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medium gas 2011.2 - VNG Verbundnetz Gas AG

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Ausgabe 2 | 2011<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong><br />

Das Magazin für Kunden und Partner der <strong>VNG</strong>-Gruppe<br />

SCHWERPUNKT: Wind, Sonne und Bio<strong>gas</strong> – mit Erd<strong>gas</strong> der Energiemix der Zukunft.<br />

→ Interview mit Prof. Dr. Klaus Töpfer<br />

Die Energiewende als<br />

deutsches Gemeinschaftswerk<br />

Seite 28<br />

→ Infrastruktur<br />

Erd<strong>gas</strong>infrastruktur wird zu einem<br />

Schlüsselfaktor in Deutschland<br />

Seite 32<br />

→ 40 Jahre norwegisches Erdöl-Abenteuer<br />

Das Leben auf einer Bohrinsel<br />

Seite 38


INHALT<br />

Foto: Michael Fahrig<br />

AKTUEll<br />

Unser Titelmotiv<br />

Foto: Christian Schneider<br />

Aus überschüssigem Windstrom und Bio<strong>gas</strong> erzeugt in Kürze ein Hybridkraftwerk in der Nähe von Prenzlau Wasserstoff. Das hochenergetische <strong>Gas</strong><br />

kann als Autotreibstoff dienen oder in das Erd<strong>gas</strong>netz eingespeist werden. Auch eine Umwandlung in Methan mit Erd<strong>gas</strong>qualität ist möglich. Foto: ENERTR<strong>AG</strong><br />

2<br />

4 <strong>VNG</strong> Aktuell<br />

6 Energiepolitik Spezial<br />

7 Aktuelle Nachrichten aus der<br />

MARKT<br />

Energiepolitik und Energiewirtschaft<br />

10 Eisenhüttenstadt und ArcelorMittal<br />

Der Stahl macht Werk und Stadt<br />

16 Marktpartnerkooperation<br />

Ein Kraftwerk im Keller?<br />

Unterwegs mit dem <strong>VNG</strong>-Marktpartner<br />

Wolfgang Borz.<br />

18 Neue Serie<br />

Das <strong>VNG</strong>-Hauptstadtgespräch<br />

mit Thomas Bareiß, Mitglied des<br />

Deutschen Bundestages.<br />

SCHWERPUNKT<br />

22 Reportage<br />

Wind, Sonne und Bio<strong>gas</strong> –<br />

mit Erd<strong>gas</strong> der Energiemix der Zukunft.<br />

28 Interview<br />

Die Energiewende als deutsches<br />

Gemeinschaftswerk<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> sprach mit Prof. Dr. Klaus<br />

Töpfer über die deutsche Vorreiterrolle<br />

in Sachen Energieversorgung.<br />

30 <strong>Gas</strong>tbeitrag<br />

Erd<strong>gas</strong> im zukünftigen Energiemix<br />

Dr. Felix Christian Matthes erläutert die<br />

Bedeutung von Erd<strong>gas</strong> im Wärmemarkt<br />

der Zukunft bei der Stromversorgung<br />

und im Mobilitätssektor.<br />

32 Infrastruktur<br />

Revolution auf dem Energiemarkt –<br />

Erd<strong>gas</strong>infrastruktur wird zu einem<br />

Schlüsselfaktor in Deutschland.<br />

Uwe Barthel über die Speicherfähigkeit<br />

des Erd<strong>gas</strong>netzes.<br />

Foto: Statoil<br />

UMSCHAU<br />

34 Internationales<br />

Katar – reich an Erd<strong>gas</strong> und<br />

lNG-Exporteur Nr. 1<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> skizziert Katars<br />

wirtschaftlichen Aufstieg.<br />

36 Interview<br />

„lNG ist eine interessante Option.“<br />

Michael Ludwig im Gespräch mit<br />

dem Botschafter des Staates Katar<br />

in Deutschland.<br />

38 40 Jahre norwegisches Erdöl-Abenteuer<br />

Das leben auf einer Bohrinsel<br />

Marleen Laschet im Gespräch mit den<br />

ehemaligen Bohrinselarbeitern Jonny<br />

und Rudi.<br />

42 EU-Energiepolitik<br />

Viele Aufgaben für den neuen<br />

Europäischen Energieregulator<br />

Dr. Ralf Pastleitner über Bedeutung<br />

und Kompetenzen von ACER.


Foto: BASF <strong>AG</strong><br />

FEATURE<br />

44 Mehr Wissen. Mehr Können.<br />

Mehr Zukunft.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> über die Leuchtturmprojek-<br />

te der „Wissensfabrik – Unternehmen<br />

für Deutschland e. V.“ und das Engage-<br />

ment der <strong>VNG</strong>-Stiftung.<br />

46 Stadtansichten<br />

10 Gründe, die thüringische<br />

landeshauptstadt Erfurt zu besuchen.<br />

Erfurt steht für die Verbindung von<br />

Tradition und Moderne.<br />

48 <strong>VNG</strong>-Bildungstour<br />

<strong>VNG</strong>-Ausstellung Mauerfälle macht<br />

in Erfurt Station<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> informiert über die<br />

bisherigen Stationen.<br />

49 Termine im nächsten Quartal<br />

49 Impressum<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

die erste Jahreshälfte war für die Energiebranche<br />

eine sehr spannende und<br />

herausfordernde Zeit.<br />

Zunächst stand die Analyse und Umsetzung<br />

des von der Bundesregierung<br />

im letzten Herbst verabschiedeten<br />

Energiekonzeptes im Fokus. Mit der<br />

Katastrophe in Japan verschob sich<br />

der Blickwinkel auf die Rolle der Kernenergie<br />

im Energiemix der Zukunft<br />

erneut.<br />

Bernhard Kaltefleiter,<br />

Nach Einberufung einer Ethik-Kom- Leiter Unternehmenskommunikation<br />

mission und vielfältigen Diskussionen im politischen Raum wurde mit dem Beschluss<br />

des vorzeitigen Atomausstiegs ein von vielen gesellschaftspolitischen<br />

Lagern akzeptierter Energiekonsens verabschiedet.<br />

In Bezug auf den Energieträger Erd<strong>gas</strong> wurde in diesem Diskussionsprozess eines<br />

besonders deutlich: Erd<strong>gas</strong> ist mehr als eine Brücke hin zu den Erneuerbaren.<br />

Insbesondere mit Blick auf die Gewährleistung des energiepolitischen Zieldreiecks<br />

aus Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit zeigt sich,<br />

dass Erd<strong>gas</strong> vielmehr der ideale Partner der erneuerbaren Energien ist.<br />

Ich freue mich sehr, dass wir für diese Ausgabe mit Herrn Prof. Dr. Klaus Töpfer,<br />

Vorsitzender der Ethik-Kommission „Sichere Energieversorgung“, sowie Herrn Dr.<br />

Felix Matthes, Forschungs-Koordinator Energie- und Klimapolitik des Öko-Instituts,<br />

zwei Persönlichkeiten gewinnen konnten, die sich in die aktuelle energiepolitische<br />

Debatte mit großen Engagement einbringen. Beide begründen die Notwendigkeit<br />

der Energiewende und stellen die Rolle von Erd<strong>gas</strong> im Energiemix der Zukunft<br />

besonders heraus.<br />

Wie in jeder Ausgabe, richtet sich unser Blick auch auf die internationalen Entwicklungen.<br />

Binnen kürzester Zeit wurde das Emirat Katar zu einem der wohlhabendsten<br />

Länder der Welt. Mittlerweile gilt das Land am Persischen Golf als weltgrößter<br />

Exporteur von verflüssigtem Erd<strong>gas</strong> (LNG). Um zu verstehen, wie es zu Katars wirtschaftlichem<br />

Aufstieg kam, skizzieren wir die Entwicklung des Landes und gehen<br />

in einem Gespräch mit dem Botschafter des Staates Katar in Deutschland den<br />

Ursachen dieses rasanten Wachstums auf den Grund.<br />

Wenn Sie sich schon immer gefragt haben, wie es sich eigentlich auf einer Bohrinsel<br />

– fern ab von zu Haus – leben lässt, empfehle ich Ihnen den äußert lesenswerten<br />

Beitrag über das harte und doch einzigartige Leben der Bohrinselveteranen Jonny<br />

Heldenius und Rudi Høksnes.<br />

Ich wünsche Ihnen eine anregende und spannende Lektüre.<br />

Ihr Bernhard Kaltefleiter<br />

3


AKTUELL<br />

<strong>VNG</strong> Aktuell<br />

Foto: Øyvind Hagen/Statoil<br />

<strong>VNG</strong> bei 21. Lizenzrunde in<br />

Norwegen erfolgreich<br />

<strong>VNG</strong> Norge AS, die norwegische E&P-<br />

Tochter von <strong>VNG</strong>, hat erfolgreich an<br />

der 21. Lizenzrunde auf dem Norwegischen<br />

Kontinentalschelf teilgenommen.<br />

Das Norwegische Ministerium für Erdöl<br />

und Energie vergab im April 2011 die<br />

Produktionslizenz PL 597 in der Norwegischen<br />

See an die <strong>VNG</strong> Norge, die<br />

einen Anteil von 40 Prozent sowie die<br />

Betriebsführerschaft der Lizenz übernehmen<br />

wird. „Mit Zuteilung der neuen<br />

Produktionslizenz kann die <strong>VNG</strong> Norge<br />

bereits bei ihrer ersten Teilnahme an<br />

einer offenen Lizenzrunde einen Erfolg<br />

verzeichnen. Dass wir darüber hinaus<br />

als eine von 13 Gesellschaften eine Betriebsführerschaft<br />

erhalten haben, freut<br />

uns besonders. Es zeigt auch, dass die<br />

norwegischen Behörden auf die Kompetenz<br />

und Zuverlässigkeit von <strong>VNG</strong> Norge<br />

vertrauen“, so Michael Ludwig, Vorstand<br />

<strong>Gas</strong>beschaffung von <strong>VNG</strong>.<br />

4<br />

www.vng.no<br />

Foto: Jörg Singer<br />

Inbetriebnahme einer<br />

Ejektoranlage am Untergrund<strong>gas</strong>speicher<br />

Bernburg<br />

Am <strong>VNG</strong>-Untergrund<strong>gas</strong>speicher in Bernburg<br />

wurde Ende Juni 2011 eine Ejektoranlage<br />

feierlich in Betrieb genommen.<br />

Die in Zusammenarbeit von <strong>VNG</strong> mit<br />

der OAO Gazprom projektierte Anlage<br />

wird für die <strong>Gas</strong>speicherbefüllung eingesetzt.<br />

Die Nutzung der Ejektoranlage<br />

führt zur Erhöhung der Einspeiseleistung<br />

von <strong>Gas</strong> innerhalb eines hohen Druckbereiches<br />

bei gleichzeitiger Einsparung<br />

von Verdichterenergie. „Wir freuen uns,<br />

gemeinsam mit OAO Gazprom, erstmals<br />

diese Technologie auf unserem Untergrund<strong>gas</strong>speicher<br />

einzusetzen. Dadurch<br />

wird die Leistungsfähigkeit unserer Infrastruktur<br />

weiter gesteigert. Es ist geplant,<br />

zu den bisher projektierten Ejektoren in<br />

den nächsten Jahren zwei weitere zu<br />

errichten“, betonte Uwe Barthel, <strong>VNG</strong>-<br />

Vorstand Infrastruktur/Technik anlässlich<br />

der Inbetriebnahme. <strong>VNG</strong> betreibt<br />

derzeit in der Nähe von Bernburg in<br />

Sachsen-Anhalt einen Kavernenspeicher<br />

mit insgesamt 35 Kavernen und einem<br />

Arbeits<strong>gas</strong>volumen von fast 1,1 Mrd. m³.<br />

www.vng.de<br />

Grundstein für neuen<br />

Erd<strong>gas</strong>speicher Etzel gelegt<br />

Im Rahmen eines Frühlingsfestes fand im<br />

Mai 2011 die Grundsteinlegung für den<br />

Erd<strong>gas</strong>speicher Etzel (ESE) statt. Zu diesem<br />

Anlass hatte die E.ON <strong>Gas</strong> Storage<br />

(EGS) zusammen mit ihren Konsortialpartnern,<br />

<strong>VNG</strong> und dem österreichischen<br />

Energiekonzern OMV eingeladen. Bisher<br />

sind über 500.000 Arbeitsstunden in den<br />

Aufbau der Anlage aufgewendet worden.<br />

Der neue Kavernenspeicher hatein projektiertes<br />

Arbeits<strong>gas</strong>volumen von rund zwei<br />

Milliarden Kubikmetern. Dabei beträgt<br />

der Anteil von <strong>VNG</strong> am Arbeits<strong>gas</strong>volumen<br />

150 Millionen Kubikmeter. Geplant<br />

ist, dass der Speicher stufenweise von<br />

2012 bis 2014 in Betrieb geht. Der Erd<strong>gas</strong>speicher<br />

Etzel wird dann im Auftrag<br />

des Konsortiums durch die EGS technisch<br />

betrieben, dieVermarktung der jeweiligen<br />

Kapazitätsanteile an dem Speicher wird<br />

von den Partnern jedoch eigenständig<br />

vorgenommen.<br />

www.speicherportal.vng.de


<strong>VNG</strong> Aktuell<br />

Foto: FSU/Kasper<br />

<strong>VNG</strong> schließt Kooperationsvertrag<br />

mit der Friedrich-<br />

Schiller-Universität Jena<br />

Ende April 2011 schloss <strong>VNG</strong> mit dem<br />

Institut für Energiewirtschaftsrecht der<br />

Universität Jena einen Kooperationsver-<br />

trag. Ziel ist die dauerhafte Zusammenar-<br />

beit bei der Durchführung von Vortrags-,<br />

Seminar- und Weiterbildungsveran-<br />

staltungen, in der universitären Lehre,<br />

bei Praktika und in der Forschung. Im<br />

Rahmen der Kooperation ist außerdem<br />

geplant, <strong>VNG</strong> bei der Erfüllung ihrer<br />

Aufgaben als <strong>Gas</strong>versorgungsunter-<br />

nehmen wissenschaftlich zu begleiten.<br />

„Energiefragen sind hochaktuell und<br />

stehen im Fokus der Öffentlichkeit. Die<br />

Zusammenarbeit zwischen <strong>VNG</strong> und dem<br />

Energierechtsinstitut Jena ermöglicht es,<br />

praxisrelevante Fragestellungen wissen-<br />

schaftlich zu behandeln und Studenten<br />

für energierechtliche Themen zu interes-<br />

sieren“, betont Michael Ludwig, Vorstand<br />

<strong>Gas</strong>beschaffung bei <strong>VNG</strong>.<br />

www.rewi.uni-jena.de<br />

Foto: Dirk Brzoska<br />

<strong>VNG</strong> übernimmt Zeitungspatenschaften<br />

für Thüringer<br />

Grundschulen<br />

Im Rahmen ihres gesellschaftlichen<br />

Engagements in Thüringen hat <strong>VNG</strong> die<br />

Patenschaft für insgesamt 100 Abonnements<br />

der Thüringer Kinderzeitung<br />

„Meine Kleine“ übernommen. Die Abos<br />

wurden an Schulen in Waltershausen,<br />

Bad Langensalza, Östertal, Greiz und<br />

Zeulenroda übergeben. Die Zeitung,<br />

herausgegeben vom Thüringer Kinderzeitung<br />

e. V., richtet sich vor allem an<br />

Kinder im Vorschul- und Grundschulalter.<br />

Ziel des Vereins ist es, mit Hilfe eines<br />

regelmäßig erscheinenden, aktuellen<br />

Print<strong>medium</strong>s für Kinder und der kindgerechten<br />

Aufmachung von Informationen<br />

und Nachrichten den Auf- und Ausbau<br />

der Lesekompetenz zu fördern. „Mit diesen<br />

Patenschaften möchten wir unser<br />

gesellschaftliches Engagement hier in<br />

Thüringen unterstreichen. Wir sind uns<br />

der unternehmerischen Verantwortung<br />

gegenüber den Jüngsten in unserer Gesellschaft<br />

bewusst und leisten gern einen<br />

Beitrag für die Bildung der Kinder“,<br />

so Karel Schweng, Prokurist und Leiter<br />

der Erfurter Verkaufsdirektion von <strong>VNG</strong>.<br />

www.kinderzeitung-thueringen.com<br />

Foto: Dirk Brzoska<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

ONTRAS: Neue Produkte bei<br />

GATRAC<br />

Die von der ONTRAS – <strong>VNG</strong> <strong>Gas</strong>transport<br />

GmbH und NET4GAS initiierte deutschtschechische<br />

Kooperation GATRAC hat<br />

mit der GRTgaz Deutschland GmbH einen<br />

dritten europäischen Fern<strong>gas</strong>netzbetreiber<br />

hinzugewonnen. Transportkunden<br />

können seit Anfang Mai 2011 auch<br />

grenzüberschreitende Day-ahead-Kapazitäten<br />

am Punkt Waidhaus buchen. Die<br />

im Rahmen der Kooperation von GRTgaz<br />

Deutschland und NET4GAS angebotenen<br />

Produkte verbinden den Virtuellen<br />

Handelspunkt im Marktgebiet der Net-<br />

Connect Germany (NCG) mit dem Virtuellen<br />

Handelspunkt der Tschechischen<br />

Republik. Seit 6. Juni 2011 bietet GATRAC<br />

zudem auch ein unterbrechbares Kapazitätsprodukt<br />

am Grenzübergangspunkt<br />

Deutschneudorf/Hora Svaté Kateriny-<br />

Sayda an. Transportkunden können unterbrechbare<br />

gebündelte Kapazität über<br />

GATRAC bei ihrem organisierenden Fern<strong>gas</strong>netzbetreiber<br />

ONTRAS oder NET4GAS<br />

dann buchen, wenn bei ONTRAS keine<br />

feste Kapazität frei ist.<br />

www.gatrac.com<br />

5


Foto: Deutscher Bundestag / Arndt Oehmichen<br />

AKTUELL<br />

Energiepolitik Spezial<br />

6<br />

Die Energiewende ist mehr als der Atomausstieg<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> gibt einen Überblick über die im Juli 2011 durch Bundestag und<br />

Bundesrat beschlossenen Vorhaben bei der Energiegesetzgebung.<br />

Novelle des Atomgesetzes<br />

Biszum Ende des Jahres 2022 werden alle<br />

Kernkraftwerke abgeschaltet. Die bereits<br />

im März 2011 abgeschalteten acht Kraft-<br />

werke gehen nicht wieder ans Netz. Von<br />

diesen Atommeilern bislang nicht ver-<br />

brauchte Reststrommengen können aber<br />

auf andere Anlagen übertragen werden.<br />

Bis September 2011 soll die Bundesnetz-<br />

agentur entscheiden, ob eines der abge-<br />

schalteten Kernkraftwerke als sogenannte<br />

„kalte Reserve“ vorgehalten wird.<br />

Förderung der erneuerbaren Energien<br />

Der Anteil der Stromerzeugung aus er-<br />

neuerbaren Energien soll kontinuierlich<br />

erhöht werden und bis 2020 auf 35 %,<br />

bis 2030 auf 50%, bis 2040 auf 65% und<br />

bis 2050 auf 80% steigen. Zugleich soll<br />

derStromverbrauch biszum Jahr 2020 um<br />

10% sinken. Im Rahmen einer Novelle des<br />

Erneuerbare-Energien-Gesetzes(EEG) sol-<br />

len Offshore-Windparks und Geothermie<br />

stärker gefördert werden. Durch Ände-<br />

rungen des Baurechts soll der Neubau<br />

von Windkraftanlagen an Land sowie der<br />

Ersatz älterer Anlagen durch neue, leis-<br />

tungsstärkere erleichtert werden.<br />

Klima- und Energiefonds<br />

Ab 2012 fließen die Einnahmen aus dem<br />

Verkauf von CO 2 -Zertifikaten in den dafür<br />

eingerichteten Fonds. Die Bundesregie-<br />

rung rechnet nach Ausweitung des Zerti-<br />

fikatehandels ab 2013 mit jährlich rund<br />

drei Milliarden Euro Einnahmen. Ab 2013<br />

sollen Zuschüsse in Höhe von bis zu 500<br />

Millionen Euro jährlich an stromintensive<br />

Unternehmen zur Abfederung der Folgen<br />

durch die Energiewende gezahlt werden.<br />

Ausbau der Energienetze<br />

Die Bundesnetzagentur soll bei Höchst-<br />

spannungsleitungen von grenzüber-<br />

schreitender oder länderübergreifender<br />

Bedeutung die Raumverträglichkeit bun-<br />

deseinheitlich prüfen und in bestimmten<br />

Fällen die Planfeststellung übernehmen.<br />

Geregelt wird im Gesetz auch die Anbindung<br />

von Offshore-Windenergieanlagen<br />

im Meer und ausländischer Stromnetze.<br />

Energiewirtschaftsgesetz<br />

Neben strengeren Entflechtungsregeln für<br />

Transportnetze will die Bundesregierung<br />

mit der Novelle des EnWG Fristen beim<br />

Wechsel des Strom- und <strong>Gas</strong>anbieters<br />

kürzen. Zudem sollen Stromkunden, die<br />

mehr als 6.000 kWh im Jahr verbrauchen,<br />

zukünftig bei Neuanschlüssen „intelligente<br />

Zähler“ installieren, die die Kontrolle<br />

des Stromverbrauches erleichtern. Auch<br />

Stromrechnungen sollen aussagekräftiger<br />

werden. Zudem ist die Einrichtung einer<br />

Schiedsstelle geplant, die Streitigkeiten<br />

zwischen Kunden und Versorgern ausräumt.<br />

Klimaschutz in Städten und Gemeinden<br />

Die Bundesregierung gewährt den<br />

Kommunen größere Spielräume in der<br />

Planung örtlicher Klimaschutzmaßnahmen.<br />

Durch eine Klimaschutzklausel<br />

werden die Festsetzungsmöglichkeiten<br />

zum Einsatz und zur Nutzung erneuerbarer<br />

Energien sowie von Energien aus<br />

Kraft-Wärme-Kopplung erweitert. Zudem<br />

werden Sonderregelungen für die Windenergienutzung<br />

geschaffen und die Nutzung<br />

von Photovoltaikanlagen erleichtert.<br />

Energetische Gebäudesanierung<br />

Die von der Bundesregierung vorgesehene<br />

Förderung der Gebäudesanierung fand<br />

im Bundesrat keine Mehrheit. Das Gesetz<br />

kann damit nicht in Kraft treten. Ziel der<br />

Bundesregierung war es, die Mittel für die<br />

energetische Gebäudesanierungzunächst<br />

bis zum Jahr 2014 auf jährlich 1,5 Mrd.<br />

Euro aufzustocken. Zudem sollten Energiesparmaßnahmen<br />

an Gebäuden ab<br />

sofort leichter steuerlich absetzbar sein.


