt. Das riecht man sogar!“<br />
Vielseitige Führungsrolle<br />
Die Herausforderungen eines Bohrinselchefskönnen<br />
schnellunterschätztwerden.<br />
Einerseits darf man nichtzu sehr als „Kumpel“<br />
von den Angestellten angesehen werden,<br />
weil man manchmal auch strenge<br />
Anweisungen geben muss. Andererseits<br />
ist es dringend notwendig, dass man gut<br />
miteinander klar kommt, sonst wird man<br />
den Job nicht meistern können.<br />
„Im Laufe eines einzigen Jahres bin ich<br />
auf neun unterschiedlichen Bohrinseln<br />
gewesen. Ich musste mich wie ein Chamäleon<br />
an jede Umgebung genau anpassen,<br />
um mit allen zusammen arbeiten zu<br />
können“, berichtet Rudi.<br />
Auf der einen Plattform gingen die<br />
Gespräche um Frauen und Bier, auf der<br />
anderen wurde über Mozart und Munch<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
diskutiert. Was für Menschentypen sich<br />
auf einer bestimmten Bohrinsel befanden,<br />
war nie vorauszusehen. Wenn die<br />
Chemie zwischen dem Chef und den Angestellten<br />
irgendwie nicht gut war, gab<br />
es definitiv Probleme.<br />
Ob sie wieder zurück offshore arbeiten<br />
würden, wenn sie die Gelegenheit<br />
bekämen? „Ach nee, diese Zeiten sind<br />
vorbei.“ Sie fahren immer gerne mal wieder<br />
hin, was ja auch in ihren heutigen<br />
Funktionen manchmal notwendig ist –<br />
zum Beispiel, wenn die <strong>VNG</strong> Norge eine<br />
Explorationsbohrung vornimmt. „Immer<br />
wieder schön, nochmal die Atmosphäre<br />
mitzubekommen und die technische und<br />
soziale Entwicklung zu betrachten. Aber<br />
ansonsten ist das jetzt ein Stück Nostalgie,<br />
wenn wir so erzählen.“<br />
Wer mehr wissen möchte, komme nach<br />
Oslo oder Stavanger, lade Rudi oder Jonny<br />
auf ein Bier ein, lehne sich zurück und<br />
genieße. Beide haben ganz bestimmt<br />
noch viele Geschichten auf Lager.<br />
1. Hilfsarbeiter<br />
2. Bohrarbeiter auf einer Bohrinsel<br />
3. Bohrturmarbeiter<br />
4. Arbeitsschutzbeauftragter<br />
41<br />
Foto: Christoph Busse
UMSCHAU<br />
EU-Energiepolitik<br />
Viele Aufgaben für den neuen<br />
Europäischen Energieregulator<br />
Mit der Verabschiedung des 3. Energiebinnenmarktpakets auf EU-Ebene wurde neben der Einführung von Vorschriften zum<br />
sogenannten „ownership unbundling“ und zur Neuregelung von <strong>Gas</strong>- und Stromnetzzugang auch eine neue europäische<br />
Energieregulierungsbehörde namens ACER („Agency for the Cooperation of Energy Regulators“) ins leben gerufen. ACER trat<br />
im „Energiealltag“ bis dato nur wenig in Erscheinung. Dies wird sich allerdings rasch ändern.<br />
von Dr. Ralf Pastleitner, <strong>VNG</strong><br />
langwieriger Startup-Prozess<br />
Die Gründung von ACER ist zwar schon<br />
im 3. Energiebinnenmarktpaket des Jahres<br />
2009 angelegt, aber aufgrund des<br />
langwierigen Startup-Prozesses konnte<br />
die Agentur schließlich erst zu Beginn<br />
des Jahres 2011 ihren Dienst aufnehmen.<br />
Überdies waren sich die Mitgliedstaaten<br />
lange uneinig, wie weitreichend die Kompetenzen<br />
der Behörde tatsächlich sein<br />
sollten.<br />
Sitz von ACER ist Ljubljana in Slowenien.<br />
Auch der Auswahl des Standortes<br />
ging ein „Rennen“ zwischen drei Städten<br />
aus den „neuen“ Mitgliedstaaten voran,<br />
da neben Ljubljana noch Bratislava und<br />
Bukarest als Sitz im Gespräch waren.<br />
ACER ersetzt ERGEG<br />
ACER ersetzt ERGEG, die Gruppe der europäischen<br />
Regulierungsbehörden für<br />
Elektrizität und Erd<strong>gas</strong>. Seit 2003 sollte<br />
ERGEG die Konsultation, Koordination<br />
und Kooperation zwischen den nationalen<br />
