Der Weg der Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Gesellschaft ...
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sein. Nach <strong>der</strong> »Wiener Formel« hatte <strong>der</strong> UN-Generalsekretär alle Staaten ein<br />
zuladen, die den Vereinten Nationeno<strong>der</strong> einer ihrerSon<strong>der</strong>organisationen an<br />
gehörten o<strong>der</strong> die dem Statut des Internationalen Gerichtshofs beigetreten wa<br />
ren. Dies traf auf die <strong>Bundesrepublik</strong> <strong>Deutschland</strong> zu, bis Ende 1972 aber nicht<br />
auf die DDR, die erst zu diesem Zeitpunkt in eine Son<strong>der</strong>organisation, die<br />
UNESCO, aufgenommen wurde (und daraufhin eine offizielle Beobachtermis<br />
sion in New York errichten konnte). Die »Alle-Staaten-Formel« war hingegen<br />
nicht streng definiert. Sie bürdetedem Generalsekretär die Verantwortung auf,<br />
in strittigen Fällen zu entscheiden, ob ein bestimmtes Territorium o<strong>der</strong> eine Be<br />
freiungsbewegung als ein Staat im völkerrechtlichen Sinne zu betrachten und<br />
demgemäß einzuladen sei. <strong>Der</strong>artige Entscheidungen hätten üblicherweise in<br />
<strong>der</strong> politischen Verantwortung <strong>der</strong> Generalversammlung, und nichtdes Gene<br />
ralsekretärs, liegen müssen. Die Sowjetunion und ihre Verbündeten versuchten<br />
jedoch stets, die »Alle-Staaten-Formel« durchzusetzen, weil sie hofften, dann<br />
den Generalsekretär zur Einladung <strong>der</strong> international nichtallgemein anerkann<br />
ten DDR drängen zu können.<br />
Dieser Streit spielteauf <strong>der</strong> Generalversammlung des Jahres 1971 eine große<br />
Rolle, als <strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> Staaten bestimmt werden mußte, die zu <strong>der</strong> ersten inter<br />
nationalen Umweltkonferenzin Stockholm eingeladen werden sollten. Auch bei<br />
dieser Gelegenheit auf die Annahme <strong>der</strong> »WienerFormel« hinzuwirken, bildete<br />
einen ebenso wichtigen wie schwierigen Auftrag unserer Beobachtermission.<br />
So manche Delegation zögerte, sich bei dem »unpolitischen« Thema Umwelt<br />
noch einmal für Bonn stark zu machen und für die »Wiener Formel« zu stim<br />
men, zumal ja die Bundesregierung inzwischen selber nicht mehr die Staatlich<br />
keit <strong>der</strong> DDR bestritt. Die Sowjetunion drohte mit einem Boykott <strong>der</strong> Stockhol<br />
mer Konferenz, falls die »Wiener Formel« angenommen und demzufolge die<br />
DDR nicht eingeladen würde. War es zu verantworten, wegen des Streits um<br />
die Einladungsformel — unddas hieß praktisch um die Einladung <strong>der</strong> DDR —<br />
die Universalität <strong>der</strong> Konferenz aufs Spiel zu setzen? Die Bundesregierung<br />
stellte als Kompromiß in Aussicht, daß, wenn schon nicht die DDR als solche,<br />
doch ihre Experten zur Konferenz eingeladenwerden könnten. Die DDR jedoch<br />
lehnte jeden Kompromiß ab.<br />
Schließlich stimmte die Generalversammlung mitklarer Mehrheitfür die »Wie<br />
ner Formel«. Alle Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Beobachtermission hatten sich für diesen Ab<br />
stimmungserfolg abgerackert. In ihrem Werben gegenüber den an<strong>der</strong>en Dele<br />
gationen hatten sie immer wie<strong>der</strong> gebeten, den schwebenden Prozeß <strong>der</strong><br />
deutsch-deutschen Verhandlungen, an <strong>der</strong>en Ende <strong>der</strong> gemeinsame Beitritt zu<br />
den Vereinten Nationen stehen sollte, nicht durch einevorzeitige Anerkennung<br />
o<strong>der</strong> Aufwertung <strong>der</strong> DDR zu stören. Ebenso hatten sie erläutert, daß unsere<br />
Bereitschaft, mit dem eigenen Beitritt zugleich die Mitgliedschaft <strong>der</strong> DDR in<br />
den Vereinten Nationen zu akzeptieren, keinen Wi<strong>der</strong>spruch zu dem fortbeste<br />
henden Ziel <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung bedeutete. Die Bundesregierung hatte ja<br />
nicht erst 1973 anläßlich des UN-Beitritts, son<strong>der</strong>n bereits 1970 bei Abschluß<br />
des deutsch-sowjetischen Vertrages im sogenannten Brief zur deutschen Ein<br />