Energiepolitik Aktuell<br />

Foto: Dirk Brzoska<br />

Förderprogramm für<br />

<strong>Gas</strong>kraftwerke geplant<br />

Das Bundesmisterium für Wirtschaft und<br />

Technologie (BMWi) plant nach Aussa-<br />

ge von Staatssekretär Jochen Homann<br />

ein Förderprogramm für den Neubau<br />

konventioneller Kraftwerke aufzulegen.<br />

Über eine solche Förderung verhandle<br />

das Ministerium derzeit mit der EU-<br />

Kommission. Neben den bereits im Bau<br />

befindlichen <strong>Gas</strong>- und Kohlekraftwerken<br />

mit einer Leistung von 10.000 MW seien<br />

bereits im Jahr 2020 weitere Neubauten<br />

in gleicher Größenordnung erforderlich,<br />

so Homann bei einer Diskussion zur Ener-<br />

giegesetzgebung mit Abgeordneten der<br />

CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Darüber<br />

hinaus kündigte er eine Novelle des Ge-<br />

setzes zur Förderung der Kraft-Wärme-<br />

Kopplung für das Jahresende 2011 an.<br />

www.bmwi.de<br />

Foto: Dirk Brzoska<br />

BMWi will Bioerd<strong>gas</strong> im<br />

Markt etablieren<br />

Das Bundesministerium für Wirtschaft<br />

und Technologie (BMWi) sieht großen politischen<br />

Handlungsbedarf, um Bioerd<strong>gas</strong><br />

als wichtigen Energieträger der Zukunft<br />

voranzubringen und im Markt zu etablieren.<br />

Das betonte FrankBonaldo, Leiter des<br />

Referats Energiepolitische Fragen der nationalenundinternationalenMineralöl-und<br />

<strong>Gas</strong>märkte sowie Krisenvorsorge, in Vertretung<br />

des Bundeswirtschaftsministers<br />

Dr. Philipp Rösler bei der Abschlusskonferenz<br />

der Veranstaltungsreihe „Bio<strong>gas</strong>plattform<br />

2011“. Der Ordnungsrahmen<br />

solle so gestaltet werden, dass Bioerd<strong>gas</strong><br />

diskriminierungsfrei im fairen Wettbewerb<br />

mit anderen regenerativen Energieträgern<br />

in allen Verwendungsformen zum Einsatz<br />

kommen kann. Dies gelte auch für den<br />

Wärmemarkt. Bei der Überarbeitung des<br />

Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetzes<br />

(EEWärmeG) werde man die Verwendung<br />

von Bioerd<strong>gas</strong> in moderner Brennwerttechnik<br />

auch bei einer Einbeziehung des<br />

Wohnungsbestandesdiskriminierungsfrei<br />

ermöglichen.<br />

www.bio<strong>gas</strong>rat.de<br />

Foto: EU<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Entwurf der EU-Energieeffizienzrichtlinie<br />

vorgelegt<br />

Die EU-Kommission will das Energie-<br />

sparen durch Vorgaben zum Sanieren<br />

von öffentlichen Gebäuden, Privathäu-<br />

sern und Unternehmen weiter voran-<br />

treiben. EU-Energiekommissar Günther<br />

Oettinger stellte dazu den Entwurf für<br />

eine Energieeffizienzrichtline vor, der<br />

den EU-Staaten aufgibt, pro Jahr drei Pro-<br />

zent des öffentlichen Gebäudebestandes<br />

zurenovieren.DerzeitliegtdieseRatenach<br />

Kommissionsangaben bei 1,5 Prozent. In<br />

der Gebäudesanierung schlummert laut<br />

EU-Kommission eines der größten Poten-<br />

ziale, um das Ziel einer um 20 Prozent<br />

verbesserten Energieeffizienz in Europa<br />

bis 2020 zu erreichen. Der Entwurf sieht<br />

dazu eine Reihe weiterer Maßnahmen vor,<br />

darunter die Verpflichtung der Versorger<br />

zu häufiger versandten und ausführliche-<br />

ren Strom- und <strong>Gas</strong>rechnungen. So sollen<br />

die Kunden aufStromfresser aufmerksam<br />

werden und ihre Verbrauchsgewohnhei-<br />

ten überdenken.<br />

www.ec.europa.eu/energy<br />

7


AKTUELL<br />

Energiepolitik Aktuell<br />

Foto: Christoph Busse<br />

Energieminister beraten<br />

langfristige Perspektiven der<br />

europäischen Energiepolitik<br />

Im Juni 2011 haben sich die EU-Energie-<br />

minister im Ministerrat mit den Themen<br />

Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz,<br />

Kernenergiesicherheit und den Langfrist-<br />

perspektiven der europäischen Energie-<br />

politik befasst. Zum Vorschlag für eine<br />

Verordnung zur Integrität und Transpa-<br />

renz der Energiegroßhandelsmärkte sind<br />

die Verhandlungen weit vorangeschrit-<br />

ten. Mit der Verordnung sollen Verbote<br />

für Marktmissbrauch und Insiderhandel<br />

auf den Energiegroßhandel erstreckt<br />

werden. Weiterhin schlug die EU-Kom-<br />

mission im Rahmen eines EU-Energieeffi-<br />

zienzplans Maßnahmen vor, damit die EU<br />

ihr Ziel, die Energieeffizienz bis zum Jahr<br />

2020 um 20 Prozent zu steigern, tatsäch-<br />

lich erreicht. Darüber hinaus diskutierte<br />

man die Notwendigkeit des Ausbaus der<br />

Energieinfrastruktur in Europa.<br />

8<br />

www.consilium.europa.eu<br />

Foto: Dirk Brzoska<br />

Überarbeitung der Kooperationsvereinbarung<br />

zum Netzzugang<br />

<strong>Gas</strong> verabschiedet<br />

Der Bundesverband der Energie- und<br />

Wasserwirtschaft (BDEW), der Verband<br />

kommunaler Unternehmen (VKU) und<br />

der europäische Verband der unabhängigen<br />

privaten und öffentlichen Stromund<br />

<strong>Gas</strong>verteilerunternehmen (GEODE)<br />

haben die Überarbeitung der Kooperationsvereinbarung<br />

zum Netzzugang <strong>Gas</strong><br />

verabschiedet. In die überarbeitete Vereinbarung<br />

sind zahlreiche Regelungen<br />

eingeflossen, die einen transparenten,<br />

diskriminierungsfreien, effizienten und<br />

massengeschäftstauglichen Netzzugang<br />

zu angemessenen Bedingungen<br />

weiter verbessern. Durch die vorgenommene<br />

weitreichende Standardisierung<br />

der Verträge, die die Netzbetreiber mit<br />

den Marktteilnehmern über den Netzzugang<br />

abschließen, sollen die Prozesse<br />

zum Transport von Erd<strong>gas</strong> und Bioerd<strong>gas</strong><br />

durch die Transportleitungen der<br />

verschiedenen Netzbetreiber insbesondere<br />

für bundesweit tätige Netznutzer<br />

erheblich erleichtert werden.<br />

www.bdew.de<br />

Foto: Uwe Steinbrich/pixelio<br />

Internationale <strong>Gas</strong> Union<br />

verabschiedet Deklaration<br />

Mit einer Initiative will die Internationale<br />

<strong>Gas</strong> Union (IGU) den Nutzen des Energieträgers<br />

Erd<strong>gas</strong> für eine kohlenstoffarme<br />

Wirtschaft offensichtlicher machen.<br />

„Erd<strong>gas</strong> ist vor allem in Anbetracht der<br />

finanziellen Lage öffentlicher Haushalte<br />

eine verfügbare Lösung, die die beiden<br />

Pole Klimawandel und Energiesicherheit<br />

verbindet“, betonte Datuk Rahim Hashin,<br />

Präsident der IGU. Erd<strong>gas</strong> sei sauber, aus<br />

einer Vielzahl von Quellen über Pipelines<br />

und LNG ausreichend verfügbar und der<br />

perfekte Partner für die erneuerbaren<br />

Energien. Insbesondere der Einsatz der<br />

Erneuerbaren mache eine verlässliche<br />

Komplementärenergie unabdingbar,<br />

heißt es in einer gemeinsamen Erklärung<br />

von 33 hochrangigen Vertretern der <strong>Gas</strong>industrie<br />

aus insgesamt 17 Ländern. Die<br />

IGU ist eine globale Organisation zur Förderung<br />

der technischen und wirtschaftlichen<br />

Entwicklung der <strong>Gas</strong>wirtschaft.<br />

www.igu.org


Energiewirtschaft Aktuell<br />

Foto: GASPOOL<br />

GASPOOL und Aequamus<br />

fusionieren<br />

GASPOOL und Aequamus legen ihre<br />

Marktgebiete zusammen. Zum 1. Okto-<br />

ber 2011 entsteht ein neues qualitäts-<br />

übergreifendes Marktgebiet unter dem<br />

Namen GASPOOL. Zu diesem Zweck<br />

werden die beiden Gesellschaften Ae-<br />

quamus GmbH und GASPOOL Balan-<br />

cing Services GmbH verschmolzen. Das<br />

neue Marktgebiet GASPOOL wird rund<br />

400 <strong>Gas</strong>netze verbinden und somit etwa<br />

die Hälfte des deutschen <strong>Gas</strong>marktes<br />

abdecken. Im Vorfeld der Fusion erhält<br />

die GASPOOL Balancing Services GmbH<br />

eine neue Geschäftsführung. Bereits<br />

am 1. Juni 2011 hat Dr. Dirk Bessau sein<br />

Amt als Geschäftsführer angetreten. Zu<br />

einem späteren Zeitpunkt wird Stefan<br />

Müller-Reinisch die Geschäftsführung<br />

komplettieren. Die bisherigen GASPOOL-<br />

Geschäftsführer Ingrid Peters, Dr. Ulf<br />

Kreienbrock und Ludger Hümbs wenden<br />

sich nun wieder ihren Hauptaufgaben in<br />

den Mutterhäusern zu.<br />

www.<strong>gas</strong>pool.de<br />

Foto: Militzer & Kollegen GmbH<br />

Primärkapazitätsplattform<br />

startet am 16. August 2011<br />

Die erste Version der Plattform zur Versteigerung<br />

von <strong>Gas</strong>transportkapazitäten<br />

ist fertig. Ab dem 16. August 2011 können<br />

auf ihr die ersten primären Transportkapazitäten<br />

versteigert werden. Ab dem<br />

1. August 2011 können sich Netznutzer<br />

registrieren. Über die Plattform wird jeder<br />

der zwölf Netzbetreiber für Jahres-,<br />

Quartals- und Monatsprodukte nach einem<br />

festgelegten Auktionskalender feste<br />

Kapazitäten versteigern. Betreiber der<br />

neuen Auktionsplattform für <strong>Gas</strong>kapazitäten<br />

ist die Leipziger trac-x Transport<br />

Capacity Exchange GmbH, die bislang<br />

eine Plattform für Sekundärvermarktung<br />

von Erd<strong>gas</strong> im europäischen <strong>Gas</strong>fernleitungs-<br />

und <strong>Gas</strong>verteilernetz betreibt.<br />

www.trac-x.de<br />

Foto: B.KWK<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Berthold Müller-Urlaub neuer<br />

Präsident des B.KWK<br />

Auf seiner letzten Mitgliederversammlung<br />

wählte der Bundesverband Kraft-<br />

Wärme-Kopplung (B.KWK) einen neuen<br />

Vorstand und ein neues Präsidium. Neuer<br />

Präsident ist Berthold Müller-Urlaub, der<br />

in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender<br />

der Energiegemeinschaft Halle/<br />

Saale e.V. angetreten war. Der 58-jährige<br />

Diplomkaufmann begann seine Karriere<br />

in der Industrie und war hier unter anderem<br />

in leitenden Positionen für MAN und<br />

AEG tätig. Seit 1994 ist er Vorsitzender<br />

Geschäftsführer der Energie Versorgung<br />

Halle (EVH). Zu neuen Vizepräsidenten<br />

wählte der Vorstand Heinz Ullrich Brosziewski<br />

(beta), Hagen Fuhl (Senertec)<br />

und Prof. Dr. Martin Maslaton (Rechtsanwaltskanzlei<br />

Maslaton).<br />

www.bkwk.de<br />

9


MARKT<br />

10


Eisenhüttenstadt und ArcelorMittal<br />

Einer der Eingänge zum Areal von ArcelorMittal.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Der Stahl macht<br />

Werk und Stadt<br />

Ziel unserer Exkursion ist die im Ostbrandenburgischen, am<br />

Oder-Spree-Kanal gelegene Stadt und speziell das diesen<br />

lebensraum prägende Unternehmen ArcelorMittal Eisenhüt-<br />

tenstadt, ein erfolgreiches und leistungsstarkes Mitglied der<br />

ArcelorMittal Gruppe, dem größten Stahlkonzern der Welt.<br />

Das Werk wird seit 1991 von <strong>VNG</strong> mit Erd<strong>gas</strong> versorgt.<br />

von Helmut Rosan, freier Redakteur | Fotos Christian Schneider<br />

Es ist ein Wiedersehen und Déjà-vu-Erlebnis der besonderen<br />

Art. Vor 11 Jahren besuchte ich schon einmal das damals<br />

als EKO Stahl GmbH (ehemals Eisenhüttenkombinat Ost) fir-<br />

mierende Unternehmen und war überaus stark beeindruckt<br />

von den vielfältigen technischen Anlagen und nicht zuletzt<br />

von der enormen Flächenausdehnung. Daran hat sich nichts<br />

geändert, etliches Neue ist indes dazu gekommen. Das ge-<br />

samte Industrieareal beträgt 12 Quadratkilometer, das von<br />

ArcelorMittal dominierte 8,8 Quadratkilometer. Ohne die vom<br />

Pressesprecher Jürgen Schmidt übermittelte Anfahrtkarte<br />

hätten wir den Sitz der Geschäftsführung wohl nur unter größ-<br />

ten Mühen gefunden. Jedenfalls konnte das Informationsge-<br />

spräch bei Jürgen Schmidt pünktlich beginnen.<br />

Schmidt beschreibt den Stahlkonzern so: „ArcelorMittal<br />

ist der weltgrößte Stahlerzeuger sowie globaler Marktführer<br />

für Stahllieferungen in die Automobil-, Bau-, Haushaltsgerä-<br />

te- und Verpackungsindustrie. Diese Führungsposition wird<br />

durch das ständige Streben nach forschungs- und entwick-<br />

lungsfundierter Spitzentechnologie gefestigt. Die Gruppe<br />

verfügt außerdem über umfangreiche konzerneigene Roh-<br />

stoffvorkommen sowie ein ausgedehntes Vertriebsnetz und<br />

gewährleistet somit sowohl Nachhaltigkeit als auch Wert-<br />

schöpfung entlang der gesamten Lieferkette.<br />

11


MARKT<br />

Zahlen und Fakten für das Jahr 2010<br />

Produktion in Mio. Tonnen<br />

Roheisen 1,7 (2009: 1,3)<br />

Rohstahl 2,0 (2009: 1,5)<br />

Warmband 1,4 (2009: 1,1)<br />

Flachstahl 1,2 (2009: 1,1)<br />

Umsatz in EUR 1,1 Mrd. (2009: 809 Mio.)<br />

Belegschaft 2413 ( 2009: 2489)<br />

12<br />

Die Präsenz von ArcelorMittal in über zwanzig europäischen,<br />

asiatischen, afrikanischen und amerikanischen Ländern gibt<br />

dem Konzern direkten Zugang zu den Hauptabsatzmärkten in<br />

den Industrie- und Schwellenländern, einschließlich der großen<br />

Wachstumsmärkte China und Indien.“<br />

Die Erholung der Weltwirtschaft nach der Krise ist 2010 weiter<br />

voran gekommen. Nach den Verlusten im Jahr 2009 beendete<br />

ArcelorMittal das Jahr 2010 mit einem Gewinn von 2,9 Mrd. Dol-<br />

lar. Der Umsatz stieg dabei um gut ein Viertel auf 78 Mrd. Dol-<br />

lar. Grund für die Verbesserung war vor allem ein Anstieg des<br />

Absatzes um 22 Prozent auf 85 Mio. Tonnen.<br />

Auf den hiesigen Standort bezogen ergänzt Jürgen Schmidt:<br />

„Als größter industrieller Entwicklungskern in Ostbrandenburg<br />

sind etwa 2.400 gut ausgebildete Mitarbeiter bei ArcelorMittal<br />

Eisenhüttenstadt beschäftigt. Mit ca. 200 Ausbildungsplätzen,<br />

überwiegend für technische Berufe, ist das Unternehmen eine<br />

der wichtigsten Ausbildungsstätten der Region. Für ArcelorMit-<br />

tal Eisenhüttenstadt sind gesellschaftliche Verantwortung in<br />

allen Bereichen der Unternehmenstätigkeit und gemeinwohl-<br />

orientierte Aktivitäten seit Jahren gelebte Realität.<br />

ArcelorMittal Eisenhüttenstadt steht für Flexibilität, Zuver-<br />

lässigkeit und Qualität. Als zuverlässiger Anbieter hochwerti-<br />

ger Güter und Serviceleistungen hat sich unser Unternehmen<br />

bei seinen Kunden einen hervorragenden Ruf erworben. Zu<br />

unseren Kunden zählen namhafte Unternehmen. Ein bedeu-<br />

tender Absatzbereich ist die Automobilindustrie. Hochwertige<br />

oberflächenveredelte Karosseriebleche aus Eisenhüttenstadt<br />

findet man in vielen Automarken ( Audi, VW, BMW, Opel, Skoda,<br />

Toyota, Fiat, Citroën, Peugeot, Suzuki).“<br />

Das Eisenerz kommt heute aus Brasilien, Schweden und Nor-<br />

wegen, aber auch wieder aus Russland und der Ukraine. Koks<br />

und Kalk kommen nach wie vor aus Polen. Das Erd<strong>gas</strong> von <strong>VNG</strong><br />

wird vor allem in den Öfen im Kaltwalzwerk, den Verzinkungs-<br />

anlagen und im Warmwalzwerk eingesetzt.<br />

Firmengeschichte<br />

Werk und Stadt begingen im Jahr 2010 ihr 60jähriges Jubiläum.<br />

Erst war der Stahl, dann kam die Stadt. Es sind Geschwister,<br />

sogar Zwillinge. Mit unverkennbarem Stolz erklärt Jürgen<br />

Schmidt: „Im Juni 1950 beschloss die DDR-Führung den Bau<br />

des Eisenhüttenkombinates Ost (EKO) und einer Wohnstadt bei<br />

der Kleinstadt Fürstenberg, eines der ungewöhnlichsten Kapitel<br />

deutscher Industriegeschichte nahm damit seinen Anfang.<br />

Die Entwicklung des Stahlproduzenten an der Oder ist eine<br />

sehr wechselvolle und spannende Unternehmensgeschichte.<br />

Sie wurde von Menschen geschrieben, die oft ihr ganzes Leben<br />

‚ihrem EKO‘ gewidmet haben. Das Besondere an diesen Menschen<br />

ist, dass sie im Kampf um das Leben und Überleben des<br />

Unternehmens niemals aufgaben.<br />

Mit diesen Menschen konnte das Werk alle Herausforderungen<br />

meistern. ArcelorMittal Eisenhüttenstadt, das ist heute<br />

nicht nur das Herz einer aufstrebenden Industrieregion, das ist<br />

inzwischen ein international anerkannter Begriff für Leistungsfähigkeit<br />

und Qualität, ein starkes Mitglied im weltgrößten<br />

Stahlkonzern.“<br />

Aus der Firmengeschichte, die sich übrigens sehr detailliert<br />

auf der Internetpräsentation (www.arcelormittal-ehst.com) des<br />

Unternehmens nachlesen lässt, seien im Folgenden einige herausragende<br />

Daten und Ereignisse genannt.<br />

28. Juni 1968<br />

Das Kaltwalzwerk nimmt die Produktion von Blechen und<br />

Bändern auf: Bis Ende 1962 existierte noch immer kein verbindlicher<br />

Beschluss über den weiteren Ausbau des EKO. Trotz<br />

zahlreicher Konsultationen von Experten und intensiver Gespräche<br />

auf höchster Ebene war es nicht gelungen, zwischen<br />

der UdSSR und der DDR Einvernehmen über die Perspektiven<br />

der DDR-Metallurgie zu erzielen.<br />

Mit der Inbetriebnahme des Kaltwalzwerkes begann für das<br />

EKO eine neue Etappe. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde lediglich<br />

Roheisen produziert, jetzt kamen hochwertige Stahlprodukte<br />

hinzu. Kaltgewalzte Bleche und Bänder aus Eisenhüttenstadt<br />

wurden nun zu einem begehrten Produkt im In- und Ausland.<br />

Januar bis Oktober 1974<br />

Moderne Anlagen zur Oberflächenveredlung von Blechen werden<br />

in Betrieb genommen: Die Herstellung von kaltgewalzten,<br />

oberflächenveredelten Blechen und Bändern gehörte Anfang<br />

der 1970er Jahre zu den Aufgaben, die eine besondere Förderung<br />

erfuhren. Für das Eisenhüttenkombinat stand deshalb das<br />

Investitionsvorhaben oberflächenveredelte Konstruktionsbleche


<strong>Gas</strong>tfreundliche Experten: Pressesprecher Dipl.-Ing. Jürgen Schmidt (re.) und unser Begleiter Gerald Zocher (li.).<br />

mit den Ausbaustufen Verzinkung, Kunststoffbeschichtung, Pro-<br />

filierung an erster Stelle.<br />

7. März 1984<br />

Bei EKO nimmt eines der modernsten Konverterstahlwerke Eu-<br />

ropas den Betrieb auf.<br />

Eisenhüttenstadt verfügte nun über eines der modernsten<br />

Stahlwerke Europas. Jedoch verursachte der noch immer nicht<br />

geschlossene metallurgische Zyklus enorme Verluste. Der Bau<br />

des geplanten Warmwalzwerkes wurde 1987 abgebrochen.<br />

16. Mai 1990<br />

AlsUnternehmen derTreuhandanstalt wird EKOStahl eine Aktiengesellschaft<br />

und beginnt seinen Weg in die Marktwirtschaft. Mit<br />

der Sanierungskonzeption, dem Zukunfts- und Personalkonzept,<br />

war von 1990 bis 1991 ein komplexes Unternehmenskonzept der<br />

EKO Stahl <strong>AG</strong> entstanden, das nun als strategische Grundlage<br />

für eine erfolgreiche Privatisierung dienen konnte.<br />

22. Dezember 1994<br />

Die EKO Stahl GmbH wird durch die belgische Gruppe Cockerill<br />

Sambre privatisiert. Am 22. Dezember 1994 unterzeichneten<br />

Cockerill Sambre und die Treuhandanstalt den Vertrag zur Privatisierung<br />

der EKO Stahl GmbH.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

2. April und 22. Juli 1997<br />

Mit der Inbetriebnahme des Hochofens 5A und des Warmwalzwerkes<br />

wird die technische Restrukturierung umgesetzt und der<br />

metallurgische Zyklus am Standort geschlossen.<br />

Mit der erfolgreichen Privatisierung stand EKO Stahl vor einer<br />

weiteren Herausforderung: Das von der Europäischen Kommission<br />

genehmigte Investitionsprogramm zur weiteren Modernisierung<br />

und zum Ausbau des Unternehmens musste umgesetzt<br />

werden. Dies umfasste Instandsetzungsarbeiten, vor allem in<br />

der Rohstahlproduktion, die Modernisierung der Sinter- und<br />

Kaltwalzanlagen sowie des Kraftwerkes, die Errichtung eines<br />

neuen hochmodernen Hochofens und einer modernen Warmbreitbandanlage.<br />

Nach nur 22 Monaten Bauzeit erfolgte am 2. April 1997 der<br />

technologische Start am Hochofen 5A. Größtes Projekt im Investitionszeitraum<br />

1995 bis 1997 war die Errichtung des Warmwalzwerkes.<br />

Am 1. Juli begann der Probebetrieb und schon am<br />

22. Juli 1997 fand nach nur 16 Monaten Bauzeit der offizielle<br />

Festakt zur Inbetriebnahme des Warmwalzwerkes statt.<br />

1999 – Neue Perspektiven bei USINOR<br />

Nach der Übernahme von Cockerill Sambre durch den französischen<br />

Stahlkonzern USINOR Anfang 1999 wurde EKO Stahl<br />

im Rahmen der Konzernstrategie in erster Linie für den deutschen<br />

Markt und strategisch für den Aufbau einer verstärkten<br />

13


MARKT<br />

Kleine Details des großen Warmwalzwerkes. Auf einer mehrere 100 m langen Strecke werden in einem komplizierten technischen Prozess Bleche gewalzt.<br />

Marktpräsenz in den Ländern Osteuropas zuständig. Industriell<br />

orientierte sich EKO auf die Produktion von hochwertigem und<br />

oberflächenveredeltem Flachstahl.<br />

14<br />

Mit der Inbetriebnahme der zweiten Verzinkungsanlage am<br />

10. Dezember 1999 gelang es, den hohen Ansprüchen der Auto-<br />

mobilkunden in punkto Oberflächenqualität, Umformbarkeit und<br />

Korrosionsverhalten Rechnung zu tragen und die Marktanteile<br />

vor allem in diesem Segment zu erweitern.<br />

2006 – Fusion von Arcelor und Mittal Steel<br />

Als im Juni 2006 der Arcelor Verwaltungsrat der Fusion mit Mittal<br />

Steel zustimmt, entsteht der mit Abstand größte Stahlhersteller<br />

der Welt. Im September 2006 besucht der Präsident des neuen<br />

Verwaltungsrates Lakshmi Mittal überraschend Eisenhütten-<br />

stadt. Unter dem Dach der neuen Gruppe agiert Arcelor Eisen-<br />

hüttenstadt – wie das Unternehmen seit Juni 2006 kurzzeitig<br />

hieß – ab 2007 weiterhin als ArcelorMittal Eisenhüttenstadt<br />

erfolgreich auf den Märkten – insbesondere denen im Osten.<br />

Der Lieferumfang nach Osteuropa steigt auf 48 Prozent.<br />

2009 – Bewältigung der schweren Wirtschaftskrise<br />

Die von der Krise der Finanzmärkte ausgelöste Rezession ver-<br />

ursacht erstmals seit 1946 einen Rückgang der Weltwirtschaft.<br />

Auch die Stahlproduzenten können sich aufgrund des starken<br />

Rückgangs der Nachfrage dieser Krise nicht entziehen. Die<br />

Situation auf den Absatzmärkten führt auch bei ArcelorMittal<br />

Eisenhüttenstadt zu einem massiven Produktions- und Absatz-<br />

rückgang. Die Rohstahlproduktion muss im ersten Halbjahr 2009<br />

im Vergleich zum Vorjahrszeitraum um 53 % gesenkt werden. Der<br />

Flachstahlabsatz reduziert sich um 29 %. In allen Produktions-<br />

bereichen kommt es zu Stillständen, die von Kurzarbeit begleitet<br />

sind. Der Hochofen I wird 2009 nicht in Betrieb genommen, der<br />

Bau der Verzinkungsanlage 3 vorübergehend gestoppt.<br />

Impressionen<br />

Nach den Kerndaten der Firmengeschichte nun einige kurze Informationen<br />

über unseren <strong>Gas</strong>tgeber.<br />

Dipl.-Ing. Jürgen Schmidt, der seit 1993 im Unternehmen beschäftigt<br />

ist, agiert seit 2001 als Pressesprecher. Er vertritt seine<br />

Firma mit spürbarer Leidenschaft und enormer Sachkenntnis.<br />

Der 55-jährige Schmidt kommt aus Magdeburg, wo er an der<br />

dortigenTechnischen UniversitätMaschinenbau undTechnologie<br />

studiert hat. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter und eines<br />

