Die Ableitung zervikaler und okulärer vestibulär ... - HNO Schwindel

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CME Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung HNO 2010 · 58:1129–1144 DOI 10.1007/s00106-010-2184-9 Online publiziert: 21. Oktober 2010 © Springer-Verlag 2010 Redaktion A. Neumann, Neuss L.E. Walther 1 · K. Hörmann 2 · O. Pfaar 2 1 HNO-Gemeinschaftspraxis, Sulzbach (Taunus) 2 Universitätsklinikum Mannheim der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Mannheim Die Ableitung zervikaler und okulärer vestibulär evozierter myogener Potenziale Teil 2: Einflussfaktoren, Bewertung der Befunde und klinische Bedeutung Zusammenfassung VEMP-Messungen unterliegen unterschiedlichen Einflüssen: Alter des Patienten, Reizschwelle, Reizlautstärke und Reizfrequenz. Mit Luft- (AC) und Knochenleitungsreizen (BC) werden die vestibulären Rezeptoren und Afferenzen der Otolithenorgane in unterschiedlichem Ausmaß stimuliert. Klinisch stehen die zervikal abgeleiteten VEMP (cVEMP) sowie die okulären (oVEMP) zur Verfügung. AC-cVEMP stellen vorwiegend einen Indikator für die sacculocollische Reflexstrecke dar. VEMP ermöglichen zusammen mit Befunden des vestibulookulären Reflexes (VOR, Bogenganganalyse) und ergänzender Otolithentests die seitengetrennte Analyse der Otolithenfunktion. Auch die Abgrenzung von kombinierten oder isolierten Bogengang- und Otolithenfunktionsstörungen im Sinne einer Subtypisierung von Schädigungsmustern bei ein- und beidseitigen Affektionen, wie der Neuritis vestibularis oder der bilateralen Vestibulopathie, ist möglich. Darüber hinaus gewinnt der Einsatz von VEMP bei prognostischen und therapeutischen Fragestellungen sowie bei der Begutachtung an Bedeutung. Punkten Sie online auf CME.springer.de Teilnahmemöglichkeiten – kostenfrei im Rahmen des jeweiligen Zeitschriftenabonnements – individuelle Teilnahme durch den Erwerb von CME.Tickets auf CME.springer.de Zertifizierung Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CME-Punkten zertifiziert von der Landesärztekammer Hessen und der Nordrheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung und damit auch für andere Ärztekammern anerkennungsfähig. Hinweis für Leser aus Österreich Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP) der Österreichischen Ärztekammer werden die auf CME.springer.de erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische Fortbildung anerkannt. Kontakt und weitere Informationen Springer-Verlag GmbH Fachzeitschriften Medizin / Psychologie CME-Helpdesk, Tiergartenstraße 17 69121 Heidelberg E-Mail: cme@springer.com CME.springer.de Schlüsselwörter Schwindel · Otolithen · Sacculus · Utriculus · Okuläre vestibulär evozierte myogene Potenziale (oVEMP) · Zervikale vestibulär evozierte myogene Potenziale (cVEMP) Recording cervical and ocular vestibular evoked myogenic potentials · Part 2: Influencing factors, evaluation of findings and clinical significance Abstract VEMP measurements are subject to various influencing factors: patient age, threshold, sound intensity and frequency. Using air (AC) and bone conduction (BC) the vestibular receptors and afferents of the otolith organs can be activated to varying degrees. Recordings of cervical (cVEMP) and ocular VEMP (oVEMP) are clinically possible. AC-cVEMP are primarily an indicator of the sacculocollic reflex pathway. Together with findings on the vestibuloocular reflex (VOR) and complimentary otolith tests, VEMP enable otolith function analysis of each side separately. In addition, the distinction between combined or isolated canal and otolith dysfunction in terms of subtyping and patterns of damage in mono- and bilateral disorders, such as vestibular neuritis or bilateral vestibulopathy, is possible. Moreover, VEMP is relevant in terms of prognostic and therapeutic considerations as well as expert assessments. Keywords Vertigo · Otoliths · Sacculus · Utriculus · Ocular vestibular evoked myogenic potentials (oVEMP) · Cervical vestibular evoked myogenic potentials (cVEMP) HNO 11 · 2010 | 1129
