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Zwischen Geist und Geld - Cadmus - European University Institute

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1. Differenzierung der Kunst<br />

cher er sich auf dem Markt durchzusetzen vermag 97 . Zwar handelt sich der Ktinstler<br />

mit der Unterwerfung unter die Gesetze des Marktes neue Bindungen ein. Die neuen<br />

Abhangigkeiten, die zu Verlegem oder Galeristen bestehen, empfindet der Ktinstler aber<br />

als weniger einengend als diejenigen zum Patron, da sie anonymer sind 98 •<br />

Der AblOsungsprozeB vom »ancien regime« wurde mit der endgtiltigen Differenzierung<br />

der Wissenschaft, der Bildung <strong>und</strong> der Kunst zu autonomen Systemen abgeschlossen.<br />

Die Religion war nun endgtiltig ein kulturelles Teilsystem unter anderen. Wie die<br />

physiokratischen <strong>und</strong> liberalistischen Theorien die Differenzierung der Wirtschaft<br />

begleiteten oder die Staatstheorien von Hobbes, Locke <strong>und</strong> Rousseau die Verselbsti:indigung<br />

der Politik reflektierten, wird der Schwellenpunkt der Differenzierung des<br />

Kunstsystems gesetzt mit dem Erscheinen ihrer ersten Reflexionstheorie. In der<br />

»Geschichte der Kunst des Altertums«, die Johann Joachim WirJckelmann im Jahre<br />

1764 publizierte, fand das Kunstsystem seine erste Selbstbeschreibung 99 • Im Unterschied<br />

zu den frtiheren Arbeiten, die als Ktinstlerbiographien gestaltet waren, erhob sich<br />

Winckelmann tiber »Einzelheiten zur Idee einer Geschichte der Kunst«, indem er »die<br />

ganze Kunst als ein Lebendiges« betrachtete 100 •<br />

Zusammenfassend ist festzuhalten, daB sich die Kunst gegen Ende des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

zu einem eigengesetzlichen Funktionsbereich der Gesellschaft differenzierte.<br />

Bereits im spaten Mittelalter hatte sie sich dank hofisch-mazenatischer Formen der<br />

Kunstproduktion von der religiOsen Zweckbestimmung los!Osen konnen. Nach einer<br />

Phase der Hegemonie der Staatsraison vermochte sich die Kunst mit Hilfe btirgerlichkapitalistischer<br />

Formen der Kunstfinanzierung allmahlich vom Dienst am absoluten<br />

Staat zu befreien. Der Markt wiederum entfaltete freiheitsbegtinstigende <strong>und</strong> freiheitshemmende<br />

Krafte. Die Moglichkeit, nicht mehr von einem Patron abhangig sein zu<br />

mtissen, sondem sich nach dem Gesetz der Konkurrenz selbst behaupten zu konnen,<br />

forderte das SelbstbewuBtsein des Ktinstlers. Auf der anderen Seite begann der Markt<br />

das Kunstwerk starker auf seinen Warenwert zu fixieren. Insgesarnt ist eine Zunahme<br />

der verftigbaren Finanzierungsmoglichkeiten festzustellen. Mit dem Hinzukommen<br />

neuer Produktionsmodelle nahm- aufgr<strong>und</strong> der groBeren Vielfalt- die Fremdbestimmungskraft<br />

einzelner Fordereinrichtungen ab.<br />

9? Vgl. Arnold Hauser, 1953, S. 566.<br />

9S Vgl. Arnold Hauser, 1953, S. 564.<br />

99<br />

Johann Joachim Winckelmann, 1764.<br />

100 Johann Wolfgang Goethe, 1805, S. 469.<br />

46

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