Regulierungsbehörden sowie<br />
zwischen diesen Behörden und der<br />
Kommission erleichtern und damit den<br />
Elektrizitäts- und den Erd<strong>gas</strong>binnenmarkt<br />
festigen. ERGEG setzte sich aus<br />
42<br />
Vertretern der nationalen Regulatoren<br />
zusammen. ACER hingegen wurde als<br />
unabhängige Behörde konzipiert.<br />
ACER hat vielfältige Aufgaben zu<br />
bewältigen<br />
Hauptaufgabe von ACER ist die Unterstützung<br />
der nationalen Regulierungsbehörden<br />
– auf EU-Ebene – bei deren<br />
regulatorischen Aktivitäten in den Mitgliedstaaten<br />
sowie, falls notwendig, deren<br />
Koordinierung. Die Mitgliedstaaten<br />
sollen zum Erreichen der Ziele der Energiepolitik<br />
der EU eng zusammenarbeiten<br />
und die Hemmnisse für den grenzüberschreitenden<br />
Austausch von Elektrizität<br />
und Erd<strong>gas</strong> aus dem Weg räumen.<br />
Unter diese sehr allgemein gehaltene<br />
Aufgabenbeschreibung fällt allerdings<br />
eine Vielzahl an größeren und kleineren<br />
Tätigkeiten: So zählen unter anderem die<br />
Überwachung des <strong>Gas</strong>- und Strombinnenmarktes,<br />
die Zusammenarbeit mit den<br />
ACER im Überblick<br />
ENTSOs1 für Strom und <strong>Gas</strong> , die Durchführung<br />
von öffentlichen Konsultationen<br />
mit Marktteilnehmern zu anstehenden<br />
Regulierungsvorhaben sowie die Abgabe<br />
von Empfehlungen, Stellungnahmen<br />
und Entscheidungen im Zusammenhang<br />
mit der Umsetzung von Vorgaben des 3.<br />
Energiebinnenmarktpakets zu den Aufgaben<br />
der neuen Agentur.<br />
Große Bedeutung trotz geringer<br />
Kompetenzen<br />
In sehr wenigen Fällen kommt der Agentur<br />
allerdings echte Entscheidungsgewalt<br />
zu. Hier konnten sich die Mitgliedstaaten<br />
nicht zu einer größeren Machtfülle für<br />
ACER zu Lasten der nationalen Regulatoren<br />
durchringen.<br />
Dennoch wird ACER in Zukunft eine<br />
nicht zu unterschätzende Rolle im europäischen<br />
Erd<strong>gas</strong>- und Strommarkt<br />
spielen. Da das Personal von ACER zum<br />
überwiegenden Teil aus kompetenten<br />
Sitz Ljubljana, Slowenien | Mitarbeiter 50 (geplanter Stand bis 2013) | Direktor Alberto Pototschnig<br />
(Italien), berufen zunächst für 5 Jahre | Gründung 2009 im Zuge der Verabschiedung des 3. Energiebinnenmarktpakets<br />
der EU | Offizielle Aufnahme des Betriebs 3. März 2011 | Hauptaufgaben EU-weite<br />
Aufsicht über die nationalen Energiebehörden und Koordination deren nationaler Regulierungstätigkeit,<br />
Beseitigung technischer Hürden im grenzübergreifenden Energiehandel
Foto: Nebojša Tejić/STA/Cabinet of Prime Minister<br />
Der slowenische Ministerpräsident Borut Pahor und Alberto Pototschnig, Direktor von ACER bei der<br />
Schlüsselübergabe im März 2011.<br />
Energieexperten besteht, erwartet sich<br />
die Europäische Kommission zu Recht<br />
fundierte Stellungnahmen und Empfehlungen,<br />
um das übergeordnete Ziel eines<br />
vollendeten Energiebinnenmarktes in<br />
Europa bis 2014 tatsächlich zeitgerecht<br />
erreichen zu können.<br />
Für Energiehändler wie <strong>VNG</strong> wird ACER<br />
beispielsweise alszentrale Reporting- und<br />
Informationssammelstelle für Transaktionsdaten<br />
im Erd<strong>gas</strong>handel große Bedeutung<br />
erlangen. Im Zuge der Erhöhung<br />
der Transparenz des Energiegroßhandels<br />
möchte die EU eine Verordnung beschließen,<br />
die Marktmissbrauch und Insiderhandel<br />
einen Riegel vorschiebt. Um der<br />
Agentur die dafür notwendige Übersicht<br />
über den Handelsmarkt zu ermöglichen,<br />
müssen die Energieunternehmen in Zukunft<br />
vermutlich größere Datenmengen<br />