Sohnes, die beide schon erwachsen sind. Seine Hobbys sind<br />

Fußball und Aquaristik.<br />

Für die folgende, fast drei Stunden lange Besichtigung des Industrieareals<br />

hat Jürgen Schmidt für einen brillant sachkundigen<br />

Begleiter samt PKW gesorgt.<br />

Unser Betreuer Gerald Zocher, 67, ist den größten Teil seines<br />

Lebens der Stadt und dem Werk eng verbunden, wo er 1958


Blick in Verzinkungsanlage. Beim Verzinken wird Stahl mit einer dünnen Schicht Zink versehen, um ihn vor Korrosion zu schützen.<br />

als Lehrling begann. Der überaus rüstige Rentner arbeitet noch<br />

immer sehr gern als ehrenamtlicher Delegationsbegleiter. Den<br />

beiden Männern sei hier ausdrücklich für ihre herzliche <strong>Gas</strong>t-<br />

freundschaft gedankt.<br />

Der Fotograf ist nachgerade außer sich vor Begeisterung über<br />

die Vielfalt der möglichen Bildmotive; wäre es nach ihm gegan-<br />

gen, hätte auch die doppelte Zeit nicht ausgereicht.<br />

Außer der bereits genannten großen Flächenausdehnung (hier<br />

gibt es weitere rund 60 Firmen mit etwa 3.000 Mitarbeitern)<br />

beeindrucken die riesigen Produktionshallen mit modernster<br />

Technik. Trotz teilweiser starker Hitze herrscht überall Ordnung<br />

und Sauberkeit. Die Mitarbeiter, denen wir begegnen, geben uns<br />

freundliche Auskunft und machen einen kompetenten Eindruck.<br />

Sie sind mit vollem Recht sichtlich stolz auf ihre Arbeit.<br />

Eisenhüttenstadt<br />

In Eisenhüttenstadt, das gegenwärtig ca. 30.000 Einwohner<br />

zählt, mündet der Oder-Spree-Kanal in die Oder. Die Stadt an<br />

der Grenze zu Polen liegt etwa 25 km südlich von Frankfurt (Oder),<br />

25 km nördlich von Guben und 110 km von Berlin entfernt.<br />

1950 wurde der Beschluss zum Bau des Eisenhüttenkombinats<br />

Ost (EKO) und einer Wohnstadt bei Fürstenberg (Oder) gefasst.<br />

Fürstenberg selbst wurde bereits 1225 gegründet.<br />

1953 wurde die neue Stadt Stalinstadt genannt und zählte<br />

2.400 Einwohner. Eisenhüttenstadt gilt somit als die erste „sozi-<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

alistische“ Stadt der DDR und ist als reine Planstadt entstanden.<br />

1961 wurden die Städte Fürstenberg mit dem Ortsteil Schönfließ<br />

und Stalinstadt zu Eisenhüttenstadt zusammengeschlossen,<br />

um im Rahmen einer letztlich halbherzigen Entstalinisierung<br />

den unerwünscht gewordenen Namen zu tilgen.<br />

Mit dem Werk wächst die Stadt, die 1989 immerhin 53.000<br />

Einwohner zählte. Die Häuser, erbaut in Karrees mit sehr viel<br />

Grün undSpielplätzen, beherbergenvergleichsweise großzügige,<br />

ja komfortable und vor allem preisgünstige Wohnungen, die für<br />

das kleine Land beispielhaft und hoch begehrt waren. Es gibt<br />

sieben sogenannte Wohnkomplexe, die auch an verschiedenen<br />

Baustilen gutzu unterscheiden sind. Der ursprüngliche Stadtkern<br />

ist denkmalgeschützt und wurde aufwändig saniert.<br />

Etliche Veranstaltungsorte stehen für die Kultur: das Friedrich-<br />

Wolf-Theater, die kleine Bühne, die Freilichtbühne, die städtischen<br />

Museen. Dazu gehören auch das Kulturzentrum, die<br />

Stadtbibliothek, das Dokumentationszentrum „Alltagskultur der<br />

DDR“, der Klub Marchwitza sowie eine vielschichtige Vereinslandschaft.<br />

Das beachtliche Kulturangebot, das heutzutage in<br />

der gängigen Kommunalpolitik leider keine so große Rolle mehr<br />

spielt, ergänzt den Anspruch als attraktiven Wirtschaftsstandort<br />

mit einer hohen Lebensqualität. Auch das Engagement Arcelor-<br />

Mittals für Kunst und Kultur unterstreicht dies nachhaltig.<br />

Stahl macht Werk und Stadt. Logisch auch: Werk macht Stahl<br />

und Stadt. Auf jeden Fall machen sich Werkund Stadt sehr gut.<br />

15


MARKT<br />

Marktpartnerkooperation<br />

Ein Kraftwerk im Keller?<br />

In der neuen Serie „Marktpartnerkooperationen“ stellen wir Akteure vor, die als unsere „Marktpartner im<br />

Wärmemarkt“ ihr Know-how über Erd<strong>gas</strong> und dessen positive Eigenschaften an ihre Kunden weitergeben.<br />

Zu Besuch bei einem Beratungsgespräch mit Wolfgang Borz, SHK-Handwerker aus Bad Klosterlausnitz.<br />

von Janet Schönfeld, freie Redakteurin<br />

Fotos Christian Schneider<br />

16<br />

Wolfgang Borz ist Geschäftsführer der<br />

Borz Heizungs-, Lüftungs- und Sanitär-<br />

technik GmbH. Seit 1928 hat die Firma<br />

ihren Sitz in dem kleinen Städtchen<br />

Bad Klosterlausnitz in Thüringen. Er und<br />

seine achtzehn Mitarbeiter bieten maß-<br />

geschneiderte Lösungen für Wohn- und<br />

Gewerbebauten. Der SHK-Fachbetrieb<br />

saniert derzeit dreißig Wohnungen im<br />

Objektgeschäft, das heißt im Auftrag von<br />

Wohnungsbaugenossenschaften. Als<br />

„Marktpartner im Wärmemarkt“ von <strong>VNG</strong><br />

berät Wolfgang Borz seine Kunden auch<br />

in Fragen der Kraft-Wärme-Kopplungstech-<br />

nik. Die Borz GmbH agiert hauptsächlich<br />

im Umkreis von hundert Kilometern, aber<br />

auch im Münchner Raum, in Frankfurt am<br />

Main und Köln. Oder nur einen Steinwurf<br />

vom Firmensitz entfernt – im Keller des<br />

Einfamilienhauses von Günter Litzke.<br />

Der Hausherr will seine technisch ver-<br />

altete Ölheizung auf <strong>Gas</strong> umstellen.<br />

Sie ist eine von etwa vier Millionen Hei-<br />

zungsanlagen in Deutschland, die durch<br />

moderne, energiesparende Wärmetech-<br />

nik ersetzt werden müssten. Jahr für Jahr<br />

kommen 300.000 Heizungen hinzu, die<br />

die maximale Altersgrenze von 25 Jahren<br />

überschreiten.<br />

„Unsere Anlage ist knapp zwanzig Jahre<br />

alt“, meint Litzke, „durch die steigenden<br />

Energiepreisemussicheinfachumdenken.<br />

Ich könnte mir ein Mikro-BHKW vorstellen<br />

oder auch eine <strong>Gas</strong>-Wärme-Pumpe.“ Für<br />

eine intensive Beratung braucht Wolfgang<br />

Borz Informationen aus dem Gebäudebe-<br />

stand. Wie hoch ist der Energieverbrauch<br />

des Einfamilienhauses? Welche Geräte<br />

hat der Haushalt im Einsatz? Haben die<br />

Fenster schon Isolierverglasung? Sind<br />

die Fassade und die Heizungsrohre im<br />

Keller gedämmt? Die überdimensionier-<br />

te Umwälzpumpe der Heizung läuft mit<br />

einer hohen Drehzahl und sorgt dafür,<br />

dass ständig warmes Wasser zwischen<br />

Heizkessel und Heizkörpern zirkuliert.<br />

Ein stiller Stromfresser, vergleichbar mit<br />

einem Kühlschrank. „Dieses Einfamilien-<br />

haus verbraucht in etwa 3.500 bis 4.000<br />

Liter Heizöl im Jahr. Wenn man hochrech-<br />

net, entspricht das etwa 35.000 Kilowatt-<br />

stunden. Bei solchen Energieverbräuchen<br />

bietet sich eine Anlage an, die auch sel-<br />

ber Strom erzeugt, also ein <strong>Gas</strong>motor als<br />

BHKW in Einheit mit dem Pufferspeicher<br />

Wolfgang Borz<br />

und dem Spitzenlastgerät als Brennwert-<br />

gerät“, rät Borz, „auch eine Kombination<br />

von <strong>Gas</strong> und Solar wäre denkbar.“ Machen<br />

müsse man in jedem Fall etwas. Borz zeigt<br />

auf die Heizkreispumpe und das Über-<br />

strömventil, mittlerweile alles technisch<br />

überholt. „So, wie die Wärmeverteilung<br />

in dem Wohnhaus hier noch ist, kann man<br />

das gar nicht mehr bauen.“<br />

Der Fachmann schlägt eine Kraft-Wärme-<br />

Kopplungstechnik (KWK) von Vaillant vor,<br />

bei der durch die Verbrennung von Erd<strong>gas</strong><br />

Strom für den eigenen Bedarf produziert<br />

wird. Die dabei entstehende Wärme wird<br />

zurWarmwasseraufbereitungundzumHei-<br />

zen genutzt. Zusätzlich wird mechanische<br />

Energie bereitgestellt, die einen Genera-<br />

tor antreibt, der wiederum Strom erzeugt.<br />

Diese Eigenproduktion verringert den not-


Wolfgang Borz im Beratungsgespräch mit Günther Litzke.<br />

wendigen Strombezug und senkt die Energiekosten.<br />

„Bis zu dreißig Prozent weniger<br />

Primärenergie sind möglich“, sagt Borz,<br />

„und die CO -Emissionen gehen über die<br />

2<br />

Hälfte zurück.“ Kein unwesentlicher Fakt.<br />

Denn die Betreiber von KWK-Anlagen erhalten<br />

Investitionszuschüsse im Rahmen<br />

des CO -Gebäudesanierungsprogramms<br />

2<br />

von der Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />

(KfW). Hinzu kommen Energiesteuerbefreiungen<br />

und Vergütungen für nicht direkt<br />

genutzten Strom, der in das Netz der lokalen<br />

Energieversorger eingespeist wird. Als<br />

zertifizierter Fachhandwerker kann Wolfgang<br />

Borz seinem Kunden zusätzlich das<br />

Programm Kraftpaket.plus anbieten: Mit<br />

Hilfe der bereitgestellten Herstellerprogramme<br />

würde im Vorfeld unkompliziert<br />

eine objektbezogene Wirtschaftlichkeitsberechnung<br />

durchgeführt, und wenn<br />

Günther Litzke sich für ein Mikro-BHKW<br />

entscheidet, wird für ihn eine Aktionsprämie<br />

reserviert. Momentan haben die<br />

Litzkes nur ein Problem, ein entscheidendes:<br />

Es gibt noch keinen <strong>Gas</strong>anschluss.<br />

Die Anfrage bei der Netzgesellschaft ist<br />

gestellt. Die Borz Heizungs-, Lüftungs- und<br />

Sanitärtechnik GmbH ist einer von rund<br />

50.000 Fachbetrieben in Deutschland. Als<br />

Mitglied der Innung Saale-Holzland-Kreis<br />

und des FachverbandesSHKThüringen ist<br />

die Firma schon lange ein Marktpartner<br />

von <strong>VNG</strong>. Die Kompetenz zu den neuen<br />

Technologien eignet sich Wolfgang Borz<br />

bei den von <strong>VNG</strong> initiierten Marktpartnergesprächen<br />

an, die mittlerweile zum 18.<br />

Mal stattfanden. Ein Forum von Architekten,<br />

Planern, Gebäudeeigentümern, dem<br />

SHK-Handwerk und der <strong>Gas</strong>wirtschaft.<br />

„Beim Thema stromerzeugende Heizung<br />

haben wir dadurch einen großen Wissensvorsprung.Wir<br />

sind mitderTechnikin ihren<br />

Entwicklungsstufen vertraut, noch bevor<br />

diese überhaupt auf den Markt kommt.<br />

Wir können so unsere Leute frühzeitig zu<br />

Schulungsmaßnahmen schicken und sind<br />

optimal vorbereitet, wenn es an die Installation<br />

geht“, resümiert Borz das kürzlich<br />

besuchte Marktpartnergespräch in Halle.<br />

Unter der Überschrift „Chancen gemeinsam<br />

nutzen“ hatten auch zehn Hersteller<br />

von Mikro-KWK-Technologien ihre Exponate<br />

ausgestellt. SHK-Handwerker und Planer<br />

erhielten in einem praxisbezogenen<br />

Gedankenaustausch Informationen aus<br />

erster Hand zum Entwicklungsstand, zu<br />

Möglichkeiten der Installation, zu Perspektiven,<br />

Vertrieb und Kosten. „Der Infor-<br />

Ansprechpartner bei <strong>VNG</strong><br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

mationsaustausch mit den verschiedenen<br />

Marktpartnern ist für uns sehr wichtig. Wir<br />

profitieren als Betrieb direkt davon, weil<br />

wir unsere Kunden dadurch fachlich kompetent<br />

beraten können.“<br />

Seine Firma favorisiert die Heizungsumstellung<br />

im Erd<strong>gas</strong>bereich, weil sie<br />

vorwiegend im Gebäudebestand arbeitet<br />

und dort der Wärmebedarf höher ist als<br />

bei einem Neubau, der sich im Niedrigenergiebereich<br />

bewegt. Außerdem sei die<br />

Entwicklung bei <strong>Gas</strong>geräten am weitesten<br />

fortgeschritten. Im Vergleich zu anderen<br />

Brennstoffen könne dort die Energie am<br />

effizientesten eingesetzt werden, so Borz.<br />

Die Litzkes sind schon jetzt von den Vorteilen<br />

der neuen Erd<strong>gas</strong>-KWK-Anlage überzeugt.<br />

„Sobald der <strong>Gas</strong>anschluss gelegt<br />

ist, werden die Öltanks entsorgt. Dann haben<br />

wir eine neue Heizung und auch noch<br />

Platz für eine neue Sauna im Keller.“<br />

www.verbundnetzplus.de<br />

Klaus-Dieter Grumm<br />

Verkaufsleiter Marktpartnerbetreuung<br />

Tel. +49 341 443-2903 | Fax +49 341 443-2922<br />

klaus-dieter.grumm@vng.de<br />

17


MARKT<br />

Fotos Michael Fahrig<br />

Herr Bareiß, in derVergangenheit war Energiepolitikausschließlich<br />

etwas für Spezialisten, heute beschäftigt sich auch der<br />

Endverbraucher mit energiepolitischen Fragen. Welchen Stellenwert<br />

schreiben Sie dem Thema Energiepolitik zukünftig zu?<br />

Das Spannende an der Energiepolitik ist, dass wir unglaublich<br />

viele Technologien und Innovationen haben und dass diese<br />

Bereiche zentraler Bestandteil unserer Wirtschaftspolitik sind.<br />

Insofern werden energiepolitische Rahmenbedingungen in Zukunft<br />

noch eine wesentlich größere Rolle spielen.<br />

Wenn wir die kommenden zwei Jahrzehnte betrachten, stellt<br />

sich die Frage, woher die Wachstumsimpulse in Deutschland<br />

kommen. Die Energiepolitiksehe ich hier in einer zentralen Funktion.<br />

So muss die Politik auch ein verstärktes Augenmerk darauf<br />

legen, die Energiewirtschaft in die Lage zu versetzen, auf die<br />

bestehenden Herausforderungen reagieren zu können.<br />

18<br />

Die Welt wird in den nächsten Jahrzehnten einen enormen<br />

Energiehunger erleben. Allein in den nächsten 15 Jahren wird<br />

der weltweite Energiebedarf um 40 bis 50 Prozent zunehmen.<br />

Das heißt, die Nation, die es schafft, die besten Technologien<br />

anzubieten, um diesen Energiehunger auf einer nachhaltigen<br />

Basis zu stillen, wird auch die besten Arbeitsplätze und Unter-<br />

nehmen im Land haben.<br />

Das klingt fast so, als wäre Energiepolitik gleichbedeutend mit<br />

Wirtschafts- und Technologiepolitik?<br />

Energiepolitik besitzt natürlich zusätzlich auch eine erhebliche<br />

sozialpolitische Komponente. Wir müssen stets darauf achten,<br />

dass ein Normalbürger sich seine Energieversorgung auch leisten<br />

kann. Dies gilt im Übrigen auch für die Industrie. Und auch<br />

hier geht es wieder um Arbeitsplätze. Im Mittelpunkt unserer


Neue Serie<br />

Arbeit steht daher das energiepolitische Zieldreieck mit einem<br />

Dreiklang aus Umweltverträglichkeit,Versorgungssicherheit und<br />

Wirtschaftlichkeit.<br />

Sie setzten sich für die Schaffung eines Energieministeriums<br />

ein. Was bringt dies für Vorteile mit sich?<br />

Derzeit ist die Energiepolitik auf sechs verschiedene Ressorts<br />

verteilt. Wir haben bereits über die zentrale Rolle von Energiepolitik<br />

gesprochen. Um ernstgenommen zu werden, müssen wir<br />

zukünftig die Interessen bündeln und im energiepolitischen Bereich<br />

mit einer Stimme sprechen. Dies vor allem auch gegenüber<br />

der EU. Es kann nicht sein, dass der Bundeswirtschaftsminister<br />

und der Bundesumweltminister in Brüssel zwei unterschiedliche<br />

Sprachen sprechen.<br />

Thomas Bareiß vor dem Paul-Löbe-Haus. Hier befindet sich sein Abgeordnetenbüro. Das Parlamentsgebäude<br />

ist zugleich Startpunkt der Erd<strong>gas</strong>-Tour durch Berlin.<br />

Zur Person Thomas Bareiß<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Das <strong>VNG</strong>-Hauptstadtgespräch<br />

Teil 1: Karl Krüger im Gespräch mit Thomas Bareiß, Mitglied des Deutschen Bundestages<br />

und energiepolitischer Koordinator der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.<br />

„Wir fahren mit Erd<strong>gas</strong>“. Diese Antwort werden die Abgeordneten des Deutschen<br />

Bundestages nun häufiger hören, wenn die Frage nach Art der Motorisierung der<br />

neuen Fuhrpark-Fahrzeuge aufkommt. Denn seit Juni 2011 werden 37 erd<strong>gas</strong>betrie-<br />

bene Mercedes E-200 im Fuhrpark des Bundestages eingesetzt. Der Einsatz dieser<br />

Fahrzeuge reduziert nicht nur die CO 2 -Emissionen erheblich. Auch die Feinstaubbe-<br />

lastung ist im Vergleich zu Dieselfahrzeugen deutlich geringer.<br />

Dies nehmen wir zum Anlass, um im „<strong>medium</strong> <strong>gas</strong>“ eine neue Serie zu starten.<br />

Der leiter Energiepolitik bei <strong>VNG</strong>, Karl Krüger, fährt mit einem politischen Ent-<br />

scheider zu beliebten Plätzen der Hauptstadt. Dort sprechen beide über ein breit<br />

gefächertes Themenspektrum rund um Energie, Umwelt, Mobilität. Anschließend<br />

geht es mit der Erd<strong>gas</strong>-E-Klasse zum nächsten Termin.<br />

Sind die Interessenlagen der angesprochenen Ressorts nicht<br />

so divergierend, dass sie sich gar nicht bündeln lassen?<br />

Wenn wir die Wende im Energiebereich schaffen wollen, müssen<br />

wir diese Bündelung hinbekommen. Priorität Nummer eins liegt<br />

auf dem Ausbau erneuerbarer Energien. Das bedingt, dass wir<br />

auch im Leitungsbau schneller vorankommen müssen. Um dies<br />

zu erreichen, kann es auch dazu kommen, dass Dinge wie der<br />

geboren am 15. Februar 1975 in Albstadt-Ebingen (Baden-Württemberg)<br />

Dipl.-Betriebswirt (BA) | 1999–2005 Leiter Controlling und Organisation<br />

beim Textilunternehmen SANETTA Gebrüder Ammann GmbH & Co. KG<br />

seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages (Wahlkreis Zollernalb –<br />

Sigmaringen) | seit 2010 Beisitzer im Fraktionsvorstand und Koordinator<br />

für Energiepolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion<br />

19


MARKT<br />

Entlang des Spreebogens, südlich des Berliner Hauptbahnhofs, geht es zum Berliner Zollpackhof, einem beliebten Biergarten im Parlamentsviertel.<br />

Landschaftsschutz zukünftig auch einmal hinten anstehen.<br />

Entscheidend ist die sichere und klimaschonende Energiever-<br />

sorgung des Landes. Genau dort könnte das Energieministerium<br />

sehr wichtige Dienste leisten.<br />

Früher ging es der Politik vordringlich um günstige Preise.<br />

Heute spricht man nur noch von „Bezahlbarkeit“. Wie werden<br />

sich die Preise zukünftig verändern?<br />

Der Kernkraftausstieg bedeutet zugleich, dass wir auf andere<br />

Energieträger umsteigen müssen. Das werden die fossilen<br />

Energieträger, aber auch verstärkt die Erneuerbaren sein. Die<br />

erneuerbaren Energien sind derzeit noch nicht marktfähig und<br />

müssen deshalb zunächst weiterhin unterstützt werden. Diese<br />

Übergangsphase müssen wir gestalten. Daraus werden auch<br />

Wettbewerbsvorteile entstehen, die eine herausragende Bedeutung<br />

für den Wirtschaftsstandort Deutschland besitzen.<br />

Aber klar ist: Energie wird in den nächsten Jahren teurer.<br />

MERCEDES-BENZ E 200 NGT BlueEFFICIENCY<br />

Technische Informationen<br />

Hubraum 1.796 ccm | leistung 163 PS | Höchstgeschwindigkeit 224 km/h<br />

Beschleunigung (0–100 km/h) 10,4 s | Getriebe 5-Gang | Automatikschaltung<br />

| leergewicht 1.735 kg | Verbrauch (l/100km) 11,5l (innerorts), 6,1l<br />

(außerorts), 8,1 l (kombiniert) | CO 2 -Ausstoß 132 g/km<br />

20<br />

In der Solarbranche wurden insbesondere durch staatliche<br />

Förderung zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen. Welche Bedeutung<br />

hat die Solarenergie im Energiemix der Zukunft?<br />

Wir haben bei der Förderung der Erneuerbaren einen großen<br />

Fehler gemacht. Wir haben vergessen, die notwendigen Speicher<br />

zu entwickeln. Die Photovoltaik macht nur im Zusammenspiel<br />

mit Speichern Sinn. Derzeit gibt es noch keine Speicher,<br />

d. h. derzeit ist die Photovoltaik nicht der Energieträger, der<br />

unseren Energiebedarf decken kann. Deswegen halte ich die<br />

enormen Zubauraten in diesem Umfang auch nicht mehr für<br />

akzeptabel. Wir müssen in die Bereiche investieren, bei denen<br />

wir auch Potenziale haben. Das sind die Windenergie aber auch<br />

die Biomasse.<br />

Kurz noch einmal zurück zum Thema Regulierung und Markt.<br />

Kann es hier gelingen, ein Gleichgewicht herzustellen? Das<br />

heißt, so viel Markt wie möglich und so viel Regulierung wie<br />

nötig?<br />

Wir müssen schauen, dass wir die erneuerbaren Energien in<br />

den nächsten Jahren stärker in den Markt bekommen. Gleichzeitig<br />

müssen wir unseren Blick auf herkömmliche Energieträger<br />

richten, denn diese stehen bereits im Markt. Hier setzen wir<br />

insbesondere auf den Einsatz von <strong>Gas</strong>kraftwerken, die den großen<br />

Vorteil besitzen, flexibel auf mögliche Fluktuationen in der


<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Vor der Kulisse des Bundeskanzleramts diskutieren Karl Krüger und Thomas Bareiß über den Stellenwert von Energiethemen im politischen Alltagsgeschäft.<br />

Stromversorgung reagieren zu können. Aber auch diese Kraftwer-<br />

ke müssen im Markt platziert werden. Daher bedarf es an dieser<br />

Stelle eines besseren Investitionsklimas. Deshalb muss auch<br />

überlegt werden, wie ein neues Marktdesign geschaffen werden<br />

kann, dass den Wettbewerb auf dem Energiemarkt stärkt und<br />

genügend Investitionen in <strong>Gas</strong>- und Kohlekraftwerke zulässt.<br />

Im Verkehrssektor konzentriert sich die Bundesregierung<br />

mit der Elektromobilität auf eine einzige Technologieform.<br />

Wäre es nicht ratsam, Energieeffizienzziele in den Fokus zu<br />

stellen und die Zielerreichung technologieoffen zu gestalten?<br />

In der Tat steht die E-Mobilität im Fokus der Politik. Technolo-<br />

gieoffenheit ist aber ein sehr wichtiges Thema und spielt nicht<br />

nur im Bereich Mobilität eine zentrale Rolle.<br />

Andere Antriebe wie zum Beispiel Erd<strong>gas</strong> als Kraftstoff müs-<br />

sen in ihrer Bedeutung weiter gestärkt werden. Wir müssen<br />

stets im Hinterkopf behalten, dass individuelle Mobilität – auch<br />

global gesehen – enorm an Bedeutung zunehmen wird. Diese<br />

Bedeutungszunahme kann mit Sicherheit nicht allein durch<br />

Elektrofahrzeuge gestillt werden. Darüber hinaus besitzt die<br />

deutsche Automobilindustrie auch global einen herausragen-<br />

den Stellenwert. Die Zukunft dieser Branche ist auch mit der<br />

Frage der Technologieoffenheit eng verknüpft.<br />

In der Öffentlichkeit nimmt man aber nur dasThema E-Mobilität<br />

wahr.<br />

Der Mensch ist in seiner Natur eher statisch. Wir müssen daher<br />

auch bestimmte Technologien puschen, sowohl in der Politik<br />

als auch in der Wirtschaft. Wie bereits gesagt, halte ich eine<br />

technologieoffene Herangehensweise für sinnvoll. Gerade mit<br />

Blick auf die Erd<strong>gas</strong>technologie lässt sich der Entwicklungssprung<br />

erkennen. Dieser Antrieb ist heute schon marktreif<br />

und braucht keine staatliche Förderung. Darüber hinaus spart<br />

Erd<strong>gas</strong> als Kraftstoff eine Menge CO . Hier gilt es, vermehrt<br />

2<br />

das Bewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen, um diese<br />

Technologie noch bekannter zu machen. Mit dem Einsatz von<br />

Erd<strong>gas</strong>fahrzeugen im Fuhrpark des Bundestages setzt die Politik<br />

auch hier ein Zeichen.<br />

Herzlichen Dank für das Gespräch.<br />

21


SCHWERPUNKT<br />

Reportage<br />

Wind, Sonne und Bio<strong>gas</strong> –<br />

mit Erd<strong>gas</strong> der Energiemix der Zukunft.<br />

Für Jochen Flasbarth, dem Chef des Umweltbundesamtes, gibt es keinen Zweifel mehr an Sinn und Möglichkeit einer<br />

zielstrebigen Umstellung der Energieversorgung auf regenerative Quellen. In vierzig Jahren, so der frühere Chef des<br />

