Masterarbeit approbiert_Ondrak_Georg_2013.pdf
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vermochten, und das war vor allem „die Denkkräfte zu wecken, die in dem Menschen schlummern“<br />
(Hartmann 1910: 115). Dies weist auf eine klar konzipierte Arbeitsteilung hin. Das öffentliche<br />
Bildungswesen sollte die Menschen auf ihren Beruf vorbereiten und die nötige Grundbildung zur<br />
Verfügung stellen (Hartmann 1910), Volkshochschulen sollten zu einer Heranführung an<br />
wissenschaftliches Wissen dienen, und zu einer Emanzipation des Denkens bzw. des Geistes<br />
führen.<br />
Für die Heranführung der Menschen an ein emanzipiertes Denkvermögen, orientierte man sich an<br />
den zwei Schlagwörtern der damaligen Wiener Volkshochschul-Volksbildung. Neutralität und<br />
Wissenschaftlichkeit.<br />
Über ein akademisches Prinzip zur Urteils-, Kritikfähigkeit bilden - Dies erscheint als tragendes<br />
Motto der Praxis der Volksheim-Bildung. Lernende (Studierende) sollten ermutigt werden zu<br />
hinterfragen, Skepsis zu üben und Thesen selbständig zu überprüfen. Sie sollten mit<br />
wissenschaftlichem „Handwerkszeug“ (Experimenten) ausgerüstet, durchaus im Geiste einer<br />
positivistisch-wissenschaftlichen Logik (Hypothesen aufstellen, überprüfen, beweisen oder<br />
widerlegen), Aussagen und Wissen widerlegen oder bestätigen können. In jedem Falle wurden sie<br />
zur Kritikfähigkeit ermuntert. „In den Wissenschaften dürfe es kein Schwören auf die Worte des<br />
Meisters geben. Das Handwerkszeug des Experiments und der Kritik reiche der Lehrer<br />
unterweisend seinen Hörern, deren Aufgabe es sei, das Vernommene selbstständig in sich weiter<br />
zu entwickeln, Denken zu lernen“ (Reich 1926: 97). Die Übung im Denken kann dabei über alle<br />
„wissenschaftlichen“ Wissensgebiete geschult werden. Wissenschaft ist hier in diesem Sinne das<br />
Mittel zum Zweck der Denkschulung. „Alle Wissensgebiete sind ihm prinzipiell gleich wertvoll, den<br />
an jedem kann die Übung im Denken gepflegt werden und nur darum handelt es sich, diese zu<br />
fördern, den einzelnen die Wege zu leiten welche die Wissenschaft in jahrtausendelanger<br />
Forschung gegangen ist und ihn dadurch zu selbstständigen Denken anzuregen, es ihm zu<br />
ermöglichen seine Gedanken der umgebenden Natur anzupassen, die Erfahrungen, die er und<br />
andere gemacht haben zu ordnen und dadurch wirklich kennenzulernen“ (Hartmann 1910: 115).<br />
Totes Fachwissen aus den Kursen mitzunehmen wäre alles andere als das Ziel der<br />
Bildungsorganisation Volksheim, und würde eher, beweisen, dass den Vortragenden und den<br />
Lernenden die Befähigung zu eigenem Denken fehlt (Hartmann 1910). Oberstes Ziel ist es den<br />
Menschen zur Bildung einer eigenen Weltanschauung zu befähigen. Deshalb darf Bildung im<br />
volksbildnerischen Sinne nicht bereits im Zeichen einer gewissen Weltanschauung stehen oder<br />
diese gar eintrichtern. Sie würde die Menschen in ihrem eigenen, freien Denken nur beengen<br />
(Hartmann 1910). Hier tritt der bereits erwähnte Neutralitätsbegriff auf. „Politischer Drill“, etwa der<br />
ArbeiterInnenbildung, „ist notwendig, aber zur Bildung eines eigenen Urteils gehört etwas anderes“<br />
(Hartmann 1920: 132). Die geforderte Neutralität in der Bildung im Geiste des Volksheims und<br />
seiner ProponentInnen, wird wiederum über eine „voraussetzungslose“ Wissenschaftlichkeit als<br />
erreichbar erachtet. „Die Wahl zwischen verschiedenen Meinungen ist die Angelegenheit des<br />
Individuums, und um wählen zu können, muß es jene Anpassungsfähigkeit an die Tatsachen<br />
erwerben, die eben das Wesen der allgemeinen Bildung ist und vermittelt wird durch<br />
voraussetzungslose Wissenschaft, das heißt also durch die Wissenschaft, welche nicht von<br />
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