heit ihrZiel bekräftigt, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken,<br />
in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wie<strong>der</strong>er<br />
langt.<br />
Ich möchte an dieser Stelle einfügen, daß die <strong>Deutschland</strong>frage eines <strong>der</strong> Stan<br />
dardthemen war, wann immer ich Gespräche mit meinen ausländischen Kolle<br />
gen führte. Viele Delegierte <strong>der</strong> Dritten Welt versicherten mir, für unseren<br />
Wunsch nach Wie<strong>der</strong>vereinigung volles Verständnis zu haben. Nur konnten sie<br />
sich nicht recht vorstellen, was sie denn zur Erreichung dieses Zieles beitragen<br />
sollten. Manche von ihnen schienen ungeduldig den Tag herbeizusehnen, an<br />
dem ihre Regierung diplomatische Beziehungen zur DDR aufnehmen konnte,<br />
ohne noch unseren Zorn fürchten zu müssen. Das war nicht überraschend.<br />
Dagegen nahmen Gespräche mit Osteuropäern mitunter einen für mich uner<br />
warteten Verlauf. So bekam ich von diesem und jenem Missionschef aus Ost<br />
europa als seine persönliche Meinung zu hören, die Teilung <strong>Deutschland</strong>s sei<br />
unnatürlich und werde nicht unbegrenzt fortbestehen. Es sei aber unumgäng<br />
lich, daß Bonn ersteinmal die DDR anerkenne. Dadurch werde mehr Bewe<br />
gungsspielraum für die europäische Politik gewonnen, würden neue Perspekti<br />
ven eröffnet. Nur wenig verhüllt klang in dieser Einschätzung die Erwartung<br />
mit, daß in Europa Verhältnisse geschaffen werden könnten, die nicht nur zu ei<br />
ner Wie<strong>der</strong>vereinigung <strong>Deutschland</strong>s, son<strong>der</strong>n vor allem zu nationaler Unab<br />
hängigkeit ihrer eigenen Län<strong>der</strong> führen würden.<br />
Die Vertretung Berlins in den Vereinten Nationen<br />
Bei <strong>der</strong> Vorbereitung des Beitritts stellten sich drei Son<strong>der</strong>probleme. Würden<br />
durch unsere Mitgliedschaft die Rechte und Verantwortlichkeiten berührt wer<br />
den, welche die Vier Mächte in bezug auf Berlin und <strong>Deutschland</strong> als Ganzes<br />
besaßen? Wie würde die Vertretung Berlins geregelt werden? Welche Bedeu<br />
tung mußten wir den Artikeln 53 und 107 <strong>der</strong> UN-Charta, den sogenannten<br />
Feindstaatenklauseln, beimessen?<br />
Die Berlin-Frage hatte imSystem <strong>der</strong> Vereinten Nationen oftzu Schwierigkeiten<br />
und Reibereien geführt. AufGrund sowjetischer Interventionen hatte General<br />
sekretär UThant den Mitglie<strong>der</strong>n des UN-Sekretariats Ende <strong>der</strong> sechziger Jah<br />
re untersagt, an Tagungen <strong>der</strong> <strong>Deutsche</strong>n Stiftung für Entwicklungslän<strong>der</strong> in<br />
Berlin teilzunehmen. Wie<strong>der</strong>holt hatte die Sowjetunion dagegen protestiert,<br />
daß Experten aus Berlin als Mitglie<strong>der</strong>einer Delegation <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
zu einer Tagung im Rahmen <strong>der</strong> UN-Familie angemeldet wurden.<br />
Hier mußte vor dem Beitritt soweit wie möglich Klarheit geschaffen werden. Im<br />
Auftrag <strong>der</strong> Bundesregierung übergab ich Generalsekretär Waldheim zusam<br />
men mit unserem Aufnahmeantrag vom 13. Juni 1973 eine Berlin-Note. Darin<br />
teilte Bundesaußenminister Scheel mit, daß die <strong>Bundesrepublik</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />
in Übereinstimmungmit<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Alliierten Kommandantur erteilten Geneh<br />
migung, die Rechte und Pflichten aus <strong>der</strong> UN-Charta auch für Berlin (West)<br />
übernehme und die Interessen von Berlin (West) in den Vereinten Nationen und<br />
ihren Nebenorganen vertreten werde. Diese Note wurde als offizielles Doku<br />
ment veröffentlicht und allen Mitgliedstaaten zur Kenntnis gebracht.<br />
Nicht, daß damit alle Schwierigkeiten beseitigt waren. Moskau und Ost-Berlin<br />
gaben ihre Politik <strong>der</strong> Nadelstiche nichtso rasch auf. Ichbekam dies zu spüren,<br />
wenn ich mit dem Rechtsberater im UN-Sekretariat darüber stritt, ob die beiden<br />
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