Naturschutzbundes Deutschland (NABU), sei ein Wandel auch noch über den von der Bundesregierung angestrebten Wert<br />

von 80 Prozent möglich, verkündete Flasbarth während eines Kolloquiums am Umweltforschungszentrum in leipzig. Das<br />

Ausschöpfen der Effizienzpotenziale, lastenmanagement in Industrie und dem privaten Bereich, Investitionen in Erzeugung<br />

von Windstrom, Solartechnik und die anderen erneuerbaren Quellen und der Ausbau von Netzen und Speichern setzt<br />

Flasbarth dabei voraus. Wobei er allen möglichen schön klingenden und zeitweilig ernsthaft diskutierten Ideen wie die der<br />

Batterien einer Elektro-Auto-Flotte oder Pumpspeicherwerken eher eine ergänzende Rolle zuweist: „Es geht in der notwendigen<br />

Größenordnung nur mit solarem oder aus der Windkraft gewonnenem Methan“, sagt der UBA-Chef. Mehr noch: Nur<br />

das riesige Erd<strong>gas</strong>netz und die in Deutschland wie auch in den Nachbarländern vorhandenen unterirdischen <strong>Gas</strong>speicher<br />

können die Energie-Schwankungen bei Wind und Sonne ausgleichen.<br />

von Martin Hainbucher, freier Redakteur<br />

Fotos Christian Schneider<br />

Schon heute hat das <strong>Gas</strong>netz in Deutschland Speicherkapazitäten<br />

von 200 Terrawattstunden, das ist ein Drittel des Jahresbedarfs,<br />

haben die Mitarbeiter von Flasbarth errechnet,<br />

wobei die Speicherkapazitäten seit Jahren kontinuierlich weiter<br />

wachsen. Die 47 Kavernenspeicher allein in Deutschland mit<br />

einem Speichervolumen von 21 Milliarden Kubikmetern werden<br />

zudem ständig erweitert.<br />

Das mit überschüssigem Strom aus thermo-solaren Wüstenkraftwerken<br />

oder den Windparks elektrolytisch aufgespaltene<br />

Wasser lässt sich mit Kohlendioxid zu Methan umwandeln, was<br />

chemisch dem Erd- oder auch aufbereiteten Bio<strong>gas</strong> entspricht.<br />

Und das könnte sowohl in Deutschland oder sogar aus den<br />

sonnenscheinreichen Staaten importiert und in den vorhandenen<br />

Pipelines gemeinsam mit dem noch für Jahrzehnte notwendigem<br />

Erd<strong>gas</strong> in fast jeden Winkel des Landes transportiert<br />

werden. Wenn Windräder oder die Sonne mehr Strom liefern,<br />

als verbraucht wird, produzieren sie künstliches Erd<strong>gas</strong>. Viele<br />

neue Höchstspannungsleitungen wären damit überflüssig.<br />

Denn überschüssiger Strom kann unmittelbar in der Nähe der<br />

Windräder oder Solarkraftwerke in gut transportfähiges <strong>Gas</strong><br />

umgewandelt werden – und das <strong>Gas</strong>leitungsnetz in Deutschland<br />

ist sehr engmaschig. Der benötigte Strom lässt sich dann<br />

22<br />

in wind- und sonnenschwachen Zeiten in <strong>Gas</strong>kraftwerken<br />

klimaneutral und zugleich auch dezentral dort erzeugen, wo<br />

Abnehmer für Strom und Wärme konzentriert sind. Zukunftsund<br />

Wunschdenken – oder doch eine Vision, die gar nicht so<br />

utopisch ist?<br />

Bio<strong>gas</strong> ergänzt Erd<strong>gas</strong> im Netz<br />

Dr. Tilman Werner schaut recht zufrieden auf seine 15 Meter<br />

hohen Fermenter, Nachgärer und die silbernen Kolonnen. Der<br />

Gruppenleiter Energiedienstleistungen bei der DREW<strong>AG</strong> ist<br />

verantwortlich für den Neubau einer großen Bio<strong>gas</strong>anlage in<br />

Mittelsachsen, unmittelbar an der Bundesautobahn A14. Im Juli<br />

werden hier die Substrate mit Gülle vermischt, dann beginnen<br />

die Bakterien ihr Werk. Wenn alles wie erwartet läuft, sollen<br />

dann ab August 2011 stündlich rund 1.400 Kubikmeter Bio<strong>gas</strong><br />

entstehen, was nach der Reinigung rund der Hälfte Bioerd<strong>gas</strong><br />

entspricht. „Wir speisen das in das Erd<strong>gas</strong>netz ein und sorgen<br />

damit dafür, dass einerseits CO aus dem natürlichen Kreislauf<br />

2<br />

genutzt werden kann und andererseits unsere Kunden auch<br />

mit einem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien versorgt<br />

werden können“, sagt der Dresdner.<br />

Sein Vertragspartner für die Einspeisung sieht den Tag der<br />

ersten in das Mitteldrucknetz strömenden Kubikmeter Bioerd<strong>gas</strong><br />

gelassen. „Für ein <strong>Gas</strong>netz sind das vergleichsweise kleine<br />

Mengen, sieht man einmal von sehr verbrauchsschwachen


<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Bio<strong>gas</strong> aus Pflanzenresten will die DREW<strong>AG</strong> in Mittelsachsen ab dem Spätsommer in einer für 15 Millionen Euro gebauten neuen Anlage erzeugen und nach<br />

der Aufbereitung in das Erd<strong>gas</strong>netz der ONTRAS einspeisen.<br />

Sommertagen ab“, erklärt Frank Jachmann, Projektleiter bei<br />

<strong>VNG</strong>. Im Vertrag sei klar geregelt, welche Qualität das Bioerd<strong>gas</strong><br />

haben müsse, damit es mit dem im Leitungsnetz vorhandenen<br />

Energieträger zusammen passe. Nach der Wäsche enthält Bioerd<strong>gas</strong><br />

mindestens 96 Prozent Methan und werde auf 25 bar<br />

Druck komprimiert, bevor es über eine knapp einen Kilometer<br />

lange Stichleitung in das Netz der ONTRAS eingespeist wird.<br />

„Die Kunden spüren keinen Unterschied bei den Eigenschaften,<br />

das können wir garantieren“, sagt Jachmann.<br />

Die Technik ist zuverlässig und auch nicht sonderlich aufwändig,<br />

wenngleich einige Dinge beachtet werden müssen.<br />

So vertragen die Bakterienstämme einen abrupten Wechsel<br />

ihres „Energiefutters“ nicht, so dass möglichst ein konstanter<br />

Nachschub aus Mais- und Grünsilage sowie Gülle gesichert werden<br />

muss. Dafür haben die Betreiber langfristige Verträge mit<br />

Lieferanten geschlossen, die alle im näheren Umkreis sitzen.<br />

„Mehr als 20 Kilometer sollten die Transportwege nicht lang<br />

sein“, sagt Dr. Werner. 15 Millionen Euro hat die DREW<strong>AG</strong> in<br />

die Bio<strong>gas</strong>anlage Hasslau investiert, Geld, das sich langfristig<br />

auszahlen wird. „Wir sehen das aber erst als einen Anfang, wir<br />

arbeiten bereits mit dem Fraunhofer-Institut für Keramische<br />

Technologien und Systeme (IKTS) daran, hier auch schwierigere<br />

Substrate nutzen zu können oder den Durchsatz zu erhöhen“,<br />

so der DREW<strong>AG</strong>-Experte. Auch über eine Kombination der Bio<strong>gas</strong>anlage,<br />

in der nahezu reines C0 aus der Reinigung des<br />

2<br />

Roh<strong>gas</strong>es anfällt, mit einer Wind<strong>gas</strong>anlage werde mittelfristig<br />

zu entscheiden sein. „Wir sehen auch, dass es unbedingt effiziente<br />

und leistungsstarke Speicher für die Erneuerbaren geben<br />

muss“, sagt Dr. Werner.<br />

Wird Bio<strong>gas</strong> direkt in einem Blockheizkraftwerk in Strom und<br />

Wärme gewandelt, wie es derzeit vor allem bei vielen kleineren<br />

und mittelgroßen Anlagen in Deutschland erfolgt, so laufen<br />

diese Anlagen meist im Grundlastbetrieb, um die hohen Investitionskosten<br />

zu rechtfertigen. Die Anlage in Hasslau produziert<br />

zwar ebenfalls rund um die Uhr Bio<strong>gas</strong>, doch der Umweg über<br />

das Erd<strong>gas</strong>netz lässt die Energie in Anlagen nutzbar werden,<br />

die im Netz mit Regelenergie die Schwankungen ausgleichen.<br />

Etwa in modernen <strong>Gas</strong>kraftwerken, die sich aufgrund ihrer<br />

Technologie und Größe besonders gut für die Kraft-Wärme-<br />

Kopplung eignen und sich bei Bedarf schnell hochfahren lassen.<br />

Unter den neuen Prämissen, das bestätigt auch Dr. Anke<br />

Tuschek, Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie<br />

und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW), wird mit dem Ausstieg aus<br />

der Kernenergie dem <strong>Gas</strong> eine neue Rolle zufallen. „Erd<strong>gas</strong> ist<br />

der natürliche Partner der erneuerbaren Energien, es hat die<br />

geringsten CO -Emissionen unter den fossilen Energieträgern<br />

2<br />

und es gibt weltweit noch sehr reichliche Vorkommen“, so die<br />

Energieexpertin. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften<br />

und Rohstoffe (BGR) hat in einer Studie von 2009 die Reichweite<br />

der konventionellen nutzbaren Erd<strong>gas</strong>vorräte auf 188<br />

23


SCHWERPUNKT<br />

Steffen und Ines Eller aus Schkeuditz sind stolze Besitzer einer der ersten <strong>Gas</strong>-Wärmepumpen, die Sonnenenergie nutzt.<br />

Billionen Kubikmeter geschätzt – mehr als je zuvor und bei ei-<br />

nem Verbrauch auf heutigem Niveau ausreichend für mehr als<br />

60 Jahre. Dazu komme, dass Erd<strong>gas</strong> sich auch als Treibstoff etwa<br />

für Fahrzeuge eigne und in modernen Heizsystemen besonders<br />

hohe Wirkungsgrade bei einem geringen CO 2 -Ausstoß liefere.<br />

„Die Kraft-Wärme-Kopplung in einem Blockheizkraftwerk oder<br />

die Verbindung einer Brennwerttherme mit einem Solarkollektor<br />

auf dem Dach sind heute technisch ausgereifte Systeme mit sehr<br />

hoher Energieeffizienz“, so Dr. Tuschek.<br />

<strong>Gas</strong>therme nutzt zusätzlich Sonnenenergie<br />

Steven Eller ist mächtig stolz auf sein Eigenheim. Als er das<br />

Siedlungshaus in Schkeuditz vor knapp drei Jahren bei einer<br />

Zwangsversteigerung günstig erwarb, hat er das damals lange<br />

leer stehende Haus vom Keller bis zum Dach saniert. Besonders<br />

wichtig waren ihm und seiner Frau Ines eine hohe Wärmedäm-<br />

mung nach den KfW-Richtlinien für Energiesparhäuser und eine<br />

möglichst effiziente Heizung. Schließlich arbeitet Eller bei einem<br />

Energiedienstleister – da weiß man besonders gut, was das für<br />

die Zukunft bedeutet.<br />

24<br />

Die Ellers hatten Glück, die Firma Vaillant suchte damals gerade<br />

Referenzstandorte für ihre Weltneuheit in Sachen Hausheizung:<br />

Eine solar gekoppelte Wärmepumpe mit <strong>Gas</strong>- Brennwerttechnik –<br />

so die etwas sperrige Beschreibung. Eller zeigt im Keller gern das<br />

kleine Heizwerk, das äußerlich nicht viel anders aussieht, als<br />

viele andere Heizungen: Ein kühlschrankgroßer heller Metall-<br />

kasten, viele Rohre, Messgeräte und der 300-Liter-Wassertank.<br />

Drei Flachkollektoren auf dem Dach liefern Wärme in den Keller.<br />

Dort sorgt im Kessel ein sogenannter Zeolith dafür, dass aus der<br />

im Winter nur geringen Sonnen-Wärme ein Wohlbehagen bei den<br />

Bewohnern werden kann: Das Hightech-Mineral sorgt durch die<br />

Aufnahme von Feuchtigkeit für einen Wärmeüberschuss. Die <strong>Gas</strong>-<br />

brennwerttherme trocknet dann den Zeolith wieder. 20 Prozent<br />

weniger Energieverbrauch verspricht Vaillant für die inzwischen<br />

am Markt befindliche Hightech-Heizung. Steven Eller ist mitt-<br />

lerweile sicher, sich richtig entschieden zu haben. Die jüngste<br />

Jahresabrechnung der Stadtwerke Schkeuditz wies lediglich ei-<br />

nen Verbrauch von 11.000 kWh und einen Betrag von 828 Euro<br />

auf. Und das, obwohl Familie Eller es durchaus wohlig warm<br />

mag und der Winter 2010 um fast zwei Grad kälter war, als der<br />

langjährige Durchschnitt. „Ich finde es schon toll, wenn man mit<br />

einer <strong>Gas</strong>therme die Sonne so intelligent anzapfen kann, dass<br />

man Umwelt und Geldbeutel schont. Und das, ohne auf Komfort<br />

verzichten zu müssen“, meint Eller.<br />

Windkraft füllt Tanks und Erd<strong>gas</strong>netz<br />

Noch ein Stück weiter in die Zukunft der <strong>Gas</strong>wirtschaft blickt<br />

Michael Wenske. Anfang der 1990er Jahre bereits hatte er sich<br />

mit einer auf Wasserstoff-Elektrolyse spezialisierten Firma zu-<br />

nächst selbstständig gemacht. Heute pendelt er seit Monaten


Stromnetz 3 Windkraftanlagen<br />

2 Blockheizkraftwerke<br />

Fernwärme<br />

Strom<br />

Wärme<br />

Strom Strom<br />

variable Mischung<br />

Mischventile<br />

Bio<strong>gas</strong><br />

Wasserstoff<br />

Bio<strong>gas</strong>-Speicher<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Wasserstofferzeugung<br />

Wasserstoff<br />

Wasserstoffspeicher<br />

Wasserstoff<br />

Kraftstoffe<br />

Mit der Wasserstoff-/Methanerzeugung lassen sich zeitweilig anfallende große Energiemengen aus Sonne und Wind im Erd<strong>gas</strong>netz speichern. Bei Flaute und<br />

sonnenschwachen Jahreszeiten sorgen dann <strong>Gas</strong>kraftwerke für zusätzliche Power im Netz. Grafik: Römer<br />

im Auftrag des Energieunternehmens Enertrag zwischen Berlin<br />

und einem Acker in der Nähe von Prenzlau hin und her. „Wir<br />

errichten hier das erste Hybridkraftwerk der Welt, das sowohl<br />

Windenergie als auch Bio<strong>gas</strong> nutzt. Aus einem Teil dieser Energie<br />

stellen wir mit einem eigens konstruierten Elektrolyseur<br />

Wasserstoff her“, erzählt der Elektroingenieur, als sei das die<br />

normalste Sache der Welt. Das Gerät spaltet ganz normales<br />

Wasser mittels zugeführter Energie chemisch auf – in hochenergetischen<br />

Wasserstoff und Sauerstoff.<br />

Er leitet inzwischen den Bereich Wasserstofftechnik bei der<br />

Enertrag und sorgt dafür, dass die containergroße Anlage möglichst<br />

bald eine Leistung von bis zu 600 kW bringt – im Herbst<br />

soll alles funktionieren. Es ist nicht weniger, als das Herzstück<br />

des gesamten Hybridkraftwerks, denn hier wird eine der wohl<br />

zukunftsträchtigsten Speicher- und Puffertechnologien erstmals<br />

in einer solchen Größe getestet und kommerziell genutzt. „Es<br />

wird schon sehr lange über eine effiziente Speichertechnologie<br />

geredet, aber wir können damit nicht ewig warten“, sagt Wenske.<br />

Die Windkraft stößt gerade in Brandenburg, wo sie reichlich an-<br />

fällt, aber nur wenig Verbraucher sind, schon heute an Grenzen,<br />

weil sie entweder bei Flaute fehlt oder die Netze an die Leistungs-<br />

grenzen bringt.Wenn hier keine Pufferspeicher installiertwerden,<br />

müssen immer häufiger die Windräder notabgeschaltet werden,<br />

das kostet dann sowohl dem Verbraucher über den Strompreis<br />

zusätzlich Geld wie auch den Windstromerzeuger.<br />

Die Alternative bringt jedoch der Wind ebenfalls mit: Mit Hilfe<br />

seiner Energie lässt sich aus Wasser Wasserstoff herstellen,<br />

ein brennbares <strong>Gas</strong> mit hoher Energiedichte. 3,54 kWh liefert<br />

rechnerisch der Normkubikmeter, den man verdichten und bei<br />

Bedarf sogar in Methan, also dem chemischen Äquivalent zum<br />

Erd<strong>gas</strong>, umwandeln kann.<br />

Bei Prenzlau liefern die drei Windturbinen der Enertrag mit<br />

ihren jeweils zwei Megawatt Leistung genug Strom, um neben<br />

der Netzeinspeisung über ein eigenes Kabel die Elektrolyse<br />

anzutreiben. Auch die Bio<strong>gas</strong>anlage liefert über zwei Blockheiz-<br />

kraftwerke Energie und kann windschwache Zeiten zumindest<br />

teilweise ausgleichen. Mit 700 kW elektrischer Leistung reicht<br />

auch ihre Power, um die Wasserspaltung fortzuführen. Das H 2<br />

wird zunächst in drei Tanks mit einer Kapazität von 1.300 kg<br />

zwischen gelagert. Der Energiekonzern Total wird den Brenn-<br />

stoff zu einer Tankstelle in Berlin-Schönefeld transportieren, wo<br />

er von Fahrzeugen mit Brennstoffzellen getankt werden kann.<br />

Ähnlich geht inzwischen auch die Audi <strong>AG</strong> vor, die dazu eine<br />

Kooperation mit der schwäbischen SolarFuel aus Stuttgart ein-<br />

gegangen ist und die Kraft von vier Windrädern mit je 3,6 MW<br />

Leistung teilweise zur Wasserstoff- und Methanproduktion<br />

nutzen will – mit immerhin 6,3 MW Leistung. Zu den wissen-<br />

schaftlichen Begleitern zählt Marc Simon Löffler vom Zentrum<br />

fürSonnenenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Württem-<br />

berg. „Wir haben bereits seit 2009 eine kleine Pilotanlage<br />

25


SCHWERPUNKT<br />

Frank Jachmann, Projektleiter bei <strong>VNG</strong>, bei der technischen Abnahme der Bio<strong>gas</strong>einspeiseanlage vor Ort in Hasslau.<br />

und arbeiten jetzt an größeren Maschinen“, sagt Löffler, der<br />

Wasserstoff und vor allem Methan für „das einzige Speicherme-<br />

dium mit dem notwendigen Langzeit-Potenzial“ hält. Vor allem<br />

müssten jetzt die vorhandenen Elektrolyseure so weiter entwi-<br />

ckelt werden, dass sie nicht nur – wie bislang bei zahlreichen<br />

industriellen Einsatzgebieten – gleichmäßig unter Dauerlast<br />

arbeiten, sondern auch bei den im Windstromsektor üblichen<br />

schnellen Lastwechseln einsatzfähig sind. Bisher brauchen<br />

die Maschinen, die es durchaus auch im Leistungsbereich von<br />

mehreren MW gibt, bis zu mehreren Stunden, um hochgefahren<br />

werden zu können. Bis 2013 allerdings soll das gelöst sein, dann<br />

werden drei Windräder im Emsland im Großversuch verschie-<br />

dene Energieformen liefern: Strom für eine 1.000 Fahrzeuge<br />

umfassende Testflotte, Wasserstoff für Brennstoffzellen und<br />

Methan für Erd<strong>gas</strong>fahrzeuge oder die Einspeisung. Das benö-<br />

tigte CO 2 für die chemische Methanisierung stammt von einer<br />

ebenfalls hier errichteten Bio<strong>gas</strong>anlage. Spätestens 2015, so<br />

der Experte, werden dann Wind<strong>gas</strong>-Anlagen auch rein kom-<br />

merziell in Betrieb gehen können. Bis dahin, so rechnet Löffler,<br />

werde auch die Politik die erforderlichen Rahmenbedingungen<br />

etwa für die Einspeisevergütung von mit Wind erzeugtem Was-<br />

serstoff oder Methan geregelt haben.<br />

„Die Vielfalt der Nutzung des Energie-Speicher<strong>medium</strong>s<br />

Wasserstoff ist auch für uns ein entscheidender Vorteil“, sagt<br />

Wenske. Das <strong>Gas</strong> lässt sich einfach auf 700 bar komprimieren<br />

26<br />

und sorgt dann dafür, dass bereits heute verfügbare Pkw mit<br />

einem Kilogramm Treibstoff rund 100 km weit fahren – bei einem<br />

realistischen Marktpreis von rund 10 Euro netto. Doch Wasser-<br />

stoff lässt sich auch problemlos ins Erd<strong>gas</strong>netz einspeisen, bis<br />

zu fünf Prozent sind derzeit möglich. Die Methanisierung sieht<br />

Michael Wenske vor allem im Mitteldruck- und Niederdrucknetz<br />

als lukrativ an.<br />

Allerdings: Wird der Windstrom nicht mehr direkt zum Ver-<br />

braucher geführt, entstehen zusätzliche Umwandlungsver-<br />

luste: Bei der Elektrolyse und Methanisierung ebenso wie bei<br />

der notwendigen Kompression und schließlich auch bei der<br />

erneuten Verstromung in <strong>gas</strong>betriebenen Kraftwerken oder<br />

den Pkw – unter dem Strich stehen damit Wirkungsgrade von<br />

meist weniger als 60 Prozent. „Doch sollte man hier nicht mehr<br />

so rechnen, als würde Kohle, <strong>Gas</strong> oder ein anderer Rohstoff<br />

eingesetzt – schließlich handelt es sich bei der Energiequelle<br />

um eine unerschöpfliche, der Rohstoff an sich steht kostenlos<br />

zur Verfügung. Investiert werden muss dennoch, in die Anlagen<br />

zur Erzeugung, Umwandlung und Einspeisung – das wird künftig<br />

den Strompreis bestimmen“, so der Experte von Enertrag. Mit<br />

dem Wind<strong>gas</strong> lassen sich schon in absehbarer Zeit die Spitzen<br />

auskompensieren und die Prognosen für die Belastung des<br />

Netzes verfeinern.<br />

Das sieht auch Jochen Flasbarth vom UBA nicht anders, für den<br />

die althergebrachte Effizienzberechnung von Kraftwerken für


Dr. Tilmann Werner von der DREW<strong>AG</strong> Stadtwerke Dresden GmbH und sein Kollege Frank Jachmann von <strong>VNG</strong> arbeiten bei dem Projekt der großen Bio<strong>gas</strong>anlage<br />

mit Einspeisung eng zusammen. (v. l.)<br />

die erneuerbaren Energiesysteme nicht mehr gelten. „Da geht<br />

es bei der Umwandlung nicht mehr primär um die Verluste in<br />

Prozent. Es geht um die verfügbaren Flächen für die Nutzung<br />

der Energie, es geht um die Kosten der Gesamtsysteme“, sagt<br />

er. Und wenn es gelänge, den nach bisherigem Stand im Milliardenumfang<br />

notwendigen Strom-Netzausbau zu reduzieren,<br />

könnte das nicht nur die Strompreissteigerungen dämpfen –<br />

sondern auch die Sorgen und Widerstände von Anwohnern.<br />

Ob Jochen Flasbarth mit seiner Prognose recht behält, dass<br />

in Deutschland bereits in 40 Jahren sämtliche Energie von den<br />

Erneuerbaren stammt oder es vielleicht ein paar Jahre länger<br />

dauert, ist dabei zweitrangig. Doch die Zeit bis zu diesem Umstieg,<br />

hier sind sich ausnahmsweise die Energieexperten aller<br />

Denkrichtungen einig, wird nur zusammen mit der Erd<strong>gas</strong>technologie<br />

funktionieren. Mit einem leistungsfähigen Erd<strong>gas</strong>netz<br />

als Rückgrat der Infrastruktur, mit modernen <strong>Gas</strong>- und Blockheizkraftwerken,<br />

mit Kavernenspeichern und auch neuen Technologien.<br />

Was ist Elektrolyse?<br />

Wasserstoff (H 2 ) ist als Rohstoff und Energiequelle von hoher Bedeutung.<br />

H 2 wird in großen Mengen in der chemischen Industrie und Raffinerien<br />

erzeugt, wobei anfallendes Methan und schwere Heizöle genutzt und<br />

im Dampfreformer bei etwa 25 bar und 900 °C aufgespalten werden. Bei<br />

der partiellen Oxidation entstehen unter Sauerstoffmangel bei hohen<br />

Temperaturen Wasserstoff und Kohlenmonoxid – hierbei wird Energie<br />

freigesetzt. Eine weitere großtechnische Methode ist das Kvaerner-<br />

Verfahren, bei dem Kohlenwasserstoffe bei 1.600 °C in Aktivkohle und<br />

Wasserstoff gespalten werden. In kleineren Mengen wird Wasserstoff<br />

heute bereits durch Elektrolyse, die chemische Aufspaltung von Wasser<br />

mit hohem Energieeinsatz, erzeugt. Die Anlagen werden etwa in der<br />

Chemieindustrie kontinuierlich betrieben und müssen für den zyklischen<br />

Einsatz an Windkraftanlagen weiter entwickelt werden. Vorteil: Wasser<br />

und (überschüssige) regenerative Energie stehen reichlich zur Verfügung.<br />

Zudem ist die Elektrolyse aus erneuerbaren Energien absolut CO 2 -neutral.<br />

Erneuerbare<br />

Windstrom<br />

Wasser<br />

Wasserstoff<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Erd<strong>gas</strong><br />

