„Wir sprechen wie Forscherinnen und Forscher über den ...

praxis
„Wir sprechen wie Forscherinnen und
Forscher über den Wasserkreislauf“
Die Gestaltung einer Forscherkonferenz
im Rahmen des Scaffolding-Konzepts
Thomas Quehl
Bei der „Forscherkonferenz“ handelt es sich, wie der vorangegangene
Beitrag zeigt, um das Kernstück des Scaffolding-
Ansatzes in der Zweitsprachdidaktik unter zwei Aspekten:
XXZum einen können die Kinder hier bewusst den Übergang
von der Alltags- zur Fach- und Bildungssprache vollziehen,
XXzum anderen stellt die Forscherkonferenz ein Lernszenario
dar, auf dessen Elemente genaues Sprechen, sprachliche
Interaktion, Fragen stellen und gemeinsam Bedeutungen
herstellen in anderen Unterrichtssituationen gewinnbringend
zurückgegriffen werden kann.
Im Folgenden soll anhand einer Unterrichtsskizze für das 3.
Schuljahr dargestellt werden, wie die Kinder an diese Grundelemente
herangeführt werden können. Gleichzeitig wird deutlich,
dass bei einem Scaffolding-Arrangement auch entschieden
werden kann, welche sprachlichen Aspekte ggf. vertiefend zu
üben und in welcher Weise Verbindungen zum Deutsch- oder
Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht herzustellen sind.
Der Wasserkreislauf
Phase 1: Umgangssprachliches Sprechen beim
Experimentieren
Die Kinder führen in Kleingruppen drei ähnliche, jedoch nicht
identische Versuche durch:
Versuch 1: Zwei gleich große Handtücher werden befeuchtet;
eines wird aufgehängt, das andere zusammengeknüllt daneben
gelegt.
Versuch 2: Die Kinder messen zweimal die gleiche Menge
Wasser ab; eine Wassermenge wird auf einen Teller, die andere
in ein schmales Glas gefüllt.
Versuch 3: Von zwei mit Wasser gefüllten Schüsseln wird eine
in einen zu verschließenden Plastikbeutel gestellt, die andere
offen auf die Heizung oder in die Sonne.
Phase 2: Die Forscherkonferenz am Übergang von der
Alltags- zur Fachsprache
Bei der Forscherkonferenz berichten sich die Kinder anschließend
gegenseitig von ihren Experimenten. Mit Forscherkittel,
Mikrofon und ähnlichen Requisiten kann sie einfach und
motivierend in Szene gesetzt und als eine besondere Sprechsituation
mit den Kindern thematisiert werden:
XXWie muss der Forscher sprechen, damit er von den Zuhörern
gut verstanden wird?
Die Lehrkraft übergibt dabei die Initiative für das Unterrichtsgespräch
auch optisch an die jeweilige „Forscherin“, indem sie
sich selbst am Rande der Zuhörerschaft einordnet. Günstig ist
es hier, Wortkarten bereitzuhalten, also lexikalische und
syntaktische Mittel zu visualisieren. Bei der Einführung der
Forscherkonferenz können dies beispielsweise sein:
XXWir haben beobachtet, dass …
XXWir denken, dass …
XXWir vermuten, dass …
Darüber hinaus können bei jeder Forscherkonferenz Wortkarten
vorab zur Fokussierung auf fachsprachliches Sprechen
oder zur Wiederholung bereits eingeführter Begriffe zur Verfügung
gestellt oder ggf. zur Unterstützung bereitgehalten
werden. Beim Thema Verdunstung und Wasserkreislauf: die
Oberfläche, die Sonnenstrahlung, die Wärme, die Verdunstung
sowie fachspezifische Verben wie verdampfen, verdunsten,
aufsteigen.
In den Passagen des Unterrichtsgesprächs im vorherigen
Beitrag zeigt sich, dass eine Forscherkonferenz und die
gemeinsamen Bemühungen der Kinder um genaues und
zunehmend fachliches Sprechen umso besser gelingen, je
sicherer die Schüler/-innen über die Kompetenz verfügen, sich
aufmerksam zuzuhören und sich gegenseitig Fragen zu stellen.
Solche Sprachhandlungen können vorbereitend oder begleitend
im Deutschunterricht erarbeitet werden: In diesem
Zusammenhang sind „Wir stellen uns gegenseitig Quizfragen
...“ mit den verschiedenen, den Kindern nicht ohne Weiteres
geläufigen Fragewörtern, mit der Inversion oder auch der
Differenzierung des Fragens nach Personen (mit wem?) und
nach Dingen (womit?) sinnvollerweise zu üben. Hilfreich ist
es, Wörter und sprachliche Mittel in Alltagssituationen zu
klären und zu verwenden, bevor sie im fachlichen Zusammenhang
benutzt werden:
XXWoraus
XXWir
besteht der Tisch? − Woraus bestehen Wolken?
bilden Gruppen. – Die Regentröpfchen bilden Wolken.