Den Einfluss von Patientenmerkmalen und Stimulationsparametern auf die Ableitung zervikaler (cVEMP) und okulärer vestibulär evozierter myogener Potenziale (oVEMP) beschreibt der vorliegende Beitrag. Zusätzlich gibt er Einblick in die klinische Beurteilung der mit diesen Messungen erhobenen Befunde. 7 Bogengangdehiszenzsyndrom Der Wissensstand über die vestibulär evozierten Potenziale (VEMP) hat sich seit der Erstbeschreibung Mitte der 1990er-Jahre bis heute vervielfacht. Im Vordergrund steht derzeit die Erweiterung des klinischen Einsatzes der cVEMP und der neueren oVEMP. Die VEMP können z. B. zur Diagnostik des 7 Bogengangdehiszenzsyndroms, zur Diagnostik des Anfallschwindels (M. Menière), bei Kopfanpralltraumen zur Klärung der Frage einer Otolithenbeteiligung, vor und nach Eingriffen am Innenohr, aber auch im Rahmen der Therapie (intratympanale Gentamicingabe beim M. Menière) eingesetzt werden. Zunehmend gewinnen sie auch im Rahmen der Begutachtung vestibulärer Störung an Bedeutung [7, 14, 22, 71, 92]. Die Beurteilung der Befunde bei klinischen Fragenstellungen erfordert die Kenntnis von Einflussgrößen des Patienten und technischen Parametern, die die Messung beeinflussen können. Einflussgrößen und Parameter bei der Messung Einfluss des Alters VEMP-Amplituden vermindern sich mit zunehmendem Alter 7 Physiologische Reflexasymmetrie Die VEMP-Reizschwellen und die Latenzzeiten nehmen mit zunehmendem Lebensalter geringfügig zu VEMP-Amplituden vermindern sich mit zunehmendem Alter. So haben 20-Jährige durchschnittlich doppelt so große Amplituden wie 80-Jährige. Die Ursache dieser Veränderungen ist hauptsächlich myogener Natur. Die Muskelvorspannung nimmt mit zunehmendem Alter ab. Bei cVEMP-Ableitungen wird die tonische Aktivität des M. sternocleidomastoideus elektromyographisch kontrolliert. Die ermittelten Amplituden müssen altersabhängigen Normwerten zugeordnet werden. Bei den oVEMP ist der Effekt der Muskelvorspannung offensichtlich vernachlässigbar gering, jedoch nimmt auch hier die Amplitude mit zunehmendem Alter ab. Das Amplitudenverhältnis im Seitenvergleich weist mit zunehmendem Alter Unterschiede auf: 7 physiologische Reflexasymmetrie. Für die oVEMP und cVEMP existieren umfangreiche Untersuchungen zu Referenzbereichen für die Lebensdekaden, die bei der Bewertung der Befunde berücksichtigt werden müssen. [3, 4, 10, 46, 50, 61, 64, 91]. Die VEMP-Reizschwellen und die Latenzzeiten nehmen mit zunehmendem Lebensalter geringfügig zu: Der Anstieg der Reizschwelle der VEMP mit dem Lebensalter ist unabhängig vom Hörvermögen und vom verwendeten Stimulus, hängt jedoch von der Frequenz ab. Allerdings ist der Effekt relativ gering ausgeprägt: Im Vergleich zu Zwanzigjährigen nimmt die Reizschwelle bei einem 500-Hz-Stimulus bis zum 80. Lebensjahr um etwa 10 dB nHL zu [4, 10, 46, 50, 61, 64, 91]. Auch die Latenzzeiten verändern sich mit zunehmendem Alter im Sinne einer Latenzverlängerung geringfügig [22, 46, 64, 71]. Luftleitung Reizintensität und Amplitude verhalten sich direkt proportional zueinander 7 Weiter Aquaeductus vestibuli Für klinische Zwecke empfiehlt sich die einmalige Ableitung bei 100 dB nHL Reizintensität, Reizschwelle, Reizfrequenz und Stimulus Bei Einsatz der Luftleitung („air conduction“, AC) zeigt sich bei allen VEMP mit zunehmender Reizintensität eine direkt proportionale Zunahme der Amplitudengröße (. Abb. 1). Die so zu ermittelnde Reizschwelle schwankt individuell und frequenzabhängig etwa zwischen 70 dB nHL und 95 dB nHL. Bei einer Reizfrequenz von 250 Hz bzw. 500 Hz zeigen sich in etwa identische mittlere VEMP-Schwellen für die AC-cVEMP (74 dB nHL) und die AC-oVEMP-Ableitungen (83 dB nHL). Die mittleren oVEMP-Schwellen sind dabei höher als die cVEMP-Schwellen. Die Beachtung der Schwellen im Rahmen der Untersuchung ist bedeutsam, da diese ein Hinweiszeichen für eine Dehiszenz des Bogengangs oder einen 7 weiten Aquaeductus vestibuli darstellen können [56]. Lässt sich andererseits kein Potenzial ableiten, kann die Schwelle ggf. erhöht werden, im Fall einer Schallleitungsstörung sollte ein Knochenleitungsreiz eingesetzt werden. Für klinische Zwecke empfiehlt sich die einmalige Ableitung bei 100 dB nHL. Bei dieser überschwelligen Reizintensität ist gesichert, dass eine reproduzierbare, qualitativ gute myogene Antwort induziert wird. Zeigen sich stark erhöhte VEMP-Amplituden, die für ein Bogengangdehiszenzsyndrom sprechen können, ist die Reizintensität entsprechend zu vermindern: Lassen sich keine Antworten ableiten und ist eine Schallleitungsstörung ausgeschlossen, sollte keine weitere Erhöhung der Reizintensität erfolgen [22, 71, 92]. 1130 | HNO 11 · 2010
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