Elektrolyseur Erd<strong>gas</strong>netz Haushalt<br />

27


SCHWERPUNKT<br />

Interview<br />

Die Energiewende als deutsches<br />

Gemeinschaftswerk<br />

Die tragischen Ereignisse in Japan führten in Deutschland zu einer energiepolitischen Zäsur. Binnen weniger Monate<br />

wurde das erreicht, was vorher in mehr als einem Jahrzehnt nicht gelang. Deutschland steigt endgültig aus der Kern-<br />

energie aus. <strong>medium</strong> <strong>gas</strong> sprach mit dem Vorsitzenden der Ethik-Kommission, Prof. Dr. Klaus Töpfer, über die deutsche<br />

Vorreiterrolle in Sachen Energieversorgung und die Bedeutung von Erd<strong>gas</strong> im zukünftigen Energiemix.<br />

Herr Professor Töpfer, der Bundestag hat den Ausstieg aus der<br />

Kernenergie beschlossen. lässt sich rückblickend sagen, dass<br />

die Vorschläge der Ethik-Kommission die richtigen waren?<br />

Wir haben einen Beitrag zu einer wohl nicht nur aus meiner Sicht<br />

sehr wichtigen Entscheidung geleistet. Die Probleme lagen und<br />

liegen aber nicht nur in der Grundsatzentscheidung Atomkraft<br />

ja oder nein und bis wann der Ausstieg zu erfolgen hat, sondern<br />

auch in vielen Details. Für die Ethik-Kommission war es beson-<br />

ders wichtig, den Umsetzungsprozess in den Mittelpunkt zu stel-<br />

len mit einem unabhängigen Beauftragten für die Energiewende<br />

und einem breitem Forum Energiewende. Die Entscheidung über<br />

die weitere Ausgestaltung liegt selbstverständlich beim Parla-<br />

ment und bei der Bundesregierung.<br />

Sie sprechen im Abschlussbericht vom „Gemeinschaftswerk<br />

Energiezukunft Deutschland“. Was ist darunter zu verstehen?<br />

Ich glaube, dass es eine ganz große Herausforderung ist, sowohl<br />

in Deutschland als auch weltweit, aus der Kernenergie auszustei-<br />

gen. In vielen Ländern wird Kernenergie als die Zukunftsenergie<br />

gesehen, aus der man nicht hinausgeht, sondern in die man noch<br />

stärker einsteigt. Deswegen ist es umso wichtiger, dass sich<br />

alle gesellschaftlichen Gruppierungen, also Parteien, Verbände,<br />

NGOs, die Wirtschaft und Verbraucher, im Klaren darüber sind,<br />

dass man die zukünftige Energieversorgung Deutschlands nur<br />

gemeinsam gestalten kann. Ein Gemeinschaftswerk ermöglicht<br />

Investitionssicherheit und eröffnet damit große Chancen auch<br />

für den Wirtschaftsstandort Deutschland.<br />

28<br />

Es deuten sich bereits heute politische Grabenkämpfe über<br />

den Weg der Zielerreichung einer Energiewende an. Was<br />

muss getan werden, damit die Energiewende auch tatsächlich<br />

gelingt?<br />

Um zu gewährleisten, dass die Energiewende auch verbrauchergerecht<br />

umgesetzt werden kann, hat die Ethik-Kommission<br />

einen Begleitprozess empfohlen. So soll jährlich evaluiert werden,<br />

wo wir stehen, was gemacht worden ist und was noch<br />

gemacht werden muss. Dies ist ein riesiges Langzeitprojekt. Es<br />

bedarf eines klaren Projektmanagements. Wir schlagen deshalb<br />

den Einsatz eines Projektmanagers vor, der sich mit den<br />

Umsetzungsfragen intensiv auseinandersetzt. Wir dürfen nicht<br />

abwarten, sondern müssen gemeinsam aktiv handeln, um die<br />

Energiewende zu schaffen. Daher nochmals der Hinweis, dass<br />

das Gemeinschaftswerk nur über die Parteigrenzen hinweg<br />

gelingen kann.<br />

Ist trotz Kernenergieausstieg die Stabilität des energiepolitischen<br />

Zieldreiecks auch zukünftig gewährleistet?<br />

Deutschland ist die viertstärkste Wirtschaftsnation der Welt.<br />

Der Wohlstand in Deutschland hängt entscheidend von der<br />

Wettbewerbsfähigkeit unserer Exportindustrie ab. Daher<br />

muss alles dafür getan werden, dass die Energieversorgung<br />

auch in Zukunft wettbewerbsfähig, sozial ausgewogen, verlässlich<br />

und ökologisch verantwortbar ist. Die Vorschläge der<br />

Ethik-Kommission machen den Erhalt des energiepolitischen<br />

Zieldreiecks zu einer Grundvoraussetzung der Energiewende.


<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Prof. Dr. Klaus Töpfer appelliert an alle gesellschaftlichen Akteure, dass die Energiewende und die Gestaltung der zukünftigen Energieversorgung Deutschlands<br />

nur durch ein „Gemeinschaftswerk“ erfolgreich realisiert werden kann.<br />

Durch einen Monitoring-Prozess müssen diese Ziele auch stets<br />

überwacht werden.<br />

Im öffentlichen Meinungsbild herrscht über die politischen<br />

lager hinweg Einigkeit darüber, dass Erd<strong>gas</strong> der ideale Partner<br />

der erneuerbaren Energien ist. Welche Rolle werden Erd<strong>gas</strong><br />

und Bioerd<strong>gas</strong> Ihrer Auffassung nach im Energiemix der<br />

Zukunft spielen?<br />

Erd<strong>gas</strong> und Bioerd<strong>gas</strong> werden in Deutschland, aber auch weltweit<br />

eine zunehmend große Rolle spielen. Erd<strong>gas</strong> hat unter<br />

den konventionellen Energieträgern den Vorteil, dass es mit<br />

Abstand die geringsten CO -Emissionen pro Energieeinheit<br />

2<br />

verursacht. Auch die deutsche Bevölkerung sieht Erd<strong>gas</strong> als<br />

leistungsfähigen Energieträger an. Erd<strong>gas</strong> hat eine hohe gesellschaftliche<br />

Akzeptanz. Es ist also kein Wunder, dass man sich<br />

seitens der Politik auf diesen Energieträger in ganz besonderer<br />

Weise bezieht. Ich freue mich darüber, dass wir in Deutschland<br />

eine sehr leistungsfähige und erfahrene <strong>Gas</strong>wirtschaft haben.<br />

Diese Branche wird dazu beitragen, dass uns unter Berücksichtigung<br />

des energiepolitischen Zieldreiecks die Energiewende<br />

auch gelingt, ohne dass Abstriche von der Klimapolitik gemacht<br />

werden dürfen.<br />

Welche Faktoren werden die Energielandschaft in zwei Jahrzehnten<br />

prägen?<br />

Momentan sind wir im Jahr 2011 und haben mit der Entscheidung<br />

zum Kernkraftausstieg eine große Herausforderung vor<br />

uns. Noch einmal: Der Ausstieg aus der Kernenergie muss so<br />

gelingen, dass dadurch unsere klimapolitischen Ziele in keiner<br />

Weise in Frage gestellt oder gefährdet werden. Dazu ist<br />

Deutschland auch gegenüber der EU verpflichtet. Um diese Ziele<br />

zu erreichen, werden uns Erd<strong>gas</strong> und vor allem auch Bioerd<strong>gas</strong><br />

eine große Hilfe sein. Wie die Energielandschaft in zwanzig oder<br />

dreißig Jahren konkret aussehen wird, lässt sich heute nicht mit<br />

absoluter Sicherheit sagen.<br />

Viele Mitgliedsstaaten der EU sehen die Vorreiterrolle<br />

Deutschlands kritisch. Global schaut man sehr genau auf<br />

die deutschen Beschlüsse. Besitzt die deutsche Position<br />

Vorbildcharakter für andere Staaten?<br />

Ich glaube nicht, dass es gut ist, dass wir uns eine Vorbildrolle<br />

anmaßen. Wir sollten unsere Chancen, die sich durch den<br />

Ausstieg aus der Kernenergie ergeben, systematisch und klug<br />

nutzen. Richtig ist, dass die Welt sehr genau auf uns blickt.<br />

Wenn es Deutschland mit seiner spezifischen Wirtschaftsstruktur<br />

gelingt, ohne Kernenergie und mit einem immer geringeren<br />

CO -Ausstoß die Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit<br />

2<br />

der Industrie zu erhalten, dann ist das ein Beleg dafür, dass<br />

es andere Staaten auch schaffen können. Insbesondere in<br />

den Entwicklungsländern weiß man, dass der Umgang mit der<br />

Energiefrage von zentraler Bedeutung für eine eigenständige<br />

Wohlstands- und Wirtschaftsentwicklung ist.<br />

Herr Professor Töpfer, herzlichen Dank für das Gespräch.<br />

29<br />

Foto: Liesa Johannssen/photothek.


SCHWERPUNKT<br />

<strong>Gas</strong>tbeitrag<br />

Erd<strong>gas</strong> im zukünftigen Energiemix<br />

Erd<strong>gas</strong> war in den letzten Dekaden der einzige fossile Energieträger, der im deutschen Energiemix Anteile gewonnen hat<br />

und dessen Verbrauch auch absolut gewachsen ist. Im lichte der aktuellen Energie- und Klimapolitik stellt sich die Frage,<br />

welche Rolle Erd<strong>gas</strong> zukünftig spielen wird. Antworten darauf ergeben sich aus den zukünftigen Einsatzbereichen für<br />

Erd<strong>gas</strong> sowie der Anschlussfähigkeit zum aufkommenden Zeitalter der erneuerbaren Energien.<br />

von Dr. Felix Christian Matthes,<br />

Öko-Institut<br />

Die zweifache Wende der deutschen<br />

Energiepolitik in den Jahren 2010 und<br />

2011 schafft eine neue Ausgangsposition<br />

für die Energie- und Klimapolitik. So<br />

sollen mit den Beschlüssen vom Herbst<br />

2010 die Treibhaus<strong>gas</strong>emissionen bis<br />

2020 um 40% sowie bis zur Mitte dieses<br />

Jahrhunderts um 80 bis 95% reduziert,<br />

die Stromversorgung soll bis 2020 zu<br />

35% und bis 2050 zu mindestens 80 %<br />

auf erneuerbare Energien umgestellt<br />

und der Gebäudebestand so saniert werden,<br />

dass die Gebäude in Deutschland<br />

bis 2050 praktisch CO -neutral werden.<br />

2<br />

Verbunden damit ist seit Frühsommer<br />

2011 der beschleunigte Verzicht auf die<br />

Hochrisiko-Technologie Kernenergie. Vor<br />

diesem Hintergrund stellt sich die Frage,<br />

welche Rolle dem Energieträger Erd<strong>gas</strong><br />

im zukünftigen Energiemix zukommen<br />

wird. Bei allen prognostischen Unsicherheiten<br />

zeigt sich dabei, dass sich die Einsatzfelder<br />

von Erd<strong>gas</strong> in den nächsten<br />

Jahren und Jahrzehnten im Kontext ambitionierter<br />

Energie- und Klimapolitik sehr<br />

deutlich ändern, wobei hier sehr gegenläufige<br />

Entwicklungen zu erwarten sind.<br />

Der erste Megatrend ergibt sich aus<br />

der abnehmenden Rolle von Erd<strong>gas</strong> im<br />

30<br />

Wärmemarkt. Nachdem Erd<strong>gas</strong> im Wärmemarkt<br />

seine Rolle während der letzten<br />

Dekaden stetig ausbauen konnte (aktuell<br />

werden fast drei Viertel des in Deutschland<br />

insgesamt gelieferten Erd<strong>gas</strong>es im<br />

Wärmemarkt verbraucht), so zeigen sich<br />

seit einigen Jahren Sättigungstendenzen.<br />

Dr. Felix Christian Matthes ist Forschungskoordinator<br />

für Energie- und Klimapolitik am Öko-<br />

Institut, Berlin.<br />

Zukünftig wird hier ein eher schrumpfender<br />

Markt erwartet. Besonders stark<br />

wird der Verbrauchsrückgang für die<br />

Raumwärmeerzeugung ausfallen. Hoch<br />

effiziente neue Gebäude und zunehmende<br />

Sanierungsanstrengungen (mit dem<br />

Langfrist-Ziel des CO -neutralen Gebäu-<br />

2<br />

debestandes im Jahr 2050) werden hier<br />

mittel- und langfristig zu einem deutlichen<br />

Rückgang des <strong>Gas</strong>absatzes führen,<br />

auch und gerade weil durch moderne<br />

Erd<strong>gas</strong>anlagen noch erhebliche Energieeffizienzpotenziale<br />

gehoben werden<br />

können. Für den Bereich der Warmwasserbereitung<br />

wird Erd<strong>gas</strong> weniger dramatisch<br />

vom insgesamt schrumpfenden<br />

Markt betroffen sein, da mit Erd<strong>gas</strong> eine<br />

vergleichsweise flexible Ergänzungsoption<br />

zum Beispiel für die Warmwasserbereitung<br />

mit Solarkollektoren verfügbar<br />

ist. Für industrielle Wärmeanwendungen<br />

als das zweite große Absatzsegment für<br />

Erd<strong>gas</strong> wird der Verbrauch in der Tendenz<br />

ebenfalls abnehmen, wenn auch mit<br />

geringerer Dynamik bzw. im Zeitverlauf<br />

deutlich später.<br />

Der zweite Megatrend betrifft die Stromerzeugung.<br />

Heute werden in Deutschland<br />

auf der Basis von Erd<strong>gas</strong> derzeit nur 13%<br />

des gesamten Stromaufkommens bereitgestellt,<br />

weniger als ein Fünftel des<br />

gesamten Erd<strong>gas</strong>verbrauchs in Deutschland<br />

entfällt auf diesen Sektor. Zukünftig<br />

wird die Rolle von Erd<strong>gas</strong> hier vor allem<br />

aus zwei Gründen deutlich zunehmen.<br />

Zunächst ist Erd<strong>gas</strong> ein geeigneter<br />

Brennstoff für die Stromerzeugung in<br />

Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), eine<br />

Technologie, bei der die Abwärme der<br />

Stromerzeugung für Heiz- und Prozess-


Sauberes Erd<strong>gas</strong>, schmutzige Kohle<br />

CO 2 -Emissionen in Gramm pro Kilowattstunde Strom Quelle: Öko-Institut<br />

1.200<br />

1.100<br />

1.000<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Braunkohle-Kraftwerk<br />

1.142<br />

Steinkohle-Kraftwerk<br />

897<br />

Braunkohle-Heizkraftwerk<br />

703<br />

Steinkohle-Heizkraftwerk<br />

wärmezwecke sinnvoll genutzt werden<br />

kann. KWK-Anlagen erreichen Gesamtwirkungsgrade<br />

von über 85% und können<br />

damit den Brennstoffbedarf für die CO - 2<br />

arme Stromerzeugung auf Erd<strong>gas</strong>basis<br />

minimieren helfen. Darüber hinaus werden<br />

in einem durch erneuerbare Energien<br />

geprägten Stromversorgungssystem (für<br />

Deutschland vor allem auf Basis von Wind<br />

und Solarenergie) hoch flexible Kraftwerke<br />

benötigt, die die Schwankungen der<br />

Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien<br />

ausgleichen und in diesem Kontext<br />

auch wirtschaftlich betrieben werden<br />

können. Erd<strong>gas</strong>kraftwerke, die höhere<br />

Brennstoffkosten haben, dafür aber vergleichsweise<br />

wenig Investitionskapital<br />

erfordern und sehr flexibel eingesetzt<br />

werden können, bilden damit für die<br />

nächsten Jahrzehnte eine wichtige Säule<br />

des Stromversorgungssystems. Erd<strong>gas</strong>kraftwerke<br />

haben darüber hinaus den<br />

Vorteil, dass sie sowohl als Großanlagen<br />

(mit Leistungen von mehreren Hundert<br />

Megawatt) als auch sehr kleine dezentrale<br />

Anlagen (mit Leistungen von bis zu wenigen<br />

Kilowatt) verfügbar sind und damit<br />

eine große Bandbreite von Einsatzfällen<br />

und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

abdecken können. Die Kapazitäten<br />

der Erd<strong>gas</strong>kraftwerke werden sich damit<br />

in den nächsten Jahren und Jahrzehnten<br />

508<br />

Erd<strong>gas</strong>-GuD-Kraftwerk<br />

398<br />

Erd<strong>gas</strong>-GuD-Heizkraftwerk<br />

116<br />

0,3<br />

deutlich erhöhen, die Stromerzeugung in<br />

Erd<strong>gas</strong>kraftwerken wird leicht zunehmen<br />

und der Erd<strong>gas</strong>absatz für die Stromerzeugung<br />

zunächst auf einem vergleichsweise<br />

robusten Niveau verbleiben.<br />

Mit hohen Unsicherheiten verbunden<br />

ist ein möglicher dritter Trend. Der<br />

Einsatz von Erd<strong>gas</strong> im Verkehrssektor<br />

bildet grundsätzlich eine interessante<br />

Übergangsstrategie für ein CO -freies<br />

2<br />

Verkehrssystem. Die erheblichen Unsicherheiten<br />

für dieses Verbrauchssegment<br />

ergeben sich vor allem aus den<br />

Entwicklungen bei alternativen Antriebskonzepten.<br />

Wenn bei der Entwicklung von<br />

Elektrofahrzeugen schnelle Durchbrüche<br />

bei Technik und Kosten erzielt werden, so<br />

wird der großflächige Ausbau einer Infrastruktur<br />

von Erd<strong>gas</strong>tankstellen schnell<br />

an seine Grenzen kommen. Wenn sich<br />

jedoch entsprechende Durchbrüche im<br />

Bereich der Brennstoffzellenantriebe<br />

einstellen, dann bildet die Kombination<br />

vonErd<strong>gas</strong>-undWasserstoffinfrastruktur<br />

sicher eine interessante neue Option für<br />

den Verkehrssektor.<br />

Die vierte Facette für die Rolle von<br />

Erd<strong>gas</strong> im zukünftigen Energiesystem<br />

ergibt sich aus der Ergänzung von fossilem<br />

Erd<strong>gas</strong> durch Bio<strong>gas</strong> oder auch<br />

die Anschlussfähigkeit zur chemischen<br />

Speicherung von Energie. Bio<strong>gas</strong> kann<br />

19,6<br />

11,7<br />

27,0<br />

Raumwärme (direkt)<br />

Warmwasser (direkt)<br />

sonstige Prozesswärme<br />

(direkt)<br />

2008<br />

5,6<br />

35,8<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Erd<strong>gas</strong>-Anwendungsbereiche in %<br />

Quelle: <strong>AG</strong> Energiebilanzen, Berechnungen des Öko-Instituts<br />

mechanische Antriebe<br />

(direkt)<br />

Stromerzeugung<br />

andere Anwendungen<br />

(Fernwärme, nichtenergetischer<br />

Einsatz etc.)<br />

sich zukünftig, wenn auch eingeschränkt<br />

durch die nicht unbegrenzten Potenziale<br />

nachhaltig bereitgestellter Biomasse,<br />

als eine Ergänzung für die Erd<strong>gas</strong>versorgung<br />

erweisen. Auch die Umwandlungvon<br />

Überschussstrom aus erneuerbaren Energien<br />

in Wasserstoff und die (begrenzte)<br />

Beimischung zu Erd<strong>gas</strong> oder aber die Weiterverarbeitung<br />

zu anderen <strong>gas</strong>förmigen<br />

Speichermedien bilden interessante und<br />

– in gewissen Grenzen – zur heutigen Erd<strong>gas</strong>versorgung<br />

anschlussfähige Entwicklungsoptionen<br />

für die Erd<strong>gas</strong>wirtschaft,<br />

die weiter verfolgt werden müssen.<br />

Die zunehmend an Moment gewinnende<br />

Umstellung des Energiesystems auf<br />

CO -freie Energiequellen wird damit auch<br />

2<br />

am Erd<strong>gas</strong>markt nicht spurlos vorbeigehen.<br />

Unter allen fossilen Energieträgern<br />

wird jedoch Erd<strong>gas</strong> noch für die längste<br />

Frist, wenn auch mit einer Verschiebung<br />

der Verbrauchsschwerpunkte, noch eine<br />

erhebliche Rolle spielen können und<br />

müssen. Dies resultiert einerseits aus der<br />

vergleichsweise geringen Klimabelastung<br />

durch die Erd<strong>gas</strong>verbrennung, aber andererseits<br />

auch aus der erheblichen Flexibilität<br />

des Erd<strong>gas</strong>einsatzes sowie des<br />

noch großen Innovationspotenzials für<br />

erd<strong>gas</strong>basierte Technologien und deren<br />

Anschlusslösungen für ein CO -freies<br />

2<br />

Energieversorgungssystem.<br />

31


SCHWERPUNKT<br />

Infrastruktur<br />

Revolution auf dem Energiemarkt –<br />

Erd<strong>gas</strong>infrastruktur wird zu einem Schlüsselfaktor<br />

in Deutschland.<br />

von Uwe Barthel, <strong>VNG</strong>-Vorstand<br />

Infrastruktur/Technik<br />

Der Energiemarkt steht vor einer Revolution.<br />

Die Potenziale sind groß, die Risiken<br />

allerdings auch. Der rasche Umbau der<br />

Energieversorgung in Deutschland, ist<br />

eine Aufgabe, deren Dimension und Dramatik<br />

sich den meisten Menschen erst<br />

nach und nach erschließen wird.<br />

Vor allem die Ereignisse in Japan haben<br />

die Diskussion der Kernenergie so<br />

verbreitert und verschärft, dass darunter<br />

nicht selten der notwendige besonnene<br />

Blick auf die sachlichen, die energiefachlichen<br />

Fragen leidet. <strong>VNG</strong> kann hier<br />

wertvolle Hilfestellung geben, vor allem<br />

aber Lösungen anbieten, die bisher in der<br />

Öffentlichkeit noch unzureichend wahrgenommen<br />

werden.<br />

Umreißen wir kurz die Situation: Heute<br />

stammen 16,5 % derStromproduktion aus<br />

erneuerbaren Energien. Bis 2050 sollen<br />

es 80 % der Stromerzeugung Deutschlands<br />

sein. Gemäß dem Energiekonzept<br />

der Bundesregierung sind 35 % am Bruttostromverbrauch<br />

schon bis 2020 vorgesehen.<br />

Dies bedeutet eine Verdopplung<br />

des Anteiles der erneuerbaren Energien<br />

in nur 9 Jahren.<br />

Schon heute bereitet die volatile Einspeisung<br />

erneuerbarer Energien aus<br />

32<br />

Foto: Dirk Brzoska<br />

Windkraft und Photovoltaik den Betreibern<br />

von Stromübertragungs- und Verteilnetzen<br />

große Sorgen. Steigt dieser Anteil<br />

weiter, ohne dass tiefgreifende Investitionen<br />

vorgenommen werden, kompliziert<br />

sich die Versorgung durch das Nord-Süd-<br />

Gefälle bei Produktion und Verbrauch. Der<br />

Bedarf an Speicherung zur Harmonisierung<br />

von Produktion und Verbrauch erreicht<br />

beachtliche Dimensionen.<br />

Die vorhandenen und in der Entwicklung<br />

befindlichen Verfahren zur Stromspeicherung<br />

können nur kurze Zeitspannen<br />

überbrücken. Windflauten und Wochen<br />

verminderter Sonneneinstrahlung bedeuten<br />

Ungewissheit. Der dringende Bedarf an<br />

Speicherverfahren, die längere Zeiträume<br />

abdecken können, liegt auf der Hand.<br />

Der Stromspeicherbedarf erreicht möglicherweise<br />

bereits im Jahre 2020 etwa<br />

40 Mrd. kWh. Ein Ausbau erneuerbarer<br />

Energien in den geplanten Größenordnungen<br />

verlangt entsprechend belastbare<br />

Langzeitspeicher. Ähnlich beurteilt das die<br />

Ethik-Kommission „Sichere Energieversorgung“<br />

in ihrem Abschlussbericht und regt<br />

an, eine nationale, respektive EU-weite<br />

Stromversorgungsreserve in Höhe einer<br />

halben Jahresproduktion aufzubauen.<br />

Erfolgversprechend – und in seiner Kapazität<br />

konkurrenzlos – erscheint hierfür<br />

das durch das Fraunhofer Institut IWES<br />

entwickelte Konzept der Methanisierung.<br />

Es handelt sich um die Umwandlung von<br />

Wasser mittels regenerativ gewonnenen<br />

Stroms durch Elektrolyse in den Energieträger<br />

Wasserstoff und die nachfolgende<br />

katalytische Reaktion mit Kohlendioxid zu<br />

Methan, dem Hauptbestandteil des natürlichen<br />

Erd<strong>gas</strong>es. Auf diesem Wege könnte<br />

die existierende <strong>Gas</strong>infrastruktur in völlig<br />

neuen Dimensionen genutzt werden.<br />

Bereits heute erreicht das Speichervolumen<br />

der <strong>Gas</strong>infrastruktur ca. 230 Mrd.<br />

kWh. (Zum Vergleich: Die Speichermöglichkeiten<br />

derStromnetze betragen gegenwärtig<br />

0,04 Mrd. kWh, hauptsächlich in<br />

Pumpspeicherwerken.) In <strong>Gas</strong>kraftwerken<br />

oder – noch effizienter – mittels Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen<br />

kann die Rückver-


Stromspeichervolumen<br />

2011<br />

0,04 Mrd. kWh<br />

Prognose 2020<br />

benötigtes Stromspeichervolumen<br />

20 Mrd. kWh<br />

stromung dann je nach Bedarf erfolgen.<br />

Eine Pilotanlage läuft bereits am Zentrum<br />

für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung<br />

in Stuttgart.<br />

Das dichte <strong>Gas</strong>netz bietet eine geradezu<br />

verblüffende Option, erneuerbare<br />

Energien bedarfsgerecht und am Ort<br />

des Verbrauchs bereitzustellen. <strong>VNG</strong> ist<br />

für Projekte dieser Art ein ebenso leistungsfähiger<br />

wie erfahrener Partner. Wir<br />

alle werden zusammen agieren müssen,<br />

wenn der gigantische Strukturumbau unseres<br />

Energiesystems gelingen soll. Der<br />

Dialog zwischen Transportnetzbetreibern<br />

für Strom und <strong>Gas</strong> über die optimale Form<br />

der Netznutzung und eines notwendigen<br />

Netzausbaus zur Einbindung der Erneuerbaren<br />

steht auf der Agenda ganz oben.<br />

Gemäß der dena II–Studie existiert ein<br />

Ausbaubedarf des Übertragungsnetzes<br />

auf der Stromseite von 3.600 km bis zum<br />

Jahre 2020. Doch bereits jetzt zeigen sich<br />

vielerorts Probleme, die aus der mangelnden<br />

Akzeptanz dieser Maßnahmen in der<br />

Bevölkerung und der Höhe der Investitionen<br />

resultieren. Es wäre unentschuldbar,<br />

diesen Punkt je wieder irgendwo und irgendwann<br />

zu vernachlässigen. Wir haben<br />

meines Erachtens anzuerkennen, dass aus<br />

dem Zieldreieck der Energiewirtschaft –<br />

Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit,<br />

Umweltverträglichkeit – einViereckgewor-<br />

<strong>Gas</strong>speichervolumen 2011<br />

<strong>Gas</strong>infrastruktur 230 Mrd. kWh<br />

<strong>VNG</strong> <strong>AG</strong><br />

27,5 Mrd. kWh<br />

den ist. Die vierte Ecke ist die Akzeptanz.<br />

Wer Netzlücken schließen will, sollte unbedingt<br />

auch Kenntnislücken schließen.<br />

So werden Nichtfachleute wohl verblüfft<br />

sein zu erfahren, dass man 300 MW pro<br />

Stunde statt über eine Höchstspannungsleitung<br />

auch mittelseiner nur 10 cm dicken<br />

<strong>Gas</strong>leitung transportieren kann. Diese ist<br />

naturgemäß unsichtbar und erdverlegt<br />

oder ist gar längst vorhanden. Mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit ist im Dialog eine<br />

volkswirtschaftliche Optimierung erreichbar,<br />

diezugleich eine Beeinträchtigung der<br />

Landschaft beim unvermeidlichen Netzausbau<br />

in Deutschland deutlich verringert<br />

oder mancherorts gar ausschließt.<br />

<strong>VNG</strong> befasst sich intensiv damit, ihren<br />

Weg und ihren Beitrag beim Umbau der<br />

Energiestruktur zu bestimmen. Neben<br />

der Beteiligung an der DVGW-Innovationsoffensive<br />

prüft <strong>VNG</strong> z. B. ein eigenes<br />

Pilotprojekt, um die Wirksamkeit der Gesamtkette<br />

von der Methanisierung bis<br />

zur Wiederverstromung auszuloten und<br />

abzubilden.<br />

Ausdrücklich begrüßen wir die gemeinsame<br />

Förderinitiative Energiespeicher von<br />

BMWi, BMU und BMBF, wofür Fördermittel<br />

in Höhe von 200 Millionen Euro zur Entwicklung<br />

von Technologien der Stromspeicherung<br />

bereitgestellt werden sollten. Die<br />

Politikhat offenbar weitgehend dieSchlüs-<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Die Grafik zeigt (v. l. n. r.) das<br />