an ACER übermitteln. ACER soll diese Daten<br />
dann auswerten und im Falle eines<br />
möglichen Verstoßes gegen die Regeln<br />
der neuen Verordnung die betroffenen<br />
Mitgliedstaaten verständigen. Diese<br />
können dann gegebenenfalls Sanktionen<br />
gegen die Unternehmen verhängen.<br />
Fazit<br />
Bei allen guten Intentionen, die zweifelsohne<br />
hinter dieser geplanten Regulierung<br />
stehen, sollten jedoch keine neuen bürokratischen<br />
Hürden durch kompliziertes<br />
Reporting geschaffen oder durch eine zu<br />
umfangreicheInformationsabfragelegitime<br />
Wettbewerbsvorteile oder Geschäftsgeheimnisse<br />
der Unternehmen gefährdet<br />
werden. Hinweis: Eine Entscheidung der<br />
EU-Institutionen zur neuen Transparenzverordnung<br />
für den Energiegroßhandel<br />
wird für Herbst 2011 erwartet.<br />
Auch in nicht minder wichtigen Fragen<br />
wie der Zuweisung von Erd<strong>gas</strong>transportkapazitäten<br />
an Grenzübertrittspunkten<br />
in der EU, der Schaffung von Virtuellen<br />
grenzüberschreitenden Handelspunkten<br />
oder der Einführung eines europaweit<br />
einheitlichen Bilanzierungssystems im<br />
<strong>Gas</strong>transport wird die Meinung von ACER<br />
künftig verstärkt zu beachten sein.<br />
Abzuwarten bleibt, inwieweit die kleine<br />
Agentur in Slowenien der geballten<br />
Menge an Aufgaben, den großen fachlichen<br />
Anforderungen und vor allem den<br />
hohen Erwartungen der EU-Kommission<br />
und der Mitgliedstaaten gewachsen<br />
sein wird und zur raschen Implementierung<br />
eines funktionierenden Erd<strong>gas</strong>-<br />
und Strombinnenmarktes in allen<br />
Mitgliedstaaten der EU beitragen kann.<br />
1. Gemeint sind die europäischen <strong>Gas</strong>- und<br />
Stromnetzbetreiber.<br />
Unser Autor<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Brüssel<br />
Dr. Ralf Pastleitner, Leiter des Brüsseler<br />
Büros von <strong>VNG</strong>.<br />
ralf.pastleitner@vng.de<br />
ljubljana<br />
43
FEATURE<br />
Mehr Wissen. Mehr Können. Mehr Zukunft.<br />
Das ist das Motto des „Wissensfabrik – Unternehmen für Deutschland e. V.“ – einer Initiative von rund 80 deutschen Unter-<br />
nehmen und unternehmensnahen Stiftungen. Sie verfolgt das Ziel, kommende Generationen fit zu machen für die Zukunft.<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> stellt die Arbeit der Wissensfabrik vor.<br />
Foto: BASF <strong>AG</strong><br />
Beim Leuchtturmprojekt „Vom Klein-Sein zum Einstein“ wird die Neugier auf naturwissenschaftliche Phänomene geweckt.<br />
Wissen ist Zukunft<br />
44<br />
Im Jahr 2005 haben die Unter-<br />
nehmen BASF, Bosch, fischer,<br />
Follmann, KSB, ThyssenKrupp, TRUMPF, Voith und Wall die Wis-<br />
sensfabrikals gemeinnützigen Verein gegründet. „Da die Grund-<br />
lage für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands überall dort gelegt<br />
wird, wo Menschen lernen, wollen wir Lust auf Zukunft machen<br />
und gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Akteuren die<br />
junge Generation für die Herausforderungen der Wissensgesell-<br />
schaft rüsten“, so die Ideengeber der Initiative.<br />
Herausgekommen ist eine offene Plattform für Unternehmen<br />
aller Größen und Branchen, unternehmensnahe Stiftungen,<br />
Bildungseinrichtungen und Initiativen, die Wissen fördern und<br />
teilen möchten. Bis heute entstanden über 300 Projekte im Aus-,<br />
Weiterbildungs- und Hochschulbereich. Zudem wurden mehr als<br />
2.000 Bildungspatenschaften zwischen Mitgliedsunternehmen<br />
und Bildungseinrichtungen geschaffen. So ist es den Mitgliedern<br />
der Wissensfabrikgelungen, bisher mehr als 440.000 Kinder und<br />