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Der Wasserkreiskauf
– vereinfachte Darstellung
Phase 3: Forschertagebuch − Versuchsbeschreibung −
Lernplakat mit zweiter Forscherkonferenz
Im Anschluss daran sind unterschiedliche Schwerpunkte
möglich:
Forschertagebuch:
Sind es die Schüler/-innen gewohnt, ein Forschertagebuch zu
verwenden, so können sie dort ihre Beobachtungen notieren.
Dabei greifen sie auf die sprachlichen Mittel, die sie in der
Forscherkonferenz kennengelernt haben, zurück.
Versuchsbeschreibung:
An die mündlichen Schilderungen anknüpfend wird in Kooperation
mit dem Deutschunterricht ausführlicher an der
Textsorte der Versuchsbeschreibung gearbeitet. Die dabei
erforderliche Anwendung der sprachlichen Mittel, mit denen
Abläufe oder auch Bedingungen ausgedrückt werden, kann in
anderen sachunterrichtlichen Zusammenhängen genutzt
werden: zuerst, danach, zum Schluss bzw. wenn ..., dann, falls
oder auch verallgemeinernd und damit fachsprachlich anspruchsvoller
bei der Verdunstung.
Lernplakat und zweite Forscherkonferenz:
Gemeinsam wird nun ein Lernplakat oder Tafelbild des
Wasserkreislaufes erarbeitet, das von den Kindern wiederum in
kleinen „Forschervorträgen“ erläutert wird. Die fachlichen
Zusammenhänge dieser zweiten Forscherkonferenz sind
inhaltlich abstrakter, und die Schüler/-innen benötigen
komplexere sprachliche Mittel, um sie auszudrücken. Z. B.:
XXWenn die Sonne scheint, verdunstet das Wasser.
XXWenn das Wasser verdunstet, steigen die winzigen Wasserteilchen
nach oben.
XXWenn die kleinen Wasserteilchen sich abkühlen, entstehen
Tropfen.
XXDie Tropfen, die zu schwer werden, fallen ...
Um solche Zusammenhänge zu beschreiben, müssen die Kinder
verschiedene Sprachhandlungen vollziehen: sie müssen
Bedingungen und Abläufe benennen (wenn – dann), sie müssen
Begriffe genauer beschreiben (die winzigen Wasserteilchen; die
Wasserteilchen, die unsichtbar sind / die Tropfen, die zu schwer
sind, ...). Das Thema Wasserkreislauf bietet den Kindern die
Gelegenheit, in einer zweiten Forscherkonferenz diese sprachlichen
Mittel auszuprobieren. Auch hier ist es sinnvoll, durch
Wortkarten Visualisierungen bereitzustellen, und auch an dieser
Stelle ergeben sich zahlreiche Verbindungsmöglichkeiten zum
Deutsch- und Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht:
XXDie Kinder lesen einen Sachtext zum Wasserkreislauf und
wenden Lesestrategien an;
XXDie Schülerinnen und Schüler erstellen ein Quizspiel.
XXSie üben in einfachen Zusammenhängen Nebensatzstrukturen
(Wenn es regnet, ...), Präpositionalangaben (bei
schönem Wetter, bei der Verdunstung) oder auch Relativsätze
(die Regentropfen, die im Boden versinken, ...).
XXDie Schülerinnen und Schüler suchen aus Alltagssituationen
ihnen bekannte Wörter, z. B. Verben oder reflexive Verben,
und stellen sie denen des fachlichen Zusammenhangs gegenüber
(Ich steige die Treppe hinauf./Wenn das Wasser verdunstet,
steigen die winzigen Wasserteilchen auf./Die
Tropfen sammeln sich. – Bei Feueralarm sammeln sich die
Klassen am Klettergerüst.).
XXÄhnliche Sprachbetrachtungen können zu einigen Fachbegriffen
erfolgen: das Grundwasser, die Untergrund-Bahn etc.
Zahlreiche Erkundungen der Kinder aus dem Bereich Sprachbetrachtung
können so für das fachliche Lernen genutzt werden
– und lassen den Sachunterricht umgekehrt zu einem Bereich
werden, der er eben auch ist: eine Gelegenheit zum (Weiter-)
Lernen von Sprache.
Autor
Thomas Quehl,
Gemeinschaftsgrundschule Breite Straße,
Breite Straße 58, 47169 Duisburg
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