Volumen der Stromspeicher in<br />

Deutschland, den Mittelwert des<br />

Bedarfs an Stromspeichern aus<br />

unterschiedlichen Studien für<br />

2020 und das aktuelle Speichervolumen<br />

der <strong>Gas</strong>infrastruktur in<br />

Deutschland.<br />

selrolle der Energiespeicherung erkannt.<br />

Dem Erd<strong>gas</strong> gebührt aus Sicht von <strong>VNG</strong> bei<br />

der ausstehenden Neufassung des Energiekonzeptes<br />

der Bundesregierung eine<br />

vorrangige Berücksichtigung.<br />

Niemand sollte heute von Unternehmen<br />

Prognosen, also letztlich Vermutungen<br />

darüber erwarten, welches Problem, mit<br />

welcher Wahrscheinlichkeit wo auftaucht,<br />

was überhaupt „nach menschlichem Ermessen“<br />

passieren könnte. Zukunft lässt<br />

sich – ironisch gesagt – bekanntlich erst<br />

dann korrekt darstellen, wenn sie bereits<br />

Vergangenheit ist. Bei unserem energiepolitischen<br />

Denken geht es um unternehmerische<br />

Entscheidungen und um hohe<br />

VerantwortunggegenüberderGesellschaft.<br />

Es ist daher nebensächlich, was wir uns<br />

alles vorstellen können. Die Hauptsache<br />

ist, dass wir uns darauf einstellen, jegliche<br />

neuen Situationen schnell, entschlossen<br />

und auch mit „unkonventionellen“ Mitteln<br />

und Methoden zu beherrschen.<br />

Bisher hat Deutschland energiepolitisch<br />

nurdieRichtungfestgelegt.Diepraktischen<br />

Probleme kommen erst noch. Deshalb erstens:<br />

Wenn die Politik Investitionen in die<br />

<strong>Gas</strong>infrastruktur haben will, muss sie der<br />

<strong>Gas</strong>wirtschaft langfristige Perspektiven<br />

geben. Und zweitens: Jetzt ist die Zeit der<br />

zigtausenden Unternehmer und aller umweltbewusst<br />

engagierten Bürger.<br />

33


UMSCHAU<br />

Internationales<br />

Katar – reich an Erd<strong>gas</strong> und<br />

LNG-Exporteur Nr. 1<br />

Als weltweit größter Produzent von verflüssigtem Erd<strong>gas</strong> (lNG) trägt das Emirat Katar zu einer Veränderung<br />

des globalen Erd<strong>gas</strong>marktes bei. <strong>medium</strong> <strong>gas</strong> gibt einen Überblick über die Entwicklung von lNG und skizziert<br />

Katars wirtschaftlichen Aufstieg.<br />

In den letzten Jahren hat verflüssigtes Erd<strong>gas</strong> (LNG) den weltwei-<br />

ten Erd<strong>gas</strong>markt erheblich verändert und zu einer Neuordnung<br />

der vormals regionalen Märkte in Amerika, Asien und Europa<br />

geführt. So haben die für den US-amerikanischen Markt vorge-<br />

sehenen Mengen an LNG, welche aufgrund der dortigen sprung-<br />

haft angestiegenen Produktion von unkonventionellem Erd<strong>gas</strong><br />

und des Preisverfalls umgeleitet werden, teilweise zum derzeit<br />

bestehenden Überangebot von Erd<strong>gas</strong> auf dem europäischen<br />

Markt beigetragen.<br />

lNG schafft nachhaltige Verbindungen<br />

Durch Verflüssigung und anschließenden Transport per Schiff<br />

spielt LNG eine verbindende Rolle. So lässt es Erd<strong>gas</strong>produzenten<br />

und Erd<strong>gas</strong>verbraucher, die bislang nicht über Transportrouten<br />

in Form von Erd<strong>gas</strong>leitungen miteinander verbunden waren,<br />

zusammenrücken. Von den im Jahr 2010 weltweit verbrauchten<br />

rund 3.000 Milliarden m³ Erd<strong>gas</strong> wurden ca. 304 Milliarden m³<br />

in Form von LNG geliefert. Dies entspricht einem Anteil von<br />

rund 10 Prozent.<br />

lNG-lieferungen nach Europa kontinuierlich gestiegen<br />

Für die europäische Erd<strong>gas</strong>versorgung stellt LNG mit Blick auf<br />

eine weitere Diversifizierung der Quellen, Lieferpartner und<br />

Transportwege eine echte Alternative dar. So sind die LNG-Lieferungen<br />

nach Europa in den letzten drei Jahren kontinuierlich<br />

gestiegen. 2010 betrugen diese bereits rund 82 Milliarden m³.<br />

Dies entspricht einem Anteil von rund 16 Prozent am europäischen<br />

<strong>Gas</strong>verbrauch. Die größten Abnehmer von LNG sind Län-<br />

34<br />

der, die keine bzw. nur eingeschränkte Möglichkeiten haben,<br />

die Erd<strong>gas</strong>versorgung über Rohrleitungen zu gewährleisten. Zu<br />

diesen gehören unter anderem Japan, Südkorea und China. In<br />

Europa zählen Spanien, Frankreich, Italien und Großbritannien<br />

zu den wichtigsten LNG-Importeuren.<br />

Katar ist größter Produzent von lNG<br />

Neben Lieferländern wie Algerien, Indonesien, Malaysia, Australien,<br />

Ägypten, Nigeria und Trinidad & Tobago ist das Emirat<br />

Katar der größte Produzent und Exporteur von LNG.<br />

Mit ca. 1,7 Mio. Einwohnern – davon lediglich rund 250.000<br />

Staatsbürger – ist das Land ein Emirat der arabischen Halbinsel.<br />

Geführt wird Katar seit 1972 vom Herrschaftshaus der<br />

Al-Thani Familie. Unter der Herrschaft von Scheich Hamad Bin<br />

Khalifa Al-Thani – seit 1995 an der Macht – fanden erhebliche<br />

Investitionen und ein rascher Auf- und Ausbau der Erdöl- und<br />

Erd<strong>gas</strong>förderung katarischer Vorkommen statt. Katar wurde damit<br />

binnen kürzester Zeit zu einem der wohlhabendsten Länder<br />

der Welt. Heute stammt mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes<br />

aus dem Erdöl- und Erd<strong>gas</strong>sektor.<br />

Aktuellen Schätzungen zu Folge verfügt Katar über Erd<strong>gas</strong>reserven<br />

in Höhe von rund 25.000 Milliarden m³ und hat damit<br />

hinter Russland und dem Iran die weltweit drittgrößten Erd<strong>gas</strong>reserven.<br />

Rasantes Wachstum der Erd<strong>gas</strong>förderung<br />

Sämtliche Erd<strong>gas</strong>reserven Katars befinden sich im Offshore<br />

North Field. Das North Field wurde 1971 entdeckt und liegt im


<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

LNG Tanker mit einer Ladekapazität von 87.500 bis 154.600 m 3 gelten heute als Standardgröße. Die „Q-Max-Tanker“ aus Katar können sogar bis zu<br />

266.000 m 3 LNG transportieren.<br />

Persischen Golf vor der Küste Katars. Es bildet zusammen mit<br />

dem iranischen South Pars Field das größte Erd<strong>gas</strong>feld der Welt.<br />

Etwa 14 Prozent aller weltweit bekannten Erd<strong>gas</strong>vorkommen<br />

liegen hier.<br />

Die Förderung des Erd<strong>gas</strong>es begann erst im Jahr 1989. 2010<br />

lag sie bei ca. 117 Milliarden m³. 2005 verhängte Katar ein Mo-<br />

ratorium zur weiteren Erschließung der Vorkommen bis 2014.<br />

Anschließend soll in einer Studie der Zustand des North Field<br />

evaluiert und darauf aufbauend die Strategie für die nächsten<br />

20 Jahre abgeleitet werden.<br />

Bereits 1991 – zwei Jahre nach der ersten Förderung von ka-<br />

tarischem Erd<strong>gas</strong> – wurde mit dem Bau von Anlagen zur Ver-<br />

flüssigung begonnen. Exportiert wurde LNG erstmals im Jahr<br />

1997. Seither hat die LNG-Produktion eine rasante Entwicklung<br />

genommen. Im Dezember 2010 fand die offizielle Einweihung<br />

der vorerst letzten LNG-Produktionsanlage statt. Nunmehr ver-<br />

fügt Katar über eine jährliche LNG-Produktionskapazität von<br />

rund 107 Milliarden m³ an verflüssigtem Erd<strong>gas</strong>. Dies macht<br />

Katar offiziell zum weltweit größten LNG-Produzenten.<br />

Unternehmensstruktur im lNG-Bereich<br />

Die staatliche Qatar Petroleum ist als integriertes Energieunternehmen<br />

für alle Upstream- und Downstream-Aktivitäten<br />

zuständig.<br />

Für den raschen Auf- und Ausbau des Erd<strong>gas</strong>sektors sorgten<br />

internationale Energiekonzerne wie ExxonMobil, Shell, ConocoPhillips<br />

und Total. Sie beteiligten sich an den im LNG-Bereich<br />

dominierenden staatlichen Unternehmen Qatar<strong>gas</strong> Liquefied<br />

<strong>Gas</strong> Company Ltd. und Ras<strong>Gas</strong> Company Limited sowie am Bau<br />

und dem Betrieb der Verflüssigungsanlagen. Um den eigenen<br />

Einfluss zu wahren, hält Katar in jedem Konsortium der insgesamt<br />

14 Verflüssigungsanlagen einen Anteil von mindestens<br />

65 Prozent.<br />

Mobilität der Zukunft durch Gtl<br />

Relativ neu ist die Umwandlung des Erd<strong>gas</strong>es in umweltfreundliche<br />

Ersatzprodukte wie Diesel oder Schmierstoffe (sog.<br />

<strong>Gas</strong>-to-Liquids, GtL), die unter anderem im Transport- und im<br />

Luftverkehr als Antriebsstoff oder als Einsatzstoffe in der verarbeitenden<br />

Industrie angewendet werden. Im ersten Halbjahr<br />

2011 wird die weltgrößte GtL-Anlage mit einer täglichen<br />

Kapazität von 140.000 Barrel GtL die Produktion aufnehmen.<br />

Gemeinsam mit Shell wurde die Anlage für rund 19 Mrd. US-<br />

Dollar (14 Mrd. Euro) errichtet.<br />

Fazit<br />

Der weitere wirtschaftliche Aufstieg Katars scheint bereits<br />

heute gesichert. Durch Erforschung und Entwicklung umweltfreundlicher<br />

Kraftstoffe setzt das Land ein nachhaltiges Zeichen<br />

und gilt damit als Pionier bei der Entwicklung klimaschonender<br />

Mobilitätsstrategien. Lesen Sie auf den folgenden Seiten in<br />

einem Interview mit S. E. Abdulrahman bin Mohammed Al-<br />

Khulaifi, dem Botschafter Katars in Deutschland, und Michael<br />

Ludwig, <strong>VNG</strong>-Vorstand <strong>Gas</strong>beschaffung, was das Emirat Katar<br />

auszeichnet und welchen Stellenwert Deutschland für die Entwicklung<br />

des Landes besitzt.<br />

35<br />

Foto: © Carabay – Fotolia.com


UMSCHAU<br />

Interview<br />

„LNG ist eine interessante Option.“<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> sprach mit dem Botschafter des Staates Katar, S. E. Abdulrahman bin Mohammed Al-Khulaifi, und<br />

Michael ludwig, <strong>VNG</strong>-Vorstand <strong>Gas</strong>beschaffung, über die Rolle Katars als weltgrößter Exporteur von lNG und die<br />

Beziehungen zu Deutschland.<br />

S. E. Abdulrahman bin Mohammed Al-Khulaifi<br />

Exzellenz, in den letzten Jahren hat Ka-<br />

tar seine Kapazitäten für Produktion und<br />

Verflüssigung von Erd<strong>gas</strong> massiv auf<br />

nunmehr 77 Millionen Tonnen pro Jahr<br />

ausgebaut und ist damit heute weltweit<br />

größter Produzent von lNG. Wo liegen<br />

die Anfänge dieser Erfolgsgeschichte?<br />

Botschafter: Erkundungsingenieure ent-<br />

deckten 1971 vor der Nordostküste Katars<br />

Erd<strong>gas</strong>vorkommen. Das North Field ist das<br />

weltweit größte <strong>Gas</strong>feld. Es erstreckt sich<br />

über eine Fläche von 6.000 Quadratkilo-<br />

metern.<br />

Welches sind die wichtigsten Kunden<br />

Katars in Bezug auf den lNG-Export?<br />

Botschafter: Japan, Südkorea, Taiwan,<br />

China, Indien sowie Belgien gehören zu<br />

den größten Abnehmern unseres Erd<strong>gas</strong>es.<br />

Großbritannien und viele andere<br />

36<br />

Foto: Botschaft des Staates Katar in Deutschland<br />

europäische Staaten planen den Import<br />

von LNG aus Katar.<br />

Deutschland ist in dieser Aufzählung<br />

nicht explizit genannt. Ist der Bezug von<br />

lNG für deutsche <strong>Gas</strong>importeure nicht<br />

interessant?<br />

Michael Ludwig: Doch, das ist er. LNG<br />

stellt eine interessante Option zur weiteren<br />

Diversifizierung der deutschen Erd<strong>gas</strong>bezüge<br />

dar und kann zur Erhöhung<br />

der Versorgungssicherheit unserer heimischen<br />

Industrie und der deutschen Privathaushalte<br />

beitragen. Da das Erd<strong>gas</strong> in<br />

verflüssigter Form per Schiff transportiert<br />

wird, können neueTransportwege und damit<br />

auch neue Lieferquellen für Deutschland<br />

erschlossen werden. LNG-Mengen für<br />

den deutschen Markt stehen allerdings<br />

in einem starken Wettbewerbsverhältnis<br />

zu den herkömmlich nach Deutschland<br />

gelieferten Erd<strong>gas</strong>mengen, also dem<br />

Pipeline<strong>gas</strong>.<br />

Wie sehen Sie die Chancen, Deutschland<br />

und seine <strong>gas</strong>importierenden Unternehmen<br />

langfristig als Kunden gewinnen zu<br />

können?<br />

Botschafter: Deutschland zählt zu unseren<br />

guten Partnern. Innerhalb eines Jahres<br />

haben wir es geschafft, unsere Verbindungen<br />

im politischen und wirtschaftlichen<br />

Bereich zu stärken. Wir sind daran interessiert,<br />

mit deutschen <strong>Gas</strong>unternehmen<br />

zu kooperieren. Katar ist ein Partner, auf<br />

den sich Deutschland verlassen kann. Wir<br />

wissen, dass Deutschland, welches einen<br />

Großteil seines Erd<strong>gas</strong>bedarfs aus Russland<br />

deckt, zusammen mit der EU auf der<br />

Suche nach anderen Quellen ist.<br />

Welche Bedeutung hat lNG, wenn es um<br />

die langfristige Gewährleistung einer sicheren<br />

Erd<strong>gas</strong>versorgung Europas geht?<br />

Michael Ludwig: Es ist davon auszugehen,<br />

dass die Erd<strong>gas</strong>versorgung Europas auch<br />

in naher Zukunft zu einem Großteil von<br />

Russland und Norwegen sichergestellt<br />

wird. Voraussetzung dafür sind allerdings<br />

wirtschaftlich angemessene Konditionen<br />

zu denen der Bezug erfolgt. Zu hohe Preise<br />

würden eine erfolgreiche Vermarktung<br />

dieser Mengen unmöglich machen. In der<br />

Frage des Preises kann gerade LNG eine<br />

entscheidende Rolle spielen. So ist zu<br />

erwarten, dass LNG u. a. aufgrund des<br />

weltweiten Ausbaus von Verflüssigungskapazitäten<br />

und einem weitgehend importunabhängigen<br />

US-amerikanischen<br />

Markt weiterhin in ausreichendem Maße<br />

für Europa zur Verfügung stehen wird und<br />

dabei die Rolle des „Pricemakers“ einnehmen<br />

kann.<br />

Welche Absichten hat <strong>VNG</strong> mit Blick auf<br />

den Bezug von lNG?<br />

Michael Ludwig: LNG ist eine interessante<br />

Option. Es ermöglicht sogar eine<br />

Diversifizierung in mehrfacher Hinsicht:<br />

Diversifizierung der Transportwege, der<br />

Bezugsquellen und der Bezugspunkte.<br />

Insbesondere letzteres ist für <strong>VNG</strong> vor


LNG ermöglicht den wirtschaftlichen Transport<br />

über weite Strecken. Damit kann Europa aus weit<br />

entfernten Erd<strong>gas</strong>vorkommen, wie beispielsweise<br />

denen aus Katar versorgt werden.<br />

dem Hintergrund unseres angestrebten<br />

verstärkten Ausbaus unserer ausländischen<br />

Handelsaktivitäten von besonderem<br />

Interesse. Kurz- bis mittelfristig<br />

sind wir zunächst an der Lieferung von<br />

Spotcargos, d. h. von Mengen auf kurzfristiger<br />

Basis, interessiert und führen<br />

dazu entsprechende Verhandlungen mit<br />

verschiedenen LNG-Produzenten und<br />

-händlern. Mittel- bis langfristig kommt<br />

für uns auch ein langfristiger Bezugsvertrag<br />

in Betracht.<br />

Katar hat gemeinsam mit Shell eine Anlage<br />

zur Herstellung von sog. <strong>Gas</strong>-toliquids-Produkten<br />

(Gtl) gebaut. Qatar<br />

Airways nutzt schon heute einen 50%igen<br />

Anteil von Gtl in ihrem konventionellen,<br />

ölbasierten Flugzeugtreibstoff.<br />

Wie sind die Aussichten für Gtl?<br />

Botschafter: Katar widmet sich dem<br />

Schutz des Weltklimas, in dem wir auf den<br />

internationalen Märkten umweltfreundliches<br />

GtL anbieten. Ich glaube, dass Qatar<br />

Airways mit dem Treibstoff, den sie in<br />

ihren Flugzeugen nutzen, auch als gutes<br />

Beispiel für andere Airlines dienen kann.<br />

Katar befindet sich in einem permanenten<br />

Veränderungsprozess. Welche Projekte<br />

werden innerhalb des landes als<br />

besonders wichtig erachtet?<br />

Botschafter: Katars Bereitschaft, Projekte<br />

zu begleiten, von denen die katarische Bevölkerung<br />

profitiert, kennt keine Grenzen.<br />

Wir werden unsere Infrastruktur erneuern<br />

Michael Ludwig<br />

EUROPA<br />

und verbessern, nicht nur im Hinblick auf<br />

die Fußball-Weltmeisterschaft 2022. So<br />

sind unter anderem der Bau der Stadien,<br />

Stadt- und Eisenbahnprojekte und auch<br />

eine Brücke zur Verbindung Katars mit<br />

Bahrain geplant. Ich glaube nicht, dass<br />

sich an dieser Entwicklung in den nächsten<br />

zehn Jahren etwas ändern wird.<br />

Katar hat vor kurzem angekündigt, Aktien<br />

des deutschen Baukonzerns Hochtief zu<br />

kaufen. 2009 erwarb Katar einen Anteil<br />

an Porsche. Diese Investitionen lassen<br />

auf eine hohe Wertschätzung deutscher<br />

Unternehmen seitens Katars schließen.<br />

Botschafter: Als Katar sich dafür entschied,<br />

in den deutschen Automobilsektor<br />

zu investieren, waren wir uns des<br />

weltweit guten Rufes dieser Branche bewusst.<br />

Katar schätzt deutsche Unterneh-<br />

Katar<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

men sehr. Vor kurzem war der katarische<br />

Finanzminister zu Besuch in Berlin und<br />

hat verkündet, dass Katar bereit ist, seine<br />

Investitionen in die deutsche Wirtschaft<br />

weiter auszubauen.<br />

Welche Beziehungen pflegt <strong>VNG</strong> zu katarischen<br />

Vertretern des politischen und<br />

wirtschaftlichen lebens? Sind bereits<br />

gemeinsame Projekte geplant?<br />

Michael Ludwig: <strong>VNG</strong> pflegt gute Kontakte<br />

nach Katar. Seit etwa zwei Jahren führen<br />

wir regelmäßige Gespräche mit Katars<br />

Erd<strong>gas</strong>lieferanten über einen Bezug von<br />

LNG und tauschen uns dabei auch über<br />

aktuelle Marktentwicklungen und -prognosen<br />

aus. Darüber hinaus ist mir der<br />

persönliche Kontakt zu den politischen<br />

Vertretern des Staates Katar sehr wichtig.<br />

Mit dem Botschafter in Deutschland, S. E.<br />

Abdulrahman bin Mohammed Al-Khulaifi,<br />

habe ich ein ausgesprochen offenes und<br />

sehr angenehmes Gesprächsverhältnis.<br />

Bei verschiedenen Anlässen, wie etwa<br />

dem Staatsbesuch des Emirs des Staates<br />

Katar in Deutschland imvergangenen Jahr,<br />

habe ich mich wiederholt mit dem ehemaligen<br />

Energieminister, S. E. Abdullah<br />

Bin Hamad Al-Attiyah und seinem Nachfolger,<br />

S. E. Mohammed Saleh Al-Sada,<br />

getroffen. Konkrete Projekte mit Katar sind<br />

zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber noch<br />

nicht geplant.<br />

Exzellenz, Herr ludwig, wir danken Ihnen<br />

für das Gespräch.<br />

37


UMSCHAU<br />

40 Jahre norwegisches Erdöl-Abenteuer<br />

Das Leben auf<br />

einer Bohrinsel<br />

Der Auftrag lautete: Einen Artikel über leben und Arbeiten auf einer Bohrinsel. Wir<br />

luden die beiden Bohrinselveteranen Jonny (62) und Rudi (47) zum Interview ein<br />

und bereiteten eine ganze Reihe von Fragen vor. Diese Fragen brauchten wir aber<br />

nie zu stellen. Wir hatten nicht mal die Gelegenheit dazu. Kaum hatten wir uns<br />

hingesetzt, da flossen die Geschichten von alleine. Wir wurden zu faszinierten und<br />

fleißig notierenden Zuhörern. Es ist die Rede von harter Arbeit und schwierigen Bedingungen,<br />