Jugendliche in ganz Deutschland zu erreichen.<br />
leuchtturmprojekte für Kinder und Jugendliche<br />
Sowohl Mitgliedsunternehmen als auch wissenschaftliche Ko-<br />
operationspartner und Bildungsexperten bringen Projekte in<br />
die Wissensfabrik ein. Aus diesem Projektpool entwickelt die<br />
Wissensfabrik gemeinsam mit wissenschaftlichen Institutionen<br />
praxisbewährte Modellprojekte. Mittlerweile sind eine Vielzahl<br />
von themenbezogenen und wissenschaftlich anerkannten<br />
Leuchtturmprojekten hervorgegangen, die sich jeweils an ak-<br />
tuellen Lehrplänen orientieren.<br />
Kinder und Jugendliche haben die Möglichkeit, mit alltagsna-<br />
hen Experimenten die Begeisterung für naturwissenschaftliche<br />
und technische Phänomene zu entdecken. Zum Beispiel wird<br />
in dem Projekt „Erzählwerkstatt“ das Sprach- und Vorstellungs-<br />
vermögen der Kinder durch das Erzählen von Fantasiemärchen<br />
vergrößert. Bei einem anderen Projekt „KIEWIS WIPS“ können<br />
Grundschüler im Schulalltag unternehmerisch tätig werden. Die<br />
Kinder entdecken Wirtschaft, das Klassenzimmer wird gegen<br />
das Büro bzw. die Fabrikhalle eingetauscht, um Einblicke in das<br />
Wirtschaftsleben zu erhalten. In Unternehmensplanspielen ler-<br />
nen Grundschüler spielerisch weitere Elemente des Wirtschafts-<br />
kreislaufs kennen.<br />
Der Forscherdrang für technische Zusammenhänge wird bei<br />
„KiTec“ mit einer eigens für den Schulunterricht entwickelten<br />
Werkzeug- und Materialkiste unterstützt. Demnächst startet auch<br />
das neue Leuchtturmprojekt „Energie“, in dem Kinder und Ju-
Foto: BASF <strong>AG</strong><br />
Mitgliedertag 2011: Ullrich Bingenheimer, KSB; Christian Greger, TRUMPF; Dr. Jürgen Hambrecht, Lenkungskreisvorsitzender der Wissensfabrik; Johanna<br />
Coleman, Vorstandsvorsitzende der Wissensfabrik; Dr. Thomas Rettich, TRUMPF; Prof. Dr. Ekkehard Schulz, ThyssenKrupp; Dr. Karsten Heuchert, <strong>VNG</strong>;<br />
Hermann Reichenecker, Storopack Hans Reichenecker GmbH (v. l. n. r.)<br />
gendliche selbst Experimente zum Thema Energie durchführen<br />
werden. Dieses spezielle Leuchtturmprojekt wird von der <strong>VNG</strong>-<br />
Stiftung aktiv unterstützt.<br />
Jungunternehmer im Blick<br />
Die Wissensfabrik denkt auch an die Jungunternehmer von morgen.<br />
So werden Existenzgründer mit einem eigens entwickelten<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> sprach mit Dr. Karsten Heuchert, <strong>VNG</strong>-Vorstandsvorsitzender,<br />
über die Arbeit der Wissensfabrik.<br />
Stirbt das Unternehmertum<br />
langsam aus?<br />
Da habe ich keine Sorge. Entscheidend<br />
wird sein, dass wir<br />
kommenden Generationen die<br />
Chance bieten, sich frei entfalten<br />
zu können. Auch <strong>VNG</strong><br />
wird hier über ihre Stiftung<br />
ihren Beitrag leisten. Zudem<br />
rufe ich alle interessierten<br />
Unternehmen auf, sich bei der<br />
Wissensfabrik zu engagieren.<br />
Dr. Karsten Heuchert<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Auch die <strong>VNG</strong>-Stiftung ist seit Juni 2011 Mitglied der Wissensfabrik. Zudem wurde Dr. Karsten Heuchert, <strong>VNG</strong>-Vorstandsvorsitzender,<br />
in den lenkungskreis der Wissensfabrik berufen.<br />
Wieso engagieren Sie sich in<br />
der Wissensfabrik?<br />
Kinder sind unsere Zukunft.<br />
Die Herangehensweise der<br />
Initiative hat mich sehr überzeugt.<br />
Gerade durch spielerische<br />
Ansätze lässt sich bei<br />
Kindern die Lust auf Bildung<br />
wecken.<br />
Welche Rolle wird das Thema<br />
Bildung zukünftig spielen?<br />
Wir wissen, dass große demographische<br />
Probleme auf uns zu<br />
kommen. Die junge Generation<br />
