Zwischen Geist und Geld - Cadmus - European University Institute
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1. 3 .1. Kunstfreihei t <strong>und</strong> Zensur<br />
Lander hatten es nach der Regel »B<strong>und</strong>esrecht bricht Landesrecht« ohne Riicksicht<br />
auf ihre eigenen Verfassungen einzufiihren. Wahrend Bayem einigen Widerstand<br />
leistete, iiberbot PreuBen die Karlsbader Beschliisse mit der eigenen Gesetzgebung.<br />
Im Jahre 1820 verfiigte der preuBische Polizeiminister auch die<br />
Theaterzensur 124 • Die gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage fiir die sen Eingriff wurde in der polizeilichen<br />
Generalermachtigung im § 10, Teil II, Titel 17 des Allgemeinen Landrechts<br />
fiir die PreuBischen Staaten von 1794 (ALR) gesehen. 125 Unter Berufung<br />
auf diese Generalklausel konnte die Polizei nach Ermessen jede Theatervorstellung<br />
der Vorzensurunterstellen. Trotz aller Unterdriickung blieben die Aufhebung<br />
der Praventivzensur <strong>und</strong> die Einfiihrung der Pressefreiheit auch weiterhin eine der<br />
wichtigsten Forderungen der Liberalen 126 . Eine voriibergehende Offnung brachte<br />
die Revolution von 1848. Die in der Paulskirche tagende Nationalversammlung<br />
beschloB die Einfiihrung der verfassungsrechtlichen Garantie von Meinungs- <strong>und</strong><br />
Pressefreiheit. Es wurde bestimmt, daB jeder Deutsche das Recht habe, »durch<br />
Wort, Schrift, Druck <strong>und</strong> bildliche Darstellung seine Meinung frei zu auBem.«<br />
Ferner wurden samtliche vorbeugenden MaBregeln verboten 127 • Die Revolution<br />
scheiterte schlieBiich an der erstarkenden reaktionaren Bewegung im Besitzbiirgertum.<br />
Den Besitzbiirgem war klar geworden, daB ihre In teres sen vor allem durch<br />
die Anspriiche des entstehenden Vierten Standes auf Besitz <strong>und</strong> Bildung gefahrdet<br />
waren. Wie in Frankreich <strong>und</strong> Italien wurde ein KompromiB zwischen Bilrgertum<br />
<strong>und</strong> Monarchie geschlossen, der im Jahre 1851 zur Aufhebung der Paulskirchen<br />
Gr<strong>und</strong>rechte fiihrte. Der Verfassungskompromill bedeutete lediglich die verfassungsmaBige<br />
Garantie minimaler Rechte des Burgers <strong>und</strong> die Bindung der Staatsmacht<br />
an die Verfassung. Dennoch gehorte die Abschaffung der Zensur zu den<br />
bleibenden positiven Errungenschaften <strong>und</strong> wurde nach der Deutschen Einigung<br />
im Reichspressegesetz vom 7. Mai 1874 bestatigt 128 . Die erste Verfassung, welche<br />
schlieBlich die Kunstfreiheit ausdriicklich garantierte war die Reichsverfassung<br />
der Weimarer Republik 129 •<br />
• Der Einmarsch Napoleons besiegelte den Untergang der alten Eidgenossenschaft.<br />
Die von ihm im Jahre 1798 oktroyierte Helvetische Verfassung brachte - nach<br />
124 Vgl. Joachim Wurkner,l989a, S. 213. Begiiindet wurde dieEinfii.hrung derTheaterzensurdamit, daB die<br />
Staatsgewalt das Recht haben musse, die beabsichtigte Auffiihrung von Biihnenwerken, »die eine Gefahr<br />
fiir die gute Ordnung sind« zu unterbinden.<br />
125 Demzufolge hatte die Polizei die Aufgabe, die »nothigen Anstalten zur Erhaltung der offentlichen Ruhe,<br />
Sicherheit <strong>und</strong> Ordnung <strong>und</strong> Gesetzlichkeit bei dem Offentlichen Zusammensein einer groBeren Anzahl<br />
von Personen« zu treffen. Vgl. dazu Joachim Wii.rkner, 1989a, S. 215 f:<br />
126 Vgl.Gunter Stegmaier, 1983, S. 150; Dieter Grimm, 1986, S. 247 ff.<br />
12? Vgl. Dieter Grimm, 1986, S. 257.<br />
1 2<br />
8 Vgl. Dieter Grimm, 1986, S. 258.<br />
129 Vgl. Peter Haberle, 1980, S. 22; Dieter Schauble, 1965, S. 86 f.<br />
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