aber beide Männer blicken stolz und mit glänzenden Augen auf diese<br />

vergangenen Zeiten zurück.<br />

von Marleen Laschet, <strong>VNG</strong> Norge<br />

Jonny und Rudi haben teilweise zu unter-<br />

schiedlichen Zeiten auf Bohrinseln vor<br />

der Küste Norwegens gearbeitet. Heute<br />

sind beide für die <strong>VNG</strong> Norge tätig. Rudi<br />

ist als Leiter Bohrung und Bohrplanung<br />

angestellt und arbeitet in Oslo, Jonny ist<br />

einer unserer festen Berater und wohnt<br />

in Stavanger.<br />

38<br />

DerSchwedeJonnyHeldeniusistgelern-<br />

ter Wirtschaftler vom Frans Schartaus<br />

Foto: <strong>VNG</strong> Norge<br />

Handelsinstitut in<br />

Stockholm. 1973<br />

kam er nach Nor-<br />

wegen um Arbeit<br />

zu suchen. Es war<br />

der Anfang des<br />

Erdöl-Abenteuers<br />

auf dem norwegi-<br />

Jonny Heldenius schenKontinentalschelf, und Jonny<br />

versuchte sein Glück auch offshore. Dort<br />

konnte man damals als junger Hilfsarbeiter<br />

50 Prozent mehr verdienen, als in<br />

einem Büro als Wirtschaftler. Noch dazu<br />

brauchte man weder Ausbildung noch<br />

Erfahrung, um offshore zu arbeiten. Ein<br />

einfaches Gesundheitszeugnis genügte.<br />

Es gab damals auch gar keine ordentliche<br />

Ausbildung. Man fing ganz unten an und<br />

stieg allmählich auf.<br />

Was als kurze, abenteuerliche Probe<br />

gedacht war, wurde für Jonny zu 24 Jahren<br />

Bohrinselarbeit.<br />

Jonnys erster Bohrinselaufenthalt war<br />

im Auftrag der amerikanischen Firma<br />

Moran Brothers und dauerte acht Tage.<br />

Seine Aufgaben bestanden hauptsächlich<br />

aus dem Reinigen von Bohrleitungsverkleidungen,<br />

Anstreichen sowie<br />

dem Entgegennehmen von Containern<br />

der Anlieferschiffe. Heute würde man<br />

„Roustabout“ 1 sagen. Jonny machte sehr<br />

schnell Karriere. Schon bei seinem zweiten<br />

Aufenthalt war er zum sogenannten<br />

„Roughneck“ 2 aufgestiegen, zum Bohrungsdeckarbeiter,<br />

der Rohrverkopplungen<br />

montiert. Damals geschah das alles<br />

noch vorwiegend manuell. Es war ein<br />

gefährlicher Job und Sicherheitsmaßnahmen<br />

gab es kaum. Beim Gedanken an diese<br />

Zeit blickt Jonny auf seine Hände: „Es<br />

ist ein kleines Wunder, dass ich noch alle<br />

zehn Finger habe. Vielen „Roughnecks“<br />

wurden damals nach Unfällen Finger am-<br />

Foto: Christoph Busse<br />

putiert – sie arbeiteten aber weiter auf<br />

der Bohrinsel, mit Fingerstummeln. Mit<br />

der Sicherheit hat man es wirklich nicht<br />

sehr ernst genommen.“<br />

Damals wurde auch auf dem Bohrdeck<br />

geraucht. Bereits ab vier Uhr morgens<br />

gab es regelmäßig jemanden, der schon<br />

mit dem Rauchen angefangen hatte. Das<br />

ganze Zimmer wurde schnell verqualmt<br />

– für viele sicher ein anstrengender Tagesanfang.<br />

Malochen auf der Bohrinsel<br />

„Häufig wurde man schon nach drei Stunden<br />

wieder geweckt und musste ohne<br />

zu murren aufstehen, um mitzuhelfen.<br />

Solche Arbeitsverhältnisse waren natürlich<br />

sehr anstrengend. Heute sind sie<br />

verboten. Aber es hat immerhin bis in<br />

die 1990er Jahre gedauert, bis die norwegischen<br />

Behörden mit der Einführung<br />

von Stundenlisten die Arbeitszeiten neu<br />

regelten. Wer zu viele Stunden nacheinander<br />

gearbeitet hatte, wurde an Land<br />

geschickt.“<br />

Auch 48-Stunden-Schichten waren keine<br />

Seltenheit. Erst nach einigen ernsthaften<br />

Unfällen fing man an, die Sicherheit


<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Insgesamt 53 Anlagen zur Öl- und <strong>Gas</strong>exploration und -produktion liegen im Kontinentalschelf vor der Küste Norwegens. In den nächsten Jahren werden<br />

weitere hinzukommen.<br />

an Bord der Bohrinseln ernst zu nehmen.<br />

Heute arbeitet man an Bord in der Regel<br />

zwei Wochen lang in 12-Stunden-Schicht<br />

und hat dann vier Wochen frei.<br />

Mit dem Komfort war es damals auch<br />

so eine Sache. Man übernachtete in einer<br />

4- bis 8-Mann-Kabine. Damals haben<br />

noch keine Frauen auf den Bohrinseln gearbeitet.<br />

Es gab nur halb so viele Betten,<br />

wie Mannschaft an Bord. Auch die Betten<br />

wurden in zwei Schichten benutzt. Da das<br />

Bett nach dem Schichtwechsel von einem<br />

Kollegen benutzt werden sollte, mussten<br />

die persönlichen Gegenstände immer<br />

wieder zur Seite geschoben werden. Duschen<br />

und Toiletten gab es nur auf dem<br />

Flur – eine Tür hatten sie nicht. Heute gibt<br />

es auf den Bohrinseln auf dem norwegischen<br />

Kontinentalschelf nur noch Einzelkabinen<br />

mit eigener Toilette und Dusche.<br />

Auf älteren Bohrinseln hat man einfach<br />

Zwischenwände eingebaut. Die Kabinen<br />

sind zwar klein, aber die „eigenen“ vier<br />

Wände gewährleisten doch ein Minimum<br />

an Privatleben. Diese Maßnahme hat die<br />

Lebensqualität auf den Bohrinseln sehr<br />

verbessert und zur Zufriedenheit unter<br />

den Mitarbeitern geführt.<br />

1975 wurde Jonny „Derrickmann“ 3 auf<br />

der Ekofisk Delta, von 1976 bis 1977 war<br />

er Kernbohrer bei Christensen Diamonds<br />

(heute Baker Hughes) in Stavanger. Zwischendurch<br />

absolvierte er ein Studium –<br />

die Ausbildung fand zeitweise offshore,<br />

zeitweise an Land, unter anderem in den<br />

Niederlanden statt.<br />

Jonny hat auch auf deutschen Anlagen<br />

gearbeitet, unter anderem in Bochum-<br />

Hövel. Die Unterkunft dort bestand aus<br />

einer Art Parkbank als Bett, die Dusche<br />

glich einem Gartenschlauch, der durch<br />

eine durchlöcherte Konservenbüchse<br />

geleitet wurde. Dort war es auch keine<br />

Ausnahme, 28 Tage nacheinander<br />

24-Stunden-Wache zu halten.<br />

1984 brachte Jonny es zum Bohrleiter<br />

bei Statoil.<br />

Ausbildung und Sicherheit<br />

Es hat sich viel geändert, seit Jonny als<br />

Hilfsarbeiter anfing. Die Arbeit wurde<br />

nach und nach komplizierter, so auch<br />

die Ausrüstung. Wo man früher als Unausgebildeter<br />

einfach in der Kneipe zum<br />

Bohrinselarbeiter geworben wurde, ist<br />

das jetzt undenkbar. Jeder, der auf der<br />

Bohrinsel arbeitet, hat eine spezifische<br />

Fachausbildung. Außerdem sind die<br />

Mitarbeiter auch rechtlich viel besser<br />

geschützt. Es gibt streng geregelte Abkommen,<br />

Betriebsräte und „Verneombud“<br />

Rudi Høksnes<br />

4 .<br />

Nach dem Kentern der Bohrinsel Alexander<br />

L. Kielland im Jahr 1980, bei dem<br />

es insgesamt 123 Tote gab, änderten<br />

sich die Arbeitsbedingungen abrupt.<br />

Nun kam es endlich zur Einführung<br />

strengerer Sicherheitsvorschriften. Auch<br />

die Pflichtausbildung<br />

wurde immer<br />

umfassender. So<br />

bot Statoil ihren<br />

Mitarbeitern nun<br />

eine sehr gute<br />

Weiterbildung an,<br />

vergleichbar mit<br />

einem Ingenieurstudium.<br />

Rudi Høksnes, Jahrgang 1964, absolvierte<br />

in Stavanger ein Studium zum<br />

Erdöl-Ingenieur. Nebenbei arbeitete er<br />

abends und am Wochenende als Busfahrer<br />

und Physiklehrer. Dadurch brauchte er<br />

sechs Jahre für das dreijährige Studi-<br />

Foto: <strong>VNG</strong> Norge<br />

39


Foto: Statoil<br />

UMSCHAU<br />

Früher brachte die Arbeit vor allem enorme körperliche Anstrengungen mit sich. Heute gleichen viele Arbeitsplätze eher denen moderner Rechenzentren.<br />

um. Aber das nimmt Rudi sehr gelassen:<br />

„Alles nützliche Erfahrung, sowohl für<br />

die Arbeit, wie auch fürs Leben.“ 1988<br />

bekam Rudi seinen ersten Job auf einer<br />

Bohrinsel, als Mitglied der Bohrcrew. Da-<br />

mals verlief das Leben im Elf-Wochen-<br />

Takt: vier Wochen arbeiten, sieben<br />

Wochen frei.<br />

Die Familie und die „Offshore-Welt“<br />

Die Herausforderungen des Alltagslebens<br />

beschränkten sich nicht auf den Arbeitsplatz.<br />

Der Rhythmus „zwei Wochen<br />

Bohrinsel, vier Wochen frei“ ist auch jetzt<br />

noch eine Zumutung für eine Familie.<br />

In den 70er Jahren war das aber noch<br />

schlimmer. 1975 lernte Jonny in Stavanger<br />

seine norwegische Frau kennen. Vier<br />

Kinder haben sie, aber Jonny hat damals<br />

nicht sehr viele Windeln gewechselt.<br />

Auch mit Rücksicht auf die Liebe ist dieser<br />

Job nicht gerade optimal. „Abends um<br />

23 Uhr konnte man zum Beispiel angerufen<br />

werden und Bescheid bekommen,<br />

dass man am nächsten Morgen um sieben<br />

Uhr bereit zu stehen hatte. Außerdem<br />

wusste man nie, wann genau man<br />

zurückkehren würde. Man konnte also<br />

40<br />

getrost vergessen, ein gemütliches Wochenende<br />

mit seiner Liebsten zu planen.“<br />

„Man führt ja eigentlich ein Doppelleben“,<br />

sagt Rudi. „Einerseits gibt es<br />

die Bohrinsel, wo man sich total auf<br />

die Arbeit konzentriert. Danach ist man<br />

wochenlang Familienvater. Ich habe immer<br />

das Gefühl gehabt, einen Schalter<br />

umzulegen. Sobald ich auf der Bohrinsel<br />

ankam, war die Familie zwar nicht<br />

vergessen, aber irgendwie doch mental<br />

weit weg. Umgekehrt aber auch: In der<br />

wochenlangen Pause war ich ganz und<br />

gar für die Familie da.“<br />

Ab und zu konnte Rudi zu Hause so<br />

gut abschalten, dass er gar nicht mehr<br />

wusste, auf welcher Bohrinsel er gewesen<br />

war. Nicht mal mit wem oder mit<br />

welcher Ausstattung er am vorigen Tag<br />

gearbeitet hatte. „Also nichts mit wilden<br />

Strohwitwer- oder Junggesellengeschichten?“<br />

Beide Männer schmunzeln. „Naja,<br />

es gab schon eine jugendliche Zeit, wo<br />

70 Prozent der Freizeit an Wein, Weib und<br />

Gesang ging. Aber das ist lange her“, beteuert<br />

Rudi.<br />

„Meine Frau hat sich einmal besonders<br />

stark darüber beschwert, dass ich wo-<br />

Foto: Christoph Busse<br />

chenlang weg war“, erzählt Rudi. „Da hat<br />

meine Oma mich verteidigt und meiner<br />

Frau streng zugesprochen: „Du weißt gar<br />

nicht, wie gut es dir geht!“<br />

Seine Großmutter hat darauf hingewiesen,<br />

wie der Großvater sie und ihre kleinen<br />

Kinder monatelang alleine zu Hause ließ,<br />

um am Walfang teilzunehmen. Er fuhr im<br />

Oktober los und kam erst im Mai wieder<br />

zurück. Nach dieser Geschichte hat Frau<br />

Høksnes sich nicht wieder beschwert –<br />

„jedenfalls nicht laut“, grinst Rudi.<br />

Ansonsten ist das Gesellschaftsleben<br />

für Bohrinselmitarbeiter auch eine Herausforderung.<br />

Mit diesem Arbeitsrhythmus<br />

ist es schwierig, in einem Verein<br />

tätig zu sein. Auch Freundschaften muss<br />

man ganz anders pflegen.<br />

leckeres Essen<br />

Die Bohrinselkantinen gelten mitunter als<br />

die besten Restaurants Norwegens. Aufgrund<br />

der Schichtarbeit sind sie rund um<br />

die Uhr geöffnet. Über das Essen kommt<br />

von beiden ausschließlich Lob. Obwohl<br />

die Qualität selbstverständlich unterschiedlich<br />

war, je nachdem auf welcher<br />

Bohrinsel sie sich befanden, sind beide


Die Bohrinselköche versorgen die Arbeiter rund<br />

um die Uhr mit ausgezeichnetem Essen.<br />

sich darüber einig, dass die kulinarischen<br />

Erlebnisse stets ausgezeichnet waren.<br />

„Selbst auf den schlimmsten Plattformen<br />

gab es immer Speisekarten mit<br />

einigen Variationen, wie zum Beispiel<br />

Pfannkuchen, gebratene und gekochte<br />

Eier, Brot und einen Haufen von Aufschnitt“,<br />

sagt Rudi begeistert und meint<br />

weiter: „Ich habe oft Steak zum Frühstück<br />

gegessen!“ Unterernährt sieht Rudi auch<br />

heute nicht aus. Aber wir bekommen<br />

schon entschieden das Gefühl, dass im<br />

Hause Høksnes morgens keine Steaks<br />

gebraten werden.<br />

Neben dem guten Essen haben die Bohrinseln<br />

heutzutage auch sehr angenehme<br />

Aufenthaltsräume, wo sich die Mitarbeiter<br />

zwischen den Schichten entspannen<br />

können. Es wird gespielt, es wird Sport<br />

getrieben und es werden Filme geschaut.<br />

Die Bohrinseln sind immer noch stark<br />

von Männern dominiert, obwohl sich in<br />

den letzten Jahren doch einiges geändert<br />

hat–„zumGuten“,meintRudi.1995hater<br />

auf der Ekofisk Alta Weihnachten gefeiert.<br />

Es war keine einzige Frau anwesend, was<br />

dazu führte, dass alle ganz schlampig zu<br />

Tisch kamen. Für wen hätte man sich auch<br />

Foto: Christoph Busse<br />

Die Arbeit auf einer Plattform verlangt stets ein hohes Maß an Konzentration.<br />

schick anziehen sollen? „Das Arbeitsklima<br />

wird mit Frauen viel gemütlicher und<br />

mit vielen Frauen an Bord pflegen sich<br />

sogar die Arbeiter jeden Tag viel besser“,<br />

erklärt Rudi. „In Großbritannien gibt es<br />

auf den Bohrinseln fast überhaupt keine<br />

Frauen. Das sieht man sofort, wenn man<br />

dort ankommt. Das riecht man sogar!“<br />

Vielseitige Führungsrolle<br />

Die Herausforderungen eines Bohrinselchefskönnen<br />

schnellunterschätztwerden.<br />

Einerseits darf man nichtzu sehr als „Kumpel“<br />

von den Angestellten angesehen werden,<br />

weil man manchmal auch strenge<br />

Anweisungen geben muss. Andererseits<br />

ist es dringend notwendig, dass man gut<br />

miteinander klar kommt, sonst wird man<br />

den Job nicht meistern können.<br />

„Im Laufe eines einzigen Jahres bin ich<br />

auf neun unterschiedlichen Bohrinseln<br />

gewesen. Ich musste mich wie ein Chamäleon<br />

an jede Umgebung genau anpassen,<br />

um mit allen zusammen arbeiten zu<br />

können“, berichtet Rudi.<br />

Auf der einen Plattform gingen die<br />

Gespräche um Frauen und Bier, auf der<br />

anderen wurde über Mozart und Munch<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

diskutiert. Was für Menschentypen sich<br />

auf einer bestimmten Bohrinsel befanden,<br />

war nie vorauszusehen. Wenn die<br />

Chemie zwischen dem Chef und den Angestellten<br />

irgendwie nicht gut war, gab<br />

es definitiv Probleme.<br />

Ob sie wieder zurück offshore arbeiten<br />

würden, wenn sie die Gelegenheit<br />

bekämen? „Ach nee, diese Zeiten sind<br />

vorbei.“ Sie fahren immer gerne mal wieder<br />

hin, was ja auch in ihren heutigen<br />

Funktionen manchmal notwendig ist –<br />

zum Beispiel, wenn die <strong>VNG</strong> Norge eine<br />

Explorationsbohrung vornimmt. „Immer<br />

wieder schön, nochmal die Atmosphäre<br />

mitzubekommen und die technische und<br />

soziale Entwicklung zu betrachten. Aber<br />

ansonsten ist das jetzt ein Stück Nostalgie,<br />

wenn wir so erzählen.“<br />

Wer mehr wissen möchte, komme nach<br />

Oslo oder Stavanger, lade Rudi oder Jonny<br />

auf ein Bier ein, lehne sich zurück und<br />

genieße. Beide haben ganz bestimmt<br />

noch viele Geschichten auf Lager.<br />

1. Hilfsarbeiter<br />

2. Bohrarbeiter auf einer Bohrinsel<br />

3. Bohrturmarbeiter<br />

4. Arbeitsschutzbeauftragter<br />

41<br />

Foto: Christoph Busse


UMSCHAU<br />

EU-Energiepolitik<br />

Viele Aufgaben für den neuen<br />

Europäischen Energieregulator<br />

Mit der Verabschiedung des 3. Energiebinnenmarktpakets auf EU-Ebene wurde neben der Einführung von Vorschriften zum<br />

sogenannten „ownership unbundling“ und zur Neuregelung von <strong>Gas</strong>- und Stromnetzzugang auch eine neue europäische<br />

Energieregulierungsbehörde namens ACER („Agency for the Cooperation of Energy Regulators“) ins leben gerufen. ACER trat<br />

im „Energiealltag“ bis dato nur wenig in Erscheinung. Dies wird sich allerdings rasch ändern.<br />

von Dr. Ralf Pastleitner, <strong>VNG</strong><br />

langwieriger Startup-Prozess<br />

Die Gründung von ACER ist zwar schon<br />

im 3. Energiebinnenmarktpaket des Jahres<br />

2009 angelegt, aber aufgrund des<br />

langwierigen Startup-Prozesses konnte<br />

die Agentur schließlich erst zu Beginn<br />

des Jahres 2011 ihren Dienst aufnehmen.<br />

Überdies waren sich die Mitgliedstaaten<br />

lange uneinig, wie weitreichend die Kompetenzen<br />

der Behörde tatsächlich sein<br />

sollten.<br />

Sitz von ACER ist Ljubljana in Slowenien.<br />

Auch der Auswahl des Standortes<br />

ging ein „Rennen“ zwischen drei Städten<br />

aus den „neuen“ Mitgliedstaaten voran,<br />

da neben Ljubljana noch Bratislava und<br />

Bukarest als Sitz im Gespräch waren.<br />

ACER ersetzt ERGEG<br />

ACER ersetzt ERGEG, die Gruppe der europäischen<br />

Regulierungsbehörden für<br />

Elektrizität und Erd<strong>gas</strong>. Seit 2003 sollte<br />

ERGEG die Konsultation, Koordination<br />

und Kooperation zwischen den nationalen<br />

Regulierungsbehörden sowie<br />

zwischen diesen Behörden und der<br />

Kommission erleichtern und damit den<br />

Elektrizitäts- und den Erd<strong>gas</strong>binnenmarkt<br />

festigen. ERGEG setzte sich aus<br />

42<br />

Vertretern der nationalen Regulatoren<br />

zusammen. ACER hingegen wurde als<br />

unabhängige Behörde konzipiert.<br />

ACER hat vielfältige Aufgaben zu<br />

bewältigen<br />

Hauptaufgabe von ACER ist die Unterstützung<br />

der nationalen Regulierungsbehörden<br />

– auf EU-Ebene – bei deren<br />

regulatorischen Aktivitäten in den Mitgliedstaaten<br />

sowie, falls notwendig, deren<br />

Koordinierung. Die Mitgliedstaaten<br />

sollen zum Erreichen der Ziele der Energiepolitik<br />

der EU eng zusammenarbeiten<br />

und die Hemmnisse für den grenzüberschreitenden<br />

Austausch von Elektrizität<br />

und Erd<strong>gas</strong> aus dem Weg räumen.<br />

Unter diese sehr allgemein gehaltene<br />

Aufgabenbeschreibung fällt allerdings<br />

eine Vielzahl an größeren und kleineren<br />

Tätigkeiten: So zählen unter anderem die<br />

Überwachung des <strong>Gas</strong>- und Strombinnenmarktes,<br />

die Zusammenarbeit mit den<br />

ACER im Überblick<br />

ENTSOs1 für Strom und <strong>Gas</strong> , die Durchführung<br />

von öffentlichen Konsultationen<br />

mit Marktteilnehmern zu anstehenden<br />

Regulierungsvorhaben sowie die Abgabe<br />

von Empfehlungen, Stellungnahmen<br />

und Entscheidungen im Zusammenhang<br />

mit der Umsetzung von Vorgaben des 3.<br />

Energiebinnenmarktpakets zu den Aufgaben<br />

der neuen Agentur.<br />

Große Bedeutung trotz geringer<br />

Kompetenzen<br />

In sehr wenigen Fällen kommt der Agentur<br />

allerdings echte Entscheidungsgewalt<br />

zu. Hier konnten sich die Mitgliedstaaten<br />

nicht zu einer größeren Machtfülle für<br />

ACER zu Lasten der nationalen Regulatoren<br />

durchringen.<br />

Dennoch wird ACER in Zukunft eine<br />

nicht zu unterschätzende Rolle im europäischen<br />

Erd<strong>gas</strong>- und Strommarkt<br />

spielen. Da das Personal von ACER zum<br />

überwiegenden Teil aus kompetenten<br />

Sitz Ljubljana, Slowenien | Mitarbeiter 50 (geplanter Stand bis 2013) | Direktor Alberto Pototschnig<br />

(Italien), berufen zunächst für 5 Jahre | Gründung 2009 im Zuge der Verabschiedung des 3. Energiebinnenmarktpakets<br />

der EU | Offizielle Aufnahme des Betriebs 3. März 2011 | Hauptaufgaben EU-weite<br />

Aufsicht über die nationalen Energiebehörden und Koordination deren nationaler Regulierungstätigkeit,<br />

Beseitigung technischer Hürden im grenzübergreifenden Energiehandel


Foto: Nebojša Tejić/STA/Cabinet of Prime Minister<br />

Der slowenische Ministerpräsident Borut Pahor und Alberto Pototschnig, Direktor von ACER bei der<br />

Schlüsselübergabe im März 2011.<br />

Energieexperten besteht, erwartet sich<br />

die Europäische Kommission zu Recht<br />

fundierte Stellungnahmen und Empfehlungen,<br />

um das übergeordnete Ziel eines<br />

vollendeten Energiebinnenmarktes in<br />

Europa bis 2014 tatsächlich zeitgerecht<br />

erreichen zu können.<br />

Für Energiehändler wie <strong>VNG</strong> wird ACER<br />

beispielsweise alszentrale Reporting- und<br />

Informationssammelstelle für Transaktionsdaten<br />

im Erd<strong>gas</strong>handel große Bedeutung<br />

erlangen. Im Zuge der Erhöhung<br />

der Transparenz des Energiegroßhandels<br />

möchte die EU eine Verordnung beschließen,<br />

die Marktmissbrauch und Insiderhandel<br />

einen Riegel vorschiebt. Um der<br />

Agentur die dafür notwendige Übersicht<br />

über den Handelsmarkt zu ermöglichen,<br />

müssen die Energieunternehmen in Zukunft<br />

vermutlich größere Datenmengen<br />

an ACER übermitteln. ACER soll diese Daten<br />

dann auswerten und im Falle eines<br />

möglichen Verstoßes gegen die Regeln<br />

der neuen Verordnung die betroffenen<br />

Mitgliedstaaten verständigen. Diese<br />

können dann gegebenenfalls Sanktionen<br />

gegen die Unternehmen verhängen.<br />

Fazit<br />

Bei allen guten Intentionen, die zweifelsohne<br />

hinter dieser geplanten Regulierung<br />

stehen, sollten jedoch keine neuen bürokratischen<br />

Hürden durch kompliziertes<br />

Reporting geschaffen oder durch eine zu<br />

umfangreicheInformationsabfragelegitime<br />

Wettbewerbsvorteile oder Geschäftsgeheimnisse<br />

der Unternehmen gefährdet<br />

werden. Hinweis: Eine Entscheidung der<br />

EU-Institutionen zur neuen Transparenzverordnung<br />

für den Energiegroßhandel<br />

wird für Herbst 2011 erwartet.<br />

Auch in nicht minder wichtigen Fragen<br />

wie der Zuweisung von Erd<strong>gas</strong>transportkapazitäten<br />

an Grenzübertrittspunkten<br />

in der EU, der Schaffung von Virtuellen<br />

grenzüberschreitenden Handelspunkten<br />

oder der Einführung eines europaweit<br />

einheitlichen Bilanzierungssystems im<br />

<strong>Gas</strong>transport wird die Meinung von ACER<br />

künftig verstärkt zu beachten sein.<br />

Abzuwarten bleibt, inwieweit die kleine<br />

Agentur in Slowenien der geballten<br />

Menge an Aufgaben, den großen fachlichen<br />

Anforderungen und vor allem den<br />

hohen Erwartungen der EU-Kommission<br />

und der Mitgliedstaaten gewachsen<br />

sein wird und zur raschen Implementierung<br />

eines funktionierenden Erd<strong>gas</strong>-<br />

und Strombinnenmarktes in allen<br />

Mitgliedstaaten der EU beitragen kann.<br />

1. Gemeint sind die europäischen <strong>Gas</strong>- und<br />

Stromnetzbetreiber.<br />

Unser Autor<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Brüssel<br />

Dr. Ralf Pastleitner, Leiter des Brüsseler<br />

Büros von <strong>VNG</strong>.<br />

ralf.pastleitner@vng.de<br />

ljubljana<br />

43


FEATURE<br />

Mehr Wissen. Mehr Können. Mehr Zukunft.<br />

Das ist das Motto des „Wissensfabrik – Unternehmen für Deutschland e. V.“ – einer Initiative von rund 80 deutschen Unter-<br />

nehmen und unternehmensnahen Stiftungen. Sie verfolgt das Ziel, kommende Generationen fit zu machen für die Zukunft.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> stellt die Arbeit der Wissensfabrik vor.<br />