hat die große Verantwortung,<br />
Deutschland wirtschaftlich<br />
stark zu halten. Bildung ist dafür<br />
der Schlüssel allen Erfolgs.<br />
Mentorenprogramm bei der Umsetzung ihrer Ideen unterstützt.<br />
Das Projekt „Student2Start-up“ bietet Jungunternehmern zudem<br />
die Möglichkeit, ausgewählte Problemstellungen aus dem<br />
geschäftlichen Alltag zum Thema eines universitären Workshops<br />
zu machen.<br />
www.wissensfabrik-deutschland.de<br />
45
FEATURE<br />
Stadtansichten<br />
10 Gründe,<br />
die thüringische<br />
Landeshauptstadt Erfurt<br />
zu besuchen.<br />
Erfurt „[…] liegt am besten Ort. Da muss eine Stadt stehen!“ So urteilte<br />
Martin luther im 16. Jahrhundert. Knapp 500 Jahre später ist die größte Stadt<br />
Thüringens geprägt durch einen der am besten erhaltenen mittelalterlichen<br />
Stadtkerne Deutschlands und steht für die Verbindung von Tradition und Mo-<br />
derne. Auch <strong>VNG</strong> ist seit Oktober 2010 mit einer Vertriebsdirektion in Erfurt<br />
vertreten.<br />
1. Stadt der Brücken<br />
Insgesamt 216 Brücken überspannen die<br />
Wasserläufe des Flusses „Gera“, kleinerer<br />
Ströme und des Flutgrabens entlang der<br />
alten Stadtmauer. Die wohl bekannteste<br />
Brücke ist die Krämerbrücke. Sie ist die<br />
einzige vollständig mit Häusern bebaute<br />
und bewohnte Brücke nördlich der Alpen.<br />
Mit ihren sechs Gewölben überbrückt sie<br />
die Gera auf einer Länge von 79 Metern.<br />
Heute präsentieren sich in dieser einzigar-<br />
tigen Atmosphäre Galerien, Wein-, Musik-<br />
und Antiquitätenhändler.<br />
2. Altstadt und Fischmarkt<br />
Die Erfurter Altstadt gehörtzu den größten<br />
Altstädten Deutschlands. Das Besondere:<br />
Die mittelalterlich geprägte Bausubstanz<br />
ist im Wesentlichen noch erhalten. Nach<br />
1989 wurde sie nahezu komplett saniert.<br />
Der Fischmarkt gilt als historischer Mit-<br />
telpunkt der Stadt. Wie der Name verrät,<br />
wurden einst auf dem Markt auch Fische<br />
gehandelt. Er war und istSchnittpunkt der<br />
durch die Stadt führenden Handelsstra-<br />
ßen und somit Zentrum des öffentlichen<br />
Lebens.<br />
46<br />
3. Die Erfurter Puffbohne<br />
Mit der „Erfurter Puffbohne“ besitzt Erfurt<br />
wohl das kurioseste Stadtmaskottchen al-<br />
ler Zeiten. Das hellgrüne Wesen in Plüsch<br />
erinnert an die fruchtbaren Böden desThü-<br />
ringer Beckens. Diese brachten seit jeher<br />
reiche Ernten ein. Insbesondere die hier<br />
geernteten Bohnen wurden als „aufge-<br />
buffte Bohne“ (große Bohne) bezeichnet.<br />
Daraus entwickelte sich über die Jahre der<br />
Begriff Puffbohne.Vor einigen Jahrzehnten<br />
wurde aus der geschichtsträchtigen Erfur-<br />
ter Puffbohne das Stadtmaskottchen. Es<br />
entstand eine Plüschbohne mit Gesicht.<br />
Im Jahr 2000 erfuhr die Puffbohne einen<br />
neuen Aufstieg. Seitdem ist die hellgrüne<br />
Plüschbohne nicht mehr aus dem Stadt-<br />
bild wegzudenken.<br />
4. Die Stadt der Feste<br />
Erfurt bietet zahlreiche Anlässe zum<br />
Feiern. Einer davon ist das Krämerbrü-<br />
ckenfest, zugleich Thüringens größtes<br />
Altstadtfest. Tausende Besucher zieht<br />
es dann in die alten <strong>Gas</strong>sen rund um die<br />
Krämerbrücke. Im August verzaubern die<br />
Domstufen-Festspiele die Landeshaupt-<br />
stadt. Vor der einzigartigen Kulisse des<br />
Domberges, ist das vom Theater Erfurt<br />
5<br />
8<br />
1
Foto: © Volker Z – Fotolia.com Foto: KI.KA<br />
Foto: © KlausMJan – Fotolia<br />
9<br />
veranstaltete Festival das Highlight des<br />
Thüringer Kultursommers, das nicht nur<br />
Zuschauer aus der Region begeistert,<br />
sondern zunehmend auch Gäste aus<br />
