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AOK. Wir tun mehr. „Wenn es um meine ... - Goethe-Universität

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28<br />

Forschung intensiv Statistik<br />

ein zelner Gehirnzellen zu kurz, als dass sie z<strong>um</strong> Austausch<br />

von Informationen beitragen könnten, aber<br />

möglicherweise bilden sie die Grundlage für einen Informationscode,<br />

den <strong>es</strong> zu entschlüsseln gilt.<br />

In der Tat kann in neuronalen Signalen die Additivität<br />

so hoch sein, dass über 95 Prozent der in den Primärverzögerungen<br />

enthaltenen Information durch die<br />

Positionierung der Neuronen auf der Zeitachse erfasst<br />

wird. /4/ /5/ Im Konzert der Nervenzellen kann <strong>es</strong> also<br />

zusätzlich z<strong>um</strong> Taktgeber systematische zeitliche Muster<br />

geben, die aus winzigen Zeitverzögerungen zwischen<br />

den Einsätzen der Zellen b<strong>es</strong>tehen. Zusätzlich<br />

gibt <strong>es</strong> Hinweise darauf, dass di<strong>es</strong>e beobachteten Muster<br />

mit der im Reiz kodierten Information zusammenhängen.<br />

Denn die Reihenfolge, in der die Neuronen<br />

feuern, ist nicht immer gleich, sondern abhängig vom<br />

dargebotenen Reiz. So kann mal die eine und mal die<br />

andere Zelle beim Einsatz die Führung übernehmen.<br />

Zufällig<strong>es</strong> Rauschen oder systematisch<strong>es</strong> Muster?<br />

Problematisch an di<strong>es</strong>en Mustern ist nur, dass eine<br />

Abfolge von »spik<strong>es</strong>«, ein »spike-train«, bei der M<strong>es</strong>sung<br />

so verrauscht ist, dass die minimalen zeitlichen<br />

Verzögerungen, mit denen einzelne Neuronen feuern,<br />

bei M<strong>es</strong>sungen über kurze Zeitabschnitte nicht sichtbar<br />

werden. Allein die statistischen Analysemethoden machen<br />

<strong>es</strong> möglich, bei Beobach<strong>tun</strong>g längerer Zeitreihen<br />

die hohe Genauigkeit und die additive Struktur der<br />

Primärverzögerungen zutage zu fördern. Doch wie koordiniert<br />

das Gehirn solche Verarbei<strong>tun</strong>gsschritte, hat<br />

Systematik und Rauschen im stochastischen Modell<br />

Ein mathematisch<strong>es</strong> Modell<br />

kann helfen, systematische<br />

Komponenten und zufällig<strong>es</strong><br />

Rauschen zu unterscheiden. Das<br />

hier verwendete Modell (ELO –<br />

»Exponential LOcking to a free<br />

oscillator« /7/ ) zur B<strong>es</strong>chreibung<br />

d<strong>es</strong> »neuronalen Konzerts« ist<br />

zweistufi g. Die erste Stufe setzt<br />

den gemeinsamen Takt oder die<br />

synchrone Oszillation, die allen<br />

beobachteten Neuronen zugrunde<br />

liegt. Sie ist nicht präzise<br />

rhythmisch, sondern die Länge<br />

ein<strong>es</strong> Takts kann leicht variieren<br />

– hier durch normalverteilte Intervalle<br />

zwischen den Takten<br />

darg<strong>es</strong>tellt (blau). Jed<strong>es</strong> einzelne<br />

Neuron ist mit einer spezifi schen<br />

Verzögerung (grün) an di<strong>es</strong>en<br />

Takt gebunden: Intervalle zwischen<br />

dem Takteinsatz (blau)<br />

und den individuellen »spik<strong>es</strong>«<br />

(rot) sind zwar zufällig, aber<br />

di<strong>es</strong>er Zufall folgt einem ganz<br />

b<strong>es</strong>timmten G<strong>es</strong>etz: Sie sind<br />

ex ponentialverteilt mit Zeitkonstante<br />

τ. Das bedeutet, dass die<br />

Feuerrate zu Beginn jed<strong>es</strong> Takt<strong>es</strong><br />

<strong>es</strong> doch weder die Zeit noch die statistischen Analysetechniken?<br />