Foto: BASF <strong>AG</strong><br />

Beim Leuchtturmprojekt „Vom Klein-Sein zum Einstein“ wird die Neugier auf naturwissenschaftliche Phänomene geweckt.<br />

Wissen ist Zukunft<br />

44<br />

Im Jahr 2005 haben die Unter-<br />

nehmen BASF, Bosch, fischer,<br />

Follmann, KSB, ThyssenKrupp, TRUMPF, Voith und Wall die Wis-<br />

sensfabrikals gemeinnützigen Verein gegründet. „Da die Grund-<br />

lage für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands überall dort gelegt<br />

wird, wo Menschen lernen, wollen wir Lust auf Zukunft machen<br />

und gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Akteuren die<br />

junge Generation für die Herausforderungen der Wissensgesell-<br />

schaft rüsten“, so die Ideengeber der Initiative.<br />

Herausgekommen ist eine offene Plattform für Unternehmen<br />

aller Größen und Branchen, unternehmensnahe Stiftungen,<br />

Bildungseinrichtungen und Initiativen, die Wissen fördern und<br />

teilen möchten. Bis heute entstanden über 300 Projekte im Aus-,<br />

Weiterbildungs- und Hochschulbereich. Zudem wurden mehr als<br />

2.000 Bildungspatenschaften zwischen Mitgliedsunternehmen<br />

und Bildungseinrichtungen geschaffen. So ist es den Mitgliedern<br />

der Wissensfabrikgelungen, bisher mehr als 440.000 Kinder und<br />

Jugendliche in ganz Deutschland zu erreichen.<br />

leuchtturmprojekte für Kinder und Jugendliche<br />

Sowohl Mitgliedsunternehmen als auch wissenschaftliche Ko-<br />

operationspartner und Bildungsexperten bringen Projekte in<br />

die Wissensfabrik ein. Aus diesem Projektpool entwickelt die<br />

Wissensfabrik gemeinsam mit wissenschaftlichen Institutionen<br />

praxisbewährte Modellprojekte. Mittlerweile sind eine Vielzahl<br />

von themenbezogenen und wissenschaftlich anerkannten<br />

Leuchtturmprojekten hervorgegangen, die sich jeweils an ak-<br />

tuellen Lehrplänen orientieren.<br />

Kinder und Jugendliche haben die Möglichkeit, mit alltagsna-<br />

hen Experimenten die Begeisterung für naturwissenschaftliche<br />

und technische Phänomene zu entdecken. Zum Beispiel wird<br />

in dem Projekt „Erzählwerkstatt“ das Sprach- und Vorstellungs-<br />

vermögen der Kinder durch das Erzählen von Fantasiemärchen<br />

vergrößert. Bei einem anderen Projekt „KIEWIS WIPS“ können<br />

Grundschüler im Schulalltag unternehmerisch tätig werden. Die<br />

Kinder entdecken Wirtschaft, das Klassenzimmer wird gegen<br />

das Büro bzw. die Fabrikhalle eingetauscht, um Einblicke in das<br />

Wirtschaftsleben zu erhalten. In Unternehmensplanspielen ler-<br />

nen Grundschüler spielerisch weitere Elemente des Wirtschafts-<br />

kreislaufs kennen.<br />

Der Forscherdrang für technische Zusammenhänge wird bei<br />

„KiTec“ mit einer eigens für den Schulunterricht entwickelten<br />

Werkzeug- und Materialkiste unterstützt. Demnächst startet auch<br />

das neue Leuchtturmprojekt „Energie“, in dem Kinder und Ju-


Foto: BASF <strong>AG</strong><br />

Mitgliedertag 2011: Ullrich Bingenheimer, KSB; Christian Greger, TRUMPF; Dr. Jürgen Hambrecht, Lenkungskreisvorsitzender der Wissensfabrik; Johanna<br />

Coleman, Vorstandsvorsitzende der Wissensfabrik; Dr. Thomas Rettich, TRUMPF; Prof. Dr. Ekkehard Schulz, ThyssenKrupp; Dr. Karsten Heuchert, <strong>VNG</strong>;<br />

Hermann Reichenecker, Storopack Hans Reichenecker GmbH (v. l. n. r.)<br />

gendliche selbst Experimente zum Thema Energie durchführen<br />

werden. Dieses spezielle Leuchtturmprojekt wird von der <strong>VNG</strong>-<br />

Stiftung aktiv unterstützt.<br />

Jungunternehmer im Blick<br />

Die Wissensfabrik denkt auch an die Jungunternehmer von morgen.<br />

So werden Existenzgründer mit einem eigens entwickelten<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> sprach mit Dr. Karsten Heuchert, <strong>VNG</strong>-Vorstandsvorsitzender,<br />

über die Arbeit der Wissensfabrik.<br />

Stirbt das Unternehmertum<br />

langsam aus?<br />

Da habe ich keine Sorge. Entscheidend<br />

wird sein, dass wir<br />

kommenden Generationen die<br />

Chance bieten, sich frei entfalten<br />

zu können. Auch <strong>VNG</strong><br />

wird hier über ihre Stiftung<br />

ihren Beitrag leisten. Zudem<br />

rufe ich alle interessierten<br />

Unternehmen auf, sich bei der<br />

Wissensfabrik zu engagieren.<br />

Dr. Karsten Heuchert<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Auch die <strong>VNG</strong>-Stiftung ist seit Juni 2011 Mitglied der Wissensfabrik. Zudem wurde Dr. Karsten Heuchert, <strong>VNG</strong>-Vorstandsvorsitzender,<br />

in den lenkungskreis der Wissensfabrik berufen.<br />

Wieso engagieren Sie sich in<br />

der Wissensfabrik?<br />

Kinder sind unsere Zukunft.<br />

Die Herangehensweise der<br />

Initiative hat mich sehr überzeugt.<br />

Gerade durch spielerische<br />

Ansätze lässt sich bei<br />

Kindern die Lust auf Bildung<br />

wecken.<br />

Welche Rolle wird das Thema<br />

Bildung zukünftig spielen?<br />

Wir wissen, dass große demographische<br />

Probleme auf uns zu<br />

kommen. Die junge Generation<br />

hat die große Verantwortung,<br />

Deutschland wirtschaftlich<br />

stark zu halten. Bildung ist dafür<br />

der Schlüssel allen Erfolgs.<br />

Mentorenprogramm bei der Umsetzung ihrer Ideen unterstützt.<br />

Das Projekt „Student2Start-up“ bietet Jungunternehmern zudem<br />

die Möglichkeit, ausgewählte Problemstellungen aus dem<br />

geschäftlichen Alltag zum Thema eines universitären Workshops<br />

zu machen.<br />

www.wissensfabrik-deutschland.de<br />

45


FEATURE<br />

Stadtansichten<br />

10 Gründe,<br />

die thüringische<br />

Landeshauptstadt Erfurt<br />

zu besuchen.<br />

Erfurt „[…] liegt am besten Ort. Da muss eine Stadt stehen!“ So urteilte<br />

Martin luther im 16. Jahrhundert. Knapp 500 Jahre später ist die größte Stadt<br />

Thüringens geprägt durch einen der am besten erhaltenen mittelalterlichen<br />

Stadtkerne Deutschlands und steht für die Verbindung von Tradition und Mo-<br />

derne. Auch <strong>VNG</strong> ist seit Oktober 2010 mit einer Vertriebsdirektion in Erfurt<br />

vertreten.<br />

1. Stadt der Brücken<br />

Insgesamt 216 Brücken überspannen die<br />

Wasserläufe des Flusses „Gera“, kleinerer<br />

Ströme und des Flutgrabens entlang der<br />

alten Stadtmauer. Die wohl bekannteste<br />

Brücke ist die Krämerbrücke. Sie ist die<br />

einzige vollständig mit Häusern bebaute<br />

und bewohnte Brücke nördlich der Alpen.<br />

Mit ihren sechs Gewölben überbrückt sie<br />

die Gera auf einer Länge von 79 Metern.<br />

Heute präsentieren sich in dieser einzigar-<br />

tigen Atmosphäre Galerien, Wein-, Musik-<br />

und Antiquitätenhändler.<br />

2. Altstadt und Fischmarkt<br />

Die Erfurter Altstadt gehörtzu den größten<br />

Altstädten Deutschlands. Das Besondere:<br />

Die mittelalterlich geprägte Bausubstanz<br />

ist im Wesentlichen noch erhalten. Nach<br />

1989 wurde sie nahezu komplett saniert.<br />

Der Fischmarkt gilt als historischer Mit-<br />

telpunkt der Stadt. Wie der Name verrät,<br />

wurden einst auf dem Markt auch Fische<br />

gehandelt. Er war und istSchnittpunkt der<br />

durch die Stadt führenden Handelsstra-<br />

ßen und somit Zentrum des öffentlichen<br />

Lebens.<br />

46<br />

3. Die Erfurter Puffbohne<br />

Mit der „Erfurter Puffbohne“ besitzt Erfurt<br />

wohl das kurioseste Stadtmaskottchen al-<br />

ler Zeiten. Das hellgrüne Wesen in Plüsch<br />

erinnert an die fruchtbaren Böden desThü-<br />

ringer Beckens. Diese brachten seit jeher<br />

reiche Ernten ein. Insbesondere die hier<br />

geernteten Bohnen wurden als „aufge-<br />

buffte Bohne“ (große Bohne) bezeichnet.<br />

Daraus entwickelte sich über die Jahre der<br />

Begriff Puffbohne.Vor einigen Jahrzehnten<br />

wurde aus der geschichtsträchtigen Erfur-<br />

ter Puffbohne das Stadtmaskottchen. Es<br />

entstand eine Plüschbohne mit Gesicht.<br />

Im Jahr 2000 erfuhr die Puffbohne einen<br />

neuen Aufstieg. Seitdem ist die hellgrüne<br />

Plüschbohne nicht mehr aus dem Stadt-<br />

bild wegzudenken.<br />

4. Die Stadt der Feste<br />

Erfurt bietet zahlreiche Anlässe zum<br />

Feiern. Einer davon ist das Krämerbrü-<br />

ckenfest, zugleich Thüringens größtes<br />

Altstadtfest. Tausende Besucher zieht<br />

es dann in die alten <strong>Gas</strong>sen rund um die<br />

Krämerbrücke. Im August verzaubern die<br />

Domstufen-Festspiele die Landeshaupt-<br />

stadt. Vor der einzigartigen Kulisse des<br />

Domberges, ist das vom Theater Erfurt<br />

5<br />

8<br />

1


Foto: © Volker Z – Fotolia.com Foto: KI.KA<br />

Foto: © KlausMJan – Fotolia<br />

9<br />

veranstaltete Festival das Highlight des<br />

Thüringer Kultursommers, das nicht nur<br />

Zuschauer aus der Region begeistert,<br />

sondern zunehmend auch Gäste aus<br />

ganz Deutschland und Europa. Erfurt<br />

ist auch Stadt des Weines. Daher trifft<br />

man sich einmal im Jahr zum Weinfest,<br />

um die Trauben des Jahres zu verkos-<br />

ten. Der Jahreshöhepunkt ist zugleich<br />

der Jahresabschluss. So lädt der Erfur-<br />

ter Weihnachtsmarkt vor der Kulisse des<br />

Doms und der Severikirche zu einem der<br />

schönsten Märkte Deutschlands ein.<br />

5. Erfurter Dom St. Marien<br />

und Severikirche<br />

Der Erfurter Domberg mit seiner unverwechselbaren<br />

Silhouette ist wohl das berühmteste<br />

Wahrzeichen der Stadt. Die den<br />

Domplatz beherrschende monumentale<br />

Baugruppe von Dom und Severikirche gilt<br />

als eine der gewaltigsten Bauschöpfungen<br />

des Mittelalters. Gegründet wurden die<br />

Vorgängerbauten beider Kirchen zu Zeiten<br />

der frühen christlichen Mission. Am Ort<br />

der ersten Bischofskirche baute man in<br />

romanischer und gotischer Zeit die Stiftskirche<br />

St. Marien, die seit 1994 zugleich<br />

Bischofskirche des neu gegründeten Bistums<br />

Erfurt ist.<br />

6. Zentrum des Sports<br />

Erfurt ist Sportstadt. Seit Mitte der<br />

1980er Jahre ist Erfurt untrennbar mit<br />

dem Eisschnelllauf verbunden. Gunda<br />

Niemann-Stirnemann – die erfolgreichste<br />

Eisschnellläuferin aller Zeiten<br />

– kommt aus Erfurt. Moderne Sporteinrichtungen<br />

wie das Steigerwaldstadion,<br />

das Leichtathletik- und Eissportzentrum,<br />

der Olympiastützpunkt Thüringen sowie<br />

die Landesleistungszentren bieten talentierten<br />

Nachwuchssportlern optimale<br />

Entwicklungsmöglichkeiten.<br />

7. Evangelisches Augustinerkloster<br />

Das Augustinerkloster zu Erfurt ist ein<br />

einmaliges Baudenkmal mittelalterlicher<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

Ordensbaukunst.DasKlosteristalsbedeutende<br />

Lutherstätte weltweit bekannt. Martin<br />

Luther lebte hier als Augustinermönch<br />

von 1505 bis 1511. Im Kloster befinden<br />

sich eine sehenswerte Dauerausstellung<br />

und eine einzigartige historische Bibliothek.<br />

Seit August 2004 führt das Kloster<br />

den Titel „Nationales Kulturdenkmal von<br />

besonderer kultureller Bedeutung“.<br />

8. Einkaufen am Anger<br />

Der Anger ist der zentrale Platz im Südosten<br />

der Altstadt,zwischen Dom und Hauptbahnhof<br />

gelegen. Der langgestreckte Platz<br />

ist vor allem durch seine Randbebauung<br />

geprägt. Die Hauptpost im neugotischen<br />

Stil stammt aus dem Jahr 1895. Am Nordende<br />

des Platzes finden sich Häuser aus<br />

dem 17. Jahrhundert. Das bekannteste<br />

Haus, die Einkaufsgalerie Anger 1, wurde<br />

zwischen 1906 und 1908 unter Leitung<br />

der Architekten Albert und Ernst Giese als<br />

Kaufhaus Römischer Kaiser am östlichen<br />

Ende des Angers errichtet.<br />

9. Medienzentrum<br />

ErfurtistThüringensMedienstadtNummer<br />

eins. Im MDR-Landesfunkhaus Thüringen<br />

entstehen Fernsehreportagen,Sport-, Kultur-<br />

und Unterhaltungssendungen. Neben<br />

privaten Rundfunksendern, dem MDR und<br />

dem ZDF-Landesstudio ist Erfurt auch<br />

die Heimat vom Kinderkanal. Von hier<br />

aus wird das beliebte Kinderprogramm<br />

von ARD und ZDF ausgestrahlt und bringt<br />

vom „Sandmännchen“ bis zu „Schloss<br />

Einstein“ täglich unterhaltsame Serien<br />

in Deutschlands Haushalte.<br />

10. „Erfurt ist Papst“<br />

Papst Benedikt XVI. wird im Rahmen seiner<br />

Deutschlandreise im Herbst auch Thüringen<br />

besuchen. Geplant ist die Ankunft<br />

in Erfurt am 23. September 2011 mit der<br />

Begrüßung im Dom und Gesprächen der<br />

Evangelischen Kirche im Augustinerkloster.<br />

Am 24. September wird eine heilige<br />

Messe auf dem Domplatz zu Erfurt stattfinden.<br />

47


FEATURE<br />

<strong>VNG</strong>-Bildungstour<br />

<strong>VNG</strong>-Ausstellung Mauerfälle macht in Erfurt Station<br />

Die Wanderausstellung „Mauerfälle“ war im Juni 2011 in der thüringischen landeshauptstadt Erfurt zu <strong>Gas</strong>t. Mit Erfurt machte<br />

die <strong>VNG</strong>-Bildungstour nunmehr an der 12. Station Halt. Grund genug für uns, eine kleine Bilanz zu ziehen.<br />

Foto: Dirk Brzoska<br />

Neubrandenburger Schüler beim Geschichtsunterricht am Mauerstück.<br />

Die Stationen<br />

Leipzig, Chemnitz, München, Essen, Stavanger, Neubran-<br />

denburg, Frankfurt am Main, Dresden, Brüssel, Nordhausen,<br />

Lutherstadt Wittenberg und Erfurt. In all diesen Städten prä-<br />

sentierte die <strong>VNG</strong>-Bildungstour das von <strong>VNG</strong> im Rahmen ihrer<br />

Initiative „<strong>Verbundnetz</strong> für Demokratie und Toleranz“ im 20.<br />

Jahr der Friedlichen Revolution zu Gunsten der Hilfsorganisati-<br />

on „Ein Herz für Kinder e. V.“ erworbene Mauersegment. Zwölf<br />

Städte, oder anders ausgedrückt: Rund 6.190 km Wegstrecke,<br />

die seit Beginn zurückgelegt wurde.<br />

Die Unterzeichner<br />

Das Mauersegment ist das einzige seiner Art weltweit, welches<br />

von den „Drei Vätern der Einheit“ – Dr. Helmut Kohl, Michail<br />

Gorbatschow und George H. W. Bush – unterzeichnet wurde.<br />

Im vergangenen Jahr kamen zahlreiche Persönlichkeiten der<br />

Zeitgeschichte hinzu (siehe Infobox).<br />

Bildung zum Anfassen<br />

Das Mauersegment ist nicht nur ein Symbol der Deutschen<br />

Wiedervereinigung. Vor allem transportiert es die deutsche<br />

Geschichte in unsere Gegenwart. Im Rahmen der Bildungstour<br />

veranstalteten Schulklassen ihren Geschichtsunterricht „zum<br />

Anfassen“ direkt am Mauerstück. Der Künstler Michael Fischer-<br />

Art diskutierte mit Schülern sein eigens herausgebrachtes Buch<br />

„Der 9. Oktober 1989 – 21 Jahre danach“. Bestandteil der Bil-<br />

dungstour war zudem die Fotoausstellung „EAST – Zu Protokoll“.<br />

48<br />

In der von Kurator Frank-Heinrich Müller zusammengestellten<br />

Ausstellung sind einzigartige Momentaufnahmen aus den ent-<br />

scheidenden Monaten des Jahres 1989 dokumentiert.<br />

Schüler zu <strong>Gas</strong>t in leipzig<br />

Im Rahmen der Bildungstour nahmen zahlreiche Schüler am<br />

Schülerwettbewerb „20 Jahre Deutsche Einheit – Spurensuche<br />

in Neubrandenburg und Nordhausen“ teil. Als Sieger in diesem<br />

Wettbewerb sind je zwei Schulklassen aus Neubrandenburg<br />

und Nordhausen hervorgegangen. Auf die Schüler wartete je<br />

eine Klassenfahrt nach Leipzig. In der sächsischen Metropole<br />

bewegten sich die Jugendlichen auf den Spuren der Friedlichen<br />

Revolution. So besuchten sie neben dem Regelzentrum <strong>Gas</strong><br />

bei <strong>VNG</strong> unter anderem auch das Zeitgeschichtliche Forum. Im<br />

Fokus des Forums steht die Erinnerung an Diktatur und Wider-<br />

stand in der DDR. Auch die Teilnahme an einer DDR-Schulstunde<br />

im Leipziger Schulmuseum beeindruckte die Jugendlichen auf<br />

besondere Weise.<br />

Die Unterzeichner<br />

www.mauerfälle.de<br />

Stephan Bickhardt | George H. W. Bush | Dr. Heino Falcke | Dr. h. c. Joachim<br />

Gauck | Dr. h. c. Hans-Dietrich Genscher | Michail Gorbatschow | Katrin<br />

Hattenhauer | Dr. Helmut Kohl | Christoph Magirius | Dr. h. c. Lothar de<br />

Maizière | Frank Richter | Dr. Friedrich Schorlemmer | Werner Schulz | Dr.<br />

Rudolf Seiters | Prof. Dr. h. c. Horst Teltschik | Dr. Herbert Wagner | Lech<br />

Wałęsa | Christoph Wonneberger


Termine im nächsten Quartal<br />

Foto: Fotografie Balleis<br />

17. EUROFORUM-Jahrestagung<br />

„Erd<strong>gas</strong> 2011“<br />

Vom 12. bis 14. Oktober findet in Berlin<br />

die 17. EUROFORUM-Jahrestagung „Erd-<br />

<strong>gas</strong> 2011“ statt. Im Fokus des Kongres-<br />

ses stehen die von der Bundesregierung<br />

angestoßene Energiewende und die Rolle<br />

von Erd<strong>gas</strong> alsSchlüsselfaktor der zukünf-<br />

tigen Energieversorgung Deutschlands.<br />

Neben Fragen rund um den <strong>Gas</strong>vertrieb<br />

und der <strong>Gas</strong>beschaffung sollen die Ent-<br />

wicklung von <strong>Gas</strong>netzen und -speichern<br />

sowie die Bedeutung des Wärmemarktes<br />

diskutiert werden.<br />

6. Deutscher Energiekongress „Energiewirtschaft im Wandel“<br />

Der 6. Deutsche Energiekongress findet vom 12. bis 13. Sep-<br />

tember in München statt. Der Kongress steht unter dem Motto<br />

„Energiewirtschaft im Wandel“ und thematisiert mit Netzausbau,<br />

künftigem Energiemix und -konzept, Innovationen und Preis-<br />

Impressum<br />

16.–17. August 2011<br />

8. DBI – Fachforum Kraft-Wärme-Kopplung<br />

Leipzig | www.dbi-gti.de<br />

29.–30. August 2011<br />

2. Handelsblatt Jahrestagung „Erneuerbare<br />

Energien“<br />

Berlin |www.erneuerbare-energien-tagung.de<br />

6.–7. September 2011<br />

6. Dow Jones Stahltag<br />

Frankfurt am Main | www.stahltag2011.de<br />

12.–13. September 2011<br />

6. Deutscher Energiekongress<br />

München | www.m-i-c.de<br />

13.–14. September 2011<br />

3. Internationale UGS-Konferenz Kaliningrad<br />

Kaliningrad | www.vng.de<br />

14.–15. September 2011<br />

Congres du Gaz<br />

Paris | www.congresdugaz.fr<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> 2 | 2011<br />

26.–27. September 2011<br />

3. Energie Dialog 2011 Erneuerbare Energien<br />

Berlin | www.doebler-pr.de<br />

29. September 2011<br />

2. Deutsch-Norwegische Energiekonferenz<br />

Oslo<br />

12.–13. Oktober 2011<br />

VKU Verbandstag<br />

Bonn | www.vku.de<br />

12.–14. Oktober 2011<br />

17. Euroforum Jahrestagung Erd<strong>gas</strong> 2011<br />

Berlin | www.erd<strong>gas</strong>-forum.com<br />

entwicklung die aktuellen Herausforderungen für die Branche.<br />

Der Kongress bietet ein hochkarätiges Forum für den fachlichen<br />

Meinungs- und Erfahrungsaustausch sowie für die Vermittlung<br />

von Fachinformationen und ist als Branchentreff mit energiewirtschaftlichem<br />

Fokus konzipiert.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> DasMagazinfürdieKundenundPartnerder<strong>VNG</strong>-Gruppe | 19.Jahrgang | Ausgabe 2 | August2011 | <strong>VNG</strong>–<strong>Verbundnetz</strong><strong>Gas</strong>Aktiengesellschaft | Braunstraße 7 | 04347<br />

Leipzig | Postfach 24 12 63 | 04332 Leipzig | Tel. +49 341 443-0 | Fax +49 341 443-2057 | www.vng.de | Redaktion Unternehmenskommunikation | Verantwortlicher<br />

Redakteur Marcus Kunath | Tel. +49 341 443 - 5925 | marcus.kunath@vng.de | Externer Redakteur André Deichsel (Militzer &Kollegen GmbH) | Redaktionsbeirat<br />

Birgit Binder, Dr. Ralf Borschinsky, Mike Diekmann, Tino Falley, Carina Fiedler, Stephanie Flinth, Janina Fuchs, Gordon Gerisch, Mathias Jilo, Bernhard Kaltefleiter, Siegbert<br />

Ketelhut, Kerstin Kietzke, Dr. Stephan Krein, Heinz Möller, Marco Penzhorn, Marek Preißner, Heiko Rüdiger, Jan Schuster, Lydia Schuster, Peter Siegert, Dr. Peter Stoll, Peggy<br />

Tettenborn | Auflage 4.300 | Gestaltung, Herstellung Militzer & Kollegen GmbH | Reproduktion Dirk Brzoska | Druck Werbe- & Sofortdruck GmbH, Leipzig | Fotos wenn<br />

nicht anders angegeben <strong>VNG</strong><br />

Foto: EUROFORUM /D. Gust<br />

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