ganz Deutschland und Europa. Erfurt<br />
ist auch Stadt des Weines. Daher trifft<br />
man sich einmal im Jahr zum Weinfest,<br />
um die Trauben des Jahres zu verkos-<br />
ten. Der Jahreshöhepunkt ist zugleich<br />
der Jahresabschluss. So lädt der Erfur-<br />
ter Weihnachtsmarkt vor der Kulisse des<br />
Doms und der Severikirche zu einem der<br />
schönsten Märkte Deutschlands ein.<br />
5. Erfurter Dom St. Marien<br />
und Severikirche<br />
Der Erfurter Domberg mit seiner unverwechselbaren<br />
Silhouette ist wohl das berühmteste<br />
Wahrzeichen der Stadt. Die den<br />
Domplatz beherrschende monumentale<br />
Baugruppe von Dom und Severikirche gilt<br />
als eine der gewaltigsten Bauschöpfungen<br />
des Mittelalters. Gegründet wurden die<br />
Vorgängerbauten beider Kirchen zu Zeiten<br />
der frühen christlichen Mission. Am Ort<br />
der ersten Bischofskirche baute man in<br />
romanischer und gotischer Zeit die Stiftskirche<br />
St. Marien, die seit 1994 zugleich<br />
Bischofskirche des neu gegründeten Bistums<br />
Erfurt ist.<br />
6. Zentrum des Sports<br />
Erfurt ist Sportstadt. Seit Mitte der<br />
1980er Jahre ist Erfurt untrennbar mit<br />
dem Eisschnelllauf verbunden. Gunda<br />
Niemann-Stirnemann – die erfolgreichste<br />
Eisschnellläuferin aller Zeiten<br />
– kommt aus Erfurt. Moderne Sporteinrichtungen<br />
wie das Steigerwaldstadion,<br />
das Leichtathletik- und Eissportzentrum,<br />
der Olympiastützpunkt Thüringen sowie<br />
die Landesleistungszentren bieten talentierten<br />
Nachwuchssportlern optimale<br />
Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
7. Evangelisches Augustinerkloster<br />
Das Augustinerkloster zu Erfurt ist ein<br />
einmaliges Baudenkmal mittelalterlicher<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
Ordensbaukunst.DasKlosteristalsbedeutende<br />
Lutherstätte weltweit bekannt. Martin<br />
Luther lebte hier als Augustinermönch<br />
von 1505 bis 1511. Im Kloster befinden<br />
sich eine sehenswerte Dauerausstellung<br />
und eine einzigartige historische Bibliothek.<br />
Seit August 2004 führt das Kloster<br />
den Titel „Nationales Kulturdenkmal von<br />
besonderer kultureller Bedeutung“.<br />
8. Einkaufen am Anger<br />
Der Anger ist der zentrale Platz im Südosten<br />
der Altstadt,zwischen Dom und Hauptbahnhof<br />
gelegen. Der langgestreckte Platz<br />
ist vor allem durch seine Randbebauung<br />
geprägt. Die Hauptpost im neugotischen<br />
Stil stammt aus dem Jahr 1895. Am Nordende<br />
des Platzes finden sich Häuser aus<br />
dem 17. Jahrhundert. Das bekannteste<br />
Haus, die Einkaufsgalerie Anger 1, wurde<br />
zwischen 1906 und 1908 unter Leitung<br />
der Architekten Albert und Ernst Giese als<br />
Kaufhaus Römischer Kaiser am östlichen<br />
Ende des Angers errichtet.<br />
9. Medienzentrum<br />
ErfurtistThüringensMedienstadtNummer<br />
eins. Im MDR-Landesfunkhaus Thüringen<br />
entstehen Fernsehreportagen,Sport-, Kultur-<br />
und Unterhaltungssendungen. Neben<br />
privaten Rundfunksendern, dem MDR und<br />
dem ZDF-Landesstudio ist Erfurt auch<br />
die Heimat vom Kinderkanal. Von hier<br />
aus wird das beliebte Kinderprogramm<br />
von ARD und ZDF ausgestrahlt und bringt<br />
vom „Sandmännchen“ bis zu „Schloss<br />
Einstein“ täglich unterhaltsame Serien<br />
in Deutschlands Haushalte.<br />
10. „Erfurt ist Papst“<br />
Papst Benedikt XVI. wird im Rahmen seiner<br />
Deutschlandreise im Herbst auch Thüringen<br />
besuchen. Geplant ist die Ankunft<br />
in Erfurt am 23. September 2011 mit der<br />
Begrüßung im Dom und Gesprächen der<br />
Evangelischen Kirche im Augustinerkloster.<br />
Am 24. September wird eine heilige<br />