Welch<strong>es</strong> könnten die Schlüsselmerkmale<br />

der Signale sein, aus denen das Gehirn Informationen<br />

bezieht? Welche Partitur liegt dem neuronalen Konzert<br />

zugrunde, und welche Freiheit ist darin dem einzelnen<br />

Neuron überlassen? Um di<strong>es</strong>em Rätsel auf den Grund<br />

zu gehen, ist ein theoretisch<strong>es</strong> Modell gefragt, das Takt<br />

und Rauschen sowie die zeitlichen Muster angem<strong>es</strong>sen<br />

b<strong>es</strong>chreiben kann und sowohl systematische als auch<br />

zufällige Komponenten enthält – ein stochastisch<strong>es</strong><br />

Modell. Das Modell kann helfen, eine Vorstellung davon<br />

zu bekommen, wie in kurzen Stücken scheinbar<br />

nur zufällig<strong>es</strong> Rauschen sichtbar ist und dennoch versteckte<br />

Mechanismen auf systematische Art und Weise<br />

zusammenwirken können.<br />

Das dazu hier verwendete Modell /7/ ist eine Spezialform<br />

d<strong>es</strong> auf den britischen Statistiker Sir David Cox<br />

zurückgehenden Cox-Proz<strong>es</strong>s<strong>es</strong>. Der Zufall wird dabei<br />

in zwei Stufen modelliert. Die erste Stufe generiert einen<br />

gemeinsamen Taktgeber für alle Neuronen, sozusagen<br />

den unsichtbaren Dirigenten. Schon hier kommt<br />

der Zufall ins Spiel, denn das Gehirn ist kein perfekt<strong>es</strong><br />

Uhrwerk, und die Dauer zwischen zwei Taktschlägen<br />

kann variieren. In der zweiten Stufe wird für jed<strong>es</strong> Neuron<br />

b<strong>es</strong>chrieben, in welcher Weise <strong>es</strong> auf den globalen<br />

Taktgeber reagiert. Einerseits b<strong>es</strong>itzt jed<strong>es</strong> Neuron eine<br />

f<strong>es</strong>te Tendenz, seine Einsätze relativ z<strong>um</strong> Takt zu verzögern.<br />

Di<strong>es</strong>e Verzögerung kann für verschiedene Neuronen<br />

unterschiedlich sein, wodurch die zeitlichen<br />

Muster erzeugt werden. Andererseits feuert jed<strong>es</strong> Neu-<br />

Zweistufig<strong>es</strong> stochastisch<strong>es</strong> Modell<br />

Gemeinsamer<br />

Takt<br />

Stimmen mit<br />

individuellen<br />

Verzögerungen<br />

Zufällige<br />

Realisierung<br />

pro Takt<br />

μ σ<br />

am höchsten ist und dann exponentiell<br />

abfällt (grüne Kurven). Ist<br />

τ klein (mittlere Zeile), so fällt die<br />

Intensität schneller, und das Neuron<br />

feuert tendenziell näher am<br />

Taktstrich. Über längere Strecken<br />

wird di<strong>es</strong>e Tendenz – di<strong>es</strong><strong>es</strong> dem<br />

Zufall zugrunde liegende G<strong>es</strong>etz –<br />

sichtbar, obwohl die Realisierungen<br />

(rot) d<strong>es</strong> neuronalen Feuerns<br />

in jedem Takt zufälligen Schwankungen<br />

unterworfen sind.<br />

Die in der Realität beobachteten<br />

Daten sind immer verrauscht,<br />

τ 1<br />

τ 2<br />

denn sie b<strong>es</strong>tehen nur aus einer<br />

oder <strong>mehr</strong>eren (im Bild roten)<br />

zufälligen Realisierungen solcher<br />

Zeitreihen.<br />

Viele Muster treten auf, viele<br />

von di<strong>es</strong>en Mustern können<br />

durch Zufall zustande gekommen<br />

sein. Ein stochastisch<strong>es</strong><br />

Modell kann helfen, die systematischen<br />

Komponenten im<br />

Rauschen zu identifi zieren und<br />

damit mögliche Mechanismen<br />

der Informationsverarbei<strong>tun</strong>g<br />

aufzudecken.<br />

Forschung Frankfurt 2/2008

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