Messe auf dem Domplatz zu Erfurt stattfinden.<br />
47
FEATURE<br />
<strong>VNG</strong>-Bildungstour<br />
<strong>VNG</strong>-Ausstellung Mauerfälle macht in Erfurt Station<br />
Die Wanderausstellung „Mauerfälle“ war im Juni 2011 in der thüringischen landeshauptstadt Erfurt zu <strong>Gas</strong>t. Mit Erfurt machte<br />
die <strong>VNG</strong>-Bildungstour nunmehr an der 12. Station Halt. Grund genug für uns, eine kleine Bilanz zu ziehen.<br />
Foto: Dirk Brzoska<br />
Neubrandenburger Schüler beim Geschichtsunterricht am Mauerstück.<br />
Die Stationen<br />
Leipzig, Chemnitz, München, Essen, Stavanger, Neubran-<br />
denburg, Frankfurt am Main, Dresden, Brüssel, Nordhausen,<br />
Lutherstadt Wittenberg und Erfurt. In all diesen Städten prä-<br />
sentierte die <strong>VNG</strong>-Bildungstour das von <strong>VNG</strong> im Rahmen ihrer<br />
Initiative „<strong>Verbundnetz</strong> für Demokratie und Toleranz“ im 20.<br />
Jahr der Friedlichen Revolution zu Gunsten der Hilfsorganisati-<br />
on „Ein Herz für Kinder e. V.“ erworbene Mauersegment. Zwölf<br />
Städte, oder anders ausgedrückt: Rund 6.190 km Wegstrecke,<br />
die seit Beginn zurückgelegt wurde.<br />
Die Unterzeichner<br />
Das Mauersegment ist das einzige seiner Art weltweit, welches<br />
von den „Drei Vätern der Einheit“ – Dr. Helmut Kohl, Michail<br />
Gorbatschow und George H. W. Bush – unterzeichnet wurde.<br />
Im vergangenen Jahr kamen zahlreiche Persönlichkeiten der<br />
Zeitgeschichte hinzu (siehe Infobox).<br />
Bildung zum Anfassen<br />
Das Mauersegment ist nicht nur ein Symbol der Deutschen<br />
Wiedervereinigung. Vor allem transportiert es die deutsche<br />
Geschichte in unsere Gegenwart. Im Rahmen der Bildungstour<br />
veranstalteten Schulklassen ihren Geschichtsunterricht „zum<br />
Anfassen“ direkt am Mauerstück. Der Künstler Michael Fischer-<br />
Art diskutierte mit Schülern sein eigens herausgebrachtes Buch<br />
„Der 9. Oktober 1989 – 21 Jahre danach“. Bestandteil der Bil-<br />
dungstour war zudem die Fotoausstellung „EAST – Zu Protokoll“.<br />
48<br />
In der von Kurator Frank-Heinrich Müller zusammengestellten<br />
Ausstellung sind einzigartige Momentaufnahmen aus den ent-<br />
scheidenden Monaten des Jahres 1989 dokumentiert.<br />
Schüler zu <strong>Gas</strong>t in leipzig<br />
Im Rahmen der Bildungstour nahmen zahlreiche Schüler am<br />
Schülerwettbewerb „20 Jahre Deutsche Einheit – Spurensuche<br />
in Neubrandenburg und Nordhausen“ teil. Als Sieger in diesem<br />
Wettbewerb sind je zwei Schulklassen aus Neubrandenburg<br />
und Nordhausen hervorgegangen. Auf die Schüler wartete je<br />
eine Klassenfahrt nach Leipzig. In der sächsischen Metropole<br />
bewegten sich die Jugendlichen auf den Spuren der Friedlichen<br />
Revolution. So besuchten sie neben dem Regelzentrum <strong>Gas</strong><br />
bei <strong>VNG</strong> unter anderem auch das Zeitgeschichtliche Forum. Im<br />
Fokus des Forums steht die Erinnerung an Diktatur und Wider-<br />
stand in der DDR. Auch die Teilnahme an einer DDR-Schulstunde<br />
im Leipziger Schulmuseum beeindruckte die Jugendlichen auf<br />
besondere Weise.<br />
Die Unterzeichner<br />
www.mauerfälle.de<br />
Stephan Bickhardt | George H. W. Bush | Dr. Heino Falcke | Dr. h. c. Joachim<br />
Gauck | Dr. h. c. Hans-Dietrich Genscher | Michail Gorbatschow | Katrin<br />
Hattenhauer | Dr. Helmut Kohl | Christoph Magirius | Dr. h. c. Lothar de<br />
Maizière | Frank Richter | Dr. Friedrich Schorlemmer | Werner Schulz | Dr.<br />
Rudolf Seiters | Prof. Dr. h. c. Horst Teltschik | Dr. Herbert Wagner | Lech<br />
Wałęsa | Christoph Wonneberger
Termine im nächsten Quartal<br />
Foto: Fotografie Balleis<br />
17. EUROFORUM-Jahrestagung<br />
„Erd<strong>gas</strong> 2011“<br />
Vom 12. bis 14. Oktober findet in Berlin<br />
die 17. EUROFORUM-Jahrestagung „Erd-<br />
<strong>gas</strong> 2011“ statt. Im Fokus des Kongres-<br />
ses stehen die von der Bundesregierung<br />
angestoßene Energiewende und die Rolle<br />
von Erd<strong>gas</strong> alsSchlüsselfaktor der zukünf-<br />
tigen Energieversorgung Deutschlands.<br />
Neben Fragen rund um den <strong>Gas</strong>vertrieb<br />
und der <strong>Gas</strong>beschaffung sollen die Ent-<br />
wicklung von <strong>Gas</strong>netzen und -speichern<br />
sowie die Bedeutung des Wärmemarktes<br />
diskutiert werden.<br />
6. Deutscher Energiekongress „Energiewirtschaft im Wandel“<br />
Der 6. Deutsche Energiekongress findet vom 12. bis 13. Sep-<br />
tember in München statt. Der Kongress steht unter dem Motto<br />
„Energiewirtschaft im Wandel“ und thematisiert mit Netzausbau,<br />
künftigem Energiemix und -konzept, Innovationen und Preis-<br />
Impressum<br />
16.–17. August 2011<br />
8. DBI – Fachforum Kraft-Wärme-Kopplung<br />
Leipzig | www.dbi-gti.de<br />
29.–30. August 2011<br />
2. Handelsblatt Jahrestagung „Erneuerbare<br />
Energien“<br />
Berlin |www.erneuerbare-energien-tagung.de<br />
6.–7. September 2011<br />
6. Dow Jones Stahltag<br />
Frankfurt am Main | www.stahltag2011.de<br />
12.–13. September 2011<br />
6. Deutscher Energiekongress<br />
München | www.m-i-c.de<br />
13.–14. September 2011<br />
3. Internationale UGS-Konferenz Kaliningrad<br />
Kaliningrad | www.vng.de<br />
14.–15. September 2011<br />
Congres du Gaz<br />
Paris | www.congresdugaz.fr<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />
26.–27. September 2011<br />
3. Energie Dialog 2011 Erneuerbare Energien<br />
Berlin | www.doebler-pr.de<br />
29. September 2011<br />
2. Deutsch-Norwegische Energiekonferenz<br />
Oslo<br />
12.–13. Oktober 2011<br />
VKU Verbandstag<br />
Bonn | www.vku.de<br />
12.–14. Oktober 2011<br />
17. Euroforum Jahrestagung Erd<strong>gas</strong> 2011<br />
Berlin | www.erd<strong>gas</strong>-forum.com<br />
entwicklung die aktuellen Herausforderungen für die Branche.<br />
Der Kongress bietet ein hochkarätiges Forum für den fachlichen<br />
Meinungs- und Erfahrungsaustausch sowie für die Vermittlung<br />
von Fachinformationen und ist als Branchentreff mit energiewirtschaftlichem<br />
Fokus konzipiert.<br />
<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> DasMagazinfürdieKundenundPartnerder<strong>VNG</strong>-Gruppe | 19.Jahrgang | Ausgabe 2 | August2011 | <strong>VNG</strong>–<strong>Verbundnetz</strong><strong>Gas</strong>Aktiengesellschaft | Braunstraße 7 | 04347<br />
Leipzig | Postfach 24 12 63 | 04332 Leipzig | Tel. +49 341 443-0 | Fax +49 341 443-2057 | www.vng.de | Redaktion Unternehmenskommunikation | Verantwortlicher<br />
Redakteur Marcus Kunath | Tel. +49 341 443 - 5925 | marcus.kunath@vng.de | Externer Redakteur André Deichsel (Militzer &Kollegen GmbH) | Redaktionsbeirat<br />
Birgit Binder, Dr. Ralf Borschinsky, Mike Diekmann, Tino Falley, Carina Fiedler, Stephanie Flinth, Janina Fuchs, Gordon Gerisch, Mathias Jilo, Bernhard Kaltefleiter, Siegbert<br />
Ketelhut, Kerstin Kietzke, Dr. Stephan Krein, Heinz Möller, Marco Penzhorn, Marek Preißner, Heiko Rüdiger, Jan Schuster, Lydia Schuster, Peter Siegert, Dr. Peter Stoll, Peggy<br />
Tettenborn | Auflage 4.300 | Gestaltung, Herstellung Militzer & Kollegen GmbH | Reproduktion Dirk Brzoska | Druck Werbe- & Sofortdruck GmbH, Leipzig | Fotos wenn<br />
nicht anders angegeben <strong>VNG</strong><br />
Foto: EUROFORUM /D. Gust<br />
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